Der Kapitalismus der Frauen ist genauso

Eliza McLachlan, 37

Managerin in einer internationalen Werbeagentur, London

  • Wir bitten einen Bekannten aus der Werbebranche, uns eine durchsetzungsfähige, anerkannte Frau aus seiner Sparte zu vermitteln. Er muß nicht lange nachdenken: Eliza McLachlan. Die Ehrfurcht spricht aus seiner Stimme, wenn er ihren Namen sagt; Ehrfurcht und die etwas amüsierte Anerkennung, mit der Männer Frauen auszeichnen, die sie gleichzeitig beeindrucken und schrecken. »Die ist ein echtes Kaliber«, haucht er uns beeindruckt zu, und schon rasen wir im Aufzug hoch, in die obersten Etagen der Werbeagentur Young und Rubicam. Die ihn so beeindruckende Eliza ist schmal, mit schulterlangen blonden Haaren und einem eher burschikosen Auftreten. Nicht die glamouröse, extravagant aufgemachte Frau, die wir in der Werbebranche erwartet hätten, steht uns gegenüber, sondern eine betont sachliche Person, die ihre Sekretärin heimschickt, sich kurz unser Vorhaben erklären läßt und dann zielsicher erzählt. Dazwischen versichert sie sich immer wieder, ob sie nicht vielleicht zu lange und ausschweifend bei irgendeiner Phase ihres Lebens verweilt.

Eine ideologische oder inhaltliche Unterscheidung zwischen Eliza und irgendeinem vergleichbar erfolgreichen Mann in ihrer Branche sucht man vergeblich. Der einzige Unterschied liegt in der Quantität der Leistungen, die Eliza erbringt: neben einem gnadenlosen Arbeitstag in einer gnadenlosen Branche noch das Familienleben, wenn nicht zu betreiben, dann doch zu managen. Eliza beschwert sich nicht darüber und wirkt auch nicht abgehetzt oder innerlich zerrissen. Was sie hat, das möchte sie auch haben; und was sie haben möchte, bekommt sie. »Ich bin die jüngste von drei Kindern. Ich wollte sehr gerne Anwältin werden, aber alle sagten, damit hätte ich als Frau in Schottland keine Chancen. Ich würde keine Klienten bekommen, kein Geld verdienen und davon nicht leben können, wenn ich nicht von Haus aus schon reich und unabhängig wäre. Daher habe ich ein allgemeines Studium gemacht, ohne klare Pläne. Buchhaltung lernte ich aus Mangel an Alternativen, schon in dem Wissen, daß ich dabei nicht bleiben wollte. Ich war eine gute Schülerin. Niemand drängte mich zu lernen. Meine Noten wurden nie kontrolliert. Aber ich ging in eine sehr strenge Schule. Dort ging man einfach davon aus, daß Mädchen gut lernen würden. Es gab viele Regeln. Wenn du langes Haar hattest, mußtest du es ganz fest zurückbinden. Wenn du das vergessen hattest, bekamst du ein Gummiband hineingerollt. Wenn du mit Nagellack an den Nägeln erwischt wurdest, wurde der heruntergeschrubbt mit Azeton. Aber es machte uns eigentlich nicht sehr viel aus, schließlich saßen wir alle im selben Boot. Und ich hatte selbst in das Internat gewollt. Aus keinem, besonders intelligenten Grund, sondern weil ich als junges Mädchen immer Romane las, die von Mädchen handelten, die im Internat waren. Es kam mir sehr romantisch und sehr erstrebenswert vor. Die Stimmung, dort war sehr konkurrenzbetont, und wir wurden auf Leistung gedrillt. Eigentlich war dort ein verrücktes Klima, rückblickend erkenne ich das. Ein Killer-Klima. Es gab nur eine einzige Ausnahme. Beim Hockey-Spielen galt es als geschmacklos, mehr als neun Tore zu schießen - warum, das weiß der Himmel. Wenn du ein zehntes Tor schießen wolltest, wurde es wieder rausgekickt, das war ein ungeschriebenes Gesetz. Meine Erwartungen für die Zukunft damals? Ich hatte keine. Ich bin allerdings immer davon ausgegangen, daß ich einmal Erfolg haben würde. Meine Mutter war auch erfolgreich, auf ihre eigene Art, jedenfalls hatte mein Vater großen Respekt vor ihr, und sie war sehr tüchtig. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die immer vollkommen hilflos und verloren wirkte. Aber außer der sehr allgemeinen Erwartung, daß ich aktiv und erfolgreich sein würde, hatte ich keine konkreten Absichten. Zum Beispiel dachte ich nicht, daß ich jemals heiraten würde. Und dann heiratete ich mit 21. Aber das entspricht mir eigentlich und ist typisch für mich. Wenn sich eine Möglichkeit auftut, ergreife ich sie; das ist mir lieber, als einen Plan zu verfolgen. Ich ändere auch sorglos meine Pläne, denn genaugenommen habe ich keine Pläne. Meinen Mann lernte ich kennen, eine Woche nachdem ich das Internat verließ. Ich war mit einer Freundin unterwegs, und eigentlich wollten wir nur zwei Typen aufreißen, um uns ein bißchen zu amüsieren. Wir dachten dabei an das Übliche: Gut aussehen sollten sie, vielleicht ein Auto haben und ein bißchen Geld, um uns auszuführen. So lernte ich meinen Mann kennen, und ich dachte, daß er sich als Gefährte für die Sommerferien gut eignen würde. Nach zwei Jahren waren wir immer noch zusammen, bis schließlich ein Zeitpunkt kam, an dem entweder mehr daraus werden mußte oder wir es überhaupt bleiben lassen sollten, und da beschlossen wir zu heiraten. In den Anfangsjahren unserer Ehe habe ich unterrichtet. Das war aber eher ein Luxus, denn ich machte das furchtbar gerne. Sonst aber war es ein Job, der nirgends hinführte. Also dachte ich mir, dann gründe ich eben eine Familie. Ich wurde schwanger, und einen Monat vor der Geburt erhielt ich ein tolles Angebot in einer Werbefirma. Und ich nahm es an. Die Werbung ist eine Branche, die mir entspricht, weil sie so entspannt ist. (Fassungslosigkeit unsererseits.) ja, das stimmt schon, einen Fehler darf ich mir nicht leisten, sonst bin ich fertig. Also so gesehen ist es stressig, das ist richtig. Aber mir gefällt daran, daß mir nicht ständig einer über die Schulter schaut. Solange alles gut geht, bin. ich mein eigener Chef, und wenn ich Fehler mache, dann sind es wenigstens meine eigenen Fehler. Außerdem gefällt es mir, den Leuten etwas zu verkaufen. Das ist das Reizvolle daran. Ich finde auch, daß diese Branche Frauen gut liegt. In meine jetzige Stellung kam ich, paradoxerweise, wieder während einer Schwangerschaft. Aber ich war erst im dritten Monat, man sah nichts. Daher war ich sehr unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Denn bei meiner ersten Schwangerschaft hatte man es mir schließlich sofort angesehen, und der Arbeitgeber wußte, was er tat. Schließlich beschloß ich, es anzusprechen, von mir aus, damit es nicht später hieße, ich hätte es verschwiegen. Also sagte ich: ja, ich interessiere mich sehr für diese Position, aber ich muß Ihnen etwas sagen, ich bin schwanger.« Und er sagte: »Ich gratuliere Ihnen, und können wir jetzt bitte mit dem Interview fortfahren?« Am Abend hat er mir dann ein großes Bouquet schicken lassen und dazu die Einladung, die Stellung anzunehmen. Ich habe jetzt drei Kinder. Ich habe ein Kindermädchen und ein Au-pair-Mädchen. Meine Arbeitszeit ist normalerweise von neun bis sieben, und ich versuche, jeden zweiten Abend zu Hause zu sein, bevor die Kinder im Bett sind. Wenn ich das nicht mache und sie mich einige Tage lang nicht sehen, dann fangen sie an, schlecht zu schlafen und nachts wach zu werden. Mein beruflicher Stil? Ich beobachte schon bei Frauen, daß sie eher dazu neigen, ihre Emotionen zu zeigen. Wenn man aber die Emotionen unterdrückt, ist man wirkungsvoller. Ich sehe das so: Wenn man sich schon einmal entschlossen hat, das Spiel mitzuspielen, dann kann man ebensogut auch gewinnen. Und, Frauen sind zu vertrauensvoll. Sie glauben gerne daran, daß sie mit irgendwem ein gutes Arbeitsverhältnis haben und daß diese Person sie daher nicht betrügen oder umgehen wird. Aber es ist besser, wenn man sich auf so etwas nicht verläßt, denn oft ist diese Annahme irrig. Weitere Unterschiede: Frauen sind sorgfältiger. Sie achten auf die Details und machen weniger Fehler. Und sie hassen Kritik. Ich auch. Ich tue fast alles, um sie zu vermeiden. Darum sind Frauen im Berufsleben oft so gute Kräfte, glaube ich; weil sie es unbedingt vermeiden wollen, einen Anlaß für Kritik zu bieten. Als weibliche Vorgesetzte habe ich keine Probleme. Die jüngeren Frauen freuen sich darüber, daß es mich in dieser Position gibt, und die jungen Männer stört es nicht. Manche haben vielleicht ein Problem damit, und ein einziger war sogar dumm genug, es laut zu sagen. Aber im Grunde genommen weiß jeder, wie schwer es ist, in dieser Firma hochzukommen, und deshalb haben sie auch Respekt für alle, die es schaffen. Mein Führungsstil ist, glaube ich, sehr entspannt. Ich sage sehr freundlich: »Würden Sie vielleicht dies oder jenes tun?« Nur wenn Mitarbeiter meinen, eine so lockere Anweisung ignorieren zu können, werde ich schärfer. Mit Autorität habe ich insofern keine Probleme, als ich das ja unterscheiden kann: Das bin nicht ich, das ist mein Job. Es fällt mir auch insgesamt nicht schwer, die Dinge zu trennen. Ich habe z.B. keine Probleme damit, für ein xbeliebiges Produkt zu werben. Wir machen hier auch Werbung für Zigaretten, für Alkohol, für Kernkraft; wenn da jedesmal Mitarbeiter kommen und sagen, dieses Produkt lehne ich ab, das will ich nicht verkaufen, dann kann man keine Firma betreiben. Ich kenne diese Theorien, ja, daß man Leute besser motivieren kann, wenn sie das, was sie tun, auch inhaltlich vertreten und daran glauben. Ich habe es sogar einmal ausprobiert. Wir hatten einen irrsinnigen Verschleiß an Kopierpapier. Ich dachte, -wenn ich jetzt argumentiere, jeder Bogen kostet zehn Pence, und das ist für die Firma eine Verschwendung, wird es keinen rühren. Also sagte ich, hören wir doch auf, die Regenwälder zu verwüsten, sparen wir Papier. Und es hat Wirkung gezeigt. Die Leute fühlten sich anscheinend persönlich angesprochen. Aber im allgemeinen glaube ich nicht daran, daß die Wirtschaftswelt eine soziale Aufgabe hat. Sie hat nur insofern eine, als es dem ganzen Gemeinwesen besser geht, wenn die Wirtschaft gut läuft. Der Arbeitsplatz ist meiner Ansicht nach nicht der geeignete Ort, um soziale Anliegen aufzugreifen. Die Wirtschaft trägt zum sozialen Wohlergehen bei, indem sie, wenn sie gesund ist, die soziale Sicherheit und Versorgung insgesamt gewährleistet. Ich persönlich halte Krippen und Kindergärten in der Firma nicht für eine gute Idee. Ich arbeite oft spät, wie soll das gehen? Das Kind hat es doch besser, wenn es um acht im eigenen Bett liegt und schlafen kann, und ich komme irgendwann heim und schau noch schnell zu ihm rein. Es würde mir überhaupt nicht gefallen, wenn in der Firma irgendwer hinter mir hertrottet mit der Meldung, daß mein Kind schreit, daß mein Kind krank geworden ist usw. Ich will das alles gar nicht wissen. Wobei, das sehe ich schon, es für Frauen in niedrigeren Positionen oder mit einer geregelteren Arbeitszeit anders aussieht. Wenn ich von zehn bis vier arbeite, dann kann es sehr gut sein. Man muß sich das Problem der Kinderversorgung eben differenziert ansehen und von unterschiedlichen Arbeitsrhythmen und -bedürfnissen ausgehen. Meine eigene Situation sieht so aus, daß ich den ganzen Tag lang Leute manage, dann gehe ich heim und manage die Leute dort. Und dazu habe ich noch diverse Krisenpläne für den Fall, daß irgendwer versagt.« Eliza McLachlan fügt sich nahtlos in die Garde des leistungsstarken Managements ein. Von ihren männlichen Kollegen unterscheidet sie nichts, bzw. unterscheidet sie maximal ihre Fähigkeit, so ganz nebenher noch drei Schwangerschaften und später das Management von den drei Kindern und ihrem Betreuungsstab zu betreiben. Nach irgendwelchen alternativen, weiblichen Werten sucht man bei ihr vergeblich. Beachtenswert ist ihre durchgängig pragmatische Haltung, vom Aufreißen der jungen Männer als Ferienbegleiter über das Einbringen des »Regenwaldes,« gegenüber den idealistischeren Mitarbeitern. Eliza ist jemand, der über das Vorgefundene nicht allzu lange nachdenkt und sich nicht aufhält mit Gedanken darüber, ob es gerecht oder ungerecht ist. Das war schon in der Schule so, wo Eliza sich nicht lang mit einer Kritik an den strengen Regeln ihres Internats aufhielt, sondern sich anstrengte, möglichst viele Tore zu schießen und gute Noten zu bekommen. »Wenn man schon mitspielt, kann man ebenso gut auch gewinnen«, der Satz ist bestimmt zentral für das Verständnis ihrer Lebensphilosophie. Fast könnten wir Eliza ein wenig beneiden, denn sie erspart sich viele der geistigen Qualen, Gewissensbisse und schmerzhaften Erörterungen, die andere Frauen mitunter plagen. Ist es gerecht oder ungerecht, wenn eine Frau wegen einer Schwangerschaft diskriminiert wird? Das belastet Eliza nicht; sie will bloß nicht, daß das Verschweigen einer Schwangerschaft ihr später zum Vorwurf gemacht wird. Vernachlässigt sie ihre Mutterpflichten, wenn sie bloß jeden zweiten Abend einen kurzen Gastauftritt bei den Kleinen liefert? Das bereitet ihr keine Sorgen, sie will nur, daß alles »funktioniert«. Und wenn sie ihnen nicht hin und wieder gute Nacht wünscht, dann funktionieren die Kinder nicht mehr, sondern werden mitten in der Nacht wach und stören den Betrieb. Bei all dem ist Eliza McLachlan keineswegs unsympathisch. Sie erweist uns sogar einen Dienst: Sie ruft uns zur Ordnung, wenn wir in Versuchung kommen sollten, romantische Hoffnungen auf die ganz andere Welt zu legen, die aus einer höheren Beteiligung von Frauen automatisch entstehen soll. Sie ruft uns zur Ordnung - aber sie überzeugt uns noch nicht restlos vom Gegenteil. Denn da gibt es noch andere »Kapitalistinnen«: zum Beispiel Anita Roddick.