Für die Sache

Es gibt noch keine Soziologie des weiblichen Erfolges. Daher ist es zu früh, um echte Thesen aufzustellen, aber wir können aufgrund des Materials schon einige Bereiche identifizieren, in denen sich eine ausführlichere Forschung lohnen würde. Ein solcher Bereich betrifft die Ideologie und die Werthaltung erfolgreicher Frauen. Diejenigen Frauen, die ganz gezielt Spitzenpositionen in klassischen Erfolgsbereichen anstrebten, hatten oft einige Merkmale gemeinsam. Sie kamen aus sozial höhergestellten Familien und hatten von klein auf eine gewisse Vertrautheit mit Lebensbereichen , in die andere Leute sich erst langsam und zögernd hineinarbeiten: Sie waren viel gereist, hatten Umgang mit anderen Ländern und Kulturen, man hatte zu Hause viele Bücher und diskutierte miteinander. Viele Barrieren fielen unter solchen Umständen einfach weg: Es gab nie die Sorge, woher das Geld für ein Studium kommen würde; niemand mußte davon überzeugt werden, daß ein Studium sinnvoll war; vor allem aber mußten viele inneren, gedanklichen Schranken nicht übersprungen werden. Diesen Frauen kam es normal vor, mit wichtigen Leuten zu verkehren und zu diskutieren, sich ins Ausland zu wagen, Kunst und Kultur waren ihnen aus ihrer Jugend bekannt, und sie zweifelten nicht an ihrem angeborenen Recht auf die Welt und ihre verschiedenen Angebote. Nicht immer waren alle diese Faktoren gleichzeitig vorhanden. Manche Frauen kamen aus ehemals wohlhabenden Familien, die aus politischen oder anderen Gründen alles verloren hatten, die sich aber die Grundhaltung des Bildungsbürgertums erhalten hatten. Manche gehörten der unteren Mittelschicht an, lebten aber durch irgendwelche Umstände ein außergewöhnliches, weltoffenes Leben. Es ergab sich, wenn wir auf diese Muster gezielt achteten, ein schichtspezifischer Aspekt. Frauen aus einem privilegierten Hintergrund hatten nicht unbedingt schon die besseren Aufstiegschancen. Wenn sie aber aufstiegen, dann tendierten sie eher zu sozialpolitisch unkritischen Tätigkeiten. Man fand sie in der Werbung oder in der Industrie; wenn man sie in der Kunst fand, dann waren sie politisch meist konservativ. Bei Frauen, die eine politisch engagierte oder sozial aktive Richtung einschlugen, oder die in anderer Hinsicht Rebellinnen waren, fand sich im Hintergrund häufig eine unkonventionelle Drehung. Mitunter kamen solche Frauen aus der Arbeiterklasse und hatten eine für ihre Familie ungewöhnliche und unerwartete Senkrechtstarterkarriere gemacht. Oder sie waren in einem Haushalt aufgewachsen, der gegenüber seiner Umwelt eine Außenseiterposition einnahm. Manche Frauen bekamen von Zuhause ein Urgefühl ihres Privilegs, ihres Rechts auf Erfolg und Glück mit; anderen wurde eine kritische Distanz zur bestehenden Ordnung mit auf den Weg gegeben. Der Unterschied machte sich in der weiteren Lebensgestaltung ganz klar bemerkbar. Um diesem Unterschied ein wenig näher zu kommen, werden im folgenden Abschnitt zwei Frauen vorgestellt, die aus einer kritischen Distanz heraus an ihre Lebensplanung herangingen. Solchen Frauen würde es nicht genügen, an die Spitze eines Unternehmens zu gelangen und sich dort am Gefühl der Hochleistung und der Anerkennung zu erfreuen. Sie orientieren sich am Inhalt. Wir wollen das nicht als Wertung verstanden wissen. Zum Ablauf der Welt gehört alles: die Erzeugung von Konsumgütern, der Verkauf von Waren, das Management von Großstädten, die Herstellung von Strom und Energie und auch die Sorge um Benachteiligte, die Kunst, die Philosophie. Es wäre sehr dogmatisch, Frauen immer nur auf letztere Bereiche zu beschränken oder Frauen in ersteren nur zu akzeptieren., wenn sie eigentlich von ihrem Wesen her sozialkritische Philosophinnen sind. Die Frauen in diesem Abschnitt sind eher die sozialen, die philosophischen. Aber dennoch haben sie oft eine sehr pragmatische, praktische Haltung, sind in ihren eigenen Bereichen aufgestiegen und haben dort »Karriere gemacht«. Elizabeth Staunton ist Direktorin der englischen Sektion von Amnesty International. Ihr Interesse an sozialen Fragen und ihr Engagement für die Diskriminierten hätten nicht ausgereicht, um sie für diese Organisation wertvoll zu machen. Dazu brauchte sie ihren Studienabschluß als Juristin, ihre administrativen Talente und ihre Bereitschaft, Zeit und Ausdauer zu investieren.

Texttyp

Soziologische Studien