Der Kapitalismus entdeckt seine Töchter

Die neuen Attribute der Weiblichkeit: Bilanz-Kurven

Das Leben im Management ist hart. Kopfschüttelnd verfolgten die Frauen das schon lange, stellvertretend, am Beispiel der Männer: Da gingen sie, grauer Anzug, Aktenkoffer, früh am Morgen weg, kamen spät abends heim, brachten sich ihre Akten noch am Wochenende mit und erzählten undurchsichtige, aber grauenhaft klingende Dinge über Intrigen im Vorstand, kämpfende Abteilungen und beinharte Konkurrenz. Es war, sie selbst formulierten es so, ein rat race. Bei allem Wunsch nach Gleichstellung: Das Leben dieser Männer schien den meisten von uns wenig erstrebenswert. Sie hatten Herzattacken und Magengeschwüre, es plagten sie Sinnkrisen, ihre Ehen bestanden nur noch auf dem Papier, und ihre Kinder kannten sie kaum. Ihre Tage verbrachten sie in trostlosen Räumlichkeiten mit Menschen, die ihnen bei erster Gelegenheit das Messer in den Rücken stießen, und ihre einzige emotionelle Wärme erhielten sie aus steigenden Bilanz-Kurven. Kein Wunder, daß sie irgendwann, in Minuten der Muße, vom Aussteigen träumten. In gewisser Hinsicht gaben uns Frauen, die ausgerechnet in diese härtesten Sphären von Industrie und Management einsteigen wollten, das größte Rätsel auf. Es war uns bewußt, daß wir damit dem weiblichen Rollenklischee aufsaßen, das nach wie vor von Frauen eine weibliche Motivation verlangt: Sie sollen etwas Schöngeistiges, etwas sozial Relevantes, etwas Menschenfreundliches tun, und wenn sie nicht daheimbleiben und auf ihre Kinder aufpassen wollen, dann sollen sie wenigstens an der Rettung oder zumindest der Verschönerung von Welt und Umwelt arbeiten.
Dieses Vorurteil war es, das die Devisenhändlerin rätselhafter erscheinen ließ als die Präsidentin vom Roten Kreuz. Aber das Klischee erzeugt seine eigene Wahrheit, denn die als männlich geltenden Bereiche sind dadurch wirklich ungastlicher als jene, in denen Frauen einen beheimateten Eindruck erwecken. In diesem Kapitel sehen wir uns Frauen näher an, die sich in die Schaltzentren männlicher Tätigkeit vorgewagt haben. Erwartungsgemäß wiesen diese Frauen eine Reihe von Eigenschaften auf, ohne die sie ihren gewählten Lebensstil nicht ertragen würden: Sie waren abenteuer- und reiselustig, liebten Abwechslungen und Anforderungen und fühlten sich von einem endlosen Arbeitstag nicht belastet, sondern herausgefordert. Aber interessanter und überraschender war an ihren subjektiven Einschätzungen etwas anderes. Denn es war nicht so, daß sie ihre Bereiche als »hart« erlebten - obwohl das zweifelsohne die durchgängige Meinung Außenstehender ist. Was für andere als »gnadenlose, harte Leistungsorientierung« aussah, erlebten diese Frauen geradezu erleichtert als wohltuende Offenheit und Fairneß. Und die Ursache dafür lag nicht in ihrer Persönlichkeitsstruktur, sondern eindeutig in der Weiblichkeit ihrer Vorgeschichte. Wahr war, daß in den von ihnen gewählten Bereichen in erster Linie nicht die Mitmenschlichkeit, die milde Einsicht herrschte, sondern die pure Leistung. Diese Frauen erlebten das aber nicht als »hart«. Denn als »hart« erlebten sie es, ganz im Gegenteil, wenn die Leistung nicht gilt und nicht zählt, bloß weil sie von einer Frau erbracht wird. Als Frauen sind wir es historisch gewohnt, abgewiesen, unterbezahlt und unterbewertet zu werden, einfach deshalb, weil wir Frauen sind. Diese Frauen erlebten daher eine Welt, in der die harten Zahlen, die Jahresbilanzen, die Ergebnisse zählten, richtiggehend als Erleichterung. Die kalte Logik des Profits ermöglichte es ihnen, endlich als Person gemessen zu werden, eine zumindest annähernd gleiche Chance zu haben. Wir alle kennen das berühmte amerikanische soziologische Experiment, in dem Testpersonen aufgefordert wurden, die Güte eines Gemäldes oder eines geschriebenen Artikels zu bewerten. Dieselben Produkte wurden einmal einer Frau, dann einem Mann zugeschrieben. Wenn die Bewerter dachten, daß sie das Werk einer Frau vor sich hatten, beurteilten sie es durch die Bank schlechter, als wenn sie meinten, ein Mann hätte die Sache gemalt oder geschrieben. Problemen dieser Art entkommen diejenigen Frauen, die sich in die harte Welt der Leistungskonkurrenz begeben. Eine Bilanz ist eine Bilanz, ein Profit ist ein Profit, egal wer ihn zustandegebracht hat. Natürlich gibt es noch immer zahlreiche Ungleichheiten: Die Männer bekommen trotz allem mehr bezahlt, rücken sich und ihre Tätigkeiten weit mehr in den Vordergrund, usw.
Das aber sind Dinge, die Frauen mit der Zeit durchschauen. Und je mehr ihre Erkenntnis wächst, daß diese Männer keine unerreichbar mysteriösen, brillianten Dinge tun, sondern daß sie selbst ebenso gut sind, desto mehr schmilzt ihre Bereitschaft, sich das gefallen zu lassen. Und im Vorstand, für den die Dollars und die DMark zählen und nicht die Körperkonturen derjenigen, die sie heimbringen, finden sie sehr oft Verbündete. »Es ist wichtig«, weiß die Bankerin Marita Kraemer, »jedes Jahr einen Zuwachs zu haben, anders kann man die Leistung ja nicht dokumentieren, und die Bank ist ein profitorientiertes Unternehmen. Leistung wird hier durch Umsatzzuwachs dokumentiert.« Die Notwendigkeit, sich bewähren zu müssen, vor den Augen einer ganz offen skeptischen Chefetage bestehen zu müssen, erlebten diese Frauen interessanterweise meist nicht als belastend. Manche sahen es als Ansporn und fühlten sich besonders motiviert. Die anderen fanden es zumindest gut, daß eine Situation, die fast überall unausgesprochen existiert, hier wenigstens offen und manifest gemacht wurde. Frau Klement hatte keine besonderen Ziele oder Ambitionen, als sie bei der Bank begann. Aber dann wurde »schon in der Einstiegsphase mein Ehrgeiz geweckt, weil mit mir zusammen ein Mann ins Büro kam. Er hatte im Gegensatz zu mir studiert, und es hieß sozusagen, nun, wer sich besser qualifiziert von euch beiden, wird bleiben. Meine erste Reaktion war ablehnend, ich dachte, dann sollen sie doch gleich den Herrn Doktor behalten und mich in Frieden lassen, es ist ja wiederum nur ein Spiel, das man sich mit mir erlaubt, um danach sagen zu können, du hast nicht entsprochen und warst nicht gut genug. Aber dann habe ich im Lauf der Zeit irgendwie ein bißchen Blut geleckt, das Ganze hat begonnen, mich zu interessieren, der Ehrgeiz hat sich in mir entwickelt und damit der Entschluß, es ihnen so leicht auch wieder nicht zu machen. Dann habe ich harte Monate, fast Jahre hier verlebt, wo ich gekämpft habe, eisern.« Oft wird der Aufstieg dadurch gefördert, daß die höhere Ebene gastlicher wirkt als die mittlere. Von den Kollegen auf gleichem Level ausgeschlossen, orientiert sich die junge Frau am vergleichsweise wohlgesonneneren Vorgesetzten - oder fühlt sich durch die schlechte Stimmung überhaupt erst aufgefordert, über das normale Maß hinaus zu wollen. Anita Kemper, erfolgreiche Journalistin, wäre vielleicht noch heute Assistentin am Publizistikinstitut, wenn ihre Kollegen nicht so uncharmant gewesen wären: »Für mich war es überhaupt keine Konkurrenzsituation. Ich kam schließlich direkt aus dem Studium, die anderen waren alles Männer und wesentlich älter, einige von ihnen waren meine Lehrer gewesen. In meinen Augen standen sie weit über mir. Anfangs konnte ich mir ihre Unfreundlichkeit nicht erklären; sie schlossen sich zusammen und mich aus, und ich verstand das nicht. Dann erkannte ich, daß sie Angst vor mir hatten. Die Studenten mochten mich lieber, ich hatte eine gute Beziehung zum Institutsvorstand, und ich arbeitete schneller, zum Teil einfach deshalb, weil ich noch keine Familie und wenig andere Verpflichtungen hatte, während sie schon in allen möglichen anderen Sachen drinsteckten. Auch als ich das begriff, wäre es noch meine spontane Lösung gewesen, sich freundlich zu arrangieren. Die Konkurrenz war in meinen Augen unnötig; wir konnten uns das Fach sehr gut aufteilen, und jeder konnte in seinem eigenen Teilbereich glänzen. Aber sie wollten das nicht. Dann dachte ich mir: gut, eben nicht. Meine echte Karriere begann eigentlich aus dem Impuls heraus, es ihnen zu zeigen und mich zu revanchieren. Ich fing an, Artikel zu veröffentlichen und im »echten« Journalismus zu arbeiten. Bald konnten sie mich mit ihren kleinen Gehässigkeiten nicht mehr irritieren, sie waren für mich irrelevant geworden. Und dann ging ich überhaupt weg von der Uni zum Fernsehen. Das Komische ist-. Hätten sie mich nett und wohlwollend aufgenommen, hätte ich es mir dort gemütlich eingerichtet und wäre bestimmt nur halb so weit gekommen.« Es gibt auch Frauen, die diese Konkurrenzfrage ganz anders erleben, die davon überzeugt sind, ihr weitgehend entkommen zu können infolge ihrer Minderheitenrolle. Sie glauben zu beobachten, daß das Machtspiel unter Männern ausgeprägter ist als zwischen einem Mann und einer Frau. Das war aber eine Beobachtung, die nur von einer kleinen Gruppe von Frauen gemacht wurde. Häufiger war die Erfahrung, daß Konkurrenz im Sinne von Rivalität mit Mitarbeitern überhaupt nicht als überragender Faktor eine Rolle spielte, daß die Herausforderung eher darin bestand, eine bestimmte Arbeit zu leisten, Ideen zu haben und umzusetzen und auf die eigenen Leistungen aufmerksam zu machen.
Der Konkurrenzkampf stand eigentlich bei keiner der von uns interviewten Frauen an wesentlicher Stelle. Was ihnen an ihrer Arbeit im Gegenteil gefiel, war die objektive Meßbarkeit der Ergebnisse und damit der Leistung. Und »Leistung« war für sie kein negativ besetztes Wort - es erschien nicht automatisch gepaart mit Problembegriffen wie etwa Leistungszwang oder Leistungsdruck. Es war eher so, daß diese Frauen die starke Rationalität des in ihrer Arbeit geltenden Leistungskriteriums als wohltuend sachlich erlebten, und das als angenehmen Gegensatz empfanden zu der Willkür, mit der weibliche Leistungen in anderen Bereichen einfach abgetan werden können. Auch die Devisenhändlerin Klement hebt diesen Punkt hervor: »Während meiner »Kampfphase« habe ich sehr viel gearbeitet, viele Überstunden gemacht, es ging darum, ein Gefühl zu entwickeln, was wichtig ist und was nicht. Dies ist hier nun aber relativ einfach, weil alles entweder Geld kostet oder Geld bringt. Und wenn man hierfür einmal das Gefühl entwickelt hat und weiß, wo die Gefahren sind, wo man aufpassen muß, wo also die Gewinne und die Verluste liegen, wenn man eine schnelle Auffassungsgabe hat und schnell reagiert, dann ist man eigentlich über Wasser.« Die Deutlichkeit der Kriterien steht in wohltuendem Kontrast zu den persönlichen Abneigungen, mit denen man bei weniger wohlgesonnenen Mitarbeitern zu rechnen hat.

»Was ich immer hintangestellt habe, waren eigentlich die persönlichen Aspekte. Obwohl ich in vielen Situationen sicher auch persönlich, innerlich und emotionell schwer zu kämpfen hatte, habe ich versucht, mich ganz bewußt davon zu lösen und mich mehr auf das Fachliche zu stürzen.«

Die Frau erlebt ihre Arbeitssituation zunächst, weil das ihrer Erziehung entspricht, von der emotionalen Seite. Sie möchte ein gutes Arbeitsklima und möchte, daß alle sie mögen und alle nett miteinander sind. Im Fall von Spannungen und Animositäten fühlt sie sich persönlich in Frage gestellt. Dabei kann sich aber herausstellen, daß die Situation für ihre »Gegner« einfach ganz anders aussieht - für sie ist sie nicht eine Person, die auf ihre menschlichen Qualitäten hin überprüft und für mangelhaft empfunden wurde, sondern sie ist der Eindringling, die Konkurrentin, die Gefahr. Es hat dann keinen Sinn, den Konflikt auf der zwischenmenschlichen Ebene auszutragen, sondern es ist besser, die dahinterstehende Intention zu erkennen und zu vereiteln. Die Gegner wollen verhindern, daß die Frau erfolgreich ihre Arbeit leistet, indem sie sie nervös machen. Diese Strategie vereitelt sie, indem sie die Animositäten ignoriert und unbeirrbar ihre Sache macht. In einer solchen Situation erscheint die »Arbeit«, die sachliche Aufgabe, als etwas freundliches, die »persönlichen Aspekte« dagegen als etwas feindseliges. Es ist nicht wirklich »männliches« Denken, das diesen Frauen zu einer so ausgeprägt leistungsorientierten Haltung verhilft. Im Gegenteil: Die Denk- und Reaktionsschritte, die dieser Gewichtung vorangehen, sind sehr stark dem weiblichen Lebenszusammenhang verhaftet. Ein Rückschlag im Privatleben wird meist viel schmerzlicher empfunden als ein Problem im Arbeitsbereich. Wenn dein Chef dich entläßt, dann - wenn alles mit rechten Dingen zuging - deshalb, weil du einen schrecklichen Fehler gemacht hast oder in einer falschen, dir nicht entsprechenden Arbeit tätig warst. Wenn dein Mann dich aber verläßt, dann wurdest du, als Person und als Mensch, in deiner Gänze abgelehnt. Bestimmt ist es furchtbar, wegen einer schlechten Jahresbilanz oder einer falschen Investitionsentscheidung Jobprobleme zu haben. Aber Frauen sind Schlimmeres gewöhnt; sie haben jahrhundertelang mit der Angst gelebt, daß ihre gesamte psychische und materielle Existenzgrundlage eines Tages davonspaziert. Nicht infolge eines Fehlers, den sie machten, sondern weil dem Gemahl plötzlich eine 18jährige besser gefiel. Dagegen sind Bilanzen richtig menschlich.

Gertrude Tumpel-Gugarell

»Ich hatte zweifellos eine leistungsorientierte Erziehung. Meine Eltern haben beide gearbeitet. Sie hatten gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb, und meine Mutter war daran immer voll beteiligt. Das war sicher ein bestimmender Faktor. Anerkennung ist über Leistung gelaufen, das war zwar unausgesprochen, aber dennoch prägend. Das hat mich nicht irritiert, nein. Ich habe mich dein offenbar früh angepaßt, schon in der Schulzeit. Wobei mich meine Eltern nicht für das Studium gedriIlt haben, das hat sich eher ergeben, meine Lehrer haben das gefördert. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen und mit zehn ins Internat gekommen. Dort gab es die Möglichkeit, durch gute Schulleistungen eine größere Unabhängigkeit zu bekommen. Das heißt, man verdiente sich gewisse Freiräume, indem man gute Noten erhielt. Ansonsten lebte ich im Internat sehr introvertiert. Wenn man nicht von vornherein ein gruppenorientierter Mensch war, war man dort sehr auf sich selbst zurückgeworfen. Später habe ich Volkswirtschaft studiert. Ich hatte nach dem Abitur keinen bestimmten Lebensplan, außer, daß ich studieren wolIte. Das Studium hat mir Spaß gemacht, ich habe dann begonnen, mit verschiedenen Zukunftsideen zu liebäugeln. Journalistin, das war mein erster konkreter Berufswunsch, dann wollte ich Entwicklungshelferin werden, dann wollte ich Philosophie und Mathematik studieren, dann Literatur, dann Politikwissenschaft ... und schließlich bin ich zur Volkswirtschaft gekommen. Ich dachte nicht allzu konzentriert darüber nach, was ich nach dem Studium machen würde; dann aber bin ich gleich zur Bank gekommen. Es hat sich so ergeben. Ich machte Interviews für meine Diplomarbeit, und es ergab sich eine Anstellung. Ich wurde eingesetzt in einem Bereich, wo man Analysen gemacht hat, eher konzeptiv arbeitete. Davon, wie ein Unternehmen funktioniert, habe ich damals noch nichts gewußt. Ehrgeizig war ich bestimmt schon immer, in dem Sinne, daß ich Herausforderungen mochte. Ich wollte immer gerne ein zusätzliches Projekt übernehmen oder was Neues machen. Das war nicht dasselbe wie manche männliche Kollegen, die sagten, ich möchte diese oder jene Position haben. So war ich nicht, aber ambitioniert war ich sicher. Ich habe nicht bewußt eine Strategie für mein Weiterkommen entwickelt. Ich wollte, daß man mir neue Aufgaben übertrug, das entzog sich aber meiner Beeinflussung. Nach fünf Jahren war ich daher ein bißchen unruhig und bin ein halbes Jahr zur Ausbildung nach Amerika gegangen. Ich wollte, daß sich etwas verändert oder daß eine neue Herausforderung hinzukommt. Dann aber bin ich überhaupt in einen ganz anderen Bereich gegangen. Mir wurde die Stelle als Ministersekretärin im Finanzministerium angeboten. Da habe ich sehr viel gelernt. Es war sehr aufreibend, aber man lernt sehr viel. Es war damals ziemlich ungewöhnlich, daß eine Frau das macht, gerade im Finanzministerium. Vor allem aber war es eine konfliktreiche Zeit, bedingt durch einige wirtschaftspolitische Themen, die heute nicht mehr strittig sind, um die damals aber der Streit tobte. Es war insgesamt ein sehr belastendes Klima, ein irrationales Klima. Und es war am Anfang ungewohnt, daß eine Frau, .noch dazu eine so junge Frau wie ich , in dieser Position war. Aber ich glaube, daß ich mir da einen ganz guten Ruf geschaffen habe, ohne jetzt angeben zu wollen. Ich habe eigentlich immer auf die Fachkompetenz gesetzt und auch auf persönliches Auftreten, d.h. ich bin verhandlungsfähig und nicht arrogant, ich stelle meine Person nicht so in den Vordergrund, ich habe gewisse sachliche Ziele, die ich versuche durchzusetzen. Dazu gehört auch eine gewisse Zähigkeit und Ausdauer. Nach dreieinhalb Jahren bin ich wieder in die Bank zurückgegangen in meinen ursprünglichen Bereich. Später bin ich dann hierher gekommen, in eine Position als Abteilungsleiterin, relativ nahe der Bankleitung. Seit der Uni arbeite ich nun also 14einhalb Jahre. Die erste entscheidende Wegkreuzung war sicher, daß ich die Position in der Bank erhielt, das war mir damals noch nicht so bewußt. Die zweite Wegkreuzung war das Ministerium, denn dadurch bekam ich ein Interesse an Wirtschaftspolitik außerhalb der Bank, an wirtschaftspolitischen Zusammenhängen. Hätte ich mich hier beschränkt auf die Arbeit von acht bis vier, dann hätte ich diese Entwicklung nie machen können. Dann wäre es für mich ein Beamtenjob geworden. Es wäre möglich gewesen, sozusagen mein ganzes Berufsleben in diesem ersten Bereich zu verbringen, der ja ein interessanter Bereich ist. Aber das liegt mir nicht. Ich wollte darüber hinaus etwas machen, mich engagieren. AIs persönliche Strategie hat es sich für mich bewährt, auf die Fachkompetenz zu setzen. Natürlich muß man auch Chancen nutzen, die sich ergeben, das ist nicht komplett planbar. Bewährt hat es sich sicher auch, einen Freundeskreis zu haben, mit dem man sprechen kann und der letzten Endes ein Netzwerk bildet, wo man informell Probleme lösen kann. Und dann braucht man noch eine gewisse Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, persönliche Geduld und ähnliches. Im Konfliktfall versuche ich, die Motivation der Leute zu verstehen. Ich habe mich früher mit Gruppendynamik beschäftigt, das hat mir geholfen zu verstehen, warum sich Menschen in einer Organisation in einer bestimmten Weise verhalten. Wenn ich angegriffen werde, versuche ich zu verstehen, warum die Leute so reagieren und versuche, im Sinne der Sache, die ich durchsetzen möchte, mich persönlich aus dem Konflikt herauszuhalten. Ich bin nach wie vor in vielen Sitzungen die einzige Frau. Diese Situation ist mir sicher leichter gefallen durch meine Erfahrungen im Ministerium. Wenn man Ministersekretärin ist, wissen alle Leute, daß die Papiere einfach über diesen Schreibtisch gehen müssen, ganz egal, ob eine Frau oder ein Mann dahintersitzt. Dort hatte ich es mit sehr hochrangigen Leuten zu tun, und die Interaktion war möglich, weil ich die Funktion, die Kompetenz hatte. Und genauso ist es hier, zumindest dann, wenn man das Vertrauen der wesentlichen Personen hat. Dieses Vertrauen wird einem nicht selbstverständlich entgegengebracht, und sicher müssen Frauen sich viel stärker beweisen und müssen zeigen, daß sie voll engagiert sind, während man das in der Regel von hoffnungsvollen jungen Männern sowieso annimmt. Vor allem in den ersten Jahren sah ich mich häufig mit der Einstellung konfrontiert: »Die fällt ja eh bald aus«, was mich damals sehr irritiert hat. Eine Selbstblockierung der Frauen besteht wahrscheinlich darin, daß Frauen zu wenig selbstbewußt sind. Daß sie zwar, wenn sie Verantwortung übertragen bekommen, seht-, sehr verantwortlich sind, aber sich in der Regel unterschätzen in ihrem Wert und keine Ansprüche stellen. Ich kenne kaum Frauen, die aktiv Gehaltsforderungen gestellt hätten, und keine Frau, die wirklich massiv aufgetreten ist. Wenn Frauen Karriere machen, dann meist über ihre fachliche Qualifikation, also weil sie einfach sehr gut waren, aber das war in vielen Fällen auch das Hindernis für ihr Vorankommen an die echte Spitze. Das sind dann die Expertinnen, die man hat und zu Rate zieht, die man aber nicht gehen läßt. Auch mir selbst ist es unangenehm, eine finanzielle Forderung zu stellen. Da sind Hemmungen, weil man sich nicht verkaufen will, man möchte nicht eingestuft werden, man glaubt, die andern müßten ja wissen, wie gut man ist und müßten das honorieren. Ohne Zweifel ist die Kombination eines anspruchsvollen Berufslebens mit einem guten Privatleben nicht ganz einfach. Mit einem verständnisvollen Partner ist es leichter, und so einen habe ich. Wir sind beide beruflich sehr engagiert, er ist Finanzsekretär im Österreichischen Gewerkschaftsbund, ein verwandter Bereich also. Die viele Arbeit führt schon zu einer Art Suchtverhalten. Wenn man sehr engagiert ist, kann man sein Leben nicht mehr so ordentlich in Bereiche einteilen, Arbeit oder Freizeit. Man möchte ein Problem lösen, dazu muß man zuerst etwas herausfinden ... das ufert aus. Die berufliche Arbeit kann für Frauen durchaus denselben Stellenwert haben wie für Männer. Ich z.B. mache am Wochenende lieber ein Konzept oder etwas Ähnliches als die Hausarbeit, ganz sicher. Im Prinzip aber versuche ich, in meiner Freizeit nicht beruflich zu arbeiten. Ich habe auch sehr gute Mitarbeiter. Man muß die Zusammenhänge in der Arbeit in den Vordergrund stellen und muß das systematisch mit den Mitarbeitern aufbauen. Man muß ihnen Vertrauen entgegenbringen und sich die Arbeit teilen. Das lernt man nirgends, das muß man einfach in der Praxis probieren und sehen, daß das Gesamtteam produktiver ist, als wenn einer viel arbeitet und die anderen irgendwelche Sachen machen und nicht wissen, woran sie arbeiten. Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihr als Ratschlag für die berufliche Laufbahn mitgeben: Bereit sein für Veränderungen, neugierig bleiben, das Ganze nicht starr sehen. Ich erinnere mich noch, ein Personalchef hat mich einmal gefragt, mit welchem Gehalt ich in Pension gehen möchte. Das hat mich schrecklich deprimiert, dieser Gedanke, daß man einem schon vorgezeichneten Weg folgt. Ich versuche mein Leben anders zu gestalten, obwohl es bestimmt Leute gibt, die das mögen und darin ihre Sicherheit sehen. Für mich ist es ein schrecklicher Gedanke, irgend etwas für immer zu machen.«

Elisabeth Klement

  • Eigentlich könnte man Elisabeth Klement als Selfmadewoman bezeichnen. Ohne Universitätsabschluß schaffte sie es, im Alter von 33 eine hochqualifizierte und anspruchsvolle Position als Devisenhändlerin zu erreichen. Als Kind und junge Frau schien sie nicht dazu auserwählt, eine solche Stellung anzustreben; sie selbst dachte eher an Klischeeberufe wie Stewardeß, aber auch daran, zu heiraten und halbtags irgendetwas zu machen.

Unter der Oberfläche aber brodelten offensichtlich Eigenschaften, die einen solchen Weg nicht zuließen. Lange ließ sie sich treiben; auch die Bank war die Wahl ihrer Eltern, ein schöner solider Aufenthaltsort für die Tochter. Erst als sie in eine direkte Bewährungssituation kam, weckte das ihren Ehrgeiz. Heute spricht sie mit einer Lust über ihre Arbeit, die man in einer Sparte wie Bank und Devisenhandel gar nicht vermuten würde. Interessant an ihren Gedanken ist vor allem aber die Idee eines Gleichgewichts zwischen Beruf und Privatleben. Und der Begriff des Selbstvertrauens, der in beiden Bereichen seine Rolle spielt. In der schon einmal zitierten Studie von Kelly und Boutiller über politisch engagierte Frauen verwendeten diese einen Begriff, der in der Politikwissenschaft wichtig ist: den Begriff der »efficacy" oder Effektivität. In der politischen Theorie besagt dieser Begriff, daß eine Person daran glaubt, daß sie zumindest die Chance hat, etwas durchzusetzen oder zu verändern. Dieser Glaube ist ungleich verteilt; in Demokratien ist er meist größer als in Diktaturen, bei der Oberschicht größer als bei Arbeitern usw. Er entsteht aus der Erziehung, der Beobachtung und der Erfahrung. Eine autoritäre Erziehung bewirkt unter anderem auch, daß der spätere Erwachsene übermäßig anpassungswillig und gehorsam sein wird; er hat gelernt, daß er gegen die Übermacht der Regierenden sowieso nichts ausrichten kann und es gar nicht versuchen darf. Mädchen werden noch immer so erzogen, daß ihr Vertrauen in die eigene Effektivität gering bleibt. Kelly und Boutilier entdeckten, daß politisch aktive Frauen meist schon in ihrer Jugend oder im jungen Erwachsenenalter eine entweder ungewöhnliche Entwicklung durchgemacht hatten oder irgendwelche ermunternden Erfahrungen hatten machen können. Das zeigte ihnen, daß es sich lohnte, sich einzusetzen. Elisabeth Klement ist eine weitere Illustration für diese These. Eigentlich rechnete sie sich, als ein Konkurrent mit Studienabschluß auftauchte, kaum Erfolgschancen aus. Fast hätte sie schon vorweg resigniert, dann aber bemerkte sie, daß sie selber gar nicht so dumm und so unbegabt in dieser Materie war, und beschloß, es zumindest zu versuchen. Mit der Beschäftigung kam auch Interesse auf... Elisabeth erlebte sich als »effektiv«. Es ist bei Frauen nicht unüblich, diese Erfahrung zunächst durch eine Leistung oder sogar ein Amt zu machen. So entkommen sie dem eigenen, noch unzulänglichen Selbstvertrauen, indem sie sich hinter eine neutralere Sache oder Kompetenz stellen. Gertrude Tumpel-Gugarell gewöhnte sich an die Ausübung von Autorität, indem sie als Ministersekretärin im Finanzministerium fungierte. Es war sehr ungewöhnlich, daß eine Frau, und noch dazu eine so junge Frau, diesen wichtigen Posten einnahm. Aber Gertrude wurde akzeptiert, weil sie einen Schreibtisch besetzt hielt, über den einfach alles drüber mußte. Die Erfahrung des Akzeptiertwerdens infolge von Leistung, wie die Erfahrung, daß gewisse mysterienumwobene Dinge gar nicht so schwierig sind, ist für viele Frauen ein Wendepunkt ihrer persönlichen Entwicklung. Und: Die Erkenntnis spielt nicht nur im Beruf eine Rolle. Das Selbstvertrauen, das im Berufsalltag erworben wird, beeinflußt das Privatleben. »Meine Eltern wollten zweifellos, daß ich eine qualifizierte Ausbildung mache. Ich war ein relativ spätes Kind, aus der zweiten Ehe beider Elternteile, und hätte dem Wunsch meiner Eltern zufolge eher ein Bub als ein Mädchen werden sollen. Dadurch ergab sich vielleicht ein spezieller Druck, was meine Ausbildung in Richtung Studium betraf. In meiner Entwicklung habe ich während der Jugend die verschiedensten Phasen durchgemacht. Mal wollte ich ins Berufsleben einsteigen, mal dachte ich, ich hätte eigentlich lieber einen Mann und Kinder und nebenbei vielleicht einen Halbtagsjob als Sekretärin. Ich habe verschiedene Phasen durchgemacht, auch zu studieren begonnen, aber der Druck von Zuhause war zu groß. Ich finde, die Studienzeit ist ja nicht nur eine Zeit für die Aneignung von Wissen, sondern auch für die Entwicklung der Persönlichkeit und das Genießen einer gewissen Freiheit. Für mich war es das aber nicht, und deswegen habe ich es nicht ausgehalten, sondern es an den Nagel gehängt. Es hieß dauernd: »Hast du gelernt, hast du das schon gemacht, du kannst jetzt nicht weggehen..., und ich habe noch zu Hause gewohnt und war diesem Druck voll ausgesetzt. Das war eigentlich der Grund, warum ich das Studium aufgegeben habe, mir gesagt habe, ich muß arbeiten gehen, ich muß selbständig sein, ich brauche die Freiheit, die Verantwortung. Ich kann nicht so abhängig sein, auch im Finanziellen, ich möchte meine vier Wände haben und meine vier Schilling, sozusagen, und mit dem dann halt mehr oder weniger wirtschaften. Es war dann schwierig, einen Beruf zu finden, der meinen Vorstellungen nahekam. Mein Traumberuf wäre es gewesen, dauernd auf Reisen zu sein, so als akademischer Reiseleiter zum Beispiel, so bis 2000 v. Chr. in der Geschichte zurückzugehen. Länder, Sprachen, dieser Komplex hat mich sehr interessiert. Meine Idee wäre es gewesen, Stewardeß zu sein oder etwas Ähnliches. Ich wollte mit Leuten zu tun haben und den Duft der großen weiten Welt genießen. Ich stand unter ziemlich starkem Einfluß von meinen Eltern, und mir wurden diese Ambitionen ausgeredet. Sie fanden das zu unsicher, zu unstet. Ich habe dann verschiedene Gedankenspiele durchgemacht, von Sprachen über Mathematik bis zu Versicherung oder Mode, bis eine Kette von Zufällen ergab, daß ich zur Bank kam. Auf Anraten eines Familienfreundes; der meinte: »ja, das ist doch ideal, ein sicherer Job für eine Frau, auch wenn sie einmal heiratet und Kinder hat, ist sie dort gut aufgehoben. So wurde der Familienbeschluß gefaßt, die Elisabeth geht in die Bank. Im Lauf meiner 13 Jahre hier habe ich sehr, sehr viele verschiedene Positionen innegehabt. Die ersten paar Jahre bin ich überhaupt nach dem Motto der Job-Rotation in verschiedenen Büros gewesen. Dann. war ich für ein paar Monate in einer Zweigstelle, und schließlich kam ich, durch Zufall, in dieses Büro. Und das war meine persönliche Trendwende, denn hier ist schon in der Einstiegsphase mein Ehrgeiz geweckt worden, weil mit mir zugleich ein Mann ins Büro kam, der studiert hatte. Und es hieß, nun, wer sich besser qualifiziert von euch beiden, wird bleiben. Meine erste Reaktion war dann eher ablehnend. Ich dachte, dann sollen sie gleich den Herrn Doktor behalten und mich in Frieden lassen, das ist ja wieder nur ein Spiel, das man mit mir spielt, um danach sagen zu können, ich hätte nicht entsprochen. Wobei es für mich weniger eine Frage von Mann-Frau war, als von studiert-nicht studiert. Aber im Lauf der Zeit dann, als ich ein bißchen Blut geleckt hatte und das Ganze begonnen hat, mich zu interessieren, hat sich der Ehrgeiz in mir entwickelt und der Entschluß, es ihnen nicht so leicht zu machen. Dann habe ich harte Monate, fast Jahre hier verlebt, wo ich gekämpft habe, eisern. Die Situation im Büro hat sich dann aber auch entspannt. Gerade in einer Welt, die den Männern gehört, kann man durch die Tatsache, Frau zu sein, auch profitieren. Ganz einfach, weil man absticht von der breiten Masse. Außerdem glaube ich, daß dieses Machtspiel zwischen Männern in gewissen Situationen offensichtlicher ist als zwischen Mann und Frau. Daher ist die Situation, als Frau in einer Minderheit zu sein, nicht nur negativ. Während meiner »Kampfphase« habe ich sehr viel gearbeitet, viele Überstunden gemacht, es ging darum, ein Gefühl zu entwickeln, was wichtig ist und was nicht. Dies ist hier nun relativ einfach, weil alles entweder Geld kostet oder Geld bringt. Und wenn man hierfür einmal das Gefühl  entwickelt hat und weiß, wo die Gefahren sind, wo man aufpassen muß, wo also die Gewinne und die Verluste liegen, wenn man eine schnelle Auffassungsgabe hat und schnell reagiert, dann ist man eigentlich über Wasser. Was ich immer hinten angestellt habe, waren die persönlichen Aspekte, obwohl oder gerade weil ich in vielen Situationen sicher auch persönlich, innerlich und emotionell schwer zu kämpfen hatte. Ich habe dann immer versucht, mich ganz bewußt davon zu lösen und mich mehr auf das Fachliche zu stürzen. Natürlich gab es Konfliktsituationen, die auf bestimmte Personen bezogen waren. Es gibt einfach Leute, mit denen versteht man sich auf Anhieb, und mit anderen kann man es eben nicht so gut. Manche haben dieselbe Wellenlänge und manche nicht. Manchmal schien es besser, diesen Personen aus dem Weg zu gehen, und in anderen Fällen war es möglich, eine Konfrontation zu suchen und damit mitunter das Problem zu lösen. Manchmal bildet man sich nur ein, der will mich nicht, obwohl es gar nicht stimmt. Ich würde sagen, ich war in meinem Verhalten wahnsinnig selbstkritisch, viel zu selbstkritisch, und ich habe daher auch. sehr, sehr depressive Phasen durchgemacht. Wenn man zuerst zu selbstkritisch ist, kommt einem das nachher mitunter als Bonus zugute. Denn wenn ich mich erst einmal über Wasser, also sicher fühle, dann gibt es eigentlich nichts mehr, was sich mir in den Weg stellen kann. Dann bin ich 150prozentig, und dann ziehe ich die Sache durch. Aber bis ich mich zu Wort melde und bis ich wirklich sicher bin, überzeugt bin, daß alles stimmt und ich alles weiß, bin ich eher sehr zurückhaltend. Und Männer verhalten sich sicher nicht so. Ich kann jetzt ziemlich gut vergleichen aufgrund langjähriger Beobachtung, und ich glaube, das beurteilen zu können. Wenn ein Mann etwas zu 50 Prozent weiß, dann redet er auch schon darüber. Und zwar in einer Art und Weise wie ich, wenn ich nicht 100prozentig sicher wäre, nie den Mund aufmachen würde. Seit August vorigen Jahres bin ich per Nominierung zuständig für das Management unserer Devisenreserven. Das sind en gros zwischen 40 und 100 Milliarden Schilling, manchmal auch nur 80 veranlagt in verschiedenen Instrumenten und verschiedenen Währungen. Aus dieser Veranlagung ergeben sich Erträge, die in der Folge zum größten Teil ja an den Staat abgeführt werden. Nun gibt es gewisse Vorschriften, nach denen dieses Management zu betreiben ist. Motto eins ist, es muß sicher sein. Motto zwei: Die Dinge müssen liquid sein, denn wir müssen dafür Sorge tragen, daß wir nicht zahlungsunfähig werden, denn wenn es in Österreich sehr viele Kapitalabflüsse gibt, dann beschaffen sich die Banken bei uns das Geld. Wir geben aus den Devisenreserven das Geld ab. D.h., wenn also ein großer Bedarf da ist, müssen wir jederzeit dafür einstehen können. Der dritte Punkt ist die Rentabilität. Er steht an dritter Stelle, ist aber auch sehr wichtig. Denn wir sollen natürlich schon die bestmögliche Rendite bringen, vor allem die auf Jahre hinaus gesehen bestmögliche. Man darf nicht aufgrund eines besonderen Umstandes plötzlich reagieren und einen enormen Ertrag haben, und zwei Jahre nachher weiß man dann nicht mehr, wie man das Geld zusammenkratzen soll. Das ist eine sehr große Verantwortung, und ich bin mir ihrer auch bewußt. Es ist etwas unheimlich Interessantes, und es ist jeden Tag, wenn man in der Früh kommt, irgendetwas Neues los. Es ist nie gleich, man ist ständig gefordert, und es ist sicher in gewissem Maß auch schwierig, denn man kann nie 100prozentig, richtig liegen. Man muß immer mit Rückschlägen rechnen, das geht in diesem Berufszweig nicht anders. Das hat alles, in Banken oder Investmentfonds und Ähnlichem, eine spekulative Ader. Ich weiß nicht, was morgen ist, ich kann nur glauben, es zu wissen, und bestmöglich handeln, aber ich weiß es in Wirklichkeit nicht, und daher ist die Arbeit hier sehr kurzweilig. In bezug auf meine ursprünglichen Berufswünsche ist doch noch einiges eingetroffen, denn wir machen hier auch Reisen ins Ausland und besuchen Seminare. Wir haben auch sehr viele ausländische Gäste von den verschiedenen Geschäftsbanken. Und ich würde sagen, in meinem Alltag telefoniere ich mindestens die Hälfte meiner Zeit mit der ganzen Welt. Also, eigentlich bin ich nicht ganz weg von dem, was ich ursprünglich wollte. Nur ist es ganz anders. Es hat mit Ausland zu tun, mit Sprachen, auch mit kulturellen Dingen; denn wenn ich zum Beispiel mit einem Japaner spreche, muß ich mich auf den kulturellen Unterschied einstellen und muß ein Gefühl dafür entwickeln, daß der anders ist. Es gibt international kaum Frauen in vergleichbarer Position, außer in den skandinavischen Ländern. Da gibt es viele im Portfoliomanagement. Aber es ist weniger die Tatsache, eine unter wenigen zu sein, die mich fasziniert, als die Sache selbst. Eine geregelte Arbeitszeit haben wir nicht. Alle wissen, wann sie hier sein müssen, um nachher nicht in Druck zu kommen. Rein theoretisch kann ich sicher erst um halb neun hier erscheinen, aber dann kann ich die ganzen Informationen, die hier hereinkommen, nicht mehr verarbeiten. Die Hektik und das Hintennachrennen, das mag ich nicht. Ich bin »meiner Zeit gern voraus«, und außerdem werden Dinge, die man vor sich herschiebt, immer größer und zum Problem. Wenn ich sie immer wieder aufschiebe, dann mag ich sie noch weniger. Ich beginne normalerweise um acht Uhr und Schluß ist sozusagen open end. Wenn wir es uns einteilen und die Märkte halbwegs ruhig sind, dann kann ich manchmal auch um vier Uhr gehen, aber oft sitze ich auch um sieben oder acht noch hier. Aber das stört mich persönlich nicht. Anders ist es, wenn man ein Kind zu Hause hat, aber mich persönlich stört es nicht, und die Beziehung hat es auch nicht beeinträchtigt. Mein Mann ist in einer Beratungsfirma für Banken und Versicherungen beschäftigt und beruflich auch sehr im Einsatz. Mir ist es lieber, wenn der Tag manchmal lang ist, aber vom Arbeitsrhythmus bestimmt wird, als wenn ich jeden Tag eine feste Arbeitszeit habe, früher wegkann, aber auch dann hier sitze, wenn es keinen rechten Grund dafür gibt. Für einen Beruf wie meinen braucht man, glaube ich, den richtigen Partner. Für Frauen, die einen Mann im herkömmlichen Sinn haben, ist es sicher sehr schwer. Wir versuchen, an solche Sachen halbwegs pragmatisch heranzugehen. Kochen für zwei Personen, finde ich, ist schlicht und einfach überflüssig. Es gibt Mikrowelle, es gibt Tiefkühlsachen, man kann zum Italiener gehen. Ich habe keine Aversion gegen das Kochen, ich mache zum Beispiel gerne Mehlspeisen. Aber ich habe eine Aversion gegen Dinge, die unnötig sind. Am Samstagvormittag eine Einkaufsliste zu erstellen, dann einkaufen gehen, am Sonntag kochen, essen bis um drei und dann den ganzen Schmutz bis zum Abend wegräumen, also, wenn man so wenig Zeit miteinander verbringt, dann sollte man die auch sinnvoll nutzen und nicht im Alltag untergehen. In der Woche ist das Problem sowieso nicht relevant, da gehen wir beide Mittagessen, und am Wochenende trifft man oft Freunde und geht weg. Hier und da mal kochen wir was und laden ein, es läßt sich, eigentlich alles lösen, und die Hausarbeit, finde ich, ist halt auch immer so viel, wie man daraus macht. Wir haben versucht, uns das zu teilen, je nachdem wer halt mehr oder weniger engagiert war in der Woche. Das Gros ist aufgeteilt. Und manchmal sagen wir, o.k., jetzt reicht's uns, da muß wieder der Wirbelwind durch, und dann arbeiten wir zusammen und schauen, daß wir in ein bis zwei Stunden die Wohnung wieder halbwegs auf Schuß haben. Das ist eine organisatorische Sache. Wenn ich jedes Stück, das ich ausziehe, oder jede Tasse eben nicht irgendwo in eine Ecke stelle, sondern sofort wegräume oder ausspüle, dann bleibt nicht so viel. Ich finde, man muß sich organisieren, und es stehen in meiner Wohnung auch nicht hunderttausend Sachen herum. Ich habe schon Sachen, die sehr zeitintensiv sind, z. B. Pflanzen, aber das ist für mich eine Entspannung und nicht eine Belastung. Ich habe meinen Mann zu einem Zeitpunkt kennengelernt, wo sich schon abgezeichnet hat, daß ich beruflich zu engagiert sein wurde, um Hausfrau zu spielen bzw. den ganzen Haushalt alleine zu schaffen. Ich wußte da schon, auch wenn ich ein erfülltes Privatleben habe, wird es nichts daran ändern, daß auch mein berufliches Leben mir wichtig ist. Ich könnte weder mit dem einen noch dem anderen ausschließlich leben, wobei ich, wenn ich ganz ehrlich bin, einer privaten Veränderung vielleicht gelassener ins Auge blicken würde als einer beruflichen. Wenn sich aus irgendwelchen Gründen hier Schwierigkeiten ergeben würden und die mich in den Tiefkeller zu den Goldbarren zum Aufpassen setzen würden, dann würde mir das, glaube ich, mehr weh tun als wenn ich jetzt privat Probleme bekäme. Als ich diese Position übernahm, habe ich keine Ressentiments gespürt. Ich war einfach schon lange genug hier, und es war eindeutig eine fachliche Entscheidung. Die Unruhe, die meine Ernennung mit sich brachte, war nicht größer als bei jeder anderen Umstellung, wenn die Mitarbeiter alle überlegen, wie sie mit der neuen Person zurechtkommen werden und was es für ihre persönliche Position bedeutet. Bezüglich der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern versuche ich in erster Linie, alles auszusprechen, Positives und Negatives. Ich versuche, ganz genaue Richtlinien zu setzen, den Leuten zu sagen, was ich mir erwarte und wie ich die Dinge sehe. Leute arbeiten viel besser, wenn sie sehen, daß sie Teil einer Gesamtstrategie sind, das können sie aber nur wissen, wenn sie hinreichend informiert werden. Ich versuche, offen darüber zu sprechen und wenn ich mich ärgere, das auch nicht zu schlucken. Und es fällt mir relativ leicht, wenn ich vorher deutlich über meine Erwartungen gesprochen habe, nachher auch ein Resümee zu ziehen, wenn es sein muß auch ein negatives. Ich kann dann sagen: »ja bitte, eigentlich haben wir uns gestern darüber unterhalten, und jetzt hast du genau das Gegenteil gemacht, warum?« Ich kann meinen Unmut äußern, denn ich finde es fairer, demjenigen zu sagen, was mir nicht gefällt, als es über sieben Ecken weiterzutragen. Ich versuche, ein kumpelhaftes Verhalten zu zeigen, wobei das immer eine Gratwanderung ist. Beruflich und privat bin ich vollauf zufrieden. In den letzten zwei Jahren habe ich da persönlich eine Entwicklung durchgemacht, so daß ich jetzt versuche, ganz bewußt den Tag oder die Woche zu leben. Wahrscheinlich gelingt mir das, weil ich mehr Erfüllung im täglichen Leben finde und einen Ausgleich habe. Wenn man im Beruf nicht zufrieden ist und wenn's privat nicht so hinhaut, dann flüchtet man in die Zukunft. Wenn man aber so ziemlich zufrieden ist mit dem Umfeld, in dem man sich befindet, lebt man mehr für die Gegenwart. Und eigentlich ist das ein wunderschönes Gefühl. So finde ich meine jetzige Einstellung sehr positiv, und gewachsen ist sie sicher aus dem Gleichgewicht meiner Lebensbereiche.«

Marita Kraemer

  • Marita Kraemer führt uns in einen Konferenzraum der Bank, um für das Gespräch einen ruhigen Ort zu haben. Ihre Kleidung ist, bankgemäß, konservativ, aber edel. Der optische Eindruck des »Bankiers« Wird außerdem relativiert durch ein sehr weiches, liebliches Gesicht und eine fürsorgliche Art. Das Wort »Streß« paßt ohne Einschränkungen auf Marita Kraemers Berufsleben. Das sieht man ihr nicht an, und sie scheint es auch nicht so zu empfinden. Denn was wünscht sie sich gleich, nachdem sie seufzend die Belastungen ihrer Arbeit beschrieben hat? Mehr Verantwortung, mehr Belastungen, einen Führungsjob. Auf Marita Kraemer werden wir noch öfter zurückkommen, denn ihre Sichtweise der Arbeit, aber auch des Privatlebens ist interessant, und sie ist eine beeindruckende Vertreterin der weiblichen Erfolgs- und Aufstiegsgeneration.

»Aufgewachsen bin ich in einer Mittelschichtfamilie. Mein Vater war Abteilungsleiter in einem großen bayerischen Unternehmen. Meine Mutter war Hausfrau, was ihr nie gefallen hat; sie war eine sehr souveräne Frau, die den Wunsch, unabhängig zu sein, auch an mich weitergegeben hat. Ich sollte mich selbständig machen und nicht in die Hausfrauenrolle drängen lassen. Es gibt da so ein Schlüsselerlebnis: Ich war etwa zehn Jahre alt und wollte einen Kuchen backen. Der ist mir dann mißlungen. Meine Mutter hatte keine Lust, mir zu helfen, sie sagte nur, sie würde das jetzt zu unserem Schäferhund hinaus bringen, der könne das fressen. Ich versuchte es ein zweites Mal. Es ging wieder schief, ich war aber sehr ehrgeizig und fing ein drittes Mal an. Da meinte sie, der Hund sei nun wohl schon satt, und ich sollte lieber aufhören. Das war stark in der Erziehung, nur ja keine Freude am Hausfrauendasein zu empfinden. Mein Vater war ziemlich leistungsorientiert und achtete immer darauf, daß meine Schulnoten gut waren. Dennoch verlief meine Ausbildung nicht geradlinig. Ich habe zuerst eine Lehre gemacht, dann eine Fachhochschule für Wirtschaft, dort habe ich nach einem Jahr Fachabitur gemacht. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, das Gymnasium war in der Stadt. Der Weg dorthin war ziemlich beschwerlich, ich hätte jeden Morgen zwei Kilometer zum Bahnhof laufen müssen. Ich hatte Angst davor, daß mir da etwas passieren könnte, ich habe daher als Neunjährige nicht genug darauf gedrängt. Ich machte eine kaufmännische Lehre, ging dann auf die Fachhochschule. Der Wirtschaftsbereich entsprach meinen Neigungen, und ich beschloß, im Marketingbereich zu arbeiten. Deswegen habe ich das Fachabitur nachgeholt und dann Marketing studiert. In meinem Jahrgang waren ungefähr 180 Studenten, davon waren zehn Frauen, durchgehalten bis zum Schluß haben aber nur vier. Ich habe von Anfang an mit Männern zusammengearbeitet, auch als Lehrling war ich schon hauptsächlich mit Männern zusammen, Schul- und Studienkollegen, ich war oft die einzige Frau. An der Uni hatten wir in dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Marketing zwei Assistentinnen, das hat schon viel Eis gebrochen, die weiblichen Vorbilder waren da. Danach ging ich zur Bank. Ich war die erste Frau in meinem Bereich, und da war man am Anfang schon ziemlich skeptisch. Man fürchtete, daß eine Frau von den Kunden einfach nicht akzeptiert wird. Ich hatte ein Feld beschritten, das nicht zum normalen Kundenbereich gehörte, ich hatte es mit Jungunternehmern zu tun. Firmenmanagern. Die Anforderung an mich war schon, besser zu sein als ein Mann. Es wurde einem gesagt: »Wenn Sie in der Bank erfolgreich sein wollen, dann müssen Sie schon deutlich besser sein als ihr männlicher Kollege.« Das hat mich aber nicht gestört, eher motiviert. Ich hatte wirklich Glück, daß ich meinen Bereich frei gestalten konnte, mir machte die Arbeit Spaß. Anfangs gab es vielleicht Spannungen mit den Kollegen, bis sie mich akzeptiert haben. Kollegen haben z. B. versucht, mir Arbeit zuzuschieben, die eigentlich nicht meine war, weil ich neu war und mich noch nicht so gut auskannte. Da gab es schon den einen oder anderen härteren Diskussionspunkt, aber es hat sich dann eigentlich gut eingespielt. Die Arbeitszeit geht weit über eine normale Bürozeit hinaus, denn kundenorientiert zu arbeiten heißt ja auch, daß man zu sehr vielen Veranstaltungen geht, daß man Mitglied in Organisationen ist und sehr viel Freizeit opfert. Aber das war meine eigene Entscheidung, das hat niemand von mir gefordert. Es ist wichtig, jedes Jahr einen Zuwachs zu haben, anders kann man die Leistung ja nicht dokumentieren, und die Bank ist ein profitorientiertes Unternehmen. Leistung wird hier durch Umsatzzuwachs dokumentiert. Dann muß man natürlich solche Unternehmen als Kunden werben, die es nach ein paar Jahren auch noch gibt, man muß ein Gefühl dafür entwickeln, welches Unternehmen hat Chancen, wo geht der Markt hin.
Ich lebe eigentlich in Berlin. Aber jetzt mache ich in Frankfurt dieses Karriereprogramm »lnvestment Banking«. Es ist ein Programm der Bank und umfaßt das Wertpapiergeschäft, Kredite und Spezialfinanzierungen. Gerade jetzt vor der EG-Harmonisierung gewinnt dieser Bereich an Gewicht, also hat die Bank vor drei Jahren beschlossen, in dem Bereich Leute weiterzutrainieren. Ich habe mir da gerade nach drei Jahren Kundenbetreuung gedacht, das kann doch nicht das Ende sein, wo ist die nächste Stufe? Also war ich reif für dieses Angebot. Das Programm läuft die ganze Woche. Es gab anfangs eine theoretische Phase, es werden noch zwei andere Phasen folgen, und ich werde Ende April nach Chicago oder New York fliegen. Ich könnte mir vorstellen, in den USA zu leben, auch in jedem anderen europäischen Land, die Entwicklungen im Osten reizen mich natürlich auch, denn das ist ein sehr interessanter Markt. Da geht es darum, Brachland zu bearbeiten und neu aufzubauen, das ist sehr reizvoll. In gewissen Bereichen sind Frauen schon immer relativ stark vertreten gewesen, z.B. im Privatkundensektor, als Anlageberaterin oder Kundenberaterin, das ist schon ganz normal. Was die anderen Bereiche betrifft, firmenorientierte Beratung z.B., da gibt es ganz wenige. In unserem Programm sind dieses Jahr zum ersten Mal Frauen dabei, vorher waren da nur Männer. Die Frauen kommen und treffen mehr und mehr auf Akzeptanz. Ich kann mir schon vorstellen, daß sich dadurch etwas verändert, denn Frauen bringen ja bewiesenermaßen mehr soziale Kompetenz mit als Männer. Ich denke, es tut Institutionen gut, wenn sie auch Frauen in höheren Positionen haben, weil die auch besser in der Lage sind, Kommunikation aufzubauen. Obwohl sich viele davor fürchten, wenn sie Frauen einstellen, daß diese Frauen dann Kinder bekommen und sie deren Stellen für ein Jahr bereithalten müssen und niemanden finden, der sich bereit erklärt, nur so als Lückenbüßer ein Jahr einzuspringen... Das ist so die wohlbekannte Dauerargumentation. Die das sagen, sind meistens die älteren Männer, die zu Hause eine Frau sitzen haben, die ihnen die Kinder versorgt, und die überhaupt nie wahrgenommen haben, daß man über diese Probleme reflektieren muß. Da gibt es wirklich noch eine Doppelmoral. Denn die Wahrheit ist ja, daß Männer auch kündigen und zur Konkurrenz gehen, sehr oft sogar. Aber das ist normal, darüber braucht man nicht nachdenken, nur das mit dem Kinderkriegen und Kinderkrankwerden erscheint als immenses Problem. Ich bin jetzt 37, es ist also Zeit, über ein Kind nachzudenken. Ich denke, wenn ich eines bekommen würde, dann würde ich nicht zu Hause bleiben wollen. Glücklicherweise ist mein Lebensgefährte Wissenschaftler und von daher flexibel. Wenn wir da noch ein Kindermädchen dazunehmen würden ginge es. Es muß ja nicht unbedingt ein Elternteil ständig mit den Kindern zusammen sein, das ist gar nicht so gut für die Entwicklung des Kindes. Mein Lebensgefährte hätte gerne ein Kind und würde sich schon beteiligen. Er ist Amerikaner. Das ergibt natürlich geographische Probleme. Als ich hierher kam, um mich für die Ausbildung in »lnvestment Banking« zu bewerben, war er in New York und hat sich um eine Professur beworben. Wir haben beide die erstrebten Positionen erhalten, auf verschiedenen Kontinenten. Dann haben wir lange diskutiert und schließlich beide unser jeweiliges Angebot angenommen. Konkurrenzgefühle? Nein, wieso? Es ist ja nicht so, daß man sagen würde: »Du, ich ziehe jetzt an dir vorbei, macht dir das was aus?« Dazu sind wir zu verschieden. Wir führen aber viele Diskussionen über unsere Karrieren. Es ist schon auch seine Herkunft; Amerikaner haben eine völlig andere Einstellung zum Beruf der Partnerin, zur Frau generell, das trägt dazu bei. Er hat keine traditionellen Vorstellungen von einer Partnerschaft, für ihn ist es wichtig, mich zufrieden zu sehen. Die Trennungen waren mir am Anfang gar nicht recht, aber jetzt im nachhinein hat sich da so ein Selbstverständnis eingependelt, und mittlerweile kommt uns unsere Lebensweise fast normal vor. Ich habe ihn kennengelernt, als ich wegen der Arbeit nach Berlin ging. Wir haben beide die gleiche Einstellung, für uns beide ist der Beruf sehr wichtig. In der Zeit, wo wir in Berlin zusammengelebt haben, sind wir auch unsere eigenen Wege gegangen. Wir haben uns um zehn, elf Uhr nachts zu Hause getroffen und bis zwei, drei diskutiert. Die größte Blockade für Frauen sind ihre mangelnden Erfahrungen. Ich glaube, daß ein Mann schon von vorneherein den Beruf voranstellt. Andere Nebeneffekte wie Familie überläßt er anderen, nämlich der Frau, während eine Frau ihr ganzes Leben in einem Zwiespalt ist. Es gibt wenig Frauen, die von vorneherein sagen, ich gehe den geraden Weg und lasse mich von keinen emotionalen Schwankungen in Richtung Familie und Kinder jemals aus dem Tritt bringen. Bei mir liegt es, glaube ich, an der Erziehung, daß ich meinen Weg so geradlinig verfolgte, und an den unterstützenden Gesprächen, die ich bis heute mit meinen Eltern führe. Zum anderen auch an der Beziehung, wo ich sehr viel Unterstützung bekomme. Wichtig ist wohl auch, daß ich selbst nicht einsehe, daß Frauen es nicht schaffen sollen. Es sind auch gewisse Erfahrungen. Für mich ist immer alles wunderbar gelaufen, das gibt natürlich auch Kraft und Sicherheit weiterzugehen. Ich habe mich mit der Frauenbewegung erst auseinandergesetzt, als ich schon in Berlin war. Ich gehörte da zu einem kleinen Zirkel von Frauen, die im Beruf standen und Karriere machen wollten, ein Gesprächskreis von sechs bis zehn Leuten, der dann expandierte. Da war ich Mitglied und habe an den Sitzungen teilgenommen. Man hat dadurch sehr viele Austauschmöglichkeiten mit Frauen, denen es ähnlich geht, und oft genug hilft es schon, wenn man über seine Probleme diskutieren kann. Man muß aber auch aufpassen, dem nicht zu sehr zu vertrauen. Denn Frauen können sich gegenseitig ja ganz gut stärken, der wahre Konkurrenzkampf findet aber draußen trotzdem noch statt. Aus der Gemeinsamkeit zieht man zwar sehr viel Stärke, aber dann muß man rausgehen und was machen. Ich habe hier schon einige Managementkurse absolviert, aber nicht alles kann man erlernen. Für den täglichen Umgang mit Leuten, da brauche ich eben meine Intuition. Wenn ich z.B. etwas nicht gut finde, soll ich dann direkt sagen: »Wie Sie das machen ist es nicht gut, ich würde das so und so machen«? In einem Gespräch? Oder muß es eine harte Diskussion sein? Oder soll ich es mehr so infiltrierend unterbringen? Oder erkenne ich, daß ich nichts ändern kann, und versuche, distanziert abzuwarten? Das sind Entscheidungen, die man mehr aus Beobachtung und Intuition heraus trifft. Ich glaube, man muß sehr gut beobachten können. Dinge schnell erfassen und entsprechend damit umgehen. Es gibt viele Anleitungen zum Karrieremachen, aber ich will mir keinen Anzug wählen, der mir nicht gefällt. Als ich noch in der Uni war, bevor ich in den Beruf ging, konnte ich noch planen. Da wußte ich genau, in der und der Zeit muß ich die und die Schritte gemacht haben. jetzt ist es anders. Ich hätte in Berlin nicht so leicht sagen können, in drei Jahren will ich wieder was anderes machen. Das hat sich mehr so ergeben. Als ich mich auf dem Parkett sicher fühlte, kam der nächste Schritt. Ich könnte jetzt nicht sagen, was ich in drei bis fünf Jahren machen werde. Irgendwie gehe ich sehr nach dem Lustprinzip vor, die Arbeit muß mir einfach Spaß machen. Ich berate gerne Leute. Dann muß es auch den entsprechenden monetären Erfolg bringen, aber in erster Linie geht es mir um die Sache. Ich glaube, daß es vielen Frauen um Geld geht, aber viele scheuen sich davor, es zu erwähnen. Es liegt wohl auf der Hand, daß für mich als Bankerin, die mit Geld zu tun hat, das Geld auch wichtig ist. Es geht letztlich für alle darum. Nur meinen manche, es sei ein Makel, das zu erwähnen. Ich möchte mir bestimmte Wünsche erfüllen, und bestimmte Wünsche haben nun mal ihren Preis. Außerdem schätze ich meine Arbeit mit einem gewissen Wert ein und schaue dabei natürlich auch darauf, was andere bekommen. Ich sage das auch offen an meinem Arbeitsplatz, das tun Frauen vielleicht sonst seltener. Wenn man offen fragt, schafft man zwar Entsetzen oder zumindest Erstaunen, aber im nachhinein Respekt, das ist meine Erfahrung. Es ist auch einfach ein gutes Gefühl, für das, was man leistet, auch die gerechte Entlohnung zu bekommen. Ich vergleiche mich mit meinen männlichen Studentenkollegen was die machen, was die verdienen, und sehe halt, daß ich als Frau trotz allem unterprivilegiert bin. Man hat als Frau so eine helfende Neigung und stellt sich selbst mehr in den Hintergrund. Auch in Unternehmen hat man bei manchen Frauen das Gefühl, daß sie froh sind, überhaupt arbeiten zu dürfen. Das ist der immanente Minderwertigkeitskomplex, den Frauen im Beruf haben, zu denken, ich muß froh sein, in diese Position vorgedrungen zu sein. Ein Problem bei einem anspruchsvollen Beruf ist: Es ist schwer abzuschalten. Wenn man sich beispielsweise entschieden hat, einen Kredit zu vergeben, hat man noch nach Dienstschluß das Gefühl, hoffentlich geht das gut. Ich habe mein ganzes Leben eigentlich berufsbezogen gedacht, von daher bin ich schon richtig verdorben, was Privatleben oder Hobbys anbelangt. Wenn man in dem Rhythmus drin ist, wird man auch davon getrieben. Man hat nicht das Gefühl, ausfallen zu können oder einfach mal mehr Schlaf zu brauchen oder ein Wochenende nur für sich, man denkt gar nicht mehr darüber nach. Man ist einfach drin in dem Karussell, es dreht sich, und erst wenn man dann zur Ruhe kommt, hat man eventuell einen Abfall. Im letzten Jahr habe ich zwei Wochen Urlaub gemacht, das ist ein bißchen wenig, sonst nehme ich mehr Ferien. Beruflich möchte ich in der nächsten Zeit eine Führungsaufgabe haben. Ich träume davon, selbst etwas aufzubauen, etwas ganz Neues, mit einem Team. Der Pioniergedanke reizt mich. Privat wären Kinder jetzt eine ernsthafte Überlegung, aber nur dann, wenn ich beruflich am Ball bleiben kann. Wenn ein Partner die Forderung stellen würde, Kind und zu Hause bleiben, würde ich das ablehnen, das Gewicht liegt bei mir schon stark auf dem Beruf. Es gibt in meinem Umfeld Stimmen, die meinen, ich hätte in Berlin bleiben sollen. »Da hast du dir einen guten Ruf aufgebaut, das läßt du alles hinter dir, fängst noch mal ganz neu an, gehst doch in eine ungewisse Zukunft usw.« Das verstehen sicherheitsliebende Leute nicht. Andere finden es ganz toll, daß ich mir den Ruck gegeben habe - was heißt Ruck, ich wollte ja - auch wenn ich jetzt nicht weiß, ob ich ab Juni in New York, in London, Madrid, Mailand oder Berlin bin oder in Frankfurt. Ich könnte aber gar nicht mit dem Bewußtsein leben jetzt schon zu wissen, was ich die nächsten zehn Jahre mache. Das ist für mich nicht das Leben, ich will einfach noch ein bißchen mehr dazu. Ich bin auch sehr neugierig auf andere Leute und Bereiche, das hat mich wohl auch zu dieser Tätigkeit gebracht.«