Rache ist süß - und andere Schritte zum Erfolg

1. Selbstverständlich selbständig
2. Die einzige Sicherheit liegt in einem selbst
3. Manchmal muß man durchhalten
4. Manchmal muß man aufgeben
5. Chancen muß man erkennen oder schaffen
6. Es ist erst aus, wenn's aus ist
7. Rache ist süß

Nun haben wir sehr unterschiedliche Frauen kennengelernt, mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten und Charakteren, Lebensgeschichten und Interessen, Meinungen und Philosophien. Und doch ziehen sich durch ihre Erzählungen und Erfahrungen einige sehr konstante Einsichten; fast so, als hätten sie alle irgendwann einmal dasselbe Buch gelesen und es beherzigt. Es gibt kein »Rezept« für Erfolg oder Erfüllung, aber es gibt Erfahrungswerte, und die auffallenden Ähnlichkeiten in den Geschichten unserer Interviewpartnerinnen sind so etwas wie eine Leitlinie für die Umschiffung mancher Hürden.

1. Selbstverständlich selbständig

Was zu allererst auffällt, ist eine starke Selbstverständlichkeit im eigenen Zukunftsbild. In diesem einen Punkt waren diese Frauen »männlich« - sie dachten einfach nie daran, keinen Beruf zu erlernen oder sich einmal wirtschaftlich von einem Mann erhalten zu lassen. Viele gingen davon aus, daß sie eines Tages natürlich heiraten und Kinder bekommen würden. Aber das war in ihren Köpfen eine getrennte Frage und berührte nicht die ganz andere Frage, was sie in ihrem Leben beruflich leisten und lernen und erreichen wollten. Wichtig ist dabei das Wort »selbstverständlich«. Denn es war nicht so, daß diese Frauen in ihrer Jugend, politisiert oder bewußt gemacht durch irgendwelche feministischen Ideen oder Artikel, ihre konventionelle Sichtweise korrigierten und sich abwendeten von den ursprünglichen, traditionelleren Vorstellungen ihrer Mädchenzeit. Sondern sie hatten als junge Frauen, gar nicht politisch oder sozialkritisch oder in irgendeiner Weise rebellierend, einfach ganz automatisch angenommen, daß sie in ihrem Leben arbeiten, ihren Neigungen folgen und für sich selber verantwortlich sein würden. Das war deshalb auffallend, weil es ungewöhnlich ist; d.h., nicht die Berufstätigkeit, die Ausbildung oder die Entscheidung für einen Beruf ist ungewöhnlich, aber ungewöhnlich ist die Haltung dieser Frauen, gar nicht an alternative Lebenswege zu denken. Es ist fast so, als ob sie - sehr zu ihrem Vorteil - einen blinden Punkt hätten und gar nicht sehen würden, daß sie doch statt dessen heiraten und sich von einem Mann auf Reisen mitnehmen, in eine Wohnung hineinsetzen, mit einem Konto ausstatten lassen könnten. Manchmal erhält man aus der Biographie Hinweise, wieso das so kam. Bei manchen Frauen war die ganze Familie sehr dem Arbeitsethos und dem Leistungsdenken verschrieben, so daß sie sich einfach dem vorherrschenden Klima anpaßten. Aber nicht immer war es so eindeutig. Viele Frauen erhielten zu Hause, und das ist für die weibliche Sozialisation typisch, eine doppelte Botschaft. In der Schule sollten sie gut sein, aber dann sollten sie jäh einhalten und ihre weiteren Ambitionen auf Ehemann, Familie, Kinder konzentrieren. Oder die Familie schrieb zwar die Arbeit groß, aber theoretisch nur für die Söhne, während die Töchter als zukünftige Unternehmersgattinnen erzogen wurden. Aus den widersprüchlichen Mitteilungen pickten sich dann manche Frauen die heraus, die sie zur Leistung animierten, und vergaßen die anderen, die sie entmutigen oder umpolen sollten. Dabei spielten wohl Zufälle und die angeborene Persönlichkeit eine Rolle, denn die Erziehung konnte bei zwei Schwestern funktionieren, und nur die dritte sprang aus dem Rahmen und wollte mehr. Bei manchen ließ sich erkennen, wo die Ursprünge der Ambition lagen: bei einem Vater, der zwar konservativ redete, dem der Ehrgeiz der Tochter aber insgeheim gefiel, oder bei einer unkonventionellen Großmutter oder Tante, die als unbewußte Anleitung zum Anderssein fungierte. Den Vater könnten wir an dieser Stelle genaugenommen gleich mehrmals nennen, denn seine Rolle wird oftmals ausschlaggebend und interessant. Viele Väter vertraten zwar ein konservatives Welt- und Frauenbild und hatten sich auch eine entsprechende Gattin ausgewählt, nahmen aber die eigene Tochter aus diesen Bestimmungen aus und förderten unterschwellig oder direkt ihre beruflichen Pläne. Manche stellten harte Anforderungen an ihre Söhne, erwarteten von den Töchtern aber nur, daß sie lieb und anmutig sein sollten; und manche ihrer Töchter fügten sich gerne in dieses Bild, während andere es als Herausforderung betrachteten und dem geliebten Vater in jeder Hinsicht imponieren wollten. Jedenfalls dachten all diese jungen Mädchen, wenn ihnen die gewünschten Dinge des Lebens vor Augen schwebten - interessante Reisen, Wohlstand, anregende Bekanntschaften, ein schöner Lebensstil - nicht sofort an einen aufstrebenden, wohlhabenden, dynamischen Mann, als dessen Ehefrau sie das alles mit erreichen könnten, sondern sie dachten an sich selbst. Auch hier war keine politisch motivierte Absage an Männer oder die Ehe maßgeblich, sondern es kam den Frauen einfach gar nicht in den Sinn, ihren ganzen Eifer und Tatendrang auf eine andere Person zu richten als auf sich selbst. Schon als junges Mädchen wußte die Journalistin Ingrid Kolb, daß das aktuelle Zeitgeschehen Reisen, maßgebliche Persönlichkeiten, aufregende Ereignisse einen großen Reiz auf sie ausübte. Als Kind einer Arbeiterfamilie schien die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß, daß sich ohne besondere Anstrengung ein Weg in diese Welt bahnen würde. Sie hätte in dieser Situation Groschenhefte lesen und davon träumen können, als Praxishilfe vom tollen jungen Chefarzt, als Sekretärin vom erfolgreichen Manager entdeckt und in seine aufregende Oberschichtwelt hineingeholt zu werden. Aber so stellte die Situation sich ihr gar nicht dar. »Die Vorstellung von einem Mann, der mich zu sich emporhebt, die hatte ich nie«, erinnert sie sich. »Ich wollte und mußte immer für mich selbst geradestehen. Bei meiner Zukunftsplanung waren die Männer sehr weit weg.« Nicht, weil sie so eindimensional nur vom Arbeitsleben erfüllt war, ganz und gar nicht. Denn, wie sie sich selber analysiert, ist sie »nicht eine, die sagt: So, jetzt vergeß' ich die Beziehungen und lebe alleine.« Ich will es immer auch menschlich schön haben, und ich bin kein Typ, der gern alleine lebt.« Nur waren das zwei getrennte Dinge. Ein Partner, das war etwas für die persönliche Zufriedenheit, für den privaten Bereich. Schule und später der Beruf, das waren Wege zur Gestaltung eines interessanten und erfüllten Lebens. Ingrid ging das ganz systematisch an: Guter Erfolg in der Schule war der Weg, um das sonst gar nicht vorgesehene Gymnasium besuchen zu dürfen. Das Gymnasium. wiederum war die Voraussetzung für den Job, der in ihren Augen das größte Potential zur sozialen, Mobilität versprach, den Journalismus. Während manche Frauen in ihrer Jugend meinen, die Verbindung zu einem entsprechenden Mann sei der beste Weg zum jeweiIigen Ziel, setzen diese Frauen schon früh auf ihre Leistungen. Laura mag das Leben im konservativen Cordoba, wo sie aufgewachsen ist, nicht leiden, und die Vorstellung, Zeit ihres Lebens als bourgeoise Ehefrau dort ihren Platz im Ortsleben einzunehmen, macht sie ganz unglücklich. Eine frühe Ehe mit einem anderswo lebenden Mann könnte ein Entkommen versprechen. Aber statt dessen lernt sie in der Schule gut, um studieren zu dürfen, und dann wählt sie sorgfältig einen Studienzweig, den man nicht bloß nicht in Cordoba, sondern in ganz Andalusien nicht studieren kann: Äkonomie. So darf sie nach Madrid, und beste Voraussetzungen für einen qualifizierten Arbeitsplatz hat sie auch noch dazu.

2. Die einziger Sicherheit liegt in einem selbst

Neben dem Impuls zur Selbständigkeit kam bei vielen Frauen noch das Erleben einer Krise während der Kindheit oder Jugend hinzu. Diese Krise konnte die unterschiedlichsten Auslöser haben, aber das Muster war immer dasselbe: Durch irgendein unvorhergesehenes Ereignis fiel der Mann in der Familie als Ernährer aus. Und brachte damit das ganze schöne Weltbild ins Wackeln, dem zufolge eine Frau sich getrost ihren häuslichen Aufgaben zuwenden und es dem Mann überlassen kann, sie zu erhalten. Oft war es der Vater selbst, der durch dieses Erlebnis die Notwendigkeit erkannte, seine Töchter für alle Eventualitäten des Lebens zu wappnen. Als die Algerierin Sellami-Meslem aufwuchs, war es noch absolut unüblich für ein Mädchen, länger als bis 14 in die Schule zu gehen. Daß sie es nicht durfte, sondern daß ihr Vater sogar auf einer Berufsausbildung bestand, hatte einen persönlichen Grund. Er war plötzlich sehr krank geworden, außerstande, die Familie zu ernähren oder irgendwelche Dinge außer Haus zu tun. Seine behütete immer in strenger Abgeschiedenheit lebende Frau mußte unvorbereitet alle möglichen Aufgaben übernehmen. »Durch dieses Erlebnis wurde beiden Eltern klar, wie wichtig es für eine Frau ist, selbständig sein zu können. Was würde uns Mädchen passieren, wenn mein Vater nicht mehr da war, um uns zu versorgen und zu beschützen? Daß eine solche Situation nur allzu leicht eintreten konnte, machte seine Krankheit ihm klar. Er wollte nicht, daß wir einmal hilflos und auf andere Leute angewiesen sind.« Nach seiner Genesung stand für ihn fest, daß jede Tochter einen Beruf erlernen mußte; egal, was die Umgebung und die Verwandtschaft dazu sagte. Der Vater von Anita Roddick, der englischen Geschäftsfrau und Firmenchefin, starb, als sie noch ein Kind war. Schon vorher waren alle Familienmitglieder im Betrieb integriert gewesen. Nun aber war klar, daß alle fest zusammenhalten und mitarbeiten mußten, wenn man ohne das »Familienoberhaupt« überleben wollte. Ihre eigene Firma gründete sie später in einer ähnlichen Situation: Der Ehemann war auf unbekannte Zeit auf Reisen, zwei kleine Kinder waren da und mußten durchgebracht werden. So entstand das erste kleine Geschäft, aus dem bald ein blühender Konzern werden sollte. Die Ärztin Judit Jaksch erlebte mit ihrer Familie in Ungarn eine Extremsituation. Als ehemalige Großgrundbesitzer galten sie als Klassenfeinde. Die Männer der Familie durften ihre Berufe nicht ausüben, und Judits Mutter ernährte die Familie als Lehrerin, während der Vater sich in ein mit den Relikten seiner glorreichen Vergangenheit ausgestattetes Herrenzimmer zurückzog. Von der Mutter kam daher auch eine starke Betonung von Ausbildung, Qualifikation und Beruf. Denn wenn selbst sie, die behütete Tochter aus wohlhabender Familie, infolge sozialer Umstürze plötzlich auf ihr schöngeistiges Studium zurückgreifen und Lehrerin werden mußte, dann war es für jede Frau ratsam, einen verwertbaren Hintergrund zu besitzen. Ihr Standardsatz lautete: »Lerne was. Sie können dir alles wegnehmen, wie du ja siehst, nur das nicht, was du im Kopf hast.« Das war so prägend, daß Judit auch dann nicht von ihrem Berufsplan abwich, als sie in starke Versuchung hätte kommen können. Sie verliebte sich in einen sehr wohlhabenden älteren Mann, durch den sie ihre Lebensziele auf einen Schlag hätte erreichen können: das Entkommen aus Ungarn, eine neue Heimat im freien und reichen Westen, ein fertiger Freundeskreis, ein komfortables Zuhause. Das Medizinstudium im Westen fortzusetzen muß sich dagegen als sehr entmutigendes Unterfangen präsentiert haben: Judit konnte kaum Deutsch, keine ihrer Prüfungen und Abschlüsse wurde anerkannt, sie stand nach dem mühselig erkämpften Studium in Ungarn hier wieder am Nullpunkt, und es gab keine dringende Veranlassung, sich das anzutun. Aber »ich wollte auch durch die Verblendung der großen Liebe oder des Am-Traum-Ziel-Westen Angelangtseins nicht ein Iota von meinem Weg abweichen, ich wollte unbedingt Ärztin werden und unbedingt arbeiten.« Später sollte sich diese Entscheidung als sehr richtig und rettend erweisen, denn es folgte eine gar nicht freundliche Scheidung, bei der nur ihre finanzielle Unabhängigkeit und ihr beruflich immer wieder bestätigtes und gefestigtes Selbstvertrauen ihr half, halbwegs unbeschadet daraus hervorzugehen.

3. Manchmal muß man durchhalten

Das Arbeitsleben verläuft selten reibungslos. Anfangsschwierigkeiten beim Einstieg in eine neue Firma, persönliche Unverträglichkeiten mit Kollegen oder Vorgesetzten, der Verdacht, daß man die falsche Sparte gewählt hat, solche und andere Probleme gehören dazu. Zur erfolgreichen Bewältigung dieser Probleme gehört in erster Linie die grundlegende Entscheidung, wie man die Situation einschätzt. Ist es ein vorübergehendes Problem, daß man einfach ertragen muß? Ist die Arbeit zwar insgesamt trostlos, bringt aber dennoch irgendeinen kurz- oder langfristigen Nutzen? Oder ist man an einem toten Punkt angelangt, und es hilft nur noch die Flucht? Frau Matteo ergriff die Flucht schon im Vorzimmer. Nach ihrem Studium der Äkonomie bewarb sie sich bei einer Bank. Und als sie dort auf den Termin für das Einstellungsgespräch wartete, unterhielt sie sich mit der Sekretärin, die ihr dringend riet, ihr Glück lieber anderswo zu versuchen. Denn auch sie hätte einen Universitätsabschluß, und nun sei sie hier Sekretärin, und es würde einem versprochen, man könne sich hocharbeiten, aber das stimme für Frauen nicht. Matteo war von der Empfehlung dieser etwas älteren Frau so beeindruckt, daß sie die Stelle nicht annahm. Statt dessen nahm sie eine auf den ersten Blick schlechtere, weil unsichere Stellung in einem Ministerium an, aus der sich schließlich ein sehr guter Arbeitsplatz entwickelte.

Dorothea Assig, führende Unternehmensberaterin (Additionen) in Berlin

Die Fähigkeit des Durchhaltens erstreckt sich auf alle Lebensbereiche. Wie das funktioniert, zeigt sich am deutlichsten anhand einer Lebensgeschichte. Dorothea Assig leitet in Berlin das Management-Institut Additionen und ist Autorin eines Buchs für Frauen, die sich beruflich selbständig machen wollen.
Ihre Erzählung, die im folgenden zusammengefaßt ist, zeigt einige wesentliche Dinge. Aber eine Erkenntnis ist besonders zentral: die Erkenntnis, daß Hürden überklommen und Kursfehler richtiggestellt werden können. Das ist eine Erfahrung, die Dorothea Assig nicht nur im Beruf gemacht hat. Auch eine körperliche Behinderung, die durch einen schweren Unfall entstand, konnte durch hartnäckigen Einsatz und konsequente Disziplin überwunden werden. Das ist nicht
gleichbedeutend mit Selbstkasteiung, ganz im Gegenteil. Dorotheas Antrieb zur Gründung einer eigenen Unternehmung kommt von dem dringenden Wunsch, sich ihr »angenehmes« weil freies - Leben zu erhalten, es nicht eintauschen zu müssen gegen ein Leben in instituionellen Strukturen.
Was hält Frauen davon ab, das erforderliche Durchhaltevermögen gerade in jenen Bereichen an den Tag zu legen, in denen es ihnen am meisten nützen würde? Dorothea Assig meint, daß die Ursache hierfür in der mangelnden emotionalen Basis der beruflich aktiven Frauen liegt, und engagiert sich für die Schaffung einer Infrastruktur, die Frauen einen solchen emotionalen Rückhalt geben soll.
»Wir waren fünf Kinder zu Hause, ich bin die Zweitjüngste. Meine Familie würde ich bezeichnen als deklassierte Mittelschicht. Die Großeltern waren sehr vermögend gewesen, so entstand das Gefühl, wir haben Geld, bloß im Moment nicht. Das war das unausgesprochene Familienmotto. Ich bin dementsprechend erzogen worden, sehr exklusiv, im Internat, mußte ständig ins Theater gehen. Bildung hatte einen hohen Wert bei uns. Wir sind aus Schlesien gekommen, der Vater war Architekt. Entscheidend in der Familie war aber sicherlich meine Mutter. Heute leitet sie Seminare und Projekte für alte Frauen, ist sehr aktiv. Das war sie immer schon, wobei man früher immer das Gefühl hatte, sie wartet darauf, daß mein Vater in Schwung kommt und in der Familie das Ruder in die Hand nimmt.
Die Botschaft an mich war jedenfalls: Man muß es selber machen, sonst kommt man zu nichts. Man kann sich auf keinen Fall auf einen Mann verlassen, auch wenn man es vielleicht möchte.
Ich bin im Internat von Nonnen erzogen worden. Nach der Mittleren Reife bin ich von der Schule abgegangen, ich war immer der rebellische Typ. Ich habe eine Lehre als Apothekergehilfin absolviert, aber ohne viel Überlegung. Ich fand es furchtbar und fing an, Seminare bei der Gewerkschaft für andere Lehrlinge zu geben.
Nach meiner Lehrzeit hatte ich einen schweren Unfall, mit einem gelähmten Bein und Kopfverletzungen als Folge. Ich bin zu meinem Bruder und seiner Frau gezogen, der meinetwegen auf ein Dorf in der Nähe von Mainz übersiedelte, um mich zu versorgen. Ich habe so lange Gymnastik gemacht, jede Viertelstunde, bis ich wieder gehen konnte.
Danach machte ich die Aufnahmeprüfung an der Uni und studierte Betriebswirtschaft. Das war ein Fach, in dem damals noch wenige Frauen waren, das war für mich ein Beweggrund. Ich war sehr getragen von der Frauenbewegung. Es war für mich damals kein individuelles Problem, daß ich mich durchsetzen will, sondern es ging mir um die ganze Gesellschaft: Ich habe mich emotional sehr bestimrnt gefühlt von dem Klima der großen Veränderung, das damals herrschte.
Nach dem Studium war ich viel unterwegs. Ich verbrachte ein Jahr in San Francisco. In einer berühmten Frauenwohngemeinschaft. Ich fuhr nach Indien. Ich schrieb zwei Bücher. Dabei reifte immer stärker der Entschluß, mich selbständig zu machen, denn ich fand mein Leben so interessant, daß ich es auf keinen Fall aufgeben wollte, um statt dessen in einem Unternehmen Kostenrechnungen zu erstellen.
Privat habe ich meist in WGs gewohnt. Mit einem Freund. Ich lebe sehr gern mit anderen Menschen zusammen, und der Versuch, mit einem Mann allein zu leben, hat für mich nicht gut funktioniert. Das Famillenkonzept, das sich dann schnell einschleicht, liegt mir nicht. Ich brauche viel Zeit für mich selbst, und wenn ich in einer Beziehung nur zu zweit lebe, werde ich träge, verliere meine Initiative. Heiraten möchte ich nicht, obwohl es ganz schön ist, hin und wieder gefragt zu werden.
Das Thema Frauen und Selbständigkeit hat mich sehr angesprochen. Vor allem die Frage der emotionalen Komponente einer solchen Selbständigkeit war zu dem Zeitpunkt noch überhaupt nicht entwickelt. Das war meine Ambition, Frauen zu ermutigen, ihnen zum Beispiel beizubringen, Fehler zu verkraften und zu sehen, daß man Dinge und Entwicklungen auch ändern kann. Meine Arbeit fällt in zwei große Bereiche: Frauenförderung und Existenzgründung von Frauen. Wir beraten Unternehmen, wie sie Frauen in Führungspositionen fördern können, machen Kongresse und bieten Coachings an. Da kommen auch Männer hin, die mit Frauen arbeiten und wissen wollen, wie sie ihre Zusammenarbeit mit Frauen verbessern können. Wir arbeiten gezielt auch mit einzelnen Frauen an ihrem beruflichen Aufstieg.
Mein Arbeitstag geht fast immer bis in die Nacht, aber ich erlebe es nicht als Bürde. Ich habe Mitarbeiterinnen, die einen sehr großen Freiraum für eigene Kompetenzen haben. Mein Freund ist beruflich auch sehr engagiert, daher gibt es zwischen uns keinen Streit wegen Arbeitszeiten.
Im Augenblick machen Frauen eine sehr schwere Zeit durch. Ich sehe es an den Frauen, die in die Seminare kommen. Sie leiden vor allem an der mangelnden emotionalen Ermunterung, der fehlenden Unterstützung. Sie leben in einer scharfen Trennung zwischen Privatleben und Beruf, und das belastet sie sehr. Dann macht auch die Arbeit weniger Spaß. Diese zwei Lebensbereiche besser miteinander zu verbinden, das ist sicherlich die große Herausforderung momentan. Das sieht jede Frau, aber für jede ist es ein individuelles Problem. In Wahrheit ist es aber ein strukturelles Problem.

4. Manchmal muß man aufgeben

Manchmal ist es eine Frage der Ausdauer. Man ist zäher und hartnäckiger als die Gegner, widerstandsfähiger als die Institution, und irgendwann werden die anderen müde. Oder sie sind beeindruckt von der Leistung und Ausdauer, die man an den Tag legt. Oder sie gewöhnen sich einfach an dich und deine sonderbaren Ideen. Oder du hast soviel Autorität erworben, daß du die Stimmung, beeinflussen kannst. Aber manchmal hat es wirklich keinen Sinn mehr, irgendwo auszuharren. Die Entscheidung, daß dies der Fall ist, ist eine sehr individuelle; viele Frauen mußten sie irgendwann im Lauf ihrer Karriere treffen. Für viele war es mit einem Risiko verbunden - die Alternative zum unerfreulichen Arbeitsplatz war die Ungewißheit, ob man einen besseren finden würde bzw. ob man als Freischaffende überleben könne. Für andere gehörten Wehmut und Enttäuschung dazu - immerhin hatte man Zeit und Aufwand und Hoffnungen investiert. Trotzdem: Bei der Frage, Flüchten oder Standhalten, fällt die Antwort manchmal zugunsten des ersteren aus. Das kann auch Teil eines ganz natürlichen Entwicklungsprozesses sein, in dem eine bestimmte Arbeitssituation für eine gewisse Zeit sehr wichtig und lehrreich war, irgendwann aber nicht mehr den Bedürfnissen entspricht, kein Wachstum mehr zuläßt. So war das bei Xenia Hausner, nachdem sie einige Zeit am Burgtheater als Assistentin gearbeitet hatte: »Mich hat ab einem bestimmten Punkt nicht mehr interessiert, was ein anderer sich ausdenkt. Man kommt am Anfang von der Schule, es ist jeder, für den man arbeitet, sehr interessant, weil er einen Erfahrungsschatz hat und man unheimlich viel lernt. Ich habe das alles aufgesogen wie ein Schwamm, auch blöde Ideen, weil sie anders waren, weil alles neu war. Es ging am Anfang noch einmal um eine Wissensakkumulierung, aber ab einem bestimmten Punkt, wenn das gesättigt ist, kommt die rastlose Ungeduld, die eigenen Sachen zu machen. Wenn das da ist, hat man keinen Gusto mehr, für jemanden anderen ein Modell zu bauen. Wenn man an so einem Punkt ist, dann muß man ja gehen, weil man als Assistent unbrauchbar ist, eine korrupte Figur, die noch so lange Mimikry macht, bis sich eine Gelegenheit zum Abhauen bietet.« Bei der Unternehmerin Monika Culen brachte eine Wende zum Schlechteren in ihrer Arbeitssituation den Entschluß, ihre Kräfte statt dessen in eine eigene Firma zu investieren. Sie hatte sich zuerst eine optimale Arbeitssituation ausgehandelt, indem sie mit ihrem Chef eine flexible Arbeitszeit vereinbarte. Vormittags hatte sie feste Stunden, am Nachmittag aber blieb sie nur im Büro, wenn es auch tatsächlich etwas zu tun gab. »Ich habe manchmal rund um die Uhr gearbeitet, bin dann nachmittags zu den Kindern und habe sie zu einem Kinderfest gebracht, bin dann noch einmal ins Büro und habe die Post unterschrieben oder bin zu einer Sitzung gegangen. Aber ich war sehr frei in meiner Zeitgestaltung, was für mich als freiheitsliebender Geist notwendig ist, es war auch ideal für die Kinder. Ich habe sicher nicht weniger gearbeitet als die anderen, der Generaldirektor wußte das zu schätzen, hat mir etwas weniger gezahlt als bei einem geregelten Full-time-Job, aber wir haben beide unsere Vorteile davon gehabt, und ich war enorm motiviert, weil ich nicht durch Zwänge eingeengt war, deren Berechtigung ich nicht akzeptieren konnte.« Dann aber wurde das Management gewechselt, und der neue Direktor akzeptierte das bestehende Arrangement nicht, sondern bestand auf konventionellen Dienstzeiten. Ein Jahr lang beobachtete Monika noch die Entwicklungen, dann aber hatte sie es satt, stundenlang ohne Arbeit herumzusitzen, und kündigte. Mit mangelndem Arbeitseifer hatte das nichts zu tun, denn was danach auf sie zukam, war wesentlich stressiger und aufwendiger als ein geruhsamer Schreibtisch-Job: der Aufbau einer eigenen Möbelfirma, die Aneignung aller möglichen buchhalterischen Fertigkeiten und der Nervenkitzel, das eigene Geld und die eigene Existenz in den Händen zu halten. Für die algerische Diplomatin Sellami-Meslem war die Entscheidung zu gehen schmerzhafter. Schließlich hatte sie den größten Teil ihres Erwachsenenlebens in den Dienst der algerischen Außenpolitik gestellt und dafür sogar ihr Privatleben und ihre Ehe aufs Spiel gesetzt. Sie hatte versucht, ihre Situation sehr logisch zu sehen und sich nicht darüber zu ärgern, daß die Männer sie bei Ernennungen und Bestallungen mühelos überholten, sondern sie konzentrierte sich auf ihre Leistungen, auf die Inhalte ihrer Arbeit und auf die Tatsache, daß die Welt eben nicht von einem Tag auf den nächsten ganz anders wird. Trotzdem: Als der jüngste ihrer Schüler Botschafter wurde, während sie selber die Funktionen, aber nicht den Rang einer solchen Position erhielt, fühlte sie soviel Ernüchterung in sich aufkommen, daß es besser wurde, den diplomatischen Dienst zu verlassen und es in einer anderen Institution zu versuchen. Wieviel man aushält; wie lange man es probieren will; wie man die langfristigen Chancen einschätzt; das sind sehr persönliche Entscheidungen, die jede Frau für sich selbst treffen muß. Ein paar lose Richtlinien kristallisieren sich heraus: Wenn es schon mal besser war, und sich plötzlich verschlechtert; wenn man zwar die Aggressionen der mittleren Etage ignorieren kann, auf der Ebene der Vorgesetzten aber auch keine Anerkennung und Offenheit findet; vor allem aber, wenn man sich subjektiv so verärgert, gelangweilt oder unruhig fühlt, daß man die Arbeit nicht mehr zur eigenen Zufriedenheit leistet, dann ist es wahrscheinlich Zeit für den Abschied.

5. Chancen muß man erkennen oder selber schaffen

Eine unserer Interviewpartnerinnen, die österreichische Kulturstadträtin Ursula Pasterk, nannte uns als einen ihrer persönlichen Leitsätze das Motto von Ernst Bloch: »Es ist nicht immer das Erwartete, das an die Tür klopft.« Nicht jede unserer Frauen formuliert es so deutlich, aber viele handelten nach ähnlichen Grundsätzen. Für ihre Zukunft hatten sie nicht so sehr einen »Plan« als vielmehr eine Vorstellung von der Richtung. Sie akzeptierten auch nicht schon automatisch die Beschränkungen, wie andere sie definierten, sondern überlegten, ob sich aus einer Situation etwas machen ließe. Einige zum Beispiel waren beruflich in ein Niemandsland gesetzt worden, auf einen befristeten Posten oder in eine Sparte, die sonst niemand übernehmen wollte. Mitunter gelang es aber, einen scheinbar verlorenen Posten »umzugestalten«. Die belgische Psychologin Danielle Zucker war unzufrieden mit den Praktiken, die sie in dem Krankenhaus vorfand, als sie dort einen Turnus machte. Sie hätte daraus schließen können, daß sie an so einem Ort nicht arbeiten wollte, und sich nach einem ihrer Philosophie eher entsprechenden Arbeitsplatz umsehen können. Statt dessen arbeitete sie den Vorschlag aus, ein neues Programm zu versuchen, und bot sich selber für die Arbeit an. Damit verbesserte sie die Arbeit des Krankenhauses und schuf gleichzeitig für sich selbst einen Arbeitsplatz. Die Ärztin Judit Jaksch bekam als erstes Stellenangebot eine wenig reizvolle Position, die eher als »Abstellposten« betrachtet wurde. »Da haben mich die reingedrückt, die mich nicht wollten.« Aber Judit betrachtete das noch nicht als unüberwindbares Hindernis. Ohnehin reiselustig, fuhr sie zu Seminaren und Veranstaltungen in anderen Ländern und bildete sich fort; von diesen Reisen brachte sie neue Ideen und Techniken mit, die sich in ihrer Klinik anwenden ließen. »Ich habe nicht gewartet, bis man mir Sonderurlaub gab oder eine besondere Unterstützung, sondern habe mir Urlaub genommen und bin dorthin gefahren, zum Beispiel nach Straßburg, um zu lernen, wie man Venen verödet. Oder ich bin kurz nach New York geflogen, auf eigene Kosten, und habe mir dort die Dermatochirurgie angeschaut und sie dann nach Hause gebracht und hier eingeführt. Mein Chef hat sich gefreut, wenn ich etwas Neues gebracht habe, es war ja auch gut für seinen Ruf.« Initiativen und Ideen werden nicht immer, aber doch oft gewürdigt. Vorschläge werden abgelehnt, aber nicht immer; oft werden sie aufgegriffen. Die Frauen aus unserer Untersuchung hatten insgesamt gute Erfahrungen damit gemacht. Sie hatten aus Teilzeitjobs feste Anstellungen für sich gemacht oder umgekehrt einem Chef eingeredet, ihre körperliche Anwesenheit am Arbeitsplatz auf ein Minimum zu beschränken und sie statt dessen selbstbestimmt ein gewisses Arbeitspensum erledigen zu lassen. Die Voraussetzung für all diese Dinge war, daß sie als kompetent betrachtet wurden.

6. Es ist erst aus, wenn's aus ist

Diesen sinnigen und zugleich treffenden Spruch entlehnen wir wieder einmal dem Englischen, dieser wunderbaren Sprache für markige Knappheiten. »lt ain't over til its over«, lautet es dort. Und es bedeutet: Auch wenn die Lage schon sehr, sehr trüb aussieht, soll man ruhig noch weitermachen. Denn wenn es wirklich das Ende ist, dann rennt man sowieso bald unmißverständlich gegen eine Mauer und kann gar nicht mehr weiter. Aber manchmal ergibt sich noch eine überraschende, wundersame Wende, oder die vermeintliche Mauer war gar keine. Man kann also ruhig weitermachen und es getrost den anderen überlassen, einem die endgültige Niederlage mitzuteilen. Man muß sie nicht schon selbst, freiwillig, verkünden. Managementexperten bekunden den Frauen ziemlich einmütig eine in der Praxis problematische Eigenschaft: Sie leiden sehr unter Kritik. Einen Fehler gemacht zu haben, trifft sie besonders hart; zum Teil bestimmt auch deshalb, weil sie so oft wirklich viele kritische Augen auf sich ruhen fühlen, die alle nur darauf warten, ihnen ihre Unzulänglichkeit nachzuweisen. Ein echter Rückschlag - vor allem, wenn sie sich innerlich dafür verantwortlich fühlen - ist für viele schwer zu verkraften. Aber Fehler und Rückschläge gehören zum Arbeitsalltag. Und viele unserer Frauen hatten die schmerzliche Lektion gelernt, daß es danach trotzdem noch weitergeht. Manche lernen es relativ schmerzfrei durch Beobachtung von Männern. Die fliegen zum Beispiel aus einer Zeitschrift raus, um kurz danach als Chefredakteur eines anderen Blattes aufzutauchen; haben Probleme in ihrer Firma, und werden von einem Headhunter anderswo angeworben. Dieser Glaube an die Wiederauferstehung fehlt den Frauen großenteils noch; relative Neulinge in den guten Positionen und nicht überall sehr willkommen geheißen, meinen sie oft, nur eine einzige Chance zu haben. Manche gewöhnen sich diese Idee durch Beobachtung ab. Andere müssen ihre eigenen, leidvollen Erfahrungen machen - und sie überleben. Die Geschäftsfrau Joseanne Baeyens ging mit ihrer Firma durch schlechte Planung, wie sie selber meint - in Konkurs. Hätte sie nicht solche Angst davor gehabt, dem Unausweichlichen ins Auge zu sehen, wäre der Konkurs glatter über die Bühne gegangen. So aber zögerte sie ihn bis zum letzten Augenblick und noch darüber hinaus, hielt ihre Probleme auch vor Leuten geheim, die ihr hätten helfen können, fand sich aber letztlich damit ab. Und konnte, nachdem sie diese Erfahrung abgeschlossen hatte, wieder ins Geschäftsleben einsteigen und ihre Karriere fortsetzen. Xenia Hausner mußte erleben, daß sie als Symbol für eine unter Beschuß geratene Kulturpolitik vorübergehend zum Feindbild der Steuerzahler erklärt wurde. In den Nachrichten wurde darüber berichtet, daß sie sich bei der Gestaltung von Bühnendekorationen für die, Salzburger Festspiele verrechnet hatte und die Dekoration deswegen weggeschmissen werden mußte. »Da habe ich zum ersten Mal das Glück gehabt, meinen Schädel in den Abendnachrichten zu sehen.« Die Peinlichkeit und die Angst, den guten Ruf für immer und noch dazu zu Unrecht, denn die Darstellung stimmte gar nicht - verloren zu haben, konnten überlebt werden, richteten keinen bleibenden Schaden an. Die These, die Xenia rückblickend dazu entwickelt hat, ist interessant, denn sie sieht die erlebten Probleme und »Mißhandlungen« nicht als undifferenzierte Summe von Ungerechtigkeiten und Blockierungen, die unberechenbar irgendwann kommen, sondern sie glaubt darin einen Prozeß des Wachstums zu erkennen. Die Ärgernisse und Bosheiten der frühen Berufsjahre sind nicht bloß Prüfungen, die man über sich ergehen läßt, sondern Teil eines Lernens. Sie erhöhen sozusagen die Immunkräfte des psychischen Systems, so daß man sich später über solche Sachen gar nicht mehr ärgern würde, damit leicht umgehen könnte und gewappnet wäre für die neuen Probleme, die statt dessen eintreten. »Das ist eine Schulung, die man da mitmacht, vom Studium über die Anfänge, auf jedem Niveau, auf dem man ist, entspricht es dem eigenen Kräftepegel, und so geht es organisch weiter, es steigen die Anforderungen, aber auch die eigenen Kräfte und das Vertrauen in das eigene Durchhaltevermögen. Es ist völlig klar, wenn mich dieser Schlag vor fünf Jahren getroffen hätte, wäre ich in. die Knie gegangen, aber so habe ich für die Anforderungen immer die genügende Kraft gehabt.« Eine interessante Lehre für Frauen ist es auch, daß eine bedrohliche Sache, ein Problem, auch positive Komponenten beinhalten kann. Mit Gelassenheit und Zuversicht ist man eher in der Lage nachzudenken, bevor man resigniert. Viele Dinge sind eine Frage der Perspektive. Die Journalistin Ingrid Kolb hatte gerade erst beim Stern angefangen, als sie schon wieder mit ihrer Entlassung rechnete. Es ging um die Klage gegen die Frauenfeindlichkeit im Stern, die die Zeitschrift Emma eingereicht hatte. Ingrid Kolb mußte einfach die Position der klagenden Frauen in einem Kommentar unterstützen - und das in der Zeitschrift, gegen die die Klage lief. Sie tat es in der Annahme, sich damit »um Kopf und Kragen geschrieben« zu haben. Aber der erwartete Rausschmiß kam nicht. Wenn überhaupt, meint sie rückblickend, war es sogar möglicherweise vorteilhaft für sie, denn immerhin wußte die Chefredaktion, daß es da eine neue Mitarbeiterin gab und wer sie war.

7. Rache ist süß

Die Frauen, die wir für dieses Buch interviewten, halten sich weder im Gespräch noch - das wurde deutlich - in ihrem Denken lange bei den Benachteiligungen auf, die ihnen widerfahren waren und noch widerfuhren. Sie sahen keinen Sinn darin, allzu lange bei solchen Gedanken zu verweilen: außer den, sich selber zu entmutigen und ihren Gegnern eine Freude zu machen. Die Persönlichkeiten der Frauen und auch die Bereiche , in denen sie tätig waren, waren sehr unterschiedlich, daher hatten sie auch sehr unterschiedliche Strategien entwickelt, um mit den Blockierungen fertig zu werden. Die Bosheiten und Aggressionen trafen sie auch, je nach Konstitution unterschiedlich hart. Manche fühlten sich gekränkt und betroffen, andere sahen darin ein Psychoproblem ihres Gegenübers und steckten es leichter weg. Sehr viele hatten als unausgesprochene Devise einen Leitsatz, der sich am besten mit einem amerikanischen Spruch umschreiben ließe: »living well is the best revenge.« Wer sich ärgern, abschrecken oder aufhalten läßt, garantiert damit nur den Erfolg, der gegnerischen Seite. Die Frau aber, die sich durchsetzt, sich Anerkennung erkämpft und noch dazu ein Zufriedenes, angenehmes Leben führt, antwortet ihren Feinden damit besser, als sie es mit irgendeiner direkten Konfrontation, mit moralischen Vorwürfen oder gar mit eigenem Gram, Leid und Zurückstecken tun könnte. Viele Frauen in unserer Gruppe waren, meist zu Beginn ihres Arbeitslebens, ziemlich schlecht behandelt worden. Aber bei gar nicht wenigen hatte diese schlechte Behandlung genau das Gegenteil von dem bewirkt, was ihre Peiniger damit erreichen wollten. In manchen weckte es erst den richtigen Ehrgeiz, ihren kleinmütigen Feinden jetzt erst recht« zu zeigen, was sie leisten konnten. Und oft saßen dann diese Feinde fünf Jahre später immer noch auf dem Platz, den sie so verbittert gegen weibliche Eindringlinge verteidigt hatten, während die Frau sie schon längst überholt hatte. Oder es wurde so unerträglich, daß die Frau ihren Absprung planen mußte und auf diesem Weg zu einem wesentlich besseren Job oder zu einer selbständigen Position gelangte. Die Mittel, mit denen unfreundlich gesinnte Männer versuchen, Frauen am Arbeitsplatz das Leben zur Hölle zu machen, kannten viele unserer Interviewpartnerinnen aus eigener, leidvoller Erfahrung. Vor allem junge Frauen, die auf Aggressionen dieser Art nicht vorbereitet sind, können dadurch leicht verunsichert werden. Und welche Frau ist schon darauf vorbereitet, daß sie am neuen Arbeitsplatz nicht nur neue Arbeitsaufgaben und Erfahrungen zu bewältigen hat, sondern auch noch miterleben muß, wie vermeintliche »Kollegen« - viele davon wesentlich älter, manche ihr vorgesetzt - zu Primitivlingen degenerieren? Die Frau ist perplex, peinlich berührt, abgelenkt, bezieht die Vorfälle auf sich selbst - und kann eigentlich erst adäquat reagieren, wenn sie begreift, daß all diese seltsamen Vorfälle und Verhaltensweisen nur das psychische Äquivalent zu Stacheldraht sind, oder zu der Stinkwolke, die von einem Skunk ausgestoßen wird: Man(n) fühlt sich bedroht und will sie, den Eindringling, abschrecken und verjagen. Die Abschreckungstaktiken solcher Männer fallen in zwei wesentliche Kategorien: in die sexuelle und in die autoritäre. Bei der ersten Taktik wird die Frau durch zudringliche oder aggressive, in jedem Fall aber vollkommen unpassende sexuelle Handlungen, Anmerkungen und Andeutungen nervös gemacht. Das funktioniert besonders gut bei jungen Frauen, die eine sachliche Einstellung zu ihrem Beruf haben und in einem überwiegend männlich dominierten Milieu arbeiten. Bei der zweiten Taktik wird die Frau in ihrer beruflichen Kompetenz verunsichert. Beide Taktiken gehen einher mit extremen Verhaltensweisen der betreffenden Männer: Im ersten Fall erschrecken sie die Frau mit einer restlos unprofessionellen, doofen und pubertären Anzüglichkeit; im zweiten Fall schüchtern sie durch übertriebene, drohende √úbersachlichkeit und scheinbare Unerbittlichkeit ein. Es können durchaus auch beide Taktiken gleichzeitig und von denselben Personen angewendet werden. Das ist sogar besonders effektvoll, denn es ist doppelt verwirrend, wenn der blöde, grinsende Zudringling sich ganz plötzlich in den strengen Kritiker oder den Verwalter irgendwelcher Regeln, gegen die man angeblich verstoßen hat, verwandelt. Eine Frau, heute Unternehmerin und gemeinsam mit ihrem Mann Leiterin eines eigenen großen Betriebes, erzählt von der Methode, mit der ein in seiner Eitelkeit gekränkter Professor ihr die Anstellung als Assistentin ruinierte. Mit einem Verführungsversuch hatte es begonnen. Die junge Frau war zuerst fassungslos gewesen über die Zudringlichkeit des Professors und lehnte dann seine Aufforderung, mit ihm eine sexuelle Beziehung einzugehen, verwirrt ab. Danach »hat er mich fertiggemacht. Er hat mir im Seminar immer ganz ordinäre Texte zum √úbersetzen gegeben, Auszüge aus Pornos. Oder quasi-medizinische Texte über die Menstruationsauswirkungen bei Frauen oder die medizinische Zergliederung des Penis. Ich, wohlbehütete Tochter aus gutem Hause, war völlig fertig bei diesen Passagen, während sich die Männer im Seminar und auch meine sogenannten Kollegen, die über meine Anstellung gar nicht glücklich gewesen waren, gekugelt haben und, unter den Tisch gefallen sind vor Lachen. Ich habe mich zu Tode geniert und bin schließlich von dem Institut weggegangen, weil ich es nicht ertragen konnte.« In diesem Fall war das Weggehen - obwohl es im Gesamtlebenslauf der Frau keine schädlichen Auswirkungen gehabt hat, im Gegenteil - nicht die optimale Reaktion. Den Männern gelang es nur deshalb, die junge Frau lächerlich zu machen, weil sie aus der Instituts- und Seminarsituation einen falschen »Privatbereich« machen konnten. Denn lächerlich, vollkommen lächerlich und außerdem unstatthaft war hier das Verhalten der Männer, nicht das der jungen Frau. Da sie sich aber außerstande sah, von »außen«, Hilfe anzufordern, konnten die Männer sich ein solches Vorgehen leisten. Die Analogie zum gewalttätigen Ehemann, der weiß, daß seine Frau sich für »ihr« Problem geniert und niemanden einweihen oder zu Hilfe rufen wird, ist hier sehr deutlich. Dieser spezielle Zwischenfall liegt schon einige Zeit zurück, als es an der Universität noch keine Frauengruppen und in der Äffentlichkeit noch keine Diskussionen über sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz gab - und bei jungen Frauen noch weniger Gelassenheit bei der öffentlichen Erörterung sexueller Fragen als heute. Dennoch sind männliche Verhaltensweisen dieser Art noch absolut aktuell. Auch die zweite Taktik ist wirkungsvoll. Es ist nicht sehr schwer für ältere, etablierte Männer, die sich außerdem noch in der Mehrheit befinden, die speziellen Unsicherheiten eines einsamen weiblichen Eindringlings zu identifizieren und ihren Angriff gezielt zu lancieren. Die berufliche Qualifikation und die Regeln der Organisation sind zwei weitere, effektvolle Mittel im Einsatz gegen unwillkommene Frauen, vor allem deshalb, weil Frauen meist sowieso zu Unsicherheit und Selbstunterschätzung neigen, gefallen und es allen recht machen wollen und das Gefühl haben, nur auf Probe da zu sein und von allen kritisch beäugt zu werden. Die Bühnenbildnerin Xenia Hausner erlebte diese Strategie zu Beginn ihrer Arbeit: »Heute ist das anders, aber als ich anfing, gab es fast keine Frauen in diesem Beruf. Beim Studium hatte es noch ein paar gegeben, aber die fielen dann sukzessive ab, und im Beruf gab es dann so gut wie gar keine mehr. Das war also neu für die Männer, es mit mir zu tun zu haben. Und die Handwerker haben das Problem sehr direkt und in archaischer Primitivität ausgetragen. Das sind also Horrorpartien gewesen, wo ich da gestanden bin in irgendeiner Schlosserei und geprüft worden bin bis zum Geht-nicht-mehr, oder wo die Lust am Fehlernachweisen sensationell ausgeprägt war. Die haben dann aus Prinzip überhaupt nicht kooperiert und überhaupt nichts begriffen, sondern sich von mir erklären lassen, daß also eins und eins zwei ist, in der Hoffnung, daß ich als Anfängerin bestimmt irgendwo ausrutschen würde. Wenn man jemanden auf die Seife steigen lassen will, dann ist das ]*a leicht zu machen für einen Fachmann, der vor sich einen Generalisten stehen hat und noch dazu einen Anfänger. Und ich weiß, daß sie das bei Männern nicht so gemacht haben, zumindest nicht mit so großer Lust. Und dann die Dienstzettel, so hieß es damals, die Mitteilungen darüber, was man falsch oder schlecht gemacht hat, die hab ich abgeheftet zum Teil in Ordnern, neulich habe ich das wieder gefunden und mich gewundert über mich selber. So verletzt hat es mich doch, und so nahe ist es mir gegangen, weil es so ehrenrührig war, und so ungerecht, daß ich das aufheben mußte damals, diese Infamien. Und ich habe sogar Antworten darauf geschrieben. Ein anderer hätte vielleicht gesagt, so ein Blödsinn, das werfe ich in den Papierkorb, aber ich habe Antworten darauf geschrieben und mir Durchschläge aufgehoben.« Später kann man ja erkennen, daß das Nebenschauplätze waren, daß man völlig umsonst zornig oder besorgt war oder Abende damit verbrachte, sich zu grämen und zu ärgern. Diese Abende wären den Verantwortlichen eine Freude und eine Genugtuung gewesen. Und die Ärgernisse In der breiteren Perspektive der Dinge waren sie folgenlos und wirklich so unwichtig, daß ihr rechtmäßiger Platz schon damals der Papierkorb gewesen wäre. Darauf antworten? Ja. Indem man unaufhörlich seinen Weg geht, und die böswilligen, kleingeistigen männlichen Neider in einer Staubwolke zurückläßt. Aber die Gelassenheit, das zu erkennen, mußte fast jede Frau sich erst allmählich selbst erwerben. Bis sie irgendwann einmal erfreut feststellte, daß es nun eigentlich schon recht lange keinen Zwischenfall dieser Art mehr gegeben hatte, daß sie die Zone der Turbulenzen überflogen und sich in ruhigere Luftströme begeben hatte. Wir können auch noch kurz bei der Frage verweilen, warum manche Männer auf weibliche Mitarbeiter so reagieren. Der erste Grund ist der wichtigste: Sie fühlen sich bedroht. Eigentlich ist es ein Kompliment, von ihnen attackiert zu werden, auch wenn das in der Situation kein großer Trost ist. In vielen Arbeitssituationen haben es die neu Hinzukommenden schwer, werden sie zunächst als Fremdkörper erlebt und schlecht behandelt; das geht nicht nur Frauen so. Bei Frauen aber kommen viele Verschärfungen hinzu. Sie werden als zusätzliche Rivalen erlebt, die man vielleicht schnell mal eliminieren kann, bevor der eigentliche Kampf unter den gewohnten männlichen Konkurrenten beginnt. Ihr impertinenter Anspruch, nun auch mitmachen und mitspielen zu wollen, wird als Affront erlebt, der doppelt irritiert, weil er von einer Frau kommt. Den Frauen wird oft geraten, sich in beruflichen Situationen nicht immer empfindlich auf ihr Frau-sein zu besinnen und nicht alle Attacken und Probleme darauf zurückzuführen. In der Praxis tritt aber das umgekehrte Problem viel häufiger ein: daß die Männer einfach nicht vergessen können, daß sie es mit einer Frau zu tun haben. Ingrid Kolb konnte zwar die Arbeit in ihrem Ressort beim STERN gut leisten, die Stimmung im Team war ausgezeichnet und die Beiträge wurden anerkannt, aber dennoch hatte sie manchmal das Gefühl, mehr Widerstände als normal bei der Belegschaft außerhalb des eigenen Ressorts zu erleben. ,»Ich machte mir auf der Weihnachtsfeier mal Luft und habe einen Kollegen angejammert, warum ich es immer so schwer habe und immer solche Widerstände erlebe usw. Der erklärte mir das und sagte: »AIs Frau wirst du eben voll identifiziert mit den Inhalten dieses Ressorts, während dein Vorgänger, auch wenn er genau dieselben Themen machte, gesehen wurde als einer, der sie nur verwaltet.« Sexuelle Belästigung am. Arbeitsplatz, Gewalt in der Ehe, Sexualität, das waren nicht bloß journalistische Aufträge, die sie eben ausführte wie ehemals ihr Vorgänger auch, sondern sie wurde gesehen als die Verkörperung all dieser bedrohlichen neuen Inhalte, weil sie eine Frau war. Xenia Hausner »ging es um die Sache, nicht darum, daß der, der da in der Werkstatt ist und schweißt, ein Mann ist. Mir geht es darum, daß die Produktion ein Knüller und der Abend toll wird, daß alles gut wird, und wenn eine Frau einen Blödsinn gemacht hat, dann hat mich das genauso gestört. Aber ich habe das Gefühl, die Männer konnten das nie trennen, daß ich ein Geländer so geschweißt haben wollte und daß ich es war, die das wollte.« Autoritätsprobleme, Probleme mit Männern, die nicht für oder mit einer Frau arbeiten wollten oder keine Anordnungen von einer Frau entgegennehmen wollten, hatten die Frauen in der Regel nicht. Hier ging es um etwas ganz anderes, nämlich darum, daß Männer - und immer dann, wenn sie in einer Gruppe auftraten und in der Mehrheit waren, nicht wenn ein einzelner Einwände gegen die Frau hatte ihr vermeintIiches Revier verteidigten. Neben dieser Motivation gibt es noch andere Beweggründe für ihr Verhalten. Die ehemalige österreichische Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg reflektiert einen Erfahrungsschatz von über 70 Jahren und meint ganz gelassen, das habe viel mehr mit den Männern zu tun als mit den Frauen, und die Frauen sollten sich gar nicht allzuviele Gedanken machen, warum die Männer das machen und was das zu bedeuten habe. »Man darf nicht erwarten, daß Männer besonders liebenswürdig sind, das sind sie nicht, das sind sie untereinander nicht, und das sind sie gegen Frauen auch nicht. Heute weniger denn je, da waren sie früher liebenswürdiger als heute.« Damit vielleicht drängt sich manchmal die Vermutung auf, daß bei Männern manchmal ein Böser-Buben-Instinkt auftritt. Warum tritt man auf Regenwürmer? Um sie zappeln zu sehen. Warum zwickt man das Baby? Weil es noch nicht sprechen und einen daher noch nicht verpetzen kann. Warum quält man die neue Frau am Arbeitsplatz? Weil sie mit ihrer Ernsthaftigkeit und Unsicherheit dazu einlädt. Firnbergs These ist in diesem Zusammenhang wirklich erinnerungswürdig. Man denke nur an die schrecklichen Dinge, die Männer sich gegenseitig antun: die halb schon an Folter grenzenden, demütigenden Initiationsrituale - mit denen zum Beispiel neue Rekruten von den älteren aufgenommen werden. Jedes Jahr sterben in amerikanischen Universitäten mindestens ein paar junge Männer an den Folgen der idiotischen Aufnahmerituale der männerbündnerischen Studentenverbindungen, der »fraternities«. Ehe sie als gleichwertige Mitglieder Akzeptierung finden, müssen diese jungen Männer die widerwärtigsten, insultierendsten Dinge tun, von denen einige übrigens eine deutliche sexuelle Komponente haben, wenn es auch in einer reinen Männergruppe stattfindet. Da ist es nicht weiter überraschend, wenn sie mit Frauen ähnlich verfahren. Wenn wir in den Institutionen maßgeblicher geworden sind, können wir diese rückständig autoritären Männerspielchen einstellen. Bis dahin werden sie bestehen bleiben, und es ist besser, wir wundern uns darüber, als daß wir uns darüber ärgern. Erwähnenswert als Detail ist vielleicht noch eine andere mögliche Interpretation der schon oben angesprochenen Bescheidenheit. Sie war wirklich sehr auffallend und äußerte sich sowohl in expliziten Sätzen, die die eigenen Leistungen relativierten oder die Nennung eines persönlichen Erfolges entschuldigten, als auch in den Begleitworten, die jeden Anschein des Selbstlobes vermeiden wollten. Marlene Kücks Schwierigkeiten bei der Ernennung zur Professorin sind nur verständlich, wenn sie uns über ihre Qualifikationen informiert, aber es fällt ihr sichtlich schwer, das zu tun. Denn es klingt ja anmaßend und unbescheiden, wenn sie sich als bestquailfizierte Kandidatin beschreibt; auch wenn das objektiv zutraf. Als Angelika Bäumer beim Rundfunk eine Chance erhielt, war sie so aufgeregt darüber, daß sie drei Tage lang an der Fünfminutensendung arbeitete, um es nur ja besonders gut und besonders gewissenhaft zu machen. Der Einsatz lohnte sich, der Abteilungsleiter war beeindruckt und engagierte sie für weitere Programme. Aber Frau Bäumer stellt es anders dar. Ihre Freundin habe ihr den ersten Auftrag verschafft, gegen ihren Widerstand. »Ich sagte, das kann ich nie. Sie sagte, doch, du kannst das, du machst das. Ich habe also drei Tage an dieser Fünfminutensendung geschrieben, nicht geschlafen. Zufällig ist die aufgefallen...« Das ist bestimmt nicht Koketterie, denn sie erzählt auch sehr überzeugend von ihren persönlichen Empfindungen gegenüber dieser Arbeit: »Jedesmal, wenn ich in den ORF (Rundfunkhaus) hineingegangen bin, hat mein Herz einen Hupfer gemacht, ich habe mich so gefreut, daß ich das kann, daß das, was ich mache, auch gewollt wird, daß das jemand gerne hört.« Etwas später, nachdem ihre Radiokarriere sich entwickelt hatte, kam das Fernsehen hinzu. Frau Bäumer erlebt diese Entwicklung ähnlich wie beim ersten Mal. »Weil ich beim Radio so toll war, haben sie mich zum Fernsehen geholt«, könnte sie sagen, und es wäre nicht einmal gelogen. Aber sie stellt es anders dar: »Auch da war durch schieren Zufall der erste Film aufgefallen, und wieder meinte der Abteilungsleiter: »Machen Sie so was doch öfter.« So viele Zufälle! Oder nehmen wir Frau Tumpel-Gugarells Bilanz ihrer Zeit als Ministersekretärin. »Ich glaube« sagt sie, »daß ich mir da einen ganz guten Ruf geschaffen habe, ohne jetzt angeben zu wollen ... « Von der typischen Selbstpräsentation des durchschnittlichen, in einer vergleichbaren Position tätigen Mannes hebt sich das so kraß ab, daß es erklärungswürdig wird. Die Frau will »nicht angeben«, sie hat auch. nicht einen sehr guten oder einen guten Ruf, sondern einen »ganz guten«, und es ist auch nicht ein Faktum, sondern nur etwas, was sie »glaubt«. Und außerdem ist es noch ein »Ruf«, also etwas, was andere Leute über sie sagen. Um zu straffen, haben wir die Interviews in dieser Hinsicht sogar unwillkürlich ein wenig verfälscht, denn wir haben viele der Nebensätze und Beiwörter herausgenommen, in die Frauen ihre Errungenschaften einbetteten. »Wir konnten dann also glücklicherweise ziemlich schnell doch einiges erreichen« - so klingt, in der Frauensprache - ein toller, durchschlagender Erfolg, den sie einzig und allein ihrem eigenen Einsatz zu verdanken haben. Wie sollen wir das aber nun interpretieren? Wir schwanken zwischen zwei Ansätzen. Die konventionelle Interpretation besagt, daß hier die exzessive Bescheidenheit der Frauen zum Ausdruck kommt, und ihre Angst, gehaßt und abgelehnt zu werden, wenn sie arrogant oder unbescheiden wirken. Je mehr wir uns damit befaßten, desto plausibler erschien uns aber noch eine andere Deutung. Es ist nämlich auch möglich, hierin einen »kulturellen« Unterschied zwischen Frauen und Männern zu sehen. Es ist nicht so, daß nur die Frauen selber sich kein aggressiveres Auftreten zumuten wollen; sie mögen es an den Männern genausowenig. Bezeichnend ist hier die Aussage einer Frau, Männer besäßen eine solche Gabe zur Selbstbeweihräucherung, daß die »Frau, wenn sie bloß zuhört, schon stellvertretend rot wird vor Scham«. Das müßte sie nicht, wenn sie meinte, einem Mann stünde ein solches Verhalten zu und bloß ihr als Frau gezieme es nicht. Frauen erinnern in ihrem beruflichen Sprechverhalten oft an das japanische. Es gibt ein bestimmtes Auftreten, daß sie als höflich empfinden, und dazu gehört ein fast rituelles Zurückstellen der eigenen Person. »Meine Wenigkeit denkt dies oder das«, »diese unwürdige Person möchte den Vorschlag machen«, der japanische Geschäftsmann oder fabelhaft reiche Unternehmer, der solche Floskeln gebraucht, glaubt nicht wirklich daran, sondern gehorcht damit kulturellen Regeln der Höflichkeit. Auch bei den Frauen gab es einen deutlichen Kontrast zwischen der Bescheidenheit ihrer Sprache und dem, was sie tatsächlich erreicht hatten. Ganz so zurückhaltend und demütig konnten sie einfach nicht sein, sonst hätten sie es nicht in die Führungsetagen geschafft; sie mußten wohl doch in der Lage sein, sich irgendwie bemerkbar zu machen, sich Geltung zu verschaffen. Ähnlich verhält es sich beim »weiblichen Führungsstil«. Sehr oft bekannten sich Frauen zu einem Stil, der eine starke mitsprachliche oder Laissezfaire-Komponente enthielt. Sie hatten es gerne, wenn bei ihren Mitarbeitern Einsicht und Zustimmung über die Notwendigkeit eines bestimmten. Schrittes herrschte; sie zogen es vor, wenn diese Mitarbeiter eigenverantwortlich ihre Arbeit taten und kontrollierten sie ungern. »Ich bin zwar formal hier die Chefin«, sagt zum Beispiel Marlene Kück, »aber ich fühle mich selber nicht so. Es ist mir lieber, wenn die anstehenden Probleme auch in der Gruppe besprochen werden können«. Auch hierbei wäre aber die Schlußfolgerung, Frauen lehnten Autorität ab, möglicherweise voreilig. Man könnte es auch so sehen, daß sie Autorität anders ausdrücken. Wie bei der traditionelleren Form von Autorität wird es auch hier Mitarbeiter geben, denen dieser Stil mehr, und andere, denen er weniger behagt. Im allgemeinen werden Personen, die einen hohen Grad der Eigenmotivation haben und denen ihre Arbeit Spaß macht, mit dem sich herausbildenden »weiblichen« Führungsstil wahrscheinlich besser zurechtkommen, während jene, die ihre Arbeit sehr zweckbegrenzt sehen und kein unabhängiges Interesse daran haben, mit dem klassisch autoritären Stil besser fahren. Es wäre jedoch sicherlich falsch, den weiblichen Führungsstil als anarchistisches, ruderloses Dahinschwimmen zu interpretieren. Die Werbefrau Eliza MacLachlan beschreibt ihren Führungsstil als »sehr entspannt. Ich sage sehr freundlich: »Würden Sie vielleicht dies oder jenes tun?« Nur wenn Mitarbeiter meinen, eine so lockere Anweisung ignorieren zu können, werde ich schärfer.« Frau Klement beschreibt ebenfalls einen betont weichen Kommandostil, aber sie kann immer noch in derselben Stilrichtung bleibend, die Mitarbeiter dann fragen: »Bitte, eigentlich haben wir uns gestern darüber unterhalten und jetzt hast du genau das Gegenteil gemacht, warum?« Ob es für Angestellte ratsamer ist, auf den brüllenden Chef zu hören als auf eine sanft nachfragende Chefin, ist wahrscheinlich sehr fraglich. Um zu überprüfen, ob und inwieweit die Frauen ihrem ausdrücklich egalitären, teamorientierten Anspruch in den bestehenden Arbeitsstrukturen gerecht werden können, wäre eine diesbezügliche Untersuchung erforderlich. Wir können hier nicht mehr tun, als den Anspruch zu notieren.