Die Anfänge höherer Bildung für Frauen, das Auftreten von Frauen als öffentliche Rednerinnen und ihre Arbeit gegen die Sklaverei nahmen nur sehr langsam Einfluß auf die rechtlichen Bedingungen, unter denen Frauen lebten. Sie veränderten sich nur im Schneckentempo, in einem Staat nach dem anderen. Obwohl die Zahl der erwerbstätigen Frauen langsam zunahm, durften in den meisten Staaten auch während der nächsten Jahrzehnte die Frauen doch nicht selbst über ihren Verdienst verfügen, das ihnen gesetzlich zustehende Eigentum verwalten oder amtliche Papiere unterschreiben.[1] Als Jane Swisshelm, eine der ersten Frauen, die eine eigene Zeitung, den Saturday Visiter, herausgab, von ihrer Mutter ein kleines Vermögen erbte, geschah das in Form einer Treuhänderschaft: ein juristisches Mittel, mit dem die Tatsache umgangen werden sollte, daß Frauen keine Besitzrechte hatten. Als solches war es auch nur teilweise erfolgreich:
»Mein Mann fühlte sich betrogen und wurde wütend, fand aber ein Gegenmittel. Da er Besitzer meiner Person und meiner Dienste war, hatte er auch das Recht auf Lohn für die Zeit, die ich als Pflegerin meiner Mutter verbracht hatte, und wollte seine Ansprüche gegenüber den Testamentsvollstreckern durchsetzen. Ich weiß nicht, warum ich so äußerst überwältigt gewesen sein sollte von diesem Vorschlag, ein Gesetz anzuwenden, das nie von irgendeiner Nation, einem Staat oder einer Kirche in Frage gestellt worden und in der ganzen Welt in Kraft war... Warum sollte ich darüber erröten, daß mein Mann ein gesetzestreuer Bürger des freiesten Landes der Welt war? Warum ihm Vorwürfe machen, daß er in Übereinstimmung mit den Gesetzen jeder christlichen Kirche handelte?... War es denn überhaupt seine Schuld, daß alles, was eine Ehefrau durch eigene Dienstleistung oder Handlung während der Ehe erwerben kann, ihrem Mann gehört? Sicherlich nicht.«[2]
Ähnlich rebellierte Lydia Maria Child dagegen, daß sie nicht ihr eigenes Testament schreiben durfte:
»David hat mein Testament unterschrieben, und ich habe es versiegelt und weggelegt. Es erregte meinen heftigen Unwillen, wenn ich daran dachte, daß seine Unterschrift nötig war ... Es war nicht entwürdigend für mich, denn David respektiert die Freiheit aller Frauen prinzipiell, und meine insbesondere, weil er mir außerdem zugetan ist. Aber es war entwürdigend für alle Frauen, daß sie von jeher zu beweglicher persönlicher Habe degradiert und von Literatur, Gesetz und Sitte ständig beleidigt werden. Gerade die Sätze, die uns betreffen, sind abscheulich. >Dem Gesetz nach tot<. >Femme couverte<. Wie ich diese Sprache hasse!«[3]
Eine Arbeiterin konnte gezwungen werden, jeden Pfennig ihres Lohns dem trunksüchtigen Ehemann auszuhändigen, auch wenn ihr dann nichts mehr für den eigenen Lebensunterhalt oder den der Kinder blieb, und selbst wenn bekannt war, daß der Mann nicht für sie sorgte. Wenn sie um die Scheidung von einem solchen Mann bat, konnte ihm vom Gesetz das alleinige Sorgerecht für die Kinder zugesprochen werden, gleichgültig, was für ein Vater er war. Diese
Situation führte zu Episoden, die an die Ergreifung weggelaufener Sklaven erinnern, wie die, die Clarina Howard Nichols aus Vermont schildert:
»Zwei Männer betraten den Wagen des Zuges. In dem jüngeren erkannte ich den Sheriff unseres Bezirks wieder. Nachdem er sich suchend umgeschaut hatte, legte der ältere mit einem bedeutungsvollen Nicken zu seinem Begleiter einen Augenblick lang seine Hand auf die Abteiltür, und alle Leute fuhren wie elektrisiert hoch bei dem Wehgeschrei: >Oh Vater, sie ist mein Kind! Sie ist mein Kind ( . .. )Wer ist das?< >Was ist das?<, kamen die ängstlichen Fragen von allen Seiten. Ich antwortete: >Das heißt, meine Freunde, daß eine Frau kein Recht auf ihre eigenen Babys hat, daß die Gesetzgeber in diesem christlichen Land - das Sorgerecht für die Babys dem Vater übergeben haben, ob er nüchtern oder betrunken ist, und daß er den Sheriff schicken kann, wie in diesem Fall, damit er sie verhafte und ihr ihre hilflosen Kleinen wegnehme.«[4]
Wenn ein Mann starb, ohne ein Testament zu hinterlassen, konnte das Gesetz mit großer Strenge über seine Besitztümer verfügen. In New York wurden einer Witwe die Familienbibel, Bilder, Schulbücher und alle anderen Bücher belassen, wenn sie zusammen den Wert von 50 Dollar nicht überstiegen, Spinnräder, Webstühle und Öfen, zehn Schafe und deren Felle, zwei Schweine und das Schlachtrecht. Unabhängig davon, wieviel Kinder sie hatte, erhielt sie außerdem: »Alle nötige Kleidung, Bettwäsche, Bettzeug und Bettgestell, ihrem Witwenstatus gebührende Bekleidung und Schmuck einen Tisch, sechs Stühle, sechs
Messer und Gabeln, sechs Teetassen und Untertassen, einen Zuckertopf, einen Milchtopf, einen Teetopf und sechs Löffel.«[5]
Vor Gott war die Frau wenig besser dran als vor dem Gesetz. Die Trauungsliturgie umschrieb ihren geringen Stand, ihre Unterwerfung und ihre Pflichten. Einige frühe Reformerinnen entfesselten eine regelrechte Schlacht zur Abschaffung des Wortes »gehorchen«. Oftmals schlossen sich Ehemänner diesem Protest an, die ersten »Ehekontrakte«, die von Männern und Frauen eingegangen wurden, die ihre Ehe auf einen für beide Seiten gültigen Begriff von
Menschenwürde gründen wollten, sagen nicht nur über die ihnen zugrundeliegenden Bestrebungen viel aus, sie weisen auch auf die Verhältnisse hin, gegen die sie rebellierten. Einer der ersten Kontrakte war der, den Robert Dale Owen (der Sohn des utopischen Humanisten Robert Owen) anläßlich seiner Heirat mit Mary Jane Robinson 1832 aufsetzte:
»Von den ungerechten Rechten, die mir ein schändliches Gesetz kraft dieser Zeremonie über Person und Besitz eines anderen Menschen stillschweigend gibt, kann ich mich zwar nicht rechtlich, wohl aber moralisch entbinden. Und hiermit erkläre ich ausdrücklich und entschieden, daß ich mich selbst betrachte und ernsthaft von anderen betrachtet sehen möchte als jetzt und für den Rest meines Lebens vollkommen entbunden von jeglichem dieser Rechte, den barbarischen Relikten eines feudalen, despotischen Systems.«[6]
Als Lucy Stone und Henry Blackwell 1855 heirateten, gaben sie sich bei der Zeremonie die Hand und lasen laut eine Stellungnahme vor, die erklärte:
»Während wir unsere gegenseitige Zuneigung dadurch kundtun, daß wir öffentlich die Beziehung von Ehemann und Ehefrau eingehen,... halten wir es für unsere Pflicht zu erklären, daß dieser Akt auf unserer Seite weder das Versprechen freiwilligen Gehorsams gegenüber solchen geltenden Gesetzen noch deren Sanktionierung enthält, welche der Ehefrau die Anerkennung als unabhängiges vernünftiges Wesen verweigern, während sie dem Ehemann eine ungerechte und unnatürliche Vormachtstellung einräumen... Wir protestieren besonders gegen die Gesetze, die dem Ehemann folgendes übertragen:
- Die Aufsicht über die Person der Frau.
- Die ausschließliche Kontrolle und Vormundschaft über die Kinder.
- Den alleinigen Besitz ihrer persönlichen Habe und die Nutznießung ihres Grundbesitzes, wenn er nicht vorher auf sie oder auf Treuhänder übertragen wurde wie im Fall von Minderjährigen, Schwachsinnigen oder Geisteskranken.
- Das absolute Recht auf die Früchte ihrer Arbeit.
- Auch gegen Gesetze, die dem Wtiwer soviel mehr und längere Anrechte auf das Eigentum seiner verschiedenen Frau einräumen als der Witwe auf das ihres verschiedenen Ehemanns.
- Schließlich gegen das ganze System, durch welches die rechtliche Existenz der Frau während der Ehe aufgehoben ist<, womit sie in den meisten Staaten weder gesetzlich verbrieften Anteil an der Wahl des Wohnsitzes hat, noch ein eigenes Testament machen, noch in eigener Sache klagen oder verklagt werden, noch Vermögen erben kann.«[7]
Zwischen 1839 und 1850 erließen die meisten Bundesstaaten Gesetze, die das Vermögensrecht der verheirateten Frauen anerkannten. In einigen Fällen geschah das mit Hilfe von Großgrundbesitzern, die ein Interesse daran hatten, ihr Vermächtnis an weibliche Erben zu schützen; in anderen Fällen verdankt es sich den Anstrengungen von Männern liberaler Gesinnung, die dabei von einigen wenigen energischen Frauen unterstützt und ermutigt wurden.
1836 wurde dem Parlament in New York die erste Petition für ein Gesetz zur Regelung der Vermögensverhältnisse verheirateter Frauen vorgelegt. Sie trug die Unterschrift von sechs Frauen und war das Werk von Mrs. Ernestine Rose, die erst vor kurzem ins Land gekommen war. Obwohl in Polen geboren, wurde Mrs. Rose eine der herausragenden Rednerinnen ihrer Zeit und wurde oft die »Königin der Tribüne« genannt.[8] Sie war auch eine der ersten Frauen, die die Stellung ihres Geschlechts durch Einflußnahme auf die Gesetzgebung zu verbessern versuchten, und sie erfuhr, daß das eine schwierige Aufgabe war:
»Nach einer Menge Ärger bekam ich fünf Unterschriften zusammen. Einige der Damen meinten, die Herren würden über sie lachen, andere, sie hätten genug Rechte, und die Männer meinten, die Frauen hätten schon zuviel Rechte .. . Ich machte weiter Hingaben mit immer mehr Unterschriften bis 1848 und 1849, als das Parlament das Gesetz verabschiedete, mit dem die Frauen das Recht erhielten, zu behalten, was ihnen gehörte. Aber kaum war es in Kraft getreten, sagten alle Frauen: >Oh! Das ist richtig! Das hätten wir schon immer haben sollen!<«[9]
Hinter dieser langsam ansteigenden Flut von Gesetzesreformen stand der Druck einer größer und vernehmbar gewordenen öffentlichen Meinung, die durch Vortragsreisende und Schriftsteller aller Schattierungen von Liberalismus und Einsatzfreude beeinflußt worden war. Unter ihnen waren Männer wie John Neal, der »Yankee aus dem Osten« aus Portland (Maine), der seit 1832 ein halbes Jahrhundert lang Reden über Frauenrechte hielt. Da war Richter Hurlbut aus New York, der dadurch für die Sache der Frauen gewonnen wurde, daß er ein Papier gegen sie schrieb, von dem er dann erkannte, er könne es in jedem Punkt widerlegen. Ergebnis war eine Broschüre dieses hervorragenden Juristen mit dem Titel Human Rights, die weite Verbreitung fand.
Wichtige Kraft für die Heranbildung der öffentlichen Meinung war Mrs. Sarah Josepha Haie, Herausgeberin des Godey's Lady's Book.[10] Diese Zeitschrift mit ihrer (für damalige Zeiten) riesigen Auflage von 150 000 hat sich niemals der Sache der Frauenrechte als solcher angenommen. Aber Mrs. Haie, die immer mit allergrößter Umsicht schrieb, führte eine Reihe hartnäckiger und kompromißloser Kampagnen - zugunsten der höheren Bildung für Frauen, für ihre Zulassung zu qualifizierten Berufen wie Medizin und Krankenpflege bei gleichzeitiger angemessener Ausbildung in diesen Bereichen, über die Vorteile von Leibeserziehung für Frauen, die Schädlichkeit von Korsetts und vieles andere.
Den größten Einfluß hinterließ Margaret Füller, deren Buch Woman in the Nineteenth Century zum Signal für Generationen von Frauen wurde. Sie ist als Intellektuelle und »Blaustrumpf« tituliert worden, aber die Tatsachen ihres Lebens zeigen, daß ihr Interesse an Frauenproblemen nicht nur intellektuellen Ursprungs war.[11] 1810 geboren, wurde sie von einem verbitterten und pedantischen Vater dazu erzogen, die Klassiker in sechs Sprachen zu lesen, unter anderem in Latein und Griechisch. Als sie fünfundzwanzig war, starb ihr Vater, und, da ihre Mutter nur wenig Neigung zur Meisterung der praktischen Probleme, eine große Familie zusammenzuhalten, zeigte, übernahm Margaret die Erziehung der vier kleineren Kinder und unterrichtete schließlich in einer Mädchenschule in Providence, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Dort hörte sie einen Vortrag von John Neal über Frauenrechte. Sie kehrte nach Boston zurück und kam in die Kreise der Transzen-dentalisten, die die Befreiung und Erfüllung der erhabensten Anlagen in jedem menschlichen Wesen predigten; sie fand jedoch, daß gerade dieses Recht ihrem Geschlecht versagt wurde.[12]
Sie befreundete sich mit Männern wie Emerson, Channing, Alcott und anderen Transzendentalisten, aber um sich herum fand sie überall den Beweis für die geistige Aushungerung und Frustration der Frauen, die von dem großen geistigen Umwälzungsprozeß, der damals in Neuengland vor sich ging, unverkennbar ausgeschlossen blieben.
Weil sie Geld verdienen mußte, weil sie als brillante Rednerin bereits bekannt war und weil sie den Frauen Impulse und Auswege verschaffen wollte, initiierte Miss Füller eine Reihe von »Konversationen« (heute würden wir sie Diskussionsgruppen nennen) in Elizabeth Peabody's berühmter Buchhandlung in der West Street in Boston. Sie war noch keine dreißig Jahre alt, als sie an einem Nachmittag des Novembers 1839 die erste Konversation zum Thema »Griechische Mythologie« eröffnete, die damals auf allgemeineres Interesse stieß als heute. Zu den fünfundzwanzig anwesenden Frauen gehörten die Peabody-Schwestern (von denen eine später Horace Mann, eine andere Nathaniel Hawthorne heiratete; außerdem gehörte Elizabeth Pea-body selbst dazu), Lydia Maria Child, Maria White - die Verlobte des Dichters James Russell Lowell - und die Ehefrauen des Philosophen Emerson, des Historikers George Bancroft und des Geistlichen Theodore Parker. Über fünf Jahre lang behandelten die »Konversationen« außerdem Themen wie Kunst, Kultur, Literatur und das Leben der Frau. Ihre Verbindung zu den Transzendentalisten machte Miss Füller zur Mitherausgeberin (neben Ralph Waldo Emerson) der Vierteljahresschrift The Dial; hervorragende Bedeutung erwarb sie auch, als sie 1845 Boston verließ, um als erste Frau in der Redaktion der von Horace Greeley herausgegebenen aufsteigenden New York Tribüne als Literaturkritikerin mitzuwirken.
Ein Jahr zuvor hatte sie Woman in the Nineteenth Century veröffentlicht; es hatte nacheinander verschiedene Stadien durchlaufen, zuerst als eine ihrer »Konversationen«, später als Artikel im Dial unter dem Titel »Der große Prozeß: Mann gegen Frau - Frau gegen Mann« und schließlich als schmales Bändchen. Dem modernen Leser mag es unstrukturiert und weitschweifig erscheinen, denn es fehlt ihm die Wucht von Sarah Grimkes früherem Werk; einige Teile sind überladen mit Anspielungen auf die Klassiker und leiden darunter, als Schaukasten für Miss Füllers Belesenheit herhalten zu müssen. Aber für die zeitgenössischen Frauen war die Botschaft klar: Die Frau muß sich selbst verwirklichen, nicht im Verhältnis zu oder durch Unterwerfung unter die Männer, sondern als Individuum, als unabhängiges menschliches Wesen. Daß das bisher fehlgeschlagen war, hatte aus der Frau ein »großes Kind« gemacht. Miss Füller wollte nicht gelten lassen, daß Frauen durch Männer, wie eng ihre Familienbande auch sein mochten, adäquat in der Regierung repräsentiert würden, denn das Bild des Mannes von der Frau war durch seine Herrschaftsbeziehung zu ihr verzerrt; doch war ihr Hauptanliegen kein politisches:
»Was die Frau braucht, ist nicht, als Frau zu handeln oder zu regieren, sondern als menschliche Natur zu wachsen, als Geist zu erkennen, als Seele frei zu leben, ohne gehindert zu werden, solche Macht zu entfalten wie sie ihr gegeben wurde, als wir unser aller gemeinsame Heimat verließen.«[13]
»Aber wenn ihr mich fragt, welche Ämter sie bekleiden sollen, erwidere ich - jegliches. Mich kümmert nicht, welches, laßt sie meinetwegen Kapitäne zur See werden.«[14] Sie fürchtete sich nicht vor den durchgreifenden Veränderungen, die erforderlich sein würden, um ein solches Ziel zu erreichen, und schleuderte eine Herausforderung in die Debatte, von der ein halbes Jahrhundert widerhallte: »Wir wollen jede willkürliche Schranke niedergerissen haben. Wir wollen jeden Weg für Frauen ebenso offen haben wie für Männer... dann und nur dann wird die Menschheit reif dafür sein, wenn innere und äußere Freiheit genauso für die Frau wie für den Mann als Recht anerkannt und nicht als Zugeständnis gewährt wird. Wie ein Freund des Negers voraussetzt, daß ein Mann nicht mit Recht einen anderen in Knechtschaft halten kann, so muß ein Freund der Frau davon ausgehen, daß ein Mann nicht mit Recht der Frau Beschränkungen auferlegen kann, auch keine wohlmeinenden.«[15]
Gelegentlich entflammte ihr Zorn, wie bei ihrer Antwort auf die Leute, die behaupten, die körperliche Natur der Frau mache sie ungeeignet für alle Sphären außer der geschützten häuslichen:
»Wenn wir in Entgegnung darauf auch zugeben, daß die Frau von Natur aus eher für den inneren Kreis bestimmt ist, müssen wir auch hinzufügen, daß die Einrichtungen der Zivilisation bisher noch nicht imstande waren, ihr diesen inneren Kreis zu sichern. Nun ist ihr Kreis wohl der dumpfere, nicht aber der ruhigere. Von der >Erregung< soll sie zwar ferngehalten werden, von der Plackerei jedoch nicht. Nicht nur die Indianersquaw trägt die Last des ganzen Lagers, auch die Favoritinnen König Ludwigs XIV. müssen ihn auf seinen Reisen begleiten, und die Waschfrau steht zu jeder Jahreszeit und in jedem Gesundheitszustand am Zuber und schleppt ihre Arbeit nach Hause. Diejenigen, die finden, die körperlichen Gegebenheiten der Frau müßten sie für einen Teil der Regierungsgeschäfte der Nation ungeeignet machen, finden es keineswegs unmöglich, daß Negerinnen die Feldarbeit ertragen, selbst wenn sie schwanger sind, oder daß Näherinnen ihrer mörderischen Arbeit ausgesetzt werden.«[16] In einer Gesellschaft, die solche Dinge lieber nicht diskutierte und schon gar nicht mit Frauen, setzte sich Margaret Füller in aller Ruhe und Klarheit mit der »Doppelmoral« von Ehrbarkeit und Prostitution auseinander. Obwohl sie große Differenzen mit den Abolitionisten hatte, die sie immer daran hinderten, sich ihnen anzuschließen, sprach sie stets respektvoll von deren Verdiensten um die Sache der Frauen und zitierte Angelina Grimke und Abby Kelly Foster als Beispiele großen Muts und moralischer Stärke. Margaret Füller hielt sich aus den tagespolitischen Kontroversen einschließlich der Sklavenfrage heraus. Aber ihr Buch Woman in the Nineteenth Century verschaffte ihr großes Prestige; einige ihrer Freunde, die ihre leidenschaftlich Partei ergreifenden Briefe aus Rom an die New York Tribüne lasen, in denen sie den Niedergang der dortigen republikanischen Revolution im Jahre 1848 beschrieb, und die von ihrem aktiven Engagement für die Republik gemeinsam mit Mazzini wußten, träumten davon, daß sie bei ihrer Rückkehr nach Amerika die Führung der sich herauskristallisierenden Frauenrechtsbewegung übernehmen würde.[17] Aber Margaret Füller ertrank beim Untergang ihres Schiffes in Sichtnähe der Küste von Fire Island. Sie war erst vierzig Jahre alt, hatte aber in ihrer kurzen Lebensspanne »mehr Einfluß auf das Denken amerikanischer Frauen besessen als irgendeine Frau vor ihr«.[18]
Viele Frauen, die nicht Godey's Lady's Book abonniert oder die Bücher von Margaret Füller gelesen hatten, konnten über öffentliche Vorträge erreicht werden. Die Schwestern Grimke traten ab 1838 nicht mehr öffentlich auf, aber andere Frauen rückten nach. Unter ihnen ragte Lucy Stone heraus, die wegen ihrer jahrelangen Vortragsreisen kreuz und quer durch das Land von Neuengland bis nach Ohio und Wisconsin den Titel »Morgenstern der Frauenrechtsbewegung« erwarb.
Niemand wußte besser als Lucy Stone, was es bedeutete, so hart wie ein Mann zu arbeiten und trotzdem als dem Mann gegenüber minderwertig zu gelten. In der Grenzfarm im Westen von Massachusetts, wo sie 1818 geboren wurde, war der Ackerbau noch primitiv, und die Frauen trugen neben ihren Haushaltspflichten auch noch die schwere Last der Arbeit mit der Milchwirtschaft; trotzdem »gab es im Haus nur einen Willen, und das war der meines Vaters«. Sieben Kinder waren da. Sie wurden von einer abgearbeiteten sanften Mutter versorgt, die anläßlich Lucys Geburt ausrief, »Ohje! Es tut mir leid, daß es ein Mädchen ist. Das Leben einer Frau ist so hart!«[19] Ein paar Stunden vor der Geburt hatte sie noch acht Kühe gemolken, weil ein plötzlicher Sturm alle Arbeitskräfte auf die Felder gerufen hatte. Es war dringlicher, die Heuernte zu retten, als eine Mutter am Rande ihrer Leistungsfähigkeit oder das Leben eines weiteren Kindes zu schützen. Als sie zwölf war, beschloß Lucy, alles zu tun, um ihrer Mutter die Bürde zu erleichtern, und übernahm neben ihrer Arbeit in der Schule noch die Wäsche des Haushalts. Die Arbeit blieb hart während ihrer ganzen Jungmädchenzeit und Geld war knapp; für ein Mädchen, das mehr Bildung wollte, gab es überhaupt keins. Mit sechzehn begann sie selber zu unterrichten, was damals nichts Ungewöhnliches war, und neun Jahre lang sparte sie, was sie verdiente und betrieb ihre eigenen Studien; schließlich war selbst ihr Vater überzeugt, daß nichts sie von ihrem Ziel abbringen würde. Sie war eine der ersten Frauen, die 1847 in Oberlin den Abschluß in einem »regulären« Kurs, zum Unterschied vom »literarischen«, machte; sie hatte sich dort ganz bewußt auf die Laufbahn einer öffentlichen Rednerin zugunsten der Unterdrückten vorbereitet. »Ich gedenke, nicht nur für die Sklaven zu sprechen, sondern für die leidende Menschheit überall, insbesondere habe ich die Absicht, für den Aufstieg meines Geschlechts tätig zu werden.«[20]
Lucy Stone hielt ihren ersten Vortrag über Frauenrechte im Jahr ihres Schulabgangs auf der Kanzel der Kirche ihres Bruders in Gardner (Massachusetts). Im Jahr darauf agierte sie als Vortragsreisende für die Antisklave-reigesellschaft, was oft bedeutete, daß sie vor extrem feindseligen Zuhörern sprechen mußte. Von ihrer Erscheinung her fiel sie nicht auf - klein und schmal und nicht eben schön -, bis sie den Mund auftat. Ihre Stimme allerdings war unvergeßlich - klar und melodisch wie eine silberne Glocke; dank dieser Stimme gepaart mit unbezähmbarem Mut, vermochte sie, den schlimmsten Mob zu verblüffen und außer Gefecht zu setzen. Aber sie bekam schnell Ärger aus einer anderen Ecke. Wie die Schwestern Grimke konnte sie Sklaverei und Frauenrechte nicht voneinander getrennt sehen, und wie diese erregte sie den Zorn jener Abolitionisten, die beides nicht vermischt haben wollten. Schließlich wurde ein Kompromiß ausgearbeitet, wonach sie samstags und sonntags über die Abschaffung der Sklaverei und den Rest der Woche über Frauenrecht sprach. Sie hielt eine dreiteilige Vortragsreihe über Frauen: einmal über ihre Beschränkungen in Gesellschaft und Industrie, dann über rechtliche und politische Behinderungen und drittens über die Diskriminierung durch Moral und Religion. Wenn sie gegen die Sklaverei sprach, konnte sie auf die Hilfe der örtlichen abolitionistischen Gruppen rechnen. Solche Hilfe bekam sie dagegen nicht, wenn es galt, Treffen über die Rechte der Frau zu arrangieren. Sie schrieb: »Wenn ich meinen einsamen Kampf für die Frauenrechte aufnahm, kannte ich außerhalb des kleinen Kreises von Abolitionisten niemanden, der mit meinen Ideen sympathisierte. Ich ließ große Handzettel drucken. Ich kaufte ein Heftchen Reißzwecken und, da ich fürs Anbringen nicht zahlen konnte, hämmerte ich die Zettel mit einem Stein selber an. Ich nahm keinen Eintritt, aber es gab immer Kosten für Saalmiete und Hotel. Um diese Kosten zu decken, bat ich am Ende meiner Rede um Hilfe für das große Werk durch eine Kollekte. Dann nahm ich einen Hut und ging durch das Publikum, denn alle waren mir fremd. Ich bekam immer genug, um die fälligen Sachen zu zahlen, manchmal sogar mehr.«[21]
Es gab viele, die zwar nicht zu pöbelhafter Gewalttätigkeit griffen, sie aber doch liebend gern zum Schweigen gebracht hätten und hofften, daß ihre Heirat mit Henry Blackwell 1855 ihrer Karriere ein Ende setzen würde. Die Boston Post brachte ein Gedicht, dessen Schlußstrophe lautete: »Der soll einen Namen haben wie Curtius Laut geblasen auf der Trompete des Ruhms Der mit dem Hochzeitskuß verschließt Den Mund von Lucy Stone.«[22]
Aber der Prophet irrte. Die Heirat schaffte zwei Anwälte für die Rechte der Frau, wo bisher einer gewesen war, und schließlich drei. Henry Blackwell, Lucy Stone und ihre Tochter Alice Stone Blackwell arbeiteten nahezu über den ganzen Zeitraum der Frauenrechtsbewegung von 1847 bis 1920 für die Befreiung der Frauen.