GINEVRA - 37 Jahre alt - lebt in Rom
SIRIA - 32 Jahre alt - lebt in Rom
ROSETTA: Bezeichnet ihr euch als Lesben?
GINEVRA: Ja, sozusagen als Homosexuelle ...
SIRIA: Ich hab da keine Zweifel.
ROSETTA: Ich glaube, ich auch nicht.
GINEVRA: Siria hat, glaube ich, auch keine Zweifel mehr. Es kann sein, daß sie anfangs welche hatte, aber inzwischen nicht mehr. Ich hatte wirklich nie welche. Ich habe mir das nie als Problem angezogen. Ich war immer so, d.h. ich habe mir keinen Moment lang überlegt, ob ich gerne mit einem Mann zusammen wäre oder so. Soweit ich mich erinnern kann, weiß ich, daß ich schon immer so war, wie ich heute bin. Ich fuhr schon immer auf Frauen ab, Männer ... Als ich klein war, waren die Jungen für mich höchstens Spielkameraden. Ich spielte nämlich lieber Fußball oder Indianer oder so etwas. Als ich älter wurde, hatte ich zwar halt solche Freundschaften zu gleichaltrigen Jungen, was weiß ich, gemeinsame Ausflüge und Fahrten mit der Clique, aber es kam viel eher so, daß ich ein Auge auf eines der Mädchen als auf einen der Jungen warf.
ROSETTA: Und du?
SIRIA: Bei mir war es mit achtundzwanzigeinhalb. Bis dahin hatte ich nur mit Männern Liebesgeschichten bzw. Flirts - nenn sie, wie du willst. Es war wie ein kleines Trauma, um ein Modewort zu benutzen, ich wußte nämlich nicht, was mit mir geschah. Ich war so alt und fest davon überzeugt, daß ich von jeher die Männer gemocht, sie aber nach meinem Belieben benutzt hatte. Außerdem dachte ich bis dahin, daß sie zu mir gepaßt und mich auch befriedigt hätten. Dann geschah aber etwas, was da nicht hineinpaßte. Ich empfand nämlich für eine Frau das gleiche wie für einen Mann. Ich versuchte herauszubekommen, was mit mir da plötzlich geschah. Das geht doch nicht, dachte ich, >Mein Alltag und mein Leben sind ganz auf einen Mann ausgerichtet und nicht auf eine Frau<. Alles geriet ziemlich ins Wanken. Diese Phase dauerte ungefähr sechs Monate, ich habe da viel nachgedacht über die Religion, die Öffentlichkeit, mein Privatleben, meine Eltern, ein bißchen über alles. Ich muß zugeben, daß ich darin auch von vielen Frauen aus meiner Umgebung unterstützt wurde, hauptsächlich von Lesben oder zumindest Frauen, die mit anderen Frauen zusammen waren und sich nicht mit Männern abgeben wollten. Durch das viele Reden, das Darüberredenhören, dem Hinsehen öffnete sich diese Welt sehr viel leichter, als wenn ich isoliert gewesen wäre oder in dieser Zeit in einer sogenannt normalen Umgebung gelebt hätte.
ROSETTA: Wie bist du zu diesen lesbischen Frauen gekommen?
SIRIA: Zufällig, als das Giraluna eröffnet werden sollte. Es war reiner Zufall. Bzw. es kann auch sein, daß mir mein Lesbischsein erst dadurch bewußt wurde, daß ich das alles mitkriegte. Das bleibt aber offen, ehrlich gesagt, könnte ich nie das eine oder das andere schwören. Nach diesem diffusen Verliebtsein, bei dem aber vor allem deshalb nie etwas rauskam, weil ich nicht wollte, tauchte eine Frau auf, bei der ich einfach kapitulieren mußte. Es war die schönste und die schrecklichste aller Geschichten. Sie dauerte drei Monate bzw. vier mit dem Flirten. Tja, ich weiß nicht, ob ich eine solche Erfahrung wiederholen würde, denn am Ende bin ich ganz schön auf die Schnauze gefallen. Nach dieser Erfahrung war ich ziemlich desillusioniert ... am Boden. Ich war von der Vorstellung ausgegangen, daß die Liebe zwischen zwei Frauen etwas Himmlisches sei, daß zwei Frauen zusammen wirklich wunderbar sein müßten, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie an all die Gemeinheiten der Männer gewöhnt sind, was aber ... Die absolute Idylle gibt es nicht, wirklich nicht, vielleicht gibt es sie jetzt zwischen uns beiden, also, seit dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, bis heute. Damals war ich wirklich erschüttert, aber in einem anderen Sinn, denn die Welt, die ich mir im Geiste zurechtgebastelt hatte, war zusammengebrochen. Ein Talsturz, so gesehen ...
ROSETTA: Der Mythos von der >Zärtlichkeit< in Frauenbeziehungen
SIRIA: Ja, es mußte die Liebe hoch unendlich sein. Also, eine Frau mußte der anderen alle Liebe geben, die sie nie von einem Mann bekommen konnte, und alle Zärtlichkeit, Wärme, Sanftheit, ... sie in Watte packen.
GINEVRA: Und ihr vor allem Wärme geben, ja, du möchtest sie schon auch kriegen, aber du hast auch selbst sehr viel davon, da du einem Mann nie deine ganze Liebe geben konntest ... Er hätte das nie verstanden. Und deswegen hatte sie solche Erwartungen.
SIRIA: Aber leider habe ich damals eher noch etwas Schlechteres vorgefunden... Ich finde, manchmal folgt man einfach einem gewissen Muster, darauf werde ich vielleicht später noch einmal eingehen, aber in ganz bestimmten Augenblicken bist du versucht, mit Frauen, wenn auch nicht das gleiche, aber so was ähnliches zu tun, wie du das von Männern kennst. Ich kann alle gut verstehen, die in solch einer Situation sind. Ich meine damit, andere zu benutzen, sie wie Zitronen auszuquetschen und sie dann wegzuwerfen. Deswegen ...
ROSETTA: Das ist doch logisch.
ALICE: Es kann aber auch Zufall sein. Ich meine damit, du hast vorhin gesagt, daß du mit ihr eine gute, positive Beziehung hast. Du kannst nicht zu allen Frauen eine gute Beziehung haben.
GINEVRA: Sie hat das doch vorhin schon gesagt, daß ihre erste Beziehung mit einer Frau die schlimmste von allen war, die sie gehabt hat, die anderen sahen dann ganz anders aus.
SIRIA: Ich habe vorausgeschickt, daß meine erste Frauenbeziehung die schönste und gleichzeitig die schrecklichste für mich war ... Die schönste, weil mir in den zärtlichen Momenten der Unterschied zwischen dem, was mir eine Frau geben konnte, und was ich im Gegensatz dazu von den Männern bekommen hatte, klar wurde ... das ist ein riesiger Unterschied. Aber dann auch den Alltag, die Gefühle, die schönen und schlimmen Momente teilen zu können, das klappt nicht immer. Darum sage ich die schönste und schrecklichste Beziehung dazu, denn leider wurde mir bewußt, daß Frauen die gleichen Qualitäten und die gleichen Fehler wie Männer haben können. Wir sind alle Menschen, darum gibt es überall Schönes und Schlechtes. Wir sind keine Heiligen. Du willst etwas sagen?
ALICE: Auch meine erste Geschichte mit einer Frau lief so ähnlich ab, wie bei dir. Die war auch, wie soll ich sagen, völlig verrückt, total ausgeflippt, anders kann ich es nicht nennen. Es war ziemlich schlimm, wenn wir mal ehrlich miteinander waren, es war klar, daß wir uns im Grunde überhaupt nicht verstanden. Wir waren zwei ganz unterschiedliche Frauen mit zwei ganz verschiedenen Leben, da kannst du einfach nicht zusammen sein.
SIRIA: Das stimmt.
ALICE: Ich denke, ich rede jetzt nur für mich, daß ich damals Frauenbeziehungen möglicherweise idealisiert habe.
GINEVRA: Ja, bei ihr war es das gleiche. Für Siria hat sich dieses Problem nicht gestellt, bevor sie 29 war. Als sie dann diese Frauen kennenlernte, hat sie vielleicht öfter darüber reden gehört, so kann es gewesen sein. Meiner Meinung nach war sie einfach lesbisch, latent lesbisch, ich habe das an vielen Anzeichen gesehen. Wir beide sprechen oft darüber, auch über ihre und meine Vergangenheit. Schon oft hat sie mir irgendetwas erzählt, was meiner Meinung nach nur von einer, wie soll ich sagen, Urlesbe stammen kann. Ich fand es z.B. ziemlich bezeichnend, was sie mir von Gefühlen Freundinnen gegenüber erzählt hat. Sie waren ähnlich gelagert wie bei mir, und ich war mir meiner Homosexualität bewußt. Ich weiß nicht, sie hat mir so erzählt: >Es gab da mal eine Freundin, mit der ich ganze Tage im Halbdunkel verbracht habe, um Musik zu hören!< Diese Freundin verhielt sich ihr gegenüber aufmerksamer, als es üblicherweise unter Freundinnen der Fall ist. Im Grunde bestand zwischen ihnen eine Intimität und Zärtlichkeit ... von der ich, weil ich immer schon so lebte, genau wußte, was sie zu bedeuten hatte. Ich hatte Freundinnen, die nur Freundinnen waren, mit denen ich nur über alle möglichen Ereignisse usw. gequatscht habe, es wäre mir im Traum nicht eingefallen, was weiß ich, sie mit einem Blumenstrauß zu besuchen, bzw. es ging mir auch nicht schlecht, wenn ich nichts von ihnen hörte oder wenn ich sie z.B. nicht in die Schule kommen sah. Aber wenn eine Schulkameradin von mir, die mir etwas bedeutete, morgens nicht in die Schule kam, machte mir das etwas aus. Mit einem Mädchen z.B. habe ich über alles geredet. Wenn sie fehlte, konnte mich das schon fertigmachen, wenn jedoch die fehlte, für die ich ganz viel übrig hatte, ging es mir echt schlecht, und ich hatte nur den Gedanken >Heute sehe ich sie nicht<. Denn damals, in der Zeit und dem Alter, weißt du, ich rede übrigens immer von meiner Zeit, denn in den letzten Jahren hat sich auch unsere Welt sehr verändert, wir haben ein bißchen mehr ... Freiheit, das mag vielleicht auch, ich weiß nicht, eine Illusion sein, aber ich, die den größten Teil meines Lebens in Turin verbracht habe, dort, wo die Umwelt einfach so ist, wie sie ist, das ist so ... Du mußt auf alle und alles aufpassen, aus Angst, daß sie etwas in Umlauf bringen, also was du bist und was du nicht bist... Diese ganz bestimmten Gefühle waren mir sehr vertraut, als sie mir davon erzählte. Das alles ist meiner Meinung nach bezeichnend dafür, daß sie versuchte, Frauen zu lieben. Noch etwas. Mir hat es sehr geholfen, daß ich mit 15 meine erste Frau kennengelernt habe und daß sie es war, die sich mir genähert hat. Mir wäre das im Traum nicht eingefallen trotz meiner Gefühle für sie. Aber ich hatte nicht den Mut, mich heranzutasten und so etwas zu machen.
ALICE: Also, du hattest zwar Bedürfnisse, warst dir aber nicht sicher in dem, was du warst?
GINEVRA: Bis 15 empfand ich etwas für meine Freundinnen, ich spürte, daß das nicht >normal< war. Meine nur fünf Jahre jüngere Schwester z.B. hatte schon auch ihre Freundinnen, klebte aber nicht so an ihnen wie ich an meinen. Für mich waren sie wirklich wichtig, manchmal noch mehr als meine Familie. Zur Veranschaulichung: Wenn meine Mutter, die ich sehr geliebt habe, zu spät vom Einkaufen zurückkam, war mir das nicht so wichtig. Wenn ich aber meine Freundin nicht sah, die vielleicht zehn Minuten zu spät kam oder gar nicht raus kam, ging es mir echt dreckig. Ich dachte dann, >Ich seh sie heute nicht mehr, ach, was geht's mir schlecht!< Tja, so etwas
ROSETTA: Die Liebe!
GINEVRA: Ja, nur daß mir das alles mit 15 bewußt wurde, denn da hatte ich meine erste Erfahrung mit einem gleichaltrigen Mädchen, die mir schon so allerhand erzählt hat.
ROSETTA: Die erste Liebesgeschichte mit einer Frau hattest du demnach mit einem gleichaltrigen Mädchen, richtig?
GINEVRA: Ja.
ROSETTA: Du hast praktisch gleich damit angefangen, so zu lieben. Nicht wahr?
GINEVRA: Ja.
ROSETTA: Erzählst du uns etwas von dieser Geschichte?
GINEVRA: Ja. .. Wir waren im Sommerferienlager in den Bergen, und da hat dieses Mädchen in den ersten Tagen versucht, mich halt .. kennenzulernen, auf mich zuzugehen. Damals hatte ich gerade ein kleines Herzleiden, ich weiß nicht, woher, ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern. Und wenn die anderen dann z.B. zum Wandern in die Berge gingen, konnte ich nicht mit, weil ich beim Klettern Atemnot hatte. Ja, ich muß auch noch sagen, damals habe ich ungefähr 85 Kilo gewogen ... ich war ganz schön mollig, deswegen strengte mich allein schon das Laufen ziemlich an. Und als wir dann, einmal spazierengingen, blieb sie irgendwann mit mir zurück. Sie lief langsamer, um mir Gesellschaft zu leisten. Sie sagte dann >Wenn ich das nicht tue, bleibst du allein und schaffst es nicht.< Was soll's, im Laufe der Zeit habe ich herausgefunden, daß das alles Tricks sind
SIRIA: Und zwar professionelle!
GINEVRA: Ja, was soll's, meinetwegen auch professionelle, aber sie machte das, um mit mir ins Gespräch zu kommen. Und danach kamen dann so all die Sachen, ich weiß nicht, halt die ganzen Aufmerksamkeiten ...
SIRIA: Und Streicheleien ...
GINEVRA: Ja, in den ersten zehn Tagen wurde ich schon so ein bißchen umworben, danach kam sie ganz plötzlich eines abends, ihr wißt ja, in diesen Ferienlagern gehen alle zu einer festen Zeit schlafen, das Licht wird ausgestellt, und wir zwei hatten ein Zimmer zusammen. Sie kommt an, schlüpft ins Bett und fängt an, mich zu streicheln. So etwas hatte ich noch nie ausprobiert, also noch nie gemacht. Aber irgendwie klickt's dann, und du sagst dir, >Diese Gefühle kennst du doch!< Was weiß ich, ich habe ja bestimmt mit zehn,zwölf Jahren masturbiert. Damit habe ich dann die Empfindungen, die ich beim Streicheln mit diesem Mädchen hatte, assoziiert.
SIRIA: Mit Lust willst du sagen!
GINEVRA: Genau! Das Ganze hat dann den Monat gedauert, den wir noch in dem Ferienlager verbracht haben. Danach haben wir uns fast ein Jahr lang geschrieben und uns im nächsten Jahr wiedergesehen, wieder in dem Ferienlager, nur daß sie diesmal nur fünfzehn Tage blieb, weil sie Nachprüfungen machten mußte. Deswegen ist sie früher weggefahren, und von da an haben wir uns weder noch mal gesehen noch geschrieben. Sie ist ihren Weg gegangen und ich meinen ... Schluß aus. Ehe ich eine andere Erfahrung machte ...
ROSETTA: Entschuldige, war das nicht ziemlich dramatisch für dich?
GINEVRA: Nein, überhaupt nicht.
ROSETTA: Das Gefühl, es heimlich zu tun?
GINEVRA: Nein. Uns beiden war es ziemlich vertraut, wie im Ferienlager gedacht wurde und welche Sachen stillschweigend und heimlich getan werden mußten. Aber es war nicht ... wie kann ich es ausdrücken, es war nicht traumatisch, oder, was weiß ich, mit einem Schuldgefühl behaftet.
ROSETTA: Ihr wart an die Bedingungen der Umgebung angepaßt.
GINEVRA: Ich denke, sie hatte kein Schuldgefühl, sie war es ja schließlich, die auf mich zuging. Von daher war es für sie nicht problematisch... Für mich war es jedenfalls ganz unproblematisch, ich hatte nicht das Gefühl, etwas Außergewöhnliches zu tun. Für mich war es etwas ganz Normales. Wenn ein Junge sich mir genähert und so etwas getan hätte, hätte ich ihm eine geklebt und ihm gesagt,'Was willst du nur von mir? Was soll das heißen?< Bei diesem Mädchen aber kam es mir ganz natürlich und normal vor.
SIRIA: Daß sie auf dich zuging?
GINEVRA: Ja, daß sie auf mich zuging und von mir so etwas wollte. Es war unheimlich schön, ich werde es immer in Erinnerung behalten... Das soll und sollte aber keine, die mir nahesteht, eifersüchtig machen!
SIRIA: Fast nicht!
GINEVRA: Das gehört doch zur Vergangenheit. Tja, jedenfalls, ohne ins Detail zugehen, zwischen der Frau von damals und der Frau, die mir heute nahe steht, gibt es etwas Verwandtes, nämlich den Beruf. Die erste hatte den gleichen Beruf wie sie. Also, ich habe gesagt, die erste und die letzte ... mit dem gleichen Beruf, das ist eine Schwäche von mir, man sieht gleich, daß ich eine Vorliebe für einen besonderen Frauentyp habe. Und dann, von da an bin ich oft auf die Schnauze gefallen, bei Schulkameradinnen, den Kolleginnen im Büro, bis ich 21 war. Da habe ich eine Kollegin aus dem Büro kennengelernt, die ungefähr achtzehn Jahre älter war als ich. Nein, zwanzig, runde, dicke Jahre, zwanzig Jahre älter als ich. Ich war 21 und sie 41, das war eine Erfahrung, die wirklich ... sie hat mich völlig runtergezogen, und zwar total. Damals habe ich mir überlegt, wenn ich mich mit einer Gleichaltrigen zusammentun würde, müßte sie entweder so leben wie ich, oder ich müßte eine Beziehung mit einer Frau ab einem gewissen Alter eingehen... Mit meiner Familie hatte ich nie Probleme damit, denn sie wußten ...
ROSETTA: Ah ja?
GINEVRA: Sie haben es immer gewußt.
ROSETTA: Wie haben sie reagiert? Das ist spannend ...
GINEVRA: Ganz ruhig, meine Mutter ganz ruhig, sie war immer nur besorgt, daß ich ihrem Verständnis nach unangenehme Bekanntschaften machte, also, ich weiß nicht, Frauen, die mich ausnutzten, so etwas ... meinem Vater war es in den ersten Jahren nicht ganz geheuer, er hatte sich immer einen Sohn gewünscht, deswegen meinte er, >Ganz gelungen ist es mir nicht, aber immerhin ein bißchen.< Er hat sogar meine Aufnahme ans Institut für Schiffahrt beantragt. Könnt ihr euch vorstellen, er wollte aus mir einen Kapitän für Hochseefahrt machen? Wenigstens hätte ich so einen Anflug von Männlichkeit bekommen. Danach ist alles gut gegangen. Als wir dann tatsächlich ... diese Art Hochzeit hatten, die leider nur unter uns gilt, hat er uns da, wo wir diese Zeremonie gefeiert haben, drei rote Rosen hingeschickt. Von daher habe ich nie Probleme gehabt. Ich muß sagen, mein Vater war manchmal geradezu ... ich weiß nicht, mein Vater ist ein ziemlich ... wenn er eine schöne Frau auf der Straße sieht, stupst er mich an, damit ich mich umdrehe, um sie auch anzugucken.
ROSETTA: Denk mal an, in so einem Alter!
GINEVRA: Ja, mein Vater ist 75. Ich kam auf die Welt, als er 40 war.
ROSETTA: Einmal hast du mir angedeutet, daß die Beziehung zu deiner Schwester sehr wichtig für dich war.
GINEVRA: Ja, das ist wahr. Meine Schwester ist sehr wichtig für mich gewesen, weil sie immer sehr offen für so etwas war, obwohl sie fünf Jahre jünger ist als ich. Ich weiß jetzt nicht, ob sie deshalb besonders empfänglich für so etwas ist, weil sie mich ja immer vor Augen hatte, aber Tatsache ist, daß sie z.B. ganz klar in der Familie ausgesprochen hat, was ich bin. Das war sie. Als sie 12 war und ich 17, packte ich es an einem Nachmittag einfach nicht mehr. Ich platzte nämlich förmlich, es überkam mich, ich hatte ... das Bedürfnis, mit jemandem darüber zu sprechen. Ich kam dann darauf, es meiner 12-jährigen Schwester zu sagen. Im Grunde hätte ich ihr auch schaden können, aber in dem Augenblick, na ja, ich mußte einfach... Als ich es ihr gesagt hatte, meinte sie, >Na und? Das wußten wir doch schon lange!< So war das. Wir dürfen daher nicht vergessen, daß ich jetzt von den Zwölfjährigen von vor zwanzig Jahren rede, also im wahrsten Sinne des Wortes von einem zwölfjährigen Mädchen, keinem Mädchen von heute, die mit 12 mehr als du und ich zusammen weiß. Fest steht, sie hat es meinen Eltern gesagt. Ich hätte mich wahrscheinlich nie getraut, es ihnen offen zu sagen, also wegen all dem, was ich schon darüber reden gehört hatte. Mit 17 hatte ich nämlich schon so einiges über Homosexualität gehört! Deswegen tat es mir leid, meiner Mutter wehtun zu müssen, sie war ja der wichtigste Mensch in meinem Leben. Mein Vater ... mag sein, daß er mir nicht sehr viel bedeutet hat, wir hatten nämlich keine besonders freundschaftliche Beziehung, das war eher ein gegenseitiges Ertragen. Aber höchstwahrscheinlich nur aus dem Grund, daß er ja einen Sohn wollte, der aber nicht kam... Ich habe versucht, das wettzumachen, so gut ich konnte, aber mehr konnte ich nicht
SIRIA: Du hast zumindest eine Frau geheiratet, stimmt's?
GINEVRA: Vielleicht hat er uns deswegen die drei roten Rosen geschickt, zumindest habe ich ihm eine Schwiegertochter verschafft. Dann hatte ich jedenfalls eine Beziehung, die zwölf Jahre dauerte, nicht nur eins. Aber wenn ich es mir so recht betrachte ... alles in allem läßt sie sich im nachhinein auf ein Jahr reduzieren. In den ersten zwei, drei Monaten ist alles gut gegangen, wie das in den ersten Monaten so ist, dann ... Ich muß unbedingt sagen, daß wir nie zusammen gewohnt haben, wir haben zwar zusammengearbeitet, aber abends ging jede nach Haus. Wir trafen uns einmal in der Woche, wir hatten zu dem Zweck eine Art Mansarde gemietet. Zu meinem Bedauern muß ich sagen, daß das nur zum Vögeln war. Zu nichts weiter sonst ...
ROSETTA: Habt ihr freiberuflich zusammen gearbeitet oder seid ihr im gleichen Büro angestellt gewesen? GINEVRA: Ja, im gleichen Büro, wir waren beide Angestellte.
ROSETTA: Was für ein Verhältnis hattest du zu dieser Arbeit?
GINEVRA: Ich muß sagen, ich hatte immer Glück. Ich weiß nicht, ich bin eine der wenigen Lesben, die nie Probleme hatte, da reinzukommen... Ich bin so gekleidet ins Büro gegangen: mit grauem Zweireiher, Oxford-Krawatte, Manschetten, kurz gesagt, war ich ein Buchhalter, keine Buchhalterin. Ich habe die Leute immer ein bißchen ... sie sollten es selbst herausfinden ... später haben sie es dann mitgekriegt, als ...
Alice: Wurde getratscht?
GINEVRA: Nein, niemals, bei Kollegen habe ich so etwas nie erlebt...
ALICE: Da hast du Glück gehabt.
GINEVRA: Ich weiß nicht, warum. Ob sie mich wohl erduldet haben? Ich weiß nicht, jedenfalls hatte ich mit Kollegen nie Probleme.
SIRIA: Sag mal ehrlich, nicht mal, als wir zusammen zu ihnen gegangen sind, um uns von ihnen zu verabschieden?
GINEVRA: Nein. Ich bin zu meinen Kollegen gegangen, um mich von ihnen zu verabschieden, als ich aus meinem früheren Wohnort hierher nach Rom zog. Wenn ich bei einem Mann eingehängt zu ihnen gekommen wäre und gesagt hätte, >Ich habe geheiratet', hätten mich alle entsetzt angestarrt, als ob sie wer weiß was sehen würden. Sie wären baß erstaunt gewesen, dagegen hat sich niemand gewundert, daß wir beide zusammen zu ihnen hochkamen und ihnen ganz gelassen sagten, daß wir zusammenleben. ... Ja, sie haben sich das schon gedacht. Sie haben mich nie angemacht... und Sachen gefragt, wie >Wie lebst du eigentlich? Was machst du?< oder dergleichen.
ROSETTA: Erinnerst du dich, einmal hast du mir erzählt, daß in deinem Büro auch ein Schwuler gearbeitet hat?
GINEVRA: Ja...
ROSETTA: Mit dem du befreundet warst.
GINEVRA: Ja. Doch da muß ich folgendes ergänzen. Wenn ich seine Lebensweise befolgt hätte, wäre ich längst nicht so wie ich heute bin, nämlich frei und ausgeglichen. Ich könnte dann nicht ruhig sagen, wer ich bin, denn damit hatte er Probleme. Es kam so weit, daß er mir vorschlug zu heiraten. Er hatte nämlich genau wie ich Kontaktschwierigkeiten. Wir waren zwei Angsthasen, im Grunde waren wir zwei echte Angsthasen. Deshalb schlug er mir vor, ich solle immer die Männer ranholen und er dafür irgendwelche Frauen. Und dann könnten wir die Opfer austauschen. Aber mir sagte das nie zu.
ROSETTA: Jeder von euch beiden hätte die Arbeit des anderen übernehmen müssen.
GINEVRA: Genau. Ich weiß nicht, ob er auf Frauen zugehen konnte, aber ich soll mich an Männer ranmachen? Nicht mal zum Spaß! Ich würde sie nicht gerade an die Wand stellen, aus anderen Gründen zwar schon, aber ... ich schließe sie aus meinem Gefühlsleben aus, für mich gibt es sie nicht.
ROSETTA: Wärst du opportunistisch gewesen, hättest du, denke ich, Vorteile daraus ziehen können, da die Homosexuellen ja sehr von den Frauen geliebt, umschwärmt und versorgt werden.
GINEVRA: Na ja. Z.B. kann ich aus der Zeit und der Stadt, in der ich früher wohnte und lebte, sagen, daß die überwiegende Mehrheit meiner Freunde Homosexuelle waren. Sie alle kamen zu mir, ich hielt aber auch Kontakt zu ihnen, weil, abgesehen davon, daß es meiner Meinung nach keine Unterschiede zwischen einem Homosexuellen und einer Homosexuellen geben sollte, wir haben ja vermutlich die gleichen Probleme, ich bin mir aber auch bewußt, daß sie immer Männer bleiben, da ist nichts zu machen. Ich sagte schon, ich habe viele schwule Freunde. Sie wußten, daß sie mit mir reden konnten, sie konnten mir von ihrem Kisten erzählen, die waren manchmal ziemlich haarig. Die Typen tun sich nämlich auch schwer. In meinem Umfeld hatte ich aber keine Kontakte zu offen lesbischen Frauen.
ROSETTA: Gab es nicht einmal Lokale, Treffpunkte von lesbischen Frauen?
GINEVRA: Nein, um Himmels willen! D.h., zum Teil schon in einer gemischten Umgebung, so auf der Ebene, Diskothek... Da hattest du schon Kontakt zu Freunden oder Leuten aus deinem Bekanntenkreis, von denen du wußtest, daß sie schwul oder Lesben waren. Die anderen, die dorthin kamen, konnten durchaus auch Heteros sein, die dort rumspionieren und glotzen wollten. Oder weil sie im Grunde selbst homosexuell waren, oder sie kamen zum Beutefang hin, also vielleicht der Ehemann mit seiner Frau, zu einem flotten Dreier. Ein Lokal, in das nur Frauen und ganz klar lesbische Frauen gingen, war unvorstellbar. Das habe ich erst hier in Rom gefunden.
ROSETTA: Lass uns wieder über deine Beziehung, die zwölf Jahre gedauert hat
ALICE: War diese Frau auch lesbisch? Oder war sie verheiratet?
GINEVRA: Nein, sie war nicht verheiratet bzw. ist nicht verheiratet, aber wichtiger als ihr Lesbischsein war meiner Meinung nach, daß sie sich verweigerte. Mit 18, 19 hatte diese Frau in den Kriegszeiten eine sehr schlimme Erfahrung gemacht, wegen politischer Sachen. Kurz gesagt, sie ist damals von ungefähr zehn Männern vergewaltigt worden. Deswegen glaube ich, daß sie allem anderen eine Beziehung zu einer Frau vorzog, eben weil sie mit 18 dieses ziemlich schwere Trauma erlitten hatte. Sie mußte da nicht nur die ganze sexuelle männliche Gewalt, die Vergewaltigung, aushalten, sondern auch physische Gewalt in Form von Schlägen, und daß sie an die >Wand gestellt< und ihr gesagt wurde, >Jetzt erschießen wir dich!< Und dann im letzten Moment haben die doch in die Luft geschossen...
ROSETTA: Sie haben sogar eine Hinrichtung vorgetäuscht...
GINEVRA: Ja, auf der Ebene ... Als Frau, muß ich schon sagen, hatte sie eine Menge nicht leicht zu lösender Probleme...
SIRIA: Sie hat dich dafür auch bezahlen lassen...
GINEVRA: Ja, aber ich muß sagen, wenn ich heute mit einer gewissen zeitlichen Distanz darüber nachdenke" und obwohl keine Anziehung zu dieser Frau mehr da ist, das ist vorbei, trotzdem kann ich nicht sagen, daß es auf meine Kosten ging ... Ja, schon ein bißchen, sie hat irgendwie meine Sexualität durcheinander gebracht. Als ich sie kennenlernte, fand sie bei mir alle möglichen Probleme und Störfaktoren, von denen ich nie geglaubt hätte, sie zu haben. Als ich mit dieser Frau zusammen war, war mir dieses Problem nicht bewußt, ich wußte nur, ich mußte das und das machen, das tut ihr gut.
ROSETTA: Dir ist demnach klargeworden, daß du in deiner letzten Beziehung in ein Rollenverhalten gedrängt wurdest?
GINEVRA: In dieser Beziehung war ich der Mann und sie die Frau. In wenigen Worten, ich mußte den Mann spielen.
ALICE: Du hattest dich ihren Anforderungen anzupassen.
GINEVRA: Ja. Weil sie älter war als ich, weil sie solche Schwierigkeiten gehabt hatte, weil ich ein kleines Mädchen war, voll traumhafter Vorstellungen von einer Beziehung zu einer Frau. Dann meine Schwierigkeiten, auf andere Frauen zuzugehen. Ich hatte immer Angst, ich dachte, wenn sie dann nicht drauf eingehen, krieg ich gleich noch ne Ohrfeige. So in der Art. Na ja, zu meinen Zeiten, als ich zwanzig war, konnte so etwas leider schon geschehen. Dann gab es auch Frauen, die das nur machten, um zu schauen, was es bei ihnen auslöst, und du fandest vielleicht sogar den zuguckenden Ehemann hinter der Tür. Alles echt nervig.
ALICE: Einiges davon ist ja heute noch typisch, z.B. für Provinzstädte.
GINEVRA: Das stimmt, aber so gesehen ist das im Grunde auch eine Provinzstadt, in der ich gelebt habe. Klar, da ist schon einiges in Bewegung gekommen, seit ich weg bin, trotzdem ...
ROSETTA: Sag mal, wie kam es überhaupt dazu, daß eine Beziehung so lange gedauert hat?
GINEVRA: Hauptsächlich, weil wir, wie ich dir schon erzählt habe, zusammen arbeiteten. Darum sahen wir uns jeden Tag. Ich muß sagen, ich war wirklich verliebt, zuerst in die Frau selbst, dann wegen der Dinge, die sie mir erzählt hatte. Tja, ich hing sehr an ihr, wir sind zusammen in Ferien gefahren, sind ausgegangen, was weiß ich, zwei, drei Mal in der Woche. Einmal die Woche haben wir uns oben unter dem Dach getroffen. Außerdem hatte ich dauernd Schiß, ich sag's noch mal, ich dachte nämlich, >Wann finde ich eine andere, wenn ich mich erst mal von ihr getrennt habe?< Sie war sich dessen vielleicht mehr bewußt als ich, denn sie hielt mich sozusagen ziemlich kurz. Von daher hat es diese ganze lange Zeit gedauert. Dann ist meine Mutter gestorben, ich bin umgezogen, um in der Nähe meiner Schwester zu bleiben, die hier gewohnt hat und habe praktisch so den Weg gefunden, um
ALICE: Viele haben dieses Problem ...
GINEVRA: Ja. Ich weiß, daß es sehr vielen so geht, aber damals betraf es vor allen Dingen mich. Wenn ich z.B. heute in einer solchen Lage wäre, würde ich das alles mit mehr Leichtigkeit hinkriegen, denn wo ich jetzt stehe und wie ich lebe, habe ich so viele Frauen um mich herum, mit denen ich fest befreundet bin und noch viel mehr ... Von daher ... heute » hätte ich schon einen Ausgangspunkt und auch wenn ich eine Frau anschaue, weiß ich, daß ich vielleicht nicht ihr Fall bin, aber daß sie mir auch keine Ohrfeige versetzen wird oder ähnliches.
ROSETTA: Ja, das ist wichtig.
GINEVRA: Siria habe ich z.B. in einem reinen Frauenlokal kennengelernt. Da wußte ich genau, daß sie mir an dem Tag, an dem ich mich aufraffen und mir einen Stoß geben würde, höchstens sagen könnte, >Du bist zwar eine sympathische Frau, alles, was du willst, aber eben nicht mein Typ, du paßt nicht zu mir<. Mit so etwas konnte ich rechnen, aber nicht, >Ey, die da ist niedlich, die gefällt mir, sie wird auch eine ziemlich ...< und mir danach eine zu scheuern, weil ihr eigentlich Männer gefallen. Das steht auf einem anderen Blatt. Ein solches Risiko gehe ich heute nicht mehr ein. Die erste Beziehung hat deswegen auch so lange gedauert. Als ich dann darüber hinweggekommen war, hat es mir ziemlich geholfen, daß wir uns nicht mehr gesehen und nichts mehr voneinander gehört haben, und später habe ich sie kennengelernt. Ab da wäre für nichts und niemand noch etwas übrig gewesen.
ROSETTA: Hattet ihr, du und deine erste Freundin, denn keine Möglichkeit bzw. nicht den Wunsch, euch über eure Vergangenheit Klarheit zu verschaffen, darüber zu reden, was ihr gemeinsam gelebt habt, es anders zu sehen?
SIRIA: Nein, schau mal, jetzt möchte ich mich einschalten... Denn gerade als für Ginevra eine ernste Sache in Rom in Aussicht stand, hat jene andere Dame Ansprüche gestellt und Forderungen. Zumindest hat sie versucht, sich etwas zu nehmen und zu fordern, sie hat sich dabei auf die zwölfjährige Bekanntschaft berufen, nicht etwa auf ein gemeinsam geführtes Leben, sie haben nämlich nie zusammen gelebt, statt dessen hat sie auf etwas gepocht, was mal gewesen war, aber nicht mehr bestand und das alles in meiner damaligen Wohnung und durch einen Anruf von mehr als einer halben Stunde ... von dieser Dame, die versuchte, sie sich wieder zu schnappen, als es aber schon ...
ROSETTA: Als sie eingesehen hatte, daß
SIRIA: ... sie wirklich verloren hatte ...
ROSETTA: ... hat sie nicht mehr versucht, sie wiederzuhaben.
SIRIA: Doch, sie hat es versucht. Und da habe ich zu ihr gesagt: >Entweder ich oder sie<. An dem Punkt habe ich es ihr freigestellt, sich zu entscheiden.
GINEVRA: Ja, aber für mich gab es längst keine Zweifel mehr, abgesehen davon, daß ich Siria schon drei Monate lang aus der Ferne beäugt hatte. Ich habe sie drei Monate lang aus der Ferne beäugt, d.h. ich hatte mich in sie verliebt, was sie aber nicht wußte.
SIRIA: Ich hatte keine Ahnung, Ehrenwort!
GINEVRA: Nein, sie wußte nichts, keiner wußte etwas, nur ich, für mich existierte nichts anderes mehr. Außerdem, als der Anruf kam, wohnten wir schon länger als fünfzehn Tage zusammen. Ja, für mich ...
Alice: Gleich nach dem Kennenlernen habt ihr euch entschieden, zusammen zu wohnen?
GINEVRA: Sofort, nach 24 Stunden.
SIRIA: Ja, nach 24 Stunden, und ... es gibt da etwas Amüsantes zu erzählen. An jenem Tag habe ich sie nämlich gefragt, >Willst du mit mir zusammenleben?< Was mich ganz schön entsetzt hat, war, daß diese Dame erst einmal schwieg, dann fragte sie mich, >Was meinst du mit Dir zusammenleben?< Ich fand das ziemlich komisch, denn wirkliches Zusammenleben bedeutet für mich, rund um die Uhr zusammen zu sein, das Schöne und Schlimme, Schlechte und Gute, alles irgend Mögliche zu teilen. Demzufolge war es für mich absolut klar, was es bedeutet.
ROSETTA: Zusammen zu arbeiten ...
SIRIA: Zusammen zu arbeiten, zusammen zu leben, also ... alles überhaupt Mögliche zusammen zu machen, zu zweit zu leben, solange uns das der eine erlaubt. Mit dem einen meine ich irgendeine höhere Instanz, wer immer das auch sein mag. Und sie stellte mir dann so eine Frage, die mich ziemlich verstört hat, und ich nur fragen konnte, >Wie meinst du das mit dieser Frage, was es bedeutet, zusammen zu leben?'
GINEVRA: Na ja, für mich ...
ROSETTA: Was meinst du mit zusammen zu leben? GINEVRA: Für mich war das unvorstellbar.
SIRIA: Leider hatte sie ja gerade diese Geschichte hinter sich. Sie hatte noch nie Erfahrungen im Zusammenleben gemacht. Demnach konnte das für sie nur heißen, sich ab und zu abends zu treffen oder zusammen Essen zu gehen und vielleicht einmal die Woche ins Bett, also der klassische Fick. Für mich hieß es das nicht.
ROSETTA: Hattest du nicht auch schon andere Erfahrungen im Zusammenleben?
SIRIA: Doch, die berühmt-berüchtigte erste, von der ich vorhin schon geredet habe. Sie hat ja drei Monate plus den einen Monat Flirten gedauert. Das war meine erste und einzige Erfahrung im Zusammenleben mit einer anderen Frau. Sie war total negativ, das >habe ich bereits gesagt, während es mit Ginevra und mir anfing, nachdem wir uns einen Tag kannten, wir haben uns seitdem nie mehr getrennt.
ROSETTA: Seit wann seid ihr zusammen?
SIRIA: Am 2. August sind es drei Jahre.
ROSETTA: Donnerwetter!
SIRIA: Ein ganz schöner Rekord ...
ALICE: Hmmm...
SIRIA: Nicht bloß das, es ist auch viel intensiver als in den ersten Tagen geworden. Du kannst dir vielleicht denken, wie lange es noch dauern wird!
ROSETTA: Wie haben die Menschen reagiert, die euch schon vorher kannten, ich meine, eure Familien, die Leute
SIRIA: Nun, die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Fangen wir mit der negativsten an, der meiner Mutter, die ziemlich ausgerastet ist, als sie mit meiner Homosexualität konfrontiert wurde. Sie hat mich sozusagen gehörig büßen lassen. Aber ich muß auch sagen, seitdem ich ihr Ginevra vorgestellt habe ... meine Mutter hat sie da praktisch ins Kreuzverhör genommen und ist dabei in die Tiefen ihres Bewußtseins und ihrer Psyche vorgedrungen, und ... Ginevra kam an. Alle anderen, die sie mit mir gesehen hatte, und sei es nur für eine halbe Stunde, hatten ihr nie gepaßt. ..Meine Mutter hat sich also ein wenig damit abgefunden, seitdem ich mit Ginevra zusammen bin. Am Arbeitsplatz hatte ich keine Probleme, da wurde ich immer angenommen, so wie ich bin. Früher war ich mit Männern zusammen, dann mit Frauen, das hatte keine Bedeutung. Ich arbeitete friedlich weiter.
ROSETTA: Sicherlich auch, weil du das selbst organisiert hast.
SIRIA: Ja, garantiert ...
ROSETTA: Ohne Chefs und dergleichen ...
SIRIA: Ja, ich hatte nie irgendwelche Chefs.
GINEVRA: Sie ist sozusagen freiberuflich tätig.
SIRIA: In einem gewissen Sinne ja, von meiner Umgebung, d.h. von den Leuten aus meinem Stadtteil habe ich eher Zustimmung bekommen.
ROSETTA: Ja, denn während Ginevra ihren Wohnort gewechselt hat, erfährst du jetzt ein Zusammenleben am gleichen Ort, an dem ...
SIRIA: ... ich es bereits ein anderes erstes Mal erfahren hatte, klar. Darüber hinaus muß ich sagen, daß ich irgendwie Zustimmung bekommen habe von den Menschen, die in meinem Stadtteil wohnen, die aus dem Viertel stammen, und mit denen ich immer Kontakt hatte. >Ach, mit der da ist's recht!< >Gottseidank, hast du die richtige gefunden!< So etwas kam von den unterschiedlichsten Leuten: von der Alten, die die Zigaretten verkauft, dem Drogisten bis hin zu meinem Eisenwarenhändler ... alle. Das war eine richtige Solidaritätswelle, alle meinten >Zum Glück, das ist die richtige für dich!< also, ich muß schon sagen ... sie wurde so akzeptiert und geliebt wie ich. Bzw. jetzt fangen sie damit an... In Ordnung, es hat ein paar Jahre gebraucht. Inzwischen kann ich aber sagen, sie wissen genau, wenn sie eine von uns beiden sehen, daß wir eine Einheit bilden. Das kam am Anfang noch nicht vor, aber schon damals war klar, daß sie mit mir zusammenlebte, und von daher wurde sie ganz und gar respektiert. Nie hat sie eine Beleidigung einstecken müssen, nie eine Bemerkung hinter'm Rücken, oder irgendwelche unangenehmen Kommentare, nie. Ich übrigens auch nicht. Daher denke ich, daß es wirklich das aller ... allerschönste ist.
ROSETTA: Ich kann die Reaktion deiner Mutter schon verstehen, als sie die gegebenen Tatsachen von deinem Lesbischsein erfuhr. Ich erinnere mich nämlich an meine Mutter und an ihr sehr offenes Verhalten gegenüber einigen Frauen, alles Lesben.
SIRIA: Ja, aber ich muß hinzufügen, daß diese Frauen eigentlich hauptsächlich wegen ihr kamen.
ROSETTA: Alles Freundinnen deiner Mutter?
SIRIA: Nein, sie waren keine wirklichen Freundinnen meiner Mutter, sondern sie wollte, daß ich Kontakt zu ihnen aufnahm. Aber ich habe das am Anfang, ich weiß nicht warum, immer irgendwie abgewehrt. Eine mochte ich nicht, unter uns gesagt, du kennst welche von denen... Ich weiß nicht, sie nervten mich, ein paar von ihnen haben mich richtig gestört. Sie traten permanent und nur zusammen auf. Wenn ich mit einer nicht klar kam, ging es auch mit den anderen nicht. Meine Mutter meinte dann zu mir, >Was hast du denn?< Ihre Art ist dir ja vertraut, du bist damit aufgewachsen. Wir hatten nämlich vor Ewigkeiten Hausdiener, Mama nahm nur Homosexuelle wegen uns zwei kleinen Mädchen, sie wollte nicht das kleinste Risiko eingehen. Folglich bin ich damit aufgewachsen, daß Homosexuelle gleichwertige Menschen sind. Ich habe Homosexualität schon immer respektiert.
GINEVRA: Ja, aber das trifft nur für die männliche zu, die weibliche Homosexualität gab es ja nicht für dich.
SIRIA: Ja, mit der bin ich überhaupt nicht in Berührung gekommen.
GINEVRA: Sie dachte, Homosexualität wäre nur unter Männern möglich, unter Frauen nicht.
SIRIA: Ich habe von weiblicher Homosexualität erst erfahren, als konkret darüber geredet wurde, ja, schon auch ein paar Jahre früher, denn ab und zu kriegte ich doch Geschichten zu hören, was weiß ich, von zwei Frauen. Von einem Ereignis las ich in der Zeitung, die Geschichte einer Schießerei zwischen zwei Frauen. Ich kriegte mit, wie in dem Zusammenhang über homosexuelle Frauen geredet wurde.
ROSETTA: Und doch hat dich deine Mutter mit einer gewissen Selbstverständlichkeit praktisch in eine Welt von lesbischen Frauen gesetzt...
SIRIA: Klar, mit totaler Selbstverständlichkeit ... ROSETTA: Sie hat sie sehr unterstützt, sie war sehr offen ...
GINEVRA: Tja, meiner Meinung nach war sie es selbst wahrscheinlich auch, sehr wahrscheinlich sogar.
ROSETTA: Aber es wurde nie offen darüber geredet, daß es Lesben sind. Sie hat nie mit dir darüber gesprochen?
SIRIA: Über so etwas haben wir nicht geredet. Nochmal, ich habe mich geweigert, diese Frauen zu treffen und zu sehen, obwohl ich sie schon respektierte. Es wäre mir im Traum nicht eingefallen, sie in beleidigendem Sinne als Lesbe zu bezeichnen, nein, das nicht ... Aber mir war nicht danach, mit ihnen zu tun zu haben. Meine Mutter hat sich eingeschaltet, wollte mich ein bißchen davon befreien, schon allein für meine Arbeit sollte ich vorurteilsfrei sein, erst recht gegenüber Frauen, die homosexuell sein könnten. Das darf man nicht. Dann habe ich allmählich irgendwann angefangen, Kontakte zu haben, Bekanntschaften zu machen. Außerdem war ich damals ziemlich hübsch, darum müßt ihr wissen, kam's ab und zu vor, daß irgendeine von ihnen es probierte. Das wird mir erst heute bewußt, wenn ich an Bemerkungen von ihnen denke, die ich damals nicht checkte. Dazu war ich nicht in der Lage, ich verstand sie einfach nicht. Das ist eigentlich das Amüsante an der ganzen Geschichte. Laut ihnen war ich nämlich anscheinend homosexueller als, was weiß ich, wer... Ich weiß es nicht, aber wenn sie nur sahen, wie ich eine Kiste hochhob, meinten sie gleich, >Du verhältst dich wie ein Mann<... Das glaube ich schon, wenn ich etwas Schweres hochheben muß, was soll ich da machen? Einen Mann, der das hätte machen können, gab es nicht, da mußte ich mich eben drum kümmern. Wegen so etwas haben sie mich als Homosexuelle bezeichnet, weil ich etwas Schweres trug...
ROSETTA: Aha!
SIRIA: Ich arbeitete, mein Gott, das hatte für mich nichts mit Homosexualität zu tun, auf so'ner Ebene ...
ROSETTA: Dein Lesbischsein war dir noch nicht bewußt, trotzdem hast du dich gleich autonom bewegt.
SIRIA: Wie meinst du das?
ROSETTA: Zu arbeiten, Sachen für dich zu haben...
SIRIA: Das will ich meinen! Unbedingt.
ROSETTA: In deiner heterosexuellen Zeit bist du jedenfalls nie auf den Gedanken gekommen, daß du dich ökonomisch oder arbeitsmäßig bei einem Mann anlehnen könntest.
SIRIA: Schon immer, von Geburt an, bin ich mit der klaren Vorstellung aufgewachsen, unabhängig sein zu wollen und mich selbst versorgen zu können. Nie im Leben wollte ich von einem Mann wegen eines Tellers Suppe abhängig sein. Diesen >Modus vivendi< hat mir meine Mutter eingeschärft, als ich noch ein Dreikäsehoch war. Von daher war mir immer klar, daß ich für meine Unabhängigkeit sorgen müßte. Der Zufall hat es gewollt, daß ich es gezwungenermaßen und früh tun mußte, weil sich mein Vater aus dem Staub machte mit seiner Freundin, mit der er eine Tochter gemacht hatte. Infolgedessen hat er meine Mutter, meine Schwester und mich im Stich gelassen, er meinte, >Jetzt klär< du das hier mal alles, sorge du für deine Mutter und deine Schwester.< Was bleibt dir übrig, du fängst dann an zu arbeiten. Da geht es nicht mehr um Homosexualität, sondern um Realität, das Leben. Meine Mutter war nicht fähig, sich ans Arbeiten zu machen, meine Schwester ging weg und machte ihren Kram, wer sollte an Mama denken? Sie etwa allein lassen? Das war schließlich nicht möglich. Ich war dazu gezwungen. Oh, die Jugend von heute ist auch ganz schön schlapp. Wenn du z.B. einen Jungen auf der Straße fragst, was weiß ich, einen dieser typischen stämmigen römischen Jungen, die du auf der Straße siehst, >Kannst du mir mal bitte helfen, diese Kiste zu tragen?< dann läuft's so, daß ich sie anhebe und er auf die Straße fällt ... Was bleibt mir dann übrig. Ich pack sie und trage sie allein. Das hat nichts mit Homosexuellsein zu tun. Herrgott, sondern mit Praktischsein und nichts sonst, also gern zu arbeiten und für die eigene Mutter zu sorgen. Alle, die dazu fähig sind, würden sich so verhalten. Mir liegt das am Herzen. Das ist nicht gleichzusetzen mit Homosexualität, viele lesbische Frauen unterstellen nämlich anderen Frauen, daß sie homosexuell sind, nur weil sie ernsthaft für sich sorgen, dabei wirklich autark sind und die Familie durchbringen. Das hat nichts mit Homosexuellsein zu tun.
ROSETTA: Ja, aber, verstehst du ...
SIRIA: Schwachsinn. Ich bestehe darauf, denn das ist ein sehr wichtiger Punkt ...
ROSETTA: Ja, ein sehr wichtiger ... aber sieh mal, normalerweise
SIRIA: Kannst du mir folgen?
ROSETTA: Sicher, die schwerere, härtere Arbeit machen immer die Frauen, aber der heterosexuellen Frau wird eben beigebracht, das zu verbergen, d.h., sie muß sich dem Mann gegenüber als schwach ausgeben.
SIRIA: Ja, sicher, nur daß ich mich mit diesem Argument wirklich nie zufriedengegeben habe. Ich bin nämlich in der Lage, bestimmte Sachen zu machen, und ich sehe nicht ein, warum das, Pardon, von einem Arschloch, das gilt für alle Männer, abhängen soll. Ich sehe nicht ein, warum ich das so hinkriegen soll, daß er dadurch wichtig wird, wenn ich auf ihn sehr wohl verzichten kann. Darüber hinaus muß ich mich dann auch nicht bei ihm bedanken. Ist das klar? Warum soll ich mich bei einem Arschloch bedanken, das mir hilft, eine Kiste mit irgendwelchen Sachen für meine Mutter zu tragen? Nein, dann hätten wir uns ja sogar beide mal bei ihm bedanken müssen! Nein, nein, das kommt nicht in Frage.
ROSETTA: Jedenfalls habe ich deine Mutter erwähnt, weil über sie mit viel Liebe und großer Achtung gesprochen wurde.
SIRIA: Das stimmt ...
ROSETTA: Und das von vielen lesbischen Frauen.
SIRIA: Feststeht, meine Mutter war sehr beliebt.
GINEVRA: Noch eine Sache. Ihre Mutter hat wie viele Leute, ich sage nicht, wie viele Mütter, generell Verständnis für alles mögliche ... Fragen wie, ich weiß nicht, Rassismus, Religionen usw. Solange es dabei um Freunde und Leute ging, die nicht zur Familie gehörten, zeigte sie Verständnis, >Ah, ja, sieh doch mal den da oder >Weißt du, dieses Mädchen geht mit einem Neger, warum eigentlich nicht? Der arme Neger! ...< Aber wenn es um die eigene Tochter geht, dann sieht alles plötzlich ganz anders aus. Ihre Mutter akzeptierte die Homosexualität der anderen Frauen, ja, zu einigen hat sie sogar klipp und klar gemeint, >Erzähl mir doch nichts, du bist es, warum machst du solche Geschichten, ich verurteile dich doch nicht?< Aber als sie dann mit der Homosexualität ihrer eigenen Tochter konfrontiert wurde...
SIRIA: Da war sie alles andere als begeistert
GINEVRA: Es war ja nicht mal so, daß sie sie nicht akzeptiert hätte. Mehr als alles sonst hat wahrscheinlich etwas ganz Anderes hineingespielt. Zu sehen, wie mutig ihre Tochter ist, was sie selbst nie war. Aus dem bißchen, das mir ihre Mutter in unseren Gesprächen erzählt hat, ihre Mutter und ich haben uns nämlich oft allein getroffen und über vieles gesprochen, über ihre Kindheitserlebnisse, ihre Freundinnen, jedenfalls von dem bißchen, was ich glaube, von ihr begriffen zu haben ...
SIRIA: Wie die Mutter, so die Tochter!
GINEVRA: Ja, irgendwo ja, dem muß ich zustimmen. Deine Mutter hatte ja Freundschaften zu verschiedenen Frauen, die meiner Meinung nach mit ein wenig Mut wirklich in eine lesbische Beziehung hätten verwandelt werden können, denn die Grundlage für ein solches Verhältnis war ja da. Für sie war es weniger problematisch, ihre Tochter als Homosexuelle zu akzeptieren, wer weiß überhaupt, was Homosexuellsein ausmacht, sondern zu sehen, daß es ihrer Tochter gelungen ist, etwas zu machen, eine Hürde zu überwinden, die sie selbst nie geschafft hat.
SIRIA: Dazu muß aber noch etwas gesagt werden. Es ist mir gelungen, Mama dazu zu bringen, eine Hürde zu nehmen, und nämlich genau die, von der du,gerade geredet hast. Irgendwann hat Mama jemanden kennengelernt, leider war diese Begegnung ziemlich negativ für sie persönlich und die anderen ...
ROSETTA: War das eine Frau?
SIRIA: Ja, eine Frau, in die sich Mama echt verliebt hatte. Sie hat es uns sogar zugegeben.
ROSETTA: Aber ja?
GINEVRA: Ja, das stimmt.
SIRIA: Ja, sie hat sich fast total verliebt. Allerdings, fuhr sie nur auf einer intellektuellen Ebene auf sie ab. Auch wenn es kein konkretes körperliches Verhältnis gab, was ich ein bißchen in Frage stelle und bezweifele, Mama hätte ... vielleicht, wenn sie noch Zeit gehabt hätte, wenn sie noch leben würde, sie >hätte es mir auch erzählt, aber leider hat sie es nicht getan. Meine Mutter war tatsächlich in eine Frau verliebt. Sie hatte auch den Mut, das ein bißchen zu leben. Ich bereue es auch, sie sitzengelassen zu haben, ich habe sie echt etwas sitzengelassen, um sie ein bißchen für das büßen zu lassen, was sie mir angetan hatte... Ich hatte da auch schon ein bißchen Recht, denn die Frau, in die sie sich verliebt hatte, war echt eine ... Die erste Erfahrung ist immer negativ, da läßt sich nichts machen. Sogar Mama hatte sich genau wie ich in eine Frau verliebt, die total die falsche für sie war. Aber wenigstens ist es ihr gelungen, etwas nach ihren Vorstellungen zu leben. Darüber bin ich froh, daß sie etwas für sich gefunden hat, ja sogar sie. Mit 56 Jahren hat sie etwas finden können, was ihr früher wahrscheinlich ganz schön geholfen hätte.
GINEVRA: Ja, bestimmt, wenn deine Mutter ein bißchen früher...
SIRIA: Ich muß aber auch sagen, daß meine Mutter von mir ziemlich im Stich gelassen wurde, als sie auf einen Mann zuging. Mir paßten nur ihre Frauenfreundschaften, weil sie, so fand ich, keine Gefahr darstellten...
GINEVRA: Ach, schon ...
SIRIA: Was soll's, dann bin ich eben die Blöde ...
ROSETTA: Aber nein, nein, das ist so.
GINEVRA: Das ist die Realität, genau das ist's, daß viele von uns genau darauf bauten. Umgekehrt war ich z.B. in den Augen aller Mütter die bestmögliche Freundin für ihre Töchter. Wenn sie erfuhren, daß die mit Ginevra weggingen, waren sie alle selig, Ginevra war nämlich ein braves Mädchen. Ich persönlich profitierte davon, ich dachte nämlich, >Wenn sie mit mir zusammen sind, sind die Mütter beruhigt, aber ... wenn sie wüßten, wären sie es längst nicht mehr', denn leider waren das alles Mädchen, die das gleiche Problem wie ich hatten, von wegen der Homosexualität, was aber ...
ROSETTA: Wer weiß, ob diese Mütter es nicht doch geahnt haben?
GINEVRA: Das kann sein, aber in dem Fall, meine ich ... anstatt ein trostloses Leben zu führen, könnten sie selbst ...
SIRIA: Ich denke auch an etwas anderes Grundlegendes, nämlich, daß meine Mutter überhaupt kein Bedürfnis hatte, einen weiteren Mann kennenzulernen. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie nämlich Gott und die Welt in Bewegung gesetzt.
ALICE: Wenn deine Mutter wirklich mit einem Mann hätte zusammen sein wollen, hätte sie meiner Meinung nach zumindest ...
SIRIA: Ja, sie hätte es auf alle Fälle getan, da sind wir einer Meinung. Sie hat es echt nicht gewollt. Ich habe ihr damals als Anhaltspunkt gedient, d.h. ...
GINEVRA: ... als Vorwand, sich der Seite ihres Lebens zu entledigen, die ihr vielleicht gar nichts ... bedeutet hat.
Alice: Sie hätte aber auch Kontakt zu heterosexuellen Freundinnen aufnehmen können. Es ist nicht ganz klar, warum es ausgerechnet nur Lesben waren...
SIRIA: Stimmt, nein, doch nicht, Augenblick mal, sie hatte Unmengen von heterosexuellen Freundinnen ...
GINEVRA: Noch mal, ich habe viel mit deiner Mutter geredet. Diese heterosexuellen Freundinnen haben wir da gemeinsam unter die Lupe genommen. Im Grunde waren es meiner Meinung nach nur sehr wenige von ihnen, ein, zwei, aber die anderen ...
SIRIA: Na gut, vergebt mir ... Ich kann noch keine Verbindung sehen zwischen dem, was mein Leben bis zum Alter von 28 Jahren ausgemacht hat, und dem, was danach war. Ich muß noch den entscheidenden Punkt herausbekommen, welcher Anlaß diese Sache ins Rollen gebracht hat, seit wann also meine Homosexualität da war, und ... seit wann ich fest davon überzeugt bin, eigentlich bin ich das immer noch wenig, obwohl wir darüber reden... Ich versuche, mich zurückzuerinnern. Wir haben bis jetzt den Grund für diese Metamorphose noch nicht herausbekommen können. Inzwischen verleugne ich weder etwas, noch wehre ich es ab. Ich bin homosexuell, diesen Stiefel zieh ich mir an, davon trenne ich mich nicht. Zumindest im Moment, die Zukunft will ich damit nicht schon belasten, in der Gegenwart gefällt's mir so jedenfalls gut. Gleichzeitig ist mir nicht danach, irgendetwas zu behaupten, wovon ich nicht absolut überzeugt bin und mir innerlich nicht ganz sicher bin. Und das mache ich, hört mir zu, jetzt auch nicht zu meinem Problem, das war es eigentlich nie, nur sechs Monate lang, also, die Zeit, die ich brauchte, um das zu begreifen. Ich tappte im Dunkeln... Sechs Monate finde ich auch das mindeste, um solch einen Wandel in und mit mir zu akzeptieren. Bei jemand sogenannt Normales kommt es nicht aller Tage vor, daß du Knall auf Fall deine eigene Homosexualität bemerkst und sie auf der Stelle annimmst. Oder, du bist es schon immer gewesen ...
ROSETTA: Da stellt sich aber auch die Frage, ob das wirklich so Knall auf Fall kommt ...
SIRIA: Ja, aber ... verstehst du, sechs Monate können zwar sehr lang sein, aber angesichts so eines 22-jährigen Lebens sind sie echt gar nichts.
ROSETTA: Ja, aber sag mal ...
SIRIA: Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücke
ROSETTA: Sag doch mal, was hat deine Heterosexualität eigentlich letztendlich ausgemacht? Was hast du dir von den Männern geholt, auch sexuell?
SIRIA: All das, wonach mir war ...
ROSETTA: Und wonach war dir?
SIRIA: Nach allem ...
ROSETTA: Das wäre?
ALICE: Ich wollte dich etwas fragen. Du hast mir etwas erzählt, was mich einigermaßen verwundert hat. Vielleicht liegt's an mir, ich bin nämlich ganz schön ... ja ... irgendwie vorsichtig ...
SIRIA: Eine Trödelliese ...
ALICE: Ja, du hast gesagt, >Ich habe sie kennengelernt und nach 24 oder 48 Stunden habe ich sie schon gefragt, ob sie nicht mit mir zusammenleben will?'
SIRIA: Ja ...
Alice: Hast du beispielsweise bei den Männern je daran gedacht, mit ihnen zusammen zu leben, hast du überhaupt irgendwann mit einem zusammen gelebt?
SIRIA: Tja, mit den Männern. Ich habe nie mit einem Mann zusammen gelebt. Ich hatte Erfahrungen verschiedenster Art, Wahnsinnslieben, Flirts, Abenteuer ... Aber da ich es noch nie gemocht habe, von irgendjemandem mit Füßen getreten zu werden, ich bin ein von Grund auf rebellischer Mensch, habe ich sie demzufolge immer genommen und für das benutzt, was sie mir geben konnten. Also, Vergnügen, Gemütlichkeit, alles. Dabei habe ich auch diese Faszination ausgenutzt, die ich unbestrittenermaßen ausstrahlte, besonders in Homosexuellenkreisen. Ich habe diesen glücklichen Zufall immer genossen, und zwar so, daß für mich selbst alles gut lief. Als sie dann mit Forderungen ankamen und auf ihren Rechten pochten, oder als sie, was weiß ich, bei mir mit Bartstoppeln erschienen, was mich schrecklich störte, das fand ich nämlich ziemlich schlampig, da kam ich schon gar nicht mehr mit ihnen klar. Ich war fähig, einem, der mir eigentlich gefiel, allein aus dem Grund den Laufpaß zu geben, z.B. wenn ich fand, daß der zu wenig Respekt vor mir hatte. Tja, zuerst hab ich sie vernascht und dann weg damit ...
Alice: Jedenfalls wäre es dir spontan nie eingefallen, ihnen vorzuschlagen, mit ihnen zusammenzuleben?
SIRIA: Nein, ich hatte doch die Erfahrungen zuhause mit meinem Vater hinter mir. Mir hat es nicht gepaßt, die Frau im Haus spielen zu sollen, schon als keine Rede mehr von Hauspersonal war. Mit einem Mann hätte ich dann waschen, bügeln, kochen, das Geschirr abwaschen müssen ... und dazu vielleicht noch einen ganzen Haufen Rotznasen ... um Himmels willen! Ich bete Kinder an, will Kinder haben, aber nicht so, nicht mit solchen Aussichten
ROSETTA: Ja, nicht so, daß alles auf dich abfällt ...
SIRIA: Nein, das wäre nie drin gewesen.
Alice: Und heute, was z.B. die ganzen Arbeiten und Sachen, die Hemden angeht ...
SIRIA: Das macht Ginevra.
GINEVRA: Ja, das mache ich. Ja. Es ist unmöglich, aber ich mach das.
SIRIA: In mir steckt so eine Abwehr gegenüber den ganzen Hausarbeiten. Das ist so, seitdem wir kein Dienstpersonal mehr hatten und alles auf mich zurückfiel. Ich war die Älteste und deswegen hatte ich mich um das Haus zu kümmern. Ich mußte das Ganze machen, mein Vater kam einmal die Woche nach Hause und wollte alles tipptopp vorfinden. Er strich mit dem Finger die Möbel entlang, um zu sehen, ob dort ein Staubkrümelchen lag. Nein, weißt du, da gab's einen Aufstand ... In den ersten sechs Monaten, in denen ich mit ihr zusammen lebte ... wenn sie nicht aufräumte, fand sie ein Chaos vor, alles türmte sich, Schuhe hier und da, die totale Unordnung, und dabei kam ich aus der totalen Ordnung. Ich weiß nicht, ob die Schuld daran, meinem Aufbegehren gegenüber meinem Vater und dem Leben, zu dem er uns praktisch alle gezwungen hat,zuzuschreiben ist... Denn, ja, schön und gut, was immer du willst, aber ... unser Haus war ein Museum. Ich fand, die Wohnung sollte uns nützen, nicht wir der Wohnung. An dem Punkt ...
Alice: Im Klartext, sie hält sie in Ordnung.
SIRIA: Sozusagen ja. Aber ich dränge ihr diese Ordnung nicht auf! Ich komme nach Hause und schmeiße mein Hemd irgendwohin, die Schuhe woandershin, und dann befaßt sie sich wunderbarerweise damit. Ich räume nicht auf. Aber einmal im Monat, wenn mir danach ist, mache ich Hausputz. Wenn sie mir das vorschreibt, lasse ich das auch. Ja, ich verweigerte mich wirklich rundherum.
GINEVRA: Ich schreibe ihr nichts vor bzw ...
SIRIA: Sie schreibt mir nichts vor, denn wenn sie nichts sagt ...
GINEVRA: Also, wenn ich anfange zu fragen, >Wo ist das wohl hingekommen? Wo ist das ... ?,< kommt raus, daß die Unordnung eigentlich doch ein bißchen größer ist. Sie rafft sich dann ganz langsam auf, um es aufzuräumen, aber im Grunde mache ich es. ... Ihr müßt das richtig verstehen, ich mache das auch nicht gerade gerne. Die Wohnungssachen zu machen, das habe ich nie gern getan. Heute mache ich es nicht nur, weil es getan werden muß, also wenn sie es nicht macht, muß es irgendjemand machen, sondern weil ich es gern für sie tue. Für die Frau, mit der ich vorher viele Jahre zusammen war, hätte ich das, glaube ich, nicht getan, auch wenn wir zusammengelebt hätten, und obwohl ich sie auch gerne hatte... Allerdings frage ich mich heute, ob das wirklich Liebe war. Ich weiß es nicht, denn jetzt, da ich wirklich verliebt bin, sieht das alles anders aus. Mit der anderen habe ich nie richtig geredet, wir haben schon über das geredet, was im Büro gelaufen ist, oder über Fußball, Vorfälle von ... sozusagen Weltgeschehen, aber damit hatte es sich. Mit ihr aber ... Wenn ich Schwierigkeiten habe, sprechen wir gemeinsam darüber, wir versuchen wirklich, es ... zu lösen und herauszufinden, warum das zu einem Problem geworden ist. Und genauso macht sie das mit mir. Wir reden so viel zusammen, wir versuchen wirklich, zusammen zu leben, es läuft überhaupt nicht so, daß wenn ich ein Problem habe, damit dann lieber zu einer Freundin gehe, im Gegenteil, so etwas würde mir nicht im Traume einfallen. Ich bin mir sicher, wenn ich ihr davon erzähle, versteht sie mich wirklich. Gemeinsam versuchen wir, einer Lösung näherzukommen, sofern das möglich ist. Mit der anderen ging das alles nicht.
SIRIA: Was wolltest du mich vorhin fragen?
Alice: Läuft das alles gegenseitig?
SIRIA: Ja, das tut es. Ich kann sagen, mit Ginevra ist es optimal, auch in einer Zweierbeziehung, für uns ist die real schon allein, weil wir irgendwie verheiratet sind. Wir konnten das halt machen. In unseren Augen ist das eine moralische Bindung. So empfinden wir sie und nicht als eine auf die Homosexualität übertragene Heteroinstitution, sondern als ein Band zwischen uns.
Leider müssen wir allerdings die Bezeichnung Ehe dafür verwenden, wenn's eine neue dafür gibt, werden wir die benutzen, aber bis jetzt gibt es noch keinen brauchbaren Begriff. Wir wollen damit nicht dem heterosexuellen Muster folgen, also die Ehe als Sakrament, als Institution oder als ...
GINEVRA: Nein, wir haben uns gegenseitig eine moralische Verpflichtung gegeben, die wir auch ernstnehmen ... Es käme z.B. weder mir noch ihr in den Sinn, was weiß ich, daß eine Frau vorbeiläuft und du dir dann in einer Laune einen fröhlichen Abend machst oder so etwas. Nicht dran zu denken.
ROSETTA: Plant ihr, viele Jahre zusammen zu verbringen?
GINEVRA und SIRIA: Ja ...
ROSETTA: Träumt ihr davon, bzw. hofft ihr es? SIRIA: Wir träumen davon, wir hoffen es ...
GINEVRA: Zumindest was menschenmöglich ist. SIRIA: Wir beschwören es!
ROSETTA: Ihr hattet ja auch das Bedürfnis, einen Ritus zu vollziehen, die >Ehe', eine allerdings symbolische, da sie rechtlich nicht gültig ist. Ich weiß nicht, ob es in Italien viel gemacht wird, aber in anderen Ländern, z.B. in Amerika, machen es viele Schwule und Lesben, auch wegen ihres katholischen Backgrounds. Gab es Reaktionen auf eure Heirat von seiten eurer Freundinnen und Bekannten?
SIRIA: Ja, sogar sehr viele. Seitens der Frauen ein fast nicht enden wollendes Verarschen, von einigen eine scharfe Anmache. In einem geeigneten Moment haben wir schon dafür gesorgt, daß sie das alles zurückgenommen haben, besonders bei einer. Es gibt, finde ich, keinen Grund, die Vorstellungen, Wünsche und Prinzipien von anderen nicht zu achten. Wenn ich dich als Mensch respektiere, schuldest du mir den gleichen Respekt. Also, wenn ich übereinstimmend mit meiner Lebensgefährtin den uns möglichen Weg auf unsere Art zurücklegen möchte, sehe ich nicht ein, daß du unseren Wunsch nicht respektierst. Ich sehe nicht ein, warum du mich auslachst, weil wir eine Art Hochzeit gefeiert haben, die praktisch als Scherz anfing und dann für alle, die dabei waren, eine sehr viel ernstere Angelegenheit wurde als die von der Kirche und dem Standesamt veranstalteten Hochzeiten. Sie hat alle ganz schön bewegt ...
GINEVRA: Ja, denn die Leute selber, die an diesem Abend wirklich gerührt waren ...
SIRIA: Wir selbst waren gerührt, wie alle anderen Anwesenden. Sie sind in Abendkleidung gekommen, alle kamen kichernd und witzelnd an. Wohl oder übel ... allerdings war da doch etwas, das, ... irgendetwas leicht Verwirrendes. Uns allen ist das nahegegangen, deswegen sehe ich nicht ein, warum du dann so was zu hören kriegen mußt wie >Was tut ihr da nur, was soll das denn?<
GINEVRA: Bei vielen liegt es vielleicht auch daran, daß sie das nicht erreichen können.
SIRIA: So etwa wie, >Wollt ihr denn auf alle Fälle eine geschlossene Zweierbeziehung haben? Das macht doch heute niemand mehr, heutzutage gibt's nur offene Beziehungen!< Ihr könnt euch als lockere Zweierbeziehung bezeichnen, wir wollen uns als ein festes Pärchen begreifen. Und damit Schluß aus.
ROSETTA: Ihr wollt diese Erfahrung machen.
SIRIA: Wir wollen so unser Leben leben. Befreundet mit allen, aber unser Leben läuft zu zweit, und damit Schluß aus. Etwas anderes kommt für uns nicht in Frage.
ROSETTA: Kümmert ihr euch beide bzw. ... trefft ihr beide Vorkehrungen in beispielsweise Gelddingen?
SIRIA: Ja.
ROSETTA: Also, daß eine die andere beschützt?
SIRIA: Nein.
ROSETTA: Also, wenn einer von euch beiden etwas zustoßen sollte
SIRIA: Das ja, aber leider betrifft das dann die Verwandten ...
ROSETTA: Die Angst, daß eine der beiden ohne Geld dasteht, ist alles andere als unbegründet.
SIRIA: Ja, auf der Ebene stimmt das.
ROSETTA: Sehr vielen lesbischen Frauen ist das so gegangen. Sie waren zusammen, dann ist eine der beiden aus irgendeinem Grund, toi, toi, toi, ich weiß nicht...
SIRIA: Wir haben das nur für den Todesfall geregelt. Bis jetzt haben wir uns nur darüber Gedanken gemacht, also falls eine von uns beiden vor der anderen stirbt, muß die andere in dem Fall niemand anderes mit in die Güterteilung einbeziehen, wie das leider sonst geschehen würde.
Alice: Das stimmt, so etwas passiert. Ich sage das weniger wegen euch beiden, aber es gibt Fälle, in denen Frauen jahrzehntelang zusammenlebten, eine ist dann gestorben, und die andere stand ohne einen Pfennig da.
GINEVRA: Nein, gegen so etwas haben wir uns geschützt. Z.B. hat sie eine Versicherungspolice für mich, zu meinen Gunsten abgeschlossen.
SIRIA: D.h. sie ist die Begünstigte, außerdem gibt es wegen unserer Tätigkeit einen gegenseitigen Vertrag, der bei einem Notar hinterlegt ist. Deswegen ist für die Zukunft ...
GINEVRA: Wenn ich als erste sterben sollte, wäre es nicht einmal im entferntesten möglich, daß meine Schwester ankäme und etwas beanspruchen könnte. Sie weiß nämlich sehr wohl, daß das, was wir jetzt haben und in der Zukunft haben werden, nur dank unserer Arbeit, meiner und ihrer, geschaffen worden ist. Daher gibt's nichts, was wir in die jeweiligen Familien einbringen würden, also, was beansprucht werden könnte oder dergleichen. Sie ist meine Lebensgefährtin und ich bin ihre, wir sind eine Familie und Schluß.
SIRIA: Wir betrachten uns nämlich als eine Familie, wir beabsichtigen auch, wenn wir Glück haben, gemeinsam ein Kind zu kriegen, also ein Kind, das durch zwei Frauen auf die Welt
ROSETTA: Was für Hoffnungen habt ihr, daß sich das erfüllt.
SIRIA: Zu 90% hoffen wir, daß es uns gelingt.
ROSETTA: Wollt ihr lieber einen Sohn oder eine Tochter?
SIRIA: Solange es ein gesunder und freier Mensch ist, was immer auch geboren wird, wichtig ist die Gesundheit, Schönheit spielt keine Rolle und der Rest noch weniger.
ROSETTA: Seid ihr euch untereinander einig, wer es austrägt? SIRIA: Ja, praktisch ich.
GINEVRA: Ja, sie, sie kommt als einzige in Frage. Ich liebe Kinder sehr, ich hätte auch gern einen Sohn oder eine Tochter, egal was, mit ihr, aber ich persönlich fühle mich nicht danach, das zu übernehmen. So sieht's aus.
SIRIA: Ich für meinen Teil bin mehr dazu veranlagt als sie, packen wir also den Stier bei den Hörnern. Ich wiederhole, wir hoffen es, wir haben wirklich Hoffnung, daß es klappt, das zu Ende zu führen, was wirklich die Summe all unserer Wünsche wäre.
ROSETTA: Kennt ihr andere lesbische Frauen, die ein Kind haben wollen?
SIRIA: Ja, besonders ein paar Londonerinnen, dann ein französisches Pärchen und ein amerikanisches, scheint mir.
GINEVRA: Ja, sozusagen ein amerikanisches ... um genau zu sein, ein kanadisches. Uns ist auch bekannt, daß außerhalb Italiens ... ja, sagen wir, im Ausland wird darüber wahrscheinlich noch mehr laut als hier bei uns in Italien. Wir haben viel weniger in unserem Freundinnen- und Bekanntenkreis davon gehört als in Gesprächen mit Ausländerinnen.
SIRIA: Tja, in Italien ist die Angst wahrscheinlich noch ein bißchen größer als im Ausland ...
GINEVRA: Ich weiß nicht, ob das wirklich Angst ist, oder ob es nicht auch dran liegt, daß die lesbischen Frauen, mit denen wir es zu tun hatten, vielleicht doch noch nicht richtig ausgeglichen und sicher sind, um Kinder haben zu können. Inzwischen habe ich Kontakt zu vielen Frauen, die wie ich sind, mehr oder weniger offene Lesben. Aber was ich von denen mitgekriegt habe, hat mich doch ganz schön betroffen gemacht. Ich dachte nämlich, alle lesbischen Frauen hätten den Wunsch, eine Partnerin zu haben, also, nicht wie man sagt, von einem Bett ins nächste zu hüpfen, von einer Geschichte zur nächsten, sondern daß es allen gefallen würde, eine ... sagen wir, Kontinuität zu haben, etwas Ruhiges, eine Frau, mit der du etwas aufbauen kannst. Aber das halten sie, wie mir scheint, für einen Abklatsch der heterosexuellen Zweierbeziehung. Vielleicht hält sie das doch ein bißchen von der, wie es heißt, geschlossenen Beziehung ab...
Alice: Oder z.B. auch von einem möglichen Kinderwunsch ...
SIRIA: Ja, wahrscheinlich liegt es genau daran, warum sich viele noch nicht vorstellen können, ein Kind mit einer anderen Frau zu haben. Vielleicht liegt's allein daran, wenn das Bedürfnis danach nur wenig verspürt wird. Aber ich denke, wenn alle lesbischen Frauen die richtige Lebensgefährtin fänden, würden sie früher oder später das Bedürfnis danach entwickeln. Tatsächlich sind die wenigen uns bekannten Frauen, die sich das auch wünschen, Frauen, die schon seit geraumer Zeit zusammenleben und die sich um nichts Sorgen machen, außer um das Schicksal, das sie trennen könnte. Für mich wäre das einmalig schön. GINEVRA: Für mich auch. Hoffentlich läßt es sich verwirklichen.
ROSETTA: Habt ihr euch je mit dem Problem auseinandergesetzt, wie ihr dann dieses Kind aufziehen wollt, das von einem lesbischen Paar in eine heterosexuelle Welt hineingeboren wird?
SIRIA: So gesehen habe ich keine Probleme damit aus dem einfachen Grund, daß es ein Kind wie jedes andere wäre. Genauso, wie ich es von einem Mann haben könnte, könnte ich es dann von ihr haben. Wie es aufwachsen soll?
ROSETTA: Wie es erziehen, es z.B. in die Schule schicken, es mit anderen zusammenbringen.
SIRIA: Sie müssen nicht unbedingt erfahren, daß es ein Kind von einer anderen Frau und eben nicht von einem Mann ist. Warum muß das den anderen denn auf die Nase gebunden werden? Zumindest ist die Menschheit heute noch nicht bereit, bestimmte Sachen aufzunehmen und sie auch anzunehmen ... Es wäre ein Kind wie jedes andere.
ROSETTA: Mit einer Mutter und einem unbekannten Vater ...
SIRIA: Das kratzt uns nicht, davon gibt's viele!
GINEVRA: Das ist längst nicht mehr problematisch. Für mich ist das gar kein Problem, schon allein, weil ich gesehen habe, daß meine Nichte keine Schwierigkeiten hat, mein Zusammenleben mit einer Frau zu akzeptieren, die sie ganz gelassen als ihre Tante betrachtet. Ja, sie ist sogar ... Meine Nichte hat sich nie gefragt, warum ich nicht heirate... Das Fehlen eines Mannes in meiner Nähe veranlaßt sie nicht zu solchen Gedanken, wie >Warum ist das bei Mama so und bei dir nicht?< Für sie ist es ganz normal. Als Kind sagte sie einmal etwas Gutes zu mir, das mich zum Schmunzeln brachte; sie meinte nämlich, daß es zwischen mir und ihrem Vater nur den Unterschied gäbe, daß er einen Schwanz hätte und ich nicht. >Du bist wie Papi, nur hast du keinen Schwanz, Papi hat aber einen.< Das war nun der ganze Unterschied, den sie zwischen mir und ihrem Vater gesehen hat. Im übrigen hat es sie überhaupt nicht gestört, daß ich ihr keinen Onkel bieten konnte. Zum Beispiel, als ich hierher kam, habe ich eine Frau kennengelernt, mit der ich ungefähr drei Monate lang zusammen war. Als meine Nichte danach aber Siria kennenlernte, hat sie mir klipp und klar gesagt, >Die mag ich, endlich hast du dir eine sympathische genommen, die andere Frau habe ich gar nicht gemocht.< Demzufolge war es normal für sie, daß ich eine Frau an meiner Seite hatte. Wahrscheinlich unterscheidet sie in ihrem Hirn nicht zwischen der Beziehung zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater und der zwischen mir und Siria ... Für sie ist es ganz normal und selbstverständlich. Daher denke ich, daß ein Kind von uns, das mit uns auch lebt, keine Probleme damit haben wird, ja, daß nicht einmal andere Leute ihm die machen können, denn im Grunde ...
SIRIA: Oh, es muß noch erwähnt werden, daß deine Nichte weiß, daß sie eventuell einen kleinen Cousin bekommen wird. So ganz allgemein wird leider von einem männlichen Kind geredet ... im allgemeinen heißt es ja >der Sohn< oder >der Neffe<. Sie weiß, daß er eventuell kommen wird, und ab und zu fragt sie jetzt, >Warum ist der kleine Cousin noch nicht da?<. Für sie ist es selbstverständlich. Sie ist nämlich offen dafür, es anzunehmen und mit diesem kleinen Wesen zu spielen, das vielleicht eines Tages bei uns leben wird. Sie weiß, daß es durch uns zwei auf die Welt käme. Das Mädchen ist jetzt zehn Jahre alt, und da sie damit kein Problem hat, glaube ich, daß sie in Zukunft ...
GINEVRA: Sie weiß, daß es durch uns beide auf die Welt käme. Von daher ... ich kann ehrlich sagen, ich bin wie im siebten Himmel.
ROSETTA: Sag mal, zwischen deiner ersten Erfahrung, die ... ziemlich dramatisch war, und eurer Beziehung, welche anderen Erfahrungen hast du da gemacht?
GINEVRA: Viele im Laufe von wenigen Monaten, in den sieben, acht dazwischenliegenden Monaten, also nachdem ich die erste Frau meines Lebens verlassen hatte und vor Ginevra, die für mich die letzte ist. Es waren sehr viele. Wie sie sagt, hat in meinem Adreßbuch nur noch der letzte Buchstabe, das >Z< gefehlt. Frau Z werde ich jetzt jedenfalls nicht mehr begegnen. Die verschiedensten Begegnungen, Frauen und Situationen mit beachtlichen Höhen und Tiefen. Vielleicht lag es daran, daß ich in den ersten Monaten noch mit meiner Mutter verkracht war, nachdem ich von zu Hause weggegangen war, oder weil es auch Zeiten gab, in denen ich keine Arbeit hatte, nicht wußte, wie ich weitermachen sollte, und niemanden um etwas bitten wollte. Darum kam ich zu den verschiedensten Geschichten. Einige, würde ich sagen, waren ziemlich romantisch, wenn wir sentimental werden wollen, ganz süß... Ein Blick, ein Lächeln, ein halb ausgesprochenes Wort und eine halb ausgesprochene Einladung, zusammen einen Kaffee zu trinken. Dann am Ende Rom bei Nacht zu erleben, den Mond vom Gianicolo aus zu bewundern oder von der Appia Antica aus, was vorgekommen ist und worüber jemand immer noch eifersüchtig ist. Ich bin meiner eigenen Moral treu geblieben. An den Orten, wo ich mit diesen Frauen war, bin ich mit Siria hingegangen. Ich fand das richtig.
ROSETTA: Sie ist darin nicht ganz deiner Meinung
GINEVRA: Wenn ich es mir recht überlege, bin ich schon auch neidisch. Ich rede doch mit meinen zwanzig Jahren Geradlinigkeit.
SIRIA: Ja, soll ich sie auch auf die Appia Antica ausführen, da wo ich mit einer anderen Frau war? Das käme mir anachronistisch vor ...
GINEVRA: Ich hab schon gesagt, daß ich in zwanzig geradlinigen Jahren nur drei Frauen hatte. Sie hat in sieben Monaten das gemacht, was ich ... oh, Heilige Jungfrau, glaube ich, nicht mal in zwanzig Jahren geschafft hätte. Sie hat's für uns beide gemacht!
ROSETTA: Woher kam deiner Meinung nach deine Unbefangenheit, oder war das nie problematisch für dich?
SIRIA: Nein, gar nicht.
ROSETTA: Du warst dir deiner völligen Offenheit also ganz bewußt?
SIRIA: Ja, völlig. Ich war nie irgendwie gehemmt oder ängstlich. Beim ersten Mal mit einer Frau gab es wohl schon eine Hürde, daß ich mich fragte, was zwei Frauen eigentlich miteinander machen. Mit 28 dachte ich ziemlich blauäugig, bei zwei Schwulen konnte ich es wohl noch verstehen, die hatten wenigstens was, aber zwei Frauen, was machten die bloß? Eine blöde, doofe schwachsinnige Frage, aber ich habe sie mir halt gestellt. Dann landete ich tatsächlich mit einer Frau im Bett. Ich fühlte mich wunderbar dabei. Da habe ich gesehen, was alles möglich war. Bis dahin hatte ich mich das immer wieder gefragt, im Laufe dieser sechs legendären Monate dann ...
GINEVRA: Ja, danach hat sie sich das dann nicht mehr gefragt ... SIRIA: Ich habe mich das nicht nur nicht mehr gefragt, ehrlich gesagt, sind sie über mich hergefallen ... ich habe mich da manchmal echt gedrückt und bin geflohen, sobald ich spürte, daß es eine auf mich abgesehen hatte.
Alice: Denk nur wenn sie nun nicht abgehauen wäre ...
GINEVRA: Genau, das meine ich auch, das Alphabet hätte ihr längst nicht gereicht!
SIRIA: Ich will keine Rolle als weiblicher Casanova, aber irgendwie ... Heute lache ich darüber, daß ich in den wenigen Monaten einen Haufen Frauen hatte. Aber ich muß auch sagen, daß ich mich ganz am Anfang gerächt habe, und zwar wegen der Enttäuschung, die ich von der ersten Frau erfahren hatte. Deswegen habe ich mir gedacht, >Na, wenn sie sich so verhält. also ganz die männliche Tour nachahmt, dann verhalte ich mich genauso, wie sie es mit gemacht hat. Wenn mir eine dieser blöden Kühe über den Weg läuft, erst gebrauche ich sie wie Fußabstreifer, danach pack ich sie und setz sie vor die Tür.< Das erschien mir die natürlichste Sache der Welt, später habe ich mich gefragt, >Was mache ich da nun? Ich mach die gleichen Sachen wie sie, aber eigentlich finde ich die äußerst schlimm.< Von daher hat sich meine Einstellung geändert. Ich will aber ein paar Episoden äußerst schöner Abenteuer erzählen, besonders eine Geschichte, die fing in einem Bus an ...
Alice: In einem Omnibus?
SIRIA: Ja, als ich nach Hause fuhr, war da eine Frau, die in einem Lehrbuch las... Sie war hübsch, was soll's, das spielt keine Rolle, sie war aber schon süß, sie sah süß aus. Zuerst habe ich sie ja nicht richtig wahrgenommen, ich stand aber vor ihr. Sie wirft mir einen Blick zu, ich sehe sie an, sie lächelt ... ich lächele zurück. Sie meint, >Du machst mir etwas Schatten<. Ich rücke ein bißchen weiter, worauf sie sagt, >Nein, rück’ nicht weiter, laß uns ein bißchen quatschen<. Wir unterhalten uns. Was machst du, wo wohnst du? Innerhalb von wenigen Minuten war ich an meiner Haltestelle angekommen, weswegen ich sagte, >Ich steig jetzt aus.< Sie, >Warum kommst du eigentlich nicht mit zu mir?< Ich war schon ein wenig mißtrauisch, ich muß sagen, auch sehr naiv und ziemlich zurückhaltend, aber es kam für mich partout nicht in Frage, daß ich mich auf etwas einließ, was von anderen kam, das mußten die schon machen. Was soll's ... ich bin ehrlich. Ich habe zu ihr gesagt, >Hör mal zu, es gibt zwei Möglichkeiten, ich steig hier an der Haltestelle aus, ich wohne auf der und der Straße, in der und der Nummer. Ich komme auf keinen Fall zu dir. Wenn du willst, steig auch aus.< Dem habe ich nichts mehr hinzugefügt, während ich herausging, hatte sie das Fenster heruntergeschoben, sie sagte dann, >Warte auf mich, ich steig an der nächsten aus.< Das Treffen ... sozusagen 24 Stunden. Alles hat sich da abgespielt, es war ganz ganz zärtlich, Liebe ohne ein Nachspiel, weder bei mir noch bei ihr. Wir haben uns nie wieder getroffen, aber wenn ich ihr noch eines Tages begegnen sollte, hätte ich auf jeden Fall ein gutes Gefühl, weil ich es als wunderschön im Gedächtnis behalten habe, jenen Tag und jene Nacht. Das war wirklich sehr schön. Echt, solche sagenhaften Begegnungen sind auch in einem Autobus möglich. Daß es danach keine Fortsetzung gab, das sollte wohl nicht sein, ich bin da auch ziemlich fatalistisch eingestellt. Ich nehm’ die Dinge so, wie sie sind. Ich hatte Chancen, ich habe schon Sex Appeal, wie immer ihr das auch nennen wollt, offensichtlich habe ich etwas, was so eine ganz zufällige Begegnung möglich macht. Im übrigen war es auch mit ihr hier ein ziemlicher Zufall.
GINEVRA: Für dich, ich wußte schon seit einem Weilchen ...
SIRIA: Tja, ich wußte es nicht.
SIRIA: Aber du wußtest nicht, daß wir so weit kommen und noch weitergehen würden. Damit konntest du nicht rechnen.
GINEVRA: Das einzige, womit ich nicht gerechnet hatte, war, daß an dem Abend, als die anderen sie mir praktisch in die Arme schmissen, das geschah, wovon ich schon seit drei Monaten geträumt hatte.
SIRIA: Wir können nachher gerne noch weiter darüber reden, nur jetzt möchte ich etwas anderes erzählen. Eine andere Begegnung lief nämlich in einem Restaurant: Blicke ... bei der Gelegenheit merkte ich, daß meine Augen offensichtlich eine Art magnetische< Anziehungskraft haben, ich begegnete dem Blick eines schnuckeligen blonden Mädchens mit blauen Augen, es gibt viele, das kann ich sagen ...
GINEVRA: Ja, weil du sie bevorzugst...
SIRIA: Ja, blaue Augen gefallen mir sehr. Ich muß sagen, das geschah unter den Augen von einer, die ihrerseits von mir verlangte, ihr freie Bahn zu lassen. Ich wußte, daß sie eine Zweierbeziehung mit einer anderen hat-te, ich nahm also keiner etwas weg. Sie ist eine von den vieren, von denen ich dir erzählt habe. Es passierte folgendermaßen: Wir mußten eine Freundin, die nach England fuhr, wegbringen. Wir haben sie im Auto weggebracht. Diese Freundin von mir ist übrigens eine Ex-... Wir sind durch Rom gefahren, ich habe ihr Roma nun fa< la stupida stasera [11] vorgesungen, sie ... So ist es passiert. Du verträgst das ja nicht, aber auch über diese Episode habe ich dich informiert. Ich habe ihr von meinem ganzen Alphabet erzählt, in allen Einzelheiten, gleich in den ersten Tagen unseres Zusammenlebens. Sie fand das schon irgendwie fanatisch, sie konnte nicht verstehen, warum ich ihr all das erzählte. Da ich am eigenen Leib erfahren hatte, daß alles auf dich zurückfällt, nur verzerrt, habe ich ihr lieber... Da sie mir wichtig war, habe ich ihr lieber alles selbst erzählt, daß sie auf alles Gequatsche, das sie möglicherweise mitkriegen würde, gleich kontern könnte. Das weiß ich längst, das stimmt so nicht, hör doch auf, Schwamm drüber. Aus dem Grund weiß sie von dem ganzen Alphabet.
GINEVRA: Ich muß zugeben, am Anfang habe ich das sehr schlecht aufgenommen. Ich wiederhole mich, ich kannte diesen Typ lesbischer Frauen genau. Sie hatten sich, wer weiß warum, in den Kopf gesetzt, daß, wer sich als Lesbe dieses Namens würdig erweisen wolle, müsse einen Haufen Geschichten gehabt haben, einen Haufen Frauen kennen, von einem Bett ins nächste steigen... sozusagen genau wie die Männer, daß, wer nicht fünf, sechs, zehn Geschichten vor der Ehe hat, kein Mann ist. Als mir Siria davon erzählt hat, habe ich das anfangs nicht so gut aufgefaßt, wie das von ihr beabsichtigt war, also daß sie es mir sagte, bevor ich es von anderen verzerrt erfahre. Ja, vor allem auch weil sie es so erzählt hat, mit viel ... in ihrer üblichen Art, für sie war es ganz selbstverständlich, mir davon zu erzählen, mich vor dem zu schützen, was eventuell zu mir durchdringen konnte. Zuerst kam ich mit all dem nicht so gut zurecht, später habe ich sie dann besser verstanden. Amen, es ist vorbei, aber da ich schon ein bißchen eifersüchtig bin
SIRIA: Ein bißchen sehr ...
GINEVRA: Nein, ich war nur ein klein bißchen eifersüchtig, schon allein wegen dieser alten Geschichte, die alte Angst... Wenn eine ankommt und sie mir wegschnappt ... Ich mußte nämlich an dieses bloße Austauschen von Personen, an Intrigen usw. denken. Das hat mich verrückt gemacht. Da habe ich mir überlegt, >Eine wie aus dem Bus kann es immer wieder geben oder so eine wie die von den Spritztouren ... 1 Ich hatte wenig Selbstvertrauen, ich hielt mich für häßlich und unbedeutend. Alle anderen Frauen fand ich hübsch und unbefangen... Wenn sie mit einer von denen ankommt, sie nimmt und einfach abschleppt... aus der Traum? Danach habe ich aber eingesehen, daß das nicht eintreten wird, erstmal, weil sie, wie sie sagt. kein Möbelstück ist, was sich so einfach hin- und herschieben läßt. >Was soll's<, dachte ich, >im Grunde liebt sie mich wirklich, so wie ich es meine<. Danach habe ich mir keine Sorgen mehr gemacht, die Eifersucht war weg.
Alice: Du hast dich ein bißchen beruhigt...
GINEVRA: Ja. Ab und zu habe ich zwar noch mal so Augenblicke ... Vielleicht denkt sie ja an etwas anderes, stiert dann aber trotzdem da und da hin, und ich geh sofort an die Decke
SIRIA: Chi con le donne vuole aver fortuna ...[12]
GINEVRA: Eben, wenn sie diesen Schlager singt, bin ich gleich in Alarmbereitschaft ... Jedenfalls habe ich später eingesehen, daß sie mir das nur aus Ehrlichkeit erzählt hat. Ich habe diese Geschichten genommen, wie sie sind, als etwas, was sie logischerweise nie vergessen wird, sie haben ja einen Teil ihres Lebens ausgemacht.
Alice: Du vergißt deine ja übrigens auch nicht.
GINEVRA: Ja, stimmt, im Grunde ...
SIRIA: Eine Sache, die ich nicht vergessen habe und von der ich erzählen will, ist eine, naja ziemlich amüsante Geschichte. Eines meiner vielen kleinen bzw. großen Abenteuer war mit einer Frau, die ... ganz schön liebevoll und zärtlich und aufmerksam zu mir war, vielleicht sogar ein bißchen zu viel, muß ich sagen. Eines Morgens wachte ich als erste auf, eine Seltenheit, ich machte den Kaffee und brachte ihn ihr ans Bett. Ich dachte, das wäre etwas ganz Normales, nichts Aufsehenerregendes. Na ja, ich höre dann, wie sie sagt, >Ach, die perfekte Ehefrau bringt mir den Kaffee ans Bett<. >Moment mal< habe ich gedacht, >um Himmels willen, was soll das?< Ich dann: >Sag mal, hast du eigentlich gemerkt, wie schön es ist, den Kaffee ans Bett zu bekommen? Hast du mitgekriegt, wie das geht, wie ich das Tablett, die Tassen, das Weißbrot mit der Butter und der Marmelade angerichtet habe?< Sie antwortet: >Ja, wunderschön und vor allen Dingen lecker.< Hast du gesehn, wie das geht? Hast du das jetzt gelernt? Ab morgen früh stehst du auf und machst das, in Anbetracht dessen, daß du die Rolle des Ehemannes haben willst, nee, ohne mich, in dem Fall hätte ich nämlich geheiratet. Von daher kannst du das ab morgen machen, wenn du willst. Ich stehe deswegen jedenfalls nicht mehr auf. Außerdem wache ich morgens sowieso nie früh auf!'
GINEVRA: Stimmt, bei mir ist das noch nie vorgekommen, sie hat mir noch nie den Kaffee ans Bett gebracht. Die Zabaione schon, den Kaffee aber nie.
SIRIA: Ja, die Zabaione hast du dir auch verdient gehabt!
GINEVRA: Das war aber um fünf Uhr nachmittags und nicht früh am Morgen!
SIRIA: Da ist es vom Abend vorher bis fünf Uhr nachmittags gegangen, am Ende habe ich sie dann ein bißchen verarscht. Es gibt dazu auch eine Geschichte zum Erzählen, nachher erzähle ich sie. Sie war ein bißchen geschafft, und was habe ich natürlich getan? Ich habe ihr den Stärkungstrunk gemacht und ihr die Zabaione ans Bett gebracht.
GINEVRA: Begreift ihr, sie ist das junge Mädchen, ich aber bin die arme Alte. Zwischen uns liegen fünf Jahre. Oh, aber was soll's...
SIRIA: Die zählen, diese fünf Jahre, das haben wir gemerkt, daß sie manchmal eine Rolle spielen.
GINEVRA: Ja, eigentlich spielen sie schon eine Rolle.
SIRIA: Sie klappt nämlich sehr viel eher als ich zusammen.
GINEVRA: Vielleicht hast du auch ein bißchen mehr Training als ich. Ich muß sagen, in den zwölf Jahren habe ich nicht besonders viel trainiert, ja, ich schlummerte fast sogar schon im ewigen Frieden. Versetz dich darum mal ein bißchen in meine Lage! Mit dieser Ausgeburt von wildgewordenem Teufel!
SIRIA: Ich schlummere aber nicht im ewigen Frieden! Wahrscheinlich, weil ich mich jung fühle, voller Energien, voller Lust zu leben, das Leben zu genießen,und zwar auf allen Ebenen, mit allem, was dazugehört. damit ist die Sache klar. Ich bin 32, sie 37, tja... Demnach fangen die Jährchen an, sich bemerkbar zu machen. Dazu war sie mangels Übung, sozusagen ... ein bißchen eingerostet! Hilfe, was mußte ich da schuften!
GINEVRA: Also, jetzt mach mal >nen Punkt, ich bin überhaupt nicht mehr eingerostet, mach dir bloß keine Sorgen!
SIRIA: Dafür gibt's inzwischen die Abnutzungserscheinungen!
ROSETTA: Als ihr euch kennengelernt und eure Beziehung angefangen habt, seid ihr praktisch beide weitergekommen, auch sexuell ...
SIRIA: Ja, nun, da gibt es etwas zu sagen, etwas sehr Ernstes und Wichtiges. Als ich Ginevra kennenlernte, war sie der klassische verhinderte Mann. Am zweiten Abend, den wir zusammen verbrachten, lud sie mich zu einem Cappuccino ein. Wir gingen in ein Café, dort sah ich sie auf einmal klar als einen jungen Mann, der an der Kasse steht und den Cappuccino bezahlt. Hilfe, das paßte mir ganz und gar nicht. Was soll's, das war wie ein blitz, ein Moment. Danach gingen wir nach Hause, und als sie sich ihre Hose auszog ... sie zog sie aus genau wie ... ein Mann.
GINEVRA: Ich muß immer noch herauskriegen, wie ein Mann sich die Hosen auszieht!
SIRIA: Ich weiß nicht, ob ihr verstehen könnt, was ich sagen will. Aber ich hatte diese Vorstellung von einem Mann, der sich auszieht. Zweimal! Irgendwie meine ich, muß diese Geschichte auch aufhören! Mittlerweile hatte ich auch das ziemlich sichere Gefühl, daß sie mich da mit in diese Sache verstricken wollte. Ich hatte aber keine Lust, mit in diese Sache hineingezogen zu werden. Tragischerweise bin ich es noch. Ihr Verhalten erschien mir irgendwie merkwürdig. Da sie auf diesem Ohr taub war, wenn ich sie z.B. fragte, ob sie was hat, habe ich ihr ziemlich schnell gesagt, >Vergiß nicht, daß ich eine Frau neben mir haben will. Einen Mann zu haben, der kein Mann ist, paßt mir nämlich gar nicht in den Kram, dann bevorzuge ich schon eher das Original.< Das fand ich ziemlich klar ausgedrückt, während es für sie das noch nicht war. Für sie war das ganz schön unangenehm. Sie mußte ihr ganzes Leben durchgehen, all diese Jahre in Frage stellen. Eine besondere Rolle hat dabei diese eine zwölfjährige Geschichte gespielt, weswegen wir bei lang und breit darüber geredet haben. Wir sind auf die kleinsten Einzelheiten zu sprechen gekommen. Ich wollte das Ganze nämlich so angehen, daß sie die Ursachen für ihr Verhalten erkennen konnte, warum sie sich als Mann fühlte, vielmehr als ein verhinderter Mann.
ROSETTA: Ihr habt zusammen so etwas wie Selbsterfahrung gemacht.
SIRIA: Ja, so gesehen ist es Selbsterfahrung. Im allgemeinen sage ich lieber, wir haben zusammen darüber gesprochen, aber keine Selbsterfahrung gemacht. Mir war klar, daß wir sonst nie zu einem Ergebnis gekommen wären.
Alice: D.h. ihr habt darüber gesprochen.
SIRIA: Durch das Darübersprechen kamen die Sachen verbal heraus, aber es hat nichts bei ihr verändert. Darum habe ich sie dazu gezwungen, gut, sie hat es mich auch machen lassen, sonst hätte es ja auch nichts genützt. Ich habe sie richtiggehend dazu gezwungen, ihr Verhalten und ihr Leben durchzugehen und sich als Frau zu identifizieren. Also, die männliche Rolle, die sie verkörpern wollte, zu vergessen und statt dessen die weibliche zu verkörpern. Nachdem wir das geschafft hatten mit großer Anstrengung und extrem viel Willen ihrerseits, das muß gesagt werden, habe ich das Ganze umgedreht. Ganz allmählich habe ich zu ihr gesagt, >Laß dich gehen, werd< allmählich du selbst. D.h. ihr männlicher Anteil kam schon heraus, aber eben mit der Weichheit einer Frau. Ich habe also erreicht, daß sie sie selbst wurde, dabei aber mit all der Weichheit, die eine Frau in sich trägt. Denn unleugbar ist sie eine Frau, da hilft nichts. Heute ist sie längst nicht mehr der harte Macker, sie ist längst eine Frau mit der ganzen Weichheit und nötigen Wärme, die zu ihr gehören, mit der ganzen Liebe, die sie gerne gibt, und außerdem mit einer maskulinen Tendenz, die auch zu ihr gehört, die ja eigentlich jede von uns hat, bei nur etwas ausgeprägter ist. Auf der anderen Seite haben wir alle einen Schuß Männlichkeit wie aller Männer einen mehr oder weniger unterdrückten weiblichen Einschlag haben.
ROSETTA: Aus dem, was du vorhin erzählt hast, geht hervor, daß jeder Versuch, als eigenständiger Mensch zu leben, für dich als männlich gilt.
SIRIA: Genau.
Alice: Aber hat dir das alles behagt? Hast du dich danach dann besser gefühlt?
GINEVRA: Na ja, am Anfang nicht. Am Anfang krachte in mir alles zusammen, ich hatte ja so lange Zeit in einer Gesellschaft gelebt, in der der homosexuelle Mann als verhinderte Frau bezeichnet wurde und die homosexuelle Frau eben als verhinderter Mann. Diese Vorstellung hatten leider alle, alle haben das so gesehen. Wenn du in einer solchen Welt ohne jede Möglichkeit mit Frauen, die ihre Homosexualität voll annehmen, reden oder Kontakt haben zu können ...
Alice: Aber sieh mal, das ist doch erst seit den letzten Jahren so, daß jetzt angefangen wird, über solche Sachen zu reden. Bis vor nur fünf Jahren sprach noch niemand so darüber.
ROSETTA: Als du deine Identitätskrisen hattest, hattest du da irgendwelche Hilfsmittel, was weiß ich, in Form eines Buches, einer Zeitung, eines offenen Gesprächs, was dir hätte helfen können, dich selbst besser zu verstehen?
GINEVRA: Bevor ich sie kennenlernte, nein, nichts. Ich hatte leider nie die Möglichkeit dazu, einmal wegen der Stadt, in der ich wohnte, und dann wegen der Zeiten damals. Eine derartige Auseinandersetzung war damit einfach nicht drin gewesen. Es hätte mir, was weiß ich, nicht nur geholfen einzusehen, daß eine Lesbe nichts mit einem verhinderten Mann zu tun hat, sondern allein bedeutet, eine Frau zu sein, die eine andere Frau liebt. Daß in sexueller Hinsicht Vorlieben oder gewisse Tendenzen bestehen können, steht auf einem anderen Blatt.. Aber ich muß sagen, anfangs hat das alles mich ganz schön fertiggemacht. Ich fragte mich, >Wie habe ich das bis jetzt nur gemacht?< Diese ganze Geschichte hat mich umgehauen. Wie sie sagt, ging es mir allmählich viel besser, was ja auch verständlich ist, weil ich merkte, daß sich eigentlich nichts geändert hatte und mich das auch nicht einschränkte.... ich von daher wieder problemlos ... mich sexuell wieder eher männlich als weiblich verhalten konnte, was nicht hieß, daß ich ein verhinderter Mann war. Da ging's mir sehr gut, äußerst gut.
ROSETTA: Eher männliches sexuelles Verhalten ... was meinst du im großen und ganzen damit?
GINEVRA: Sieh mal, früher z.B.... bevor sie mich mit einer Menge Sachen konfrontierte, sah für mich ein Verhältnis zwischen zwei Frauen so aus, daß die eine auf Bubi machte und die andere auf Weibchen. Zwei klar abgegrenzte Rollen, aktiv und passiv, sozusagen. Als ich sie dann kannte, und nachdem sie mich mit den ganzen Sachen konfrontiert hatte, habe ich weiterhin in der Sexualität ein ganz bestimmtes Verhalten bevorzugt. Aber ich muß schon sagen, seit damals habe ich gar nicht mehr daran gedacht, das war nicht mehr problematisch für mich.
SIRIA: Sozusagen hatten wir außer einer sehr kurzen Anfangsphase nie wirklich irgendwelche Rollen drauf, auch heute nicht... Weder bin ich die Frau bzw. der Mann noch ist sie ...
ROSETTA: Passiv oder aktiv.
SIRIA: Das wäre total unmöglich, und wenn, ist das nämlich immer austauschbar und wechselseitig. Ich nehm dich, bzw. Du nimmst mich, bzw. >Was machen wir heute abend, lassen wir die Münze entscheiden', das gibt's nicht. Wem danach ist, fängt an, wenn's geht, und wenn es nicht geht, fängt keine an. Das gibt's, daß das an sieben Abenden einer Woche vorkommt, aber es ist auch möglich, daß ...
GINEVRA: Ja, z.B. die Unterschiedlichkeit zwischen mir und ihr bzw. wir können sagen, daß die ...
SIRIA: Auch in diesem Bereich gibt es weder feste Zeiten, noch Tage, noch Orte, nichts von dem. Wenigstens hat sie durch mich gelernt, daß es keine derartigen Vorschriften gibt. Sie war ja auch mit Ängsten beladen, dies machte sie nicht, jenes machte sie nicht, das auch nicht, sie war voller Tabus, noch von dieser berühmten Geschichte her. Leider müssen wir deswegen immer wieder auf diese zwölfjährige Geschichte zurückkommen.
Alice: Sie hat angefangen, ihr Lesbischsein zu leben, als um sie herum noch nichts war... Vielleicht macht das den Unterschied zwischen dir und ihr aus...
SIRIA: Ja, allerdings.
Alice: Tja, >n schöner Dreck! Ich glaube wirklich, wenn mir das so gegangen wäre, wenn ich es von Anfang an gelebt hätte, wäre es genauso gewesen.
ROSETTA: Bei mir auch.
SIRIA: Bei mir aber vielleicht nicht. Warum wohl?
Alice: Das weiß ich nicht. Aber sieh doch ... du hattest keine Vergleichsmöglichkeiten, konntest nichts ...
SIRIA: Ach, ich denke, das hängt wahrscheinlich von etwas anderem ab, nämlich geistig beweglich und frei zu sein.
GINEVRA: Aber, schau mal, in Gedanken war ich immer frei, meine Homosexualität habe ich auch nie geleugnet. Leider habe ich in einer weniger toleranten Zeit als heute gelebt, es war nicht einfach, Frauen wie euch zu finden, mit denen du reden konntest. Denn wenn ich zwei Freundinnen oder auch nur eine Freundin gehabt hätte, mit der ich so hätte reden können, wäre mir höchstwahrscheinlich einiges bewußt geworden. Ich hatte z.B. und darauf hat Siria mich aufmerksam gemacht, gar keine Ahnung vom weiblichen Körper. Ich wußte nicht, wie eine Frau beschaffen ist. Also auch nicht, wie ich war ... Ich wußte gar nichts, sie hat mir beigebracht, herauszufinden, wie Frauen wirklich sind. Mit wem konnte ich so etwas erleben, wenn mir niemand nahestand? Sie hat eben das Glück gehabt, gleich in diese Welt zu geraten ... und zwar sofort mitten hinein in diese Welt ...
SIRIA: Aber feststeht, daß Ginevra in jedem Fall andere Frauen hätte treffen können, denn trotz allem hatte sie doch auch Anknüpfungspunkte...
GINEVRA: Aber auch nur in den letzten zwei oder drei Jahren, vor dir, dabei waren es gut fünfzehn Jahre, sozusagen ab ungefähr 15, die ersten fünfzehn Jahre zählen nicht, da wußte man ja noch gar nichts ...
SIRIA: Was soll's, als Mädchen ist das noch was anderes ...
Alice: Aber so etwas ist auch wichtig.
GINEVRA: Wichtig ist so etwas schon, aber ... Ich finde, unser Leben fängt doch leider erst an, wenn es mit den sogenannten sexuellen Reizen losgeht, die sind ja schon wichtig. Deshalb fängt das für mich mit 15 oder so an. Ich mußte dreiunddreißig Jahre alt werden, um sie kennenzulernen... Erst in den letzten drei Jahren war ich imstande, Kontakt mit gleichgesinnten Frauen aufzunehmen, aber halt nur auf der Ebene, daß wir zusammen weggingen, oder ...
ROSETTA: Also, rein oberflächlich ...
GINEVRA: Ja, rein oberflächlich, ich konnte mit keiner über meine und ihre Probleme sprechen und gewisse Zusammenhänge verstehen. Daher die fünfzehn Jahre...
Alice: Nicht nur das, aber da kommen auch andere Sachen wie sie mir z.B. passiert sind. Ich weiß nicht, du besuchst deine Heterofreundinnen und stellst dann fest, daß sie nur darauf warten, daß du sie verführst, wie ein Mann, der ankommt ...
SIRIA: Und dich an eine Wand stößt ..
Alice: Hilfe! Ich fühle mich nicht im geringsten als Mann, alles andere, bloß nicht das. Ich war überhaupt nicht scharf darauf, mit einem Mann verwechselt zu werden, aber wenn ich mir darüber nicht im klaren gewesen wäre, was hätte ich gemacht? Ich bin homosexuell, also muß ich es so machen.
ROSETTA: Das hieße, wenn ich einer anderen Frau gefallen will, muß ich mich wie ein Mann geben...
GINEVRA: Genau. Es kam soweit, daß ich mich richtig verkleidete und im grauen Zweireiher mit Krawatte zur Arbeit ging. Siria konnte das überhaupt nicht verstehen. Jahrelang habe ich so gelebt, daß ich praktisch ein Abzeichen hier vorne trug, so daß sich niemand irren konnte. Die Männer konnte so nicht auf falsche Gedanken kommen, sie nahmen mich gar nicht wahr, sondern ließen mich in Ruhe. Sie stellten mich nicht vor die Frage, ihnen sagen zu müssen, daß ich nichts mit ihnen am Hut habe. Und, weißt du, wenn du anfängst, dich einem, zwei, drei, vieren zu verweigern, kommt schon raus, daß du lesbisch bist. Was passiert dann? Folgendes: die Männer machten sich nicht an mich ran, weil ich ihnen nicht gefiel. Und die Frauen? Wenn überhaupt eine halbwegs dazu entschlossen war, wußte sie sehr wohl, daß sie von mir keine Ohrfeige kriegen würde, sie brauchte keine Angst zu haben, ich aber schon. Viel zu viele Jahre habe ich so gelebt.
ROSETTA: Mit deiner Kleidung hast du dein Offensein gegenüber anderen Frauen signalisiert?
GINEVRA: Ja. Jahrelang solch ein Leben zu führen ... Heute ist es für eine Homosexuelle, die ungefähr 22 bis 23 Jahre ist, wie ich es damals war, sehr viel einfacher, denn es gibt inzwischen Orte, wo sie Freundinnen finden kann.
ROSETTA: Weißt du, vielleicht in Rom, aber wir wissen von ziemlich verzweifelten Frauen in Orten, die kaum von Rom entfernt sind.
GINEVRA: Ja, zweifellos. Dieses Problem konnte ich ihr erst durch zahlreiche Gespräche verständlich machen. Davor behauptete sie doch sogar manchmal, daß es unmöglich sei, so zu argumentieren, wie ich es täte, daß das haarsträubend sei, daß es so etwas nicht gäbe. Und ob es so etwas gibt!
ROSETTA: Ich wurde mit Verhaltensweisen konfrontiert von einer Frau, die ich liebte, die mir anfangs nicht klar waren. Ich fühlte, daß sie sich nicht vollständig als Frau begriff, so als ob sie das in schreckliche Angst versetzte. Am Anfang unserer Beziehung fand ich sie auf der einen Seite voller Abwehr, zu, auf der Hut, immer auf dem Sprung, sich zu verstecken, auf der anderen Seite ausgesprochen aggressiv und hart. Die Auseinandersetzung zwischen uns war - auf allen Ebenen - nicht gerade leicht, auch weil wir auf ziemlich verschiedenen Wegen zum Lesbischsein gekommen waren. Jahrelang habe ich die Frage meines Lesbischseins verdrängt, obwohl meine Träume voll von Frauen waren. Z.B. hatte ich nie einen erotischen, sexuellen Traum mit einem Mann bzw. einem männlichen Protagonisten.
SIRIA: Ich schon, wie kommt das wohl?
ROSETTA: Tja, es gibt halt Unterschiede. Vielleicht, weil ich es im wirklichen Leben so sehr versucht habe. Ich habe es so sehr versucht, ein Verhältnis mit einem Mann zu haben. Ich zwang mich so stark dazu, ohne mir im Grunde bewußt zu sein, daß sich meine wahren Bedürfnisse in meinem Traumleben niederschlugen. Darum ist es irgendwie auch verständlich, daß ich dann im Schlaf zu meinen eigentlichen Bedürfnissen zurückfand, daß ich mich im Schlaf mit meinen ganz schön erotischen Phantasien in die Arme dieser Frauen flüchtete. Und ich kann euch sagen, auch im wachen Zustand hatte ich erotische Phantasien. Wenn ich, was weiß ich, einen Roman las, in dem detailliert das eigentlich sexuelle Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau beschrieben wurde...
SIRIA: Hast du dir das vorgestellt
ROSETTA: Ich habe mir dabei vorgestellt, dem Körper der Frau nah zu sein.
SIRIA: Klar.
ROSETTA: Irgendwie habe ich mir vorgestellt, den Mann erst aus dem Bett zu werfen, und dann mit dieser Frau zusammen zu sein, aber nicht wie ein Mann, auch nicht mit dem Problem des Penis und der Penetration, sondern mit dem Wunsch, ganz tief diesen Frauenkörper zu spüren. Deshalb verstehe ich völlig, was ihr sagt. Ich mußte mich dann ziemlich anstrengen, ziemlich arbeiten, aber die Arbeit hat sich gelohnt.
SIRIA: Genau. Bei ihr hat es sich schon allein deswegen gelohnt, weil so eine ganz weiche Seite aus ihr rauskam, die vorher nicht da war. Leider war sie nämlich bis dahin davon überzeugt, daß sie die ganzen Muster, an die sie gewöhnt war, die aber nichts mit mir zu tun hatten, beibehalten müsse. Ich bin nicht und war nie wie deine erste Frau, verstehst du? Ich bin jemand anderes, und zwar nicht bloß wegen des Altersunterschieds zwischen ihr und mir! Sie hat wirklich immer wieder gesagt und sagt auch jetzt noch, ich sei halt jung. Wenn ich das gesagt kriege, lache ich gewöhnlich. Ich lächle, weil es mir lächerlich vorkommt, wenn ich höre, wie sie sagt, >Ich habe eine junge Freundin.< Sie ist nämlich nur fünf Jahre älter als ich, aber sie ist an eine zwanzig Jahre ältere Freundin gewöhnt. Darum bin ich natürlich >die Junge<...
ROSETTA: Entschuldige mal einen Moment. Hat sich diese Frau, die zwanzig Jahre älter war als du, so verhalten, wie es alle bei einer solchen Beziehung erwarten, also, daß die ältere der jüngeren alle möglichen Sicherheiten bieten muß?
GINEVRA: Nein.
ROSETTA: Also, alles in allem ...
GINEVRA: Sie nahm nur alles und ... Schluß. Das war leider das Schlimme.
ROSETTA: Außerdem hat sie dir nicht ermöglicht, dich gehen zu lassen, es dir gutgehen zu lassen, was dir geholfen hätte, deinen ganzen Körper wahrzunehmen. Wahrscheinlich warst du für sie eine, die mit ihr ins Bett geht und ihr Orgasmen verschafft. Das zeigt ja gerade auch, wie schlecht es ihr selbst ging.
GINEVRA: Meiner Meinung nach war sie wirklich nicht homosexuell. Wie gesagt, in ihrer Jugend gab's dieses Erlebnis mit der Vergewaltigung. Deswegen wollte sie einen Mann in ihrer Nähe, der aber kein Mann sein sollte, sondern eine Frau. Die sollte an die Stelle des Mannes treten, aber ohne die Gewalt, die ihr ein Mann hätte antun können. Zwölf Jahre lang blieb ich bei dieser Frau, ich hatte mich schon an diese Kaputtheit gewöhnt, die ich nicht ...
ROSETTA: Die ziemlich einschränkend, extrem einschränkend ...
GINEVRA: Ja, auch weil, ich weiß nicht, du hast vorhin von deinen Träumen erzählt, die immer ... Ich habe auch immer von Frauen geträumt. Mit zwölf, dreizehn Jahren habe ich z.B. häufig, was weiß ich, davon geträumt, mit einer der Schauspielerinnen, die damals en vogue waren, zusammen zu sein, denn sie waren das Nonplusultra einer Frau, also, solche Träume ... Siria behauptet, daß ihr so etwas nie untergekommen ist, aber dir schon, nicht? Vorhin wollte ich dich etwas fragen: Wußtest du, daß es Lesben gab?
ROSETTA: Ich tat so, als wüßte ich nichts davon, denn ...
GINEVRA: Nein, nein, ich meine, wußtest du etwas davon, hast du mitgekriegt, wie darüber gesprochen wurde?
ROSETTA: Ja, schon, bestimmt.
GINEVRA: Komischerweise war das bei Siria nicht der Fall. Also, bis ... bis vor wenigen Jahren hatte sie nichts davon mitgekriegt ... Deswegen hatte sie dieses Problem einfach nicht, obwohl es natürlich schon da war. Sie konnte nicht wie du davon träumen, weil dir das Problem schon bekannt ist, und das hat dir wie mir geholfen. Nun, ich wußte, daß es Beziehungen zwischen Frauen gibt, und ich spürte, daß ich zärtliche Gefühle für Frauen und nicht für Männer hatte. Für mich war das ganz natürlich. Was soll ich dazu sagen? Damit bin ich auf die Welt gekommen, für mich war das nie eine Frage. Für sie schon, und manchmal, auch heute noch, fragt sie mich, >Aber wie kommt's, daß ich ... ? Vielleicht war ich es schon und habe aber nie …<
SIRIA: Ja, da gibt's noch etwas zu sagen. Wir haben viel und oft darüber geredet, aber für mich gibt das nie ein Problem, es belastet mich auch nicht. Auch das muß gesagt werden.
GINEVRA: Es geht doch nur darum, warum du es nicht weißt.
SIRIA: Ich versuche allmählich mehr über die Metamorphose zu sprechen. Ich bin extrem neugierig und will den Grund herausbekommen. ich gehe gerne allen Dingen auf den Grund, so wie ein fünfjähriges Kind, das dauern >Warum?< fragt. Ich habe so viele Fragen. Ganz langsam kann ich vielleicht allen Fragen, die mich beschäftigen, auf den Grund gehen. Davon ausgehend will ich auch dahinterkommen, was sie dazu veranlaßt hat. Auch darauf möchte ich eine Antwort finden. Wie gesagt, ich gehe es als Problem an, aber ich will auf jeden Fall in Erfahrung bringen, warum ich homosexuell geworden bin, wodurch eigentlich, was meine Homosexualität ausgelöst hat und was sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unsichtbar gehalten hat, ob sie von Anfang an da war oder ob sie sich mit den Jahren entwickelt hat. Manche Leute meinen, daß du wegen deines Vaters immer schon homosexuell warst bzw. es geworden bist, die anderen meinen, wegen der Mutterfigur. Auf der Ebene wird darüber geredet, aber in Wirklichkeit wissen wir nicht ...
ROSETTA: Auch weil den Lesben nie das Wort erteilt wurde.
SIRIA: Das stimmt, das muß auch gesagt werden.
ROSETTA: Wir sind die einzigen, die sich dazu äußern könnten.
SIRIA: Genau. Da ich mir das nicht zu einem Problem mache, ist das alles viel einfacher. Ich kann ganz in Ruhe darüber sprechen, und zwar nicht nur mit euch, sondern, was noch viel wichtiger ist, mit Ginevra. Ich gehe dem bloß auf den Grund, ganz klar und einfach. Es läuft überhaupt nicht so, wie es mir immer unterstellt wurde: >Du machst dir auch Probleme, die schaffst du dir, die greifst du aus der Luft! Das ist doch kein Problem!< Wie soll ich nur klarmachen, daß die Suche nach dem Grund für meine Homosexualität nicht heißt, daß es ein Problem für mich ist? Nicht einmal zu Anfang war meine Homosexualität problematisch für mich. Wenn wir von Problemen reden wollen, dann hatte ich die damals, weil ich wissen wollte, was in mir vorging. Du kannst dir nicht vorstellen, wieso du bis da und dann nie daran gedacht hattest, daß du mit einer Frau dein Leben, deine Gefühle und noch wichtiger, deine Sexualität teilen könntest. Und dann auf einmal ...
ROSETTA: Ich finde das richtig, auch weil du dir heute sicher bist, daß du lesbisch bist, von daher auch das Bedürfnis hast, mehr von dir zu erfahren, deine Vergangenheit als Lesbe neu zu begreifen, also, wie du gelebt hast, die Ursachen für dieses und jene Entscheidungen. Diese ganzen Dinge, von denen du sprichst, scheint mir, entsprechen auch meinem Bedürfnis von mir.
SIRIA: Ich denke, das geht allen so. Aber manche lassen es zu, andere wieder blocken es sogar vor sich selbst ab, und zwar aus einer Art Angst. Im wesentlichen bin ich zu dem vorläufigen Schluß gekommen, der kann auch falsch sein, daß wir alle Männer und Frauen, eine gehörige Portion tendenzieller Homosexualität in uns haben. Männer kommen sehr gut miteinander klar, das war schon immer so, und die Frauen sind auch schon immer gut miteinander ausgekommen. Warum? Es gibt einen entscheidenden Grund, aber niemand will ihn wahrhaben. In den allgemeinen Moralvorstellungen gelten wir ja als die Anderen. Es gilt als Perversion, als schmutzig, keiner weiß Genaues. Wenn wir von den Menschen aus dem Orient ausgehen, bei diesen Völkern werden die Beziehungen zum eigenen Geschlecht als etwas geistig Höherstehendes eingestuft, das gilt aber immer nur für Männer und nicht für Frauen.
ROSETTA: Das geistig Höherstehende ist natürlich nur etwas für Männer, das weiß man ja ...
SIRIA: Ja, hier müssen wir dann leider zu den Ursprüngen der menschlichen Natur zurückgehen.
ROSETTA: Wenn wir von uns und unserem Leben ausgehen, was denkt ihr, kann Lesben wirklich unterstützen, damit sie sich selbst verwirklichen können, ohne Schuldgefühle, Rollenverteilungen, Ängste, ohne ein Doppelleben usw.?
GINEVRA: Ich finde, sich vor allem zusammenzutun und sich so oft wie möglich zu sehen. Obwohl wir heute diese reinen Frauenlokale haben, also eine Möglichkeit, uns zu treffen usw., gibt es noch nichts wirklich Positives, was weiß ich, eine eigene Zeitung, ein eigenes Sprachrohr. Ich meine damit keine Zeitung von Frauen, die sich als Lesben aufspielen, das kann nämlich auch als Sprungbrett zum Veröffentlichen ausgenutzt werden oder so, sondern von wirklich lesbischen Frauen, die ihre Homosexualität auch wirklich gelebt haben bzw. leben, die wirklich auf unserer Seite stehen und auch Entsprechendes tun, und nicht wie sonst immer auf der Seite der anderen zu finden sind.
SIRIA: Sozusagen unter dem Deckmäntelchen des Feminismus, der wird nämlich ausgenutzt und deformiert, der Feminismus. Die Männer machen ihn sich zunutze, um bestimmte Dinge zu erreichen. Viele von uns Frauen werden dadurch lächerlich gemacht, daß die Ziele der Frauenbewegung praktisch falsch ausgelegt werden
GINEVRA: Für viele heißt feministisch gleich auch homosexuell bzw. lesbisch. Das finde ich gar nicht, es stimmt nämlich nicht, das hat nichts damit zu tun.
Alice: Ja, das stimmt nicht, trotzdem
GINEVRA: Meiner Meinung nach müßte die Frauenbewegung ganz anders laufen, wirklich alle Frauen einbeziehen, das ist schon etwas anderes als homosexuell zu sein.
Alice: Ja, klar.
SIRIA: Tja, diese Idee würde in die richtige Richtung führen, d.h. alle Frauen mit einzubeziehen, die so leider in den sauren Apfel beißen und das ertragen und erleiden müssen, was ihnen ihre Männer, Verwandten und die ganze Männergesellschaft um sie herum zufügen.
GINEVRA: Ja, das reicht aber nicht. Wir bräuchten auch eine wirklich starke Lesbenbewegung und damit basta, ohne Hilfe o der ängstliches Einmischen von außen. Ob man will oder nicht, bislang begreifen leider nur wir unser Problem. Nur wir können uns helfen, da läßt sich nichts machen. Wie heißt es ja auch so schön, >Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.< Wenn wir uns nicht bewegen, also, wir als Betroffene, können uns die anderen auch gar nichts nützen. Denn solange andere Frauen und Männer über uns Bücher schreiben, ändert sich nichts. Sie sehen das Ganze von ihrer Warte aus, d.h. sie benutzen uns als ihre Versuchskaninchen und sonst nichts weiter. Ich denke, wenn wir darüber sprechen, klärt sich sicher einiges, wir würden nie behaupten, daß unsere Homosexualität vielleicht biologisch bedingt sei.
SIRIA: Nein, das ist diskriminierend und darf nicht passieren.
GINEVRA: Das ist nicht nur diskriminierend, sondern zeigt auch die Vorurteile bei den Leuten. Viele bringen es nur zu der Auffassung: >Wir können sie ja akzeptieren, sie sind halt geistig Gestörte. Diese Fehlgriffe der Natur können wir ruhig akzeptieren.< Nein, ohne mich. Sie haben mich zu akzeptieren, so, wie ich bin, als ein Individuum, ein Mensch, der wie alle anderen auf die Welt gekommen ist, lebt und stirbt. Im Gefühlsleben mag ich wahrscheinlich etwas anderes lieber als sie. Das ist alles.
SIRIA: Ich wollte nur sagen, daß ich von der Homosexualität überzeugt bin. es gibt sie, sie geht weiter und wächst und entwickelt sich ständig. Ich beziehe mich dabei auf eine Sache, die ich vor vielen Jahren gelesen habe. Kennt ihr das >Phänomen von dem Überschuß an Walfischen?
ROSETTA: Nein.
SIRIA: Wenn es zu viele junge und alte Wale gibt, wenn sie wissen, daß ihre Nahrung nicht mehr ausreicht, und wenn das Überleben von allen nicht mehr gesichert ist, legt sich ein Teil von ihnen ans Ufer und wartet auf's Sterben. Bei den Menschen gibt es da meiner Meinung nach ein anderes Phänomen: nicht mehr zeugen.
GINEVRA: Bis jetzt.
SIRIA: Bis jetzt, okay. Das gilt besonders für Männer. Ich glaube nicht, daß sie je zeugen könnten. Was passiert? Die Mutter Natur sorgt bei dieser Überbevölkerung, die uns bevorsteht, bzw. die wir schon haben, vorbeugend dafür, daß eine bestimmte Anzahl von Leute keine Kinder mehr zeugt, d.h. es gibt ein Abweichen, was aber natürlich ist. Dabei ist nichts Krankhaftes, nichts biologisch Abartiges, weil sich die Natur einen Scherz erlaubt hat. Nein, das ist kein Scherz, sondern eine Notwendigkeit. Vielleicht haben uns das, meine ich, schon unsere Eltern unbewußt eingeprägt. Es ist lebensnotwendig, ich weiß nicht, ich weiß keine anderen Wörter. Das gehört so gesehen zum Lauf der Welt.
GINEVRA: Ja, solange das aber leider nicht alle als Erklärung annehmen können, wäre es an der Zeit, inzwischen dafür zu sorgen, daß es doch akzeptiert wird. Es soll als etwas Natürliches, Normales begriffen werden, was keinen stört. Denn worin beeinträchtige ich dich eigentlich? In nichts. Wenn du mich leben läßt, lasse ich dich auch leben. Diese Geschichte, daß Homosexuelle die Heteros belästigen, ist Quatsch.
Alice: Genau das ist aber, denke ich, das Problem: Daß wir sie, vor allem die Männer, nicht leben lassen. Ich glaube, sie haben wirklich eine Wahnsinnsangst, daß von ihnen keine mehr geboren werden.
GINEVRA: Ich kann dir etwas sagen. Meine Schwester lebt nicht mehr mit ihrem Ehemann zusammen, sondern mit einem anderen Mann, der geistig schon irgendwie aufgeschlossen ist, kein Macker. Ich denke sogar, tendenziell ist er homosexuell. Abgesehen davon hatte er aber nie homosexuelle Beziehungen. Trotz seiner Aufgeschlossenheit hat sich dieser Mann fürchterlich aufgeregt, als er mitkriegte, daß meine Schwester an drei Abenden hintereinander von einer lesbischen Frau angerufen wurde. Früher wäre das nie vorgekommen, vielmehr hatte er es in völliger Unkenntnis der Sachlage lieber gehabt, wenn seine Frau ihre Zeit mit einer Freundin statt mit einem Freund verbrachte. Denn von einer Frau betrogen zu werden, bedeutet ihm gar nichts, bei einem Mann sieht das aber schon ganz anders aus.
SIRIA: Inzwischen wird dem aber auch eine gewisse Wichtigkeit beigemessen, vielleicht eben genau ...
GINEVRA: Ich muß sagen, das kam einem bestimmten Typ von Lesben ziemlich gelegen, und zwar denen in meinem Alter, denn so waren wir wenigstens abgesichert. Der Mann war ja auch einverstanden. Wir alle waren glücklich und zufrieden damit. Ach, ich mochte das nie, weil ich immer davon ausgehe, wenn eine Frau mit mir zusammen sein will, soll sie wirklich mit mir zusammensein und nicht, weil sie es ausprobieren will, oder weil sie die Männer satt hat oder so etwas. Wenn ich ihr gefalle, muß ich ihr einfach so gefallen, nicht als Notlösung. Jahrelang habe ich diesen Zustand ertragen, jetzt reicht's!
SIRIA: Wenn wir über das Anerkennen oder Akzeptieren sprechen, meine ich, müssen sie einsehen, daß wir genauso viel wert sind wie sie.
ROSETTA: Nein, es geht dabei darum, daß wir uns selbst als Lesben akzeptieren. GINEVRA: Ja, richtig. ROSETTA: Versteht ihr, daß die anderen dann ... Entweder die machen's oder sie lassen's bleiben.
GINEVRA: Aber, sieh mal, viele von uns akzeptieren sich nur bis zu einem gewissen Grad. Es gibt aber noch Situationen, in denen wir uns leider verstecken müssen. Z.B. am Arbeitsplatz. Auch wenn du selbständig bist, mußt du immer darauf achten, daß du das Ganze ein wenig vertuschst, denn leider gibt es Leute, die nicht mehr kommen würden... wenn sie erfahren würden, daß sie ihre Sachen von zwei Lesben beziehen. Bei zwei Kusinen dagegen
SIRIA: Es gibt aber auch andere Fälle, und nicht einmal wenige, also Menschen, bei denen wir merken, daß sie zwar irritiert davon sind, aber da nur wir bestimmte Aufträge übernehmen können, müssen sie sich auf alle Fälle an uns wenden.
GINEVRA: Ja, das weiß ich, aber ich will das nicht, deswegen meine ich...
SIRIA: Ja, aber ...
GINEVRA: Einverstanden, aber ich bin gerade dabei, ihr auf ihre Frage zu antworten, was passieren muß, damit dieses Vortäuschen aufhört. Darum geht's ... Ich will nicht, daß Frauen gezwungenermaßen etwas vortäuschen und das berüchtigte Doppelleben führen müssen.
SIRIA: Manches wird es aber immer geben, solange es bestimmte Menschen gibt...
GINEVRA: Ja, genau, deswegen meine ich, daß wir, weil wir frei sind und problemlos und gelassen mit unserer Homosexualität leben können, uns daranmachen müßten, etwas zu tun. Wir müßten für uns selbst eintreten und nicht nur die anderen.
SIRIA: Ja, aber wir müßten auch damit anfangen, die Frauen, die Mütter zu erziehen, damit sie ihren Kindern nicht von Kindesbeinen an einreden und einprägen, daß das ein Spiel für Mädchen ist, du aber ein Junge bist, bzw. >Das ist ein Spiel für Jungen, du bist aber ein Mädchen<. Leider hören wir das auch bei den zwanzigjährigen Müttern von heute noch.
ROSETTA: Das ist genau das Problem, trotzdem
SIRIA: Das ist eben das Tragische. Und das sind die Zwanzigjährigen von heute im Jahre Zweitausend ...
GINEVRA: Wer sieht das denn? Mit was für einem Verständnis? Welche Leute sind dazu fähig? Nur wir können da die Zusammenhänge sehen. Du denkst, was wir denken. Auf das kommt es an, daß wir versuchen müssen, bestimmte Sachen zu vermitteln, niemand anderes ist dazu in der Lage. Es reißt sich auch niemand darum.
ROSETTA: Deine Kämpfe kannst du nicht an andere delegieren. Wir müssen das schon selbst in die Hand nehmen.
GINEVRA: Eben z.B. die F.U.O.R.I.-Bewegung. Meiner Meinung nach ist sie mehr oder weniger festgefahren, alles beschränkt sich da auf den Mann, selbst in dem Bereich hat er die Frau untergebuttert. Ich habe den F.U.O.R.I. wirklich von Anfang an mitgekriegt, da, wo ich früher wohnte, aber er hat nichts gebracht. Warum? Er hat nur den Männern etwas gebracht, den Frauen gar nichts.
Alice: Leider sind die Frauen auch viel zu ängstlich.
GINEVRA: Die Frauen sind aber doch nur so ängstlich, weil ihnen eben leider in vielen Bereichen immer wenig anvertraut wurde. Stell dir nur mal vor, eine Lesbe ...
SIRIA: Hm, die Männer kommen aber auch nicht gerade in den Genuß unheimlich vieler Rechte. Z.B. hat ein offen Schwuler kein Recht auf Zugang zum öffentlichen Dienst.
GINEVRA: Ja, aber danach kräht doch längst kein Hahn mehr.
SIRIA: Doch!
GINEVRA: Nein, sieh mal...
SIRIA: Guck dir doch mal einen offenen Schwulen an ...
GINEVRA: Ich meinte ... einverstanden. Aber heutzutage ... Früher konnte das problematisch sein, früher konnte ich so etwas verstehen, aber heute nicht. Ich finde es geht heute nur ...
SIRIA: Ich will niemanden in Schutz nehmen.
GINEVRA: Ach, es geht mir nur um dieses lächerliche Herunterspielen. Man weiß doch, daß es heute außer dem Angestelltsein, bzw. für den Staat zu arbeiten, auch andere Arbeitsmöglichkeiten gibt. Die können dich doch mal. Ich kann dir sagen, in dein Büro, in dem ich war, waren es unheimlich viele. Das war ganz klar zu sehen, nichtsdestotrotz haben sie eine feste Anstellung. Als das erste Schwulenlokal in meinem damaligen Wohnort eröffnet wurde, haben wir uns dort eines Abends zu neunzehnt aus dem gleichen Büro getroffen, so daß wir herumflaxten, >Wir könnten eigentlich eine eigene Zweigstelle, eine Homozweigstelle, aufmachen!< Wir waren neunzehn, nicht gerade wenig, und das waren nur die Lockersten, die sich weniger einmachen ließen, die sich reinschmissen und was machten.
ROSETTA: Stimmt das deiner Meinung nach mit den Homosexuellen als Minderheit?
GINEVRA: Nein, das finde ich nicht.
Alice: Das ist auch meine Meinung.
SIRIA: Meine auch, schon allein, weil mir klar wurde, daß inzwischen durch das allgemein etwas freiere Klima beispielsweise sehr viel mehr als früher zu sehen sind.
Alice: In Bologna gibt es allein drei riesige Lokale für männliche Homosexuelle
ROSETTA: Und die sind immer voll.
Alice: Keiner weiß, woher sie eigentlich alle kommen, Bologna hat 500.000 Einwohner, damit meine ich, jeder kennt jeden. Wo schlüpfen die alle raus? Irgendwann paßt keiner mehr rein, weil es schon zu vollgestopft ist, dann lassen sie keinen mehr rein. Uns Frauen lassen sie sowieso überhaupt nicht rein.
GINEVRA: Das ist genau der Punkt, leider ...
Alice: Wahrscheinlich sind sie sogar verheiratet.
ROSETTA: Wenn du die Vorstellung von der Minderheit ausschließt, schließt du damit auch die vom Anderssein aus.
SIRIA: Anders sein als was? Da stehen wir nun, wir müßten aber zweitausend Jahre zurückgehen, um wirklich herauszukriegen, was das Anderssein ausmacht, was anders überhaupt bedeutet. Ist anders nur das Gegenteil von einem anderen? Aber ... ich denke nicht, daß ich das Gegenteil einer Frau bin. Auf jeden Fall möchte ich noch etwas anderes sagen. Es ist nicht ganz gerecht, den Homosexuellen vorzuwerfen, na, wie heißt es, daß sie auch Kinder zur Perversität verführen
GINEVRA: Oh, nein, seit ich mich erinnern kann, habe ich Urlesbe sehr oft versucht, mir die Sympathien von älteren Frauen zu erschleichen. Z.B. habe ich mich sehr oft in Freundinnen meiner Mutter verliebt. Ich hatte keine Lust, was weiß ich, das schüchterne zurückhaltende Mädchen zu spielen, sondern setzte mich ihnen liebend gerne auf den Schoß, ich war überglücklich, wenn sie mir ein Küßchen gaben und mit mir schmusten. Ja, ja, immer schon. Ich war es immer schon, ich leugne es nicht, ich bin von Geburt an homosexuell. Jetzt muß ich euch von einer meiner Freundinnen erzählen, die meint, die größte Urlesbe zu sein. Denn, als die Hebamme bei ihrer Geburt die Hand in die Vagina ihrer Mutter steckte, um sie herauszuziehen, küßte meine Freundin deren Hand. Das ist das Maximum, meint sie, weiter zurück könne sie nicht gehen, homosexueller als sie kann ihrer Meinung nach keine sein. Ich könnte dasselbe sagen, so bin ich. Von daher trifft die Sache von dem kinderverführenden Erwachsenen vielleicht für Männer zu. Es gibt ja bekanntlich homosexuelle Männer, die Jungen bevorzugen. Aber unter Frauen habe ich das sehr sehr selten gehört, das kommt nicht vor.
ROSETTA: Nehmen wir den Faden jetzt wieder auf. Aus deinen Worten von vorhin scheint es, als hätte die Entwicklung deiner Sexualität ungefähr mit 15 angefangen, dann hast du aber über deine exotischen Erfahrungen als Zwölfährige geredet. Ich bin wirklich fest davon überzeugt, daß die kindliche Sexualität schon sehr früh beginnt.
GINEVRA: Ja, aber ich habe 15 gesagt, weil mir in dem Alter mein Bedürfnis nach einer sexuellen Beziehung bewußt war. Aber daß meine Sexualität früher anfing, ach, das steht außer Frage. Ich kann sagen, daß ich schon mit fünf Jahren, soweit ich mich erinnern kann, ein blondes Mädchen einem kleinen Jungen vorzog. Ich wollte immer, ich weiß nicht, mit einem Mädchen zusammensein anstatt mit einem Jungen, beispielsweise bei den Doktorspielen. Soweit ich mich erinnere, hatte ich ab dem fünften Lebensjahr immer diese Bedürfnisse im Zusammenhang mit Mädchen und nicht mit Jungen.
SIRIA: Ich möchte etwas sagen. Ich hatte nie solche Erfahrungen, meine homosexuellen Erfahrungen setzten erst mit 28 ein. Aber ich muß auch erzählen, daß ich eine ziemlich erschütternde Erfahrung gemacht habe: Als ich 29 Jahre alt war, sah ich mich mit einem ungefähr sechsjährigen Mädchen konfrontiert, die doch tatsächlich versuchte, an mich ranzukommen. Mit anderen Worten, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ich gestehe, ich habe ein bißchen Angst bekommen. Ich wurde leicht panisch. Dieses Mädchen war die Enkelin meiner Vermieterin, war tagsüber bei ihrer Großmutter. In deren Zimmer regnete es hinein. Außerdem hatte sie zwei Brüder, der eine war sechs, der andere acht. Wie fast alle spielte ich mit ihnen, ich ließ sie herumtoben, machte sie müde, damit sie ihre Großmutter nicht unnötig anstrengten. Ihre Großmutter hatte Asthma und alle Gebrechen, die fast jede Achtzigjährige hat. Nach einigen Monaten, in denen dieses Mädchen fast täglich zu mir gekommen war, und bei mir gespielt hatte... kommt sie eines Nachmittags ins Zimmer, rennt voll auf mich zu und gibt mir einen Kuß auf den Mund. Ich dachte mir, >Was soll's, sie wird ihr Ziel verfehlt haben, ist ja klar, sie platzt rein und umarmt mich einfach so.< Das ist dreimal so gegangen, ohne daß ich irgendwelche erotischen Zwischentöne wahrgenommen hätte. Bis zu dem Tag, als das Mädchen mit ihrer Großmutter in mein Zimmer kam. Die Großmutter trug ihr Mäntelchen im Arm, und was passierte? Sie küßte mich auf die Wangen, erst auf die eine und dann auf die andere, wie es sich für ein guterzogenes Mädchen gehört. Ein paar Tage später versuchte sie, als sie mich alleine in meinem Zimmer fand, unter meine Decke zu kriechen. Da habe ich mich gefragt, seh ich den Wald vor lauter Bäumen nicht, oder? Sollte ich mit meinen 29 Jahren etwa ein kleines 6-jähriges Mädchen zum Schlechten verführt haben?
Alice: Weißt du, was mir bei dieser Geschichte in den Sinn kommt? Ich habe einmal in einer Kindertagesstätte gearbeitet, und da gab es ein Mädchen, das ich anhimmelte. Sie hieß Giulia, ich himmelte sie an, ich fand sie genial. Ihre Familie kam aus dem untersten Lumpenproletariat, aber sie konnte wunderbar malen. Sie schlief nie, wenn die anderen Kinder schliefen. Damit sie still blieb, und damit sie die anderen Kinder nicht weckte, hatte ich mir angewöhnt, mich auf ihr Bett zu setzen Lind mit ihr zu reden. irgendwie sprach sie wie eine Erwachsene, und dabei war sie erst drei Jahre alt. Einmal fing sie an, meine Arme zu streicheln. Erst streichelte sie meine Arme, dann wollte sie, daß ich ihre streichelte. Es entstand eine Art Spiel. Das habe ich übrigens als Kinder schon mit meiner Tante gespielt. Mit meiner Tante wetteiferte ich im Kitzeln, also >Du mußt mich so lange streicheln, bis es mich kitzelt<. Natürlich war ich nie kitzelig, ach, das war nur ein Mittel zum Zweck, um mich streicheln zu lassen. Mit diesem Mädchen machte ich dieses Spiel ohne jeden Hintergedanken. Aber in Wirklichkeit, als ich mir mein >feeling< dabei etwas näher ansah, war es ... nicht gerade Verliebtheit, aber
SIRIA: Klar, sind Kinder seit der Entstehung der Welt irgendwie in ihre Bezugspersonen verliebt, seien es Männer oder Frauen. Das ist in der Schule so, wie im Kindergarten. Mit anderen Worten: Wir alle waren im Grunde von unseren Lehrern oder unserer Lehrerin äußerst angetan.
GINEVRA: Ich nie von einem Lehrer.
ROSETTA: Ich von meiner Lehrerin.
GINEVRA: Ich auch, was ich sagen wollte,
SIRIA: Aber ich war es sogar von meinem Lehrer. Ich habe z.B. meinen Zeichenlehrer geliebt und verehrt, genauso wie ich meine Italienischlehrerin liebte, ohne jeden Unterschied. Tja, was war Verliebtsein und was Homosexualität? Ich habe mich in meine Grundschullehrerin, meinen Zeichenlehrer, meine Italienischlehrerin verliebt. Ich habe Unmengen von Tränen vergossen, als sie wegging, denn sie war schon ziemlich alt. Aber ich habe nicht alleine geweint, wir haben zu dreizehnt geweint, die ganze Klasse. Ich meine, dreizehn Mädchen, alle weinten, weil sie fortging, weil sie in der Mitte der 8. Klasse wegging, also nach zweieinhalb Jahren. Mit den Sommerferien waren es zweieinhalb gemeinsam verbrachte Jahre. Und wir waren da schon Jugendliche. Wir alle haben geweint bis auf eine, die sie gehaßt hat, die hat nicht geweint. Was soll's, das ist wieder etwas anderes. Somit waren wir alle zwölf wohl homosexuell, das erscheint mir doch ein wenig übertrieben, oder ... ?