Kritik am Bestehenden
Gottesbilder durch Frauen überprüfen, die Art der Rede von Gott und seinem Willen für uns Menschen - und insbesondere für die Frau - in Frage stellen, das ist heute für uns im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig geworden, denn unsere Bilder von Gott sind gefährlich und falsch.
Die herkömmliche Rede von Gott und seinem Willen hat uns Frauen durch zwei Jahrtausende hindurch in vielfältiger Weise unterdrückt. Sie hat uns ins politische und kirchenpolitische Abseits gedrängt, obwohl wir innerhalb der Kirche eine noch überwältigendere Mehrheit bilden als innerhalb der Gesellschaft. Aber bis heute gilt: Die Herren machen das schon - und das für uns gleich mit!
Durch zwei Jahrtausende hindurch war das Freiheitsbedürfnis des Mannes legitimiert durch den ausdrücklichen Willen Gottes für den Menschen; denn der Gott Israels hatte ja sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit geführt - doch der Exodus der Frauen aus der Herrschaft des Mannes fand nie statt.
Die Freiheitskämpfer aller Zeiten wußten den Willen Gottes auf ihrer Seite - wie übrigens ihre Unterdrücker auch! Die Befreiung der Frau aber - dessen war mann sich sicher - verstieß gegen die göttliche Schöpfungsordnung. Denn eins steht fest: Die Befreiung des Menschen beinhaltete zu keiner Zeit auch die Befreiung der Frau. Im Gegenteil, weiblichen Freiheitsgelüsten wußte mann in vielfältiger Weise zu begegnen - mal massiver durch Scheiterhaufen, um ihre Seele vor dem göttlichen Zorn zu retten, mal subtiler durch Erwartungshaltungen und Rollenklischees, nach denen Frauen des Mannes Ergänzung sein und alles das tun durften, wozu er keine Lust hatte, mal aber auch humaner durch positive Bestätigung an ganz bestimmten Stellen weiblichen Wohlverhaltens.
So gestatten viele Männer ihren Frauen inzwischen die Ausübung eines Berufes, wenn - so betonen sie dabei - alles andere nicht zu kurz kommt. Auch dürfen Frauen inzwischen auf die Kanzel, wenn sie sich an die gewohnte Ordnung und Rede von Gott halten. Die Bewegungsfreiheit der Frau bleibt abhängig von Gottes und des Mannes Willen.
Bis heute werden wir Frauen durch das herrschaftliche Gottesbild der Herren in Bibel und Kirche systematisch zu Menschen zweiter Klasse degradiert; denn wir leben von den freiheitlichen Brosamen, die von der Herren Tische fallen. Wir müssen uns daranmachen, die uns vorgesetzten Bilder von gut und böse, richtig und falsch, sinnvoll und sinnlos zu überprüfen und damit den Ursprung unserer eigenen oft unbewußten Minderwertigkeitsgefühle durchschauen und verhindern, daß diese Bilder in uns weiterwirken und unsere Entwicklung behindern.
Einige dieser falschen Bilder möchte ich einmal benennen. Ich glaube nämlich, daß es den meisten Frauen mit der Erziehung zum christlichen Glauben recht ähnlich ergangen ist:
- Daß die Frau die Sünde in die Welt brachte, bekamen wir öfteren zu hören; daß sie das Heil in die Welt brachte, hören wir nie.
- Die Schlange als Symbol anti-göttlicher Macht weiblichen Ungehorsams ist uns allen bekannt. Von der Schlange als matriarchalem Symbol weiblicher Weisheit und Macht erfahren wir nur auf Umwegen.
- Daß Gott unser Vater im Himmel, aber auch der Richter, Herrscher und Herr der Heerscharen ist, behaupten viele noch mit größter Selbstverständlichkeit; von Gott als Mutter zu reden gilt hingegen als unchristlich und heidnisch, obwohl Frau und Mann das Abbild Gottes sind.
- Daß wir Vater und Mutter ehren sollen - egal wie sie sich verhalten -, damit wir lange leben im Lande des Herrn, wurde uns bereits in früher Kindheit gelehrt. Wie lebensnotwendig aber die Ehrung der Mutter Erde ist, damit wir lange auf ihr leben können, wurde uns nie beigebracht. Das begreifen wir erst jetzt, wo es zu spät ist.
- Daß »der Krieg der Vater aller Dinge« (Heraklit) und daher lebensnotwendig ist, glauben »weise« Männer seit mindestens 2500 Jahren. Daß aber der Friede die Mutter aller Dinge ist, deren Abwesenheit uns alle gleichermaßen bedroht, erfahren wir heute allenthalben.
- Daß der Fortbestand unserer Gesellschaft von unserer Erfüllung gottgewollter Gebärverpflichtungen abhängig ist, wird uns immer wieder plausibel gemacht. Daß der Fortbestand unserer Gesellschaft aber in gleicher Weise von der geistigen Produktivität und Mitsprache der Frau abhängt, beginnen wir erst jetzt zu ahnen.
- Daß Jesus mit zwölf Jüngern durch das Land zog und seine Botschaft der Liebe verbreitete, damit wurden wir von Kindesbeinen an vertraut gemacht. Daß er aber genauso eine Reihe von Frauen als Jüngerinnen um sich scharte, von denen er sich sogar besser verstanden wußte als von den Jüngern, müssen wir Frauen uns erst mühsam erarbeiten.
- Daß Maria als keusche Jungfrau und Magd des Herrn diesem ihr »Mir geschehe, wie du gesagt hast« entgegenhauchte, wurde uns wenigstens einmal im Jahr zur Weihnachtszeit in Erinnerung gerufen. Daß sie aber mit einem unehelichen Kind schwanger ging und einen Gott pries, der die Herrschenden vom Thron stürzt und damit nur für das Ende aller Frauenunterdrückung, nicht aber für deren Aufrechterhaltung in Anspruch genommen werden kann, lernten wir weder in der Kirche noch in der Schule.
- Daß wir als Frauen in den Briefen des Neuen Testaments nicht angesprochen werden, da diese nur die »lieben Brüder« der Gemeinde berücksichtigen, daran hatten wir uns schon allzu lange gewöhnt. Warum sich aber Jesus auf seinem letzten Gang ans Kreuz nur noch an die »Töchter Jerusalems« wandte, ohne die Söhne zu berücksichtigen, das beginne ich ganz allmählich zu verstehen.
- Daß es der Frau geziemt zu schweigen und ihr Leben im Dienst an Mann und Kind zu verbringen, glauben bis heute noch viele Frauen und Männer. Daß Jesus aber nur dem Mann das Dienen empfiehlt zur Heilung seiner Großmannssucht und niemanden so eindeutig zur Verkündigung an seinen Brüdern beauftragt wie die Frau, das ist fast allen gläubigen Christen bis heute entgangen.
So müssen wir immer wieder auf die geistigen Rechte und Pflichten der Frau aufmerksam machen und sie daran erinnern, daß in diesem Staat das Recht auf religiöse Selbstbestimmung bereits Vierzehnjährigen zuerkannt wird. Es ist nunmehr höchste Zeit, daß besonders wir Frauen, die wir das 14. Lebensjahr überschritten haben, uns auf diese Religionsmündigkeit neu besinnen. Dazu gehört meines Erachtens nicht nur die Entscheidung für eine bestimmte Konfession, sondern in erster Linie das Nachdenken über das, was als das Göttliche, als der höchste Wert in unserem Leben gelten kann und soll.
Bis in unsere Gegenwart haben sich nur die Herren der Schöpfung diesem Nachdenken gestellt. An sie erging das Wort des Herrn. Sie verkündeten den Willen des Herrn, wobei allerdings nicht immer ganz klar war, ob nicht der Wille des Herrn mit dem Willen der Herren identisch ist. Für ein solches Nachdenken wurden wir Frauen nie gebraucht. Wir waren zum Nachbeten da. Es ist uns zur Gewohnheit geworden, die wir ablegen müssen, wenn wir uns selbst finden und retten wollen. Wir müssen uns aufmachen, um das Göttliche ganz neu zu suchen.
Denn: Nur wer sucht, die findet. Für die Nachbetenden gibt es nichts zu finden.
Wozu brauchen wir überhaupt Gottesbilder?
Gibt es in der Bibel nicht ein Bilderverbot?
Wir Frauen befinden uns auf der Suche nach neuen Gottesbildern. Dabei begegnen wir oft Unverständnis - gerade innerhalb der Kirche. Wenn wir die Männlichkeit Gottes in Frage stellen, reagieren die meisten mit entsetztem Kopfschütteln. Für die einen steht diese Männlichkeit so unverbrüchlich fest, daß es ihnen wie Ketzerei vorkommt, sie etwa in Frage stellen zu wollen. Für die andern ist Gott angeblich weder männlich noch weiblich, also ein Neutrum. Daß sie trotzdem ausschließlich die gewohnten Bilder von Gott gebrauchen, wie Vater, Herr, König usw., ist ihnen entweder nicht bewußt oder - wie sie meinen - ein dummer Zufall, dem keinerlei Bedeutung zukommt. Trotzdem lehnen sie es aber ab, das einseitig männliche Gottesbild durch weibliche Bilder zu relativieren. Sehr schnell ist dann von »heidnischen« Vorstellungen die Rede, mit denen fragend gewordene Frauen ins christliche Abseits katapultiert werden sollen. Was unbequem ist, muß verdrängt werden. Das war schon immer so - und soll auch so bleiben.
Wie recht scheint diesen Menschen die Bibel zu geben, denn schließlich heißt es dort, daß wir uns von Gott kein Bild machen dürfen. Der eklatante Verstoß fragender Frauen gegen das Gebot Gottes scheint also auf der Hand zu liegen, und so findet das Bedürfnis nach Verdrängung unbequemer Fragen eine biblische Legitimierung - wie so oft.
Aber geht es dabei wirklich nur um die Einhaltung eines göttlichen Gebots, die solcher Verdrängung zugrunde liegt? Liegt diesen Menschen so sehr an der Erfüllung eines göttlichen Willens?
Wenn ja, dann sollten sie sich den Text doch einmal genauer ansehen. In den Zehn Geboten heißt es nämlich: »Du sollst dir kein Bildnis machen noch irgendein Gleichnis, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf der Erde, oder des, das im Wasser unter der Erde ist« (2. Mose 20,4).
Das Bilderverbot reicht also vom Meeresgrund über die Mutter Erde bis hin zum Himmelszelt - drei Bereiche, die ursprünglich, so lehren uns unsere Nachforschungen, durch eine dreifaltige Urgöttin repräsentiert wurden. Im 5. Buch Mose wird das Verbot noch zweimal wiederholt, und das hört sich so an: »Verflucht sei, wer einen Götzen oder ein gegossenes Bild macht, einen Greuel des Herrn, ein Werk von den Händen der Werkmeister« (5. Mose 27,15).
Mit diesen Worten werden insbesondere religiöse Praktiken verflucht, die im vorexilischen Israel gang und gäbe waren. Im Norden Israels zum Beispiel wurde Jahwe als Stiergott dargestellt und verehrt - ein Gottesbild, das immer in Begleitung einer Göttin verstanden wurde, da es ein Sinnbild für Zeugungskraft war, zu der es immer einer Partnerin bedarf. Damals wußten die Leute das noch. Des weiteren stand im Tempel
zu Jerusalem die eherne Schlange, die durch viele Jahrhunderte hindurch verehrt wurde.
Wie überall auf der Welt galt die Schlangengöttin als Symbol des zyklischen Lebensrhythmus von Leben, Tod und Wiedergeburt oder Erneuerung, von Heilung und Heil. Das hatten die Israeliten ja auch selbst in Kadesch erfahren, wo sie Heilung erlangt hatten durch die auf Gottes Geheiß hin aufgerichtete eherne Schlange, die mächtiger gewesen sein muß als Jahwe, denn von ihm scheint keine Heilkraft ausgegangen zu sein. Gegen diese Schlange als Repräsentantin einer Jahwe überlegenen Urgöttin richtet sich wohl das Bilderverbot hauptsächlich; denn im ganzen Orient wurden Himmel, Erde und Wasser mit ihr in Verbindung gebracht: In der nächtlichen Milchstraße sahen die Menschen die große Himmelsschlange, die den Kosmos umschließt. Auf der Erde symbolisierte sie aufgrund ihrer Häutungsphasen den Aspekt des Werdens und Vergehens wie auch der damit verbundenen seelischen Weiterentwicklung durch Erkenntniszuwachs. Sie war das Symbol weiblicher Lebensweisheit und Lebensmacht.
Als Drittes symbolisierte sie aber auch noch jenes Urmeer, das Grundlage aller Schöpfung ist. Doch wurde die Schlange - wie es im Alten Testament heißt - zu einem Seeungeheuer, zu Leviathan, gegen das Jahwe vor aller Zeit gekämpft hatte. In unserer Sprache heißt das: Die
Schlange repräsentiert ein Kultursystem, das jenem des Patriarchatsgottes Jahwe vorausging, das Jahwe erst zerschlagen mußte, um selbst an die Macht zu gelangen.
Heute wissen wir, daß die Schlange eines der bedeutendsten Symbole der matriarchalen Vergangenheit ist, in der das Göttliche in überwiegend weiblichen Bildern dargestellt wurde. Der ganze Kosmos galt als von weiblichen Kräften durchzogen. Das nächtliche Himmelszelt war der Sternenmantel der großen Himmelskönigin, mit dem sie nachts ihre Kinder zudeckte. Daß bis in unsere Zeit auch die Erde als Mutter empfunden wird, ist allgemein bekannt. Das mütterliche Prinzip galt als das göttliche Prinzip schlechthin, als das Leben Schaffende, Nährende und dadurch Leben Erhaltende, dem jeder Mensch, dem Frau und Mann ihr Leben verdankten.
Dieses weibliche Prinzip gehört - wie gesagt - zur Urerfahrung des Menschen und der Menschheit, ist sein und ihr Ursprungsort. Selbst heute noch sagen uns Psychologen immer wieder, daß die Mutter die wichtigste und mächtigste Kraft im Leben eines Menschen darstellt - mächtig aufgrund ihrer Liebe und weniger aufgrund angemaßter Autorität.
Die mütterliche Liebe zum Kind schafft in ihm das Urvertrauen in die Welt und damit auch das Vertrauen in göttliche Kräfte. Dieser Tatsache trugen alle Religionen der Welt Rechnung, indem sie eine Muttergöttin verehrten, von der sie sich auch als Erwachsene geliebt, genährt und durch das Leben getragen wußten. Selbst im Alten Testament läßt der Schreiber Gott sagen: »Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet« (Jesaja 66,13).
Hier haben Väter noch kaum etwas auszurichten vermocht. Im Christentum hat dann durch viele Jahrhunderte hindurch Maria die Aufgabe des mütterlichen Tröstens, Liebens und Verzeihens übernommen, nachdem Gottvater und Sohn zu strengen Richtern geworden waren, damit beschäftigt, menschliche Vergehen zu ahnden. Wo dann später im Protestantismus Maria wegfiel, kamen auch prompt diese Bereiche
liebevoller Zuwendung zu kurz. Von einer rein männlichen Dreifaltigkeit konnten sie nur schlecht realisiert werden. Das bloße Wort: »Gott ist Liebe« reicht anscheinend nicht aus. Es müssen auch entsprechende Symbole zur Verfügung gestellt werden, die diese Liebe veranschaulichen und erlebbar machen können. Da diese grundlegende Kraft der Liebe nun einmal primär durch die Mutter erfahren wird, muß sinnvollerweise auch das Göttliche als Vermittlerin dieser wichtigsten und mächtigsten Kraft in unserem Leben mit weiblicher Symbolik umschrieben werden.
Durch die Jahrtausende hindurch war das auch eine Selbstverständlichkeit. Selbst in Israel wurden weibliche Gottheiten verehrt, wie Ausgrabungen und alttestamentliche Schriftstellen belegen. Die babylonische Göttin des Urwassers, Tiamat, war ihnen bekannt, ebenso die Himmelskönigin Anath, die sie - nach Jeremia - in Ägypten verehrten, die Aschera oder Astarte, aber auch die ägyptische Neith, die mit ihrem Körper das Himmelszelt bildete und die Erde bedeckte. Damals war die Erde noch nicht des Herrn! Sie war überhaupt niemandes Besitz. Sie war die Mutter der Menschheit!
Die Priester Israels aber verstanden sich als Anwälte eines rein männlichen Patriarchatsgottes und faßten andere religiöse Anschauungen als Konkurrenz und daher als böse auf. Nur ihre Worte und Handlungen sollten als geheiligt angesehen werden, alles andere war dem Herrn ein Greuel. Als Greuel galten aber insbesondere die weiblichen Gottheiten, deren Skulpturen in großer Fülle von Archäologen gefunden wurden und die auch für die israelitische Zeit nachweisbar sind.
Das Bilderverbot muß also in erster Linie als Abwehr gegen weibliche Gottesvorstellungen verstanden werden, die der männlichen Alleinherrschaft - und allein um die ging es den Anhängern Jahwes - im Wege waren. Nur durch ihre Bekämpfung und schließliche Vernichtung konnte der Mann in den vorchristlichen Jahrhunderten seine Macht voll entfalten und die Herrschaft antreten über das weibliche Geschlecht, ihren Nachwuchs und die Natur. Die Erde war ja des Herrn geworden, und der hatte schließlich die Herren beauftragt, sie zu beherrschen. Genau danach sieht sie heute aus: geschunden, vergewaltigt und mißbraucht, genau wie die Frau - und vielfach auch das Kind.
Was aber ist das für ein Gott, dem ein weibliches Gottesbild ein Greuel ist, der aber selbst den Krieg mit der Ausrottung von
Frauen, Kindern und Säuglingen befiehlt, wie dies beispielsweise in den Büchern Samuel und Hesekiel ganz klar steht (1. Samuel 15,3; Hesekiel 9,5-7)?
Ich habe es bereits angedeutet: Es ist ein von Männern für Männer erdachter Gott, der den eigenen männlichen Machtinteressen dienen mußte, so daß seine Priester bis zum letzten Krieg in seinem Namen die Waffen segnen konnten. Es ist ein Männergötze, der bis heute zur Unterdrückung Schwächerer eingesetzt wird, seien es nun Frauen, Kinder oder sogenannte »Heiden«, die der Mission bedürfen.
Es ist derselbe Gott, auf den sich Mr. Reagan beruft, da er sich von ihm berufen weiß, die Apokalypse, jenen letzten Weltenbrand oder Holocaust, in Szene zu setzen. Es ist der vergötzte Männlichkeitswahn, der mit seinem Waffenarsenal die Welt in Atem hält. Dieser weltweite männliche Allmachtswahn kann es nicht zulassen, daß etwas anderes als machtstrotzende Männlichkeit als göttlich verehrt wird.
Genau das ist der religionsgeschichtliche sowie der politische und psychologische Hintergrund des Bilderverbots, das zu keiner Zeit eingehalten wurde, weil es gar nicht eingehalten werden konnte; denn die menschliche Seele ist auf Bilder angelegt.
Jede Nacht produziert sie Traumbilder, um dem Menschen bei seiner Lebensbewältigung behilflich zu sein. Doch als Ereignis der Nacht wurde der Traum abgewertet, auch er fiel sozusagen unter das Bilderverbot.
Statt dessen wurden die konkreten Gottesbilder gegen Sprachbilder ausgetauscht. Worte traten an die Stelle von Symbolen, Worte, die sich in die menschliche Seele von außen einfraßen, die aber in ihrer Bildhaftigkeit unbewußt blieben.
Worte wurden erlaubte Bilder von Gott, Worte, die nicht mehr der Seele der Menschen entsprangen, sondern nur noch dem Denken einer bestimmten Priesterkaste, eines Männerclans.
Nur noch ihr Wort durfte die Seele nachbilden. Denn ob Wort oder Bild, für die Seele ist alles bildhaft. Ihre Ausdrucksform ist nun einmal die Bildsprache. Bilder generell zu verbieten hieße demnach, die Sprache der Seele zu verbieten. Genau das ist ja auch geschehen. Unsere Seele durfte sich nicht mehr frei äußern, sich nicht weiter entfalten; denn das hätte möglicherweise eine Wandlung des Gottesbildes zur Folge gehabt. Unsere Seele wurde in vielfältiger Weise der Inquisition überantwortet - und das geschieht bis heute, mal offen brutal, mal subtil und unterschwellig. Bis heute wird es uns verwehrt, die Bilder unserer Seele ernst zu nehmen.
Die Folgen solcher Abwertung des Bildhaften bei gleichzeitiger Vergötzung des rein männlichen Wortes sind verheerend. Statt der inneren Bilder, die in früheren Zeiten als Manifestationen des Göttlichen verstanden wurden, holt sich die nach Bildern hungernde Seele ihre Bilder von außen,
von dort, wo sie in einer unübersehbaren Fülle angeboten werden.
Was aber sind das für Bilder, mit denen heute der menschliche Bildhunger gestillt wird und die zur Bildung der Seele beitragen? Es sind Fernseh- und Reklamebilder, bei denen sich wiederum der weibliche Körper größter Beliebtheit erfreut - das patriarchale Pendant zur matriarchalen Göttinnenverehrung. Es sind aber auch Porno- und Sadofilme, mit denen sich insbesondere Jungen und Männer vollstopfen, um ihren Bildhunger zu stillen. Das ist die wahre Kehrseite des Bilderverbots!
Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Bilder die bekömmlicheren sind. Auch sollte es uns nicht mehr wundern, daß - wenn ein Männergott der Seele die ihr eigene Bildsprache verbietet - mit der Männlichkeit auch die Seelenlosigkeit die Welt beherrscht, die nur noch die Macht des Wortes, des Gesetzes, der Verordnungen als letzte Wirklichkeit anerkennen will.
Nachdem sich auf diesem Hintergrund für mich eindeutig die geforderte Bilderlosigkeit als männlich-priesterliches Wunschdenken herausgestellt hat, das der männlichen Entfremdung vom eigenen Seelengrund entsprungen ist, nicht aber einem göttlichen Verbot, möchte ich nunmehr für neue Gottesbilder plädieren, und zwar ganz einfach, weil wir sie brauchen, weil wir gar keine Alternative haben zu einem bildhaften Glauben.
Der bildlose Glaube ist nur ein Selbstbetrug. Es gibt ihn nicht - außer in den Zielvorstellungen einiger Mystikerinnen und Mystiker, die den göttlichen Urgrund in der Leere, im großen Schweigen wahrnahmen, dort, wo alle Rede von Gott ein Ende hat. Dieser Tradition folgte aber immer nur ein kleiner Kreis von Frauen und Männern, die von der offiziellen Kirche immer wieder der Ketzerei beschuldigt wurden.
Zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte konnten Gottesbilder abgeschafft werden; denn jede Rede von Gott vermittelt zugleich auch Bilder. So wurden durch das Bilderverbot nicht etwa die Bilder von Gott abgeschafft, sondern lediglich das Wissen darum, daß es sich bei unserer Rede von Gott auch immer um die Vermittlung von Bildern handelt. Statt dessen wurden Gott und Gottesbild ganz selbstverständlich gleichgesetzt. Damit aber wurde uns die Möglichkeit der Überprüfung der uns vorgesetzten Gottesbilder, wie Vater,
König, Herrscher, Richter usw., genommen. Wir hatten keine Möglichkeit, sie anzuzweifeln. Männliche Bilder von Gott in Frage zu stellen galt und gilt vielfach heute noch als die Todsünde schlechthin.
In Wirklichkeit aber können wir nicht wählen zwischen einem bildhaften und einem bildlosen Glauben, sondern nur zwischen einem lebensvernichtenden und einem lebensfördernden Gottesbild. Es sind immer Menschen, die die Vorstellungen von Gott prägen. Es waren bisher immer Männer, die diese Vorstellungen geprägt und den Frauen aufgezwungen haben.
So können wir uns immer nur über Vorstellungen vom Göttlichen verständigen. Das Göttliche selbst hat keinen Namen. Es ist weder vorstellbar noch nennbar. Es wird uns in seiner Fülle wohl auf dieser Welt verschlossen bleiben.
Dennoch werden wir nicht aufhören, unseren eigenen Vorstellungen vom Göttlichen Ausdruck zu verleihen und es so für uns lebendig zu halten.
Daß die Bilder von Gott variieren, haben wir alle im Laufe unserer Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erlebt. Als sinnvoll, weil lebensfördernd, kann daher nur jenes Gottesbild angesehen werden, das dem Menschen hilft, sich so zu entwickeln, daß er die seit jeher als göttlichen Willen angesehenen Werte wie Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit und Friedfertigkeit in ein entsprechendes Verhalten umsetzen kann. Erst wenn das geschieht, können diese Werte nicht mehr als Kanzelverzierung mißbraucht werden, die das Alltagshandeln hinter Sonntagspredigten kaschiert.
Wenn Christen einander wirklich aufrichtig begegnen wollen, egal welches Gottesbild sie haben, dann darf kein Bilderverbot zwischen ihnen stehen; denn es trennt ja nur jene, die wissen, daß sie sich ein Bild von Gott machen, von jenen, die das nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen. Nur wo wir uns unsere Bilder von Gott bewußtmachen, uns über sie Rechenschaft ablegen, sie untereinander austauschen, nur da können wir sie auch korrigieren, wo sie sich im Umgang miteinander als hemmend auswirken. Nur so können Bilder aus der Kindheit abgelöst werden, ohne daß Glaubensängste und -nöte entstehen oder aber die Flucht in den Atheismus als die einzige Lösung erscheint.
Vielleicht können wir dann auch lernen, was es heißt, daß im christlichen Glauben ein sterbender Gott verehrt wird, ein Gott, dessen Sterben die Bedingung für seine Auferstehung ist.
Nur durch Sterben kann Neues entstehen - das ist die uralte >Weisheit< der Schlange, mit der der Evangelist Johannes den
erhöhten Christus gleichsetzt (Johannes 3,14).
Die christliche Botschaft vom Sohn Gottvaters, der am Kreuz stirbt, kann daher als symbolischer Ausdruck der Tatsache angesehen werden, daß das ausschließlich männliche Gottesbild sterben muß, um anderen Gottesbildern Platz zu machen, die eher geeignet sind, dem Göttlichen Gestalt zu verleihen, die sich besser eignen, sich üher das Göttliche zu verständigen, da sie dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen und so berücksichtigen, daß die Verketzerung des Weiblichen nicht etwa dem Bereich des Göttlichen entsprungen, sondern lediglich die Folge des patriarchalen Männlichkeitswahns ist.
Wo das Gottesbild nicht mehr wandlungsfähig ist, endet es unweigerlich in der Erstarrung und wird damit zu einem leblosen
Götzen, dem eigentlichen Feind des Göttlichen.
Wenn aber der Evangelist Johannes im auferstandenen Christus die erhöhte Schlange wiedererkennt, dann hat sich für ihn
bereits vor 2000 Jahren die Wandlung des patriarchalischen Gottesbildes vollzogen. Schließlich galt_die erhöhte Schlange
im ganzen Orient als das uralte Symbol weiblicher Weisheit und Lebensfülle.
Hier wird uns die Auferstehung weiblicher Kräfte und Anschauungsweisen signalisiert. Diese Auferstehungsbotschaft konnte in der Tat nur von Frauen in die Welt gebracht werden wie die Berichte aller Evangelisten erkennen lassen. Zu der Verkündigung dieser Botschaft an die Brüder wurde die Frau vom Auferstandenen selbst beauftragt. Männer haben ihr diesen Auftrag schon bald streitig gemacht. Heute sollten wir Frauen uns wieder neu auf ihn besinnen...