Ja. Ich will deine Frau werden, allein mit dir bleiben
und nur deine Stimme hören.
Bluthochzeit, FEDERICO GARCIA LORCA
Der Traum von der Liebe wird die tief sitzende »anale« Furcht des Mannes und das starke »orale« Verlangen der Frau überdecken. Als wäre es abgesprochen, begeben sie sich auf die Suche nach der verlorenen Symbiose. Mit dem gleichen sehnsüchtigen Streben bewegen sie sich auf die »gefährliche« Begegnung zu, die an jene erinnert, die sie damals mit Jokaste hatten.
Lieben bedeutet bewußt das suchen, was uns gefehlt hat, und - meistens unbewußt - das wiederfinden, was wir schon gekannt haben.
Der Mann kommt aus einem gnadenlosen Krieg mit einer anderen Frau, seiner Mutter; die Frau kommt aus der weißen Wüste ihrer Kindheit. Sie begegnen sich, sprechen miteinander, betrachten und berühren sich und haben das Gefühl, sich schon zu kennen, als kämen sie vom gleichen Ort (was richtig ist, denn für beide ist das Gesicht der Mutter die erste wahrgenommene Umgebung) und als seien sie die gleichen Wege gegangen (was falsch ist, denn wir haben gesehen, wie unterschiedlich ihre Reisewege waren).
Die Symbiose aber ist schon da und läßt keinen Raum mehr für Worte.
Man wagt kaum zu sprechen, aus Angst, daß sie sich verflüchtigt; jeder ist noch schwer gezeichnet von seiner Niederlage mit Jokaste: Der Junge hatte keinen Zugang zum Körper derjenigen, die er liebte; das Mädchen hatte es nicht vermocht, von jener begehrt zu werden, der es zugetan war. Und das, was dem einen wie dem anderen Geschlecht gefehlt hat, scheint jetzt erfüllt werden zu können, hier im Schoß des Körper und Geist wieder vereinenden »Ich liebe dich«.
Der Augenblick der Begegnung ist ein einzigartiger Moment, in dem Bewußtes und Unbewußtes sich durchdringen; der Wunsch erfüllt sich, der Traum schwebt herab auf die Erde und erscheint in Gestalt eines Gesichts, das sich von allen anderen unterscheidet, erscheint als das insgeheim von beiden erwartete »Objekt«.
Seit wir die Symbiose mit der Mutter über die »Spiegelstufe« verließen und die Einsamkeit erfahren mußten, erwartete jeder von uns diesen Augenblick, der die damals erlittene Dualität aufheben und die ursprüngliche Einheit wieder herstellen würde. Die Liebe ist der Versuch, das »Spiegelerlebnis« nach, rückwärts zu wiederholen, den Unterschied aufzuheben, auf das Individuelle im Namen der Symbiose zu verzichten. Ist es nicht das gleiche Phantasma, das uns drängen wird, auch die Schranken des Körpers zu überwinden, hin zur sexuellen Vereinigung, die als Verlust des Ich-Bewußtseins zu sehen ist, als Wiederentdeckung der grenzenlosen »Einheit« zweier Körper?
Die Liebe ist das ins Extreme gesteigerte Verlangen nach einer einzigen Identität für zwei, ist das unbewußt herbei gezwungene frühe Phantasma des Einsseins mit der Mutter. Ungleichheit, Unterschiedlichkeit und Asymmetrie verwandeln sich im Augenblick der Liebe in Zusammenfügung, in Gleichartigkeit und in die vollkommene Symmetrie des gegenseitigen Begehrens.
»Liebe macht blind«, sagt man; das ist zutiefst wahr, denn das in unserem Leben immer gegenwärtige Lustprinzip drängt uns, die ideale Verschmelzung mit der Mutter wiederzufinden. Eine Verschmelzung, die wir hinter uns gelassen haben, die wir aber unaufhörlich über das geliebte Objekt wiederfinden wollen. Das wird uns dazu führen, Traum und Wirklichkeit durcheinander zu bringen, bis hin zum Verschmelzen eines Gesichts mit einem anderen, dem Angleichen eines Lächelns an ein anderes. Der Wunsch, das »ideale Objekt« unbedingt sehen zu wollen, läßt uns überhaupt nicht mehr klar sehen ... Wir sind den Fata Morganen unseres Unbewußten ausgeliefert. Die Fehler des geliebten Wesens werden ausgelöscht zugunsten seiner Qualitäten; und falls das nicht geht, werden die Fehler als Ähnlichkeiten zwischen den verliebten Partnern gesehen.
In der Liebe träumen wir alle. Aber was gäbe es Besseres zu tun gegen die irreparable, in der »Spiegelstufe« entdeckte Einsamkeit? Gibt es ein anderes Heilmittel gegen unsere Wunden, die uns das mütterliche Unbewußte geschlagen hat?
Die Zweierbeziehung ist das Phantasma vom Wiederfinden einer Mutter, die uns noch nie begegnet ist: die den Mann nicht erstickt und die Frau begehrt. Es ist der Traum, den Verlaine uns so treffend beschreibt:
Oft träum ich diesen Traum fremdschillernd, tief verweht,
Von einer fremden Frau, die mich liebt, die ich liebe,
Die stets, obschon sie nie so recht die gleiche bliebe
Und nie sich wandelte, mich liebt und mich versteht.[1]
Ist diese Frau (oder dieser Mann) einmal gefunden, müßte das zweite sich also alles zum Guten wenden. Das aber hieße, unbewußte Prinzip nicht zu berücksichtigen, das in die Liebe hineinspielt, das der Wiederholung. Es wird uns dahin bringen, Situationen zu wiederholen, Gemütsbewegungen wieder zu erleben, die uns allen wohl bekannt sind: diese Frau ist weder »ganz und gar dieselbe« noch »ganz und gar eine andere«, was sagen will, daß sie nicht die uns bekannte Mutter ist, aber daß sie mit ihr zu tun hat.
Während die durch das Lustprinzip erzeugten Phantasmen uns die Begegnung mit dem Obekt erleichtert haben, wird das Prinzip der Wiederholung darauf abzielen, die gegenwärtige Liebe an die Liebe der ersten Wahl, die der Mutter galt, heranzuführen, und das wird nicht immer ein Erfolg sein. Denn wir werden nie wieder durch den Spiegel gehen, ohn.e unser gesamtes ödipales oder präödipales Erleben mit der Mutter« mit uns zu schleppen. Wenn zu Beginn der Liebe unter dem Einfluß des Lustprinzips alles verschwand, was es an Unangenehmem für Jeden gab, dann nur, um später um so deutlicher zutage zu treten. Die Züge des erwählten Objekts werden sich unter dem Einfluß des Wiederholungsprinzips zu Kindheitserinnerungen verdichten, was dann nur noch entfernt mit der Realität zu tun hat (Phänomen der Projektion), aber viel mit dem ursprünglichen Phantasma.
Was im Leben zu zweit Schwierigkeiten schaffen wird, ist das Fortbestehen von Verhaltensweisen, die früher für »eine andere« bestimmt waren und die über die Verliebtheit in die Liebesbeziehung Eingang finden. Daß die erwachsene Liebe nach der Objektbeziehung, die uns mit unserer Mutter verband, zweitrangig ist, ist das Handikap, mit dem es in der Paarbeziehung ehrlich oder unehrlich zu leben gilt. Wir haben gesehen, daß der Mann von der Mutter zur Frau geht und das Mädchen von der Mutter zum Mann (im Sinne der sexuellen Erfüllung). Wie da die »Mutter« wiederfinden, ohne daß nicht sofort Jokastes Schatten die Szene verdunkelt? Die gefangen nehmende Falle, die sie für ihren Sohn darstellte, die seltsame Unersättlichkeit, die sie in ihrer Tochter auslöste?
Die Furcht des Mannes, wieder eingeschlossen zu sein, und die Angst der Frau, nicht genügend geliebt-begehrt zu werden, das sind die in der Liebe allgegenwärtigen Konstanten, die auf Jokaste zurückgehen: Prägungen, die nie mehr zu löschen sind.
Wenn wir ihr den Zauber der Liebe verdanken (durch das Verlangen, die erste Symbiose wiederzufinden), so werden auch die Sackgassen im Leben zu zweit von ihr abhängen. Wenn der Mann sich ein wenig entfernt, um sich seine Freiheit zu erhalten, stirbt die Frau insgeheim. Wenn die Frau herauszufinden sucht, ob sie geliebt wird, wenn. sie Beweise verlangt, wird der Mann sich wieder in der Falle gefangen fühlen.
Dies ist die Dialektik der Liebe. Die Stärke wird dabei auf seiten desjenigen sein, der die Phantasmen des anderen erkennt und sie nicht für die Wirklichkeit hält und der so die Möglichkeit hat, das Spiel zu spielen, ohne ins Netz zu geraten. Der Mann verlangt zum Beispiel eine sanfte Frau (um seiner ständig in Frage gestellten Herrschaft sicher zu sein): Sie kann sich sanft »zeigen«, aber sie ist nicht notwendigerweise Masochistin ... Die Frau verlangt einen Mann, »der ganz in ihr aufgeht«: er wird ihr das bieten, ohne notwendigerweise ihr Sklave zu werden. Die Liebe ist die große Kunst des Kompromisses zwischen dem Phantasma und der Wirklichkeit eines jeden Teils des Paares.
Falls die Liebe mit der Symbiose beginnt, verlangt ihr Fortbestehen, daß diese erste Etappe überwunden und als »Traum« erkannt wird und daß Mann und Frau verstehen, daß diese Symbiose ebenso gefährlich ist wie die mit der Mutter erlebte und daß, sie nur im Masochismus enden kann, also mit der Selbstaufgabe, ja sogar dem Tod des einen oder des anderen oder beider.
Es kann immer nur kurze regressive Momente geben, der Rest ist das manchmal schmerzhafte Erkennen der zu ertragenden Unterschiedlichkeit, des einzuhaltenden Abstands.
Man beginnt zusammenzuleben, um eine Symbiose zu erreichen, man bleibt zusammen, um aus der Unterschiedlichkeit eine gegenseitige Bereicherung zu erfahren, aber die Einsamkeit wird immer nur vorübergehend, nur ausnahmsweise besiegt: es ist unmöglich, in den Bauch der Mutter zurückzukehren. Dieses Entsagen zu leben, dieses Leid zu ertragen, dieses Heimweh zu bewahren - das führt zur Poesie, zur Musik, zur Malerei, zu all dem, mit dem ein Künstler noch einmal ein Zipfelchen des Phantasmas einfangen kann, um. es festzuhalten, ihm Form zu geben: »Ich wollte, die Welt wäre anders, und das drücke ich aus, nicht ahnend, daß ich damit den Abstand verdeutliche zwischen dem, was ich lebe, und dem, was zu leben ich vorgab ich ziehe dieser Welt, die ich sehe, jene vor" die ich in mir habe, als das Geheimste meines Seins.« Das ist das Phantasma des Künstlers. Er lehnt das wenige ab, das er zum Leben vorfindet, und lebt mit dem, was er sich vorstellt. Der Verliebte verwandelt die Welt auf die gleiche Weise, ersinnt sich »den anderen« auf seine Art und nach seinem Bedürfnis. Er sieht den anderen nicht so, wie er ist, sondern so, wie er ihn braucht, um den ersten Bruch mit der Mutter wiedergutzumachen.
Der Mann in der Zweierbeziehung
Er kommt aus einer nicht möglichen Idylle mit einer Frau, seiner Mutter; alles, was er wieder sucht, ist eine Idylle, diesmal möglich mit einer anderen, »erlaubten« Frau.
Dennoch hat er sein Drama mit der ersten nicht vergessen. Sagte er nicht im Anfang in aller Unschuld: »Wenn ich groß bin, werde ich dich heiraten«? Und hat er nicht darauf verzichten müssen, zugunsten seines Vaters, des Konkurrenten? Denn »sie« war mit ihm verheiratet, selbst wenn sie manchmal den Sohn vorzuziehen schien. Der Vater war der unerträgliche Rivale, und der Mann wird immer und ewig fürchten, sich von einem anderen bei seiner Frau verdrängt zu sehen. Ist es nicht die schlimmste Beleidigung unter Männern, sich gegenseitig »Hörner aufzusetzen«? Der Mann ist leicht eifersüchtig, aber seine Eifersucht ist nicht wie bei der Frau die Verzweiflung darüber, verlassen zu sein, sondern viel eher die Wut, sich durch einen anderen ersetzt zu sehen. Die Wiederholung wird sich so auswirken, daß der Mann in der Zweierbeziehung zunächst versuchen wird, jeden Rivalen fernzuhalten (s. auch die Riten in gewissen afrikanischen und arabischen Ländern, die alle den Zweck haben, die Jungfräulichkeit zu beweisen, also die Zugehörigkeit zu einem einzigen Mann). Die Männer werden, wegen der alten Furcht, die Mutter werde ihnen weggenommen, in ihrer Beziehung zur Frau ihren Besitz abstecken, sei es durch Zeichen, die sie am Körper der Frau anbringen, sei es durch Sitten und Gebräuche, bei denen es um ihre Treue geht: Zum Beispiel straft das Gesetz der romanischen Völker die »untreue« Frau sehr viel härter als den »betrügenden« Mann.
Die zweite, nicht weniger verhängnisvolle Wiederholung für die Zweierbeziehung bezieht sich auf das Gefühlsleben des Mannes: Da er seine zärtlichen Gefühle für seine Mutter seit der (wenn auch nur relativen) Auflösung des √ñdipuskomplexes verbergen mußte, scheint er jede Möglichkeit verloren zu haben, seine Liebesgefühle auszudrücken. Seine Sprache ist äußerst reduziert und arm an Gefühlen. Er hat sich angewöhnt, Gefühle zu verdrängen, und viele Frauen beklagen sich, daß in der Liebe der Sexualakt zu oft die Sprache ersetzt. Diese Tatsache hat für die Frau den trostlosen Effekt, daß sie wieder nur begehrenswertes Objekt ist, statt begehrtes Wesen zu werden.
Der Mann schweigt zu oft gegenüber seiner Gefährtin, die daran verzweifelt. Sie, die so sehr das alles wieder heilende »Ich liebe dich« braucht, um ihr während der Kindheit gestörtes Einssein wiederherzustellen. Der Mann scheint kaum fähig, den narzißtischen Defekt der Frau beheben zu können oder ihr die Worte der Liebe und des Begehrens zu geben, die ihr in ihrer Kindheit so sehr gefehlt haben. Zärtliche Gefühle, Emotionen und Tränen, alle den Frauen zugeschriebenen Zeichen von Schwäche hat der Mann in den allermeisten Fällen nach seinem traumatischen Ödipuserlebnis als kleiner Junge hinter sich lassen müssen. Und so verkürzt er die Liebe um eine ganze Dimension, die der Sprache: plaudernde Liebhaber sind selten.
Seine Frau zu »besitzen« wird für den Mann die geläufigste Form sein, seine Gefühle auszudrücken. (Hat man je von einer Frau gehört, daß sie einen Mann besitzt? Nein, man sagt, daß sie sich hingibt, sich überläßt, sich schenkt ... ) Die dritte männliche Wiederholung wird sich so auswirken: herrschen, um nicht beherrscht zu werden. In der Liebe möchte er dominieren, im Haus der Herr sein, überall wacht er darüber, daß »sie« nicht in seine Freiheit eingreift (zu schade, daß sie die ihre dabei aufgeben muß...).
Das fängt an mit den schönen Gegenständen und geht über den Haushalts-Computer bis zu den unentbehrlichen Gerätschaften für die Herstellung der Mahlzeiten. Alles kann benutzt werden, um die Frau an die Orte zu fesseln, von denen der Mann abwesend ist. Denn was der Mann schließlich am meisten fürchtet, ist, sich mit ihr an der gleichen Stelle wiederzufinden (wie zu den Zeiten der Symbiose mit der Mutter), und er wird alles tun, um die Begegnung mit derjenigen zu vermeiden, mit der zu leben er sich entschieden hat. Wegen des geliebten Mannes findet sich die Frau in das ihr nur allzu bekannte Schema zurückversetzt, Beweise ihrer Weiblichkeit, ihres Wertes als Hausfrau usw. liefern zu müssen.
Die Weiblichkeit ist also das Gefängnis, in das der Mann die Frau absichtlich »einhegt«, um nie wieder riskieren zu müssen, sie auf demselben Weg anzutreffen, auf dem er gerade geht: der Mann hat eine psychotische Angst vor der Frau, die er zu lieben glaubt. Um seine Furcht besser zu überwinden und um seine Herrschaft besser abzusichern, wird er überall sein Verlangen einbauen und den ganzen Bereich der Forderungen allein besetzen, von »Was essen wir heute abend?« bis »Wo hast du meinen Pullover hingetan?« (Auch dann, wenn er ihn einmal selbst weggeräumt hat.) Sie wird auf jeden Fall immer nur zu antworten haben.
Im Bett das gleiche Verhalten. Er wird alle Initiativen ergreifen (gute oder schlechte) sie wird nur zu reagieren haben, er wird kaum nach der Art ihrer eigenen Wünsche fragen. Es genügt zu sehen, wie Männer es ablehnen, irgendeinen Artikel zu lesen, der sich mit der weiblichen Sexualität beschäftigt: sie ziehen es vor, darüber selbst zu entscheiden. Wir werden, wenn wir die sexuellen Beziehungen untersuchen, gleich sehen, wie sich bei ihrem Partner die Chancen sexuellen Gelingens verringern können, wenn sie sich die Freiheit nimmt, ihr Begehren zu äußern. Nichts bedroht den Mann mehr als das zum Ausdruck gebrachte Begehren der Frau, die nicht aufhört, ihm als böse Falle zu erscheinen (Im Zusammenhang mit dem Begehren der allmächtigen Mutter).
Insgesamt wird selbst der gutwilligste Mann mit der geliebten Frau zumindest widersprüchlich umgehen. Um sicher zu sein, nicht wieder in Abhängigkeit zurückzufallen, wird der Mann außerdem eine Menge Freiheiten erfinden, die er sich außerhalb des Hauses nimmt, fern von seiner Frau: er braucht einen Sicherheitsabstand, er hat das Bedürfnis, der Symbiose, die von der Frau so sehr gesucht wird, zu entfliehen. Der Mann in der Paarbeziehung strebt nach einem Grad von Freiheit, der seine Gefährtin, die sich nie als seine Feindin verstand und die vom Einssein träumte, schmerzhaft überrascht.
Welche Leiden schafft allein schon die vom Mann ausgehende Wiederholung! Wie steht es damit bei der Frau? Und was wird sie immer wieder durchspielen wollen, endlos.
Die Frau in der Zweierbeziehung
Sie kommt aus einer farblosen Beziehung zur Mutter und wünscht sich eine sehr viel farbigere Liebe ... Sie kommt aus einer Parallelsituation, und sie wilI jetzt die Konvergenz, nach der Wüste braucht sie die Oase. Sie hat schon vor langer Zeit die nicht begehrende Mutter verlassen, hat in Einsamkeit und im So-tun-als-Ob gelebt und erwartet nun von diesem »anderen« die Erlösung.
Da er die Frau gleichzeitig schätzt und begehrt, ist der geliebte Mann derjenige, der für sie das innere Einssein wieder herstellen kann. Dies Einssein war in ihrer Kindheit So sehr gestört, da die Liebe der Mutter in ihr nur die Teilung erzeugen konnte, in »geliebtes Wesen« (was sie war) und »begehrtes Objekt« (was sie nicht hat sein können). Die Frau sucht in der Liebe die ihr bis dahin unbekannte Einheit ihrer Person, wurde sie doch in ihrer Kindheit abwechselnd nur geschätzt und seit ihrer Adoleszenz nur begehrt. Mit Hilfe der Liebe versucht sie, das »geschätzte Wesen« und das »begehrte Objekt« zu vereinen, um sich endlich als eine Person zu fühlen. Die Frau wird die Gelegenheit ergreifen, die ihr vom Mann geboten wird, endlich »ein voll genügendes Objekt« für einanden zu sein.
Wir können hier festhalten, daß der Junge hinein geboren in eine Ödipussituation, diese von Anfang an gekannt hat und daß er versucht, aus ihr herauszukommen, während das Mädchen immer versucht, dort hineinzukommen und dort zu bleiben. Es wird das Drama seines Lebens sein, dort nur mehr oder weniger hin zu gelangen, denn auch das Mädchen wird auf seinem Weg als Frau dem Wiederholungsprinzip begegnen, das die Frau sehr oft um ihre Chance bringen wird; denn das erlösende Wort des Mannes, das berühmte »Ich liebe dich«, wird ihr nicht immer genügen. Das aus ihrem Lebensanfang stammende Unbefriedigtsein wird sogar in der Liebesbeziehung selbst zutage treten, und die Frau wird es schwer haben, sich für ein »gutes Objekt« zu halten, auch wenn ihr Partner es ihr sagt. Sie neigt dazu, zum Vergleich mit anderen Frauen zurückzukehren, ihren heutigen Rivalinnen, um sich mit ihnen zu messen. Das wird sie dazu führen, sich zu versklaven und sich zu Dingen zu verpflichten, die nur sie für selbstverständlich hält (ein auf alle Bereiche des täglichen Lebens sich erstreckendes Bemühen um Perfektion).
Der Wiederholungsfaktor wird sie drängen, immer wieder ihre Frage zu stehen: »Liebst du mich ganz?« Aber, was auch immer die Antwort des Geliebten sei, sie kann nie endgültig verinnerlicht werden, denn die Zeit, in der diese Worte sie hätten strukturieren können, ist abgelaufen: es gibt eine Ausschlußfrist und trotz ihres Wunsches, durch ein begehrendes Wort erlöst zu werden, kann die Frau dort nur zeitweise hingelangen, zum großen Erstaunen des Mannes. Ihm gegenüber findet ihre Unersättlichkeit nie ein Ende: ewig stellt sie ihm die gleiche Frage, bis hinein in die sexuellen Vergnügungen. Dabei haben wir doch gesehen, daß er diese gern von Gefühlen entkleiden würde, denn für ihn gehen Gefühl und Angst häufig Hand in Hand.
Was von »ihr« als beruhigend gesehen wird, wird also von »ihm« als bedrohlich empfunden. Ein wahrhaft schönes Resultat, das der Zwang zur Wiederholung beiden Partnern gebracht hat! Was können wir da tun? Es bleibt uns nur zu hoffen, daß die Sache, die wiederholt werden muß, für ihn wie für sie nicht so total gegensätzlich ist.
Denn diese Frau wird in ihrem Verlangen vom Mann als verschlingend angesehen werden; das, was er auf seinem Weg als Mann am meisten wiederzufinden fürchtet, ist da, in seinem Bett. Daher die Neigung des Mannes, nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu antworten. Vor dem oralen Worthunger der Frau flüchtet er sich in Schweigen, während sie verzweifelte Selbstgespräche führt.
So wie der Mann immer das Bedürfnis hat, seine Freiheit in der Zweierbeziehung zu überprüfen, wird die Frau dazu neigen, den Grad der Liebe ihres Partners zu erforschen und zu erproben. Von zunächst mündlichen Forderungen wird sie zu allen möglichen Forderungen der verschiedensten Art übergehen. Forderungen, die dazu bestimmt sind, die Symbiose andauern zu lassen und das Einssein zu erhalten. Der Mann wird spüren, wie die so sehr gefürchtete Falle sich um ihn schließt, und er wird mehr und mehr versuchen, »lhr« zu entkommen, womit er bei ihr Wut und Verzweiflung hervorruft. Sie scheint die Leere zu verschlingen, und die Falle ihrer Liebe schließt sich über dem Nichts, denn er ist gegangen, gegangen für diesen Tag, zum Angeln, auf die Jagd, im Wagen weggefahren, er ertrug es nicht mehr: er hat sich vielleicht sogar davongemacht zu einer Ersatzfrau, seiner Geliebten, die, da sie sozial nicht mit ihm verbunden ist, für ihn keine Falle darstellt.
Die Frau, die ihre Kindheit ohne Falle durchlebt hat und die sich, so scheint es, hinbewegt auf den Augenblick des Lebens zu zweit und mit allen Fasern ihres Herzens darauf wartet wird die Enttäuschung nicht verwinden können: hier wird sie die schlimmsten Gefühlsprobleme ihres Lebens erleben. Sehr häufig wird sie sich entweder an ihren Kindern schadlos halten (um sie zu verschlingen ... an dem Mythos ist etwas Wahres), oder sie wird in eine psychische oder physische Depression, in psychosomatische Beschwerden verfallen, die sie zum Arzt oder zum Psychoanalytiker führen werden, die einzigen, die gegen Bezahlung (und das stört sie sehr) die vom Mann verweigerte Rolle der guten Mutter übernehmen.
In dem Maße, wie das Leben verrinnt und wie die Illusionen vergehen, sieht man dann, wie das Ungleichgewicht sich verstärkt; jeder kehrt zurück zu dem, was er ist, und läßt die Maske der Liebe fallen. Es gibt im Leben des Paares immer eine Krise, in der jeder sich darüber klar wird, daß er beim anderen nicht das findet, was er suchte. Es braucht verdammt viel Energie, um bewußt gegen sein Unbewußtes zu kämpfen! Die, die das am besten erreichen, sind wohl die eine Analyse gemacht haben, da sie dann das Maximum an Unbewußtem auf die Seite des Bewußten geschafft haben. Die Kräfte werden auf diese Weise umgekehrt.
Die ungleiche Geburt von Mann und Frau überträgt sich auf das Erwachsenenalter als ein Auseinanderklaffen von Wünschen, das nur schwer auszuhalten ist.
Die weitgehend dem Unbewußten unterworfene
sexuelle Beziehung
Während sich Forderungen und Reaktionen zwischen Mann und Frau größtenteils im Alltag abspielen, ist die andere Bühne, auf der sich ihre heftigsten und gegensätzlichen Leidenschaften abspielen, die sexuelle Beziehung. Spricht man nicht ebenso von den »Wonnen« wie von der »Hölle« des Ehebetts?
Auch dort scheint es häufiger ein Zusammentreffen unterschiedlicher Wünsche zu geben als wirkliche √úbereinstimmung, auch dort glättet das Lustprinzip alle möglichen Schwierigkeiten, wogegen das Wiederholungsprinzip nur dazu dient, Panik zu verbreiten.
Für den Mann geht es in der sexuellen Liebe um ein Nachvollziehen der ersten Liebesbeziehung zur Mutter, aber diesmal mit der Möglichkeit, mit ihr zu schlafen, weil es kein Inzestverbot mehr gibt. (Gefahr der Impotenz für den Mann, die »ihn hindert, die zweite Frau zu besitzen, was bedeutet, daß er von der ersten - der verbotenen Mutter - noch nicht abgelöst ist. Eine schmerzliche und zunächst einmal unverständliche Überraschung, wenn sie das erstemal auftritt.)
Wenn nun alles gut läuft mit dieser auserwählten Frau, und nachdem das Bedürfnis nach physischem Besitz gestillt, die neue Freiheit ausprobiert ist, wird der Mann meinen, daß die Ablösung von seiner Mutter vollzogen, seine Rechnung mit der Frau endlich beglichen sei. Er wird sich frei fühlen für das gesellschaftliche Engagement unter Männern, so wie er sich als Junge an der Seite seines Vaters engagierte, nachdem er die zärtlichen Gefühle, die er für seine Mutter empfunden hatte, abgelegt hatte. Der Mann wird also keine Neigung haben, das Liebesspiel, endlos zu verlängern. Was ihn im wesentlichen interessiert, ist die Ablösung, die er als Sieg über sich selbst betrachtet. Die Schwierigkeit ist, daß es zum erfolgreichen Liebesakt gehört, beim »anderen« Lust auszulösen, und um das zu erreichen, wird der Mann hier die meisten Zugeständnisse machen (zumindest glaubt er das ... Er, der sich keinem anderen Begehren als dem eigenen beugen will, wird sich also herbeilassen, das Begehren seiner Partnerin zu berücksichtigen.
Wie wir ihren Worten auf der Couch entnehmen konnten, ist für viele Männer die seltene Idealsituation diejenige, in der die Frau nichts verlangt und »alles« mit sich machen läßt. Ja, aber kann sie denn ihr Verlangen auf das des anderen beschränken, ohne daß sich ihre Lust auf die des anderen reduziert? (Das ist genau das Problem., das gegenwärtig von den Frauen diskutiert wird.)
Hier wird der allzu neurotische Mann, der der imaginären Macht seiner Mutter noch verhaftet ist, erleben, wie das Schreckgespenst der Impotenz auftaucht, ausgelöst durch die Weigerung und die physische Unmöglichkeit, dem. Begehren der anderen zu entsprechen. Impotenz oder vorzeitige oder verzögerte Ejakulation, all dies sind die Zeichen des unbewußten, aber ständigen Kampfes gegen das weibliche Begehren.
Ein Mann, der nicht über seine Frau und ihre Lust siegt, hat ein zweites Mal die Schlacht gegen die »Mutter< verloren und fühlt sich abgewertet. Was tun, um da herauszukommen? Falls sie sich nun seiner Potenz verweigert? Die Art, wie er es macht, ablehnt? Und falls sie ihn dadurch hindert, zu herrschen? Die Frigidität der Frau ist für den Partner viel häufiger, als man glaubt, ein Zustand, der Angst einflößt ... Sollte die Frau hier insgeheim das Mittel gefunden haben, ihn von seinem phallokratischen Thron zu stürzen?
Nach meiner Ansicht hat die Sexualität nur Chancen, wieder genügend Raum einzunehmen, wenn der Kampf der Frauen sich artikulieren kann und über das Bett hinausreicht. Hatten sie nicht bis jetzt nur dieses eine Mittel, sich dem Mann gegenüber zu behaupten? Und ist es nicht dort, wo der Mann die schwersten Tiefschläge in seinem ganzen Leben erhält? Viel eher als im Büro oder im Parlament?
Das Problem, das den Sexualakt des Mannes bedroht, besteht darin, das weibliche Verlangen berücksichtigen zu müssen, ein Verhalten, das seinen eingeübten Reflexen völlig entgegensteht. Hat er nicht gelernt, sich mit allen seinen Kräften über »ihre« Wünsche hinwegzusetzen, um aus der mütterlichen Ödpusbeziehung herauszukommen? Endete nicht die Analschlacht mit einem Kompromiß: »Du wirst nur dies von nur bekommen, das übrige wird dir nie gehören«, und fürchtet der Mann nicht immer, daß »sie« noch mehr verlangt? Das Bett kann sich in einen Ort des Macht-Zusammenstoßes verwandeln, und der Mann wird über »sie« nur so viel Macht haben, wie sie bereit ist, ihm zu gewähren...
Der geglückte Sexualakt ist die zwischen sich selbst und der anderen geschaffene genaue Mitte, ist die Möglichkeit für den Mann, zu existieren, ohne die andere und ihr Begehren verneinen zu müssen. Die männliche Potenz ist eng verbunden mit der Art und Weise, wie der kleine Junge aus der Analschlacht mit seiner Mutter herausgekommen ist. Daß die Hingabe nicht als Enteignung empfunden wird, ist die mindeste Bedingung für die männliche Liebe.
Wie steht es nun mit der Frau? Für sie ist die körperliche Liebe eng verbunden mit der Art und Weise, wie sie sich aus der unbefriedigenden »oralen« Beziehung zur Mutter entfernen konnte, und ihre eigene Lust wird unabwendbar davon abhängen, ob sie in ihrem Partner eine gute oder eine schlechte Mutter findet. Eine gute Mutter wäre für sie diejenige gewesen, die sie körperlich und geistig anerkannt hätte. So sonderbar es auch scheinen mag: die Gesamtwertschätzung durch den Partner im Verlauf des Tages ist oft entscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg der Nacht.
Immer diese Geschichte mit dem im Diskurs des anderen einzunehmenden Platz, dem ödipalen Platz des Begehrens, der wegen der ständigen Gefahr, in den asexuellen Körper des kleinen Mädchens zuruckzufallen, nicht verlassen werden darf: falls der Bereich des Gefühls und der Zärtlichkeit in der Liebe vernachlässigt wird, hat die Frau die Tendenz , in ihre präödipale Stellung zurückzukehren, in der ihr Körper noch nicht teilhatte am libidinösen Austausch mit dem »anderen«. Der Körper des Mädchens war so lange außerhalb der Dialektik der Lust; und deshalb ist derjenige Mann der geschickteste, der durch. seine Worte und seine Gesten der Frau begreiflich machen kann, daß sie gefühlsmäßig geschätzt wird (Erinnerung an die Liebe der Mutter) und daß sie körperlich begehrt wird (was ihr vom Vater gefehlt hat).
Das Wort des Mannes scheint die Macht zu haben, die Frau zu vervollständigen, und der Koitus ist für die Frau die Gelegenheit, sich in ihrer Beziehung zum anderen »ganz« zu erleben, denn es scheint, daß ihre unzureichend sexualisierte Kindheit eine autoerotische Haltung erzeugt hat, die viel tiefer verankert ist als die jetzt zu lebende heteroerotische Beziehung: Die Frau muß sich anstrengen, um nicht anzunehmen, nicht mehr anzunehmen, daß sie nur eine einsame Lust erleben kann.
Wenn es das Risiko des Mannes ist, sich in der Falle des weiblichen Verlangens gefangen zu glauben, dann ist es das Risiko der Frau, sich wieder einmal nur teilweise akzeptiert zu finden, nur teilweise anerkannt. Wie zu Zeiten ihrer Kindheit. Sie könnte unter diesen Umständen nur ihre Befriedigung von damals erleben, das heißt, sie hätte Orgasmen nur mit sich selbst und nie mit dem anderen, was bei fast allen frigiden Frauen der Fall ist.
Ich gebe zu, daß es in dem System männlicher Macht, in dem wir leben, manchmal schwierig ist, sich den Mann anders vorzustellen denn als schlechte Mutter, die von uns nur einen Teil akzeptiert. Und die Frau muß ein unglaubliches Vorstellungsvermögen haben, um sich einzubilden, ihr Unterdrücker vom Tage werde sich nachts urplötzlich in eine großzügige Mutter verwandeln.
Wenn die Frau dieses Phantasma indessen nicht zustande bringt, wird sie in den nächtlichen Betätigungen ihres Mannes die gleichen Gesten der Vergewaltigung sehen wie am Tage. Gegen diese Vergewaltigung wird ihr Körper sich sperren, wird mit Vaginismus oder Frigidität antworten, die, wie wir heute wissen, nichts anderes sind als der Ausdruck der Ablehnung daß eine solche Mutter in sie eindringt: erinnert sie sie doch an die erste, die durch ihre sexuellen Attribute, derer das kleine Mädchen sich beraubt fühlte, so erdrückend war. Diesen Frauen erscheint das männliche Geschlechtsorgan als häßlich, lächerlich, erschreckend usw. Sie vernichten es durch ihre Verachtung, um nicht, wie damals, selbst erdrückt zu werden.
Die Risiken des sexuellen Versagens der Frau beruhen also nicht auf den gleichen Faktoren wie beim Mann, aber sie sind auf jeden Fall mit dem verbunden, was mit der Mutter erlebt wurde und was vom Mann wiedergutgemacht werden kann.
Für die Frau ist Voraussetzung für den sexuellen Erfolg, daß sie ihren Partner als »gute Mutter« sehen kann (oder aber daß er es schafft, von ihr so gesehen zu werden).
Schlußfolgerungen
Ist die Liebe also unmöglich? Nein, denn wir stellen in der Tat fest, daß Paare den Orgasmus erreichen. (Den Prozentsatz, den erspare ich Ihnen im Hinblick auf die zahlreichen Untersuchungen zu diesem Thema. Sie werden gewiß die Erfolgsrate auswählen, die Ihren Wünschen entspricht.)
Im Augenblick des Koitus vereinigen sich die Prinzipien der Lust und der Wiederholung mit einer Priorität für das Lustprinzip, das das Individuum in eine Phantasmenbildung hineinträgt, die den Orgasmus ermöglicht. Dier Wunsch, lust-voll zusammenzusein, scheint dem Prinzip der Lust größere Chancen einzuräumen als dem der Wiederholung, und die »guten« Phantasmen (nicht notwendigerweise gut, aber günstig für das Individuum, das hier manchmal die gute Seite der Wiederholung benutzt ... ) gewinnen die Oberhand über die »schlechten«, soweit nicht der neurotische Aspekt des Individuums diese gute Phantasmenbildung behindert und zurückführt zur »schlechten Mutter«, bei dem einen wie beim anderen Geschlecht. Jeder muß dahin kommen, den anderen nicht als Hindernis auf dem Weg zur Lust zu sehen (√úberbleibsel der gestörten Lustbeziehung zur Mutter), sondern als Weg zur Sinnenfreude (fort vom untersagten Begehren der Mutter oder dem Nicht-Begehrtsein durch die Mutter). Die Mutter, erste Lehrmeisterin in der Sexualität des Kindes, hat hier beim Mann die Spuren eines gesperrten Begehrens hinterlassen (durch das Inzestverbot) und bei der Frau die Spur des Ausgeschlossenseins (die sexuelle Lust des Mädchens spielte sich außerhalb des Begehrens der Mutter ab). Das, was von der mütterlichen Beziehung noch da ist, muß also im Zeitpunkt der sexullen Mann-Frau-Beziehung überwunden werden. Jeder muß den anderen als lustfördernd für die eigene Lust ansehen, was im Zusammensein mit der »Mutter« eben nicht der Fall war.
Der Ödipus zeigt sich wohl doch als so strukturierend und endgültig, wie Freud ihn gedacht hatte, vor allem aber hört Jokastes Schatten nicht auf, uns zu begleiten, von der Wiege bis hinein in unsere intimsten Vergnügungen.
Jeder mißglückte sexuelle Akt ist den üblen Resten der kindlichen Aggressivität anzulasten, die den Partner zur »schlechten Mutter« werden läßt oder zu jener, die die Lust nicht erlauben wird.
Es muß erreicht werden, das Negative in unserer Erfahrung ausreichend zu verdrängen und durch positive Phantasmen zu ersetzen, die wir brauchen, um die vollkommene Verschmelzung der Körper zu erreichen, die Symbiose, von der wir so sehr träumen.
Jeder sexuelle Akt hilft uns, durch den »Spiegel« zurückzugehen, und erlaubt uns, unserer Einsamkeit einen Augenblick lang zu entkommen und das ursprüngliche »Einssein« wiederzufinden. Das »Einssein«, die Negation der Angst, Ort der Regression, an dem wir uns endlich ein wenig ausruhen können von unserem schweren Menschsein, in dem wir ganz allein die Bürde des nicht mitteilbaren Unbewußten tragen müssen. Unglücklich der Mensch, der nicht ohne Gefahr bis zur Mutter regredieren kann, unglücklich der, der sein Leben nicht nach rückwärts durchleben kann und an einem bestimmten Punkt anhalten muß, denn seine Lust wird dort aufhören.
Hier im Bett finden wir alles das wieder, was wir an so Vielschichtigem in unserer Kindheit gekannt haben: das Begehren, die Liebe, den Haß, die Ambivalenz. Kann die Sexologie sich eigentlich damit begnügen, verhaltensorientiert zu sein, während die Liebenden sich in dem Gestrüpp aus Verboten und Mächten aus »verinnerlichtem Erlaubten« verfangen, und das seit so langer Zeit?
Sogar ein Paar, dessen körperliches Verstehen gut ist, kann an gewissen Tagen sexuell versagen, an denen der Zusammenstoß der Kräfte zwischen den Partnern heftig war, gleich, ob es ausgedrückt wurde oder latent verblieb. Denn an diesem Abend wird weder der eine noch der andere sich den Partner als »gutes Objekt« vorstellen können.
Was dem Mann und der Frau helfen könnte, mit solchen Schwierigkeiten umzugehen, wäre, scheint es, den Ursprung zu ermitteln, statt den Ausgang zu verteufeln. Dies hieße auch zu wissen, daß aufgrund unserer Unfertigkeit bei der Geburt und unserer langen Abhängigkeit vom Erwachsenen die Machtfrage in der Zweierbeziehung fundamental bleiben wird. Daß gegenwärtig dieses Machtproblem nur den weiblichen Teil in Frage stellt, da die Erziehung weiblich ist, ist nur ein Problem mehr, das die Beziehung zwischen den Geschlechtern verschlechtert.
Ich habe sexuelle Schwierigkeiten eines jungen Paares beseitigen können, indem ich das Haushaltsgeld die Taschen wechseln ließ (gar nichts Komplizierteres als dies war nötig, man mußte nur erst darauf kommen). Einen jung verheirateten Mann, auf den seine junge Frau ihr Bild der schlechten Mutter projizierte, habe ich von diesem Bild befreien können, indem ich selbst den Platz einer sehr boshaften Frau einnahm. Jede Schwierigkeit des Paares kann, auf die eine oder andere Weise, nur insoweit aus dem Wege geräumt werden, als es gelingt, die Projektion der schlechten Mutter auf den Partner zu beenden.
Dies ist eine Sache, die man schon vor dem Eingehen einer Beziehung wissen sollte.
Die Frau müßte über den Grad ihres Unbefriedigtseins aufgeklärt werden, der mit der schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter zusammenhängt, und sie sollte wissen, daß es dies ist, was sie antreiben wird, so viel zu tun, um »alles« zu bekommen. Das wiederum ist der kürzeste Weg zur Entfremdung vom Begehren des Mannes und zur Negation des eigenen Begehrens (was die Frau dann oft mit ihrer Frigidität bezahlt). Ich kenne falsche Köchinnen, falsche Damen von Welt, falsche Sportlerinnen. Ist die Frau nicht frühzeitig darauf dressiert worden, für das Begehren sehr teuer zu bezahlen? Wozu ist die Frau nicht alles fähig, um den sie »begehrenden« Mann zu halten! Die Frau weiß am Ende nicht mehr, ob sie das ist, was sie zeigt, oder ob sie das ist, was der andere will, daß sie ist, denn durch die Liebe ist sie in die Konformität mit der Norm des »anderen« zurückgefallen. Die alte Geschichte im Leben einer Frau: Identifikation geht vor Identität. Ich sehe viele Frauen, sich selbst entfremdet, entfremdet ihrem eigenen Begehren, infolge einer als Symbiose gewollten Verbindung. Und diese Frauen beklagen sich über ihr mangelndes Begehren im Bett!
Der Mann sollte erkennen, daß sein Hang zum Herrschen daher rührt, daß er sich fürchtet, unter die weibliche Beherrschung von damals zurückzufallen. Er sollte sich eingestehen, daß er ständig darauf bedacht ist, die Frau von seinem. Weg fernzuhalten, und sich nicht scheut, dafür alle Argumente, selbst unehrliche und falsche, zu benutzen. Seine große Furcht vor der Frau scheint manchmal seine große Liebe zu übersteigen ... Falls er sich zum Schweigen und zur gefühlsmäßigen Flucht hat zwingen müssen, um sich von seiner Mutter zu lösen, soll er schließlich daran denken, daß es vielleicht nicht nötig ist, mit der anderen Frau, die er jetzt an seiner Seite hat, diese »Sperre« ein Leben lang aufrechtzuerhalten.
Die Kenntnis der Psychologie des jeweiligen Partners würde verhindern, daß so mancher Konflikt sich zur Katastrophe ausweitet, noch bevor irgendeiner klar begriffen hat, aus welcher Bühnenecke er kommt. Zu wissen, daß man eine wohl bekannte Szene spielt, würde es vielen ersparen, große Dramen zu durchleben.
Sie trennen sich, und sie sagt: »Er hat mich nie verstanden« und spricht von ihrer Mutter, und er sagt, sie sei eine »Nervensäge«, eine Bezeichnung, mit der er insgeheim seine Mutter bedachte, als er jünger war. Haben wir in unseren Analytikerpraxen nicht den Eindruck, in einem Konflikt konsultiert zu werden, bei dem der wahre Mitspieler gar nicht derjenige ist, den wir vor uns haben? Er hat sich »eingesperrt« geglaubt, sie hat sich »allein« gefühlt. Waren dies nicht die Phantasmen ihrer Jugend?
Erzählt uns nicht jeder im Grunde von seinen Schwierigkeiten mit Jokaste?