Tagesmütter-Erfahrungen
Für Mütter ist es zum Verrücktwerden: Berufstätige suchen schon Wochen vor der Geburt einen Platz für ihr Kind. Hausfrauen sind schon wenige Zeit später auf der verstohlenen Suche nach jenem >Mehr im Leben einer Frau<, für das es scheinbar keine Worte gibt.
Zusammen mit ihren Kindern bilden sie die >schweigende Mehrheit< unserer Gesellschaft. Nicht genug, daß Mütter in den Zwiespalt des ewig schlechten Gewissens getrieben werden; sie erleben auch noch sehr direkt die Spaltung zwischen den Menschen dieser Gesellschaft: hier die emanzipierte Berufsfrau - da das Heimchen am Herd, hier die egoistische Rabenmutter- da die gute Mama. Es sind sozial bedingte Widersprüche, die Vorurteile und Mißtrauen unter Frauen säen. Für Mütter ist es deshalb trotz aller Gemeinsamkeiten schwer, sich zusammenzutun.
Dennoch haben Frauen in den letzten Jahren angefangen, ihr Unbehagen auszusprechen und nach Alternativen zu suchen. Forderungen nach Lohn für Hausarbeit, nach Hausfrauenrente und Erziehungsgeld, nach dem Babyjahr für Väter und Mütter, nach Arbeitszeitverkürzung und Teilzeitstellen, nach Entschulung der Kindergärten und Entprofessionalisierung der Sozialen Dienste, Kämpfe für selbstverwaltete Frauentreffpunkte und Kommunikationszentren in den Wohnvierteln sind aus solchen Initiativen hervorgegangen.
Wie schwer es Frauen gemacht wird, ihre bescheidenen Anliegen durchzusetzen, wäre eine genaue Untersuchung wert, die es interessanterweisc nicht gibt. Seit der Kinderladenbewegung 1968/69 sind unzählige Mutter-und-Kind-Gruppen entstanden und größtenteils deshalb wieder eingegangen, weil Gesetzesauflagen, sozialadministrative Verzögerungstaktiken und parteipolitische Querelen das Engagement ausgehöhlt haben. Über 50 Initiativen mit bis zu 80 Frauen taten sich 1973/74 spontan zusammen, um infolge einer Artikelserie über schwedische Tagesmütter das Modell bezahlter Pflegemütter auch in der BRD durchzusetzen. Die Kämpfe der Tagesmütter-Initiativen um Anerkennung als öffentlich geförderte Modellschwerpunkte dauerten oft mehr als ein Jahr. Daran scheiterten 45 Gruppen, und nur 11 Tagesmütter-Initiativen kamen schließlich für drei Jahre in den >Genuß< eines mit 1,25 Millionen Mark geförderten Bundes-Modellversuchs:
165 Tagesmütter - überwiegend Hausfrauen mit eigenen Kindern im Vorschulalter - erhielten zwischen 450 DM (für ein Tagespflegekind) und 760 DM (für drei Kinder) monatlich.
SO alleinerziehende Mütter und rund 160 Eltern, die wegen Berufstätigkeit ihr Kind in Tagespflege geben mußten, hatten monatlich nur 130 DM Eigenbeteiligung aufzubringen.
22 Beraterinnen und Berater sowie ein sozialwissenschaftliches Frauenteam des Deutschen Jugendinstituts München betreuten die am Modell beteiligten Tagesmütter, Eltern und Kinder. Für die Eltern boten sie diverse Begleitprogramme; die Tagesmütter erhielten einen zweiwöchigen Einführungskurs, 80-90 Stunden/Jahr an Seminaren, Wochenenden und Gruppenabenden sowie persönliche Beratung auf eigenen Wunsch. Sie hatten Recht auf diverse Sozialleistungen wie Jahresurlaub, Renten-und Sozialversicherung; ein für nicht-berufstätige Hausfrauen unbestreitbarer Fortschritt gegenüber privaten Pflegemüttern oder anderen Hilfsjobs als Putzfrau, Heimarbeiterin, Schreibkraft...
Trotz positiver Erfahrungen mit diesem Modell, trotz des Wissens um die nun auftretenden Überlebensprobleme der Tagesmüttergruppen, trotz der ausgewiesenen Notwendigkeit weiterführender Modellversuche ist der Finanzstop des Bundesfamilienministeriums für den Dezember 1978 unwiderruflich beschlossen. Mit diesem unrühmlichen, für bundesrepublikanische Verhältnisse jedoch typischen Modellende sind die Tagesmütter-Vereine nun eingereiht in die ungezählte Menge besagter Mutter-und-Kind-Gruppen, die alle Jahre wieder um Förderung von Land und Kommunen bangen müssen. Mit der Gründung überregionaler Arbeitsgemeinschaften versuchen die Tagesmüttergruppen diesem Schicksal entgegenzuarbeiten, getreu der Erkenntnis, daß man gemeinsam stärker ist. Wie es diese Tagesmütter geschafft haben, ihre Weiterarbeit zu sichern, woher sie den Mut und die Kraft dazu nahmen, hat mich interessiert. Auch war ich neugierig darauf, welche persönlichen Veränderungen sie in den vergangenen drei Jahren erlebt haben, welche Beziehungen die Kindesmütter und die Tagesmütter zueinander aufgebaut haben, welche Perspektiven sie für sich sehen, welchen Stellenwert sie dem Modellprojekt einräumen. Im folgenden sind zu diesen Fragen einige Schilderungen von Germeringer Tagesmüttern zusammengestellt, zu denen eine von ihnen meinte:
»Ob wir Mütter es schaffen, wird auf unsere Selbsterziehung ankommen und darauf, daß wir jede Gelegenheit beim Schopf packen zu erfahren, wie man gewisse Sachen vorbereitet und organisiert, und davon, daß wir dafür sorgen, daß auch andere Mütter diese Möglichkeit kriegen.«
Was nun bringt Hausfrauen überhaupt dazu, Tagesmutter für fremder Leute Kind< werden zu wollen? Frau M. sagt dazu:
Erst mal was für mein Kind tun
»Als mein Sohn 2 Jahre alt war, habe ich mit der Schule aufgehört. Gleichzeitig fingen für meinen Mann die Vorbereitungen für seine 2. Lehramtsprüfung an. Deshalb konnte er nichts mehr im Haushalt und mit dem Kind machen, so daß ich plötzlich ganz allein mit dem Kind daheimsaß. Es war für mich der Wahnsinn, und unser Sohn hat in dem Jahr wohl ziemlich viel zu leiden gehabt. Ich hab ihn durch meine Unzufriedenheit so verwirrt, daß er sich total zurückgezogen und an niemand mehr rangetraut hat. Da hab ich mir dauernd überlegt, was ich bloß machen soll, bis mir halt die Idee kam, daß es ganz gut sein könnte, wenn wir noch ein anderes Kind in der Familie hätten. So hätte er jemand zum Spielen da, was auch für mich wieder eine Situation wäre, in der ich wieder ein bisserl mehr gefordert würde.«
Mal probieren, was du alles kannst
Für Frau P., mittlerweile Vorstand im Verein und Delegierte in der überregionalen Arbeitsgemeinschaft der Tagesmütter und Eltern, war ein anderes Motiv vorrangig:
»Ich bin nach außen aktiv geworden, weil ich die ganze Tagesmutter-Geschichte als Gelegenheit für mich beim Schopf gepackt habe, um ein Betätigungsfeld für mich zu schaffen. In dem Tagesmüttermodell, da konnte ich plötzlich einfach etwas machen - ohne irgendeine Ausbildung. Diesbezüglich habe ich vorher doch so ein komisches Gefühl gehabt dadurch, daß ich eben bloß Volksschulbildung hatte und einen Beruf, der für mich zwar sehr schön war, nämlich Friseuse, aber den habe ich ja aufgeben müssen, weil das ein Junggesellenberuf ist. Und da habe ich mich damals für die Familie entschieden, hab aber dennoch immer krampfhaft nach etwas für mich gesucht und auch Angst gehabt, was ich wohl hinterher mache, wenn das Kind größer ist und mich nicht mehr so braucht. Aber was kannst du da überhaupt machen? Also irgendeine Ausbildung, oder was? Das war damals die große Frage für uns - also auch für meinen Mann, denn das war uns eigentlich beiden klar, daß ich so was brauche. Aber wir hatten das einfach noch nicht lösen können. Ja, und hier bin ich jetzt in was r’eingewachsen, das mir irrsinnig gefällt; wo ich mir gesagt habe: Da hast du einfach Fähigkeiten und kannst die ausnützen und hast dadurch eine Forderung an dich selbst, also z.B. gewisse Sachen organisieren lernen, ein Thema vorbereiten... halt mal probieren - auf Gedeih und Verderb -, was du alles kannst.«
Spielarten der Frauenfeindlichkeit - Gegner von rechts bis links
Die Kritiker des Tagesmüttermodells in Stadtparlamenten, Landesministerien, Wissenschafts- u.a. Fachkreisen saßen auf allen Parteibänken und erhoben sich zur Sturmdebatte gegen die Frauen, die unverblümt die Honorierung ihrer Erziehungsarbeit in der Familie forderten, die ihr Erfahrungswissen aus dem Umgang mit eigenen Kindern den pädagogischen Qualifikationen von Krippenschwestern und Erzieher/inne/n gleichsetzten und die die kostensparende Vogel-Strauß-Politik der Jugendämter im herkömmlichen Tages- und Dauerpflegewesen angriffen.
»Also, die striktesten Gegner saßen unter anderem in Hessen«, berichtet eine der Mitbegründerinnen des Modells.
»Da haben wir einen Auftritt gehabt, wo wir von Jusos und der ASF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, d.V.) der finstersten und reaktionärsten Mutterschaftsideologien bezichtigt wurden, nach dem Motto, wir würden die Frauen im Haus festnageln wollen. Sie stellten gleichaltrige Gruppenerziehung in staatlichen Krippen als das einzig Wahre dar und argumentierten damit, daß Mütter nicht qualifiziert seien, Kleinkinder zu erziehen. So gesagt, war das einfach total hausfrauen- und laienfeindlich! Da konnten wir nur noch fragen, ob sie denn ihre kostbaren Blagen in der städtischen Krippe hätten. Aber die haben ja die nötigen Einkommensmöglichkeiten und lösen es selber alle über Au-Pairs. Also mit dem Widerspruch zwischen dem, was sie propagieren und dem, was sie selber tun, gehen diese Leute ja so verlogen um, daß du einfach sprachlos wirst. Da konnten wir noch so viele starke Initiativen >an der Basis< haben und noch so viel dufte Hausfrauen antanzen und sagen: Wir wollen da was für uns machen! Das war einfach total ideologisch, weil sie sich nicht darum scheren, was wirklich ist. Und dann gab's da noch das Argument, die Tagesmütter würden als billige Konkurrenz für die ausgebildeten Erzieherinnen eingesetzt. Gut, in einzelnen Fällen mag das stimmen. Aber eins ist doch klar, daß die Kommunen immer Kontingente festsetzen werden, also pro Stadt z.B. 50 oder 100 Tagesmütterstellen, so wie wir in der BRD ja immer noch nur 4% Krippenplätze und 1% registrierte Pflegestellen haben. Alle anderen Kinder sind doch eh und je >schwarz< untergebracht, bei Großmüttern oder Nachbarinnen. Wohlgemerkt, da kümmern sich diese Leute um keine Qualifikation und Tarifeinstufung. Wobei grad in Bremen, Hessen und Berlin absolut unzureichende Angebote an Tagespflegeplätzen sind.
Und das andere Extrem war z.B. in Baden-Württemberg, wo CDUler mit ihrer sehr starken Familienideologie gesagt haben: Lieber noch Tagesmütter als Krippen, wenn eine Frau wirklich finanziell gezwungen ist, berufstätig zu sein. Das mußten die Mütter, die ihre Kinder zu Tagesmüttern geben wollten, im Modell dann auch nachweisen. Wir wurden also auf so eine widerliche Notstandspolitik festgeschrieben. Mütter, die einen interessanten Beruf haben, sollten auf keinen Fall ermuntert werden. Da fielen sogar solche Argumente, daß die sozial schwachen Mütter durch das Modell dann wenigstens wieder arbeiten gehen könnten, und so nicht länger der Sozialhilfe zur Last fallen würden! Das waren schon schwachsinnige Diskussionen!«
1975, schon ein Jahr nach Anlaufen des Modellprojekts, gab es neuerlichen Ärger, als die Tagesmütter merkten, daß ihnen nach allen Abzügen durch Einkommensversteuerung ein Stundenlohn von 65 bis 86 Pfennig blieb.
»Lohnkämpfe« der Tagesmütter
»Uns war zunächst versprochen worden, daß das Gehalt steuerfrei sei, dem war aber nicht so. Das haben wir auch mit den Vertretern des Familienministeriums besprochen - ergebnislos.
Wie empört einzelne Tagesmütter waren, zeigt das Protokoll eines Gruppenabends: »Auf mich können Sie voll zählen«, sagt da eine Tagesmutter, »wenn es sein muß, laufe ich mit einem Schild um den Hals durch die Stadt. Mir stinkt das Ganze schon lange, was sind wir denn? Sind wir der letzte Dreck? Nur, weil wir Frauen sind, kann man uns das zumuten. Solange wir als Pflegemütter nicht aufgewertet werden, werden wir es auch nicht als Hausfrau und Mutter.«
Viele Öffentlichkeitsaktionen wurden in dieser Zeit von den Initiativen organisiert: In Göppingen gingen sie mit einer Basar- und Kindermalaktion auf die Straße und versuchten, die Passant/inn/en durch Gespräche und Informationsblätter auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Ähnliches lief in Kassel, Holzminden, Reutlingen...
In Briefen, die zwischen 1975 und 1976 an die öffentlichen Modellträger adressiert wurden, ist der Aufstand der Tagesmütter z.T. noch mit Überresten eines »typisch-weiblichen Idealismus« behaftet. »Wir müssen sagen, daß uns diese Arbeit eigentlich Spaß macht«, schreiben die Holzmindener Tagesmütter am 17.9.75. »Unklar und störender Faktor an dem ganzen Projekt ist für uns die finanzielle Seite... Ganz umsonst wollen wir unsere Arbeitskraft und Frei-Zeit auch nicht zur Verfügung stellen, wir fühlen uns sogar ausgenutzt...«.
Arbeit, die Spaß macht, darf also nach eigener Meinung »ein bißchen« umsonst sein, und Kinderbetreuung durch Hausfrauen verschlingt Freizeit, nicht Arbeitszeit. Ist das nun Ausbeutung oder ein nur (unzulässiges) Gefühl der Tagesmütter? Die Herr-und-Magd-Ideologie der Mutterliebe sitzt tief, auch bei uns Frauen selbst!
Ein Jahr später kommen die Anliegen auf den Punkt, der politischen Druck da erzeugt, wo er bei Sozialadministration und Parteien Wirkung verspricht: »Die Mehrheit der Tagesmütter in Holzminden tendiert z.Z. dahin, zum 31.12.76 zu kündigen, wenn nicht umgehend eine steuerliche Lösung gefunden wird... Das käme wohl einem Scheitern des Modellprojekts für Tagesmütter gleich« - und damit einer Entwicklung, die weder dem Reformprestige des schirmherrschenden Bundesfamilienministeriums noch der versprengten landes- und kommunalpolitischen Lobby des Modells Glanzlichter aufgesetzt hätte.[1]
Eltern fangen an sich zu engagieren
Mit einer optimalen Pflegestelle und nur 130DM Eigenaufwendung unvergleichlich >fein heraus<, hatten die Eltern bis zu diesem Zeitpunkt keinen unmittelbaren Anlaß, sich über Doppelrollen-Streß, die Probleme Alleinstehender und anderer Alltagsbelastungen hinaus auch noch im Modell zu engagieren. Mit der Kündigungsdrohung jedoch war auch ihr Interesse plötzlich unmittelbar berührt:
»Nicht nur wir, die am Versuch beteiligten Eltern, sind an der sinnvollen Verwendung von Steuergeldern interessiert. Auch die Öffentlichkeit legt Wert darauf, daß Versuche, die aus Steucrmitteln finanziert wurden und werden, vorweisbare, gesicherte Ergebnisse erbringen, die die Grundlage für Verbesserungen im sozialen und pädagogischen Bereich sein können... Wir weisen Sie darauf hin, daß ein negativer Bescheid uns dazu veranlassen wird, durch breite gezielte Öffentlichkeitsarbeit - Berichte in großen deutschen Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen - unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen« (Abgebende Eltern, Holzminden, 25.10.76).
Appelle für die Wichtigkeit gemeinsamer Gruppenabende von Tagesmüttern und Kindeseltern hätten wohl nie das geschafft, was die Überlappung handfester Interessen an Solidarisierung und Annäherung erzeugte.
Das hat mich sehr verändert - Entwicklungen der Mütter
Für Tagesmütter, die in den vergangenen drei, vier Jahren an den sozialpolitischen Auseinandersetzungen beteiligt waren, hat sich vieles verändert. Im Rückblick nehmen sie die Wandlung ihrer Einstellungen zu Frauen und Kindererziehung, zu Ehemännern und Familienleben, zu politischen Fragen und Initiative-Engagement als einen Prozeß wahr, der ihre gesamte Persönlichkeit beeinflußt hat:
Dem Andern seine Art lassen
»Durch Selbsterfahrungen, die Beratung und Arbeitsgruppen im Tagesmütterprojekt habe ich ein anderes Verständnis für viele Dinge gekriegt. Also, z.B. mein Kind fängt an zu heulen; früher regte mich das so auf, daß ich ihm gesagt habe: Jetzt hör halt auf, sei nicht so zimperlich. Aber jetzt habe ich gelernt, dem Andern sein Leid auch zu lassen, ich kann das jetzt aushalten. Ein Kind kann sich schließlich oft nur durch Plärren ausdrücken. So was gilt auch für den Partner: Am Anfang wollte mein Mann gar nicht einsehen, daß die Probleme von uns selbst her kamen, die wir beim Kind gemerkt haben. Als uns die Beraterin ein gemeinsames Gespräch anbot, hat mein Mann schließlich mitgezogen, und seitdem lernen wir noch immer fleißig miteinander. Früher hab ich immer auf meinen Mann eingeredet, wenn ich Schwierigkeiten zwischen ihm und mir erkannt habe. Ihm ist diese Art auf die Nerven gegangen, so daß er sich dann nur zurückgezogen hat, was mich erst recht auf die Palme brachte. Ja und jetzt - wie soll ich sagen - er akzeptiert meine Aktivitäten deshalb noch nicht unbedingt. Aber er hat halt gemerkt, daß ihm praktisch nichts anderes übrigbleibt, weil er weiß, daß ich's trotzdem mache, und daß er nichts dran ändern kann. Erst kürzlich nach dem Wochenende in S. hab ich aber auch gemerkt, daß ich dabei auch was zu lernen hab: Wenn er versucht zu akzeptieren, daß ich weggehe, so viel mache und das eben für mich brauche; und wenn er dann doch wieder mal zwei, drei Tage grantig ist, dann muß ich ihm diese Stimmung auch lassen. Wenn ermich nimmt, wie ich bin, dann muß ich ihm auch die Freiheit lassen, daß er auf seine Art und Weise damit fertig wird. Es war ja auch wirklich etwas viel verlangt, wenn er sich dann auch noch sofort freut.«
Ich wollte sehr gern mit Frauen Zusammensein, aber ich war total mißtrauisch...
Frau K., eine alleinerziehende Mutter, die nach der Scheidung erwerbstätig werden mußte, um den Lebensunterhalt zu verdienen, hatte Angst davor, ihr Kind den ganzen Tag wegzugeben. »Ich wußte ja nicht, was da tagsüber vor sich geht bei der Tagesmutter, sie kann ja die Probleme totschweigen, die sie mit dem Kind hat. Am Anfang hatten die Tagesmutter und ich ein sehr distanziertes Verhältnis zueinander. Ich habe mich in der Zeit ziemlich allein und schlecht gefühlt, weil ich gerade frisch geschieden war. So nach einem halben Jahr hab' ich Vertrauen zu ihr gekriegt, weil sie auf mich zugegangen ist, und von sich aus Probleme mit dem Kind angesprochen hat. So isoliert, wie ich damals dagestanden habe, fiel es mir sehr schwer, zu andern Kontakt zu finden. Deswegen war das Tagesmüttermodell auch für mich selbst so wichtig, weil ich dachte: Da findest Du wieder Kontakt. Ich wollte schon sehr gern mit Frauen Zusammensein, hören, was sie für Probleme haben und vor allen Dingen, auch über mich selbst reden können. Beim ersten Tagesmütterabend, zu dem ich dann ging, wurde über Kinderbücher gesprochen, später dann eigentlich mehr über die Weiterführung der Tagesmütterinitiativen nach Modellende. Da habe ich das erste Mal wieder gemerkt, daß ich etwas für mich tun kann, wenn ich abends weggehe und über ein Thema rede, daß das eben wirklich ein Abend für mich ist, wo ich mit anderen Menschen etwas gemeinsam habe.
Unsere Beraterin hat dann mit Frauen aus ihrer eigenen Gruppe einmal hier draußen einen Informationsabend über Selbsterfahrungsgruppen gemacht, da wollte ich einfach sofort mitmachen. Zusammen mit Tagesmüttern, abgebenden Müttern und noch ein paar am Modell nicht beteiligten Frauen haben wir dann aus dem Abend heraus zwei Gruppen gebildet. Die Tagesmutter von meinem Kind ist in derselben Gruppe wie ich, so daß wir jetzt ziemlich befreundet miteinander sind. Ich glaube, daß mir all das ein bißchen mehr Selbstbewußtsein gebracht hat. Ich trau' mich jetzt, in einer größeren Gruppe meine Meinungzu vertreten, auch allein für mich etwas zu unternehmen, einen Brief zu schreiben, einen Behördengang zu machen, oder, wenn mir im Beruf was nicht paßt, das auch offen anzusprechen. Das ist ein wichtiges Erfolgserlebnis für mich, daß ich jetzt nicht mehr stillsitze und zuhöre.« Eine andere Tagesmutter schildert aus ihrem ersten Gruppenabend folgendes Erlebnis: »Am Anfang haben wir mit der Beraterin mal Texte über Kibbuzerziehung gelesen. Da sind einige von uns Müttern vor Horror fast ausgeflippt, wie sie das gehört haben. Also >Gruppe<, das ist für dich als normale Hausfrau erst mal eine völlig schwachsinnige Vorstellung. Da kann man nicht einfach rangehen und sagen, Kinder brauchen Gruppenerziehung, Frauen brauchen eine Frauengruppe, wenn du selber nie erfahren hast, wozu der Mensch eigentlich eine Gruppe braucht, daß die Gruppe dir was bringt.«
Wollen, daß auch andere Mütter die Möglichkeit haben,
schon den Kindern zuliebe
Bei einem Gespräch über die regionale Arbeitsgemeinschaft und die
Zukunft der Tagesmüttervereine nach Modellende meint Frau P.:
»Unser Modell ist ja schon ein bisserl zum Wegweiser fürs ganze Pflegewesen geworden. Und jetzt, wo wir wissen, wie die Sache auch dort angepackt werden könnte, da steht doch jetzt die Frage: Ja, wer macht das nun? Schon der Kinder zuliebe, weil die ja nicht für sich sprechen können, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als selbst dafür zu sorgen, daß da was gemacht wird.«
Einige Initiativgruppen haben schon begonnen, mit dieser Sichtweise ernstzumachen: Fast jeder der 11 Modellschwerpunkte hat inzwischen eine Spielwohnung angemietet, in der gemeinsame Spielprogramme für alle Modellkinder und für andere Kinder aus dem Wohnviertel organisiert werden, an die sich neuinteressierte Mütter zu Information und Beratung wenden können, in denen Eltern- und Frauenabende, Kleidertausch- und andere Aktionen stattfinden. In Reutlingen beispielsweise gibt es einen Gesprächskreis zusammen mit 30 Krippenerzieherinnen. Die meisten Tagesmüttergruppen haben mittlerweile eigene Vereine auf die Beine gestellt, um Folgefinanzierung und Weiterarbeit nach Modellende unter Dach und Fach zu bringen. Längst geht es nicht mehr allein um Tagesmütter; denn Kindeseltern, private Pflegemütter und Dauerpflegeeltern, Erzieherinnen und modellpolitisch engagierte Fördermitglieder wurden in die Initiativen integriert. Sie alle beginnen, sich in einen recht energischen Konfrontationsprozeß mit den Krippen zu begeben:
»Die Krippen könnten doch ganz andere Funktionen im Stadtteil haben«, meint eine der Initiatorinnen des Tagesmüttervereins, »wenn sie nicht so knapp besetzt und hierarchisch geleitet wären. Die Erzieher/innen dort sind doch in der Regel ganz arme, vor sich hinwurschtelnde Teams, denen die Gruppen- und Elternarbeitsmöglichkeiten durch tausend Dienstanweisungen systematisch kaputtgemacht werden. Kürzlich haben wir versucht, gemeinsame Gesprächsabende anzuregen, worauf uns die Leiterin sagte, daß die Mitarbeiterinnen das nicht brauchten und die Ebenen der Fortbildung wohl auch zu verschieden wären. Sie sollten halt ihre Läden aufmachen, auch andere Kinder drin spielen lassen, Beratungsfunktionen für Mütter aus der Nachbarschaft übernehmen, pädagogische Gesprächskreise machen. Groß genug sind die Krippenräume und auch nicht ausgenutzt: Man könnte einen Nacht- und Wochenenddienst als Servicefunktion für Eltern im Stadtteil machen, wenn diese Unterbringungsprobleme haben. Oder unsere >Springerinnen<, die Tagesmütter in Notfällen ersetzen, könnten den Krippen die kranken Kinder abnehmen. Und überhaupt die Frage: Warum werden im Pflegebereich nicht flexiblere Formen angeboten, wo ein Übergang von Dauerpflege zu Tagespflege, von Einrichtungen zu teilöffentlichen Modellen und selbstorganisierten Tagesmüttervereinen möglich ist; wo auch ein Erziehungsgeld gezahlt werden kann, weil die Mutter an der Erziehung ihres Kindes teilhaben will, statt als Putzfrau 700 DM im Monat zu verdienen und 10 Stunden dafür unterwegs zu sein? Da ist jetzt eigentlich unheimlich viel offen. Für uns war die Tagesmütter-Geschichte ein Ansatzpunkt, eben von so einer kleinen Einheit auszugehen, und sich von daher mehr und mehr Bezüge zu anderen aufzubauen.«
Der Germeringer Tagesmütter-Verein hat es geschafft, 20 Tagespflegesteilen auch weiterhin von der Kommune finanziert zu bekommen. Mit diesem >Lokalvorteil< vor anderen Initiativen, vor Mutter-und-Kind-Gruppen sowie privaten Pflegemüttern wollen sie sich dennoch nicht bescheiden. Sie haben gelernt, ihre eigenen Entwicklungen gesellschaftspolitisch als ein Modell einzustufen, das sich öffnen und verbreitern muß, damit sich die Lebens-und Arbeitsbedingungen von Müttern ein Stückweit ändern. Bei diesen Frauen dürften sich Arbeitgeber und Sozialadministration mittlerweile schwertun, >mütterliche Opferbereitschaft< auszubeuten - ein erster Schritt zu einem Selbstbewußtsein von Frauen, das den eingangs erwähnten Frauenforderungen Sprengkraft geben kann.
Kontaktadressen[2]
Zur Arbeit des Verbandes alleinstehender Mütter und Väter
(Wir sind keine »reine« Fraueninitiative)
Was die Arbeit im Verband alleinstehender Mütter und Väter (VAMV) von der Arbeit in Frauengruppen zunächst unterscheidet, ist die Rolle der Männer. Sie sind hier in der Position, die sonst fast stets in Organisationen und Gruppen den Frauen zugemutet wird: Sie sind nämlich die Minderheit. Aber sie sind da.
13,6% aller Alleinerziehenden in der Bundesrepublik sind laut Statistik Väter, und wie in der Statistik sind die Väter auch im Verband repräsentiert: Als Minderheit der Mitglieder und Mitstreiter von 10 bis 15%. Spannend ist,
wie sie diese Rolle verkraften, denn Männer sind nicht immer so souverän wie es scheint. Obwohl sie in den Verbandsgliederungen in etwa angemessen vertreten sind (im Bundesverband ist eines von sieben Mitgliedern ein Mann), lassen Väter Bemerkungen fallen wie »hoffnungslos unterprivilegiert« oder »Darf ich als Vertreter der absoluten Minderheit auch etwas dazu sagen?«
Auch manche Frauen im VAMV neigen dazu, besonders »fair« zu den männlichen Mitgliedern zu sein, wohl aus einem Bestreben heraus, erfahrene Unterdrückung nicht weiterzugeben, den Spieß nun nicht umzudrehen. Möglicherweise spielt aber auch die Meinung: »Da gehört doch unbedingt noch ein Mann an die Spitze« unbewußt eine entscheidende Rolle. Ein weiterer Unterschied zu Frauengruppen liegt darin, daß der VAMV mehr und mehr die Kinder in seine Arbeit einbezieht, und zwar nicht sosehr als eine Gegebenheit, die das Leben der Frauen entscheidend beeinflußt (wie es noch der Fall war in den Anfangstagen des »Verbandes lediger Mütter«, aus dem der VAMV hervorgegangen ist), sondern als Personen eigenen Rechts. Anders gesagt: Der VAMV ist mehr und mehr von einem Frauenverband zu einem Familienverband geworden, freilich zu einem sehr wenig traditionalistischen. Dies ergibt sich schon daraus, daß »Familie« üblicherweise ausschließlich als Zusammenleben von Vater, Muter, Kind verstanden wird, wogegen wir ankämpfen. Das Selbstgefühl hängt auch vom Einkommen ab.
Einer der beiden Hauptansatzpunkte der Arbeit des VAMV ist es, das Selbstbewußtsein der Alleinerziehenden zu stärken.
Hierfür müssen wir zunächst einmal selbst akzeptieren, daß wir Familien sind und nicht, wie viele glauben und glauben gemacht werden: Notgemeinschaften, Trümmer oder eben »alleinstehende Frauen mit Kindern«. Gewiß sind unsere Familien selten vollkommen, nur welche Vollfamilie ist das? Selbstbewußtsein ist für fast alle Frauen etwas, was erst noch erlangt werden muß. Für alleinstehende Mütter in der Krise, die meist mit der nichtehelichen Geburt eines Kindes, einer Trennung oder Ehescheidung oder dem Tod des Partners einhergeht, ist ein gutes Verhältnis zu sich selbst besonders wichtig und besonders schwierig zu entwickeln.
Wichtig ist es, weil vom Selbst- und Lebensgefühl des Elters - besonders wenn er allein »steht« - das Selbstwertgefühl der Kinder entscheidend mitabhängt, und das Lebensgefühl der Kinder sich wiederum auf die Befindlichkeit des Elters auswirkt.
Schwierig ist es, weil der Alleinerziehende als Außenseiter angesehen wird und sich auch so fühlt, wobei es wiederum sehr komplexe und sich steigernde Wechselwirkungen gibt - zwischen Einsamkeit, Depression, Selbstisolation, Nicht-mehr-akzeptiert-Werden und verstärktem Sich-Abkapseln. Der zweite wesentliche Ansatzpunkt der VAMV-Arbeit ist es, die materiell-wirtschaftliche Situation der alleinstehenden Mütter - bzw. der Väter - zu verbessern. Wir sind uns dessen bewußt, daß in einer Gesellschaft, die so sehr auf Wohlstand fixiert ist, wie die der Bundesrepublik, materielle Schlechterstellung sehr wesentlich das Selbstwertgefühl beeinflußt. Haste nix, biste nix
- dies gilt für Frauen um so mehr, als sie ja nicht einmal das »haben«, was in den Augen der Allgemeinheit für eine Frau ebenso wichtig ist wie Besitz, ja eigentlich damit identisch. Sie »haben« keinen Mann, ihre Kinder »haben« keinen Vater. Das ist existenzbedrohend. An dieser Stelle muß zur Information gesagt werden, daß die materielle Lage der alleinstehenden Mütter (und mit Einschränkungen auch: der Väter) denkbar schlecht ist. Zwar gibt es die emanzipierte Mutter, die Kinder, Beruf und Privatleben mit der linken Hand zu vereinbaren scheint, dabei noch gut verdient und als Vorbild gefeiert wird. Diesem Ideal nachzueifern, ist aber für die meisten Mütter schlicht illusorisch.
Zwei Drittel der Familien mit Kindern im Haushalt, die 1975 von Sozialhilfe lebten, waren Ein-Elternfamilien (106 000 von 154 000). Andererseits stellen Ein-Elternfamilien nur knappe 10% aller Familien (unter Familien verstehe ich hier: Erwachsene in Lebensgemeinschaft mit Kind(ern)). Mehr als ein Drittel aller allein mit ihren Kindern lebenden Mütter hatte 1977 ein Monats-Nettoeinkommen von weniger als 800 Mark und über die Hälfte (54%) lebte von weniger als 1000 Mark monatlich - einem Einkommen, mit dem nur 4% aller »Arbeitnehmerhaushalte« 1976 laut »Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung« auskommen mußten. Dabei sind rund 60% der alleinerziehenden Mütter mit Kindern unter 15 Jahren erwerbstätig, und sie arbeiten fast immer ganztags. Verheiratete Mütter hingegen sind nur zu 40% erwerbstätig und das häufig halbtags. Nimmt man verwitwete Frauen mit Kindern aus, dann steigt die Erwerbsquote alleinstehender Mütter auf ca. 70%, wobei die unverheirateten Mütter 1977 mit 74% die Spitze hielten. Es scheint also nur die »Wahl« zu geben: Geld verdienen und die damit verbundenen Überlastungen für die Familie in Kauf zu nehmen, oder: Sozialhilfe beziehen und damit noch stärker in Isolation (keine Kollegenkontakte!) und in Minderwertigkeitsgefühle hineinzutreiben.
Wie vermitteln wir unsere Ansatzpunkte in der praktischen Arbeit? Selbstbewußtsein zu stärken, zumal wenn die materielle Lage so deutlich die Vernachlässigung bis Mißachtung der Umwelt widerzuspiegeln scheint, ist in der Praxis oft schwer. Predigen: »Seien sie selbstbewußt«, wie wir es auch tun, hilft nicht oft weiter. Eher schon kann es helfen, wenn in den Gruppen der Unmut über die vielfältigen Benachteiligungen deutlich artikuliert und in Forderungen an die Öffentlichkeit umgesetzt wird. Auch Informationen über die große und immer noch steigende Zahl alleinstehender Mütter und Väter machen stärker, ebenso das meist positive und zur Zeit sogar äußerst rege Interesse der Medien.
Abgesehen davon hilft die Geselligkeit, die alleinerziehende Mütter und Väter pflegen, auch wenn über sie oft die Nase gerümpft wird, letztlich auch »politisch« weiter. Auch wenn die Ausflüge mit Kindern, der Kleidertausch oder gemeinsames Teetrinken und »Quatschen« keine notwendigerweise und unmittelbar emanzipierende oder gar politische Wirkung haben, so stärken sie das Zusammengehörigkeitsgefühl, überhaupt das Gefühl, zugehörig zu sein. Und es muß legitim sein, daß die einzelne Frau, der einzelne Mann zunächst - und manchmal ausschließlich - an sich selbst und die Verbesserung ihrer Lebensstimmung denken, ohne befürchten zu müssen, daß die Angebote in den VAMV-Gruppen lediglich mit dem Hintergedanken gemacht werden, sie zu politischer Arbeit zu bringen, zu einer von irgendwem für notwendig gehaltenen Therapie oder die Kinder von ihren Verhaltensstörungen abzubringen. Der VAMV ist ohnehin - teils aus Zeit-und Geldmangel, zum guten Teil aber aus Weisheit - sehr locker organisiert und strukturiert: Keiner Gruppe wird von irgendeiner Instanz vorgeschrieben, wie sie zu arbeiten hätte, nicht einmal das Selbstorganisations-Prinzip ist überall gleich stark vertreten. Es gibt durchaus Orts- und Kreisverbände, die mehr dem fürsorgerischen Prinzip huldigen, andere, die Geselligkeit ganz groß schreiben, und wieder andere, die gemeinsam »ackern wie die Kümmeltürken«, um zu öffentlichen Mitteln zu kommen oder die Kommunalpolitiker das Fürchten zu lehren. Ganz wichtig und für die Beteiligten stärkend sind kleine gemeinsame Erfolge, Siege bei schwierigen Verhandlungen mit Ämtern zum Beispiel. Während im allgemeinen jeder, der in einer Problemlage Hilfe und Beratung sucht, von sonst verschiedenen, jeweils nur für ganz bestimmte Teilgebiete zuständigen, professionellen Helfern und Beratern zerstückt und gespalten wird, geschieht es im VAMV doch relativ häufig, daß eine Frau, die praktische Erfahrungen hat, allein oder gemeinsam mit anderen Müttern (Vätern) einer anderen, die in einer umfassenden Krise steckt, wirklich wieder auf die Beine hilft, wenn z.B. Wohnung, Arbeit und Versorgungsmöglichkeiten für die Kinder gefunden, Rechtsfragen wie Vaterschaft, Unterhalt, Besuchsrecht des anderen Elters geklärt und seelischer Trost gegeben werden müssen und dabei für sich noch Kräfte herausholt.
Einwirkung des VAMV auf Gesetz und Recht
Um die materielle Lage aller alleinerziehenden Mütter zu verbessern, bedarf es der Einwirkung auf diejenigen, die Gesetze machen, Entscheidungen fällen, Prioritäten setzen, kurzum auf Politiker, meist männlichen Geschlechts. Dies ist nicht nur Aufgabe des Bundesverbandes, und das einzelne Mitglied ist aufgefordert, Initiativen zu entwickeln, damit sich etwas ändert. Deshalb hat der VAMV auch nur 6000 Mitglieder.
Um nicht mit Forderungskatalogen zu frustrieren, will ich lieber aufzählen, was der VAMV - auf allen Ebenen - bisher an Erfolgen und Teilerfolgen verbuchen konnte. An den meisten Fortschritten hat er nur mitgewirkt -jeder Erfolg hat tausend Väter oder in unserem Fall vor allem Mütter. Als Luise Schöffel, Lehrerin aus einer alten Sozialistenfamilie, 1967 per Zeitungsanzeigen »Ledige Mütter« aufrief: »Schließen wir uns in einem Verband zusammen«, meinte sie noch, öffentliche Verbandstage meiden zu müssen: »Wir würden vielleicht angepöbelt«. Es gab zur rechtlichen Gleichstellung der »unehelichen« Kinder mit den ehelichen nur die diesbezügliche Aufforderung der Bundesverfassung, Artikel 6. Und die geschiedenen Mütter, die verlassenen Mütter mit kleinen Kindern waren überhaupt noch nicht »entdeckt«. Der »Verband Lediger Mütter« verlangte und erreichte, daß er vor Verabschiedung des neuen »Nichtehelichenrechts« in Bonn gehört wurde. Er erreichte, undogmatisch und »pluralistisch« im besten Sinne arbeitend, daß die Minderheit der »Alleinstehenden Elternteile mit abhängigen Kindern« (so eine Schrift des Bundesfamilienministeriums 1971) zu einer sozial ernst genommenen Gruppe wurde und hat es jetzt mit der »Konjunktur« geschiedener Mütter und-vor allem-Väter erreicht, daß Ein-Elternfamilien mehr und mehr als Familien anerkannt werden, denen statt Strafe besondere Förderung zuteil werden sollte. Der VAMV ist seit kurzem - um nur ein greifbares Ergebnis zu nennen - voll anerkanntes Mitglied in der »Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Familienverbände«. Er hat erreicht, daß eine von den alleinstehenden Müttern und Vätern selbst erarbeitete und herausgegebene Informationsschrift in hoher Auflage zuerst in West-Berlin und dann auf Bundesebene kostenlos-da mit öffentlichen Geldern gedruckt - verteilt werden konnte: die VAMV-Broschüre »So schaffe ich es allein«. Möglichkeiten, die es Alleinerziehenden erleichtern, Wohnungen zu finden, sich fortzubilden, ihre Kinder während des Tages versorgen zu lassen, Erziehungsschwierigkeiten zu meistern und schließlich materielle Hilfen zu finden, waren vor Erscheinen der Schrift sehr vielen Müttern und nicht wenigen Beratern mindestens teilweise unbekannt, weil es keinerlei Instanzen gab, die sich (dazu noch überregional) auf Ein-Elternfamilien konzentriert und die verstreut vorhandenen Informationen gesammelt hätten.
Die seit fast 10 Jahren vom VAMV immer wieder vorgebrachte Forderung nach Unterhaltsvorschußkassen ist in diesem Jahr 1978 trotz der angespannten Finanzlage und trotz unveränderter Unterrepräsentation und Unterbewertung von Menschen, die Kinder großzuziehen haben, einen Schritt weiter gekommen: Die SPD-Fraktion hat, unterstützt von der FDP, einen - zwar mit vielen Mängeln behafteten, aber immerhin bundeseinheitlichen -Gesetzentwurf zur Einrichtung von Unterhaltsvorschußkassen vorgelegt. Unterhaltsvorschußkassen strecken Müttern/Vätern, die vom anderen Elternteil für ihre Kinder keinen oder nicht regelmäßigen Unterhalt bekommen, diese Zahlungen vor, um sie ihrerseits beim Unterhaltsschuldner einzutreiben. Ohne daß der VAMV 1977 einen konkreten Gesetzesvorschlag auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt, in Gesprächen mit den zuständigen Bundespolitikern unermüdlich auf baldige Einrichtung gedrängt und immer wieder in den Medien auf diese wichtigste Forderung zur Verbesserung der materiellen Lage von Ein-Elternfamilien hingearbeitet hätte, wäre nicht einmal dieser Entwurf bisher auf dem Tisch. Vielleicht ohne den viel Besorgnis erregenden Geburtenrückgang in der Bundesrepublik auch nicht. Ganz gewiß aber nicht ohne eine Frauenbewegung, die viel breiter und lebenskräftiger ist - auch da, wo sie sich nicht ausdrücklich Frauenbewegung nennt! -, als die Bürger und allen voran die Männer in diesem Staat glauben wollten und vielfach immer noch glauben. Die Gewißheit, daß Fraueninteressen nicht mehr totzukriegen und nicht mehr totzuschweigen sein werden, auch mit zehn Öl-, Energie- und Umweltkrisen nicht, ist eigentlich unser schönster Erfolg - ein Erfolg aller Frauenkämpfe gemeinsam.
Kontaktadresse:sie Anm. 2 zum vorherigen Kapitel
Liselotte Rauner
Titel
Vater ist:
Abteilungs-Leiter
Haushaltungs-Vorstand
Erziehungs-Berechtigter
Auto-Besitzer
Haus-Eigentümer
Konten-Inhaber
Vereins-Präsident
und
Schützen-König
Mutter ist:
Hausfrau