Ladies Almanach

Dies ist also die Geschichte von einem Mägdlein, so fein wie nur je eins das Bett genäßt, welches Evangeline Musset geheißen und innerlich ein einzig großes Rotes Kreuz war, das für die Verfolgung, Erleichterung und Zerstreuung solcher Mädchen glühte, die an ihren hintern oder auch vordem, oder welche Partien sonst ihnen gar arg zu schaffen machen, grausam zu leiden haben, sei's nun es juckt sie in der Hand, seien da gräßlich brennende Bezirke, was häufig vorkommt in der Frühjahrszeit, oder wenn sie auf behaglich warmem Stoffe niedersitzen, mag sein auf Pelz, mag sein auf dicken Brücken, orientalischen (die schon vom Muster her, so scheint es, Hüftbezirk und Hinterviertel ein solches Sehnen anbefehlen, daß es ganz unerträglich ist), oder wenn sie, wieder anders, auf warmen Öfen sitzen, wovon man weiß, daß eines aufflog mit einem »Oh du mein Gott! Was ist das für ein Mädchen bloß für eine Welt, und sei es noch so sittig und seelenruhig und frei von Absicht - treiben es die Triebe ja doch zum Kreischen arg, und immer ärger, bis daß es schließlich, aufgelöst, mal hierhin und mal dahin rennt nach einer Simpelsalbe, um seine Pein zu stillen! Und woher kommt das nur, daß nie ein Philosoph, aus welchem Holz auch immer, inmittst des hübschen Grünzeugs seines Gartens einmal ein Kraut entdeckt hat, das jenem Teil Genüge tut, so daß vielmehr von dem Tag an, da wir gleichgültige Materie, bis hin zu diesem, da wir uns als majestätische Persönlichkeiten des göttlich menschlichen Geschlechts erweisen, ihm nichts so tröstlich ist wie andere im selben Maß entflammte Teile oder der Trost, wie jede Frau ihn in den Fingerspitzen oder gerade dort hat, wo die Zunge fertig ist?«
Zu dem Behuf nun ward Evangeline Musset geschaffen, Dame aus vornehmem Geschlecht, die, in den frühen Achtzigern, sich vom Familientandem losgesagt, woran die Mutter und der Vater ein ziemliches Vergnügen hatten, zugunsten der verqueren Freude am Schwuppsrittlings, wie jeglicher Freisasse sie empfindet, wenn er sich aufmacht, seine Ernte einzuheimsen, und die von soviel Rütteltrab und Galoppieren Stund um Stund an Fraulichkeit verlor, »wenn mir auch niemals«, sagte sie, »das griechische Mysterium in den Sinn kam, das als das blitzblitzesschnellezesschnelle Aus-den-Hoden-Fahren nebst sämtlichen Begleitumständen bekannt geworden ist!« Was angeblich einer geradezu schon byzantinisch frechen Range der trojanischen Periode mehr zu ihrer Überraschung als zu ihrer Freude widerfuhr. Doch bleibt es ein begrüßenswerter Umstand, daß die Zeiten es für angemessen hielten, dies Wunder zu tradieren, denn ewig quillet Hoffnung in des Menschen Brust.
Manch einer hat bereits bemerkt, daß die Frauen den Pips der Romantik in sich haben, einen so wohlgediehenen, empfindsamkeitsgeschwellten, daß sie, kaum erreichen sie ein unbestimmtes Alter, Staubwedel, Sprößling und Gespons abspenstig werden und nur wenig später, erschlafft zur Gänze, zu sehen sind, wie sie an einer Säule des falschen Pathos hängen.
Evangeline gehörte nicht zu denen, war sie doch im holden Mutterleib entwickelt worden, damit ein Knabe daraus würde, weshalb sie denn, um etwa einen Zollbreit knapper ausgefallen, dem kleinen Irrtum keinerlei Beachtung schenkte, sondern ein Wams anlegte, ein süperb gepufftes und gepunztes, dazu ein buntes Halstuch, das die Schärpe abgab, und Watstiefel anzog mit leuchtend roter Furt (denn das Waten war gar naß) und ihre Peitsche in die Hand nahm, ihre Hündchen um sich scharte und aufbrach auf der Straße des Geschicks, der Zeit entgegen, wo die Tierchen Bluthunde, ihres Namens würdig bis in die Spitzen ihrer Schwänze, und gespitzte Vorstehhunde wären, worauf sie denn geduldig harrten unter den Zypressen und Zweigen des Aloenbaums und Madrigale dichteten, gleich ihr, auf alle süßen zügellosen Dinge.
Ihr Vater brachte, wisse man, manch einen Abend, wenn der Wind ging, damit zu, seine Bibliothek in einem ganz normalen Nachthemd zu durchmessen, während er auf Wege sann, wie er sein irrgegangenes Kind zu dem zurückgeleiten könnte, was immer schon für eine dem Weib genügende Religion und Tätigkeit erachtet wurde; denn schon
rafften, kaum daß Evangeline bei Duchess Clitoressa of Natescourt zum Tee erschien, die dort hereingeschneiten Frauen (die bourgeoisen, wohlgemerkt, die eigentlich auf einem Botengang zu einer hübschen Kirche katholischen Gepräges waren, Säuglinge an der Brust, am Arm die Gatten) die Röcke, um sich nur nicht anzustecken, und ob des hastigen, durchbebten Röckeraffens zuckten ihre Lieben ein jedes Mal derart zusammen, daß es von Mal zu Mal die ganze Teegesellschaft mitbekam und abzusehen war, wann Evangeline eine wäre, an die man nur aus Großmut das Wort noch richtet, was nie und nimmer, wie ihr Vater wohl erkannte, der Weg sein konnte zum Altar.
Wie oft nahm er sie sich nicht vor, indem er sagte: »Tochter, Tochter, ich erkenne in dir höchst vaterseitige Gefühle. Was tu ich nur?« Und sie erwiderte dann ziemlich heftig: »Ihr, güt'ger Lenker, rechnetet doch wohl auf einen Sohn, als Ihr zuoberst Eurer Auserwählten läget — weshalb seid Ihr dann aber todgekränkt, wenn Ihr erkennt, daß Euer Wunsch Gehör gefunden hat? Gerate ich denn nicht genau nach Eurem Sinne, und ist es nicht nur umso löblicher, daß ich's ohne zünftiges Rüstzeug tue und doch nicht klage?«
Zu der Zeit nun, von der ich schreibe, war sie zu einer kundigen, gewitzten Fünfzigerin geworden, und wenngleich von untersetztem Wuchs und keineswegs erfreulich anzuschauen, war sie doch sehr begehrt und so berühmt für ihr Genie, was sie nur in die Hand nahm, dem Gipfel zuzuführen, und weithin so geschätzt für ihre Zungenfertigkeit, daß sie es schließlich bis zur Ruhmeshalle brachte, wo seelenruhig sie neben einer Venus stand oder auch sich an ein Tränenkrüglein lehnte mit einem Schwämmchen, denen zugedacht, die ihr zu Zeiten vorgeweint und sein' bedurften.
So beginnt dieser Almanach, den alle Damen

Bei sich tragen sollten wie der Priester
Sein Brevier, der Koch die Rezepte
Der Arzt die Arznei
Die Braut ihre Ängste
Und der Löwe
Sein Gebrüll!