Januar - Februar - März

31 Tage hat der Januar

Kalter Januar Patience Scalpell So begann Evangelines Laufbahn

Dies ist der erste Monat unseres christlichen Kalenders, da die Erde gebunden ist und das Meer von Entsetzen gepackt. Da die Vögel kein Zeichen ihres Daseins geben und nur im Gedächtnis weiterdauern, da die Säfte im Schlaf liegen und die Bäume nichts von ihnen wissen, da leuchtendes Laubwerk und üppiges Grünzeug bare Hoffnung sind, da der Pflug mitsamt der Egge verwahrt ist, da die Felder ihre Brache vom Schnee bestellen lassen, den keine Sichel erntet und keine Scheuer herbeisehnt und dessen Fracht kein Bauernkarren einbringt, sondern der sich ungescheffelt sät und erntet.

Wie es nun in diesem Monat um Mutter Erde bestellt ist, so ist es um alle Dinge der Natur bestellt und um die Frau zumal.
Denn in diesem Monat dauert sie ein wenig, was sie aus dem Mann gemacht hat und daß sie seit alters her Erwartungen in ihm geweckt und ihn dadurch recht eigentlich zu einem solchen Gipfel der Kultiviertheit geführt hat, daß sie nun in gewisser Weise dafür verantwortlich ist.
Patience Scalpel gehörte zu diesem Monat und gehört in diesen Almanach einzig aus dem Grunde, daß sie die Frauen und ihr Tun und Lassen von Anfang bis Ende, von Kopf bis Fuß, inwendig und aus-, wie sie um sie, vor ihr und über ihr waren, nicht zu begreifen vermochte.
Sie sah sie auf der Wiese umherspringen, sie hörte ihr Gebarme und Geächze in mehr als einem stattlichen Herrenhause; sie gewahrte sie, wie sie über die Decken schwebten (denn der Art war die Kunst von dazumal), in Toile de Jouy drapiert und flammenlos verschmolzen in einer einzigen unwägbaren Umarmung. »Und was« sagte sie, »die albernen Geschöpfe damit meinen mögen, übersteigt meine diagnostischen Fähigkeiten! Ich bin von meiner Zeit und deren bestes Argument, und wer bin ich, daß ich soll sterben in meiner Zeit und nie erfahren, was eigentlich das in den Wirteln und Ritzen meiner Schwestern ist, das sie streckt bis zum bitteren Ende? Haben sie denn nicht Organe, einander ähnlich wie ein Ei dem andern oder einer Zwillings-wunde, und reißt sie der erbitternd kurze Zügel der weiblichen Gezeiten denn nicht ein ums andere Mal aus ihrer Bahn? Was kann man also zur besseren Wirkung tun, als die Herzlieben auf einen Stapel Löschpapier setzen und es damit gut sein lassen, daß man sie für ihre Auszeit mit einer Bibel oder Haspel versieht und mit gebotenem Pessimismus feststellt: Sie sind in einer Sackgasse angelangt. Eine Saison lang wird es keine Kinder geben, und was soll das?«
So ließ sich ihre Stimme das ganze Jahr hindurch vernehmen, schneidend in ihrem Hohn wie ein chirurgisches Instrument, und sie gebrauchte sie auch zu keinem anderen Ende, als wieder an einem Tag und abermals an einem Tag anzugelangen, wo sie sprach: »Ich habe alle Mittel, mathematischen, poetischen, statistischen, verstandesmäßigen, erprobt, um hinter diese Unpäßlichkeit zu kommen, die man unter dem Namen Mädchen kennt! Mädchen! Und kann doch nirgends entdecken, wo die Frau den guten Grund hernimmt, der sie zu einer so geschickten Arbeiterin im Felde der Alleinseligkeit bestimmt! Wer gab ihr Weisung, notwendige Rechenmethode und Schlechtigkeit? Wo und in welcher finstren Kammer wurde der Baum auf solche Weise aus dem Leben gekerbt, daß ein Zweig sich zum andern kehrte und aus den Spänen einen Garten der Ekstase machte?«
Fröhliches Gelächter erhob sich rings um sie, als man gewahrte, wie Doli Furious in ihrer Barchentfülle, der apfelblütenvignettierten, hurtig den unverhältnismäßigen Überredungskünsten von Senorita Fly-About, einem rechten Schwirrvogel römischer Destination, nachtrippelte!
»Zu meiner Zeit«, sagte Patience Scalpel, »handelten die Frauen sich schon genügend Scherereien dadurch ein, daß sie mit dem Vater ihrer Kinder zu Bette lagen. Was paart sie denn nun bloß in diesem gesegneten Jahr des Herrn von gleich zu gleich, so daß ihnen nie ein Bart dazwischenkommt, Schicht um Schicht, und wollte einer sie auswickeln bis aufs Inlett? Mich dünkt«, sinnierte sie, das Sternenauge dorthin erhoben, wo ein Kiebitz es durchaus zufrieden war, es in den Zweigen wüst zu treiben und sich eine Brut zu schaffen nach der alten Art, »sie lieben den Stundenschlag und wollen doch nicht die Augenblicke hecken, die zu ihm führen. Schlampen!«, sagte sie, nachdem sie sich kurz besonnen, wohlgelaunt, »Die guten Mütter sollen sie wohl in der nächsten Generation mit Luxusartikeln versorgen,  denn sie selbst werden ja keine Sies bekommen, es sei denn irgendeine Ihrige ließe welche sprießen! Nun, ich bin dafür nicht die Frau! Sollen sie doch stibitzen, wo sie wollen. Mein Töchter werden jedenfalls heiraten!«

29 Tage hat der Februar

Der Februar brach aus Aus folgenden zwölf Gründen heiliggesprochen

 

Dieser Liebesbrief ist als Geschenk gedacht, und wenn sie eingefangen ist, was lange ich dann mit ihr an? Weiß Gott! Denn tunlich ist es zu sagen, ich tu's nicht, und was wir nicht wissen, der einzige Beweis seiner, den wir haben!
Meine Liebe ist ein altes Mädchen, ein unmodernes mit schwarzen Glas-tropfen auf der Brust und weiter abwärts einem arg abgegriffenen Geheimnis und einem Labyrinth. Es schrillen aus ihr vorjährige Aufmerksamkeiten, und sie schmilzt dahin am Feuer des Todes! Was also soll ich für sie tun, das nie vollbracht worden ist! Sie ist ein einziges Überraschungspaket! Soll eine da auf eine Nuance stoßen, auf die sich zwanzig Jahrhunderte noch nicht gestürzt, ja, die sie noch nicht mit Sorge bedacht und hingemordet haben? War ihr Haar etwa einstmals nicht sternendurchflochten? Ihr Schienbein nicht halb vom Mond umkreist? Ist sie etwa nicht um und um gedreht worden, so daß der Treibsand ihres Verlangens längst weiß, wohin er rieselt? Wer kann einen neuen Pfad schlagen, wo keine Wildnis ist? Päckchen verlorener Vollkommenheit liegen in der Salzerde - gewiß werde ich ihr die Schnüre nicht auf eine neue Weise lösen -, allzu lange zeitet schon die Liebe! Wird sie etwa um eines so abgedroschenen Rezeptes willen ihre Kleinigkeiten auspacken, ihre Schätze ausschütten einer derart abgegriffenen Münze halber? Doch wäre, ihrer zu entsagen, etwas nicht minder Altes, und zu sagen: »Geh!«, schließt nur eine Tür, die eine Million von Jahren ins Schloß gefallen ist!
Oh Zeus! Oh Diana! Oh Nieswurz! Oh Absalom! Oh Fischereirechte! Was soll mir das? Allein die Erste gewesen zusein, hätte mich beschert! Doch so - wie soll ich mir nicht Asche aufs Haupt streuen, mich in Sackleinen gürten, meine Nichtswürdigkeit und Verzweiflung unter einem Aschehaufen verbergen und auf diese Weise zum Mahnmal des Nichtstunkönnens werden?
Wahrhaftig, ich werde mich vor ihre Türe stellen, und wenn sie heraustritt, werde ich meinen, sie habe die Füße inwendig auf der Schwelle gelassen, und wenn sie hineingeht, werde ich träumen, ihre Hände lägen noch auswendig an der Tür - denn da drinnen habe ich nichts zu beschicken, und Gaukelei ist mein einziges Geschick!

HEILIGENFEST

Dies sind die Tage, an denen Dame Musset heiliggesprochen wurde und für folgende Dinge:

  • Januar
    Als sie frisch gejungt war, befand man sie für um einen Zoll zu kurz geraten.
  • Februar
    Als sie erst fünf war, beklagte sie sich mitten im Gebet, daß die Mädchen in der
    Bibel immer und ewig erdenstumm und gezeichnet seien.
  • März
    Als sie neun war, lernte sie, wie man zu einem sogenannten
    Dienstmädchenknie kommt, als nämlich das Sklävchen beim
    Spülküchendienst bettlägerig war und bekniet werden mußte.
  • April
    Als sie eben über fünfzehn war, brachte sie eine Beinahe-Braut
    mit der Rüsche der linken Handkrause zum Schweigen, damit ihr Vater
    im Schlaf nicht womöglich etwas vom Oh! mitbekäme.
  • Mai
    Als liebliche Einundzwanzig auf unerträgliche Weise auf sie einflehten,
    ging sie zum Hahnenkampfplatz und konnte es im Stolzieren mit jedem aufnehmen.
    Und bei vollem Mond muhte sie in Gamaschen und Handschuhen mit der Herde,
    ihre Hacken an deren Hufen, und in der feuchten Talmulde pickperwickte
    sie aus lauter Dollerei mit der Wachtel im Dickicht und rief nach bräutlichem
    Schwung und einer Feder zum Fliegen.
  • Juni
    Als sie gute Dreißig war, machte sie wie alle Männer vor ihr eine Dirne
    aus einer anständigen Frau, indem sie eine Geliebte daraus machte.
  • Juli
    Als sie vierzig war, wunderte sie einen Baum an, dessen Blätter
    randlos waren und dessen Name Florella war.
  • August
    Als sie etwas über fünfzig und einen Tag alt war, traf sie auf den Frühling,
    welcher als der zweite etikettiert ist.
  • September
    Als sie gute Sechzig war, wandte sie sich ebensowenig zum Guten wie irgendeine sonst.
  • Oktober
    Als die Sechzig nicht länger zu ihren Untermietern gehörte, kaufte sie sich ein
    extrafernblickendes und ultranahsichtiges Opernglas
    und trug es immer in einem Beutel mit sich herum.
  • November
    Als sie achtundachtzig war, sagte sie, »Das ist ein Haken, Mädchen,
    und kein Knopf, du solltest dein Kleid besser kennen«.
  • Dezember
    Als  sie kurz vor ihrem letzten
    Atemzug war, ließ sie eine Pastete
    kommen, gab sie einer Freundin zu essen
    und entsagte der Welt und ihren Fallstricken
    wie alle Heiligen vor ihr, als sie keinen
    Raum mehr für sie hatten.
    Prosit!

31 Tage hat der März

Unter eben den Damen, von denen wir schreiben, waren zwei Britinnen. Die eine hieß Lady Buck-and-Balk und die andere schlicht Tilly-Tweed-in-Blood. Lady Buck-and-Balk tat sich durch ein Monokel hervor und glaubte an Geister, Tilly-Tweed-in-Blood tat sich durch einen Stetson hervor und glaubte an die Ehe. Sie kamen zum Tempel der ehrenwerten Dame Musset und ließen sich zum Tee nieder und äußerten folgendes:
»Bloß weil die Frau in diesem Zeitalter an die Frau fällt, meint man doch wohl nicht schon, wir wüßten nicht, was Anstand ist? Was hat England denn bislang getan, um die sogearteten Leidenschaften zu legalisieren? Nichts! Sollte man es nicht gehörig dafür ins Gebet nehmen, daß man durch seine trüben Wetter hindurch nicht ein einziges Mal zwei liebe Tauben in bräutlicher Spitze hat herannahen und in würdevollem Glanz das Mittelschiff durchschreiten sehen können, um in Gleichheit vereinigt zu werden und wechselseitigem Schwur, daß man einander lieben, ehren und Gehorsam leisten werde, während eine jede nach dem gleichbeschaöenen Goldreif tastet, der die eine zur Gemahlin und die andere zur Braut macht?
Erbärmlicherweise habe ich nie von einem solchen Paar gehört noch eins gesehen, wie sie hernach im Ehebett liegen, aufgezäumt in ihren besten Bändern, das Ganze unter einem Baldachin von Kambrik. Brust an Brust, Zopf an Zopf, Schoß an Schoß! Vielmehr habe ich, seit jenes Bündnis angezettelt, allzeit außerehelich zu Bett gelegen in doppelt sündiger Gleichartigkeit, habe mich daraus erhoben, unversehen mit kirchlichem Segen oder Trauschein; Unzucht getrieben in einer Sündigkeit, die so sehr aus einem Guß ist, daß die Posaune des Jüngsten Gerichts nurmehr von einem erzitternden Gespann beantwortet werden kann!
Deshalb wollen wir die Sache der Aufmerksamkeit unserer Richter anempfehlen und sie vors Oberhaus bringen. Denn wenn ein Mädchen verliebt ist, in was auch immer, dann sollte es wohl einen gewissen Schutz genießen gegen das Risiko, das doch stets mit dem einhergeht, was illegal ist? Und für den Fall, daß die eine oder andere fehltreten sollte, müßte es da nicht ein Gesetz geben, das sie bindet wie jeden anderen in dem Sinne, daß Alimente fällig werden und jeder Fehltritt somit schon im Keim erstickt wird?«
»Das läßt sich erwägen«, sagte die ehrenwerte Musset, »doch dann kommen die Duelle und treten an die Stelle des Gesetzes, und es findet sich immer ein Ausweg, falls die eine oder andere als zu leicht befunden werden sollte. Ein tüchtiger Stulpenhandschuh, leicht übers Hinterteil gezogen, brächte sie in die öffentliche Grünanlage, wo sie mittels Rapier oder Vogelflinte Genugtuung verlangen und erhalten könnte, um die Sache auf die eine oder andere Weise für beide dem Ende zuzuführen.«
»Das ist unzureichend«, sagte Lady Buck-and-Balk, »bedenkt doch, wie zart Frauenherzen sind, selbst noch die schneidigsten! Ein kleines Rinnsal Blut an jenem lieben Torso (und an dieser Stelle blickte sie schmachtend zu ihrer Auserwählten hinüber), und ich wäre weniger zu gebrauchen als ein Mann! Und ich wage zu behaupten, Tilly würde abgelenkt, wenn sie an mir eine Rippe gewahren müßte, die sich selbstständig gemacht hat, oder ein abscheulich blutendes Handgelenk! Nein, wir brächten es niemals bis zum Mord, denn die Frauen haben nun einmal nicht wie die brutalen Männer«, schloß sie, »zwischen sich den Tod, sondern nur Mitleid und stets neu erwachendes Verlangen! Gleich und Gleich spießt sich nicht auf, und Ähnlichkeit sitzt nicht zu Gericht über Ähnlichkeit!«
»Ich wäre dazu mit der verblüffendsten Leichtigkeit imstande«, sagte Dame Musset, »doch ich habe ja auch keinerlei Marinehelferinnenblut in mir oder irgendwelche Zaghaftigkeit. Weshalb sollte die Frau unaufgespießt bleiben? Die Liebe der Frau zur Frau sollte das Entsetzen mehren. Ich sehe wohl, daß das bislang nicht der Fall ist. Alles ist nicht, wie es sein sollte!«

»Lauf mein Vogel Hellaug  putz die Mutter I Finkenflink mit deinen Sorgen Beer am Busche für ein Morgenmorgen
Dehn dich aus flügelsteif] vollzollbreit I Streift das Leid Mutters Wangen.
Wes Gedenken Wird dich, dreimal um den Baum rum, fangen?

»Ach, nimmer, nimmer, nimmer«, seufzte eine sanfte Stimme, und das Trio gewahrte auf diese Weise jenes charakteristische Zartgefühl, das als Masie -and-Frill bekannt war, vormals Sage-femrrw, doch nun, den Zeitläuften zufolge, bedauerlicherweise beschäftigungslos, obgleich es hieß, nichts könne sie von ihrer Sehnsucht heilen, denn wenn sie auch an niemandes Bett gerufen wurde außer an solche von Schwestern, die in nichtverwandtschaftlichen Banden vereinigt waren, so schaute sie doch mit hoffnungsvollem Blick zwischen die Bettücher und legte in jede Armbeuge, zwischen alle Knie eine liebevolle Hand, und obwohl sie niemals irgendetwas fand, das der Fürsorge bedurfte, oder ein Stimmchen sagen hörte: »Wo bin ich?«, nährte sie doch noch immer die närrische Täuschung, daß die Hübschen auf die eine oder andere Weise, mit zulässigen Mitteln oder unzulässigen, ein kleines Liebchen werfen würden, und man hörte sie in manch schummrigem Korridor eine Neun-Monats-Liebe mahnen, sie solle sich nicht zuviel zumuten und sich insbesondere treppabwärts vor dem Ausgleiten in acht nehmen. »Denn«, wie sie sagte, »die Schöpfung war für uns von jeher viel zu wunderbar, als daß wir jetzt Zweifel an ihr haben dürften, und wenn das mittelalterliche Verfahren auch immer noch als zureichend erachtet wird, was soll ein modernes Mädchen eigentlich hindern, sich von der Couch eines ebenso modernen zu erheben und dabei etwas Neues im Sinn zu haben? An der alten Tradition zu haften, ist Leichtgläubigkeit, und die Leichtgläubigkeit ist verschlissen bis zur Fadenscheinigkeit. Eine Feder«, sagte sie, »könnte es vollbringen oder ein wohlgesungenes Lied oder ein Ausruf am rechten Ort oder ein Schichtpudding, in der richtigen Gemütsverfassung gekocht, und dann brauchtet ihr mich allerdings!«, und schon fing sie das erste Wiegenlied zu singen an, das je für das Mädchen eines Mädchens ersonnen wurde für den Fall, daß es eines Tages Mutter werden sollte. Und mit dieser Präfation traf jede Frau sie an jedwedem Orte an. So kam es, daß die drei sie in den Kissen sitzen und einen feinen Saum nähen sahen, während sie mit der betrübten, einsamen Stimme jener, deren Gewerbe zu zärtlich ist, um dem Vergessen anheimzufallen, sagte: »Die Frauen befinden sich ein wenig diesseits der Besonnenheit, ihre Liebe besitzt die Heftigkeit aller unwiederbringlichen Spannung. Die Männer sind zu früh dran, die Frauen im Verzug, und die Religion kommt zu spät für die Religion.
Beim Mann ist die Liebe Angst vor der Angst. Bei der Frau ist die Liebe Hoffnung ohne Hoffnung. Der Mann fürchtet alles, was ihm genommen werden kann, die Liebe einer Frau schließt dasselbe mit ein und legt sich dann daneben. Die Liebe eines Mannes ist dazu gemacht, der Natur zu entsprechen. Die Liebe einer Frau ist ein Kuß im Spiegel. Sie ist ein Lebewohl an den Schöpfer, ohne ihn zu stören, die höchste Zärtlichkeit auf halbem Weg ins Vergessen, Schlacht nach dem Rückzug, Herausforderung, wenn das Schwert zerbrochen ist. Ja, es schlägt lautstark gegen's Herz, denn auf diese Weise gibt sie ihren Körper der ganzen nirgendwo verzeichneten Musik anheim, die der Psalm ist.«
»Ihr sprecht«, sagte Dame Musset und wandte ihr ein entzücktes Auge zu, »mit der Stimme einer, die eine von uns sein sollte.«
»Ich spreche«, sagte Masie -and-Frill, »mit der Stimme, die von jeher jenen zugestanden worden ist, die weder hierhin gehen noch dorthin; der Stimme des Propheten. Allein diejenigen, die ihr ganzes Leben hindurch in einer einzigen Lage ausharren, wissen, was die Pläne waren und was die Hoffnungen sind und wo der Fleck ist, da beide begraben liegen in jenem Moder, den man Leben nennt. Auch fürs Vieh vergeht die Zeit, die Jahrhunderte stauchen es zusammen, der Schrei eines Jungen steigt ihm über den Kopf, bis an die Hörner steht ihm das Seufzen seiner Vorfahren, doch über seinen Hörnern gibt es noch eine Stimme, die da schreit: >Schuhuh!< Ich wünschte«, setzte sie hinzu, »das geistige Auge wäre nicht so erpicht aufs Herz gewesen.«
»Das ist doch ein guter Platz«, sagte Dame Musset im Ton einer Person, die schon lange Zeit durchaus zufrieden ist.
»Ein guter Platz in der Tat«, gab Masie -and-Frill zurück, »ein besserer jedoch, wenn man ihn nur mittelbar zu Gesicht bekommt.«
»Ich«, sagte Lady Buck-and-Balk - denn die Geister hatten ihren Sinn für Nuancen etwas abgestumpft - »wünschte nur, wir könnten den Mann ganz und gar abschaffen!«
»Das geht doch nicht«, seufzte Tilly Tweed-in-Blood, »wir brauchen ihn zum Kohlentragen, Balkenheben und noch für dies und das.«
»Ach ja, was für Goldstücke!« sagte Patience Scalpel, die eben zu ihnen hereinsprang, wobei sie sich ihrer Pelze entledigte, »Und ist denn liier irgendwo einer?«
»Selbstverständlich nicht!« schrie Lady Buck-and-Balk in einem Atemzug mit Tilly Tweed-in-Blood, als sei ihnen eine große Maus über die Schienbeine gelaufen, »wie kann man nur so etwas sagen!«
»Huch, igitt, und wieso eigentlich nicht?« sagte Patience, während sie an einem Cognac nippte, »Wenn es sie nicht gäbe, ihr wärt nicht halb so zufrieden mit dem Stand der Dinge. Das Vergnügen besteht nun einmal darin, daß das Blut ein bißchen auch abwegige Kanäle nimmt.«
»Wenn mir danach ist, den höchsten Gipfel zu betrachten, zu dem die Ironie emporgedrungen ist, und wenn es mich einmal wirklich danach verlangt, im Unpersönlich-Tragischen zu baden«, sagte Dame Musset, »dann denke ich an jenen Tag vor vierzig Jahren zurück, als ich, ein zehnjähriges Kind, von der Hand eines Chirurgen defloriert wurde! Ich, selbst ich, habe das erleben dürfen wie andere Frauen auch, und war ich doch weder vorher noch nachher jemals eine!« »Oh mein Schatz!« jammerte Tilly in jähem Entsetzen los. »Meine arme, liebe, betrogene, mißhandelte Seele! ZODIAK Ich darf gar nicht daran denken! Ja, ich weiß gar nicht, wen ich zuerst schlagen soll! Doch irgendeiner wird mir dafür büßen, glaubt mir! Diese Augen sollen keinen Schlaf mehr kennen, bis Ihr gerächt seid!«
»Pscht!« sagte Dame Müsset und legte ihr die Hand aufs Handgelenk, »Ich bin mir Rache genug!«
»Das habe ich noch gar nicht betlacht!« sagte Tilly glücklich, »Habt Ihr Judas doch weiß Gott tausendmal aufgehängt, wieder abgeschnitten und abermals aufgehängt!«
»Und werde es auch fürderhin tun, so Gott will!« sagte Dame Musset.
»Von der Hand jenes Mannes«, sagte Patience Scalpel, »muß ja mehr reuige Qual tropfen als von der Hand Lady Macbeths, und sie muß heißer brennen als die Zunge einer Sehlange!«
»Er murmelt im Schlaf«, sagte die Tuek-and-Frill, »und wälzt sich von einer Seite auf die andere und findet keine Ruhe!«
»Das ist einmal ein Mann«, sagte Dame Musset wohlgefällig, »der nicht großtut.«

ZODIAK
Dies ist der Teil über den  Himmel,  der nie erzählt worden ist.
Nach Satans Fall (und als er fiel, stieß Luzifer einen Schrei aus,
der vom einen Ende des Ohn-End-und-Auf-Immerdar zu hören war)
scharten die ganzen Engel, Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe,
Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische,
alle, alle scharten sich so dicht zusammen, daß sie nicht auseinanderzuhalten waren.
Und keine neun Monate später war unterm Himmelsdom ein großmächtiges
Frohlocken zu hören, und aus der Mitte fiel, ungeheuerlich
wie etwas längst Vergessenes, ein Ei zur Erde nieder und zerbarst beim Aufschlag
und heckte, und heraus trat eine, die sagte: »Verzeiht, ich muß los!«
Und das war die erste Frau, die mit einem Unterschied geboren worden war.
Danach schieden die Engel von
einander, und im Gesicht
eines jeden stand der
mütterliche Ausdruck.
Weshalb bloß?