Beatrix, Markgräfin von Saluzzo

Tochter aus der zweiten Ehe Manfreds

Welches seltsame, der menschlichen Vernunft nicht ausdeutbare, bald tragische, bald komische Spiel die Geschichte mit ihren Hauptgestalten und Nebenfiguren treibt, wie wankelmütig und unberechenbar deren Verhalten in politisch bewegten Zeiten ist, dafür sind die beiden Töchter Manfreds, Konstanze und Beatrix, ein Beispiel.
Nach der Niederlage und dem Tod ihres Vaters König Manfred 1266 in der Schlacht von Benevent gegen Karl I. von Anjou, nach dem mißglückten Fluchtplan der Mutter Helena von Epirus und deren Gefangennahme wurden die sechsjährige Tochter Beatrix und die drei noch jüngeren Söhne Heinrich (Enrico), Friedrich und Ansolino (Enzio) von der Mutter getrennt. Sie sah ihre Kinder nie wieder.
In Beatrix glaubte Karl I. von Anjou ein Faustpfand zu besitzen, durch das mancherlei politische Vorteile zu gewinnen waren. Tatsächlich sollte Beatrix im Leben Karls von Anjou, allerdings nicht in dem von ihm erhofften Sinn, eine bedeutende Rolle spielen.
Das erste, was wir von Beatrix (geboren 1261/5) erfahren, ist, daß sie ein Jahr, nachdem ihre Mutter 1271 auf Nocera gestorben war, im Castel dell’ Ovo festgehalten wurde. Dort blieb sie bis zu ihrer Befreiung im Jahr 1284.
Castel dell' Ovo hieß damals San Salvatore a Mare. Es liegt nicht wie das Castel Nuovo unmittelbar an der Küste der Bucht von Neapel, sondern im Meer, und ist mit Neapel durch eine Brücke verbunden. Aus grauem Tuffstein auf einem Felsriff errichtet, liegt es düster im heiteren Meer der Bucht. Als Bauherrn vermutet man Lucullus. 1221 ließ Friedrich II. es erweitern.
Wegen seiner schönen Lage bevorzugte es Karl I. von Anjou als Lustschloß für sich und seine Familie. Die Zeiten waren nicht empfindsam. Das Ziel ihrer Männer war, Macht zu gewinnen und mit der Macht das Recht auf ihrer Seite zu haben. Unterlegene Gegner des Mächtigen wurden unerbittlich bestraft oder aus dem Weg geräumt. Nicht nur das Regiment Karls I. von Anjou war so. Friedrich IL, von seinem Vater Heinrich VI. zu schweigen, hat nicht minder hart regiert. Der Unterschied zwischen dem Haus Anjou und den Staufern liegt auf einer anderen Ebene. Besiegte oder Gefangene wußten, daß sie derselben Macht unterlagen, die sie angestrebt hatten. Ihr Trachten ging dahin, zu überleben, um wieder die Macht zu gewinnen, aus der heraus sie strafen konnten. Die Entscheidung lag in den Händen Fortunas.
Karl I. von Anjou verwandte Castel dell' Ovo als Staatsgefängnis. Der Umstand, daß er das Kastell zugleich mit seinen Gefangenen bewohnte, gab ihm das Gefühl der Sicherheit, daß sie nicht befreit und entführt würden. Er hat sich in Castel dell'Ovo aufgehalten, während Beatrix, auch Konradin dessen Gefangene waren. Konradin wurde 1268 von hier aus zur Hinrichtung geführt.
Ob die achtjährige Beatrix schon damals auf Castel del’Ovo war, wissen wir nicht, können es aber vermuten. Wir kennen einige ihrer Mitgefangenen. So die Tochter des Grafen Jordanus Lancia (Giordanino), eines Oheims König Manfreds. Die  Großmutter der Beatrix war Bianca Lancia, die Geliebte und vielleicht spätere Gattin Friedrichs II Jordanus Lancia hatte seinem Neffen Manfred die Treue bis zu dessen Tod bewahrt und war als Gefangener von Karl von Anjou nach der Schlacht von Benevent gerufen worden, um zu bezeugen, daß der seiner Kleider beraubte  und  durch  die  Verwundungen  unkenntlich gewordene Tote tatsächlich Manfred sei. Jordanus Lancia war von Karl von Anjou als Gefangener  nach   Frankreich  gebracht  worden,  konnte sich durch Überwältigung seiner Wächter befreien, wurde wieder eingefangen und hungerte sich, nachdem er geblendet worden war und ihm ein Fuß und eine Hand abgeschlagen worden waren, zu Tode. — Neben der Tochter des Jordanus Lancia wurde ein Mann in Castel dell' Ovo festgehalten, der sich als König Manfred ausgegeben hatte und 1273 aufgegriffen worden war; später wurde er auf Castel del Monte Mitgefangener der Söhne Manfreds.
Beatrix, noch ein Kind, wurde von einer Donzella, einer Dienerin, betreut. Zu ihrem Unterhalt erhielt sie zwei Goldtari täglich. Sie blieb bis 1284 auf Castel dell' Ovo gefangen, also von ihrem sechsten bis zu ihrem 24. Lebensjahr. Dann geriet sie in den Strudel der geschichtlichen Ereignisse, denen sie ihre Befreiung verdankt.
1282 empörten sich die Sizilianer gegen die harte Herrschaft Karls von Anjou und rächten sich nicht minder hart an den verhaßten Franzosen. Weil der Aufstand während der Vesper am zweiten Osterfeiertag, dem 30. März, in Palermo begann, wurde er die Sizilianische Vesper genannt. Die Sizilianer schüttelten das französische Joch der Anjous ab und wählten Peter von Aragon zu ihrem König. So verlor Karl I. von Anjou Sizilien, das auf dem Weg über das aragonische Königshaus wieder in staufischen Besitz kam.
Die Staufer waren schon mit den Aragoniern verwandt. Die Tochter Alfons II. von Aragonien, Konstanze, war, nach dem Tod ihres ersten Gatten Emrich von Ungarn, 1209 die erste Gattin Kaiser Friedrichs II geworden. Richildis von Babenberg, eine Nichte Kaiser Friedrichs I. Barbarossas, war seit 1150 mit König Alfons VII. von Leon und Aragonien vermählt.
Bald nach der Sizilianischen Vesper brach der Kampf zwischen Peter III. von Sizilien und Karl I. von Anjou aus, der Sizilien zurückerobern wollte.
Die sizilianische Flotte erschien im Golf von Neapel.

»Es war am 5. Juni 1284, als die Sizilianer die große Seeschlacht im Angesicht von Neapel schlugen,  unter  dem  Befehl  des  berühmten Admirals Ruggiero Loria. Karls von Anjou Tochter sah derselben von den Zinnen des Castel dell' Ovo zu, ängstlich des Ausgangs harrend; und nicht minder besorgt mochte die unglückliche Tochter Manfreds (Beatrix) der Entscheidung entgegengesehen haben. Jene Prinzessin sah die neapolitanische Flotte untergehen oder fliehen; ihr Bruder Karl ward gefangen; es kamen zwei sizilianische Galeeren vor das Kastell; der Admiral Ruggiero Loria forderte die unverzügliche Auslieferung der Tochter Manfreds und drohte, wenn sie verweigert werde, Karls von Anjou Sohn auf seinem Schiff enthaupten zu lassen. Die Gefangene wurde ausgeliefert. Nach achtzehn Jahren sah sie die Freiheit wieder; ihre ganze Jugend hatte sie im Gefängnis verlebt. Man führte sie im Triumph nach Messina, wo ihre Schwester Konstanze, Gemahlin Peters von Aragon, sie wie eine von den Toten Erstandene begrüßte.« (Gregorovius)

Beatrix, jetzt etwa 24 Jahre alt, von denen sie 18 Jahre in Gefangenschaft gelebt hatte, wurde nach ihrer Befreiung 1287 mit Manfred, dem Sohn des Markgrafen des im Piemontesischen gelegenen Saluzzo, vermählt.
Sie starb 1307.
Die Frage stellte sich, warum 1284 nicht auch die Brüder der Beatrix befreit wurden. Über ihr Schicksal entschied die Staatsraison. Die Söhne Manfreds waren nach dem Tod Konradins die rechtmäßigen Nachfolger und Erben der Staufer, und als solche hätten sie sowohl die Herrschaft der Aragonesen über Sizilien wie die der Anjou über Neapel gefährden können. So wäre für beide miteinander verfeindete Häuser die Freilassung der Söhne Manfreds eine Gefahr gewesen. Aber die Gefangenschaft des Sohnes Karls von Anjou läßt eine Milderung in der Behandlung der damals schon in Castel del Monte gefangenen Söhne Manfreds vermuten.
Aus Kummer über die Gefangenschaft seines Sohnes starb der verdüsterte Karl I. von Anjou am 7. Januar 1285 in Foggia. Sein Sohn Karl II. von Anjou konnte erst drei Jahre später die Nachfolge in Neapel antreten. Denn erst 1288 wird er von König Jakob, der seinem Vater Peter von Aragon auf den Thron von Sizilien gefolgt war, und auf Vermittlung des Königs von England freigelassen.