Konstanze von Aragonien

Erste Gemahlin Kaiser Friedrichs II.

Zum Spektrum der vielschichtigen Persönlichkeit des Kaisers gehört sein Verhalten zu seinen Ehefrauen. Ob er auch in diesem Verhalten »der erste moderne Mensch auf dem Thron« war (Jakob Burckhardt) oder das Urbild des Übermenschen (Nietzsche), bleibe der Deutung aus dem Geist der Zeit oder der persönlichen Einstellung vorbehalten. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der viel liebende Kaiser alles andere als ein guter Ehemann gewesen war, ganz im Gegensatz zu seinem Großvater Kaiser Friedrich I. Barbarossa, den die Zeitgenossen einen Pantoffelhelden nannten.
Vielleicht besteht die Möglichkeit, das Verhältnis Friedrichs II. zu seinen Ehefrauen, das unlösbar zu seiner Persönlichkeit gehört, als »Menschliches, Allzumenschliches« oder als »Jenseits von Gut und Böse« zu betrachten.
Nach dem frühen plötzlichen Tod des Vaters, Kaiser Heinrichs VI. (1197), und dem bald darauffolgenden der Mutter, Konstanze von Sizilien (1198), blieb deren einziger Sohn Friedrich als vierjähriges Waisenkind in Palermo zurück. Daß er, ein Mündel des Papstes, bettelarm und ohne jede geregelte Erziehung wild heranwuchs, mag, sooft dies wiederholt wurde, dennoch eine Legende sein, um die äußere und innere Frühreife des Knaben, des puer Apuliae, um so wunderbarer erscheinen zu lassen. Friedrich wurde von dem stauferfreundlichen Walther von Pagliara, Bischof von Troja (1195— 1231), dann Bischof von Catania (1221—1231) in Obhut genommen — Friedrich hat ihn also noch als Kaiser hochgehalten.

»Er versah die Sorge für den Knaben klug und glücklich.« (Kleine sizilische Chronik.)

An seinem 14. Geburtstag, als Friedrich volljährig wurde, schrieb Papst Innozenz III. über sein Mündel:

»Wie es von den Cäsaren, Seinesgleichen, heißt, kommt die Mannhaftigkeit vor der Zeit, und mit raschen Schritten läßt er das Knabenalter hinter sich zurück, tritt ein in das Alter der Einsicht und eilt mit seinen Kräften den Jahren voraus.«

In dieser Zeit war Friedrich mit Sancha, der jüngsten Tochter des Königs Alfons II. von Aragonien, verlobt; der Papst, Lehensherr über Aragonien wie Sizilien, drängte auf eine Eheschließung Friedrichs mit der älteren Schwester Sanchas, Konstanze.
Auch hier erwies sich die päpstliche Kurie, wie auch sonst, als Heiratsvermittlerin, die die Familienverhältnisse des gesamten europäischen Adels genau kannte und Ehen nach eigenem machtpolitischem Vorteil, oft unter Druck, zu schließen bestrebt war, wobei auf das Glück der Paare kein Wert gelegt wurde. Vielfach lernten die Ehepartner einander erst bei der Eheschließung kennen, zuweilen sogar erst danach.
Konstanze, die Tochter König Alfons II. von Aragonien, war zehn Jahre älter als der vierzehnjährige Friedrich und bereits Witwe nach dem ungarischen König Emerich, der 1204 gestorben war. Sie hatte ein leidgeprüftes Leben hinter sich. Ihr Gatte Emerich wurde von seinem ehrgeizigen Bruder Andreas bekämpft, der den unmündigen Sohn Emerichs und Konstanzes, Ladislaus III., verdrängte. Ladislaus kam ums Leben, und Konstanze kehrte, nachdem ihr Schwager den Thron erobert hatte, in ihre Heimat nach Aragonien zurück.
Friedrich beugte sich widerstrebend dem Wunsch des Papstes. Verlockend war die Mitgift: 500 spanische Ritter unter der Führung von Konstanzes Bruder, dem Grafen Alfons von Provence, die Friedrich zur Bekämpfung der sizilianischen Barone nötig brauchte.
Ein sizilianischer Bischof schloß als Vertreter Friedrichs im Dom von Saragossa die Ehe. Am 19. August 1209 traf Konstanze mit den 500 Rittern unter dem Grafen Alfons in Palermo ein, wo die Hochzeit mit großem Pomp gefeiert wurde.
In  Aragonien, das damals am  Anfang seiner Glanzperiode stand, hatte Friedrich eine Stütze für seine politischen Pläne, zumal sein Oheim Philipp von Schwaben, der in Deutschland die staufische Herrschaft gegen den Welfen Otto IV. verteidigt hatte, 1208 in Bamberg ermordet worden war. Auch im sizilianischen Königreich herrschte ein Chaos. In der älteren und gereiften Konstanze, die als ehemalige Königin in verworrenen politischen Verhältnissen Erfahrungen gesammelt hatte, fand Friedrich nicht nur eine Ratgeberin; sie war eine vornehme, gebildete  Dame aus  einem  geistig hochstehenden Geschlecht, die auf den noch ungezügelten blutjungen Gatten einen sittigenden Einfluß ausübte.
Sie hat mit ihrem Gatten die politischen Wirren und kriegerischen Auseinandersetzungen um die Herrschaft über Deutschland und Sizilien mutig überstanden und die ersten Glanzpunkte seiner Laufbahn miterlebt. Sie ist die einzige Frau, die Friedrich auf seinen Reisen mitnahm. Ob Friedrich sie geliebt hat? Den äußeren Anzeichen nach hat er sie geschätzt, wohl auch geachtet. 1211 gebar sie ihm in ihrem einzigen Kind den Erben und Thronfolger Heinrich. Die Ehe dauerte weiterhin elf Jahre, blieb aber ohne Kinder.
Zwischen 1216 und 1220 wurde Friedrich ein »natürlicher«, also außerehelicher Sohn, Enzio, geboren. Die vermutliche Mutter war Adelheid, ein schwäbisches Edelfräulein, die einzige Deutsche, mit der Friedrich ein Kind hatte. Der von den Chronisten als schön, blondhaarig und von mittlerer Größe, als mutig und tapfer beschriebene Enzio, war vom Vater besonders geliebt worden und hatte als Knabe den Kosenamen »Falconellus« (Falkenjunge) erhalten. Er wurde als Liederdichter berühmt. Er starb als langjähriger Gefangener der Stadt Bologna 1272.
Außereheliche Verhältnisse und »natürliche« Kinder waren in der Sitte der Zeit nichts Außergewöhnliches. Bei Friedrich zeigte sich schon früh eine Neigung, die später der Neapolitaner Pandolfo Collenuccio hervorhob:

»Er war ein allzugroßer Liebhaber der Frauen und hatte viele Konkubinen, und er führte eine Schar der schönsten Frauen mit sich.«

Er wurde daher als »Sultan von Lucera« verspottet. (Lucera war von Friedrich für die aufständischen Sarazenen aus Sizilien bestimmt worden; sie stellten später als besonders getreue Untertanen die Leibwache des Kaisers.)

Für Konstanze ergaben sich aus der politisch ruhelosen Zeit vielerlei Gefahren. 1211 war der Welfe Otto IV., der Gegenkönig, bis vor Messina vorgedrungen und bedrohte Sizilien. In Palermo standen schon die Schiffe bereit, die Konstanze und ihr Söhnlein nach Nordafrika bringen sollten.
Konstanze bangte vor dieser Flucht, hatte sie doch ihren fünfjährigen Sohn Ladislaus aus erster Ehe ebenfalls während kriegerischer Wirren verloren. Es kam nicht so weit. Otto IV. zog sich, vom Papst gebannt, nach Deutschland zurück.
Ende Februar 1212 unternahm Friedrich, damals 18 Jahre alt, von den deutschen Fürsten zur Annahme der Kaiserkrone gerufen, die abenteuerliche Reise nach Deutschland. Konstanze bangte um ihn und versuchte ihn zurückzuhalten; sie stellte dem nur von wenigen Getreuen begleiteten Gatten die Gefahren eines Krieges vor, verwies auf die Ermordung seines Oheims Philipp von Schwaben, und bat, sie mit dem Knaben Heinrich nicht schutzlos in Sizilien zurückzulassen. Friedrich übertrug Konstanze für seine Abwesenheit die Herrschaft über das unruhige Sizilien, ein Zeichen dafür, welches Vertrauen er ihr entgegenbrachte. Seine Herrschaft über Sizilien war noch keineswegs gefestigt. Seine Hauptstütze, die 500 spanischen Ritter, waren mit dem Grafen Alfons von Provence zum größten Teil einer Seuche erlegen. Friedrich wagte den gefährlichen Zug nach Deutschland und gewann die Krone.
1216 rief Friedrich seine Gemahlin nach Deutschland. Sie sah ihren Gatten nach vier Jahren als gekrönten König wieder und erlebte die Freude, daß ihr Sohn mit dem Herzogtum Schwaben belehnt wurde, das Rektorat über Burgund übertragen erhielt, schließlich in Frankfurt zum deutschen König gewählt wurde. Friedrich konnte aufatmen: 1218 war der hartnäckige Gegner der Staufer, Otto IV., gestorben.
Schließlich kam auch für Konstanze der große Tag der Kaiserkrönung in Rom am 22. November 1220.
Friedrich hatte sich acht Jahre in Deutschland aufgehalten, davon war Konstanze vier Jahre bei ihm gewesen. Im September begann das zahlreiche Gefolge, das sich auf dem Lechfeld bei Augsburg versammelt hatte, über den Brenner nach Bozen zu ziehen. Acht Jahre vorher hatte sich Friedrich über die Alpenpässe nach Deutschland durchschlagen müssen. Nun kehrte er, Deutschlands sicher, nach Italien zurück. In Rom bewegte sich der festliche Zug auf der Via Triumphalis durch die Porta Collina zur Peterskirche. Bei der Feier trug Friedrich den prachtvollen Krönungsmantel seines Großvaters Roger von Sizilien, aufs Haupt wurde ihm die Krone Karls des Großen gesetzt. Kaiserin Konstanze wurde zur Kaiserin gekrönt. Schon lange hatte keine Kaiserkrönung so feierlich und ungestört stattgefunden, »ohne jede Behelligung durch die Römer, wie es kaum von einem Kaiser gehört worden ist«. (Salimbene von Parma.) Das Volk jubelte.
Von nun an ward Konstanze ein ruhiges Leben an der Seite Friedrichs gegönnt. Der 26jährige Kaiser stand in der Blüte seiner Schaffenskraft und seines Ruhmes. Aber Konstanze war nur noch eine kurze Lebenszeit vorbehalten. Sie starb nach 13jähriger Ehe am 23. Juni 1222 in Catania.
Sie wurde in einem antiken Sarkophag im Dom zu Palermo beigesetzt, in einem mit Gold und Perlen bestickten karmesinroten, von Juwelen bedeckten Gewand; von dem mit Edelsteinen verzierten Diadem mit kufischen Schriftzeichen und eingravierten Delphinen hängen an den beiden Seiten nach Art der Krone byzantinischer Kaiserinnen Juwelenketten herab.
Konstanze ist die einzige seiner vier Frauen, die neben dem Kaiser ruht. Ihre Grabinschrift lautet:

Ich war Siziliens Königin und Kaiserin, Constantia, Hier wohn ich nun, Friedrich, Deine Frau.