Jolanthe von Jerusalem

Zweite Gemahlin Kaiser Friedrichs II.

Die zweite Ehe Kaiser Friedrichs II., die 1225, drei Jahre nach Konstanzes Tod, geschlossen wurde, dauerte nur drei Jahre. Auch zu dieser Ehe hatte der Papst gedrängt, auch ihr hatte Friedrich nur widerwillig zugestimmt.
Die französische Syrerin Jolanthe (auch Isabella genannt) war die Tochter des Johann von Brienne und der Maria von Jerusalem, einer Enkelin Amalrichs I. von Jerusalem; von ihrer Mutter hatte sie den Königstitel geerbt. Jolanthe brachte ihn ihrem Gatten als Mitgift ein; aber nicht mehr, denn die Grafen von Brienne waren, wenngleich hochgebildet, so doch arm. Sie hatten an allen bisherigen Kreuzzügen teilgenommen und trieben als deren Strandgut durch die nahöstlichen Länder und deren Geschichte.
1187 war das Königreich Jerusalem an den Sultan Saladin von Ägypten verlorengegangen, weswegen Jolanthe nur noch der Königstitel zukam. Der Papst hatte die Ehe Friedrichs mit Jolanthe als Erbin des Königreichs Jerusalem darum gewünscht, weil Friedrich noch immer zögerte, das bei seiner Krönung 1215 in Aachen abgelegte Kreuzzugsgelübde einzulösen.
Jolanthe, 1211/1212 geboren, durch ihre Schönheit, Vornehmheit und Bildung weithin bekannt, war erst 13/14 Jahre, als sich der doppelt so alte Friedrich entschloß, sie zu heiraten. Wieder wurde zunächst die Trauung ohne den Bräutigam in der Heiligkreuzkirche in Akkon vollzogen, wobei der spätere Erzbischof von Capua den Kaiser vertrat. In Tyrins wurde Jolanthe zur Königin von Jerusalem gekrönt; die Barone und Ritter ihres Königreiches huldigten ihr.
Sie wurde mit zwanzig Galeeren, begleitet von hohen geistlichen und weltlichen Würdenträgern, über Zypern, wo sie ihre Tante, die Königin Alice von Zypern, besuchte und schweren Abschied nahm, nach Brindisi gebracht. Diese Brautfahrt wird in dem deutschen Epos »Ortnit« wie ein Märchen erzählt.
Am 9. November 1225 schritten Friedrich und Jolanthe von Brienne über den Mosaikfußboden der Kathedrale mit der Darstellung der Rolandsage an den Traualtar.
Unter dem Gefolge Jolanthes befand sich eine ihrer Nichten. Sie gefiel dem Kaiser besser als die ihm eben angetraute Frau, so daß er diese in der Brautnacht vergaß und sich der Nichte widmete.
Am Morgen gab es deswegen einen heftigen Familienstreit. Der empörte Vater Jolanthes zürnte seinem Schwiegersohn, der ihm den Titel des Königs von Jerusalem genommen (tatsächlich stand er nur seiner Tochter zu) und seine Tochter mißachtet habe; er beschimpfte seinen Schwiegersohn als Sohn eines Schlächters — ein alter Vorwurf, Friedrich sei seiner schon zu alten Mutter als Sohn eines Fleischers unterschoben worden; er warf Friedrich vor, er stelle seinen Verwandten mit Gift und Dolch nach. Ein Wort gab das andere, Johann von Brienne verließ Brindisi im Zorn und reiste nach Rom, um dem Papst brühwarm zu berichten, was vorgefallen war. (Später bekämpfte Johann von Brienne an der Seite des Papstes Friedrich II.; nachdem durch den fragwürdigen vierten Kreuzzug das byzantinische in ein »lateinisches« Kaiserreich umgewandelt worden war, wurde er 1229 Mitkaiser von Konstantinopel, während Friedrich II. während seines Kreuzzugs sich die Königskrone von Jerusalem erwarb.)
Mit dem Liebesabenteuer des Kaisers in seiner Hochzeitsnacht wird ein Liebesgedicht in Zusammenhang gebracht, Verse an die Fior di Soria (Syrerblume), ein Sehnsuchtslied an die ferne Geliebte, ohne die der Geliebte wie Schnee schmilzt (sciolglio come neve), ohne die ihm ein Tag zu tausend Jahren wird — geh, mein seliges Lied, hin zur syrischen Blume — Canzonetta gioiosa, va la, fior di Soria!
Das Gedicht steht am Anfang vieler italienischer Lyrikanthologien. —
Getrübt wie der Hochzeitstag blieb auch das künftige Leben Jolanthes — es dauerte nur noch drei Jahre.
Zunächst lebte Jolanthe auf dem Schloß Terracina bei Salerno, dann in Sizilien, wohl im königlichen Palast in Palermo, in Pracht und Luxus, aber wie eine Orientalin abgesondert im kaiserlichen »Harem«. 1226 brachte sie ein Mädchen zur Welt, das bald nach der Geburt starb.
Während der Vorbereitungen zum Kreuzzug Friedrichs 1227 war Jolanthe beim Kaiser in Apulien. Zum Schutz vor der sich ausbreitenden Seuche wurde sie nach Otranto gebracht, wo sie Ende April 1228 den Sohn Konrad gebar. Zehn Tage später starb sie an den Folgen der Geburt. Sie wurde in der Krypta des Domes von Andria bestattet, unweit von Castel del Monte. (Auch die dritte Gemahlin Friedrichs, Isabella von England, wurde dort beigesetzt.) Ihr Grab ist verschollen.
Ein Gerücht will wissen, daß sie mit dem Landgrafen Ludwig von Thüringen, dem Gemahl der hl. Elisabeth, der zum Kreuzzug nach Brindisi gekommen war, an einem Liebestrank gestorben sei.
Im Todesjahr Jolanthes trat Friedrich II., obwohl vom Papst gebannt, endlich den einige Male verschobenen Kreuzzug an, wohl in der Absicht oder doch mit dem Nebengedanken, nun richtiger König von Jerusalem zu werden. Er führte den Kreuzzug ohne Krieg und erhielt durch Verhandlungen mit dem ägyptischen Sultan al-Malik al-Kamil durch einen für zehn Jahre geschlossenen Vertrag Jerusalem, Bethlehem und Nazareth.
Am 18. März 1229 setzte sich Friedrich in der Kirche des Heiligen Grabes, weil kein Priester den Gebannten zu krönen wagte, die Krone von Jerusalem selber aufs Haupt — übrigens aus der Gesinnung seiner normannischen Vorfahren, die sich von Christus und nicht vom Papst gekrönt meinten.
Das Vermächtnis der kurzen Ehe mit Jolanthe blieb der Sohn Konrad. Weil der in der ersten Ehe geborene Nachfolger König Heinrich (VII.) abgesetzt und bis zu seinem Tod in der Gefangenschaft des Vaters gehalten worden war, trat Konrad als Konrad IV. die Nachfolge Kaiser Friedrichs II. an. Er wurde der Vater Konradins.
Sieben Jahre nach dem Tod Jolanthes heiratete Friedrich in dritter Ehe die dritte Tochter des englischen Königs Johann »ohne Land«.