Die objektiven Situationsbedingungen der Befragten

5.1 Sozialstruktur und Sozialisation

Die objektiven Situationsbedingungen der befragten Mädchen sind aus der Analyse ihrer Situation in vier Bereichen ersichtlich: Situationsbereich Herkunftsfamilie, Situationsbereich Schule, Ausbildung und Beruf, Situationsbereich Partner und Situationsbereich Freizeit und Konsum. Bevor wir jedoch die entsprechenden Daten aus unserer Untersuchung darstellen, seien in diesem Abschnitt kurz einige allgemeine sozialstrukturelle Bedingungen zur Situation der Frau erwähnt, die auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene die Restriktivität der Situationsbedingungen für Mädchen deutlicher hervortreten lassen. Es geht dabei vor allem um die Feststellung von sozialen Barrieren, die das Erreichen bestimmter Verhaltensziele dadurch verhindern, daß sie den Erwerb legitimer Mittel einschränken.
Aus der Fülle vorliegenden Materials zur Analyse der Situation der Frau (u.a. Pross 1969; Schwarzer 1973; Menschik 1971; Nave-Herz 1972; Schmidt et al. 1973) läßt sich eine allgemeine untergeordnete soziale Stellung der Frau vor allem im beruflichen Bereich ableiten:

  • Frauen erhalten insgesamt eine schlechtere Ausbildung als Männer;
  • bei gleicher Ausbildung nehmen Frauen durchschnittlich schlechtere Berufspositionen ein als Männer;
  • bei gleicher beruflicher Position werden Frauen fast durchgängig schlechter bezahlt als Männer; —  erwerbstätige Frauen konzentrieren sich auf untergeordnete Tätigkeitsbereiche;
  • von einigen Berufen sind Frauen vollständig ausgeschlossen.

Trotz weitgehender formal-echtlicher Gleichstellung bestärkt die vorherrschende Geschlechtsrollenideologie (These 9) diese Benachteiligung von Frauen. Der Betonung eines vorwiegend traditionell geprägten Rollenleitbildes — in Schullesebüchern, Illustrierten auffindbar — entspricht eine Aufrechterhaltung von Vorurteilen gegenüber Frauen in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen, wie Schmidt et al. (1973) nachweisen. Auch die Propagierung der »Doppelrolle« verpflichtet die Frau in erster Linie der Familie. Die Funktion der vorherrschenden Geschlechtsrollenideologie ist vor allem in der Stabilisierung der bestehen den geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu sehen, so daß eine Emanzipation der Frau Veränderungen der Sozialstruktur (Arbeitsorganisation und Machtverhältnisse) bedingen würde.

Eine interessante Interpretation solcher möglichen Veränderungen liefert Gehlen in einem 1973 veröffentlichten Aufsatz. Er befürchtet mit dem »zunehmenden matriarchalischen Einfluß«, der mit einer Emanzipation einhergehe, vermehrte Konflikte, die der »Lebensqualität« der Frau abträglich seien; ferner deutet er, der »von der Rätselhaftigkeit und Undurchsichtigkeit des weiblichen Wesens überzeugt« ist, eine Abnahme sozialer Unterschiede zwischen Mann und Frau als zunehmende Dekadenz (Gehlen 1973, S. 6, 10, 12).

Für unsere Fragestellung lassen sich aus der vorliegenden Literatur zur Situation der Frau im wesentlichen zwei Ergebnisse festhalten, die unsere Thesen (Thesen 9 und 10) belegen:

(1)   Frauen nehmen ihre soziale Diskriminierung zumeist nicht wahr, sondern identifizieren sich mit dem vorherrschenden — eher traditionellen — Leitbild, so daß ihnen eher legitime Mittel zur Erreichung damit verbundener Ziele verfügbar sind.

(2)  Wird jedoch die soziale Restriktion wahrgenommen und das Leitbild verändert, so sind auf der sozialstrukturellen Ebene legitime Mittel zur Erreichung der damit verbundenen veränderten Ziele nur schwer verfügbar.

5.2  Situationsbereich Herkunftsfamilie

Schichtzugehörigkeit in ihrer Bedeutung für die Sozialisation

Schichtspezifische Verhaltensmuster können als typische Formen von Problemlösungsstrategien verstanden werden; sie sind eine gemeinsame Antwort auf ähnlich erfahrene Probleme. Die unterschiedlichen Erfahrungen am Arbeitsplatz von Mittelschichts- und Unterschichtsangehörigen wirken sich auf den Ablauf des familialen Sozialisationsprozesses aus, wie verschiedene Untersuchungen, vor allem die von Kohn (1959, 1963), nachgewiesen haben. Insofern stellt das Schichtkriterium, das vor allem an der beruflichen Situation in ihren bildungsmäßigen und einkommensmäßigen Aspekten orientiert ist, ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für Erziehungsstile und bewußtseinsformende Konsequenzen familialer Sozialisation dar.

»Kinder der Mittel- und Unterschicht werden in sehr unterschiedliche Umweltbedingungen hineingeboren, übernehmen von ihren Eltern unterschiedliche Verhaltensorientierungen, stehen im täglichen Leben unterschiedlichen Problemstellungen gegenüber, kurzum: entwickeln einen in vieler Hinsicht andersartigen Erfahrungshorizont« (Oevermann 1966, S. 169).
Milhoffer (1973) stellt die in diesem Zusammenhang interessanten Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Sozialisation dar. Danach dominieren entsprechend den unterschiedlichen Zukunftsperspektiven für Unter- und Mittelschicht in der UnterschiclvLeher gegenwartsorientierte, in der Mittelschicht eher zukunftsorientierte erzieherische Wertvorstellungen. Außerdem kann man davon ausgehen, daß das Erziehungsklima in der Familie um so autoritärer ist, je niedriger die Berufsposition des Vaters einzuordnen ist. Je höher das Ausbildungsniveau der Eltern ist, desto eher finden sich akzeptierende und egalitäre Einstellungen gegenüber den Bedürfnissen des Kindes. Während in der Mittelschicht die Sozialisation auf die individuelle Entwicklung des Kindes ausgerichtet ist, zielt sie in der Unterschicht eher auf Anpassung ab. »Für die familiale Erziehungspraxis der Unterschichten allgemein ist ... ein Syndrom von Verhaltensweisen typisch, das durch ein hohes Maß an jConformitätstendenzen. Kontrollierungen und Disziplinierungen gekennzeichnet werden kann, wogegen Prinzipien wie Selbständigkeit, Selbstkontrolle, Unabhängigkeit von der Beeinflussung durch andere, Wißbegierde und Kreativität nur eine verschwindend geringe Rolle spielen. Erziehungsprinzipien wie Selbständigkeit, Selbstkontrolle etc. sind demgegenüber bezeichnend für die aufstiegs- und zukunftsorientierte Erziehungskonzeption in den mittleren Schichten« (Milhoffer 1973, S. 194 f.).

In dieser Untersuchung erfolgt die Zuordnung der Befragten zu unterschiedlichen sozialen Schichten nach dem Modell von Kleining und Moore (1960, 1968) anhand des Berufs des Vaters. Demnach gehört der Oberschicht kein Vater der befragten Mädchen an. Zur oberen Mittelschicht zählen 11%, zur mittleren Mittelschicht 16% und zur unteren Mittelschicht 21%. Der oberen Unterschicht sind 30% zuzurechnen, 15% zur unteren Unterschicht und 3% zu den sozial Verachteten. Unter den väterlichen Berufspositionen stellen die kleinen bis mittleren Angestellten die größte Gruppe dar, nämlich 18%. 14% der Väter der befragten Mädchen sind Arbeiter, 11% Handwerker; Facharbeiter, Beamte, höhere Beamte und Angestellte sowie Selbständige stellen jeweils einen Anteil von je 9% der Väter. Insgesamt sind die Väter besser ausgebildet als ihre Frauen. Der weitaus größte Teil der Väter der Befragten hat Volksschulabschluß, 16% der Väter haben die Mittlere Reife und 14% das Abitur. Einen höheren Schulabschluß als ihre Ehefrauen haben 21% der Väter. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen 83% der Väter (43% der Mütter). Während die Väter alle berufstätig sind, arbeiten nur knapp die Hälfte der Mütter. Das Familieneinkommen (netto) liegt in der Regel zwischen 1000- und 2000- DM, das der Väter zwischen 1100und 1500,—, das der Mütter zwischen 500,— und 900,— DM, wobei zwischen Einkommen der Mütter und Schichtzugehörigkeit kein signifikanter Zusammenhang besteht.

Es sind etwas mehr Mütter aus der Unterschicht als aus der Mittelschicht berufstätig. Bei dieser Zordnung (Schicht/Beruf des Ehemannes) wird davon ausgegangen, daß auch heute noch der soziale Status einer verheirateten Frau nach dem Status ihres Ehemannes beurteilt wird. Wenn man jedoch die Mütter der befragten Mädchen anhand ihres Berufes verschiedenen Schichten zuordnet (ebenfalls nach einem von Kleining und Moore entwickelten Instrument), so gehören in 55% der Fälle die Mütter einer niedrigeren Schicht an als ihre Ehemänner. Nur in 12% der Fälle wäre die Mutter anhand ihres Berufes höher einzustufen als der Vater.

Familienkonstellation

Von den befragten 237 Mädchen der Geburtsjahrgänge 1948—1952 ist der größere Teil in einer vollständigen Elternfamilie aufgewachsen: bis zum 2. Lebensjahr 87% der Mädchen, bis zum 7. Lebensjahr 82%, bis zum 14. Lebensjahr 74% und bis zum Zeitpunkt der Befragung 62%. Das bedeutet, daß aus der Familienkonstellation heraus Hinweise auf Sozialisationsdefizite durch gestörte Familienverhältnisse in 38% der Fälle bestehen: Trennung oder Scheidung der Eltern in 56 Fällen (in 12 Fällen bereits im ersten oder zweiten Lebensjahr der Mädchen), Tod eines oder beider Elternteile in 22 Fällen, uneheliche Geburt in 11 Fällen. Es bestehen hierbei keine schichtspezifischen Unterschiede. Fast alle diese Mädchen sind jedoch entweder bei einem Elternteil, in einer Stiefelternfamilie oder bei Pflegeeltern aufgewachsen, nur 4 Mädchen lebten von Geburt an im Heim.

84% der Mädchen haben Geschwister: 25% der Mädchen haben nur Brüder, 22% nur Schwestern. 40% der Mädchen, die Geschwister haben, sind die ältesten von ihren Geschwistern, 31% die jüngsten. Rund 20% der Mädchen haben mehr als 2 Geschwister und zwar überwiegend Mädchen aus der Unterschicht.

Familiale Beziehungsstruktur in ihrer Bedeutung für die Sozialisation

Die Entwicklungschancen eines Menschen hängen im wesentlichen davon ab, welche Bedeutung den Eltern als emotionalen Bezugspersonen und als Kontrollinstanz zukommt, sowie welche Konflikte das Familienleben beherrschen. In dieser Untersuchung wurde versucht, durch einige Fragen lediglich Hinweise auf die oben angeführten Punkte zu erlangen. In Anlehnung an Zelditch (1964) lassen sich die Elternrollen in der Familie folgendermaßen kennzeichnen: die Mutter ist mit ihren »sozial-expressiven« Fähigkeiten, die den Umgang mit Menschen in kleinen Gruppen betreffen, der emotionale Führer in der Familie; der Vater hingegen mit seinen »instrumentellen« Fähigkeiten, die den Außenbereich der Familie betreffen, hat die größere Macht- und Einflußposition. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen eine entsprechende Tendenz. Bei 43% der Mädchen hatte der Vater zuhause mehr zu sagen, während die Mutter nur in 25% der Fälle als dominant bezeichnet wurde. Bei 32% der Mädchen hatten beide Elternteile gleich viel zu sagen. Dabei lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Unterschicht und Mittelschicht feststellen. Von den Unterschichtmädchen wird eher jeweils ein Elternteil als dominant bezeichnet, wobei der Vater überwiegt. Wenn die Mutter genannt wird, dann fast nur von Mädchen aus der unteren Unterschicht.

Dies bestätigt auf der einen Seite die Ergebnisse von Kreutz (1969), auf die Bauer (1970) hinweist: Wahrscheinlich aufgrund des Zwanges zum Mitverdienen ist die Stellung der Mutter als Entscheidungsperson und Kontrollinstanz in der Unterschicht stärker ausgeprägt. Auf der anderen Seite ist der in allen neueren familiensoziologischen Untersuchungen festgestellte Wandel vom patriarchalischen zum partnerschaftlichen Leitbild der Gattenbeziehungen (Schelsky 1955; Wurzbacher 1954; Neidhardt 1966; Mayntz 1955) hier nur in wenigen Fällen und dann nur in der Mittelschicht, vor allem der höheren, anzunehmen.

Es besteht nach den Ergebnissen dieser Untersuchung die Tendenz, daß in den Familien, wo die Mutter auch berufstätig ist, beide Elternteile gleichviel zu sagen haben, vor allem da, wo die Mutter einem qualifizierteren Beruf nachgeht. Bei Ungehorsam hatten 51% der befragten Mädchen mehr Angst vor dem Vater gegenüber 34%, die die Mutter mehr fürchteten. Auch hier gibt es signifikante schichtspezifische Unterschiede: Mädchen der Unterschicht haben eher Angst vor jeweils einem Elternteil, Mädchen aus der Mittelschicht überwiegen in der Gruppe derer, die vor beiden Angst haben. Vor der Mutter haben vor allem Mädchen aus der unteren Unterschicht sowie der oberen Mittelschicht Angst. Die Mutter wurde überwiegend als diejenige genannt, die den Mädchen die meisten Vorschriften gemacht hat (47%), der Vater wurde von 30% genannt. Hier sind keine schichtspezifischen Unterschiede festzustellen. Das heißt also, daß zwar die Mutter in erster Linie den Mädchen  Verhaltensanweisungen gibt, die strafende Instanz bei Nichteinhaltung aber eher der Vater ist, vor dem man dann auch bei Ungehorsam überwiegend Angst hat, um so eher, wenn er auch derjenige ist, der in der Familie mehr zu sagen hat als die Mutter.

Familiale Konflikte

214 (91,3%) Mädchen äußern sich zu den gegenseitigen Beziehungen ihrer Eltern bzw. Ersatzeltern. Fast 90% dieser Mädchen berichten von Streitigkeiten der Eltern untereinander, wobei sich in 43% der Fälle die Eltern häufig stritten. Dabei ging es in erster Linie um finanzielle Dinge (28%) und um Erziehungsfragen (27%). Unterschichteltern, vor allem aus der unteren Unterschicht, streiten signifikant öfter als Mittelschichteltern, vor allem Eltern der oberen Mittelschicht. Häufiger als in der Unterschicht streitet man sich in der Mittelschicht um alltägliche Kleinigkeiten; in der Unterschicht ergeben sich häufiger Streitereien aus bestimmten Verhaltensweisen der Eltern, wie Trunkenheit oder Eifersucht des Vaters. Darüber hinaus streiten sich Eltern am häufigsten, wenn die Mutter einer unqualifizierten Arbeit nachgeht, und am wenigsten bei qualifizierter Tätigkeit der Mutter. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß am wenigsten Spannungen in den Familien zu finden sind, die ein eher partnerschaftliches Leitbild der Gattenbeziehungen zu verwirklichen scheinen. Auch wenn ein Elternteil, sei es der Vater, sei es die Mutter, eine völlig unangefochtene Autorität in der Familie hat, scheint es nicht allzugroße Spannungen zu geben. Die größten Konflikte jedoch treten in den Familien auf, wo die Machtposition jeweils eines Elternteils in Frage gestellt wird. Letzteres ist vor allem in der unteren Unterschicht der Fall, was auch in verschiedenen Untersuchungen festgestellt wurde.

Danach sind auch die Eltern-Kind-Beziehungen in der Unterschicht vor allem durch die Wahrung der elterlichen Autorität gekennzeichnet, während demgegenüber in der Mittelschicht eher die Förderung der individuellen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes im Vordergrund steht. So ist auch »der affektive Kontext, in dem die Sozialisation stattfindet, ... nach den Untersuchungen von McKinley (1964), Myers und Roberts (1959) u.a. in der Arbeiterfamilie im Vergleich zur Mittelschichtsfamilie häufiger durch Ablehnung und Indifferenz gekennzeichnet. Diese Einstellung trifft besonders für den Vater zu, weniger für die Mutter. Die Ehekonflikte, der Rückzug des Vaters aus der Erziehung, seine frustrierende Berufssituation und die Schwierigkeiten der Ehefrau- und Mutterrolle, die räumlichen und hygienischen Verhältnisse sind für die Art der emotionalen Beziehung verantwortlich« (Gottschalch 1971, S. 97).

Beziehung zum  Vater

Diesen Feststellungen zufolge müßten Mädchen der Unterschicht ihrem Vater eher ablehnend gegenüberstehen. Auch die Ergebnisse unserer Untersuchung tendieren zu dieser Annahme (p = 0,10). Etwa zwei Drittel der befragten Mädchen, die einen Vater (auch Stiefvater) haben, verneinten die Frage, ob sie einen Mann wie ihren Vater heiraten würden, wobei in erster Linie negativ beurteilte Persönlichkeitsmerkmale angeführt wurden, dann negativ beurteiltes Verhalten im weiteren sozialen Bereich und in bezug auf die Familie: »er ist autoritär, sieht Frauen als minderwertig an«, »Pantoffelheld«, ,,er ist ein Säufer«, »er ist altmodisch und stur«, »sein Beruf paßt mir nicht« sind einige Antwortbeispiele. Im Falle einer Bejahung der Frage wurden vor allem positiv beurteilte Persönlichkeitsmerkmale angeführt, z.B.: »er ist verständnisvoll, einsichtig und tolerant«, »er ist rücksichtsvoll, häuslich, trinkt nicht«, »arbeitsam, hilfsbereit«, »er ist nett und treu, er arbeitet«, »ja, weil man das Gefühl hat, von ihm gut beschützt zu sein«. Die Mädchen, die einen Mann wie ihren Vater heiraten würden, sind fast alle bis zum 14. Lebensjahr in einer vollständigen Elternfamilie aufgewachsen, während fast alle anderen einen Mann wie ihren Vater nicht heiraten würden.

Beziehung zur Mutter

Intensiver als die Beziehung zum Vater scheint im allgemeinen die Beziehung zur Mutter zu sein. 58% der befragten Mädchen berichteten, daß ihre Mutter ihnen von ihren Sorgen erzähle. In 71% der Fälle belastete es die Mädchen, wenn sie wußten, daß ihre Mutter Sorgen hat. Dies trifft für alle Schichten gleichermaßen zu. Dieses Ergebnis läßt darauf schließen, daß in allen Schichten Mädchen dazu neigen, sich mit den Problemen ihrer Mütter zu identifizieren. Und zwar ist die Identifikation um so stärker, je weniger Spannungen in der Familie vorhanden sind: Wo die Eltern häufig streiten, belasten die Sorgen der Mutter die Mädchen weniger.

Erziehungshaltung der Eltern

Die Mutter wird in allen Schichten — wie schon erwähnt — überwiegend als diejenige genannt, die die meisten Vorschriften gemacht hat. Auch die Art der Verhaltensanweisungen, die den Mädchen gegeben werden, ist für alle Schichten fast gleich. Sie bezogen sich vor allem auf pünktliches Nachhausekommen zu einer bestimmten Zeit (189 von insgesamt 457 Nennungen), auf anständiges Benehmen, Sauberkeit und Ordnung (98), auf Hilfe im Haushalt (93) und auf die Art der Freunde (55). Nur 22.Nennungen beinhalteten Vorschriften bezüglich Schule und Beruf. Vor allem Unterschichteltern legen Wert auf anständiges Benehmen, Sauberkeit und Ordnung sowie Hilfe im Haushalt. Diese Ergebnisse entsprechen weitgehend den Ergebnissen von Kreutz (1969) und Göbel (1964).
In meiner Untersuchung hatten nur 20% der Eltern etwas gegen die beruflichen Pläne der Mädchen einzuwenden, wobei sie vor allem eine andere Art Arbeit für ihre Töchter wünschten. Mit den Freunden ihrer Töchter waren hingegen 40% der Eltern nicht einverstanden; die Einwände richteten sich auf bestimmte Verhaltensweisen oder den sozialen Status des Partners.

Diese Ergebnisse weisen auf eine allgemein eher restriktive Erziehungshaltung der Eltern gegenüber Mädchen hin. So geben auch von den Mädchen, die Brüder haben, über die Hälfte an, daß ihre Brüder anders erzogen werden; sie hätten vor allem mehr Freiheit als die Mädchen. Nur wenige Mädchen fühlen sich jedoch ihren Brüdern gegenüber benachteiligt. Zwei Drittel der Mädchen würden ihre Kinder anders erziehen, als sie selbst erzogen worden sind, wobei im Vordergrund steht, daß sie ihren eigenen Kindern mehr Freiheit gewähren und sie besser aufklären würden.
Dennoch bleiben die Eltern weiterhin Bezugspunkt bei der Lösung von Problemen: 56% der Befragten würden bei auftretenden Schwierigkeiten ihre Eltern um Hilfe bitten. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei Giesecke (1967), Jaide (1969) und Schofield (1965). Dabei lassen sich Zusammenhänge mit der Autoritätsstruktur und den Konflikten in der Familie feststellen: Mädchen bitten am ehesten dann ihre Eltern um Hilfe bei Schwierigkeiten, wenn beide Elternteile gleichviel zu sagen hatten und gleichermaßen Vorschriften machten, am wenigsten, wenn die Mutter zuhause mehr zu sagen hatte und auch diejenige war, die die meisten Vorschriften gemacht hat. Ferner gehen Mädchen eher dann ihre Eltern um Hilfe an, wenn sie sich selten oder gar nicht streiten.

Geschlechtsspezifische Sozialisation

Zu der unterschiedlichen Erziehung von Mädchen und Jungen sind in unserer Untersuchung keine Daten erhoben worden. Die entsprechenden Unterschiede werden in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen. Danach setzen geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse schon in frühester Kindheit ein; sie vermitteln die Rollen, die allgemein als männlich oder weiblich definiert sind. Von der Definition der weiblichen Geschlechtsrolle her sind auch die unterschiedlichen Erziehungstechniken gegenüber Mädchen und Jungen zu erklären. So werden bei Mädchen eher psychologische Maßnahmen angewandt; als Sanktionen bei falschem Verhalten wird primär mit Liebesentzug gedroht. Von daher besteht eine starke Abhängigkeit von der Zuwendung der Erziehungsperson, die sich auch auf das weitere Verhalten von Mädchen auswirkt (vgl. u.a. Neidhardt 1967; Lehr 1969; Gottschalch 1971; Bauer 1970). Ergebnisse wie die von Bronfenbrenner (1965), daß Mädchen gehorsamer, ängstlicher, schüchterner und Ablehnung gegenüber empfindlicher sind, können damit erklärt werden.

5.3  Index: Sozialisationsdefizite

Für eine erfolgreiche Sozialisation — erfolgreich in dem Sinne, daß je schicht- oder gruppenspezifische Verhaltensmuster (Problemlösungsstrategien) entsprechend den Handlungszielen adäquat vermittelt werden — ist vor allem in der primären Phase die Qualität des-familiären emotionalen Klimas von Bedeutung, wie eine Reihe von Untersuchungen nachgewiesen hat (Bowlby 1951; Bronfenbrenner 1958; Bandura/Walters 1965; u.a.).
Eine unvollständige Elternfamilie, elterliche Konflikte, stark autoritäres Erziehungsverhalten, mangelnde Identifikationsmöglichkeit mit der Mutter, Ablehnung des Vaters, die Wahrnehmung einer Benachteiligung durch die Eltern im Vergleich zu den Geschwistern deuten unter anderem darauf hin, daß die Bedingungen für eine erfolgreiche Sozialisation nicht gegeben sind. Das heißt also, daß die Wahrscheinlichkeit für den Erwerb adäquater Problemlösungsmuster im Sinne legitimer Mittel (zweite Hypothesenkomponente) sich verringert.
Aus den von mir erhobenen Daten lassen sich Hinweise auf Sozialisationsdefizite aus 16 entsprechenden Merkmalen ableiten (s. 3.2, tabellarische Übersicht). Je nach Häufigkeit des Zutreffens der einzelnen Merkmale wurden drei Gruppen[1] gebildet: Demnach sind bei 59 Mädchen (25%) kaum Sozialisationsdefizite festzustellen, bei 84 Mädchen (35%) findet sich eine mittlere und bei 94 Mädchen (40%) eine starke Ausprägung von Sozialisationsdefiziten.

Den vorangegangenen Ausführungen zufolge ist eine stärkere Ausprägung von Sozialisationsdefiziten bei den Mädchen aus der Unterschicht zu erwarten. Wie Tabelle 15 zeigt, läßt sich tatsächlich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und Sozialisationsdefiziten in diesem Sinne feststellen.

Tabelle 15:  Schichtzugehörigkeit und Sozialisationsdefizite

Schicht Sozialisationsdefizite    
  schwach mittel stark
Mittelschicht (100%)
n = 112
33% 37% 30%
Unterschicht (100%)
n = 125
21% 33% 46%

Es zeigen also 46% der Unterschichtmädchen starke Sozialisationsdefizite gegenüber nur 30% der Mittelschichtmädchen. Die deutliche Abhebung zwischen Mittelschicht und Unterschicht verliert aber ihre Konturen, wenn man die Unter- und die Mittelschicht jeweils weiter auffächert.
In Tabelle 16 zeigt sich, daß die eben angeführten signifikanten Unterschiede zwischen Unterschicht und Mittelschicht vor allem durch die untere Unterschicht auf der einen und die mittlere Mittelschicht auf der anderen Seite bedingt sind, während die Unterschiede zwischen unterer Mittelschicht und oberer Unterschicht nicht so groß sind.

Tabelle 16: Schichtzugehörigkeit und Sozialisationsdefizite

Schicht Sozialisation defizite  
  schwach mittel stark
obere Mittelschicht 36% 36% 28%
mittlere Mittelschicht 40% 36% 24%
untere Mittelschicht 27% 38% 35%
obere Unterschicht 21% 36% 43%
untere Unterschicht 20% 31% 49%

Dementsprechend sind starke Sozialisationsdefizite am häufigsten (zu 54%) bei Töchtern ungelernter Arbeiter und (zu 42%) bei Töchtern von Angestellten zu finden, wohingegen weniger Sozialisationsdefizite bei Töchtern von Facharbeitern und Beamten festzustellen sind.

Abschließend sei in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, daß die Feststellung kaum vorhandener Sozialisationsdefizite auch bedeuten kann, daß gerade bei der Anwendung gefühlsbetonter Erziehungspraktiken, wie sie bei Mädchen üblich ist, die Gefahr der »Übersozialisation« besteht, was Bronfenbrenner (1965) angedeutet hat. Das heißt, daß eine überstarke emotionale Fundierung im familiären Bereich die Auseinandersetzung mit widersprüchlichen Erwartungen und die Kontaktaufnahme außerfamiliärer Beziehungen erschwert.

5.4  Situationsbereich Schule, Ausbildung und Beruf

Ausbildung und Berufstätigkeit

Zwei Drittel der befragten Mädchen haben Volksschulabschluß: bei den Befragten aus der Unterschicht sind es 85% gegenüber 44% bei denen aus der Mittelschicht. Etwa ein Viertel der befragten Mädchen hat die Mittlere Reife: während es aber bei der Mittelschicht 38% sind, liegt der Anteil bei der Unterschicht nur bei 7%.
Zum Zeitpunkt der Befragung ist rund ein Drittel der Mädchen noch in der Ausbildung: 40 Mädchen machen eine Lehre, 15 besuchen die Oberschule, 13 Mädchen studieren. Ein Einfluß der Schichtzugehörigkeit zeigt sich darin, daß weiterführende Schulen und Hochschulen- fast nur von Mädchen aus der Mittelschicht besucht werden; eine Lehre machen 40% der Mädchen aus der Mittelschicht gegenüber 68% aus der Unterschicht.

Die meisten Mädchen gehen zum Zeitpunkt der Befragung einem kaufmännischen Anlern- oder Lehrberuf nach (42%; ein Fünftel davon Verkäuferinnen — sie kommen fast ausschließlich aus der Unterschicht). 10% der Mädchen arbeiten in einem handwerklichen Beruf (z.B. Friseuse), 7% in einem sozialen Beruf (Kindergärtnerin und -pflegerin). Jeweils 6% sind in einem hauswirtschaftlichen Beruf (Haushalts-, Küchenhilfe, Putzfrau) und als Arbeiterin tätig; sie kommen fast alle aus der Unterschicht. 34 Mädchen sind nicht berufstätig: Sie sind bis auf 2 Mädchen alle verheiratet und stammen vorwiegend aus der Unterschicht. Die 34 Mädchen, die keiner Arbeit nachgehen, haben nach der Schulentlassung bis zu ihrer Heirat gearbeitet: 14 in einem kaufmännischen, 8 in einem handwerklichen Beruf, 3 als Arbeiterin.
Über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen 99 Mädchen (42%) und zwar überwiegend kaufmännische Ausbildung; 25 Mädchen (10,5%), 20 davon aus der Unterschicht, haben ihre Ausbildung abgebrochen und 36 Mädchen (15%), 24 davon aus der Unterschicht, haben keine Ausbildung. Sie arbeiten vorwiegend als Arbeiterin und in hauswirtschaftlichen Berufen oder gehen keiner Arbeit mehr nach.

Von den 61 Mädchen ohne abgeschlossene Berufsausbildung — drei Viertel von ihnen stammen aus der Unterschicht — würden 40, vor allem die verheirateten, gerne eine Berufsausbildung haben. Begründet wird der Wunsch nach Berufsausbildung mit dem Wunsch nach besserem beruflichen Weiterkommen und besserem Verdienst. Als Berufswünsche werden Verkäuferin, Friseuse, Kindergärtnerin genannt. Die keine Berufsausbildung wünschen — es sind vorwiegend die ohne einen festen Freund aus der Unterschicht —, begründen das damit, daß man als Frau keinen Beruf brauche, da man ja sowieso heirate.

Die Tätigkeit der Mädchen zum Zeitpunkt der Befragung hängt signifikant mit der Berufsausbildung und dem Beruf des Vaters wie auch der Mutter zusammen.

Die Väter der Arbeiterinnen sind vorwiegend auch Arbeiter. Kein höherer Beamter oder freiberuflich Tätiger hat eine Tochter, die Arbeiterin ist. Mädchen in hauswirtschaftlichen Berufen und Verkäuferinnen sind Töchter von Arbeitern, Mädchen in kaufmännischen Anlern- und Lehrberufen sind Töchter von Angestellten, Beamten und Facharbeitern. Handwerkliche Berufe üben die Töchter von Selbständigen, Handwerkern und Angestellten aus. Die Väter der Mädchen, die einen sozialen Beruf ausüben, sind Angestellte und Arbeiter. Die Väter der keiner Arbeit nachgehenden Mädchen sind Arbeiter und Angestellte. Die Väter der Oberschülerinnen und Studentinnen sind vorwiegend höhere Angestellte und Beamte oder 84 freiberuflich tätig und haben selbst ein Studium abgeschlossen. Töchter von Müttern mit Berufsausbildung wählen meist den gleichen Beruf wie ihre Mütter, ausgenommen die sozialen Berufe.[2] 52% der Mütter sind nicht mehr berufstätig.

Über die schichtspezifischen Einflüsse hinaus lassen sich zusätzlich Zusammenhänge zwischen Sozialisationsdefiziten und der Art der Tätigkeit zum Zeitpunkt der Befragung feststellen: Die stärksten Sozialisationsdefizite weisen die Mädchen auf, die in hauswirtschaftlichen Berufen tätig sind (zu 69%), die Verkäuferinnen (65%), die Hausfrauen (56%), die in sozialen Berufen Tätigen (50%) und die Arbeiterinnen (48%). Am wenigsten Sozialisationsdefizite zeigen Mädchen in,handwerklichen Berufen und Schülerinnen (jeweils 41%).

Von der Ausbildungssituation her betrachtet, zeigen vor allem die Mädchen, die über keine Berufsausbildung verfügen, starke Sozialisationsdefizite (zu 63%) — überwiegend diejenigen, die mehrfach ihre Arbeitsstelle gewechselt haben; an zweiter Stelle diejenigen, die ihre Ausbildung abgebrochen haben (zu 52%), schließlich zu 46% diejenigen, die nach abgeschlossener Ausbildung ihren Beruf wechselten.

Bewertung von Erwerbstätigkeit und Arbeitsplatzsituation

Einschließlich der Lehrlinge gehen zum Zeitpunkt der Befragung 176 Mädchen (75%) einer Berufstätigkeit nach. Sie wurden gefragt, was ihnen an ihrer Arbeit am besten gefiele. Die meisten (40%) nennen die Arbeit selbst, also die Art der Arbeit; es sind dies vor allem die Mädchen, die einen sozialen Beruf ausüben, und solche, die einem handwerklichen Beruf nachgehen. Diese Gruppe hat auch am ehesten nichts Negatives über ihre Arbeit zu berichten, allenfalls bezeichnen die Mädchen in handwerklichen Berufen das Betriebsklima als schlecht oder es werden sonstige Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Verdienst oder körperliche Anstrengung negativ bewertet. 31% der berufstätigen Mädchen gefällt am besten das Betriebsklima, und zwar überwiegend denen, die einen kaufmännischen Anlern- oder Lehrberuf ausüben, und den Arbeiterinnen. Negativ beurteilen sie vor allem die Art der Arbeit oder sonstige Arbeitsbedingungen. 22% der Mädchen gefallen am besten an ihrer Arbeit die sonstigen Arbeitsbedingungen wie guter Verdienst und der Umgang mit Menschen. Hierzu gehören vor allem die Verkäuferinnen. Negativ beurteilen sie die ungünstige Arbeitszeit. 7% schließlich finden nichts Positives an ihrer Arbeit — es sind vor allem Mädchen, die in hauswirtschaftlichen Berufen tätig sind. 24% der berufstätigen Mädchen haben keinerlei Kritik an ihrer Arbeit anzubringen.

Streitigkeiten mit Arbeitskollegen haben zwei Drittel der berufstätigen Mädchen, vor allem die Arbeiterinnen, Friseusen und Küchenhilfen. Bei den Friseusen handelt es sich vorwiegend um eher private Dinge (Klatsch). Dies wird auch im ganzen als häufigster Grund für Streitereien genannt (27%). In je 18% der Fälle gibt es Differenzen wegen Kritik an der eigenen Arbeitsweise oder wegen Ausnutzung der eigenen untergeordneten Position. Mädchen in sozialen und kaufmännischen Berufen haben die wenigsten Konflikte mit Arbeitskollegen. Schwierigkeiten mit Vorgesetzten haben nur 30% der berufstätigen Mädchen, dann jedoch in über der Hälfte der Fälle dadurch, daß sie von den Vorgesetzten ausgenutzt werden. Es sind dies vor allem Mädchen in sozialen und kaufmännischen Berufen.

62% aller Befragten hätten bei einer Berufstätigkeit als Vorgesetzte lieber Männer, 30% ist es egal, und nur 8% bevorzugen Frauen. 52% aller Befragten arbeiten lieber mit Männern als mit Frauen zusammen, darunter fast alle Mädchen, denen ein Bruder vorgezogen wurde, und alle die, die eher ihren Partner als ihre Eltern um Hilfe bei Problemen bitten; 38% ist es egal und 10% arbeiten lieber mit Frauen zusammen.
Insgesamt kann als bedeutsam bei den angeführten Ergebnissen festgehalten werden:  Während die Schichtzugehörigkeit der Mädchen ihre Schul- und Berufsausbildung sowie die Berufswahl stark determiniert, hat sie keinen Einfluß mehr auf die Beurteilung der Arbeit wie der Arbeitsbedingungen und das Verhalten am Arbeitsplatz. Diese Dinge werden ausschließlich von der Art der Berufstätigkeit geprägt.
So hängt auch der Wunsch nach anderer Tätigkeit — ermittelt durch die Frage, ob die Mädchen beruflich lieber etwas anderes gemacht hätten, was 45% aller Befragten bejahten — nicht mit der Schichtzugehörigkeit zusammen, jedoch mit der Art der Berufstätigkeit. Zusätzlich zeigt sich hier ein Einfluß der Sozialisationsdefizite: Die Mädchen, die beruflich lieber etwas anderes tun würden, zeigen stärker Sozialisationsdefizite (zu 49% gegenüber 32%).
Am liebsten etwas anderes tun würden fast zwei Drittel der Arbeiterinnen und an zweiter Stelle die Verkäuferinnen. Knapp die Hälfte der Mädchen in kaufmännischen Berufen würde ebenfalls eine andere Arbeit vorziehen. Am zufriedensten sind die Hausfrauen und die Mädchen in handwerklichen Berufen: hier würden nur jeweils ein Drittel gern eine andere Tätigkeit ausüben.

Als Grund für den Wunsch nach einer anderen Tätigkeit wird in den meisten Fällen die Bevorzugung einer anderen Tätigkeit, am häufigsten Friseuse, genannt und zwar vor allem von den Verkäuferinnen und den Hausfrauen. An zweiter Stelle ging es um das Streben nach höherem Status; in 18% der Fälle hätten die Mädchen gerne studiert, vor allem Mädchen in kaufmännischen Lehrberufen.

Mädchen, die lieber beruflich etwas anderes gemacht hätten, haben vorwiegend Volksschulabschluß und verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung; an ihrer jetzigen Arbeit gefällt ihnen vor allem die Art der Arbeit nicht; ihre Eltern haben ihnen kaum Vorschriften gemacht; die Eltern waren meist nicht mit ihrem Beruf einverstanden und wünschten für sie eine längere Ausbildung; eines ihrer Geschwister (meist Schwester) wurde ihnen vorgezogen; ihre Brüder hatten mehr Freiheit.

Berufsperspektiven

Nur 27% aller Befragten haben vor, später ständig berufstätig zu sein, allen voran die Oberschülerinnen und Studentinnen, dann noch ein größerer Teil der Mädchen, die einen handwerklichen Beruf ausüben. Zu 63% stammen sie aus der Mittelschicht. 51% der Befragten aus allen Berufen wollen später überhaupt nicht mehr berufstätig sein (57% der Unterschicht gegenüber 43% der Mittelschicht). Von einer zeitweisen Berufstätigkeit sprechen insgesamt 9% der Mädchen, vor allem diejenigen, die zur Zeit keiner Arbeit nachgehen und die einen hauswirtschaftlichen Beruf ausüben. Teilzeitbeschäftigung fassen nur 6% ins Auge, vor allem Mädchen in sozialen Berufen und Verkäuferinnen.
Diejenigen, die nicht berufstätig sein wollen, begründen das mit Heirat und vor allem mit Kindern. Einige geben an, keine Lust zu irgendeiner Arbeit zu haben. Eine zeitweise Berufstätigkeit wird damit begründet, daß man solange arbeiten wolle, bis Kinder da seien, und eventuell dann wieder, wenn die Kinder größer seien. Eine Teilzeitbeschäftigung wird ebenfalls mit dem Vorhandensein von Kindern begründet und zum anderen mit dem Beitrag zur Erhöhung des gemeinsamen Lebensstandards.

Volle Berufstätigkeit wird in 23 Fällen, vor allem von den 87 Mädchen, die keinen festen Partner haben, damit begründet, daß man eigenständig sein wolle und nicht damit rechne, von einem Mann ernährt zu werden. In 19 Fällen wird der Spaß am Beruf genannt, in 14 Fällen die Schaffung der Unabhängigkeit vom Ehemann durch eigene Berufstätigkeit.
Aufschlußreich zu diesem Punkt sind folgende Ergebnisse: Später voll berufstätig sein wollen neben 73% der Schülerinnen und Studentinnen 34% der Lehrlinge und 27% der Mädchen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben und noch im gleichen Beruf arbeiten. Einer Teilzeit- oder zeitweisen Beschäftigung wollen 23% der Mädchen mit abgeschlossener Berufsausbildung nachgehen. Später nicht berufstätig sein wollen an erster Stelle 66% der Mädchen ohne Ausbildung und 59% der Mädchen mit abgeschlossener Ausbildung und anschließendem Berufswechsel. Weiter besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem eigenen derzeitigen Netto-Einkommen und den späteren beruflichen Absichten: Mädchen, die zur Zeit über 700 DM verdienen, denken am ehesten daran, später voll berufstätig zu sein; Mädchen, die zwischen 500 und 700 DM verdienen, denken am ehesten an Teilzeit- oder zeitweise Arbeit. Die unter 500 DM verdienen, stellen den größten Anteil derer, die nie mehr arbeiten wollen.

Während ein Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Vaters besteht — dahingehend, daß am ehesten Töchter von Arbeitern und Facharbeitern nie mehr, Töchter von höheren Angestellten und Beamten dagegen voll berufstätig sein wollen —, besteht keinerlei Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Mutter und den Absichten des Mädchens, später berufstätig zu sein oder nicht.

Daß vor allem diejenigen nie mehr berufstätig sein wollen, die keine Bekannten haben und ihre Freizeit nur mit ihrem Partner, vorwiegend zuhause beim Fernsehen verbringen, zeigt, daß es die anderen gegenüber am wenigsten aufgeschlossenen Mädchen sind, die sich an Haus und Herd klammern.

Diejenigen, die ihre Kinder liebevoller und verständnisvoller erziehen wollen, stellen den größten Anteil derer, die nicht mehr arbeiten wollen.

Und schließlich wirkt sich noch ein weiteres Elternverhalten aus: Vor allem diejenigen wollen später berufstätig sein, deren Eltern sich vorwiegend wegen finanzieller Dinge stritten.

5.5  Index: Unzufriedenheit im Beruf

Die allgemeine Annahme, daß Mädchen eher zu konformem Verhalten neigen, wird üblicherweise auch auf das Arbeitsverhalten ausgedehnt. Danach wäre zu erwarten, 88 daß die meisten Mädchen aufgrund ihrer Anpassungshaltung kaum Schwierigkeiten im Arbeitsbereich haben und mit ihrer beruflichen Situation weitgehend zufrieden sind. Haben sie jedoch sehr stark traditionelle Ziele vor Augen, die eine Berufstätigkeit nicht beinhalten, so dürften sie mit jeder Art von Berufstätigkeit unzufrieden sein. Auf der anderen Seite mag Zufriedenheit mit der beruflichen Situation ein Hinweis darauf sein, daß Mädchen, die eine gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit anstreben, eher einer qualifizierteren Arbeit nachgehen und von daher zufriedener sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen mehr auf die letztere Annahme hin.
Der Index »Unzufriedenheit im Beruf« wird unter der Annahme gebildet, daß die Wahrnehmung einer unbefriedigenden Situation im Berufsleben ein Hinweis auf das Fehlen legitimer Mittel zur Verwirklichung sowohl des emanzipatorischen wie des traditionellen Leitbildes ist. Es lassen sich hier aus 11 Fragen (s. 3.2) Hinweise auf Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation gewinnen: Als Merkmale dienten unter anderem abgebrochene Ausbildung, häufiger Stellenwechsel, Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten, der Wunsch nach einer anderen Tätigkeit oder die Ablehnung von Berufstätigkeit überhaupt.[3]
84 Mädchen (35%) sind kaum unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation, 109 Mädchen (46%) sind einer Gruppe von mittlerer Unzufriedenheit zuzurechnen und 44 Mädchen (19%) schließlich sind stark unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Die Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation nimmt ab, je qualifizierter die ausgeübte Tätigkeit ist: am unzufriedensten sind die Arbeiterinnen (zu 60%; 40% in der Mittelgruppe), die Mädchen in kaufmännischen Anlernberufen (zu 37%) und in hauswirtschaftlichen Berufen (zu 36%). Am wenigsten Unzufriedenheit zeigen Mädchen in sozialen und handwerklichen Berufen. Da die Art der Berufswahl stark von der Schichtzugehörigkeit abhängig ist, lassen sich auch signifikante schichtspezifische Unterschiede hinsichtlich der Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation feststellen: Mädchen aus der Unterschicht zeigen stärkere Unzufriedenheit als Mädchen aus der Mittelschicht.

Tabelle 17: Schichtzugehörigkeit und Unzufriedenheit im Beruf Schicht

Schicht Unzufriedenheit im Beruf  
  schwach mittel stark
Mittelschicht 44% 28% 43%
n= 112      
Unterschicht 49% 13% 23%
n = 125      

Daß die Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation jedoch in erster Linie von der Art der Tätigkeit abhängt, wird auch dadurch bewiesen, daß — obgleich ein Zusammenhang zwischen Sozialisationsdefiziten und Berufswahl festgestellt wurde — sich kein Zusammenhang zwischen Sozialisationsdefiziten und Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation nachweisen läßt. Oder: Zwischen gelungener familialer Sozialisation und Berufszufriedenheit besteht — bei Mädchen — kein Zusammenhang, woraus sich die Hypothese formulieren ließe, daß in der Familie den Mädchen keine berufsadäquaten Problemlösungsmuster vermittelt werden (s. dazu die Annahmen zur weiblichen Sozialisation in Abschnitt 2.1).

5.6  Situationsbereich Partner

Von den zum Zeitpunkt der Befragung 18 bis 22 Jahre alten Mädchen sind 70 (29,5%) verheiratet, 123 (52%) haben einen festen Freund. Ohne Partner sind nur 44 Mädchen (19%).

Es besteht natürlich eine Beziehung zwischen Alter und Familienstand: verheiratet sind eher die älteren, ledig die jüngeren Mädchen. Bei den Mädchen, die keinen Partner haben, steht das jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Alter. Schichtspezifische Unterschiede sind hierbei nicht festzustellen. Allerdings hängt die jetzige Lebenssituation hochsignifikant damit zusammen, ob die Mädchen aus einer vollständigen Elternfamilie kommen oder nicht. Von denen, die in einer vollständigen Elternfamilie aufgewachsen sind, leben die meisten (66%) noch im Elternhaus, 26% sind verheiratet, 8% leben allein. Von den unehelich geborenen Mädchen sind 36% verheiratet, 27% leben allein. Bei 22 Mädchen starb ein Elternteil, hier sind 32% verheiratet, 18% leben allein. Das heißt, daß die Herkunft aus gestörten Familienverhältnissen die Mädchen dahingehend beeinflußt, daß sie eher heiraten oder auch eher allein leben. Keinen Einfluß hat diese Tatsache jedoch darauf, ob sie überhaupt einen Partner haben oder nicht. Insgesamt zeigen über die Hälfte aller verheirateten Mädchen starke Sozialisationsdefizite gegenüber einem Drittel der Mädchen ohne festen Freund und nur wenigen ledigen Mädchen mit einem festen Partner. 65 Mädchen (27% der Befragten) haben Kinder, meist ein Kind. 8 junge Mütter sind ledig, 2 geschieden. 63% aller Verheirateten haben auch ein Kind.

Heterosexuelle Beziehungen

Überwiegend ist der Freund oder Ehemann älter (in 161 Fällen), meist 2 bis 5 Jahre, nur in 10 Fällen jünger, in 22 Fällen gleich alt. Die meisten Mädchen kennen ihren Partner schon 2 bis 3 Jahre (41%). Bei einem Drittel der Mädchen ist der derzeitige Partner auch der erste feste Freund.
43% der befragten Mädchen lernten ihren ersten festen Freund im Alter von 14 bis 16 Jahren kennen, 38% waren 16 bis 18 Jahre alt. Insgesamt hatten nur 8 Mädchen noch nie einen festen Freund. Von denen, die noch zuhause leben, hatten 54% ihren ersten Freund erst im Alter über 16 Jahre; die anderen hatten überwiegend (65%) ihren ersten Freund unter 16.

31 Mädchen (13%) überwiegend aus der Mittelschicht hatten überhaupt noch keine sexuellen Beziehungen zu einem Mann (19 davon haben zur Zeit einen festen Freund), über die Hälfte der Mädchen hatte die ersten sexuellen Beziehungen bis zum 1 7. Lebensjahr. Dabei sind Mädchen aus der Unterschicht jünger als Mädchen aus der Mittelschicht, wenn sie die ersten sexuellen Beziehungen aufnehmen. Außer zu ihrem jetzigen Partner hatte fast die Hälfte der Mädchen auch sexuelle Beziehungen zu anderen Männern, jedoch nur 17% der Mädchen, deren Partner auch der erste feste Freund ist.

Von den 70 verheirateten Mädchen heirateten 39, als sie über 18 Jahre alt waren, die anderen heirateten früher. Mädchen, die bereits verheiratet sind, stammen überwiegend (zu 63%) aus Familien, in denen sich die Eltern häufig stritten, und zwar vor allem wegen bestimmter Verhaltensweisen der Elternteile oder wegen finanzieller Dinge. Auch nennen sie wesentlich häufiger als die Ledigen die Mutter als diejenige, die ihnen die meisten Vorschriften gemacht hat. Von ihnen würden auch nur 16% gegenüber 61% der Ledigen bei Schwierigkeiten die Eltern um Hilfe bitten.

Die 44 Mädchen ohne Partner scheinen am stärksten an die Herkunftsfamilie gebunden zu sein. Sie kommen aus intakten Familien, wo es auch selten Streitigkeiten der Eltern untereinander gab. Sie wohnen fast alle noch zu Hause und würden bei auftretenden Schwierigkeiten auch am ehesten ihre Eltern um Hilfe bitten. Dennoch fühlen sie sich am ehesten in der Lage, eine gewisse Eigenständigkeit zu entwickeln, denn immerhin 29 Mädchen dieser Gruppe möchten keinen festen Partner haben, weil sie ungebunden sein möchten und ihre eigenen Interessen verwirklichen möchten.

Zusammenfassend läßt sich hierzu festhalten: Mädchen aus intakten Familien sind stärker an die Familie gebunden. Sie wohnen länger zuhause und nehmen später heterosexuelle Freundschaften auf als Mädchen aus gestörten Familienverhältnissen. Mädchen aus gestörten Familienverhältnissen wechseln häufig den Partner. Schichtspezifische Unterschiede sind lediglich insofern festzustellen, als Mädchen aus der Unterschicht früher sexuelle Beziehungen aufnehmen und auch früher verbindliche Partnerbeziehungen eingehen möchten. Blücher (1966), Giesecke (1967), Schofield (1965) und Wurzbacher (1965) kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Soziale Herkunft des Partners

Die Annahme, daß Streben nach Sozialprestige bei Mädchen nicht direkt über eigene Leistung, sondern indirekt über die Partnerwahl vollzogen wird, läßt sich durch die Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen. So gehören in 42% der Fälle die Freunde und Ehemänner der befragten Mädchen einer höheren Schicht an als die Mädchen selbst. In den meisten Fällen ist der Partner jedoch der jeweils nächsthöheren Schicht zuzuordnen. In 37% aller Fälle gehören beide der gleichen Schicht an,und nur in 21% aller Fälle kommen die Mädchen aus einer höheren Schicht als ihre Partner.

Ein starker Zusammenhang besteht zwischen dem eigenen Schulabschluß und dem Schulabschluß des Partners. Stets (!) hat der Partner den gleichen oder einen besseren Schulabschluß. Ebenso besteht ein Zusammenhang zwischen der eigenen und der Berufstätigkeit des Partners: Arbeiterinnen, Mädchen in hauswirtschaftlichen Berufen und Verkäuferinnen haben fast nur Facharbeiter und Arbeiter zum Freund bzw. Ehemann. Mädchen in kaufmännischen Berufen sind mit Angestellten oder Handwerkern befreundet bzw. verheiratet, Mädchen in handwerklichen Berufen mit Handwerkern oder Facharbeitern. Die Freunde der Schülerinnen sind meist auch Schüler oder Studenten. Die Partner der Mädchen, die keiner Arbeit nachgehen, sind vorwiegend Facharbeiter oder Arbeiter.
Insgesamt sind die Männer im Vergleich zu ihren Partnerinnen besser ausgebildet und verdienen natürlich auch mehr. Während die meisten Mädchen zwischen 500 und 700 DM verdienen, erhalten ihre Partner zwischen 900 und 1100 DM netto monatlich.

Partnerbeziehung

Auf das Wichtigste in einer Ehe oder Freundschaft hin angesprochen, nennen sehr viele Mädchen das »gegenseitige Verstehen« (129 von insgesamt 350 Nennungen), an zweiter Stelle Treue und Vertrauen (91 Nennungen) und an dritter Stelle gemeinsame Interessen (zu ähnlichen Ergebnissen kommen Pfeil u.a. 1968, S. 78).

Fast die Hälfte der Mädchen, die einen Partner haben, betonen, daß sie sich in allen Bereichen gut mit ihrem Partner verstehen; es sind dies vorwiegend die Mädchen, die ihren Partner schon länger kennen, ansonsten werden gleiche Interessen und gleiche Anschauungen genannt, die sich vorwiegend auf Freizeitaktivitäten und Dinge der Familienplanung beziehen. Auf Differenzen in der Partnerbeziehung hin befragt, gibt nur etwa ein Viertel der Mädchen an, daß sie keine Differenzen hätten (vorwiegend die Mädchen, die ihren Partner noch nicht so lange kennen). Bei den anderen beziehen sich Differenzen vor allem auf bestimmte Einstellungen — »er geht alleine weg, ich darf das nicht«; »er ist sehr konservativ, die Frau gehört ins Haus«; »ich möchte ausgehen, er möchte zuhause bleiben« — sowie auf finanzielle Dinge im Zusammenhang mit gemeinsamen Anschaffungen. Dies deutet darauf hin, daß die Partner der Mädchen bezüglich der Rolle der Frau eher traditionelle Vorstellungen haben.

Auf die Frage, was ihnen an ihrem Partner besonders gut gefalle, nannten 53 Mädchen die Persönlichkeit des Partners, 36 betonten bestimmte Verhaltensweisen in bezug auf sich selbst:,,er ist treu«, »er vertraut mir«, »er ist nett zu mir«, »er hilft mir«; 30 Mädchen nannten einzelne Persönlichkeitsmerkmale: »ehrlich«, »bescheiden«, »ruhig«, »nicht egoistisch«; 24 Mädchen bezeichneten äußere Merkmale — vor allem die Mädchen, die ihren Partner erst kürzere Zeit kennen — wie Aussehen, Kleidung, Sauberkeit, körperliche Kraft; 21 Mädchen nannten Verhaltensweisen im weiteren sozialen und Arbeitsbereich wie Geselligkeit und Fleiß. 25 Mädchen schließlich gefällt alles an ihrem Partner. Auf die Frage, was sie nicht so gerne an ihrem Partner leiden mögen, benannten 52 Mädchen einzelne Persönlichkeitsmerkmale: »dickköpfig«, »zu selbstbewußt«, »stur«; 41 nannten bestimmte Verhaltensweisen im weiteren sozialen und Arbeitsbereich: »faul«, »trinkt zuviel«, »nicht ehrgeizig genug"; 33 nannten auf sie selbst bezogene Verhaltensweisen:»eifersüchtig«, »hilft mir nicht im Haushalt«, »meckert mich oft an"; 19 Mädchen bezeichneten äußere Merkmale: »unordentlich«, »unsauber«, »klein«. 44 Mädchen hatten nichts gegen ihren Partner einzuwenden, überwiegend diejenigen, die ihren Partner noch nicht so lange kennen. Fast alle Mädchen betonen, daß sie mit ihrem Partner über alles sprechen können. Hingegen würden— in der Meinung der Mädchen — nur 39% der Partner ihren Partnerinnen einen Seitensprung verzeihen, umgekehrt jedoch würden dies 59% der Mädchen ihren Partnern nachsehen, darunter sind fast alle Mädchen, die für sich eine volle Berufstätigkeit bejahen.

Zusammenfassung: In all den angeführten Punkten zum Situationsbereich Partner sind weder schichtspezifische noch altersspezifische Unterschiede festzustellen, auch unterscheiden sich verheiratete und ledige Mädchen mit Freund nur dadurch, daß die einen mit ihrem Partner zusammenleben und die anderen nicht. Insgesamt scheint sich das Abhängigkeitsverhältnis gegenüber den Eltern nun auf den Partner übertragen zu haben, verstärkt bei den verheirateten Mädchen. Überdies scheinen traditionelle Vorstellungen von einer Partnerbeziehung sowohl bei den Mädchen wie bei ihren Partnern vorzuherrschen (Genaueres hierzu wird die Analyse der Einstellungen im nächsten Kapitel ergeben). Die Untersuchungen von Jaide und Wurzbacher haben ähnliche Ergebnisse erbracht.

5.7  Index: Unbefriedigende Partnerbeziehung

Unbefriedigende Partnerbeziehungen werden im Sinne unserer Hypothesen als Hinweis auf fehlende legitime Mittel zur Verwirklichung vor allem des traditionellen Leitbildes interpretiert.
Hinweise auf unbefriedigende Partnerbeziehungen lassen sich in dieser Untersuchung aus 10 Merkmalen ableiten, die sich vor allem auf die zu verschiedenen Punkten geäußerte Kritik am Partner beziehen (s. 3.2).[4] Demnach kann man von den 193 Mädchen, die einen Partner haben, bei 22 Mädchen (11%) von einer stark unbefriedigenden Partnerbeziehung sprechen, bei 24 Mädchen (12%) von einer befriedigenden Partnerbeziehung. Der mittleren Gruppe sind die meisten, nämlich 147 Mädchen (77%) zuzurechnen.
Eigene Schichtzugehörigkeit, Sozialisationsdefizite und Unzufriedenheit im Beruf haben keinen Einfluß auf den Grad der Zufriedenheit mit dem Partner. Jedoch scheint die Stellung in der Geschwisterreihe eine Rolle zu spielen: So haben die befriedigendsten Partnerbeziehungen die Mädchen, die als mittlere in der Geschwisterreihe oder als Einzelkinder aufgewachsen sind; eher unbefriedigende Partnerbeziehungen haben die Jüngsten und die Ältesten.
Die Art der Partnerbeziehung ist nicht unabhängig vom Urteil der Eltern: Wenn die Eltern nicht mit dem Partner einverstanden sind, ist die Partnerbeziehung auch eher unbefriedigend. Eltern sind häufig dann mit dem Partner ihrer Tochter nicht einverstanden, wenn dieser der Unterschicht angehört.

Betrachtet man direkt, d.h. unabhängig vom Elternurteil, die Beziehung zwischen Schichtzugehörigkeit des Partners und der Zufriedenheit mit dem Partner, so zeigt sich ein klarer Zusammenhang (Tabelle 18).

Tabelle 18: Schichtzugehörigkeit Partner und unbefriedigende Partnerbeziehung (relativer Anteil)

Schicht /Partner Unbefriedigende - Partner- Beziehung
  Ausprägungs- grad  
  schwach mittel stark
obere Mittelschicht   100%  
mittlere Mittelschicht 28% 64% 8%
untere Mittelschicht   33% 54% 13%
obere Unterschicht 39% 52% 9%
untere Unterschicht 13% 53% 33%

Die Partnerbeziehung ist am stärksten unbefriedigend, wenn der Partner der unteren Unterschicht angehört. Dies bestätigt die Annahme, daß für eine befriedigende Partnerbeziehung die soziale Anerkennung des Partners von großer Bedeutung ist.

5.8  Situationsbereich Freizeit und Konsum

Peergroups: In allen jugendsoziologischen Abhandlungen ist man sich darüber einig, daß Peer-groups im Jugendalter besonders wichtig sind, da sie einen Verbindungsbereich zwischen der Familie und anderen institutionellen Bereichen der Gesellschaft bilden, somit die Loslösung von der Herkunftsfamilie und den Übergang in die Welt der Erwachsenen erleichtern. Mädchen jedoch scheinen diesbezüglich besonders ungünstigen Bedingungen ausgesetzt zu sein. Denn Mädchen sind insgesamt seltener Mitglieder in organisierten Jugendgruppen (EMNID 1965). Die befragten Mädchen gehörten in keinem Fall einer Organisation an. Auch in informellen Jugendgruppen sind Mädchen offenbar stark in der Minderzahl (Neidhardt 1967).

Freizeitverhalten: Zwei Drittel der befragten Mädchen gehen mindestens einmal pro Woche aus — die meisten zweibis dreimal pro Woche. Meistens gehen sie zum Tanzen (40%), an zweiter Stelle ins Kino (24%). Zum Tanzen in ein Tanzlokal gehen insgesamt eher Mädchen aus der Unterschicht; in einen Beatschuppen zum Tanzen gehen insgesamt eher Mädchen aus der Mittelschicht. Ins Kino gehen überwiegend Unterschichtmädchen, vor allem die Mädchen, die in hauswirtschaftlichen sowie in kaufmännischen Anlernberufen tätig sind, und die Verkäuferinnen. 17% der befragten Mädchen besuchen Freunde und Bekannte, vor allem Mädchen aus der Mittelschicht, nämlich Schülerinnen und Hausfrauen. Regelmäßig in eine Kneipe gehen 12 Mädchen, vor allem Hausfrauen. 21 Mädchen besuchen kulturelle Veranstaltungen, in erster Linie die Schülerinnen. Verheiratete bleiben häufiger zuhause beim Fernsehen. Die meisten Mädchen (73%) gehen mit ihrem Partner aus.

Bekanntenkreis: 39 Mädchen (16%), überwiegend aus der Unterschicht, behaupten, keinerlei Freunde oder Bekannte zu haben. Die anderen treffen sich mit ihren Bekannten meist einmal wöchentlich und zwar entweder bei sich zuhause oder in der Wohnung der Bekannten. Der Freundes- und Bekanntenkreis der Befragten gehört fast ausschließlich der gleichen Berufsgruppe und Schicht an wie die Befragten selbst. Insgesamt neigt die Mehrheit der befragten Mädchen zu einer partner- und konsumorientierten Freizeitgestaltung.

Konsumorientierung: Deutlicher wird die Konsumorientierung anhand der Feststellungen über die Verwendung des zur Verfügung stehenden Geldes. Neben der Bestreitung des Lebensunterhaltes wird das verdiente Geld von den meisten Mädchen vorwiegend für Kleidung und Kosmetika ausgegeben. Arbeiterinnen und Mädchen in hauswirtschaftlichen Berufen tun das fast ausschließlich. Für Vergnügungen geben am ehesten Schülerinnen Geld aus; Sparen nennen relativ am häufigsten Mädchen, die in kaufmännischen Berufen tätig sind. Wenn ihnen mehr Geld zur Verfügung stünde, würden mehr Mädchen sparen und Geld für Wohnzwecke verwenden, jedoch rangieren davor auch hier die Ausgaben für Kleidung, Kosmetika und Vergnügungen.

Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen (vgl. z.B. D. Scharmann 1965) zeigt sich, daß das Konsumverhalten nicht mehr so stark auf die spätere Familiengründung hin orientiert ist, sondern vielmehr auf das gegenwärtige vorteilhafte Herausstellen des eigenen Aussehens.
Die Orientierung an Massenmedien scheint dabei eine große Rolle zu spielen. 89% der Mädchen lesen regelmäßig irgendeine Zeitschrift oder Illustrierte. Fast alle lesen irgendeine Frauenzeitschrift, am häufigsten wird hier die »Brigitte« genannt. Zusätzlich lesen 43% der Mädchen, überwiegend aus der Mittelschicht, vor allem diejenigen, die später auch berufstätig sein wollen, auch informative Zeitschriften wie »Spiegel« und »Stern« und 37%, vor allem aus der Unterschicht, Illustrierte der sogenannten Regenbogenpresse.

Da fast alle Mädchen aus allen Schichten Frauenzeitschriften lesen, sind in diesem Zusammenhang einige Ergebnisse der Untersuchung von Langer-El Sayed (1971), einer Inhaltsanalyse der gängigen Frauenzeitschriften in der BRD interessant. Langer-El Sayed weist nach, daß Frauenzeitschriften zwar keine direkten Auswirkungen auf Verhalten und Einstellungen ihrer Leser haben, jedoch Orientierungen verstärken, die sich aus der sozialen Lage der Zielgruppen ergeben, weil die Zeitschriften dem Zwang unterliegen, sich große Lesermärkte schaffen zu müssen (vgl. S. 254). »Als allgemeines Ergebnis ist festzuhalten, daß der ideologische Bezugsrahmen zur Einschätzung von Frauen und ihrer sozialen Möglichkeiten in der allgemeinen Meinung (bis hin zu offiziellen Stellungnahmen von Repräsentativgremien unseres Staates) und in den Frauenzeitschriften identisch ist. Die Funktion dieser Übereinstimmung ist klar: sie besteht in der Bereitstellung einer positiven Identifikationsbasis für die Leserinnen« (S. 268). Das Konzept der beiden erfolgreichsten Frauenzeitschriften, der »Brigitte« und der »Für Sie«, beschreibt LangerEl Sayed folgendermaßen: »Bei beiden Zeitschriften läßt sich eine Verengung der Perspektive 1) auf eine bestimmte Schicht, 2) auf bestimmte Sachfragen und 3) auf bestimmte Verhaltensmuster fest97 stellen. Es sind dies 1) die breite Mittelschicht, 2) im wesentlichen praktische und Konsumfragen, die im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten dieser Leserschicht abgehandelt werden,und 3) die Verhaltensmuster der modebewußten jungen Dame einerseits, die zwar einen Beruf hat oder eine Erwerbstätigkeit ausübt, deren Lebensziel letztlich aber die Heirat ist,und andererseits die Verhaltensmuster der konsumorientierten, tüchtigen, jungen (bis mittleren) Hausfrau, Ehefrau und Mutter« (S. 258).

Die enge Wechselwirkung zwischen Konzeption der einschlägigen Massenmedien und feststellbarem Verhalten und Einstellungen der Zielgruppe läßt sich anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse gut belegen.

5.9  Index: Traditionelles und emanzipatorisches Verhalten

Zusätzlich, um die Gültigkeit der Messung des Fehlens von legitimen Mitteln zur Verwirklichung sowohl eines traditionellen wie auch eines eher emanzipatorischen Leitbildes zu erhöhen, kann aus den erhobenen Daten ein Index[5] für traditionelles und emanzipatorisches Verhalten gewonnen werden.

Insgesamt bietet eine Reihe von Merkmalen aus dieser Untersuchung Hinweise auf traditionelles Rollenverhalten, nämlich:

  • wenn Mädchen nicht berufstätig sind, eine spätere Berufstätigkeit ablehnen oder allenfalls als Zusatzverdienst betrachten,
  • wenn sie als Arbeitskollegen und Vorgesetzte Männer bevorzugen,
  • wenn sie ihr Geld vorwiegend für Kleidung und Kosmetika ausgeben oder es für eine Aussteuer sparen,
  • wenn ihr Partner gleichzeitig der erste Freund ist,
  • wenn sie baldige Heirat anstreben oder schon verheiratet sind,
  • wenn sie nur mit dem Partner ausgehen,
  • wenn sie keine sexuellen Beziehungen zu anderen Männern hatten,
  • wenn sie ihre eigenen Kinder genauso erziehen wollen, wie sie selbst erzogen worden sind,
  • und schließlich, wenn sie Frauenzeitschriften oder die »Regenbogenpresse« lesen.

Bei 89 Mädchen (38%) finden sich stark traditionell geprägte Verhaltensweisen (s. Tabelle 19, Zeilensummen), nur bei 15 Mädchen sind kaum traditionelle Verhaltenstendenzen sichtbar.

Hinweise auf eher emanzipatorisches Verhalten bieten sich entsprechend:

  • —  wenn Mädchen später berufstätig sein wollen, vor allem mit der Begründung, eigenständig und unabhängig sein zu wollen,
  • wenn sie eine qualifizierte Ausbildung für sich wünschen,
  • wenn sie Frauen und Männer gleichermaßen als Arbeitskollegen und Vorgesetzte akzeptieren,
  • wenn sie nicht unbedingt sofort auf Heirat aus sind,
  • wenn der Partner nicht gleichzeitig der erste Freund ist,
  • wenn sie auch zu anderen Männern sexuelle Beziehungen hatten,
  • wenn sie auch allein und mit anderen Bekannten ausgehen,
  • wenn sie ihre eigenen Kinder zu größerer Selbstständigkeit erziehen wollen,
  • und schließlich, wenn sie auch informative Zeitungen lesen.

Hier lassen sich bei 72 Mädchen (30%) starke Tendenzen zu eher emanzipatorischem Verhalten, bei 144 Mädchen (61%) eine mittlere und bei 21 Mädchen (9%) eine schwache Tendenz zu emanzipatorischem Verhalten feststellen (s. Tabelle 19, Spaltensummen).

Tabelle 19: Traditionelles und emanzipatorisches Verhalten (n= 237)

Traditionelles
Verhalten
emanzipatorisches
Verhalten
insgesamt
tradition. Verhalten
   
  schwach mittel stark  
schwach 0 0 15 (6%) 15 (6%)
mittel 2 (1%) 74 (31%) 57 (24%) 133 (56%
stark 19 (8%) 70 (30%) 0 89 (38%)
insgeamt        
emanzipatorisches Verhalten 21 (9%) 144 (61) 72 (30%) 237 (100%)

Bei einem Vergleich sowohl der traditionellen als auch der emanzipatorischen Tendenzen für jedes einzelne Mädchen lassen sich wiederum drei Gruppen bilden. So verhalten sich 91 (2 + 19 + 70) Mädchen (39%) überwiegend traditionell und 72 (15 + 57) Mädchen (30%) überwiegend emanzipatorisch; bei 74 Mädchen (31%) sind traditionelle und emanzipatorische Tendenzen etwa gleich stark — das könnte auf Rollenkonflikte hinweisen.)

Überwiegend traditionell verhalten sich vor allem die Hausfrauen (zu 62%), Mädchen in hauswirtschaftlichen Berufen (zu 57%), Mädchen in kaufmännischen Lehrberufen (zu 48%), Arbeiterinnen (zu 47%) und Mädchen in kaufmännischen Anlernberufen (zu 43%). Überwiegend emanzipatorisch verhalten sich vor allem die Schülerinnen und Studentinnen (zu 52%). Gleich starke emanzipatorische wie traditionelle Tendenzen zeigen überwiegend die Mädchen in sozialen Berufen (zu 56%), Schülerinnen (zu 44%) und Verkäuferinnen (zu 40%). Hierbei lassen sich auch signifikante schichtspezifische Unterschiede feststellen.

Tabelle 20: Schichtzugehörigkeit und traditionelles/emanzipatorisches Verhalten

Schicht überwiegend tradit. Verhalten beide Verhaltenstendenz.
gleich stark
überwiegend emanzipat. Verhalten  
MS 33% 29% 38% 100%
n - 112        
US 43% 34% 23% 100%
n - 125        

Mädchen aus der Unterschicht, vor allem der unteren Unterschicht, zeigen eher traditionelles Verhalten, während Mädchen aus der Mittelschicht sich eher emanzipatorisch verhalten, vor allem Mädchen der oberen Mittelschicht.