Keltenland, Germanien. Rom, Sparta, Athen...

Schon im Astralen beginnt das Frauenreich. Weisheit zwitschernd schlüpfen gekrönte Vogelfeen zwischen den Sphären hin und her, verschließen fürwitzige Zauberer im leuchtenden Grab. Herrinnen aus Mondstoff, wie gründliche Nachtfalter, spannenlang, durchsichtig und wunderschön, schenken dem irdischen Liebling nach einer Liebesnacht noch ein paar Königreiche und ewige Jugend hinzu oder entlassen ihn, nach Willkür, mit Triefaugen und einem weißen Bart, wogegen gar nichts zu machen war. Vor ihnen her fließen schimmernde Energien und spielen mit Weltgesetzen, ihre Anmut lenkt die Umläufe der Sterne, und weil ihr freies Naturwesen sich auch gern den aristokratischen Standesunterschieden der Kultur fügt, so vermengen sich für den verzauberten Mann leicht elbische Wesen, Königinnen, Priesterinnen, Göttinnen und freie Frauen.
Wie bei Vaterrecht meist eine männliche Oberwelt sieht, dass »die Töchter der Erde schön sind«, und die üblichen Konsequenzen daraus zieht, so bemerkt im Keltenland eine überirdische Weiblichkeit ihrerseits das gleiche bei den Söhnen der Erde und lässt sich zu ihnen herab. Auf welcher Seite aber die Herablassung besteht, darauf eben kommt es an. Weltstunde ist die Mitternacht. Der männliche Tag wird von zwei weiblichen Nächten umschlossen, nach ihnen wird gezählt. Der Mond ist der Herr der Zeit, schenkt Somnambulismus, Orakel bei den Phasen und im Rauschtrank aus klebriger Mistel pflanzliche Seherschaft.
Nackt und mit Wuoa bemalt tanzen gallische und britische Priesterinnen in seinem Licht. Irland und Schottland selbst sind Frauensiedlungen, nach Erin und Scota, also Frauen, benannt. Irlands ältestes Dokument, das Buch von Leinster, schildert ausführlich, wie das Matriarchat von hier aus durch die siegreichen Gälen den überwundenen Pikten aufgezwungen wurde. Die irischen und gälischen Heldensippen heißen nach den Müttern, nicht nach den Vätern, und von Erbrecht und Sukzession in weiblicher Linie bei den Kelten berichtet schon Livius. Unabhängige Königinnen als Anführerinnen im Krieg außer Boadicea werden von verschiedenen Historikern bezeugt, ja so sehr galt weibliche Herrschaft als die von vornherein gegebene, dass britische Gefangene, vor Claudius gebracht, weder ihn noch die römischen Insignien beachteten, vielmehr direkt auf den Thron der Agrippina zuhielten, um sich tief vor ihr zu neigen, zur großen Skandalisierung der Römer im allgemeinen und des Tacitus im besonderen.
Bei Briten und Iren blieb die Ehe sogar die Ritterzeit hindurch matrilokal. Die Frau in ihrem Schloss wählt, wen sie will, ähnlich der arabischen großen Dame, »ist keines Mannes Eigentum verschenkt sich aber großmütig und frei«. So sagt Einer: »Erhebe dich, o wunderbarer Ailill, jegliche Ruhe wird dir, Tapferster! Schling die Hand um meinen Nacken: der Anfang der Liebeslust - wonnig ist ihre Gabe - ist Mann und Weib im gegenseitigen Küssen. Wenn dir dies aber nicht genügt, trefflicher Mann, dann gebe ich dir zur Heilung vom Liebesschmerz, o Geliebter, von meinem Knie bis zu meinem Nabel.« (Zimmer) Diese rasche, dabei ganz naive Intimität ohne jeden Zynismus kam von der Sitte für junge Mädchen und Damen des Hauses, den fremden Rittern sofort ein warmes Kräutebad zu bereiten, ihnen darin Gesellschaft zu leisten und sie dann kunstgerecht zu massieren. »Le tastonner doucement.« In der original-irischen Tristansage fällt jene Schwierigkeit ganz dahin, die später bei Gottfried von Straßburg den Beteiligten solches Kopfzerbrechen macht: wie König Marke in der Hochzeitsnacht zu täuschen sei. In Cornwall wäre die Unterschiebung der jungfräulichen Brangäne bei dieser Gelegenheit durchaus nicht nötig gewesen. Mark hätte ja nie erwartet, Iseult noch unberührt zu finden. Echt keltisch ist dagegen des Helden Stellung als Neffe und Erbe. In Mythos, Sage, Geschichte und Literatur spielt, ganz dem Sinn des Mutterrechts gemäß, nie ein Sohn, stets der Schwestersohn die Hauptrolle. Beim Adel waren beide Geschlechter sportlich trainiert und körperlich tadellos gebildet, vom Volk dagegen behauptet Strabo, die sehr »häuslichen« Männer neigten zur Verfettung und dürften gesetzlich ein bestimmtes Gürtelmaß nicht überschreiten, die Weiber dagegen wirkten größer, schöner und geschmeidiger. Die Frau war auch der werbende Teil. Ein Grieche, Gast auf der Hochzeit einer keltischen Häuptlingstochter, schildert, wie alle jungen Männer der Gegend zum Festbankett geladen sind, ohne dass es einen Verlobten gäbe. Dann erscheint das Mädchen, einen goldenen Becher mit Wein in der Hand, sieht die Versammlung sachkundig an und wählt den Bräutigam durch Überreichen ihres Bechers.
Auf den britischen Inseln hielt sich das Matriarchat bis weit in die christliche Zeit hinein, auf dem Festland fiel es schon infolge der viel intensiveren Romanisierung. Doch als Hannibal durch Gallien zog, wurde zwischen ihm und den Bewohnern vereinbart, dass Meinungsdifferenzen über den Umfang des Schadens, den seine Truppen beim Durchzug anrichten würden, und dessen Wiedergutmachung ausschließlich von einem obersten Rat gallischer Frauen geprüft werden sollten.
Der Schiedsspruch dieses Matronenkollegiums hatte für beide Parteien inappellabel zu sein. Eine weise Maßregel, denn die edelmetallreichen keltischen Gebiete waren stets zum Plündern verlockend. Cäsar machte der gallische Feldzug zu einem der reichsten Männer seiner Zeit - so viele Tempelschätze schleppte er weg.
Vorher wollten ihn seine Gläubiger nicht einmal über die römische Grenze lassen, es sei denn, Freunde bürgten für seine Privatschulden mit einem Betrag im Wert von etwa zwanzig Millionen Mark. Aus den reichen Muttergesellschaften brachte er dann als Beute leicht das Zehn- und Zwanzigfache heim.

GERMANIEN

Der gewichtlos schwebenden keltischen Mondwelt, dem leichtesten der uterinen Reiche, ragt das schwere germanische aus Erdnabeln entgegen, wolkig-prophetisch oder kriegerisch-beglänzt. Seine drei Nornen heißen »Herrinnen der Götter und Menschen.« Tiefe, Würde, Weisheit, Macht wachsen unten bei den Müttersteinen am Rhein.
Im Krieg wurde jedem Heer eine Prophetin beigegeben, nichts unternommen ohne ihren Rat. Zu Hause galten Priesterinnen mehr als Priester, Seherinnen mehr als Seher. »Ganze Völkerschaften hingen an dem Göttermund solcher Jungfrauen oder harrten in ehrerbietiger Entfernung von den erhabenen Burgen, auf welchen sie wohnten, auf die Göttersprüche, welche sie in Streitigkeiten mehrerer Nationen oder bei großen Unternehmungen geben würden.« Sachsen und Franken beriefen den Volksthing nur bei Voll- und Neumondnächten ein. Nach Tacitus' Meinung »ist die größte Gewalt über diese germanischen Völker zu gewinnen, indem man sich Mädchen vornehmer Familien als Geiseln sichert«. Lieber gehen die Häuptlinge selbst oder lassen die Söhne ziehen als Töchter oder Frauen. Weit noch über die Romanisierung hinaus wurde die uterine Linie bevorzugt. Zur Zeit Friedrichs I. folgten Kinder einer Freien mit einem Sklaven oder eines Freien mit einer Sklavin in jedem Fall dem Stand der Mutter. »Kein Kind ist seiner Mutter Kebskind«, also Gleichstellung des ehelichen und des unehelichen Kindes gilt noch im XIII. Jahrhundert. Der Nibelunge Not nennt drei burgundische Könige als Söhne der »vrou Uoten«, ohne einen Vater auch nur zu erwähnen. Die Langobarden heißen nach einer Stammutter Gambara, Ost- und Westgoten ziehen ins Heim ihrer Gattinnen, Besitz und Titel werden ursprünglich nur durch die Frauen vererbt, so daß in Sachsen Hermingisil noch sterbend dem Sohn Radger einschärft, nach seinem Tode die Witwe zu heiraten »nach Ahnengesetz«. Thronanwärter fühlen sich erst legitimiert, wenn sie die Königin in Besitz genommen haben, Edbald, König von Kent, ehelicht deshalb seine Stiefmutter, Ethelbald, König der Westsachsen, die Witwe sei-nes Vaters Ethelwulf. Eine andere Westsachsenkönigin zieht es dagegen vor, ganz allein weiterzuregieren. Auch Holland hatte zu Tacitus Zeit nur eine Königin, ganz ohne Prinzgemahl.
In Skandinavien geht  bis ins VIII. Jahrhundert die Herrschaft auf die Tochter über und erst durch diese auf einen Gatten; Hamlets Mutter vergibt ebenfalls mit ihrer Hand den Thron. Ganz im Einklang hierzu stehen altdeutsche Frauenstrophen aus dem III. und IV. nachchristlichen Jahrhundert, in denen, wie bei der ägyptischen mutterrechtlichen Lyrik, weibliche Dichter um den Mann werben. Im Sinn der gleichen Sitte steht die Antwort jener Geisel in Rom auf die Hänseleien einer Kaiserin, daß Germaninnen sich so frei benähmen: »Wir verkehren offen mit den Edelsten, ihr Römerinnen heimlich mit den Gemeinsten.«
Der konservative Jurist Amira schreibt über die Germanen, dass erst im VI. nachchristlichen Jahrhundert die Gleichstellung der vater- und der mutterrechtlichen Verwandtschaft erfolgt sei. Völlig deutlich lässt sich das wachsende Männerrecht unter römischen Einfluss am Salischen Gesetz verfolgen. Es gibt nicht weniger als zehn Fassungen; die letzte enthält jene berühmte Ausschließung des weiblichen Geschlechts von der Thronfolge, in den ersten hat die Herrscherin bei wichtigen Entscheidungen noch volles Mitbestimmungsrecht.
Mit der Umlagerung der Werte wechselten auch manche Worte ihren Sinn. »Gelichter« von Gilethar = Gebärmutter, eines Bauches sein, wurde aus einer Ehren- und Adelsbezeichnung zum Schimpfwort. Links und linkisch gehören gleichfalls hierher, auch das französische gauche-sinistre im verderblichen Sinn. Vor übler Verdrehung bewahrt blieb dagegen »Geschwister« von Schwester; nie wurde es einem »Gebrüder« verächtlich entgegengestellt. Dafür schritt die Verhexung der Greisinnen rapid fort.
In Rom waren sie geehrt, durften aber nicht dreinreden, in Gallien wurden sie geehrt und angefleht, dreinzureden, im christianisierten Germanien verfolgt, obwohl sie längst schwiegen, weil man ihr desinteressiertes Verstummen für eine noch infernalischere Abart des Dreinredens hielt. Weibliches Vorrecht zögert verhältnismäßig am längsten im altdeutschen Strafgesetz weiter, das Vergehen gegen Leib, Leben und Besitz der Frauen wird fast doppelt so hoch bestraft als solches gegen Männer. Für ursprüngliches Mutterrecht zeugt besonders auch jener Bericht des Tacitus, die Germanen hielten die Verwandtschaft mit dem Mutterbruder für enger und heiliger als jene -mit dem eigenen Vater, ein immer und immer wiederkehrender Zug der Übergangszeit. Lamprecht hat bei den Germanen Mutterrecht ausführlich nachgewiesen, nie aber Matriarchat oder gar Gynaikokratie. Ob es ihnen eingeboren war, wird dagegen von Indogermanisten aus rein sprachlichen Gründen bezweifelt. Festigt sich die moderne Annahme von den zwei verschiedenen blonden Rassen Europas: der altsteinzeitlichen, präindogermanischen, mutterrechtlichen Cro-Magnon und der später aus dem Kaukasus eingewanderten indogermanischen Nordrasse, deren Mischprodukt eben die Germanen sein sollen mit Merkmalen beider, so könnte ihr Mutterrecht aus der Cro-Magnon-Erbmasse stammen. Diese Frage, wie übrigens jede halbwegs von Belang, geht gleich so tief, dass der Verzicht auf ihre rasche Beantwortung reichlich aufgewogen wird durch jene Einblicke, die das Vermögen, sie zu stellen, schon erlaubt.
Sehr frauenherrlich wieder, dabei echt kaukasisch,  ist das Amazonische im Germanentum, das Schlacht- und Schwanenjungfrauenhafte. Bei dem ersten furchtbaren Zusammenprall der Römer mit den Zimbern und Teutonen, dem, was Rom »Barbaren« nannte, war der Kampf mit den bewaffneten Frauen fast härter als der mit dem Männervolk. Die spätere Gegenüberstellung, »Spindelseite« für weibliche, »Schwertseite« für männliche Linie, wäre fehl am Ort gewesen, wo die sieben Fuß hohen Bräute zur Ausstattung beileibe keine Spindel, sondern eine volle Kriegsausrüstung mit Speer, Schwert und Schild in die Ehe mitbekamen; nicht etwa für den Mann, sondern zum eigenen Gebrauch. Römer fanden auf den Schlachtfeldern stets weibliche Leichen die Menge, wie die Archäologen in Gräbern weibliche Skelette mit Kriegsinsignien und vollem Waffenschmuck.

ROM

»Der Sol steigt in die Kraft seiner Lenden.«
Keinen Augenblick haben die Römer sich, andern Mitmännern oder gar den Frauen weiszumachen versucht, Männerherrschaft und Vaterrecht seien eine gottgegebene oder gar naturgewollte Lebensform; es könne »normalerweise« gar nicht anders zugehen. So gockelhaft verblendet taten sie niemals, denn ihr Genie war das der Nüchternheit. Nein, die Römer betonten stets das Abnorme ihrer Art und hielten sich, da sie China nicht kannten, Griechen und Juden damals als politische Nullen in ihrem Sinn nicht mitzählten, für das überhaupt einzige Paternitätsvolk. Die Weltausnahme schlichthin. Gewissermaßen hatten sie recht damit; Muttervöllker waren später die großen, fernen Feinde: Karthager, Ägypter, Skythen, Kelten, Germanen, wie anfangs die kleineren, nahen: italische Stämme, Etrusker und Volsker mit ihrer Amazonenkönigin und Dianapriesterin Camilla. Doch nicht genug daran, ganz eingeringt zu sein von diesen allen, lag ihnen überdies der Gehorsam gegen die sabinischen Mütter im eigenen Blut. Sogar Horaz erinnert noch an die Zeit, wo Söhne unter dem Befehl strenger Mütter Holz hacken mussten. Umwelt wie Innenwelt waren also weiblich betont.
Warum und wieso dann gerade aus dieser Handvoll zusammengelaufener, höchst zweifelhafter Elemente, nachdem sie den einzig einwandfreien, mit Stoßkraft und Richtkraft begabten Teil ihrer Erbmasse: den sabinischen, möglichst unwirksam gemacht hatten - Römer wurden, die Schöpfer des abendländischen Staates, bleibt das vielleicht gewaltigste Rätsel der Weltgeschichte. Blutmäßig ist es nicht zu erklären, nimmt man nun die asiatische, von sabinischer Seite her spartanische, die autochthone oder sonst eine Abstammung an; doch auch nicht pflanzlich-seelenhaft im Frobeniusschen Sinn wird es faßbar, denn da steht im uralt weiblichen Kulturkreis, wo weit und breit die Erde nur Mutterrecht wachsen lässt, an einem völlig isolierten Punkt plötzlich ein Vaterrecht da, wie nirgends auf dem Planeten. Es tastet sich nicht etwa vorsichtig heraus oder kommt gezogen wie fremder Same mit dem Wind, sondern steht da: eine Eigenform, in manchem zugleich Menschheitsform, von derartiger Stilgewalt, dass, als es längst keinen römischen Staat, kein Rom als Zentrum, ja nicht einmal mehr Römer gab, diese einzigartige Form wie ein Geistkristall durch eineinhalb Jahrtausende im Immateriellen hing und die durch Europa gewirbelten Rassen unter seinem Bann, wie von innen her getroffen, langsam sich beugten und umschufen zu Nachbildern von etwas, das sie mit leiblichen Augen nie geschaut. Die Spenglersche Formel, gemeinsames Schicksal schaffe erst körperlich und geistig die Nation im Gegensatz zu dem Naturprodukt »Rasse«, vermag gerade hier nicht zu befriedigen, von einer ökonomischen »Erklärung« ganz zu schweigen; denn wo kommt der ursprüngliche Willenskern her, jener markant und unvergleichlich römische Charakter, aus dem von Anbeginn herausgelebt wird, der eben jenes gemeinsame Schicksal bildet, statt aus ihm gebildet zu werden. Alles auf nachträglich »redigierte« Tradition zu schieben, geht auch nicht an, denn nie ist es Rom etwa auch nur eingefallen, seinen mutterrechtlichen Einschlag wegzudeuten durch Unterschiebung eines männlichen Mythos, was nahe gelegen hätte. Das matriarchale Etrurien hat ihn zwar mit »unglaublicher Wut« bis in seine Sprache hinein beinahe ausgetilgt, doch nie die drei »gewaltigen Fürsten etruskischer Abstammung, Tarquinius Priscus, Servius Tullius und Tarquinius Superbus«, vom römischen Thron wegzuleugnen versucht, hat auch in der Praxis seinen Muttergrund eigentlich weniger juristisch nieder- als festgestampft. Nur keine Auflockerung gerade dieses Bodens, nur keine Überraschungen, die von da heraus ihm unversehens hätten über den Kopf wachsen können. Daher Catos rastloses Mahnen: »Erinnert euch all der Gesetze, durch die unsere Vorfahren die Freiheit der Frauen gebunden, durch die sie die Weiber der Macht der Männer gebeugt haben.« Nur hier nichts ändern, sonst wankt der Staat.
Aus ihm zeterte eine nicht grundlose Angst. Bachofen hat an der Erscheinung Tanaquils gezeigt, wie am Aufgang Roms diese machtverleihende, hetärische Königsfrau asiatischen Stils dreimal nach ihrem Willen Männer auf den Thron erhebt, dann von der Sage umgedeutet wird zum Muster einer römischen Matrone, bis schließlich beim Zerfall des Staates die römische Matrone, als Kaiserin, sich wieder hemmungslos rückverwandelt zur, Männerherrin und asiatischen Hierodule. Nie vergaß die Hochburg des Männerrechtes, auf welchem Fundament sie eigentlich stand. Rom, die urbs, ist ein weiblicher Erdnabel, den Romulus im feuchten Waldgestrüpp fand. Rund um diesen von Buschwerk umstandenen Nabelstein: umbilicus, wurde das Forum erbaut, er selbst zum Mittelpunkt Roms, als des Erdkreises, bestimmt. Ein wichtiges Stück Grund und Boden für die neue Stadt schenkte eine hochedle Prostituierte, »nobilissima meretrix«, Acca Laurentia, dem römischen Volk, ein anderes die Vestalin Gaia Tarratia, denn das Land war Frauenbesitz. Die Latier nannten sich nach Latia, der Gattin Saturns, und die Römer selbst nach ihren sabinischen Müttern Quiriten. Sogar Namen wie Roma, Romulus kommen von den etruskischen Frauensippen Rumate, Rumulna. Der Quirinal geht auf eine sabinische Gründungssage zurück, die Königsmacht war weiblichen Ursprungs, die Könige, manchmal Fremde, erhielten Titel und Rang nur durch Heiraten mit einer Frau aus dem Herrschergeschlecht; noch Porsenna führte aus Rom weibliche Geiseln als die wichtigeren fort, wie Rom es später gleicherweise bei Kelten und Germanen gemacht hat, Romulus und Servius Tullius kannten nur ihre Mutter, waren vaterlos, und schließlich bestand das frühe römische Volk selbst aus dreißig Muttersippen: curiae. Diesen hatte Romulus die Namen von dreißig Sabinerinnen gegeben, zum Dank für die lange, glückliche Friedenszeit - ihr Werk - nach dem römisch-sabinischen Krieg, den sie, die feindlichen Heere trennend, zum Stillstand gebracht hatten.
Später gründeten innerhalb dieser dreißig Frauenclans Männer - sie nannten sich Patrizier: qui patres scire possunt, also ihre Väter kannten - die männliche Familie und führten diese (familiam ducere) aus den Frauensippen mit Mutterfolge heraus. Der sabinischen Mutterseite, der stofflichen, nach bleiben alle Römer Plebejer von pleo = füllen, Füllsel, was mit dem griechischen plethos = Stoff eines Sinnes ist, tragen auch als Zeichen der mütterlichen Abstammung die silbernen Halbmonde auf den Schuhen. Zu Patriziern werden sie lediglich durch die väterliche Staatsidee, als welche sich dem weiblichen Naturreich polar entgegenstellt. Hier geht es ursprünglich nicht um »reich« oder »arm«, ein Vertauschbares, denn die gleiche Person kann einmal reich, ein andermal arm sein, sondern um Mann oder Frau, das Unvertauschbare. Was Scheidung in Patrizier und Plebejer genannt wird, das plötzliche Herausführen der männlichen Familie aus der weiblichen Sippe, ist einer der dramatischen Höhepunkte im welthistorischen Kampf um die Gestaltung des Geschlechtsverhältnisses, mag sich auch bereits früher bei anderen Völkern ähnliches ereignet haben.
Also noch einmal: »Der Sol steigt in die Kraft seiner Lenden.« Wie macht er das am praktischsten? Die Mutter ist das biologisch allein Sichere, Mutterrecht ist Naturrecht, dazu kommt noch der lange vorgeburtliche Einfluss auf den Fötus. Der Vater bleibt eine »juristische Fiktion«, die sich nie in eine körperliche Gewissheit verwandeln lässt. Ein sehr gerechter Ausgleich, denn sie allein trägt die Bürde des Geschlechts; trägt schwer und lange an dem, was ihm so leicht fällt. (Von Rosa Mayredes zuerst formuliert.) Der Flüchtigkeit des Anteils an der Fortpflanzung entspricht dann eben auch die Unsicherheit am Ertrag. Ruhend sicher Bleibendes und Flüchtiges aber geben ein disharmonisches Paar. Die am ehesten naturnahe menschliche Gesellungsform ist demnach weder die mann-weibliche noch die weib-männliche Familie, sondern die Frauensippe als Hegerin und Verwalterin des neuen Lebens und aller materiellen Güter zu seinem Gedeihen. An diesem waltenden Frauengefüge, in dessen Schutz Kinder und Reichtümer groß werden, ziehen die männlichen Besamer ihrer Naturfunktion nach flüchtig und ewig wechselnd vorbei. Diese Lebensordnung, nichts als biologisch-stofflich, einzig auf die Naturwahrheit des Muttertums gegründet, scheint tatsächlich, wo immer sie vorkam, gedeihlicher und mit weniger Reibung funktioniert zu haben als jede andere. Auch die Mutterfamilie ist noch biologisch klar und wahr, überdies der Frauensippe gegenüber ausgezeichnet durch eine tiefer menschliche Beziehung der Geschlechter. Mit dem »Vaterschaftswahn« aber beginnt jegliche Unnatur, mag ihm auch sonst noch so Großartiges entstammen.
Zuvörderst muss die biologische Zeitrechnung heillos verwirrt werden durch Zurückgehen auf die Zeugung als das Entscheidende. Statt des allein sichern Augenblicks der Geburt gilt jetzt der ewig unsichere der Empfängnis. Wie ihn sichern und mit ihm die Vaterschaft? Durch neuerliche Unnatur: Einsperren des Mädchens um der Jungfräulichkeit, der Frau um der eindeutigen Herkunft ihrer Kinder wegen. Die eine Hälfte der Menschheit, die weibliche, solcherart an der Güterproduktion und freien Selbstversorgung verhindert, fällt - dritte Ungeheuerlichkeit - der anderen, männlichen, dauernd zur Last. Also noch mehr einsperren, um sicher zu sein, diese Last wenigstens für eigene Kinder zu tragen, bis schließlich im extremen Fall des alten Chinas dem Mann vor seinem eigenen Zwangsprodukt, dem verkümmerten und verdummten Gattinnen-»Ideal« so graut, dass er daneben einen zweiten Frauentyp, »die Tochter der Blumen«, züchten muss zur Geist- und Leibeserholung, sich aber fortpflanzt im verkümmerten. Die bekannte, oft erörterte Kausalkette.
Die Römer versuchten es anders. Sie appellierten an das »eigene« Ehrgefühl ihrer Frauen. Leider war es nur kein richtiges weibliches Ehrgefühl, für diese also nicht bindend, denn es heißt Virtus, von vir=Mann. (Biffault) Zur Sicherheit waren übrigens die Gesetze da, und Cato erinnert fleißig an sie: »Wenn du deine Frau in Ehebruch findest, bist du frei, sie zu töten ohne Gerichtsverfahren und ohne bestraft zu werden. Begehst du Ehebruch, hat sie kein Recht, auch nur den Finger gegen dich zu heben.« Selten noch in der Geschichte ist brüh-heiß Gekochtes so lauwarm gegessen worden. »Töten« kam trotz aufmunternder Straflosigkeit nie in Schwang, dagegen konnte 285 v. Chr., auf straffster Höhe republikanischer Tugend (virtus), bereits ein Venustempel errichtet werden aus Strafgeldern, von Frauen für Ehebruch bezahlt. So ging es fast in allem. De jure durfte die Frau keinen Besitz vermachen, keine Geschäfte abschließen, die Kinder waren nicht legal die ihren, de facto aber lebte sie sehr würdig und frei, viel freier als die Athenerin. Schon durch die Koedukation, denn beide Geschlechter erhielten die gleiche Erziehung gemeinsam. In der Ehe wurde sie von allen, auch vom Gatten, domina = Herrin angeredet, sie empfing seine Gäste und lud sich eigene ein, besuchte, wen sie wollte, nie durfte eine häusliche Arbeit, außer Wolle spinnen, von ihr verlangt werden, und besonders war sie vom Kochen befreit, was von tiefer Einsicht zeugt, denn es ist vielleicht das einzige, wofür die Frau von je völlig freudlos, lieblos und talentlos geblieben ist. Viele weltberühmte Herrscherinnen hat es gegeben, aber keine einzige berühmte Köchin; berühmte Köche, Professionals wie Amateure aus allen Kreisen dagegen ohne Zahl, wie sehr oft konstatiert wurde. Bei den meisten Völkern, besonders zur Zeit der Sklaverei, kurz, wo und wann immer sie es sich leisten konnten, besorgten Männer die Küche. Nietzsches reizendes Apercu, die Menschheit sei nur deshalb so auf dem Hund geblieben, weil ihr die Weiber seit Jahrtausenden das Essen kochten, ist also fehl am Ort, denn sie kochten zum Glück höchst selten.
Je älter die Römerin wurde, desto höher stieg ihr Ansehen. jeder mußte ihr auf der Straße höflich Platz machen, wer sie durch ein freches Wort belästigte, kam vor Gericht. Es läge nahe, diesen Zug als Mutterbindung und einen Rest seelischer Sohneshörigkeit zu deuten. Gerade das Umgekehrte scheint wahr. Weil die Römer so ganz nüchtern Erwachsene waren, so gar nicht infantil veranlagt, konnten sie sich diese schöne Geste erlauben; von der Mutterseite drohte ihrem Herrentum nie die geringste Gefahr, um so mehr von der sinnlich hetärischen.  Wo Cäsar durchzog, riefen seine Soldaten: »Hütet die Frauen, der kahle Buhler kommt. Nichts machte ihn so stolz, wie seines, des Julischen Hauses, Abstammung von Aphrodite, und emsig blieb er darauf aus, sich dieser Abstammung erotisch gewachsen zu zeigen. Bei der Berührung mit Ägypten und Kleinasien verlotterten auch viele römische Heerführer erstaunlich leicht. Von Cäsar heißt es: Wäre er nicht ermordet worden, hätte er Kleopatra nach Rom kommen lassen, sie geheiratet und ihren Sohn Cäsarion zum Thronfolger ernannt. Diesen geilen Zug am römischen Wesen hat das Schicksal selber einmal in Regie genommen und unvergleichlich bei Aktium herausgestellt, wo alles verlorengeht, nur weil Kleopatras Königsfregatte zur Unzeit wendet und das Admiralschiff mit Antonius ihr blindlings »gleich einem brünstigen Enterich« nachjagt und Seeschlacht Seeschlacht sein lässt. 
Das waren die ausländischen Episoden unter hetärischem Einfluss. Unerklärlich aber erscheint bei einem so rabiaten Paternitätsvolk die Laxheit gegen weiblichen Ehebruch im eigenen Haus zu Rom, bis sich herausstellt, wie es hier gar nicht um gefühlsmäßige oder körperliche Paternität geht. Um was es nämlich weit mehr geht als Vaterschaft, ist Vatermacht.  »Es gibt keine andere Menschenart, die solche Gewalt über ihre Söhne hat wie wir.« Also Gewalt. Das ist der Stolz. Von Vaterliebe keine Rede. Die patria potestas ist ein nüchternes Mittel, zum Staat zu kommen, ungefährdet durch unberechenbare Reaktionen einer schwankenden, eher gefühlsbetonten Jugend.  Das Paternitätsprinzip, frühzeitig und schonungslos durchgeführt, hat keinen anderen Zweck, als dem männlichen Imperium zu dienen, einer Schöpfung des nüchternen reifen Geistes. Die Formen der Familie sind für die Staatsidee da, nicht für das Vatergefühl, wie es sich bei den Juden ins Religiöse, zu einem persönlichen Vatergott steigert, dem die irdischen »Väter« selbst wieder ihrerseits als Söhne hörig gegenüberstehen in einem peinlichen Wechsel von manischen Aufständen und Unterwerfungen, wo das ganze Weltgeschehen zu einer Ausstrahlung des Vaterkomplexes entartet ist.
Die patria potestas dagegen ist rein zivil, nicht religiös begründet, überhaupt nicht empfunden, sondern gedacht, daher ohne die himmlische Ergänzung eines persönlichen Vatergottes. Der römische Staat, insofern auch er an Stelle des »großen Vaters« steht, steht da nicht als Seelen- sondern Geistgebilde, um das also viel weniger Libidofetzen schwelen mit Angst, Liebe und Hass. Die Römer, nüchterne Kostgänger, stehen ihrem Staat weit weniger persönlich ambivalent: liebend und hadernd gegenüber als andere Vaterrassen einem Vatergott. IhreStaatsidee scheint in einem anderen Bewusstseinsraum erbaut, unter Apollos »wandellos beschlossener Klarheit«, weshalb dieses stofflose Geistprinzip den Beinamen patroos = Staatengründer trägt. Dem Römer ist es nie um die Zuneigung des Kindes, etwas Gefühlsmäßiges, zu tun, er schaltet durch die Vatergewalt nur den immer staatsfeindlichen, mindestens unzuverlässigen weiblichen Einfluss aus. Also hat die Frau nach dem jus civile nicht nur kein legales Anrecht auf die eigenen Kinder, sie darf auch nicht adoptieren; der Mann kann es, selbst wenn er impotent, selbst wenn er schon tot ist, auf testamentarischem Weg. Der Adoptierte tritt zur Gattin des Adoptivvaters in kein Verhältnis, bleibt mutterlos, einem reinen Geist entspringend, ohne jede auch nur fingierte Grundlage der Blutsgemeinschaft, der die gebärende Gebärde des Männerkindbettes bei Muttervölkern dient. Erst Kaiser Justinian hat hier wieder im Sinne der Naturwahrheit entschieden.
»Muttersöhne« sollte es eben rechtlich auf keinen Fall geben; wo die Kinder herkamen, schien von geringem Belang. Am Alleinbesitz der legitimen Frau war dem Römer herzlich wenig gelegen; er lieh sie sogar aus. Auf Befehl der Männer gehörte Polyandrie hier zum guten Ton und zur republikanischen Tugend. So ersuchte Quintus Hortensius den Cato, er möge ihm eine bereits verheiratete Tochter leihweise verschaffen, damit auch er, zum Wohl des Staates »auf so edlem Boden Kinder säen könne«. Cato fühlte sich sehr geehrt, aber etwas unsicher in bezug auf den Schwiegersohn und trug dem Freund und Bewunderer lieber seine eigene Frau zum Ersatz an. So musste der tugendreiche Schäker die alte Marcia mit Dank quittieren. Einige Jahre später, nach seinem Tod, nahm sie dann Cato wieder zurück. Ob dieser sexuelle Kommunismus ein auf männerrepublikanische virtus umgedeuteter Rest des sabinischen Mutterrechts ist, bleibt schwer entscheidbar. Ganz sicher zeigt es sich in der Gradation der Onkel. Ein Vaterbruder: patruus gilt für minderwertig dem Mutterbruder gegenüber. Dieser steht als uteriner Verwandter den Neffen und Nichten erbrechtlich wie blutmäßig weit näher, was schon in seinem Namen: avunculus, Ahnchen, kleiner Ahnherr, von avus =Ahne liegt. Auch Matrimonium statt Patrimonium für Ehe, conso-brini Schwesterpaar für Geschwister sind mutterrechtliche Bildungen, vor allem aber Parricidium. »In diesem Wort wird der Geburtsakt besonders hervorgehoben. Es geht auf pario zurück, dieses wieder mit pareo und appareo - Erscheinen eines Stammes. Gebären ist ein Erscheinen oder Sichtbarwerden des bisher Verborgenen. Hier fällt der Begriff der gebärenden Mutter und der männlichen Kraft in eines zusammen. Pario und Pales stehen in unverkennbarem Zusammenhang. Pales ist die alles aus sich gebärende Urmutter, die in der Geburt selbst sich als männlicher Pales, als großer Erdbefruchter in Eselsgestalt, zu erkennen gibt. Quaestores parricidii heißen also die mit der Untersuchung des Mordes betrauten Duumvirn. Parricidium ist die an der gebärenden Urmutter in einer ihrer Geburten begangene Verletzung. Eine solche enthält jeder Mord, mag er einen Mann oder eine Frau treffen. Auf den Grad der persönlichen Verwandtschaft kommt es nicht an. Nur die an der gebärenden und zeugenden Naturkraft begangene Sünde bildet den Grund der Strafbarkeit. Dem Frevel entspricht die Sühne. Der Parricida kann keines Begräbnisses teilhaftig werden. Ihm ist die Rückkehr in der Erde Mutterschoß verwehrt. Durch Einnähen in einen Sack wird er vor jeder Berührung mit der großen Mutter ausgeschlossen und ins Wasser versenkt.« (Bachofen)
Man vergleiche mit dieser tief lebendigen Auffassung von Mordschuld und Sühne das heutige seichte »Zweck«gewäsch gegen die Todesstrafe, das nur mehr zum »Nutzen« oder »Sachschaden« für die Gesellschaft weiß und den »Schaden« durch Verwahrung von Gewohnheitsmördern in komfortabeln Anstalten ausgeschaltet wähnt, wo sie ihre sadistische Befriedigung träumend nachgenießen können.
Reines Erdrecht bleibt selbst in Rom den großen Muttergottheiten, hier der Ceres und ihren Priestern, den Ädilen, unterstellt. Nach dem ältesten Auguralrecht war auch noch der »linke« Vogel glückverheißend. Gleichwie zweierlei Recht, gibt es zweierlei wohl unterschiedene Heiligkeit, »sanctus« ist naturhaft-weiblich, »sacer« männlich-geistig. Solange das römische Reich bestand, galt jedes weibliche Heiligtum für so unantastbar, daß man im Cerestempel die Gemeindekasse, die Gesetze und die Senatusconsulte aufbewahrte, um sie gegen Fälschungen sicher zu wissen (Livius), wie die Testamente bei den Vestalinnen, um sie vor Fälschungen zu bewahren. So ragt das Mutterrecht verhältnismäßig hoch in bestimmte Ämter hinein, soweit sie einer großen Göttin verhaftet bleiben. Konsuln und Prätoren stehen dem Kult der »bona Dea« nahe, bei ihnen ist sie zu Hause, dort werden ihre Feste gefeiert, dort wird ihr gehuldigt als Spenderin des physischen Stoffes, aus dem der Staat besteht. Er selbst als angeblich allein formendes Prinzip, aber behauptet den Vorrang, auch bei den scheinbar trivialsten Entscheidungen. So gehört im Streitfall ein Tisch nicht dem Besitzer des Holzes, dem Spender des Stoffes, sondern dem Tischler, der ihn geformt hat, wobei noch zu bedenken ist, dass Holz und Materie (mater) immer gleichgesetzt werden, auf griechisch sogar das gleiche Wort haben: Hyle. Das jus civile stellt sich eben in bewussten Gegensatz zum jus naturale des Mutterrechts, und das bis in die Zahlensymbolik hinein, denn das römische Recht verwirft an den Gesetzestafeln die weibliche Zehn (zehn Mondmonate der Schwangerschaft) und führt die männliche Zwölfzahl (zwölf Monate des Sonnenjahres) ein.
Unterhalb einer festgesetzten Linie aber waltet das Weibliche ziemlich frei. Ihm blieb die Gefühlsseite vorbehalten, nur dass diese Seite am Römertum einigermaßen verkümmert war, auch die religiöse. So lebte, verehrt aber kühlgestellt, der königliche Frauenclan in den Vestalinnen fort, das Priestertum selbst im Oberpriester Roms, dem Flamen dialis, und seiner Gattin, der Flaminica. Beide unsäglich heilig und belanglos. Sie wurde stets aus einem der ältesten Adelsgeschlechter gewählt, opferte unter altertümlichen, vorrepublikanischen Bräuchen bei jedem Mondwechsel - auch die Iden sind Mondtage - in der Regia eigenhändig einen Widder, und bei ihrem Tod verlor der Flamen dialis seinen Oberpriesterposten, sank zum gewöhnlichen Bürger herab - ein Nachklang des weiblichen Erbrechts aus der Königszeit.
Was von anderen italischen Stämmen übrig geblieben war, schwor nie unbedingt zum Vaterrecht. Mäcenas, der Etrusker, hatte keine Vaterlinie, Horaz, um ihm zu schmeicheln, zählt in den Episteln nur seine Mütter auf. Das vorstaatliche, rein stoffliche Dasein, die gliederungslose Freiheit lebte sich praktisch handfest besonders in den Saturnalien aus, auch Freilassung der Sklaven geschah im Namen einer großen Naturgöttin, der Feronia. Frauenrecht, hier wie überall zugleich ein Recht auf sexuelle Freiheit, feierte seinerseits Feste der Ceres und der mater matuta. Die Priesterschaft vertrat dabei in Eselsmasken Pales, den befruchtend phallischen Gott, und keine Patrizierin oder Dame des höchsten Adels versäumte hierbei ihre religiöse Pflicht. Lesbische Praktiken und heilige Obszönitäten, besonders zu Ehren der bona Dea, übertrafen sogar die Kultgebräuche afrikanischer Regenpriesterinnen. Regen gilt ja bei Primitiven als Folge der Liebeserregung einer Gottheit. Unter Tiberius gab es dann einen großen Skandal, weil ein junger Lebemann, in die Frau eines hohen Beamten vergeblich verliebt, einen Priester bestochen hatte, ihm bei solchem Fest seine Maske zu leihen, obwohl kein profaner Mann den Cerestempel betreten durfte. Auch für keinen Gatten und für keinen Sohn durfte dort gebetet werden, nur für die Schwester und der Schwester Kinder, die uterine Linie. Im Christentum lebt der sabinische Anteil Roms als »unsere Mutter, die Kirche« und in der Verehrung der Sibyllen fort, neben dem Stufenbau seiner männerstaatlichen Form.
Ehrlicher als das XIX. Jahrhundert hat das republikanische Rom selbst nie von einem »physiologischen Schwachsinn des Weibes« geredet oder davon, dass es »ins Haus gehöre«, Unabhängigkeit nur »Scheinglück«für die Frau sei, vielmehr durch Cato den Grund der politischen und rechtlichen Ausschaltung lieber ohne Hypokrisie einbekannt. Seiner Mahnung: »Erinnert euch all der Gesetze, mit denen unsere Vorfahren die Freiheit der Frauen gebunden, durch die sie die Weiber der Macht der Männer gebeugt haben«, fügte er offen hinzu: »Sobald sie uns gleich sind, sind sie uns überlegen.«

SPARTA

Die Spartaner versäumten bekanntlich die Schlacht bei Marathon, weil der Mond nicht im richtigen Viertel für den Ausmarsch stand.
Noch selten ist ein so wunderschönes Schulbeispiel für Mutterrecht und seine Derivate gelebt worden. Beinahe überflüssig, noch besonders zu bemerken, dass a) die Dorer sich nach der Mondgöttin Doris nannten;
b) Dorer und Ionier gemeinsam von Helena-Selene, der Mondfrau stammen wollten; c) Spartus, Spurius, Sparter Muttersöhne bedeutet, »Sumpfpflanzen, vaterlos von unbekanntem Sämann gezeugt«; d) spartanische Mädchen vor der Ehe völlig frei über sich verfügten, geschlechtlich wie sozial, die Ehe selbst eine der primitivsten rein sexuellen Einrichtungen war; e) der Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen Kindern dahinfiel; f) Polyandrie bestand; g) Frauen von ihren Männern »Herrinnen« genannt wurden. Und so noch viele Buchstaben weit ins Alphabet hinein.
Eine männerrechtliche Umwelt fällt diesem Zustand der Dinge das gewohnte Fehlurteil. »Daher - sollen sie denn auch sehr frech und, vorzüglich gegen ihre Männer, selbst männlich und gebieterisch gewesen sein, indem sie nicht nur zu Hause unumschränkt herrschen, sondern auch in den wichtigsten Angelegenheiten des Staates ihre Meinung in aller Freiheit sagen durften.« Des Euripides Blutdruck steigt sogar bedenklich:

»Die Töchter Spartas findest du gar nie zu Haus,
Sie mischen sich den jungen Männern zu,
Die Kleider abgelegt, die Hüften nackt,
Zu gleichem Ringkampf; wahrlich, mich bedünkt
Dies Treiben schmachvoll.«

Biologisch betrachtet, zeigt das Geschilderte Aufartung, nicht Entartung, »bedünkt schmachvoll« nur männerrechtliche Athener, gewohnt, ihre Patrizierinnen mehr oder weniger einzusperren, mit ihren Hetären zwar Liebe und Philosophie, nie aber mit wohlgeratenen jungen Mädchen Sport und Körperkultur zu betreiben, was sie manches Nützliche gelehrt hätte. Plato, im Gegensatz zu Euripides, klagt weniger die Frauen als das verfehlte Regime an, unter dem anständiges Benehmen ihnen zur Unmöglichkeit geworden war. Aristoteles seinerseits macht dem Lykurg (850 v. Chr.) noch beinah fünfhundert Jahre später schwere postume Vorwürfe, weil er in seinen Gesetzen nicht einmal versucht habe, etwas gegen das Matriarchat auszurichten. Zutiefst geht es in Athen aber nicht gegen das Matriarchat selbst, sondern eben gegen etwas, was die Dorer, der bestgehaßte Menschenschlag in ganz Griechenland, haben. Die Lakedämonier gehörten nämlich nie »dazu«. Nie irgendwo »dazu«. Ihr Staat blieb wie ein Stück fremder Planet unter der allgemeinen Verlotterung. Ganz allein für sich waren sie auch in die Peloponnes gekommen, spät erst, 1104 v. Chr. Homer nennt die Dorer nicht unter den Griechenstämmen vor Troja - von Norden her, wie weit her, ob weiter als die Südufer der Donau, ist unbekannt.
Die attischen Griechen behaupteten dagegen stets von sich, sie seien autochthon; mit welchem Recht, soll hier nicht untersucht werden. Jedenfalls empfanden alle übrigen hellenischen Stämme die »Pelasger« - ein Sammelname für Prähellenen - weniger artfremd als die ihnen sprachlich so nahen Spartaner. Nie noch hatte man völlige Herren und völlige Sieger derart kurios leben sehen, sechshundert, achthundert Jahre lang. Ganz unmaterialistisch, dabei voll Wirklichkeitssinn. »Lykurg verbannte alle Gewerbe in die Hände von Sklaven und Metöken, angesessenen, aber nicht eingebürgerten Fremden; den Freien war es durchaus nicht gestattet, irgendein Gewerbe zu treiben, damit sie vollkommen und in jeder Hinsicht frei blieben. Nur den Sklaven und Heloten war der Gelderwerb gestattet. Also, die ethischen Werte zu schaffen und zu erhalten, die Lebenshaltung, lag bei den Freien.« Nicht auf Kosten einer Unterschicht. Diese durfte steinreich werden, die Oberrasse blieb freiwillig bitterarm, das war ihr streng gehütetes Vorrecht. Der ganze Peloponnes gehörte den kriegerischen Eroberern, dennoch lebten sie von einem lächerlich geringen Pachtzins, den die Heloten für das Land entrichteten, karger als der letzte athenische Taglöhner es sich hätte gefallen lassen. Niemand durfte zu Hause essen oder ein Fest feiern; Blutsuppe und Gerstenfladen mussten zur Nahrung, ein alter Mantel das Leben lang zur Kleidung genügen. Männern wie Frauen. Diesen waren sogar der schlichte Haarknoten, die Nacktgliedrigkeit einheitlich vorgeschrieben. Nicht ein Schmuckstück blieb erlaubt. Am dürftigsten bekam die Jugend zu essen.
»Denn wenn die Lebensgeister nicht, durch Nahrung beschwert, in die Tiefe und Breite gepresst werden, sondern vermöge ihrer Leichtigkeit emporsteigen, so kann auch der Körper frei und unbehindert zunehmen und bekommt so einen schlanken Wuchs. Eben das scheint auch zur Schönheit der Menschen beizutragen. Ein hagerer, schlanker Körper ist eben einer feineren Bildung fähig als ein dicker und wohlgenährter. Weiber, welche während ihrer Schwangerschaft reinigende Arzneimittel gebrauchen, werden zwar zarte, aber wohlgestaltete, niedliche Kinder zur Welt bringen, weil sich die Materie ihrer Leichtigkeit wegen von der Natur besser bilden lässt.« Ganz im Sinne Lahmanns. Geld gab es nur in Form absichtlich unhandlicher Eisenbarren; weder Gold- noch Silbermünzen, auch nichts, was man mit ihnen hätte kaufen können, gab es in diesem warenlosen Land. Nirgends auf der Welt war die Lebenshaltung so tief, die innere Haltung so hoch. Um »Haltung« ging es ja auch bei den Pubertätsprüfungen und öffentlichen Knabenauspeitschungen, Generalproben zum Leben, denen der Indianer verwandt. Von Geld oder Geschäften zu reden, an Geld oder Geschäfte zu denken, galt für so entehrend wie auf Dinge Wert zu legen, die Geld kosten könnten: bildende Künste, Architektur oder irgendwelche Form von Zivilisation. Dafür trieb jeder Dichtung, Musik, Gesang, jagte und übte Körpersport aller Art in den Gymnasien, lebte sinnvoll und zweckfrei, also seelisch zimmerrein, mit beispielloser Stetigkeit der Zuchtlinien, mit einem leisen Zug von Beschränktheit auch, dem notwendigen Fehler seiner Vorzüge. In Athen wurde umgekehrt »nur immer Betrieb« gepredigt, jeder Müßiggang, also äußere und innere Freiheit, bestraft; auch Plato »betrieb« neben der Philosophie einen einträglichen Ölhandel, verdiente mit ihm für seine weiten Reisen Geld.
In der römischen Kaiserzeit brachte es die athenische Betriebsamkeit dahin, dass rivalisierende Privatdozenten, oder was damals Privatdozenten gleichkam, den ankommenden Fremdenschiffen entgegenfuhren und Schüler enterten. Da unter dorischer Herrschaft den Heloten und Metöken fast aller Ertrag der gepachteten Ländereien verblieb, konnten sie so reich werden, wie es ihnen Spaß machte, zu Protzerei war allerdings in Sparta selbst keine Gelegenheit, dazu mussten sie außer Landes gehen, für Luxusdinge blieb jegliche Einfuhr gesperrt. Seiner stolzen Kargheit und bewussten Zucht wegen ist Sparta oft dem alten Preußen verglichen worden; größer aber bleibt das Trennende. Der unbeweibte preußische Staat war eine bürokratische Stufenpyramide, aus Gliederpersönlichkeiten gebildet. Die Spartaner »bildeten« keinen Staat, sondern sie lebten ihn direkt als kommunistische Aristokratie; den Beamtentypus, die dienende Gliedpersönlichkeit kannten sie nicht. Jeder war Formträger seiner Gesamtkultur. Hier, im Gegensatz zur misogynen preußischen Staatsidee, ragt mächtig gestaltend das Matriarchat herein, löst einerseits und bindet anders neu, wird aber durch die überwältigende Rassenpsyche seinerseits gebunden und stark variiert. Gerade in Sparta lebten natürliches Herrentum und »stilles« Mutterrecht eine herbe Harmonie von völlig einmalig unbefangener Stilgewalt. Dorisch sein war offenbar etwas unvorstellbar Starkes. Stärker sogar als der Urgegensatz Mann - Frau, so dass der gemeinsame dorische Durchklang noch Puls und Gegenpuls des Geschlechtes übertönte. Die Spartaner, als reine Herrenrasse, übten auch deren besonderen Erosinstinkt restlos aus, jene brennende Freundschaft des Älteren zum Jüngeren, der Frau zum Mädchen, des Mannes zum Knaben, doch frei von Eifersucht, nicht aus Snobismus, auch nicht um eines nouveau frisson willen, sondern in ehrfürchtigem Entzücken, ganz naiv. Liebe zum gleichen Knaben oder gleichen Mädchen band die Liebenden selbst wieder zusammen, im Wettstreit, den Liebling zu bilden, zu fördern. Ehre und Schande des Geliebten fielen auf den Liebenden zurück; er wurde bestraft, wenn der Liebling im öffentlichen Kampfspiel oder bei Schmerzproben versagte. Die Kinder in ihrer geselligen Existenz - vom sechsten Jahr an waren Schlafräume, Mahlzeiten und Unterricht gemeinsam wählten ihrerseits den Eiren, einen zwanzigjährigen Vorsteher und Anführer, der Strafgewalt über sie besaß, ähnlich wie beim Fagging-System in den englischen Côlleges, wie ja, allerdings nur in Sport und Erziehung, England zum Teil wie ein weltfähig, vor allem seefähig, gewordenes Sparta erscheint. Damit diese gleichgeschlechtliche Bindung zur vollen Auswirkung kommen könne, durften die jungen Männer erst mit dem dreißigsten Jahr heiraten, unter voller Zustimmung der Frauen, obwohl Mutterrecht sonst beim Mann die Frühehe fördert; ganz der Regel entsprach dagegen die Verachtung des alten Junggesellen. Wie Ehe vor dem dreißigsten, so war Einschichtigkeit nach dem fünfunddreißigsten Jahr verpönt. Der Heirat selbst ging ein öffentlicher Ringkampf zwischen dem völlig nackten Brautpaar voraus, denn wer mit dem andern eine halbe Stunde lang bis zur letzten Erschöpfung sportlich gekämpft hat, weiß mehr und Wichtigeres über ihn als nach Jahren gewöhnlichen Zusammenseins. »Nach dem Ringkampf nahm eine Dienerin die Braut in Empfang, schor ihr den Kopf kahl, als Rest des Aphrodite-Opfers, zog ihr männliches Gewand und Schuhe an, legte sie auf die Streu und ließ sie in der Finsternis allein. Dann schlich sich der Bräutigam, nachdem er frugal wie gewöhnlich mit seinen Kameraden gegessen hatte, heimlich zu ihr; bald nach Vollziehung der Ehe ging er wieder fort zu seinem gewöhnlichen Nachtlager.«
Auch in der Folge veränderte er sein Leben nicht, besuchte die junge Frau nur ab und zu in ihrem Haus, ohne Tisch-und Bettgemeinschaft mit ihr. Sie ihrerseits war völlig frei, sich auch von andern Jünglingen außerhalb der Ehe befruchten zu lassen, selbst von einem Landfremden, war er nur tadellos gebaut. Die Königin von Sparta gebärdete sich besonders stolz und wurde allgemein beneidet, weil Alkibiades bei seinem Desuda ihr einen Sohn gezeugt hatte. Das ist echtes Matriarchat, unabhängig von Eugenik, weil letztlich Mutterblut entscheidet. Das schöne, fremde Manntier gibt wohl seine Herrlichkeit dazu, doch was die Dorerin dann daraus macht, wird und bleibt als dorisch anerkannt, während das Gesetz den Königen die Mischung mit einer fremden Frau unter schwersten Strafen untersagte. Alle Kriegerrassen hassen und verachten den Ackerbau, ihnen bedeutet die »Scholle«, für die der Bauer wütig den Dreschflegel als Verteidigungswaffe gebraucht, als solche nichts.
Ihnen ist das Land nur der notwendige Lebensraum, um sich selbst zu finden. Den altpelasgischen Demeterkult schafften die Lakedämonier im Peloponnes sofort ab, unterwarfen sich willig den weiblichen Mondphasen, doch keiner »Mutter Erde«, so widerlich war ihnen alles mit Agrikultur Verknüpfte, sogar den Frauen, sonst in Mutterform von Natur aus Mehrerinnen jedes Wohlstands. Der größte Teil des Landbesitzes gehörte zwar ihnen, doch bewirtschafteten sie ihn nie selbst. Hier hat Rassenmäßiges das »stille« Mutterrecht ganz besonders stark variiert, wie fast nirgends sonst. Nichts könnte also verfehlter sein als von »agrarischem Konservatismus« bei Spartanern zu reden, die nie bodenständig waren, und auch unabhängig vom Boden, denn etwas nomadenhafte Viehzucht hätte ihren Bedürfnissen völlig genügt. Was sie brauchten und als Eroberer sich nahmen, waren nicht Produktionsmittel, sondern der Raum; nachher wollten sie eigentlich nie etwas anderes, als in diesem Lebensraum in Ruhe gelassen werden, infolge guter Beschaffenheit keines andern bedürftig. Gerade das aber erlauben die Köter ja nicht. Auch das Streben nach Hegemonie war im Grunde nicht mehr, imperialistische Kolonialkriege lagen ihnen nie. Lykurg machte sie ja kriegerisch, »nicht um Unrecht zu tun, sondern um kein Unrecht leiden zu müssen«. Als nach fast tausend Jahren doch das Ende kam, war es die erste Sorge der politischen Individualpsychologen jener Zeit, diese unbequeme Haltung zu brechen durch das Verbot an den dorischen Uradel, die homerischen Gesänge vorzutragen. Trotz Ringkampf und Speerwerfen blieben die Zuschauer des Unentrinnbaren der spartanischen Seele stets nah. Es nimmt der »Eugenetik«, »Ertüchtigung«, »Zuchtwahl« die Banalität, dass in Sparta dem Gotte »Phobos« ein Tempel errichtet war. Phobos wird roh und ungenau meistens mit »Furcht« übersetzt, also eine Gottheit der Furcht. Doch Phobos bedeutet Scheu, Pathos der Distanz das Gegenteil von Hybris, überheblicher Herausforderung des Schicksals. Und von diesen Dingen hat nur der wahrhaft Lebendige unter der Verstandesfläche noch das tiefere Bewusstsein:

»Denn die Götter droben
Vertragen nicht den allzu hellen Laut
Der Lust, ein allzu starkes Flügelschlagen
Vor Abend widert sie - sie greifen schnell
Nach einem Pfeil und nageln das Geschöpf
An seines Schicksals dunkeln Baum,
Der ihm im stillen irgendwo schon längst
Gewachsen war...«

Spartanische Kultur hatte keine weiten Projektionen, lebte nicht in Teilleistungen durch die Medien von Stein und Metall, von Kunst und Wissenschaft hindurch, vielmehr direkt als reines Sein, ausschließlich innerhalb des einzelnen Menschen selbst, als Ganzheit von Ethos und Leib. Darum wird die Urheberschaft an dieser kompromisslosen Ganzheit von Ethos und Leib das über alles Wichtige. Als eine Fremde voll Neid rief: »Ihr Lakedämonierinnen seid die einzigen Frauen, die über ihre Männer herrschen«, erwiderte Gorgo, die Gattin des Leonidas: »Wir sind auch die einzigen Frauen, die Männer zur Welt bringen.«

ATHEN UND DAS ÜBRIGE GRIECHENLAND

Aristophanes mokiert sich einmal über das Tollhäusergetue zu Hause und sagt, das einzige, was in Athen noch nicht da war, sei Weiberherrschaft. Gerade die aber war da gewesen, nicht gar viele Jahrhunderte früher; so rasch schlüpft gewaltsam Verdrängtes unter das Bewußtsein zurück. Ihre Spuren sind allerdings nur schwach am Abglanz von Mythos, Tradition und Königslisten, in Worten, in ein paar Bräuchen erhalten. Die Tradition sagt, dass in Athen früher genau wie in Sparta Promiskuität geherrscht habe und vaterlose Zeugung. Die patriarchale Ehe sei durch Kekrops, den Gründer der Akropolis, kurz vor der deukalischen Flut, eingeführt worden. Er war der erste, der Männer und Frauen in Ehen zusammenfügte, vorher waren die Menschen unilateral. (Justin, Klearch, Charax, Joh. von Antiochia)
Die berühmteste Bruchstelle zwischen Vater- und Mutterrecht enthält die Orestessage mit ihrer ketzerischen Sühnbarkeit des Muttermordes, eine andere, rein politische Bruchstelle ist der Kampf zwischen Athene und Poseidon um den Besitz von Athen.
In der Ratsversammlung waren Frauen wie Männer stimmberechtigt. Die Frauen entschieden mit einer Stimme mehr für Athene. Darauf überflutete Poseidon Attika. Um ihn zu beruhigen, wurde folgende Strafe über die Frauen verhängt: sie sollten das Bürgerrecht und damit das Stimmrecht im Staat verlieren, und Kinder sollten nicht mehr nach der Mutter genannt werden. Andere Sagen über das Orakel von Dodona Einsetzen von Priestern für Priesterinnen, umkleiden den Sturz der geistlichen Weibermacht.
Die Königslinie von Athen war weiblich. Die alten zyklopischen Mauern wurden, nach Pausanias, noch von den Pelasgern erbaut. Diese alte Rasse, durch Fremde und von Eleusis her bedrängt, ruft die Achäer zu Hilfe. Ein Achäer heiratet die Tochter des alten pelasgischen Königshauses. Auch Kekrops herrschte nur, weil er Gatte einer Prinzessin war. Ein späterer König, Kranäus, hatte drei Töchter, nach der einen, Attis, wurde das Land Attika genannt. Einer späteren Dynastie gehört dann Erechtheus, einer noch späteren Ägäus, der Vater des Theseus, an.
Töpfer und viele andere haben die athenische Königsliste gegen die Zweifel von Wilamowitz erfolgreich aufrecht erhalten. Das Vernünftigste zu dieser Sache hat wohl Professor Ridgeway gesagt: »Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, wie das periodische oder tägliche Opfer auf Königs- oder Ahnengräbern Namen und Art des Verehrten im Gedächtnis zu stärken pflegt. Wiewohl das Christentum alle heidnischen Opfer ausgerottet hatte, war die mündliche Tradition so stark, daß junge norwegische Bauern von Gokstad noch nach achthundert Jahren jenes Grab mit dem jetzt berühmten Wikingerschiff und seinem toten Seekönig, finden konnten.« In Athen hatten bestimmte Priesterfamilien selbst aus altem Königsblut, das Erechtheion und den Schrein des Kekrops in ihrer Obhut. Das Erechtheion aber wird schon in der Odysse erwähnt. Warum sollte man, durch das Zeugnis Homers gestützt, bezweifeln, dass im XIV. Jahrhundert v. Ch. ein wirklicher König mit Namen Erechtheus in Athen geherrscht habe. Der Eigenname ist immer etwas Lebendiges, sein Beharren durch Jahrtausende zeigt die Kraft des Lebendigen in ihm. Der mythisierende Prozess belehnt mit den ältesten Zügen immer nur die stärkste Persönlichkeit. Genealogien werden stets, besonders wo es sich um Ahnenkult handelt - sehr sorgfältig geführt, sogar wo die Schrift fehlt. Die Inka von Peru hatten ein Memorierungssystem von Schnüren verschiedener Farbe, verschieden geknüpft und gekreuzt.
Die alten Männer hielten Schule und lehrten die Kinder den Ursprung der Rasse und ihre Genealogie mit Hilfe dieser Schnüre. Sogar die Eingeborenen an der Torresstraße führen Chroniken mit Hilfe von Schnüren und Knoten. Geschichte, insofern sie nur fortlaufend Geschriebenes gelten lässt, wird immer weniger des Menschengutes wissen. Das wichtigste Menschheitsgeschehen wird sich außerhalb abspielen und in andern Zeichen gesammelt werden müssen. Die herrschende Tradition eines Priesterkönigtums, in einer priesterlichen Familie und Opferbräuchen fortgeerbt, hat doch mehr Dauer und Gewalt als fortlaufend geschriebene Tageszeitungen, wiewohl diese mit Rotationspressen ihre Tendenzlügen in Millionen Exemplaren den Leuten um die Ohren klatschen.  »Wer den Menschenkönig Kekrops anzweifelt, weil sein Wesen symbolisch als Schlange dargestellt wurde, müsste die reale Existenz der halben Menschheit bezweifeln, vor allem der Totemrassen. Indianer mit Regentotem werden als Regenstreifen dargestellt, andere Stämme als Windrichtung oder in Tiermasken«. Wie die athenische Königslinie weiblich, Attika selbst nach einer Frau benannt ist, so heißen die männlichen Mitglieder der athenischen Sippen: homogalaktes, mit gleicher Milch Genährte, also Muttersöhne. Halbgeschwister väterlicherseits galten für nicht nahe verwandt, durften unter sich heiraten, bei uterinen Halbgeschwistern zählte eine Verbindung schon als Inzest. Der Bruder selber heißt griechisch: adelphos, von delphys=Gebärmutter.  Auch zwischen den beiderlei Onkeln bestand ein Rangunterschied als letzter Rest blutmäßigen Mutterrechts; einen Rest des politischen erwähnt Plutarch; denn bis um 300 v. Chr. nahmen auch die Frauen an großen öffentlichen Prozessen als Stimmberechtigte teil.In den altertümlichen, pelasgisch unterlagerten Stämmen Arkadiern, Äoliern, Böotiern - und ihren Kolonien war das Matriarchat viel deutlicher erhalten. Mantinea in Arkadien feierte die ganze klassische Zeit hindurch reine Frauenmysterien. Diotima, die liebesweise Frau im platonischen Gastmahl, ist Mantineerin. In der »hohlen« Elis - Stadt und weite Ebene der Peloponnes - verwalteten nach Pausanias sechzehn Matronen das höchste Richteramt. Tätowierung galt als Zeichen mütterlichen Adels in Thrakien. Lokri heißt Mutterland, Stammutter der Lokrer war Aphrodite in Person. Sie führt den Beinamen Zephyritis, nach ihr nannte die lokrische Kolonie in Unteritalien Hauptstadt und Vorgebirge Epizephyrion und sich selbst epizephyrische Lokrer. Sie kamen mit einer Art »Mayflower« nach Italien. Von ihnen sagt Polybius: »Zuerst führen sie den Umstand an, dass aller Ruhm und Glanz der Abstammung bei ihnen von den Frauen und nicht von den Männern hergeleitet werden, dass für adelig nur die aus den hundert Häusern werden.«
Einige Mädchen aus diesem Frauenadel befanden sich auf der »Mayflower« und übernahmen dann in der italienischen Kolonie das oberste Opferamt bei den religiösen Zeremonien. Pontifex, also wer opfern darf, ist bei Matriarchat die Frau. Außer dem schönen, aphroditischen Namen Epizephyroi haben die lokrischen Männer noch ein weniger schmückendes Beiwort: sie heißen »stinkende« Lokrer von der ewigen Beschäftigung mit dem Ziegenvieh, dem Böckehüten, der schweren und schmierigen Arbeit, die ihnen von den Frauen aufgepackt wurde. Sie sind ein Gegenbeispiel zu den Lydiern, deren Häuslichkeit und Putzsucht von Dr. Vaerting als ständig wiederkehrende Wirkung der Frauenherrschaft angegeben wird. Bei den Lokrern hatte das Matriarchat genau das Gegenteil zur Folge. Das ungeheure völkerkundliche und historische Material ist eben schwer unter ein Einheitshütchen zu bringen. Trotzdem - das verdient immer wieder betont zu werden - bleibt die Vaertingsche Theorie überaus anregend und fruchtbar.