Im ländlichen Botswana steht, wie in vielen Häusern des südlichen Afrika, in jedem Haus ein bemerkenswerter Kochtopf — der Dreifuß, ganz aus Eisen mit einem runden Bauch, steht mit drei Beinen auf dem Boden. Den Topf gibt es in allen Größen. Für alltägliche Familienmahlzeiten wird direkt unter einem mittelgroßen Topf ein kleines Holzfeuer gemacht, und damit ist der Topf selbst ein kleiner tragbarer Herd, der zahllose Mahlzeiten aus gekochtem Fleisch oder Brei hervorbringt. Für Hochzeitsgelage oder Beerdigungen, wenn viele Leute gespeist werden müssen, kramt man Eisentöpfe von gewaltigen Ausmaßen hervor, und das Feuer unter dem Topf, in dem die Riesenmahlzeiten gekocht werden, ist aus großen Baumstämmen.
Mag sein, daß ein Kochtopf als Thema allzu prosaisch und unmöglich erscheint, aber ich bin von der Geschichte fasziniert, von den Wanderungsbewegungen der Völker, vom Aufeinandertreffen vieler fremder Kulturen, von Handel und Warenaustausch. Den Dreifuß, die offene Feuerstelle im Freien und die damit verbundene einfache Bescheidenheit hatte ich im Geist immer mit dem Leben schwarzer Menschen assoziiert. Nie war mir der Gedanke gekommen, daß der Kochtopf ein importierter Gegenstand war, an einem Punkt der Geschichte Tausende von Meilen über die Meere gereist, um dann zu einem unentbehrlichen Bestandteil afrikanischer Heimstätten zu werden.
Handel kann Lebensweisen vollkommen verändern. Zu einer Zeit war es für mich notwendig, eine Rekonstruktion der autarken traditionellen afrikanischen Gesellschaft zu versuchen, in der die Menschen ihre gesamten Haushaltsgeräte selbst hergestellt hatten. Es war eine schwierige Aufgabe, weil nur wenig traditionelle Gegenstände überlebt haben. Tontöpfe waren zerbrechlich, ebenso wie die Messer, Äxte und Speere. Sie wurden schnell zugunsten europäischer Güter ausrangiert. Ich habe ein Interview mit einer alten Frau geführt, die eine der letzten Töpferinnen im Dorf war. Die Kunst des Töpfemachens war von ihrer Mutter an sie weitergegeben worden, aber sie hatte weder eine Tochter noch eine Enkelin, die an dem Handwerk Interesse gehabt hätten.
Vor hundert Jahren war »Hausfrau« in der traditionellen afrikanischen Gesellschaft ein hochqualifizierter Beruf. Frauen mußten die Fähigkeit besitzen, viele Haushaltsgeräte wie Tontöpfe und Vorratskörbe herzustellen-, sie mußten auch die Felder pflügen und den Jahresvorrat an Getreide erzeugen, Strohdächer und die Wände der Lehmhütten errichten. Heute kaufen Frauen einfach stabile verzinkte Eimer und andere Haushaltsgeräte im Geschäft. Aber die alte Töpferin erzählte mir: »In alten Zeiten wurden meine Tontöpfe nicht nur als Wasserbehälter benutzt. Sie waren auch Kochtöpfe.« Ich weiß noch, daß ich überrascht war, daß so etwas Zerbrechliches wie ein Tontopf, in geduldiger Handarbeit geformt und in einem einfachen hausgemachten Brennofen gebrannt, zum Kochen geeignet sein sollte. Das Interview führte außerdem in meinem Kopf zu einer bohrenden Frage. Wenn Tontöpfe in alten Zeiten Kochtöpfe gewesen waren — wo kam dann der Dreifuß her? Die Dreifüße waren mir als so traditionell afrikanisch erschienen, daß ich vergessen hatte, die alten Leute nach ihrer Herkunft zu fragen.
Die Antwort auf meine besorgte Frage kam überraschend. Ich machte eine Reise nach Dänemark, und eines Abends wurde ich in Kopenhagen zum Essen in ein Restaurant eingeladen. Das Restaurant war im Stil eines alten dänischen Bauernhauses eingerichtet. Meine Gastgeberin sagte mir.- »Unsere Vorfahren kochten in einem offenen Kamin, und ein Eisentopf hing an einer Kette über dem Feuer.« Der Kochtopf fehlte in der Einrichtung, aber sie machte schnell eine Skizze. Es war jener Dreifuß, der von so weit her aus seiner ursprünglichen Heimat Europa gekommen war und auf dem afrikanischen Kontinent ein anderes Heim gefunden hatte. Sein Nutzen als Kochtopf mag in Europa der Vergangenheit angehören, aber auf Tausenden von afrikanischen Feuerstellen ist er noch sehr lebendig.
Es folgte eine lange Spekulation. Ich meinte, nur der holländische Trek Boer, der ursprünglich aus den Niederlanden stammte, könnte den Dreifuß und viele andere Handelswaren bei den schwarzen Menschen eingeführt haben. 1837 gab es massive Wanderungen der Trek Boeren aus dem britischen Herrschaftsgebiet am Kap wegen der Abschaffung des Sklavenhandels durch die Briten und allgemeiner Unzufriedenheit mit der britischen Regierung. Die Briten hatten damals kein Interesse am Inneren Afrika, denn sie waren mit der Eroberung Indiens beschäftigt. So waren die Trek Boeren die erste der europäischen Rassen, die Kontakt mit den schwarzen Menschen im Inneren des südlichen Afrika hatten und neue Handelsgüter ins Land brachten. Diese Handelsgüter waren für die schwarzen Menschen so neu, daß es für sie in den afrikanischen Sprachen keine Bezeichnungen gab. Holländische und afrikaans Namen für Handelswaren wurden in viele der afrikanischen Sprachen des südlichen Afrika direkt übernommen. Zum Beispiel:
Setswana | Afrikaans | Deutsch |
suikere | suiker | Zucker |
nekere | lekkers | Süßigkeiten |
broek | broek | Hose |
goude | goud | Gold |
tee | tee | Tee |
Ich könnte endlos über das Staunen spekulieren, das die schwarzen Menschen erfüllt haben muß, als sie diesen vielfältigen Gütern wie Kochtöpfen, Messern und Äxten begegneten, die allesamt stabiler und haltbarer waren als die Geräte, die ihre Vorfahren hergestellt hatten. Aber das Aufeinandertreffen fremder Kulturen hat im südlichen Afrika kein Staunen und keine Kommunikation zwischen Schwarz und Weiß ausgelöst. Es löste eine trostlose Geschichte von Stöhnen, Wehklagen und Kriegen aus. Über eine lange Zeit galten die Belange der schwarzen Menschen und ihr alltägliches Überleben wenig. Es mag ein historischer Moment gewesen sein, als der erste Dreifuß aus Europa in einem schwarzen Hof erschien, stabiler als der Tontopf, den die Vorfahren bisher hergestellt hatten. Ich habe ein wenig von seiner Geschichte aufgeschrieben, weil sie mich mit Staunen erfüllt.