Frausein: Die Dynamik des zeitgenössischen schwarzen weiblichen Romans in englischer Sprache

»Wir sind nicht weiß. Wir sind keine Europäer. Wir sind schwarz wie die Afrikaner...
Wir und die Afrikaner werden für ein gemeinsames Ziel arbeiten:
für mehr Ansehen der schwarzen Menschen überall.«
(Alice Walker, Die Farbe Lila)

Was geht in einer schwarzen Romanschriftstellerin vor, wenn sie weiße feministische Literatur liest und feststellt, daß Shakespeares illustre Schwestern zum anderen Geschlecht gehören, sich in einer Situation befinden, die sie zu impotenten Eunuchen gemacht hat, ohne Zimmer für sich allein, wo sie ihre ureigene Literatur lesen und schreiben könnten, sodaß sie zu Wahnsinnigen geworden sind, die jetzt vom Dachboden herabsteigen, entschlossen, für ihre Rechte zu kämpfen, indem sie sich in der erbittert geführten Politik der Geschlechter engagieren? Soll sie überstürzt mit ihnen gegen das euro-amerikanische Patriarchat zu Felde ziehen, nur um durch deren Sieg die Chancen der eigenen Rasse, jemals an politischer, sozialer und ökonomischer Macht beteiligt zu werden, noch mehr zu gefährden? Soll sie ihre kämpferischen Bemühungen imitieren und den Fehdehandschuh werfen, um das schwarze Patriarchat herauszufordern? Soll sie eine Zeitlang den Geschlechterkampf führen und dann wieder den Rassenkampf? Soll sie dem äußeren Kampf der Geschlechter gegenüber gleichgültig bleiben und im Machtkampf der schwarzen Geschlechter den Waffenstillstand einhalten, um nur den Rassenkampf zu führen?
Viele schwarze Schriftstellerinnen, die in Englisch schreiben, haben sich, verständlicherweise, nicht mit radikalen weißen Feministinnen verbündet. Sie haben vielmehr die Möglichkeiten anderer Positionen untersucht und eine interessante lockere Sammlung zusammengestellt, die sich einer strengen Kategorisierung widersetzt. Eine schwarze Schriftstellerin neigt in vielen Fällen, in denen eine weiße Schriftstellerin Feministin wäre, dazu, die Position des »Frauseins« zu vertreten. Das heißt, sie wird erkennen, daß sie zusammen mit ihrem Bewußtsein für die Geschlechterproblematik rassische, kulturelle, nationale, ökonomische und politische Erwägungen in ihre Philosophie aufnehmen muß.
Es ist wichtig, deutlich zu machen, warum viele schwarze Schriftstellerinnen keine Feministinnen im Sinne ihrer weißen Pendants sind und welche Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Afrikanische und afro-amerikanische Schriftstellerinnen haben trotz einiger Punkte, an denen sich ihre Meinungen trennen, ähnliche ästhetische Vorstellungen. Als Gruppe unterscheiden sie sich aufgrund ihrer Rasse von weißen Feministinnen, denn sie haben die vergangene und die gegenwärtige Unterwerfung der schwarzen Bevölkerung erfahren, dazu die heutige versteckte (oder auch nicht so versteckte) Kontrolle, die von einer fremden, westlichen Kultur auf sie ausgeübt wird. Diese außerliterarischen Determinanten haben dazu beigetragen, den schwarzen weiblichen Roman in englischer Sprache zu dem zu machen, was er heute ist. Diese Determinanten sind zum Teil für den Konflikt zwischen weißen und schwarzen Frauen über Strategien und Prioritäten in der Politik der Geschlechter verantwortlich. Ich werde, um die schwarze Ästhetik, die dem Frausein verpflichtet ist, zu illustrieren, viele Romane schwarzer Frauen, sowohl aus den afrikanischen Literaturen als auch aus der afro-amerikanischen zitieren, ohne sie dabei eingehender zu interpretieren. Meine Intention ist es, darzustellen, daß die Position des Frauseins weit verbreitet ist, und die Faktoren zu bestimmen, die schwarze Schriftstellerinnen in dieser charakteristischen Haltung verbinden. Auf der afrikanischen Seite werde ich auf Bessie Heads When Rainclouds Gather, Maru und Die Farbe der Macht (Botswana) verweisen sowie auf Idu und One Is Enough von Flora Nwapa (Nigeria), Our Sister Killjoy von Ama Ata Aidoo [1] (Ghana) und auf Ein so langer Brief von Mariama Bâ (Senegal). Auf der afro-amerikanischen Seite werden sich meine Hinweise hauptsächlich auf Jubilee von Margaret Walker, The Chosen Place, the Timeless People und Praisesong for the Widow von Paule Marshall, Sehr blaue Augen und Solomons Lied von Toni Morrison und auf The Third Life of Grange Copeland und Die Farbe Lila von Alice Walker beziehen.
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Da sich der feministische Roman noch entwickelt, sind die folgenden Beschreibungen zwar nur vorläufig und theoretisch, sollen aber als Arbeitsgrundlage benutzt werden. Der feministische Roman ist eine Form von Protestliteratur, die sich sowohl an Männer als auch an Frauen wendet. Da sie gegen Sexismus und die patriarchale Machtstruktur protestiert, ist sie offen propagandistisch oder sehr scharf im Ton oder beides. Sie fordert, daß ihre Leserschaft, ob männliche Unterdrücker oder weibliche Unterdrückte, sich der ideologischen Probleme bewußt sind, damit sie ihre Einstellung zum Patriarchat verändern kann. Damit ein Roman als feministisch eingestuft wird, muß er infolgedessen nicht allein von Frauen oder von Frauenproblemen handeln, sondern sollte auch einige Aspekte einer feministischen Ideologie postulieren. Leser/innen können erwarten, in ihm eine Kombination der folgenden Themen zu finden: eine kritische Aufnahme von und Reaktion auf das Patriarchat, die oft durch den Kampf eines Opfers oder einer Rebellin, die einer patriarchalen Institution begegnen müssen, ausgedrückt werden; Sensibilität den Ungerechtigkeiten des Sexismus gegenüber, verbunden mit einer Anerkennung der Frauen und dem Verständnis für die Möglichkeiten, die ihnen offenstehen; eine Metamorphose, die zum weiblichen Sieg in einer weiblichen Utopie führt, oder eine Stagnation, die bedeutet, daß die Beseitigung des Sexismus fehlgeschlagen ist; ein Stil, der mit der Schärfe des feministischen Diskurses gespickt ist. Wie bei Kochrezepten so auch bei Kunstwerken. Die Resultate sind unterschiedlich. Romane, die aus der Position des Frauseins geschrieben sind, können diese Charakteristika zwar auch zu einem höheren oder niedrigeren Grad aufweisen, heben aber andere Unterscheidungsmerkmale hervor und hinterlassen so einen Eindruck, der sich deutlich von dem feministischer Arbeiten unterscheidet. Diese Unterschiedlichkeit erfordert, so glaube ich, die separate Klassifikation, die ich für die schwarzen weiblichen Romane entworfen habe.
Betrachten wir z. B. Jane Eyre, einen komplexen und tiefgreifenden Roman, den Sandra Gilbert und Susan Gubar in ihrer brillanten Analyse als Teil der feministischen Tradition darstellen.[2] Der feministische Charakter des Buches wird im Porträt Janes als Rebellin gegen patriarchale Institutionen deutlich, die von so tyrannischen männlichen Figuren wie dem Reverend Brocklehurst, Edward Rochester und St. John Rivers vertreten werden. Das Romanende ist für die weiße feministische Leserin ein positives: Jane triumphiert, da sie die anerkannte Gleichberechtigung ihrem Ehemann Rochester gegenüber erreicht hat.
Für die kritische schwarze Leserin ist Jane Eyre jedoch nicht nur ein feministischer Roman, sondern auch eine entwaffnende realistische Beurteilung der weißen Überlebensethik. David Cecil hat in Early Victorian Novelists dem Konflikt zwischen Heathcliff und Edgar Linton in Emily Brontes Sturmhöhe eine ökonomische (und ich könnte hinzufügen, eine rassische) Dimension gegeben, eine Interpretation, die auf das Verhältnis Bertha/Rochester ausgeweitet werden kann. Die unbeugsame Mulattin von den Westindischen Inseln, Bertha Rochester, die wegen ihrer sexuellen Attraktivität und ihres Reichtums ausgebeutet wurde, wird eingesperrt, weil der patriarchale Rochester behauptet, sie sei verrückt.[3] Rochester ist von ihrem Reichtum und der Möglichkeit, sie sexuell auszunutzen, angezogen, wie das für ausbeuterische weiße Herren typisch ist, findet aber die Tönung ihrer Haut abstoßend, die Farbe, die sie neben anderen Faktoren anfangs ihm gegenüber verletzlich gemacht hat. Er läßt sie fallen,[4] hat Affären und versucht, eine weiße Frau zu heiraten, als hätte die schwarze sich in eine unsichtbare Frau verwandelt; für die »verrückte« Bertha ist das eine catch-22-Situation. Deshalb kämpft sie um ihr Überleben. Sie übt Rache an dem zur Vielweiberei neigenden Rochester und seiner weiblichen Komplizin, der »tugendhaft farblosen Jane«, die es eigentlich besser wissen sollte, als eine andere Frau auszustechen, um sich einen Mann zu sichern. Bertha läßt Thornfield, das weiße patriarchale Gebäude zum Verdruß des weißen Mannes und der weißen Frau in Flammen aufgehen. Um vom schwarzen Standpunkt aus die Ungerechtigkeiten des Patriarchats auszugleichen, muß die weiße Frau ein bescheideneres Leben akzeptieren, da sie einen Mann mit beschränkteren finanziellen Möglichkeiten zum Gatten hat, demgegenüber sie gleichberechtigt ist. So weit, so gut. Wenn jedoch Bronte zuläßt, daß Bertha, die die ganze Zeit von weißen Frauen verraten wurde — von Adeles Mutter, von ihrer Bewacherin, Grace Poole, und von ihren Rivalinnen im Streit um Rochesters Liebe, besonders von Jane —, stirbt, als das Patriarchat zusammenbricht, entwirft sie eine tragische Vorstellung von Feminismus für eine schwarze Leserin. Ein solches Ende macht den Roman ambivalent; oder sollte es zutreffend sein, daß die feministische Utopie nur für weiße Frauen ist? Für schwarze Frauen, die eigentlich Feministinnen wären, ist die Lektion ganz einfach: Die schwarze Fau darf auf keinen Fall so verrückt sein, wenn sie das Establishment bekämpft, sich selbst mit dem Patriarchat zu zerstören. Die Tatsache, daß diese Lektion von vielen schwarzen Schriftstellerinnen gelernt worden ist, erklärt zum Teil ihren mangelnden Enthusiasmus für den im Feminismus implizierten Zusatz der totalen weißen Kontrolle. Deshalb ihre andere Einstellung: das Frausein.
Die Arbeiten der Nigerianerin Buchi Emecheta, die seit fast zwanzig Jahren im Exil in England lebt und nach einem Ehefiasko zu schreiben begonnen hat, sind eine gewisse Ausnahme. Die beiden autobiographischen Romane Emechetas, In the Ditch (1972) und Second-Class Citizen (1974), sind tief im britischen und irischen Feminismus, in dessen Mitte sie lebt, verwurzelt. Adah, in diesen Romanen das alter ego Emechetas, ist rebellisch. Im Gegensatz zu Bertha Mason, die insoweit, als sie beide schwarze Frauen allein in einer weißen Gesellschaft sind, eine Vorfahrin Adahs sein könnte, bekämpft sie erfolgreich das Patriarchat, das sie in Gestalt des britischen Wohlfahrtsstaates erfährt (In the Ditch). Sie triumphiert auch über ihren nigerianischen, in seinem sexuellen Verhalten und in seiner wirtschaftlichen Unverantwortlichkeit bestialischen Ehemann Francis (Second-Class Citizen), obwohl er durch eine lange nigerianische Patriarchatstradition abgesichert ist. In England kommt Adah aus dieser weiblichen Zwangslage heraus, indem sie sich scheiden läßt (was in Nigeria mißbilligt worden wäre) und die Last auf sich nimmt, in einer feindlichen Umgebung für fünf Kinder zu sorgen.
Emecheta folgt in ihren späteren nicht-autobiographischen Werken, deren Titel - The Bride Price (1976), The Slave Girl (1977), N'nu Ego, The Joys of Motherhood (1979), Double Yoke (1982) — schon auf ihre feministische Tendenz hinweisen, der Tradition der Feministinnen. Sie neigt dazu, den schwarzen Mann zu verweiblichen, ihn schwach, schlaff und erfolglos darzustellen. Diese besorgniserregende Tendenz stellt auch Emechetas Haltung Frauen gegenüber in Frage. Sie präsentiert den schwarzen Mann als das »Andere«, ein lächerliches »Objekt«, um Simone de Beauvoirs treffendes Vokabular zu gebrauchen. Er ist dazu ausersehen, von Emecheta »getötet« zu werden, wird aber widersinnigerweise wieder zum Leben erweckt, vielleicht weil die Autorin versuchen will, in letzter Minute der patriarchalen Realität Nigerias doch noch treu zu bleiben. Ihre Heldinnen sind meist starke Charaktere, die gegen das Patriarchat kämpfen, nur um im Kindbett zu sterben, in der Ehe versklavt zu werden oder als Wahnsinnige zu sterben verlassen von den Kindern, die sie ernährt haben. Emechetas Zerstörung ihrer Heldinnen ist eine feministische Eigenschaft, die zum Teil dem Narzißmus der Autorin zugeschrieben werden kann.[5] Die Position der afrikanischen feministischen Schriftstellerin wird durch die Tatsache verkompliziert, daß es ihren Werken manchmal an Authentizität mangelt, da die traditionelle afrikanische Frau, die sie zur Protagonistin gemacht hat, in Wirklichkeit von den Problemen, das Überleben zu sichern, so sehr in Anspruch genommen ist, daß sie sich ihrer mißlichen Lage in einer sexistischen Gesellschaft kaum bewußt ist. Der feministische Wunsch, sie als aufbegehrend darzustellen, kann im Kontext dieser Realität nur absurd wirken.
Wenn die feministische literarische Bewegung die weiblichen Erfahrungen wirklich erklären will, um den Status quo zu Gunsten der Frauen zu ändern,[6] wird das Dilemma der afrikanischen Schriftstellerin in einem feministischen Kontext sofort offensichtlich. Schwarze Frauen sind in mehrerer Hinsicht benachteiligt: Als Schwarze sind sie mit ihren Männern Opfer einer weißen patriarchalen Kultur, als Frauen fallen sie den schwarzen Männern zum Opfer, und als schwarze Frauen werden sie von weißen Männern in rassischer, sexueller, gesellschaftlicher Hinsicht schikaniert. Um diese Situation zu meistern, ignoriert Emecheta größtenteils solch komplexe Verhältnisse und behandelt die schwarze Frau hauptsächlich als Opfer des schwarzen Patriarchats. Diese Verfahrensweise ist für schwarze Schriftstellerinnen untypisch, obwohl Emechetas unermüdlicher Einsatz für einen schwarzen Feminismus ansteckend wirken könnte.
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In einem Interview auf der ersten feministischen Buchmesse in London im Juni 1984 berichtete die weiße südafrikanische Journalistin Beata Lipman offen über die Situation der Frauenliteratur in Südafrika. Danach »ist Rassismus eine wichtigere Angelegenheit als Sexismus«,[7] eine Behauptung, die auf viele Gegenden der Dritten Welt ausgedehnt werden kann, wenn wir Hunger, Armut oder Rückständigkeit für »Rassismus« einsetzen. Auch wenn sie ihre Macht herunterspielt, so hat die weiße Frau doch eine Autorität, die der schwarze Mann und die schwarze Frau nicht haben. Und mehr noch, während die weiße Schriftstellerin gegen Sexismus protestiert, muß die schwarze Schriftstellerin ihn als ein Übel unter vielen behandeln; sie kämpft auch gegen Entmenschlichung als Ergebnis von Hunger und Rassismus. Was ist denn schon die Gleichberechtigung der Geschlechter im Ghetto wert? Schwarze Schriftstellerinnen sind nicht auf Probleme beschränkt, die durch ihre Weiblichkeit bestimmt sind, sondern setzen sich mit Fragen auseinander, die ihre Menschlichkeit betreffen. Deshalb zeigt sich der Standpunkt des Frauseins der Rassenproblematik dadurch bewußt, daß er die positiven Aspekte des schwarzen Lebens hervorhebt. Die Politik der Frauen, die die Position des Frauseins vertreten, ist einzigartig in ihrer komplexen Sicht rassischer und geschlechtlicher Fragestellungen; sie ist komplexer als die weiße Politik der Geschlechter, weil sie direkter die entscheidende Frage der Macht [8] anspricht: Wie teilen wir gerecht den Reichtum der Welt und gleichzeitig die Macht unter den Rassen und zwischen den Geschlechtern auf?
Weiße Feministinnen vergleichen fortwährend die Situation weißer Frauen mit der von »Sklaven«, »Kolonisierten«, der »schwarzen Minderheit«, von »Leibeigenen in einem Feudalsystem«, dem »schwarzen Kontinent«.[9] Da dies erniedrigende Positionen sind, die schwarzen Menschen zugewiesen wurden und die sie immer noch in vielen Teilen der Welt innehaben, befremden solche Vergleiche schwarze Leserinnen, weil sie schwarze Unterordnung unterstreichen und dennoch bagatellisieren. In der Tat befürchten Schwarze bei dieser Haltung der Weißen, daß Weiße weiterhin Schwarze unterdrücken werden, um einen weiblichen Sieg in dem weißen politischen Spiel der Geschlechter vorzubereiten. Die schwarze Schriftstellerin, ob in Afrika oder sonst irgendwo in der Diaspora, neigt zu der Ansicht, daß der weiße Feminismus doch nur eine weitere Taktik, vielleicht eine unbewußte, gegen sie und ihresgleichen ist. Das gemeinsame schwarze Erbe der Unterwerfung durch die Weißen — sowohl unmittelbar als auch durch die Übernahme und Verinnerlichung von weißen Werten und Moralvorstellungen — hat das Wesen des heutigen schwarzen Lebens bestimmt, was S. E. Ogude richtig als eine lebendige Tradition von Leiden und Erniedrigung erkannt hat.[10] Das wichtigste Anliegen der schwarzen Schriftstellerin ist, öffentliches Bewußtsein und Verständnis für dieses zentrale Problem zu wecken, indem sie Geschichten schreibt, die wirksam sind, weil sie angemessen und aufschlußreich erzählen. Deshalb ist sie nicht in erster Linie oder ausschließlich an Sexismus interessiert wie die weiße Feministin.
Die intelligente schwarze Schriftstellerin, die sich der schwarzen Machtlosigkeit innerhalb der weißen patriarchalen Kultur bewußt ist, verleiht auch dem schwarzen Mann Kraft. Sie glaubt an ihn; deshalb enden ihre Bücher in integrativen Bildern von männlichen und weiblichen Welten. Da sie diese Verpflichtung eingegangen ist, kann sie kaum eine starke Verbündete der weißen Feministin werden, bis sich (vielleicht) das politische und ökonomische Geschick der schwarzen Rasse verbessert hat. Welche Bedeutung hätte es bei der momentanen Weltmachtsituation für eine schwarze Protagonistin, für Gleichberechtigung mit dem schwarzen Mann zu kämpfen — wie z. B. auf der afroamerikanischen Seite Richard Wrights bestialischem Bigger Thomas oder Ralph Ellisons ewig schlafendem Invisible Man oder James Baldwins sterilem Leo Proudhammer; oder auf der afrikanischen Seite Ngugi wa Thiong'os heimtückischem Mann oder Wole Soyinkas umherwanderndem Übersetzer oder Chinua Achebes unsicherem Okonkwo? Genauso wie Baldwin die Integration in das Pulverfaß der Vereinigten Staaten verweigert, schreckt die schwarze Frau instinktiv vor der bloßen Gleichberechtigung zurück, weil sie, wie in Aidoos Our Sister Killjoy, ein viel größeres Ziel hat und die schwarze Familie der ganzen Welt vereinen muß, um schwarze, nicht nur weibliche Transzendenz zu erreichen.[11]
Als Aidoo die Krankheit der afrikanischen Schriftstellerinnen diagnostizierte, hat sie wahrscheinlich für die meisten schwarzen Schriftstellerinnen gesprochen: »Für die afrikanische Schriftstellerin ist das Leben bestimmt nicht kristallklar. Sie befindet sich eher in einer außerordentlich eigenartigen Lage. Aber wir teilen auch alle oder fast alle Probleme der männlichen afrikanischen Schriftsteller« — sie haben Erfahrungen gemeinsam, die weiße Schriftstellerinnen nicht mit ihren männlichen Kollegen teilen.[12] Für afrikanische Männer oder Frauen ist es ein grundlegendes Problem, in einer geliehenen Sprache und Form zu schreiben; für die meisten Schwarzen ist die Schwierigkeit, überhaupt etwas zu veröffentlichen, weil es nur so wenige schwarze Verleger gibt, ein bleibendes Problem. Außerdem sind viele afrikanische Romane dünn oder haben nicht den Tiefgang, der in vielen amerikanischen zu finden ist. Die Tradition der afrikanischen Kunst mit ihrer Schlichtheit und Kurzlebigkeit — die man in der afrikanischen Architektur ebenso wie in den mündlich überlieferten und vorgetragenen Literaturen beobachten kann — ist als Erbe an die afrikanischen Schriftstellerinnen übergegangen. Dennoch müssen sie ihre Romane in einem Milieu produzieren, das sich nach Komplexität und dem Bleibenden sehnt. Wer soll aber auf der anderen Seite das lesen, was sie produzieren, wenn ein Großteil des Publikums zu Hause das Lesen haßt oder gar nicht lesen kann — ein Handicap, das mit vielen schwarzen Amerikanern geteilt wird?
Die weiße Schriftstellerin, die aus einer Machtposition heraus schreibt, muß solchen Schwierigkeiten nicht begegnen. Sie kann sich statt dessen auf das Patriarchat konzentrieren, es analysieren, es angreifen und seine Ausläufer an den unmöglichsten Stellen entdecken. Das Patriarchat, wie es sich in den schwarzen Ghettos der Welt manifestiert, ist eine Familienangelegenheit, ohne die weitreichenden Auswirkungen des weißen Patriarchats, bei dem es wirklich um Weltmacht geht. Der entscheidende Unterschied zwischen der weißen Feministin und der schwarzen Frau, die die Position des Frauseins vertritt, liegt deshalb darin, wie jede einzelne das Patriarchat erfährt und was ihrer Meinung nach geändert werden kann. Schwarzer Sexismus ist eine mikrokosmische Reproduktion des euro-amerikanischen Rassismus, eine Vorstellung, die Alice Walker entwickelt hat. In Die Farbe Lila schreibt Nettie, daß die Olinka, wenn sie keine Mädchen ausbilden, »wie die Weißen zu Hause sind, die nicht wollen, daß farbige Menschen etwas lernen«.[13] Daraus folgt, daß für die schwarze Frau Rassismus und Sexismus zusammen ausgerottet werden müssen.
Seit den sechziger Jahren, als in Afrika und bei den Minderheiten die Idee von Unabhängigkeit und nationaler Identität aufkam, hat die weiße Frau ihr feministisches Streben nach der Gleichstellung mit den weißen Männern intensiviert, und das ist eine Position, die ihr die Antwort auf die Rassenproblematik und den schwarzen Feminismus schwerer macht. Viele weiße feministische Kritikerinnen haben den schwarzen Vorwurf der Doppelzüngigkeit dadurch bestätigt, daß sie kaum die Literatur schwarzer Frauen behandeln, sondern, unter dem Vorwand ihrer Unwissenheit, schroff darüber hinweggehen.[14] Diese Vernachlässigung hat eine positive Seite, da sie das Erscheinen schwarzer Kritikerinnen begünstigt hat. Der Konflikt zwischen weißen und schwarzen Positionen konkretisiert sich in dem Widerstand schwarzer Frauen gegenüber der Geschlechterpolitik ihrer weißen Kolleginnen. Er zeigt sich in der konsequent negativen Darstellung weißer Frauen in den Romanen schwarzer Schriftstellerinnen — ein Umstand, der das Ausmaß des Konfliktes zwischen weißen Feministinnen und schwarzen Vertreterinnen der Position des Frauseins anzeigt.
Ein aufschlußreiches Beispiel für diese Feindschaft ist Aidoos Porträt der Deutschen Marja, der Frau von Adolf (Hitler?), in Our Sister Killjoy. Zuerst, als sie das schwarze Mädchen Sissie mehrmals in symbolischen Gesten mit Früchten beschenkt, was schließlich zu einem sexuellen Annäherungsversuch führt, erscheint Marja als Verführerin. Sissie schreckt vor dem zurück, was sie als widerwärtig ansieht, obwohl ihr Entsetzen mit einer Baldwin'schen Zärtlichkeit gemischt ist, und verwirft den Feminismus, während sie sich der Position des Frauseins zuwendet.[15] Ähnlich demonstriert Head in Die Farbe der Macht, durch die Darstellung von Camilla, daß die weiße Frau sich danach sehnt, schwarze Männer und Frauen zu kontrollieren, indem sie sie erniedrigt. Sie wird in einer offenen Konfrontation davon abgehalten.
Die Afro-Amerikanerinnen sind mit der weißen Frau noch böser umgesprungen als die afrikanischen Schriftstellerinnen. Das ist auch verständlich, weil die rassistische Situation bei ihnen schlimmer ist als bei durchschnittlichen Afrikanerinnen. Was könnte vernichtender sein als Margaret Walkers Porträt von Big Missy als der harten Familienmutter mjubilee oder das ihrer Tochter, der feigen Miss Lillian, dem entgegengesetzten Stereotyp der zerbrechlichen, fügsamen Frau? Big Missy bekommt am Ende für die teuflische Behandlung ihrer schwarzen Sklaven die gerechte Strafe, als sie — nachdem fast ihre gesamte Familie tot ist und die Gewehre der Yankee so laut donnern, als wären sie bereits auf ihrer Plantage — Blähungen bekommt und als Folge eines schweren Schlaganfalls an Inkontinenz leidet. Als wäre das noch nicht genug, gibt Walker der weißen Frau den Rest, indem sie schließlich Miss Lillian (die sich auch als sehr geschickt mit Blähungen, besonders bei Versammlungen erweist) als wahnsinnig und hilflos darstellt, in krassem Gegensatz zu der schwarzen Vyry, die in dem Elend, daß ihr von Big Missy und anderen weißen Charakteren bereitet wird, überlebt.
Paule Marshall ist in ihrem Porträt der weißen Frau in Brown Girl, Brownstones ebenso vernichtend wie Margaret Walker, und in The Chosen Place, the Timeless People verfährt sie sogar noch schärfer. Hier versucht sie mit ihrer weißen Darstellerin Harriet, die ihren Reichtum dem Sklavenhandel verdankt, einen wichtigen historischen Aspekt zu unterstreichen; wie Margaret Walker bestätigt auch Marshall, daß weiße Frauen ebenso wie weiße Männer von der Sklaverei profitiert haben. Die zweifelhafte Rolle der weißen Frau im Rassenkontext wird noch weiter durch das Verhalten einer anderen Weißen, der englischen Geliebten der schwarzen Merle unterstrichen. Das Ereignis hat den Charakter einer historischen Parabel. Entschlossen, Merles Versuche zu verhindern, sich durch Heirat mit ihren schwarzafrikanischen Ursprüngen zu verbinden (weltweite Einheit der Schwarzen), hetzt die weiße Frau (England) den afrikanischen Ehemann und seine westindische Frau gegeneinander auf und zerstört mit einer symbolischen, neokolonialistischen Geste rücksichtslos und hinterhältig die sich entwickelnden Beziehungen zwischen den Schwarzen in Afrika und in der Diaspora. Sie ist im Besitz der wirtschaftlichen Macht und verfährt nach der Taktik: teile und herrsche.
Die »sozialistischen Verbindungen« des Neofeminismus erinnern an die schwarzen Liebäugeleien der vierziger Jahre mit dem Kommunismus.[16] Eine schwarze und eine weiße weibliche Allianz würden ähnliche Charakteristika aufweisen. Wie schon bei früheren Liebäugeleien würde bei solchen Verbindungen kaum etwas herauskommen, da die euro-amerikanische Wirtschaft mit ihrer augenblicklichen Struktur nicht zulassen wird, daß Schwarze oder Frauen gewinnen. Daher drücken schwarze Schriftstellerinnen in ihrer Literatur Vermutungen aus, wie sie Sheila Rowbotham zur Weltwirtschaftssituation angestellt hat: »Eine feministische Bewegung, die auf die spezifische Unterdrückung von Frauen beschränkt ist, kann allein nicht die Ausbeutung und den Imperialismus beenden.«[17] Wenn das eigentliche Ziel des radikalen Feminismus eine separatistische idyllische Existenz weit weg von dem Getöse der Männerwelt ist, dann ist das eigentliche Ziel der Position des Frauseins die Einheit der Schwarzen überall unter der aufgeklärten Kontrolle von Männern und Frauen. Beide sind letztlich separatistisch — der eine auf der Ebene der Geschlechter, die andere auf der der Rassen —, und ihre unterschiedlichen Ziele sind zum Teil der Grund für die Uneinigkeit in der Frauenbewegung.
Das Erkennen der Einflüsse von Rassismus, Neokolonialismus, ökonomischer Instabilität, psychologischer Orientierungslosigkeit auf das Leben schwarzer Menschen macht — wenn es über das Bewußtsein von Sexismus, das die Literatur der schwarzen Schriftstellerinnen kennzeichnet, gesetzt wird — im Frausein die Sorge über den Sexismus nur zu einem Aspekt unter vielen. Schwarze Schriftstellerinnen unterscheiden die Position des Frauseins vom Feminismus genauso wie ihre kritische Sicht des schwarzen Patriarchats und ihr besonderes Bemühen um schwarze Frauen sich thematisch in ihren Arbeiten scharf abgrenzt von den widerwärtigen männlichen Vorurteilen Frauen gegenüber, die sich oft in der Literatur schwarzer Männer finden.
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Ich bin von selbst auf den Ausdruck »Frausein« gekommen und war angenehm überrascht, als ich herausfand, daß sich meine Vorstellung von dessen Bedeutung mit der Alice Walkers deckt. Sie benutzt ihn, um die Metamorphosen zu kennzeichnen, die sich in einem heranwachsenden Mädchen wie Ruth oder Celie vollziehen, wenn sie das Gefühl hat, eine Frau zu sein; miteinbezogen ist, was Morrison mit ihrer Pecola »Das-kleine-Mädchen-das-zur-Frau-Wird« nennt und was Ntozake Shange mit Hilfe der heranwachsenden Indigo in Sassafrass, Cypress & Indigo darstellt. Das junge Mädchen ererbt das Frausein nach einem traumatischen Ereignis, wie z. B. der Menarche, oder nach einem Erwachen (Epiphanie) oder als Ergebnis der Erfahrung von Rassismus, Vergewaltigung, Tod in der Familie oder plötzlicher Übernahme von Verantwortung. Indem sie mit dieser Erfahrung fertig wird, bewegt sie sich schöpferisch über sich selbst hinaus hin zu der Sorge um die Bedürfnisse anderer, was für erwachsene Frauen, die die Position des Frauseins vertreten, charakteristisch ist. In ihrer Arbeit über Nwapa kommentierte Alison Perry Walkers extensiven Gebrauch des Wortes: »Wenn Flora Nwapa überhaupt ein Etikett akzeptieren würde, fühlte sie sich sicher am wohlsten mit dem Ausdruck ,Frausein' der schwarzen amerikanischen Autorin Alice Walker, der eine Frau meint, die sich ,dem Überleben und der Vollständigkeit des gesamten Volkes, Männern und Frauen, verpflichtet hat'.«[19]
Die schwarze Position, die das Frausein vertritt, ist eine Philosophie, die schwarze Wurzeln und die Ideale des schwarzen Lebens zelebriert, indem sie eine ausgeglichene Darstellung des schwarzen Frauentums bietet. Sie beschäftigt sich genauso mit dem schwarzen Machtkampf zwischen den Geschlechtern wie mit der Weltmachtstruktur, die Schwarze unterdrückt. Ihr Ideal ist eine schwarze Einheit, in der jeder schwarze Mensch eine Spur von Macht verkörpert und so den anderen ein »Bruder« oder eine »Schwester« oder ein »Vater« oder eine »Mutter« sein kann. Diese Philosophie hat einen mandalischen Kern; ihr Ziel ist die Dynamik der Ganzheitlichkeit und der Selbstheilung, wie den positiven integrativen Schlüssen der Romane, die die Position des Frauseins wiedergeben, zu entnehmen ist. Schwarze amerikanische Schriftstellerinnen teilen mit den schwarzen Männern das Erbe des Blutes, dessen spirituelle Dynamik ein Gleichgewicht in einer turbulenten Welt verleiht — vielleicht gibt es, wie Stephen Henderson hervorhebt, eine Verbindung zwischen dem Blues und der Fähigkeit, Hoffnung zu erfahren. Der Blues hat einen starken Einfluß auf den afro-amerikanischen Roman, der die Position des Frauseins wiedergibt, und im Gegensatz zum feministischen Roman quellen die meisten dieser afro-amerikanischen Romane — kulturorientiert, wie sie nun mal sind — von Hoffnung über.[20] Die afro-amerikanischen Romanschriftstellerinnen benutzen sogar manchmal die Stimmung und Struktur des Blues in ihren Romanen. Henderson erklärt: »Der Blues... ist Musik und Poetik der Konfrontation — mit dem Selbst, mit der Familie und den Geliebten, mit den unterdrückerischen Kräften der Gesellschaft, mit der Natur und, auf der schwierigsten Ebene, mit dem Schicksal und dem Universum selbst. Und in der Konfrontation... entdeckt eine Frau ihre Kräfte, und wenn sie eine Ma Rainey ist, teilt sie diese mit der Gemeinschaft und wird dabei unsterblich.«[21] In diesen Romanen finden wir eine Vielzahl von Ma Raineys — Frauen ohne Männer: Beispiele wären Janie Crawford (Zora Neale Hurstons Their Eyes Were Watching God), Vyry (Margaret Walkers Jubilee); Merle (Paule Marshalls The Chosen Place...); Avey Johnson (Marshalls Praisesong for a Widow); Sula und Nel (Morrisons Sula); Pilate und Circe (Morrisons Solomons Lied); Meridian (Alice Walkers Meridian); Ruth (A. Walkers The Third Life of Grange Copeland); Celie und Nettie (A. Walkers Die Farbe Lila). Auch im afrikanischen Roman von Frauen finden sich viele solcher Frauen: Elizabeth (Heads Die Farbe der Macht); Sissie (Aidoos Our Sister Killroy); Ramatoulaye (Bas Ein so langer Brief); Idu (Nwapas Idu); Amaka (Nwapas One Is Enough). In der zeitgenössischen literarischen Szene sind die Morrisons und Heads und Aidoos und Marshalls selbst solche Matriarchin-nen ohne Männer.[22] Auf einer Ebene kann die Darstellung solcher Frauen als antipatriarchale Aussage der Autorinnen verstanden werden. Auf einer anderen beweisen diese beispielhaften Frauen wie Ma Rainey ihre Fürsorge für die Familie — nicht die westliche Kleinfamilie (die Feministinnen im Blick haben), sondern die schwarze Großfamilie (die von Vertreterinnen des Frauseins wahrgenommen wird) mit ihren vielen Mitgliedern und ihrer großen geographischen Verbreitung. Aus dieser Sicht ist Sula in Medallion eine zusammenfügende, spirituelle Kraft wie Merle in Bournehill, Sissie unter Schwarzen.
Karen Gasten macht daher einen Fehler in ihrer Schlußbemerkung zu The Third Life of Grange Copeland: »Was nottut, um ein gesundes Gleichgewicht in den Beziehungen der Geschlechter herzustellen, ist eine ganze Generation von Ruths.«[23] Das Buch zielt weniger auf das Erreichen dieses feministischen Ziels ab als auf die Integration Ruths in die schwarze Welt — ein Ziel des Frauseins. Die schwarze Frau ist in der schwarzen Welt nicht so machtlos wie die weiße Frau in der weißen Welt. Die schwarze Frau ist weniger beschützt als ihr weißes Pendant und muß selbständig werden. Diese Faktoren erzeugen einen bejahenden Geist im das Frausein beinhaltenden Roman, der mit weiblichen Leistungen angefüllt ist.[24] Diese Schriftstellerinnen erforschen vergangene und zeitgenössische Verbindungen zwischen Schwarzafrika und Schwarzamerika. Wie liebenswerte Mitfrauen von unsichtbaren Ehemännern arbeiten sie zum Wohl ihres Volkes zusammen. Charles Chesnutts Aun' Peggy, die Kräuterhexe in The Conjure Woman, Hurstons nicht unterzukriegende Janie Crawford, Ayi Kwei Armahs und Ngugis respekteinflößende Frauen sind anregende Beispiele. Wie die jüngere Generation schwarzer Ästheten umgehen schwarze Schriftstellerinnen den negativen Geist der Protesttradition, die so manche Feministin noch immer als nützlich empfindet.
Trotz des Blues werden schwarze Frauen zuweilen wahnsinnig. Anders als negativ dargestellte weiße Wahnsinnige ist der schwarzen Wahnsinnigen im Roman schwarzer Schriftstellerinnen jedoch unterbewußt klar, daß sie überleben muß, weil Leute ohne andere Möglichkeiten von ihr abhängig sind. In einer positiven Kehrtwendung wird sie gewöhnlich dank übermenschlicher Anstrengungen gesund oder hilft auch krank noch anderen. Merle, die ihre nationale Last trägt, Bournehill bergauf in den Fortschritt zu führen, findet nach ihren Wahnsinnsanfällen zu ihrer Energie zurück und stärkt sich durch eine Pilgerfahrt nach Ostafrika seelisch für die politischen Kämpfe der Zukunft. In Sehr blaue Augen wird die merkwürdige Pecola an der Oberfläche wahnsinnig, erwirbt aber eine innere seelische Schönheit, die durch »the bluest eye« (ein »eye-I-ich«, das ganz vom Blues durchdrungen ist) symbolisiert wird. In diesem doppelten Zustand verhält sie sich als Sündenbock, und »wir alle — alle, die sie kannten — fühlten uns so gesund, nachdem wir unseren Unrat über sie ausgeschüttet hatten«.[25] Merle läßt sich mit Heads Elizabeth vergleichen, die — vom eigenen Willen, von ihrem Sohn, ihren Nachbarn und der heilenden Wirkung grüner Kräuter getrieben — ihre geistige Gesundheit wiedergewinnt und in einer landwirtschaftlichen Gemeinde am Leben teilnimmt. Bäs Jaqueline gesundet von ihrem Nervenzusammenbruch, sowie sie begreift, daß ihre Krankheit psychosomatisch ist, und integriert sich wieder in die Gesellschaft. Nach jedem seelischen Aufruhr gibt es somit einen Ruhepunkt in diesen Romanen, wenn die schwarze Frau in die gesamtgesellschaftliche Gemeinschaft aufgenommen wird, einen Einklang, der Ausdruck des schwarzen Weges zur Authentizität und zur Transzendenz ist. Wahnsinn wird zu einer vorübergehenden Verirrung, die seelischem Wachstum, Heilung und Integration vorausgeht.
Diese Einsichten in Charakterbeschreibung und thematische Entwicklung sind den afrikanischen Schriftstellerinnen nicht einfach zugeflogen. In einem Artikel, der in einiger Hinsicht leider überholt ist, schreibt Maryse Conde, daß Nwapa und Aidoo den Eindruck vermitteln, daß eine talentierte Frau in der afrikanischen Gesellschaft einfach keinen Platz hat. In ihrer Analyse stimmt das nicht nur, weil die talentierte Frau keinen passenden Partner finden kann, sondern weil der Preis, den sie für ihre ungewöhnliche Begabung zahlen muß, so hoch ist, daß sie besser ohne diese geboren wäre. Eine solche Vorstellung wird auch von Juliet Okonkwo geäußert. Conde sagt dann abschließend: »Hier haben wir zwei talentierte Frauen, die talentierte Frauen wie sie selbst porträtieren, aber letztendlich zerstören. Diese Morde sind Ausdruck eines tiefverwurzelten Konflikts.«[26]
Mag sein. Ich neige eher zur Ansicht, daß afrikanische Schriftstellerinnen sich zu Beginn ihrer Karriere oft an weißen Feministinnen ausrichten und sich somit in Konflikt mit der Polygamie befinden, die im ländlichen Afrika weitgehend akzeptiert ist und im verstädterten Nigeria wieder an Boden gewinnt.[27]
Condes These von 1972 ist mit dem Erscheinen von Nwapas One is Enough (1981) und insbesondere von Aidoos selbstbewußtem Our Sister Killjoy (1977) in Frage gestellt worden. Im letzteren will die beharrliche Sissie, daß schwarze Männer überall eine psychologische Metamorphose durchmachen und ihre Männlichkeit in der Weltpolitik unter Beweis stellen, ebenso wie sie in ihrer Rolle als umherreisende Botschafterin in Europa schwarze Weiblichkeit erfolgreich vertreten hat. Ein schwarzer Mann, der diese Sphäre beherrscht, kann ihr ebenbürtig und mit ihr vereint werden. Hier legt die Ghanaesin Aidoo, Akan von Geburt, ihr westliches Bewußtsein ab, um die akanische matrilineare Kultur und Weltsicht zu übernehmen. Die Frauen der Akan sind aufgrund ihrer Unabhängigkeit allgemein hoch angesehen. Das Sprichwort sagt, daß dort der Ehemann kocht und das Essen der Frau zum Genuß vorsetzt — obwohl, wie ich eilig hinzufügen muß, sein Bruder es auftischt. So sieht Aidoo in der Entfaltung ihres Werks schwarze Solidarität zwischen Männern und Frauen in Afrika und der Diaspora vor.
Der senegalesische Roman Ein so langer Brief von Bä ist in einer Fulani-Welt angesiedelt, wo die fremde Religion Islam, wie anderswo das Christentum, den Afrikanern rücksichtslos aufgezwungen ist. Wie Bâ demonstriert, tragen beide Religionen einen guten Teil der Verantwortung dafür, daß viele Afrikaner/innen unter psychologischer und moralischer Desorientierung gelitten haben. Im Roman sorgt sie für Spannungen, indem sie die matrilineare Perspektive der Fulani in den Gegensatz zur patriarcha-len Lehre des Islam stellt, der Polygamie befürwortet. Ihr kurzer Roman ist der Form nach ein langer Brief, den Ramatoulaye, die entschlossene Heldin, an eine Freundin richtet, um ihr von der polygamen Situation zu berichten, die ihre Ehe zerrüttet hat, weil sie an die Ehe westliche monogame Erwartungen hegte. Sie bricht nicht zusammen, sondern bleibt unbeirrt, wenig verbittert. Ramatoulaye wird nicht das Herz einer anderen Frau brechen, indem sie ihren Mann als zweite Frau heiratet, und sie hat sogar Mitleid mit der Frau, die ihre (Ramatoulayes) Ehe ruiniert hat. Männer müssen, so scheint es, Männer sein, aber Frauen müssen nicht so sein wie sie. Als sie einmal Männer mitsamt ihrer libidinösen Veranlagung akzeptiert hat, kann sie um ihre vielen Kinder, männlich wie weiblich, und deren Ehegatten herum ein stabiles Leben errichten. Das ist Frausein in Aktion; die Erfordernisse der Fulani-Kultur dominieren anstelle der vom Kampf der Geschlechter. Obwohl sie die Unzulänglichkeiten des Patriarchats erkennt, kämpft sie nie wirklich für ihre »Rechte« — eine Position, die durch die private Briefform unterstrichen wird. Es muß deutlich gesagt sein, daß diese beiden Gesellschaften — Akan wie Fulani — obwohl sie aus der Sicht von Frauen streng patriarchalen Gesellschaften vorzuziehen sind, matrilinear und keineswegs matriarchal sind. Man kann also sagen, daß matrilineare und polygyne Gesellschaften in Afrika eine dynamische Quelle für diese Romane sind.
Heads When Rainclouds Gather ist ein Roman, dessen Aussagen anders entstehen: Witwentum und die Fürsorge für männliche und weibliche Kinder. In diesem idyllischen Roman sind schlechte Männer eliminiert, so daß Männer und Frauen in Harmonie zusammenleben können. Ähnlich ist es in Heads Maru, wo Ausgestoßensein und Ethnizismus und nicht Sexismus die Entwicklung einer starken Frau verursachen. Am Ende heiratet die Unberührbare Margaret Cadmore den Häuptling und berührt andere Menschen. Die zerstörerischen Kräfte der Apartheid in Verbindung mit der Notwendigkeit, ein schwarzes männliches Kind großzuziehen, erzeugen die Widerstandsfähigkeit und die Heilung der wahnsinnigen Heldin in Heads Die Farbe der Macht. Elizabeth befreit sich aus rassischer, ethnischer und männlicher Zwangsherrschaft und geht als unerschrockenes Individuum daraus hervor, das in der Lage ist, ihren Sohn großzuziehen, und mit anderen Menschen wie mit der Natur in Harmonie zu leben. Heads einzigartige südafrikanische Erfahrungen machen es ihr möglich, den afrikanischen Roman, der das Frausein thematisiert, aus der Stammesbindung zu heben, indem sie so vielfältige Möglichkeiten erforscht.
In den USA ist Alice Walker gleichermaßen erfinderisch. Um ihre Aussage verständlich zu machen, benutzt sie eine Frau, die gefügig ist (aber nicht hilflos, wie ihr weißes Pendant es wäre), schwer arbeiten muß und ein schweres Los hat. Ihre Heldinnen leiden unter Armut oder Rassismus im Verein mit Sexismus, zuweilen unter allen drei. Walker behauptet, daß das Schicksal der schwarzen Frau sich im allgemeinen radikal von dem weißer Frauen unterscheidet. Über letztere sagt de Beauvoir: »Aber die Frau ist nicht dazu berufen, eine bessere Welt zu errichten. Das Haus... ist ihre Domäne: sie kann immer nur endlos die bösen Prinzipien austreiben, die sich einschleichen. Sie geht gegen Staub, die Flocken, den Dreck, den Schmutz an. Sie bekämpft die Sünde und ringt mit dem Satan.«[28] Wenn de Beauvoir den Kampf der Frau in häusliche Begriffe kleidet, ist sie spielerisch und ein wenig puritanisch. Ihre Beschreibung hat nichts mit der Erfahrungswelt der schwarzen Frau zu tun, für die Satan kein metaphysisches Konzept ist, sondern eine Realität, die draußen außerhalb ihrer vier Wände herrscht, wohin sie nolens volens gehen muß, um sich ein anständiges Überleben zu sichern, und wo auch der Ort des Kampfes für »eine bessere Welt« liegt. Ruths Mutter Mem handelt so in Third Life of Grange Copeland; Meridian in Meridian; Celie und Nettie in Die Farbe Lila.
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Da sie in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts schreibt, hat sich die schwarze Schriftstellerin, die das Frausein thematisiert, daran gemacht, mit alten Formen, wie sie ihre Vorläufer/innen benutzten, zu experimentieren. Es ist von Bedeutung, daß die afrikanische Schriftstellerin mit der politischen Unabhängigkeit begonnen hat, von sich reden zu machen. Sie ist durch das Schreiben in einer Zweitsprache behindert und hat daher zuweilen versucht, sich durch eine Verschmelzung vertrauter mündlicher Traditionen mit dem fremden schriftlichen Medium auf vertrauten Boden zu begeben. Dabei spielt sie weiterhin eine traditionell für Frauen reservierte Rolle: Sie bildet, unterweist und unterhält die Bevölkerung, die ihr zur Sorge überlassen ist. Die Klassiker des weiblichen afro-amerikanischen Romans entstanden nach dem Höhepunkt der Protesttradition und übernahmen den ideologischen Hintergrund der Black-Power-Bewegung als selbstverständliches Gut. Demzufolge ziehen die Schriftstellerinnen beider Kontinente es vor, vom Leben zu berichten, wie es ist, manchmal vom Leben, wie sie es sich denken, und selten vom Leben, wie es sein sollte.
Mit einigen Parallelen zu Jane Austens geschickter Ausnutzung der Schauertradition in Northanger Abbey manipuliert Head die Mystik des Schaurigen in ihrem psychologischen Porträt der verrückten Elizabeth in Die Farbe der Macht. Wenn die privaten Phantasiefilme, die die Strafzellen darstellen, in Elizabeths Kopf in ihrer Sicht ablaufen, sind die Leser/innen gezwungen, sich voyeuristisch zu verhalten, in eine exotische bizarre Welt geführt, in der das Ungewöhnliche, das Exzentrische, das Traumatische, das Erschreckende, das Rätselhafte zur Norm werden. Elizabeths innere Schauerwelt ist wild, ungerecht, sexi-stisch, wie ihr Kampf gegen die beiden widerwärtigen Männer — Dan und Sello — zeigt. Die Machtkämpfe darin geben die äußere, rassistische und ethnozentrische Gesellschaft wieder, deren überwältigend schreckliches Machtgerangel in Elizabeth einen Nervenzusammenbruch auslöst. Menschliche Zärtlichkeit und ihre Willenskraft rufen sie in eine erträgliche Gesellschaft zurück.
Aidoos, Bäs und Alice Walkers Wiederaufnahme des frühen Briefromans, der von Schriftstellerinnen des achtzehnten Jahrhunderts stammt, ist eine Abweichung von der Romanpraxis des zwanzigsten Jahrhunderts.[29] Ihre Wiederentdeckung des Briefes macht es ihnen möglich, sich die Qualitäten der Einfachheit, relativer Intimität und Offenheit zunutze zu machen. Ein Roman in dieser Form wirkt deshalb oft offener und ernsthafter als die in der autobiographischen Form geschriebenen — die dazu neigen, auf defensive Weise aggressiv, narzißtisch und selbstglorifizierend zu sein, wie die Werke einiger Feministinnen. Der Brief gibt vor, authentisch zu sein, und wie die mündliche Erzählung vermittelt er den Eindruck, daß die Geschichtenerzählerin nicht lügt. In Aidoos und Bas Romanen sind die Briefeschreiberinnen sich liebende Freundinnen. Diese Aura der Authentizität hat eine dialektische Funktion, insbesondere für Leserinnen. Aidoos Gebrauch der Form in Our Sister Killjoy erscheint mir als Abwandlung der Form, die Baldwin in The Fire Next Time verwendet: Sie behält die klare Sicht und gibt eine objektive Einschätzung der globalen Situation der Schwarzen. Ihr weibliches Nörgeln und Keifen ähnelt Baldwins Predigtton, beide werden akzeptabel, weil Freund wie Feind mit Zärtlichkeit bedacht werden. Als kühnes formales Experiment erinnert Our Sister Killjoy auch an Jean Toomers Cane. Wie Toomer mischt Aidoo Prosa, Sketch, Lyrik, Lied und dergleichen, um etwas Frisches, Lebendiges, Lyrisches zu schaffen — eine mündliche Vorführung in Form eines Buches.
Auch Alice Walkers Die Farbe Lila ist seiner Struktur nach vielfältig und variabel. Zunächst werden die Briefe an einen machtgewohnten Gott gerichtet. Weiß und patriarchal spielt er die Rolle des gleichgültigen Voyeurs. Als Gott in der weiblichen Phantasie die Metamorphose zu einem »Es« vollzieht, neutralen Geschlechts, aber nicht ganz neutral, bessert sich das Leben auf wunderbare Weise für die Frauen. Das Buch enthält außerdem den Briefwechsel zwischen zwei sich liebenden, einander vertrauenden Schwestern. Wie bei ländlichen, weitabgewandten Frauen bleiben einige ihrer Briefe ungeöffnet, weil ein Mann eingreift und sie in einer Truhe versteckt. Walker bringt die Wahrheit ihrer Leben ans Licht der Welt, ebenso wie Shug, die aufgeklärte schwarze Frau, die verborgene, »private« Celie in die öffentliche Welt der künstlerischen und wirtschaftlichen Erfüllung einführt. Celie und die Briefe erinnern an Emily Dickinsons Gedichte, die eingenäht in einer uterinen Truhe versteckt waren, später jedoch für viele zugänglich gemacht wurden.
Jeder Brief in Die Farbe Lila stellt einen Flicken in der Flickendecke dar, die das Leben in den Südstaaten mit seinem Sexismus, Rassismus und seiner Armut darstellt. Ein deutlich sichtbares Muster in diesem sorgfältig zusammengefügten Flickwerk zeigt die Entwicklung der schwarzen Frau aus der Sklaverei hin zu einer gewissen Emanzipation aus dem weißen und dem schwarzen Patriarchat. Walkers positive Sicht stellt sich als Ausdruck ihrer Sehnsucht heraus: eine Vision einer Vereinigung zwischen männlich und weiblich, zwischen schwarzen Amerikaner/inne/n und Afrikaner/inne/n, die durch den Glauben von Frauen ermöglicht wird, der wiederum durch das (Briefe)Schreiben aufrechterhalten wird.
Der Brief, äußerlich so ohne Arg, ist in der Tat subversiv. Als literarische Form, die vorgibt, privat zu sein, während sie publik macht, sichert sie ein offenes Hinterfragen jener Gegebenheiten, die das materielle Wohl, das seelische Befinden, das Schicksal und die Beziehung des/der einzelnen zu anderen Menschen und der Umwelt in Mitleidenschaft ziehen. Briefe im schwarzen weiblichen Schreiben stellen endlich das Erhellen des schwarzen Schicksals sicher, das der schwarzen Integrität vorausgehen muß.
Es ist bemerkenswert, daß einige schwarze Schriftstellerinnen in ihre Romane Lieder, Verse, Satzwiederholungen einfügen. Diese scheinen die gemeinschaftliche Funktion des Zuruf- und Antwortspiels, das beim afrikanischen Geschichtenerzählen üblich ist, wiederzubeleben. Sie unterbrechen die ermüdenden langen Erzählphasen und beziehen das Publikum in das Spinnen des Fadens mit ein. Bei öffentlichen Lesungen der Romane sind sie sehr wirkungsvoll. Die Schriftstellerinnen benutzen sie manchmal, um Romanhöhepunkte zu betonen, wo die Gefühle so intensiv sind, daß Prosa kein angemessenes Mittel mehr ist (siehe Aidoo in Our Sister... und Toni Morrison in Solomons Lied). In Margaret Walkers Jubilee und Marshalls Praisesong for the Widow verknüpfen die zahlreichen Lieder, weisen Sprüche und Tänze die Hauptpersonen mit schwarzen Traditionen, schwarzem Leiden, schwarzem Glauben und schwarzer Religion. Ntozake Shange erreicht etwas Ähnliches, wenn sie Weben, kulinarische und medizinische Rezepte und Kräuterweisheiten in Sassafrass, Cyprus & Indigo aufnimmt. Sie demonstriert ihre voodoo-artigen, »chemischen« Wirkungen auf die betreffenden schwarzen Leben.
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Die Kraft, die viele englische Romane schwarzer Schriftstellerinnen zusammenkittet, ist somit das Frausein. Als Frau mit ihrer besonderen Last, die weiß, daß sie durch die sexistische Haltung im schwarzen häuslichen Bereich und durch das euro-amerikanische Patriarchat im öffentlichen Bereich um ihre Rechte gebracht wird; als Mitglied einer Rasse, die sich als machtlos und unter Fremdherrschaft fühlt, die in der Welt wenig Ansehen genießt, kann die schwarze Romanschriftstellerin sich nicht ganzen Herzens mit den weißen Feministinnen verbünden, deren Kampf gegen das Patriarchat angesichts ihres Verständnisses und ihrer Erfahrung absurd ist. Sie verschreibt sich dem Frausein wegen ihrer rassischen und geschlechtlichen Situation.
Die seit langem bestehende Tradition schwarzer amerikanischer Schriftstellerinnen hat dazu beigetragen, die Lage der schwarzen Frau in Amerika zu verdeutlichen. Die Arbeiten von Pauline Hopkins, Mary Etta Spenser, Jean Fauset, Nella Larsen, Dorothy West, Ann Petry, Zora Neale Hurston, und viele andere haben dabei geholfen.[30] (Es wird nützlich sein, auch für diese Autorinnen herauszufinden, ob die zugrundeliegende Philosophie das Frausein ist.) Diese lange Reihe schwarzer Vorahninnen — und Vorväter — gibt der afro-amerikanische Schriftstellerin einen Vorteil gegenüber ihrer afrikanischen Kollegin, die (in der schriftlichen Tradition) nur Vorväter hat. Nichtsdestotrotz ist die schwarze Schriftstellerin in Afrika wie in den USA schließlich zu einem Sprachrohr für schwarze Frauen und die schwarze Rasse geworden, indem sie sich vom schwarzen Chauvinismus und den bilderstürmerischen Tendenzen des Feminismus entfernt hat, um heute den relativen Konservativismus des Frauseins anzunehmen.[31] Damit sichert sie sich und ihrem Volk breitere Horizonte. Ja, indem sie sich mit ihrem Schreiben für die Befreiung der schwarzen Rasse einsetzt, hilft sie der schwarzen Frau, die schon immer und auch heute noch mit der Ethik des Überlebens und nicht mit der Ästhetik des Lebens befaßt war. Frausein mit seiner Ganzheitlichkeit, seiner religiösen Basis in schwarzer Zusammengehörigkeit, ist ihr Evangelium der Hoffnung. Morrison gibt der Natur dieses Frauseins Ausdruck, wenn sie von schwarzen Frauen sagt: »Es ist in uns etwas, das uns von anderen Menschen unterscheidet. Es ist nicht wie Männer, und es ist nicht wie weiße Frauen. Wir haben die Beziehung zwischen meinen Frauen und den Männern in ihrem Leben angesprochen. Wenn diese Frauen den Blues singen, dann einen von der Art Jemand ist verschwunden, aber es liegt darin niemals Bitterkeit.«[32]

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