Schwarze Frauen und die Klubbewegung

Rassismus und Sexismus                      Rassismus und Sexismus
Der »Allgemeine Verband der Frauenklubs« hätte 1900 seinen zehnten Geburtstag mit einer Stellungnahme gegen den Rassismus innerhalb der eigenen Reihen feiern können. Unglücklicherweise war jedoch sein Standpunkt unzweideutig prorassistisch: Das geschäftsführende Komitee der Konferenz entschied sich, die vom »Boston's Women's Era Club« entsandte schwarze Delegierte auszuschließen. Unter den Klubs, die von diesem Verband repräsentiert wurden, ragte dieser eine nichtzugelassene Klub durch eine Besonderheit hervor, die von nicht mehr als zwei der weißen Frauengruppen in Anspruch genommen werden konnte. Wie »Sorosis« und der »New England Women's Club« die Pionierorganisationen unter den weißen Frauenklubs waren, so war der »Women's Era Club« - (damals fünf Jahre alt) die Frucht der ersten Organisationsbemühungen der schwarzen Frauen innerhalb der Klubbewegung. Er wurde durch Josephine St. Pierre Ruffin vertreten, die in den Kreisen der weißen Klubs in Boston als eine »kultivierte« Frau bekannt war. Sie war die Frau eines Harvard-Absolventen, des ersten schwarzen Richters im Staate Massachusetts. Das geschäftsführende Komitee des Kongresses ließ sie wissen, sie sei als Delegierte des weißen Klubs, dem sie auch angehörte, willkommen. In diesem Fall wäre sie allerdings die sprichwörtliche Ausnahme von der sonst üblichen Regel der Rassentrennung in der GFWC (General Federation of Women's Clubs) gewesen. Als Ruffin darauf bestand, den schwarzen Frauenklub zu vertreten (der übrigens schon ein Zertifikat über die Mitgliedschaft im GFWC erhalten hatte), wurde ihr der Einlaß in die Versammlungshalle verwehrt. »Um diese Regelung zu verschärfen, wurde (überdies) der Versuch unternommen, ihr das Abzeichen, das ihr bereits ausgehändigt worden war, von der Brust zu reißen . . .«[1]
Kurz nach diesem »Fall Ruffin« erschien im Zirkular des Verbandes eine fiktive Geschichte, deren Absicht es war, jene Frauen zu erschrecken, die gegen den unverhohlenen Rassismus in ihrer Organisation protestiert hatten. Nach dem Bericht von Ida B. Wells hatte der Artikel den Titel »Der Einfall der Narren«[2] und beschrieb die Gefahren eines integrierten Klublebens in einer nicht genannten Stadt. Die Präsidentin des nicht beim Namen genannten Klubs hatte eine schwarze Frau, mit der sie sich befreundet hatte, eingeladen, Mitglied des Klubs zu werden. Aber ach, die Tochter der weißen Frau verliebte sich in den Sohn der Schwarzen und heiratete ihn, der, hellhäutig wie seine Mutter, kaum als Schwarzer zu erkennen war. Aber, so teilt der Artikel vertraulich mit, er hatte jenen »unsichtbaren Tropfen« schwarzen Blutes in sich, und als die junge Frau niederkam, gebar sie ein »tiefschwarzes Kind ... Der Schock war so groß, daß sie ihr Gesicht zur Wand drehte und starb.«[3] Jeder Schwarze hätte erkannt, daß diese Geschichte erfunden war, aber die Zeitungen stürzten sich darauf und verbreiteten die Botschaft, daß integrierte Frauenklubs die weißen Frauen in den Untergang führten.
Die erste nationale Konferenz, die von schwarzen Frauen einberufen wurde, fand fünf Jahre nach der Gründungsversammlung des »Allgemeinen Verbandes der Frauenklubs« von 1890 statt. Die Organisationserfahrungen der schwarzen Frauen könnten bis in die Zeit vor dem Bürgerkrieg zurückverfolgt werden; wie ihre weißen Schwestern hatten sie an literarischen Gesellschaften und Wohltätigkeitsvereinen mitgewirkt. In erster Linie hatten sie damals ihre Anstrengungen auf die Abschaffung der Sklaverei gerichtet. Aber ungleich den weißen Frauen in der abolitionistischen Bewegung waren die schwarzen Frauen weniger durch Nächstenliebe oder moralische Prinzipien motiviert, als durch die hautnahen Bedürfnisse ihres Volkes im Überlebenskampf. Die 90er Jahre des neunzehnten Jahrhunderts waren für die Schwarzen die schwersten seit der Abschaffung der Sklaverei. Die Frauen fühlten sich natürlich verpflichtet, sich an den Widerstandskämpfen ihres Volkes zu beteiligen. Der erste schwarze Frauenklub wurde als Antwort auf die unkontrollierte Woge von Lynchmorden und auf den wahllosen sexuellen Mißbrauch schwarzer Frauen gegründet.
Es herrscht Übereinstimmung darüber, daß die Ursprünge des »Allgemeinen Verbandes« der weißen Frauen in die Zeit unmittelbar nach dem Bürgerkrieg zurückgehen, als der Ausschluß von Frauen aus dem New Yorker Presseklub 1868 die Gründung eines Frauenklubs zur Folge hatte.[4] Nach der Gründung von »Sorosis« in New York bildeten Frauen in Boston den »New England Women's Club«. Damit war durch die beiden führenden Städte im Norden eine solche Bewegung in Gang gesetzt, daß 1890 ein nationaler Verband gegründet werden konnte.[5] In der kurzen Spanne von zwei Jahren erhielt der »Allgemeine Verband der Frauenklubs« 190 Tochterorganisationen und über 20 000 Mitglieder.[6] Eine Studentin der feministischen Geschichtswissenschaft erklärt die geradezu magnetische Anziehungskraft dieser Klubs auf die weißen Frauen so:

  • Subjektiv stimmten die Klubs mit den Bedürfnissen der Frauen mittleren Alters und aus der Mittelschicht nach Freizeitaktivitäten zwar außerhalb, aber doch in Beziehung zu ihrer traditionellen Sphäre, überein. Es gab - wie sich bald zeigte - Millionen von Frauen, deren Leben mit den häuslichen und religiösen Pflichten nicht ausgefüllt war. Größtenteils mit wenig Bildung und unfähig oder unwillig, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, fanden sie im Klubleben die Lösung ihres persönlichen Dilemmas.[7]

Die schwarzen Frauen, im Norden wie im Süden, arbeiteten im Vergleich zu den weißen Frauen zu einem weit größeren Maße außerhalb des Hauses. 1890 waren von vier Millionen erwerbstätigen Frauen fast eine Million Schwarze.[8] Nicht im entferntesten so viele schwarze Frauen waren der häuslichen Öde ausgesetzt, die die mittelständischen weißen Frauen plagte. Allerdings stammten die leitenden Persönlichkeiten der schwarzen Klubbewegung nicht aus der Masse der arbeitenden schwarzen Frauen. Josephine St. Pierre Ruffin z. B. war die Ehefrau eines Richters in Massachusetts. Was diese Frauen von den weißen Klubleiterinnen unterschied, war das Bewußtsein von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Rassismus. Die eigene Vertrautheit mit dem alltäglichen Rassismus der US-Gesellschaft verband sie in der Tat enger mit ihren Schwestern aus der Arbeiterklasse, als es die Erfahrung der weißen Schwestern aus dem Mittelstand mit dem Sexismus vermochte.
Der Entstehung der Klubbewegung war das erste große Treffen vorausgegangen, das die schwarzen Frauen als Erwiderung auf die rassistischen Anschläge gegen die Zeitungsverlegerin Ida B. Wells selbständig organisierten. Nachdem ihr Zeitungsverlag in Memphis von einer rassistischen Rotte zerstört worden war, die ihre Arbeit über Lynchmorde bekämpfte, beschloß Wells, ihren ständigen Wohnsitz in New York zu nehmen. Wie sie in ihrer Autobiographie berichtet, waren zwei Frauen durch die Lektüre ihrer Artikel im New York Age über den Lynchmord an dreien ihrer Freunde und die Zerstörung ihrer Zeitung tief bewegt.

  • ... Zwei farbige Frauen machten sich bei einem Besuch gegenseitig auf meine Enthüllungen aufmerksam und sagten, daß ihrer Meinung nach die Frauen von New York und Brooklyn etwas unternehmen müßten, um meine Arbeit zu würdigen und gegen die Behandlung, die ich erlitten hatte, zu protestieren.[9]

Victoria Matthews und Maritcha Lyons ergriffen die Initiative zu einer Reihe von Treffen unter den Frauen, die sie kannten, und im Laufe der Zeit hatten sie ein Komitee aus 250 Frauen zusammen, das »die Geister in beiden Städten aufweckte.«[10] Innerhalb weniger Monate hatten sie ein riesiges Treffen organisiert, das im Oktober 1892 in der New Yorker »Lyric Hall« stattfand. Auf dieser Massenversammlung gab Ida B. Wells eine erschütternde Darstellung der Lynchjustiz.

  • Der Saal war überfüllt ... Die führenden farbigen Frauen aus Boston und Philadelphia waren eingeladen worden, sich an dieser Demonstration zu beteiligen, und sie kamen. Es war eine hervorragende Truppe versammelt: Frau Gertrude Mossell aus Philadelphia, Frau Josephine St. Pierre Ruffin aus Boston, Frau Sarah Garnett, die Witwe eines unserer größten Männer und Lehrerin an einer Grundschule in New York City, Dr. Susan McKinner aus Brooklyn, die führende Ärztin unserer Rasse; sie saßen alle auf dem Podium als eine zuverlässige Truppe hinter einem einsamen heimwehkranken Mädchen, das verbannt war, weil es den Versuch unternommen hatte, die Menschenwürde ihrer Rasse zu verteidigen.[11]

Ida B. Wells erhielt für die Gründung einer neuen Zeitung eine stattliche Summe Geld und ein Zeichen für den relativen Wohlstand der Organisatorinnen dieser Kampagne - eine Goldbrosche in Form einer Schreibfeder.[12]
Ausgehend von dieser anspornenden Massenversammlung gründeten ihre Initiatorinnen in New York und Brooklyn ständige Organisationen, die sie »Women's Loyal Union« nannten. Nach Ida B. Wells waren dies die ersten Klubs, die ausschließlich von schwarzen Frauen gegründet und geführt wurden. »Dies war der eigentliche Beginn der Klubbewegung unter den farbigen Frauen dieses Landes.«[13] Der Bostoner Frauenklub - später von der GFWC abgelehnt - war aus einer Versammlung entstanden, zu der Josephine St. Pierre Ruffin anläßlich eines Besuches von Ida B. Wells in Boston aufgerufen hatte.« Ähnliche Versammlungen, auf denen Ida B. Wells sprach, führten zu ständigen Klubs in New Bedford, Providence und Newport und später in New Haven.« Als Wells 1893 in Washington eine Rede gegen die Lynchjustiz hielt, trat Mary Church Terrell, die spätere Gründungspräsidentin der »Nationalen Vereinigung der Klubs Farbiger Frauen,« zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung.[16]
Ida B. Wells war nicht nur das Zugpferd, mit dem die schwarzen Frauen für die Klubbewegung gewonnen wurden. Sie war auch eine aktive Organisatorin, die den ersten schwarzen Frauenklub in Chicago ins Leben rief und ihm als Präsidentin vorstand. Nach ihrer ersten Auslandstour gegen die Lynchjustiz assistierte sie Frederick Douglass beim Organisieren einer Protestbewegung gegen die Weltausstellung von 1893. Auf ihr Drängen wurde ein Frauenkomitee gegründet, das Geld für die Veröffentlichung einer Broschüre für die Ausstellung mit dem Titel »Warum das Farbige Amerika auf der Weltausstellung nicht vertreten ist«[17] sammelte. Nach der Chicagoer Weltausstellung überredete Wells die Frauen, einen ständigen Klub nach dem Vorbild der nordöstlichen Städte zu gründen.[18]
Einige der Frauen, die von Wells geworben worden waren, kamen aus den wohlhabendsten schwarzen Familien Chicagos. Frau John Jones z. B. war die Frau »des damals reichsten Farbigen in Chicago.«[19]
Es darf dabei angemerkt werden, daß dieser erfolgreiche Geschäftsmann früher bei der »Underground Railroad« mitgearbeitet und die Kampagne zur Aufhebung der Gesetze über die Schwarzen in Illinois geleitet hatte. Neben den Frauen, die zur aufsteigenden »schwarzen Bourgeoisie« und zu »den bekanntesten Frauen der Kirche und der Geheimgesellschaften«[20] gehörten, waren unter den fast dreihundert Mitgliedern des Frauenklubs von Chicago auch »Schullehrerinnen, Hausfrauen und Studentinnen«.[21] Eine ihrer ersten Aktivitäten war eine Geldsammlung für die Verfolgung eines Polizisten, der einen schwarzen Mann getötet hatte. Die schwarzen Klubfrauen von Chicago waren dem Kampf für die Befreiung der Schwarzen treu ergeben.
Der bahnbrechende »Boston Women's Era Club« setzte seinen entschiedenen Einsatz für die Verteidigung der Schwarzen, die Ida B. Wells auf seinem ersten Treffen gefordert hatte, emsig fort. Als die Nationale Konferenz der Unitarischen Kirche eine Resolution gegen die Lynchjustiz ablehnte, brachten die Mitglieder der »New Era« in einem offenen Brief an die führenden Frauen der Kirche ihren entschiedenen Protest zum Ausdruck.
 

  • Wir, die Mitglieder des »Women's Era Club«, glauben, daß wir im Namen der farbigen Frauen von Amerika sprechen ... Als farbige Frauen haben wir gelitten und leiden zu viel, um blind für die Leiden anderer zu sein, wobei es natürlich ist, daß wir gegenüber unseren eigenen Leiden empfindlicher sind als gegenüber fremdem. Wir sind daher der Auffassung, daß es gegenüber uns selbst, gegenüber unseren Möglichkeiten und gegenüber unserer Rasse falsch wäre, in einem Fall wie diesem zu schweigen.

Wir haben vieles ertragen und, wie wir glauben, mit Geduld; wir haben unsere Welt in Scherben gehen sehen, wie unsere Männer zu Flüchtlingen und Wanderern gemacht wurden und wie sie ihre Jugend und ihre Kraft in Fesseln verloren. Wir selbst werden täglich aufgrund unserer Rasse behindert und unterdrückt; wir wissen, daß uns jede Gelegenheit zum Fortschritt in Frieden und Glück verweigert wird . . . Christliche Männer und Frauen weigern sich absolut.... uns in ihre Kirchen zu lassen . . . unsere Kinder ... werden als legitime Opfer beleidigender Handlungen angesehen... und unsere jungen Mädchen können jederzeit in stinkende, verdreckte Wagen geworfen und ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse ohne Essen und Obdach gelassen werden.[22]

Nach einem Hinweis auf die schulische und kulturelle Deprivation, die schwarze Frauen zu erleiden hätten, rief der Protest-Brief zu einem lauten Schrei der Entrüstung gegen die Lynchmorde auf.

  • ... Um der Gerechtigkeit willen, für den guten Namen unseres Landes, erheben wir feierlich unsere Stimme gegen die furchtbaren Verbrechen der Lynchjustiz ... Und wir rufen die Christen von überall her auf, dasselbe zu tun, oder als Sympathisanten der Mörder gebrandmarkt zu werden.[23]

Als die erste »Nationale Konferenz der farbigen Frauen« 1895 in Boston einberufen wurde, eiferten die schwarzen Klubfrauen nicht einfach den weißen Strateginnen nach, die fünf Jahre vor ihnen die Klubbewegung zusammengefaßt hatten. Sie kamen zusammen, um eine Strategie des Widerstandes gegen die aktuellen propagandistischen Anschläge gegen schwarze Frauen und gegen die fortgesetzte Herrschaft der Lynchjustiz zu beschließen. Als Antwort auf einen Angriff gegen Ida B. Wells seitens des Präsidenten der Pressevereinigung von Missouri, der die Lynchjustiz verteidigte, protestierten die Delegierten gegen diese »schwere Beleidigung der schwarzen Frauen«[24] und verkündeten dem Land ». . . ihre einhellige Billigung des Vorgehens (von Wells) in (ihrer) Agitation gegen die Lynchjustiz.«[25]
Fannie Barrier Williams, die die weißen Frauen aus ihrem Klub in Chicago ausgeschlossen hatten, faßte den Unterschied zwischen der weißen Klubbewegung und der Klubbewegung ihres Volkes zusammen. Die schwarzen Frauen, sagte sie, waren zu der Erkenntnis gekommen, daß

  • » . . der Fortschritt eine ganze Menge mehr beinhaltet, als allgemein mit den Begriffen Kultur, Erziehung und Zusammenhalt umschrieben wird. Die Klubbewegung der farbigen Frauen reicht bis in die Grundbedingungen der gesamten Rasse ... Die Klubbewegung ist nur eines der vielen Mittel, die Rasse gesellschaftlich zu heben ... Die Klubbewegung hegt gute Absichten ... Sie ist kein Steckenpferd ... Sie ist vielmehr die Kraft der neuen Intelligenz gegen die alte Dummheit, der Kampf um ein aufgeklärtes Bewußtsein gegen die ganze Brut des sozialen Elends, geboren aus dem Druck und dem Schmerz einer verhaßten Vergangenheit.[26]

Obgleich die Klubbewegung der schwarzen Frauen unlöslich mit dem Kampf um die Befreiung der Schwarzen verbunden war, nahmen ihre mittelständischen Führerinnen gegenüber der breiten Masse ihres Volkes manchmal leider eine elitäre Haltung ein. Fannie Barrier Williams z. B. sah in den Klubfrauen »die neue Intelligenz, das aufgeklärte Bewußtsein«[27] ihrer Rasse.

  • Unter den weißen Frauen bedeuten die Klubs die fortschrittliche Bewegung der besten Frauen im Interesse der besten Weiblichkeit. Unter den farbigen Frauen ist der Klub die Leistung der wenigen Kompetenten im Interesse der vielen Inkompetenten.[28]

Vor der endgültigen Bildung einer nationalen Organisation der Frauenklubs gab es offenbar unter den führenden Klubfrauen bedauerlicherweise eine gewisse Konkurrenz. Ausgehend von der von Josephine St. Pierre Ruffin einberufenen Bostoner Konferenz von 1895 wurde der »Nationale Verband afroamerikanischer Frauen« noch im gleichen Jahr gegründet und Margaret Murray Washington als seine Präsidentin gewählt.[29] Er vereinigte über dreißig Klubs in zwölf Staaten. 1896 wurde in Washington D. C. die »Nationale Liga der farbigen Frauen« mit Mary Church Terrell als Präsidentin begründet. Die beiden konkurrierenden Organisationen verschmolzen jedoch bald in der »Nationalen Vereinigung der Klubs farbiger Frauen«, in der Terrell in das höchste Amt gewählt wurde. Die folgenden Jahre hindurch sollten sich Mary Church Terrell und Ida B. Wells innerhalb der schwarzen Klubbewegung gegenseitig befehden. In ihrer Autobiographie macht Wells Terrell persönlich dafür verantwortlich, daß sie 1899 von der Versammlung der »Nationalen Vereinigung der Klubs farbiger Frauen« ausgeschlossen wurde, die in Chicago stattfand.[30] Nach Wells war es Terrells Angst um ihre Wiederwahl als Präsidentin, die sie veranlaßte, die Zeitungsverlegerin auszuschließen und auf der Konferenz den Kampf gegen die Lynchjustiz, den ihre Rivalin personifizierte, unterzubewerten.
Mary Church Terrell war die Tochter eines Sklaven, der nach der gewonnenen Unabhängigkeit (Emanzipation) von seinem Vater, dem ehemaligen Sklavenhalter, ein beachtliches Vermögen geerbt hatte. Der Wohlstand ihrer Familie eröffnete dir einzigartige Bildungsmöglichkeiten. Nach vier Jahren auf dem Oberlin College wurde Terrell die dritte schwarze Frau im Land mit einem Collegeabschluß.[32] Danach ging sie ins Ausland, um an verschiedenen Universitäten zu studieren. Terrell war erst Oberschullehrerin, später Universitätsprofessorin, und die erste Schwarze die ins Bildungsministerium des Distrikts Columbia berufen wurde. Hätte sie nach persönlichem Wohlstand oder nach Erfüllung durch eine politische oder akademische Laufbahn getrachtet, sie wäre zweifellos erfolgreich gewesen. Aber ihre Hingabe an die kollektive Befreiung ihres Volkes bewog sie, ihr gesamtes Leben als Erwachsene der Befreiung der Schwarzen zu widmen. Mary Church Terrell war mehr als irgendjemand sonst die treibende Kraft, die aus der Klubbewegung der schwarzen Frauen eine mächtige politische Gruppe formte. Obgleich Ida B. Wells eine ihrer schärfsten Kritikerinnen war, erkannte sie das Gewicht ihrer Rolle innerhalb der Klubbewegung an. Wie sie hervorhob, war »Frau Terrell allen Widrigkeiten zum Trotz die gebildetste Frau unter uns . . .«[33]
Wie Mary Church Terrell stammte auch Ida B. Wells aus einer Familie ehemaliger Sklaven. Als ihre Eltern einer Gelbfieber-Epidemie zum Opfer fielen, war Wells noch ein Teenager und hatte fünf jüngere Schwestern und Brüder zu versorgen. Als Antwort auf diese enorme Belastung nahm sie den Beruf einer Lehrerin auf. Ihr persönliches Schicksal war jedoch nicht so erdrückend, daß es sie hätte abhalten können, den Weg einer aktiven Kämpferin gegen den Rassismus zu wählen. Schon im jungen Alter von zweiundzwanzig bekämpfte sie die rassistische Diskriminierung, unter der sie als Bahnreisende zu leiden hatte, mit einer Klage gegen die Eisenbahn vor Gericht. Zehn Jahre später gab Ida B. Wells eine eigene Zeitung in Memphis in Tennessee heraus, und nachdem drei ihrer Freunde von einem rassistischen Mob ermordet worden waren, verwandelte sie das Blatt zu einer wirksamen Waffe gegen die Lynchjustiz. Als die Rassisten ihr Leben bedrohten und die Verlagsräume ihrer Zeitung zerstört hatten, war Wells gezwungen, ins Exil zu gehen, wo sie ihren erstaunlich wirksamen Kreuzzug gegen die Lynchjustiz aufnahm. Sie reiste in den Vereinigten Staaten von Stadt zu Stadt und mobilisierte die Schwarzen und Weißen gleichermaßen, mit aller Kraft die Herrschaft der Lynchjustiz zu bekämpfen. Auf ihren Auslandsreisen spornte sie die Europäer an, Solidaritätskampagnen gegen die Lynchmorde an den Schwarzen in den Vereinigten Staaten zu organisieren. Zwei Jahrzehnte später eilte Ida B. Wells im Alter von siebenundfünfzig Jahren zu den Ausschreitungen im Osten von Saint Louis. Als sie dreiundsechzig Jahre alt war, leitete sie eine Untersuchung über einen Überfall rassistischer Banden in Arkansas. Und noch am Vorabend ihres Todes war sie so militant wie eh und je, als sie eine Demonstration schwarzer Frauen gegen die Rassentrennungsmethoden eines großen Hotels in Chicago anführte. Durch ihren langwierigen Kreuzzug gegen die Lynchjustiz war Ida B. Wells zu einer Expertin in den Taktiken der Agitation und der Konfrontation geworden. Aber wenige konnten sich im gesprochenen wie im geschriebenen Wort zugunsten der Befreiung der Schwarzen mit Mary Church Terrell vergleichen. Sie suchte die Freiheit ihres Volkes durch Logik und Überzeugung zu erringen. Eloquent in ihren Schriften, eine überaus beeindruckende Rednerin und eine Meisterin in der Kunst der Diskussionsführung, ließ Terrell nicht davon ab, beharrlich und prinzipienfest die Gleichheit der Schwarzen, das Frauenstimmrecht wie auch die Rechte der arbeitenden Menschen zu vertreten. Wie Ida B. Wells war sie bis zu ihrem Tod mit neunzig Jahren noch aktiv. Eine ihrer letzten Aktivitäten gegen den Rassismus war die Teilnahme an einer »picket-Iine« in Washington, D. C. mit achtundachtzig Jahren.[35]
Ida B. Wells und Mary Church Terrell waren fraglos die zwei herausragenden schwarzen Frauen ihrer Zeit. Ihre persönliche Fehde, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte, spielte eine tragische Rolle in der Geschichte der Klubbewegung der schwarzen Frauen. Waren ihre Verdienste schon allein genommen monumental, so hätten ihre vereinten Bemühungen für ihre Schwestern und für ihr Volk überhaupt Berge versetzen können.