Schwangerschaft und Geburt

Ende des 18. Jahrhunderts begannen Ärzte und Wissenschaftler, sich eingehender mit dem »Objekt Frau« zu beschäftigen. Dabei galt ihr vorrangiges Interesse der Gebärfähigkeit der Frau und den damit zusammenhängenden körperlichen Veränderungen im weiblichen Körper (vgl. Fischer-Homberger).

1. Das Monats »leiden«

Die Menstruation, da waren sich die männlichen Gelehrten einig, begann mit der Geschlechtsreife, kehrte in monatlichen Abständen wieder und blieb aus, sobald die Frau schwanger war:

»In dieser zeugungsfähigen Periode findet bei jedem gesunden Weibe, bis sie schwanger wird, aus den Blutgefäßen des Uterus alle vier Wochen Bluterguß statt, der durch den Muttermund und die Mutterscheide abfließt, gewöhnlich vier Tage anhält, anfangs wie Fleischwasser aussieht, hernach reines Blut wird, und am Ende wieder die Beschaffenheit annimmt, die er im Anfang hatte« (Froriep, 107).

Über die Ursache der Menstruation herrschte unter den Gelehrten allerdings noch Unklarheit. Die einen waren der Meinung, die Menstruation wäre ein Zivilisationsschaden, der daher rührte, daß das weibliche Geschlecht nicht mehr auf natürliche Weise lebte. Andere hielten die Menstruation für eine Krankheit, die bei gesunden Frauen überhaupt nicht auftrete. Wiederum andere waren der Ansicht, die Menstruation wäre ein Abort, der sich monatlich wiederholte, oder aber man hielt sie einfach für eine Folge der durch Erziehung unterdrückten weiblichen Sexualität. Außerdem machte man eine besonders dicke Haut der Frau dafür verantwortlich, die die Körperfeuchtigkeit eher in sich hielte. Dann gab es noch die Theorie, daß es einen Blutüberfluß im weiblichen Körper gebe, der Druck auf die Unterleibsorgane der Frau ausübte. Noch im 18. Jahrhundert meinten manche Ärzte, die Menstruation wäre eine Folge übermäßigen Essens (vgl. Müller-Hess).
Die Mediziner, die von einem natürlichen Blutüberschuß der Frau überzeugt waren, zogen eine Parallele zwischen Frau und Tier: Die Brunftzeit der Tiere ist ebenfalls von einem Blutfluß begleitet. Aufgrund dieser Gleichsetzung von Frau und Tier gingen sie davon aus, daß die Empfängnisfähigkeit der Frau kurz nach der Menstruation am größten wäre. Osianders Lehrbuch für Medizinstudenten führte dies aus:

»Mit der Entleerung des mit Kohlenstoff überladenen Blutes und des Hindrangs der plastischen Lymphe zu den Geschlechtstheilen nimmt die Irritabilität und positive Electricität im weiblichen Körper aufs neue zu, und damit die Geschlechtslust, die um diese Zeit so mächtig erwacht, dass die Zeugungsbegierde nie stärker ist beim weiblichen Geschlecht, als gleich nach der Zeit der monatlichen Periode. - Dasselbe ist der Fall bei den Thieren zur Zeit der Brunst. - In eben diesem Zeitraum aber ist auch die Empfängniss-Fähigkeit am grösten, so dass manche Frauen durchaus nicht anders schwanger werden, als zur Zeit der kaum geendigten monatlichen Reinigung« (Osiander I, 256).

Diese Ansicht, die empfängnisfähige Zeit der Frau liege unmittelbar nach der Menstruation, hatte wohl zur Folge, daß der Kinderwunsch vieler Frauen, die sich danach richteten, nicht erfüllt wurde. Denn nach heutigen Erkenntnissen liegt die Zeit, in der die Frau fruchtbar ist, etwa 14 Tage vor bzw. nach der Menstruation. Außerdem wurde ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Menstruation und den Mondphasen angenommen. Osiander schrieb darüber:

»Die Ausleerung selbst richtet sich vorzüglich nach der Mondsphase des Neulichts, um welche Zeit mehr Frauenzimmer menstruirt sind, als zu jeder andern Zeit. Hauptsächlich sind die jüngeren, bei denen noch eine schnellere Sanguifica-tion statt findet, gegen den Neumond, die älteren, und diejenigen, deren Sanguifi-cation schwächer ist, gegen den Vollmond menstruirt« (Osiander I, 255).

Das Thema Menstruation war unter Frauen weitgehend tabu. Nur Freundinnen tauschten sich über ihre Beschwerden aus. Ihren Aussagen zufolge litten sie unter der Menstruation wie unter einer Krankheit.

2. Der »Beischlaf

Die Ärzte bemühten sich, die Fruchtbarkeit der Frau nach bestem Wissen auszunutzen, um so für einen gesunden Nachwuchs zu sorgen. Für sie stand fest, daß von den Umständen zur Zeit der Befruchtung die Gesundheit der Kinder abhängig war. Schon die Wahl des Zeitpunktes der Befruchtung war für sie entscheidend. Positiv auswirken sollte sich demnach zunächst der Zeitpunkt im Zyklus der Frau, nämlich unmittelbar nach der Menstruation, dann die Jahreszeit, das Frühjahr, und schließlich auch die Tageszeit, nämlich der frühe Morgen. Auch die Stellung beim Geschlechtsakt war entscheidend. Die künftige Mutter sollte dabei auf dem Rücken liegen. Medizinstudenten lernten damals:

»Die Umstände, unter welchen sich die weibliche Zeugungsfähigkeit am stärksten äussert, sind folgende: 1. bei vollkommener Ordnung in Zeit, Quantität und Qualität der monatlichen Reinigung; 2. gleich, nachdem die monatliche Reinigung vorüber ist, 3. bei vollkommener Organisation der Geschlechtstheile und vollkommener Gesundheit; 4. im Frühling; 5. gegen Morgen; 6. in der Ruckenlage, und 7. bei massigem Begattungstriebe« (Osiander I, 252).

Hinweise, wie Schwangerschaften verhindert werden konnten, fanden sich nirgends. Sie ergaben sich normalerweise aus der Umkehrung solcher Ratschläge. Dies führte natürlich zum gerade unerwünschten schwangeren Zustand, da die fruchtbaren Tage der Frau in der Mitte des Zyklusses, nicht an dessen Anfang liegen.
Über den Befruchtungsvorgang herrschte weitgehend Unklarheit, die ohne weiteres zugegeben wurde. Dem Sperma wurde trotz aller Unsicherheit die Hauptrolle bei der Befruchtung zugeschrieben. Man sprach von »Samenthierchen«, die bis in die Eierstöcke der Frau sich wandernd bewegten. Man ging von der Existenz von Eizellen im weiblichen Körper aus, die dort produziert wurden und die zur Befruchtung notwendig waren. Für den Verfasser des »Rathgebers vor, bei und nach dem Bei-schlafe«, Gottfried Wilhelm Becker, stand fest, daß der männliche Körper ein bestimmtes Quantum an Säften besaß, auf die der Mann achtgeben mußte und die er nicht verschwenden durfte. Zu diesen Säften zählte er auch das Sperma, dem er die Hauptrolle bei der Befruchtung zuwies:

»Das weibliche Geschlecht hat zwar in Hinsicht des Verlustes, der aus einer Flüssigkeit besteht, weniger, vielleicht gar nichts zu fürchten, in wiefern diese bei ihm in diesem Falle entweder gar nicht statt findet, oder, wenn auch nach der Behauptung mehrerer Aerzte etwas ähnliches gefunden wird, das sich bei dem Beischlafe ergießt, dieser doch auf keine Art mit der des Mannes in Bezug auf Wichtigkeit, mühsame Bereitung und Bestimmung gleich zu setzen ist« (Becker, 24).

Auch von Dr. Becker wurde der morgendliche Beischlaf empfohlen, der abendliche dagegen nur unter gewissen Voraussetzungen:

»Dies scheint ausgemacht zu seyn, am vortheilhaftesten ist der Beischlaf, unter übrigens gleichen Umständen beim Schlafengehen, wenn a) die Abendmahlzeit massig und nicht zu spät, d. h. nicht nach sieben Uhr gehalten worden war; wenn der Geist selbst frei von allem wtar, was seine Heiterkeit trüben, d. h. was ihn für den Genuß, der hier seiner harrt, weniger empfänglich machen könnte; wenn keine die Kräfte erschöpfende Arbeit, Reise, oder des etwas, am Tage vorgefallen war, die ihm nun die Ruhe nöthl jer machen würde, als diesen die Kräfte noch mehr erschöpfenden Genuß« (Beck«-, 59).

Dr. Becker riet also zu einer Mäßigung im Sexualleben, da dies einen gesunden Nachwuchs fördere. Folgerichtig wurde von ihm das Schlafen der Ehepartner in getrennten Ehebetten empfohlen:

»Das ist gewiß, bei der nicht völligen Gesundheit des einen oder des andern Gatten, ist das Schlafen in einem Ehebette durchaus nicht rathsam: die Reinlichkeit verbietet dasselbe während der monatlichen Reinigung und des Wochenbettes. Bei zu großer Begierde und zu großer Mühe, sie bei einiger Gelegenheit zu bekämpfen, wird es endlich ebenfalls rathsam seyn, diese so wichtige Gelegenheit zu vermeiden. Dann aber rathe ich nicht allein zu getrennten Schlafstätten, sondern lieber dazu, in verschiedenen, durch Schloß und Riegel abgesonderten, Gemachen zu schlafen. Außerdem ist es gewöhnlich nur ein sehr schwacher Widerstand, den man den Trieben entgegensetzt, die hier so leicht befriedigt werden. In einem andern Falle wird es sich ohne Zweifel am besten so machen, daß zwei aneinander stehende Betten eben so gut ein gemeinschaftliches, als ein doppeltes bilden können« (Becker, 80).

Die »natürliche Begattungsart«
In den medizinischen Ratgebern fanden Unkundige Hinweise auf die »richtige« Stellung beim Beischlaf. Meist war dies die Rückenlage der Frau:

»Die natürliche, in dem Bau des Menschen begründete Begattungsart ist der Beischlaf, Concubitus, eigentlich das Beiliegen, wobei der weibliche Mensch der unterliegende, Succuba, der männliche der aufliegende Theil Incubus s. Com-pressor, ist. Es giebt aber durch die Noth oder Wollust veranlasste Abweichung, wo nach Art der Thiere, ad modum ferarum, die Begattung durch Coitus et Initus a tergo verrichtet wird« (Osiander I, 227).

Der Beischlaf »nach Art der Thiere« sollte nur in Ausnahmefällen, durch den Körperbau (des Mannes) begründet, stattfinden:

»Der Weg, den die Ruthe des Mannes zu nehmen hat, wird hier ziemlich gegen einen Zoll verkürzt, vorausgesetzt, daß sich das Weib mit den Lenden auch gehörig in die Höhe beuge, daß das Haupt niedriger sey als diese, denn sonst ist die ganze Lage nicht allein ebenfalls unnütz, sondern auch sogar selbst für den Beischlaf, - wie sehr nun vollends für die Zeugung? - unbrauchbar, verhindernd« (Becker, 69).

Vom Beischlaf im Stehen, in sitzender Stellung der Frau und auf der Seite liegend wurde abgeraten. Im übrigen sollte die Frau sich bei der Wahl der Stellung den Wünschen des Mannes fügen. Dr. Becker meinte:

»Wenn auch ebenfalls dem Manne das Recht zusteht, auch in diesem Genüsse zu künsteln und ihn auf verschiedene Arten zu erproben, so hüte sich doch das Weib, hier eine Stimme haben zu wollen. Mitten im Rausch der Sinne sey doch stets die holde Schaamhaftigkeit in ihrem Busen mächtig. Nie lasse sie diese vernichten. Sie dulde, gleich der sanften Rose, daß der Mann ihre Reize geniesse, aber sie zeige ihm nicht, daß Begierden in ihr toben, die ihre Würde, ihre Achtung vermindern würden. Geilheit und Schaamlosigkeit, Unersättlichkeit im Genüsse der ehelichen Freuden schänden das Weib, und entkräften den Mann, erfüllen ihn mit Eckel für ein Wesen, das nie den Genuß suchen, das ihn, nur aus Liebe sich hingebend, gewährend darf« (Becker, 72).

Aktive Lust und Leidenschaft sollte Männern reserviert sein. Der Frau blieb passive Anteilnahme, wollte sie nicht die Achtung des Mannes verlieren. Passivität war oberstes Gesetz auch für ihre Bewegungen beim Beischlaf: alles in Grenzen. Nach der Aufnahme des Spermas sollte die Frau sich überhaupt nicht mehr bewegen:

»Zugleich ist es, in Bezug auf das Weib, unumgänglich nothwendig, daß sie nach empfangenem Saamen des Mannes so wenig lebhafte Bewegungen mit den Schenkeln und dem hintern Theile des Leibes mache, als möglich. Je gewöhnlicher diese Bewegung ist; je mehr sie den Genuß des Beischlafes erhöhet, desto mehr wird diese Bewegung selbst die Annäherung der beiderseitigen Zeugungs-theile verhindern, theils die Vermischung der Saamenfeuchtigkeiten in so fern einschränken, als die des Mannes nicht hinlänglich Zeit gewinnt, sich, in die Gebärmutter eingespritzt, aufzuhalten« (Becker, 65).

Trotz dieser Tendenz, der Frau eine passive Rolle in der Sexualität zuzuweisen, gab es Hinweise auf: »das Hauptorgan der Wollust bei dem Weibe«, die Klitoris (Froriep, 92). Dr. Becker bemerkte:

»Bei dem Beischlafe ist er von der entscheidensten Bedeutung, da in ihm das höchste Gefühl der Wollust ist; da ohne ihn durchaus keine Empfänglichkeit für diesen Genuß statt fand« (Becker, 113).

Mäßigung im Sexualleben wurde Frauen und Männern gleichermaßen nahegelegt. Das »entzückende Wollustgefühl« wäre zu stark für schwache Naturen. Daher wäre davon abzuraten, es zu oft zu empfinden. Das »elektrische Feuer« schwäche außerdem den Körper. Überhaupt sollte der Beischlaf nicht aus Lust und Neigung, sondern aus seiner Zweckdienlichkeit heraus vollzogen werden:

»Der Beischlaf sollte, wie alles für den Vernünftigen, nicht sowohl deswegen Werth haben, weil er Genuß verschafft, sondern vielmehr aus dem Grunde, daß er für einen Zweck vom Schöpfer berechnet ist, den man unter allen auf diesem Erdenrunde für den wichtigsten annehmen kann, für die Erhaltung des Geschlechts der Menschen selbst« (Becker, 29).

Die Stellung der Frau als Objekt des Mannes wird besonders deutlich, wenn es um Ratschläge zur Vorbereitung des ehelichen Verkehrs ging:

»Seht jenes holde Weibchen, sie weiß es recht gut, wie Reinlichkeit und Niedlichkeit ihres nächtlichen Anzuges das sinnliche Vergnügen gleich sehr befördert und unterhält, wie es ihre Reize immer gleich verschönert, und den feinfühlenden Gatten an sie fesselt. Sie ist sorgfältiger bei ihrem Entkleiden am späten Abend als die kokette Dame bei der Morgentoilette« (Becker, 41).

Die Frau sollte nach Möglichkeit zuvor ein Bad nehmen und sich mit diversen Düften umgeben. Dr. Becker malte eine Idylle der Sinnlichkeit aus:

»Entfernt wird jeder Geruch, den die auf der Haut vertrocknete Ausdünstung haben könnte. Wohlriechendes Wasser benetzt die lockigen Haare und wird auf die schwellende Ottomane gesprengt, die für den Genuß ehelicher Liebe bestimmt ist. Das feinste reinste Linnen, der weichste Moussellin schmiegt sich an die blendenden Glieder. Nichts wird gespart, die Sinnlichkeit zu fesseln, für die sich selbst der wohlduftende Weihrauchsgeruch in dichten Wolken wirbelt« (Becker, 42).

Für den Mann galten keine Reinlichkeitsvorschriften, es gab keine Hinweise darauf, wie und ob er sich herausputzen sollte, oder wie er sich beim Geschlechtsakt zu verhalten hätte. Der Mann dominierte, die Frau wurde unter dem Deckmantel der Förderung gesunden Nachwuchses zum Objekt degradiert. Obwohl ihr ein Lustempfinden zugestanden wurde, entsteht der Eindruck, daß gerade dieses Lustempfinden wegtrainiert werden sollte. Das Sexualleben sollte von Vernunft und Mäßigung geprägt sein, nicht von Lustempfinden und Leidenschaft. Mäßigung im Sexualleben bedeutete für die Frauen wohl auf der anderen Seite auch eine Reduzierung der Schwangerschaften, was sicher nicht wenig zur höheren Lebenserwartung beitrug.

3. Die Schwangerschaft

Eine sichere Methode zum Nachweis einer Schwangerschaft gab es Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht. Daher war man auf Spekulationen angewiesen. Als sicherster Beweis galt das Ausbleiben der Menstruation. Daneben suchte man nach äußeren Zeichen und stellte ungewisse und gewisse Zeichen einer Schwangerschaft fest. Zu den ungewissen Zeichen, die im übrigen auf Beobachtungen und Berichten der Ärzte gründeten, zählten: eine angenehme Empfindung beim Geschlechtsverkehr auf der Seite der Frau, die mit der des Mannes übereinstimme, Schauder, Ohnmacht, Mattigkeit und Neigung zum Schlaf nach dem Verkehr, eine Veränderung der Gesichtsfarbe und: »Eine Abneigung gegen den, von welchem die Frau empfangen hat« (Osiander I, 366).
Von den weiteren 39 aufgeführten ungewissen Schwangerschaftszeichen, die sich auf körperliche Veränderungen bezogen, gelten heute noch als Begleiterscheinungen einer (sicheren) Schwangerschaft: Schlafsucht und Melancholie, Gesichtsausschläge, Erscheinen von Leberflecken, das Größer-Werden der Brüste und das Erscheinen von blauen Adern auf den Brüsten, eine Veränderung der Farbe der Brustwarzen und:

»Aus den Brüsten und durch die Warzen läßt sich Milch ausstreichen, oder fliesst auch wohl von selbst hervor« (Osiander I, 376).

Die Geruchsnerven und der Magen werden empfindlicher, Übelkeit und Erbrechen sind die Folge. Außerdem erscheinen oft Krampfadern an den Beinen. Der verstärkte Trieb zum Diebstahl zählt allerdings zu den heute nicht mehr gültigen Schwangerschaftszeichen.
Zu den damals gewissen Schwangerschaftszeichen gehörten:

  • »Active, gegen die untersuchende Hand reagierende Bewegung der Leibesfrucht«
    die der Arzt aber erst in der 20. Schwangerschaftswoche feststellen konnte,
    sowie:
  • »das deutliche Gefühl eines vorliegenden Kindestheils, welches der Geburtshelfer bei der innern Untersuchung wahrnimmt«
    und:
  • »das Gefühl der Eyhäute und Nachgeburtstheile durch den bereits zum Theil geöffneten Muttermund« (Osiander I, 405).

Die Ärzte waren erst nach 5 Schwangerschaftsmonaten in der Lage, diese mit Sicherheit zu bestätigen. Selbst die Frauen bemerkten ihren schwangeren Zustand vorher oft genug nicht.
Lotte Schiller und ihr Mann meinten, es handelte sich um eine schlimme Krankheit, als sie oft Übelkeit plagte. Beide scheinen mit einer Schwangerschaft nicht gerechnet zu haben. Friedrich Schiller schrieb darüber einem Freund:

»Meine kleine Maus wird mir in sechs bis acht Wochen ein großes, großes Geschenk machen. Sie hat sich Anfang dieses Jahres sehr oft übel befunden, daß mir für ihre Gesundheit ernstlich bange ward, und Sie können denken, theurer Freund, daß der Anblick ihres Leidens und die Furcht, sie vielleicht ganz und gar zu verlieren, meinen eigenen Zustand mir schwer genug machen mußte. Aber wie angenehm hat sich dieses unglückliche Räthsel ihrer Zufälle gelöst. Sie ist schon im achten Monat schwanger, und ich sehe mich nicht bloß von einer schweren
Besorgnis befreit, sondern blicke noch einer der schönsten Lebensfreude, nach der ich so lange mich gesehnt habe, entgegen« (an Bartholomäus Fischenich, Jena, 25. 7. 1193; Hennes, 34).

Lotte Schiller litt sehr unter der ersten wie unter der zweiten Schwangerschaft. Auch diese wurde erst nach dem fünften Monat festgestellt. Mit ihren Beschwerden stand sie nicht allein, denn fast allen Schriftstellerinnen war die Schwangerschaft beschwerlich - einmal wegen fortdauernder Übelkeit, zum anderen wegen körperlicher Bewegungsunfähigkeit. Vor all«m die körperlichen Leiden und deren Einfluß auf die Stimmung wurden negativ empfunden. Caroline von Humboldt schilderte Lottes Zustand drei Wochen vor der Entbindung ihres vierten Kindes:

»Lolo aber schien ungemein angegriffen und hatte um die Augen so tief liegende Züge. Sie kommt auch im Julius nieder« (an Wilhelm von Humboldt, Erfurt, 18.4. 1804; Sydow II, 144).

Ganz anders als bei der Menstruation oder gar dem Sexualleben wurde eine Schwangerschaft nicht schamhaft verschwiegen. Die Schwangere berichtete darüber, sobald sie sich sicher war. Briefe gingen hin und her, Informationen wurden ausgetauscht. Trotz alledem waren diese Frauen selten in der Lage, eine Schwangerschaft früher als im 5. Monat zu erkennen. Ebensowenig bemerkten sie die Veränderungen ihres eigenen Körpers in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Grund dafür könnte sein, daß eine Schwangerschaft meist nur Unannehmlichkeiten mit sich brachte. So wurde sie bis zu dem Zeitpunkt ignoriert, an dem dies nicht mehr möglich war.

Angst und Leiden
Vor allem die erste Schwangerschaft stellte etwas Bedrohliches dar. Die Gefahr einer Geburt, das Unbekannte, verursachte eine oft beklemmende Angst. Solche Ängste äußerten sich für Caroline Böhmer während ihrer ersten Schwangerschaft in einem Gefühl der Kälte, Dunkelheit und Abgeschlossenheit:

»Mit Trauer seh ich den Schnee, die Scheidewand zwischen mir und der Welt; es ist so ganz wieder das Gefühl vom vorigen Winter; so entblätterten sich die Bäume, so schwärzten sich die Tannen und der Wind rauschte an meinem einsamen Zimmer, die Wolken wallten in tausend Gestalten über uns hin - ich lebte nicht in der Gegenwart, sondern in der Hofnung des Frühlings, und deßen, waß er bringen würde - das war der einzige Unterschied. Jezt hab ich mein Kind, jezt geniße ich des Guts, auf das ich harrte, und welch ein Kind! Meine Auguste ist ein reizendes Geschöpf (an Lotte Michaelis, Clausthal, 9. 11. 1785; Schmidt 1, 128).

Agnes von Stolberg-Stolbergs Gebärangst verlor sich nie; noch bei der dritten Schwangerschaft äußerte sie ihre Ängste. Auch Charlotte von Kalb betrachtete ihre vierte Schwangerschaft als körperliche Plage, die nur Leiden und schlechte Stimmungen mit sich brachte:

»Mit dieser Schwangerschaft und andern Leiden des Körpers und den Sorgen, womit ich so zu sagen mein und meiner Angehörigen Schicksal fortwälzen muß, habe ich lange Zeit keine Stunde gefunden, in der ich mich der Ruhe mit gesunder Stimmung hätte überlassen dürfen« (an Lotte Schiller, Anfang 1796; Urlichs II, 223).

Bei der Mehrzahl der Frauen wurde aber die zweite und folgende Schwangerschaft gelassener betrachtet. Caroline Böhmer registrierte bei der zweiten lediglich Stimmungsschwankungen. Sie fürchtete sich nicht mehr vor dem Gebären, sondern spottete über ihre vormalige Ängstlichkeit. Bemerkenswert, wie sie ihre geänderte Aufnahmefähigkeit für Literatur beschrieb:

»Grüß Louisen Michaelis herzlich, und sie sollte gern kommen. Laß sie gleich was zu lesen mitbringen, ach dem Ideal des Chevalier de Ravannes. Anders gilt nichts vor und nach dem Wochenbett. Gott, wie war ich doch das vorigemal so herunter, daß ich, die den Ariost nie mit der geringsten Bewegung las - wie das in der Übersezung auch wohl nicht möglich ist; sondern über das Gethüm von herzbrechenden und lanzenbrechenden Abentheuern leicht hinweg glitschte, dan mit höchstgereizter Einbildungskraft jeden Riesen und Drachen sah, zischen hörte, und heulen konte, über die Schöne, die ihren unverwundbar geglaubten Hals zur Probe dem Schwerdt darbot. Ganz so arg, dächt ich, könt es auch bey den gleichen Leiden nicht wieder werden, denn ich bin vorher gewafnet, und jene Zeiten waren überall eine Crisis der schwärmenden Vernunft: Wörter, die sehr wohl zusammen paßen, ohngeachtet es nicht so scheint. Recht neugierig bin ich, wie es mir dies mal gehn wird« (an Lotte Michaelis, Clausthal, März 1787-Schmidt I, 157).

Ihre gewandelte Stimmung ließ sie gar euphorisch werden:

»So gräßlich die Welt vorgestern aussah, so schön ist sie jezt, voller Sonnenschein, und Vorbedeutungen des kommenden Gottes - « (a. a. O.).

Sophie Mereaus körperlicher und seelischer Zustand verschlechterte sich während der Schwangerschaft. Sie äußerte schon starke Nervosität, als sie diese nur erst vermutete:

»Ich bin nicht krank, aber es ist mir immer als wenn ich mir die Augen reiben müßte, um aufzuwachen. Ich habe Sehnsucht, und doch gegen Alles Widerwillen, genug, es ist mir unbehaglich« (an Clemens Brentano, Weimar, 24.9. 1803 Gersdorff, 220).

Caroline von Humboldt litt in ihrer dritten Schwangerschaft unter der körperlichen Bewegungsunfähigkeit. Sie hatte starke Rückenschmerzen, deren Ende sie mit der Geburt herbeisehnte. An die Freundin Rahel Levin schrieb sie:

»Ich bin schmerzlich von Ihnen und so manchen die ich liebe getrennt, denn ich kann nicht schreiben, meine Briefe sind bloße Fragmente - ich kann vor Rückenschmerzen nicht sizzen, nicht liegen, nicht leben. Sie kennen meine Geduld, denken sie nur liebe Kleine wie ich leide. - In 10-12 Tagen steht mir meine Niderkunft bevor. Ich fürchte mich nicht, im Gegentheil, ich freue mich recht eigentlich und lasse die Hofnung nicht fahren, daß es auch dann besser werden wird, aber doch ists mir wunderbar zu Muthe« (Jena, 6. 1. 1797; Leitzmann, 13).

Kurz vor der Geburt war ihr Optimismus verschwunden. Sie fühlte sich so elend, daß sie mit ihrem Tod rechnete. Der körperliche und seelische Schmerz war derartig heftig, daß sie wenige Stunden, bevor sie ihren zweiten Sohn Theodor (ihr drittes Kind) auf die Welt brachte, einen Abschiedsbrief an ihren Mann schrieb:

»Liebes, trautes Wesen. Es verlangt mich Dir noch ein Wort zu sagen, und Euch, meine geliebten Kinder. Ich hoffe, wir bleiben zusammen. Blieben wir nicht teurer Bill, so bleibe meinem Andenken hold und den süßen Kindern, auch dem kleinen Wesen, das ich erwarte. Erzähle ihnen allen etwas von der Mutter, die sie geliebt hat über alles. Verzeih mir meine Schwachheiten, ich habe Dein schönes reines Wesen doch gewiß tief erkannt und unendlich geliebt. Lebe wohl. Wenn Du Emilien [das Kindermädchen] bei den Kindern behältst, besonders meine ich bei dem jüngsten, und sie führt sich ganz nach Deinem Willen auf, so wünsche ich, daß Du ihr 300 Reichstaler schenkest, wenn das Kleine so weit ist, daß Du seiner körperlichen Pflege wegen ihrer nicht mehr bedarfst« (Jena, 19. 1. 1797; Sydow II, 26).

Johanna Schopenhauer entdeckte ihren schwangeren Zustand auf ihrer ersten großen Reise nach England. Die Schwangerschaft hielt sie aber nicht davon ab, die Reise zu genießen. Sie fühlte sich während der ganzen Zeit wohl und empfand nur ihre zunehmende Schwerfälligkeit als lästig.
Auch Caroline von Humboldt unternahm während einer Schwangerschaft (ihrer vierten) eine Reise. Mit Mann und Kindern war sie bis zum achten Monat durch Spanien und Frankreich unterwegs. Das Wohlbefinden in der Schwangerschaft hing zu einem großen Teil von der Einstellung der Frau zu Kindern ab. Wurde das Kind gewünscht und bejaht, als etwas Positives, die Mutter Bereicherndes betrachtet, verlief die Schwangerschaft gut. Das hieß aber nicht, daß keine körperlichen Leiden damit verbunden gewesen wären; nur - die Einstellung dazu veränderte sich. Caroline von Humboldt bewertete beispielsweise ihre achte Schwangerschaft sehr hoch. Der Grund dafür war der Tod dreier Kinder, von denen zwei nur wenige Monate alt geworden waren. Das achte Kind sollte es besser haben als die übrigen; die Mutter wollte es um keinen Preis verlieren. Schon im Mutterleib liebkoste und verwöhnte sie es:

»Mein unaussprechliches Leiden vom vorigen Jahre gibt mir einen eigenen rührenden Genuß meines jetzigen Zustandes, einen solchen, wie ich ihn noch nie hatte. Das Schicksal wird erbarmend sein und mir alles Verlorene in diesem Kinde wiedergeben. Meine Gesundheit ist leidlich, die Unbequemlichkeiten vermindern sich, was bleibt, trägt man mit Geduld. Es ist nichts gegen die Belohnung, die am Ende kommt. Es gibt ja doch nichts Schöneres wie Kinder, und nichts Süßeres, als sie zu bekommen« (an Wilhelm von Humboldt, Rom, 10. 11. 1808; Sydow II, 13).

4. Das Ungeborene

Nur eine der Schriftstellerinnen, Caroline Böhmer, berichtete von besonderer Ernährung und Bewegung während der Schwangerschaft. Damit war sie ihrer Zeit fast voraus, war es doch gerade erst modern geworden, Schwangerschaftsdiät und Bewegungstherapie anzuwenden, die der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau Müttern empfahl, die Einfluß auf das Wohlergehen des Ungeborenen nehmen wollten (vgl. Badinter). Schon während der Schwangerschaft sollte die Frau auf ihre Gesundheit achten, um sich auf eine komplikationslose Geburt richtig vorzubereiten. Auch deutsche Ärzte empfahlen, zumindest mit dem Essen, achtzugeben, im übrigen jedoch seine Gewohnheiten nicht zu ändern:

»Ohne wirkliches Gefühl von Mißbehagen aber trenne sich eine Schwangere nicht von ihrer gewohnten Kost; nur bedenke sie immer, dass je mehr ihr Magen und ihre Gedärme durch die wachsende Gebärmutter in die Enge gepresst werden, desto weniger dieselbe mit vielen Speisen und zumal blähenden belästigt werden dürfen« (Osiander II, 48).

Auch beim Trinken sollte die Schwangere bei ihren Gewohnheiten bleiben. Der Arzt riet außerdem, sich in schwangerem Zustand möglichst wenig zu bewegen:

»Was Bewegung und Ruhe betrifft, so muss eine Schwangere sich so viel massige Bewegung machen als sie, ohne sich und der Frucht zu schaden, machen kann. Die Bewegung muss daher nie in ungewohnte Anstrengung ausarten, oder in eine tanzende Erschütterung der Leibesfrucht bei wilden Tänzen, oder in ein Hin- und Herwerfen des ganzen schwangeren Leibes beim Fahren auf holprichten Wegen, oder in eine mit beständigem Druck auf den Bauch verbundene Beschäftigung, wie beim Tragen von Lasten vor dem Leibe« (Osiander II, 50).

Heftige Kritik übte Osiander an der üblichen Frauenkleidung. Vor allem während einer Schwangerschaft sollte die Frau auf bequeme Kleidung achten. An den gebräuchlichen Unterhemden kritisierte er:

»Das weibliche Hemd hat jedoch den allgemeinen Fehler, dass es kaum die Hälfte der Brust und der Schultern, auch der Arme bedeckt, als ob alle Frauenzimmer in paradiesischem Klima und noch halb und halb im Stande der Unschuld wandelten. Hals-, Nacken-, Schulter- und Brusterkältung sind aber sehr oft die verkannten Ursachen der Brustentzündung, der Lungeneiterung und der Fehlgeburten« (Osiander II, 54).

Makellos saubere Hemden aus Leinwand, Baumwolle oder Wolle empfahl er allgemein, nicht nur für die Zeit der Schwangerschaft. Mit scharfen und bissigen Worten wandte sich Osiander auch gegen das Tragen von Schnürbrüsten vor und während der Schwangerschaft:

»Das, was den Brüsten die zum Säugen einzig zweckmässige, schöne, conische Form giebt, nämlich das freie Wachsthum nach vorne, wird unter dem Einschnüren ganz unmöglich. Fast alle Frauen drücken ihre Brüste breit, dass beim Stillen eine breite Fläche das Gesicht des Säuglings bis zum Ersticken bedeckt, und die meisten jungen Frauenzimmer zwingen sie heutiges Tages gegen die Achselhöhlen, als wollten sie einst unter den Armen durch stillen« (a. a. O.).

Ebenso bemängelte er die Praxis der Frauen, ihren Unterleib lediglich mit einem nach unten offenen Tuch zu bedecken:

»Die Gewohnheit, von Kind auf diese Theile nur mit einem Umhang zu bedecken, der von unten jeden Zutritt von kalter Luft und Staub erlaubt, macht freilich diese Theile gegen die äussere Luft weniger empfindlich, so wie das blos getragene Gesicht und die Hände durch Gewohnheit weniger von Kälte empfinden, als die übrigen Theile des Leibes. Aber der Zutritt von kalter und unreiner Luft an die offenen Geschlechtstheile und an die stärker als andere Theile des Körpers ausdünstende Hüftgegend ist so wenig gleichgültig, dass vielmehr ein Hauptgrund von grossen weiblichen Beschwerden, z. B. der Schleimflüsse aus den Ge-schlechtstheilen, des schmerzhaften Fliessens der monatlichen Reinigung, der Hysterie, der Eyerstockentzündungen, und der rheumatischen und gichtischen Schmerzen in dieser Entblössung zu suchen ist« (Osiander II, 57).

Er riet, neben einer Art Umhang nach indianischem Vorbild, der zwischen den Beinen durchgezogen und dann um die Hüften gewickelt wurde, zum Tragen von langen Unterhosen:

»Nichts ist daher ernstlicher einer Schwangeren zu empfehlen, als das Tragen weiter und langer Beinkleider, deren breiter Saum unter den Brüsten den Leib umschliesst, und deren Beinbekleidung bis unter die Waden reicht, zwischen den Beinen aber vollkommen übereinander geht und den Luftzutritt abhält. Solche Bekleidung von baumwollenem oder feinwollenem Zeuge muss unmittelbar auf dem Leibe getragen werden« (Osiander II, 58).

Schuhe sollten flach und bequem sein, damit die Frau nicht das Gleichgewicht verliere. Die Haare durften nicht kosmetisch behandelt werden; sie durften weder gelockt noch fest gebunden werden. Außerdem sollte die Frau hygienische Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise das Baden in warmem Wasser.

5. Die Geburtshelfer

Alle Schriftstellerinnen haben zu Hause geboren. Dies war eine damals übliche Praxis, obwohl Gebärhäuser in beinahe jeder Universitätsstadt mit medizinischer Fakultät existierten. In Jena beispielsweise gab es seit 1778 ein Gebärhaus (vgl. Faßbender).
Geburtshelfer war der Hausarzt, zu dem die Familie in einem engeren Verhältnis stand. Von einer Hinzuziehung einer Hebamme war nicht die Rede; es ist aber wahrscheinlich, daß sie dabei war. Der Hausarzt, der Lotte Schiller entbunden hat, war Johann Christian Stark, der seit 1784 an der Jenaer Universität lehrte. Stark vertrat eine Synthese aus zwei methodischen Hauptrichtungen der Geburtshilfe jener Zeit. Die einen, wie Friedrich Benjamin Osiander, vertraten eine künstliche Geburtshilfe, die Osiander »Entbindungskunst« nannte; Ludwig Ferdinand Froriep dagegen war ein Vertreter der »Wiener Schule«, die eine »natürliche Geburt« befürwortete.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts lehrten im deutschsprachigen Raum neun verschiedene Geburtshelferschulen unterschiedliche Methoden, die vor allem in der Behandlung schwieriger Geburten voneinander abwichen, wogegen bei leichten und einfachen Geburten die gleichen Behandlungsmethoden angewendet wurden. Prinzipiell unterschied man vier Geburtsarten:

  • 1.natürliche, leichte Geburten langwierige, verzögernde Geburten
  • 2 schwere Kopfgeburten
  • 3 Steiß- und Fußgeburten
  • 4 schleunige, und gefährliche, mit Blutstürzen verbundene, sowie Mißfälle, unzeitige und frühzeitige Geburten« (Starks Archiv II, 1; 41).

Heute kommen lediglich 3 Prozent aller Kinder in der Steißlage zur Welt; nicht der Kopf, sondern Füße und Hinterteil werden zuerst geboren. Nur ein Teil der Gebärenden fiel also unter die Punkte drei und vier. Den Stand der Geburtshilfe und die Alternativen für die Frauen von damals schilderte ein Geburtshelfer so:

»Wohl unserem aufgeklärten Jahrhundert, wo durch wissenschaftliche Behandlung die Geburtshülfe ihre höchste Stuffen erreichte, manche Mütter drohender Gefahr entrissen, viele nutzbare Weltbürger erhalten wurden; Segen und Dank so vielen würdigen Männern, die es für Pflicht hielten, an diesem wichtigen Fach thätig zu arbeiten, und durch so viele neue Erfindungen diese Kunst zu bereichern. Billigst mußten Gebährende Entsezen haben vor Geburtshelfer, welche mit einem ihrer groben Werkzeuge vor dem Geburtsbette erschienen, deren Anblick schon einer Kreisenden Graußen erweckte, durch welche mörderische Werkzeuge Frucht und Mutter aufgeopfert wurden. Mutter und Kind unentbun-den begraben zu sehen, war kein seltsames Phaenomen. Gebährende schätzten sich glücklich, solchen Barbaren zu entgehen, hingegen sich Geburtshelfer, welche ohne Werkzeuge entbanden, anzuvertrauen. Wendungen aber, welche ohne bestimmte Kenntnisse, und ohne bestimmte Anzeige vorgenommen werden, so wohlthätig sie übrigens sind, sind nicht nur zweckwidrig, sondern verursachen ebenfalls Verletzungen, die manche Mutter zeitlebens unglücklich machen. Auch hier starben viele unter der Hand eines unwissenden Geburtshelfers und unter großen Schmerzen. Verletzungen haben also mit und ohne Anwendung der Werkzeuge statt und es bleibt immer eine große Wohlthat für ein Land und dessen Bewohner gute Geburtshelfer und geschickte Hebammen zu besitzen« (Starks Archiv VI, 2; 192).

Hilfsmittel des Geburtshelfers
Der Geburtshelfer hatte bei schwierigen Geburten die Wahl zwischen der Zuhilfenahme von Instrumenten oder der Geschicklichkeit seiner Hände. Heute sind 90 Prozent aller Frauen in der Lage, ohne Hilfsmittel oder Eingriffe zu gebären. Nur 10 Prozent der Frauen hätten also, wenn diese Zahlen auf die Vergangenheit übertragen werden, diese Art der ärztlichen Hilfe nötig.

Seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde eine Zange zur Geburtshilfe benutzt (vgl. Fischer-Homberger). Jeder Geburtshelfer, der etwas auf sich hielt, entwickelte eine eigene Zange, die alle ungefähr wie auf Abb. 35 aussahen.
Mit dieser Zange packte der Geburtshelfer den Kopf des Kindes und zog es aus dem Mutterleib. Eine Zange wurde in den Fällen angewendet, in denen der Kopf des Kindes nicht durch die Kraft der Preßwehen herausgedrückt werden konnte. Über deren Anwendung berichtete ein Geburtshelfer:

»Wenn die Geburtszange angelegt werden muß, bestimmt schon der Geburtsfall selbst, das heißt: wenn der Wehen ungeachtet der Kopf des Kindes, er mag nun in der obern, mittlern, oder untern Apertur unbeweglich stehen, mit einer Kopfgeschwulst versehen, oder wohl gar mit einer Uebereinanderschiebung der Scheitelknochen, eine widernatürliche Veränderung erlitten haben; und wenn unter diesen Umständen sogar die Wehen nachlassen, lange aussetzen, die Kräfte der Kreissenden sinken; die Geburtszeit weit über den Termin verstrichen, oder mit andern Worten: viele Stunden und Tage, nach dem Wassersprung verlaufen sind, oder wohl gar eine Inflammation der äußeren Geburtstheile zugegen ist, alsdann ist noch das einzige Rettungsmittel übrig, um Mutter und Kind zu erhalten, zur Zange seine Zuflucht zu nehmen« (Starts Archiv III, 2; 357).

Der Vorläufer der Zange war der Geburtshebel, mit dessen Hilfe man den Kopf des Kindes heraushob.
War das Becken der Mutter zu eng für den Kopf des Kindes, wurde damals schon ein Kaiserschnitt gemacht. Bei diesen schwierigen Fällen mußte sich der Geburtshelfer entscheiden, ob er das Leben des Kindes oder das der Mutter retten wollte. Er erhielt das Kind am Leben, wenn er einen Kaiserschnitt machte. Diese Operation überlebte die Mutter aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, denn die Ärzte hatten recht wenig Kenntnis von operativer Hygiene. Wollte der Arzt die Mutter am Leben erhalten, perforierte er, das heißt, er bohrte den Kopf des Kindes an oder zerstückelte den Körper des Kindes im Mutterleib. Eine Perforation war:

»die Verkleinerung des Kopfes, und mit derselben, die Abnahme des Kindes. [...] Es ist dies das einzige Rettungsmittel, und diese besteht nach den neuesten Beobachtungen in der geschickten Applikation des scharfen Hakens« (Starks Archiv IV, 2; 211).

Den Haken benutzte man nur dann, wenn das Kind bereits tot war. Die Geburtshilfe versuchte Ende des 18. Jahrhunderts durch eine Verbesserung der chirurgischen Mittel die Gefährlichkeit des Kaiserschnittes für die Mutter herabzusetzen. Man veränderte die Schnittlinie, die nun längs des Bauches verlief:

»Auch ist durch die neue Operationsart, nach welcher der Schnittpunkt, statt vormals in der Seite, jetzt in der weissen Linie gemacht wird, die Gefahr beim Kaiserschnitt sehr verringert worden. Denn da hierbei weniger Theile getrennt werden, so sind Schmerz und Reiz geringer, und die nachfolgende Endzündung, das Fieber und die krampfhaften Zufälle werden dadurch in eben dem Grade vermindert« (Starks Archiv V, 2; 340).

Diese Operationen wurden ohne Betäubungsmittel durchgeführt. Die damals bekannten Betäubungsmittel waren Mohnsaft und Opium, über deren Wirksamkeit man sich allerdings stritt. Erst nach der Operation wurde das stärkere Opium zur Beruhigung verabreicht. Vorher nahm der Arzt keine Betäubung vor, da man der Ansicht war, es helfe sowieso nichts.
Ein weiteres Hilfsmittel zur Erleichterung schwieriger Geburten war die Wendung bei Steißlage oder Querlage des Kindes. Hierbei drückte man das Kind von außen in die gewünschte Lage mit dem Kopf nach unten.

6. Die Geburt

Der Geburtsvorgang wurde in fünf Zeiträume eingeteilt: Der Muttermund beginnt sich zu öffnen (1); der Muttermund ist völlig erweitert (2); der Kopf des Kindes tritt in den Geburtskanal ein (3); der Kopf und Leib des Kindes sind geboren (4); die Nachgeburt (5) (vgl. Froriep, 4; Osiander II, 25).
Heute unterscheidet man drei Phasen der Geburt: Eröffnungsphase (Punkt 1 und 2); Austreibungsphase (Punkt 3 und 4), Ausstoßen der Plazenta (Punkt 5, hier als Nachgeburt bezeichnet). Die Tätigkeit des Geburtshelfers begann während des ersten Zeitraumes. Zunächst untersuchte er die Schwangere. Dies geschah im allgemeinen manuell; nur in den seltensten Fällen durfte er seine Augen zu Hilfe nehmen. Die schwangere Frau war vollständig angezogen und wurde entweder stehend, sitzend oder liegend untersucht. Die Schicklichkeit, so Osiander, erforderte, daß die Frau dabei ihre Kleidung anbehielt:

»Weder bei der äussern noch innern Untersuchung muss der Leib im geringsten entblösst, nicht einmal der Fuß bis über den Waden sichtbar werden, macht irgendein Umstand die Besichtigung einer Stelle am Unterleibe nothwendig, so wird das Kleid oben geöffnet und nur so viel und so lange entblösst, als nöthig ist; daneben alle Vorsicht gebraucht, dass keine unnütze Zuschauer dabei sind« (Osiander II, 212).

Nach dieser Untersuchung ließ der Geburtshelfer seine Instrumente herbeischaffen. Osiander benötigte:

»Eine für die Gebärende und den Geburtshelfer bequeme Geburtsstelle; kaltes und warmes Wasser; eine Bademulde; reines Oel oder Handsalbe; mehrere Handtücher; eine besondere Schürze und Leibchen für den Geburtshelfer; linnene schmale Bändchen für den Nabelrest; die Nabelscheere; die Geburtszange; der Wassersprenger; das Ausdehnungswerkzeug; Aderlasswerkzeuge und das gewöhnliche chirurgische Verbindzeug; Hand- und Fusschlingen; Badeschwämme; blutstillendes Pulver; guter Weinessig; Wein, Zimmttinctur, etwas Laudanum und Bleiessig« (Osiander II, 102).

Froriep, der Vertreter der »natürlichen« Geburtsmethode, hielt dagegen seine Instrumente nur für den Notfall bereit. Er benötigte:

»Fett oder Oel zum Untersuchen, einige Handtücher, ein oder zwei schmale Bändchen (keine Schnüre oder Fäden) zur Unterbindung der Nabelschnur, eine krumme, nicht zu scharfschneidende Nabelschnurscheere mit stumpfen Spitzen, eine kleine Badewanne, eine hinlängliche Quantität kaltes und warmes Wasser, einige Schwämme und eine Mutterspritze; da man nicht weiß, wie die Umstände sich verändern werden, so ist es gut, wenn der Geburtshelfer seine Instrumente bei sich oder wenigstens nicht weit hat. Von Arzneimitteln müssen wenigstens Chamillenaufguß, Riechmittel und einige flüchtige Reizmittel vorhanden seyn« (Froriep, 199).

Anschließend kümmerte sich der Geburtshelfer um die Bereitstellung eines Geburtslagers. Dies konnte ein einfaches Bett sein, das, laut Froriep, so verbreitet werden mußte:

»Man breitet über die Matratze des Bettes, worin die Frau nach der Geburt liegen will, eine gegerbte Rehhaut, deren harrige Seite nach oben gekehrt ist (wenn man diese nicht haben kann, so nimmt man doppeltes Wachstuch); dann macht man die obere Hälfte des Bettes durch eine zusammengelegte Matratze, Stroh- oder Federkissen etwa um einen Fuß höher als die untere und breitet über das Ganze ein Bettuch. Man legt nun die Gebärende so auf den erhöhten Theil des Bettes, daß der Hintere halb frei liegt und die Füße sich auf die untere nicht erhöhte Hälfte des Bettes stützen. Unter den Steiß stopft man noch, um die abfließenden Feuchtigkeiten aufzufangen, einige zusammengelegte Tücher. An die Bettpfosten werden ein paar Handtücher befestigt, an welchen sich die Gebärende beim Verarbeiten der Wehen hält. Durch Unterschieben von Polstern und Kissen, kann man Rücken und Kopf, nach Erforderniß der Umstände, höher oder tiefer legen. Der Geburtshelfer oder die Hebamme steht oder sitzt zur Seite am Rande des Bettes« (Froriep, 300).

Der Gebärstuhl
Osiander empfahl das Gebären auf dem Gebärstuhl, zu dem Froriep nur bei voraussichtlich schwer verlaufenden Geburten riet. Der Gebärstuhl durfte weder zu hoch noch zu niedrig sein.
Osiander entwarf selbst einen derartigen Gebärstuhl:

»Die Sitzfläche muss so beschaffen seyn, dass nicht nur ein Theil der Hinterbacken, sondern jeder Schenkel nach seiner ganzen Länge bis zur Kniekehle aufliegt, und der Ausschnitt muss dem natürlichen dreieckigen Raum, den beide mässig entfernte Schenkel beim Sitzen machen, gleich seyn. [...] Diese Sitzfläche muss fest auf vier starken, geraden Beinen stehen; die vorderen Stuhlbeine aber müssen so eingerichtet seyn, dass sie zugleich einen festen Tritt für den Unterfuß haben. Denn vom Knie an müssen die Füße, wenn sie zum Mitarbeiten bei Wehen geschickt seyn sollen, weder gerade ausgestreckt, noch die Knie aufgerichtet und die Ober- und Unterschenkel in einen Winkel gestellt, noch auch die Füsse über den Sitz herabhängend, sondern in einer massig geneigten Linie auf einen schrägen Tritt festgestellt seyn. [...] Der Sitz wird am besten mit starkem Kalbsleder überzogen und mit Rehhaaren handbreit hoch gepolstert. [...] Handgriffe, welche die Gebärende zum Verarbeiten der Wehen anfassen soll, werden am besten vorne zu beiden Seiten des Sitzes angebracht, und zwar rund gedrehte hölzerne Griffe, durch die ein starker Riemen geht, der in einem eisernen, in dem Sitzbrett befestigten Krampen sich befindet, und nach Erforderniss der Länge der Arme der Gebärenden kürzer oder länger geschnallt werden kann« (Osiander II, 112).

Diese  Stühle  waren  transportabel  und  wurden  vom  Geburtshelfer mitgebracht und aufgestellt. Die Aktivität des Geburtshelfers steigerte sich in der zweiten Phase des Geburtsvorgangs. Er gab  zunächst  Anweisungen,  man  sollte  dafür sorgen,

»daß die Gebärende alle lästige, schwere, die Circulation hemmende Kleidung ablege und daß alles, Kniebänder, Ermel, Halstuch etc. so locker als möglich sitze« (Froriep. 297).

Dann mußte sie sich auf das Bett oder auf den Gebärstuhl begeben:

»Auf dem Geburtslager muss die Gebärende mit blossen Hinterleib und Schenkeln liegen, weil sie sonst nicht rein ins Wochenbett gebracht werden kann; sie muss kein langes Kleide, sondern nur ein Hemd und Leibchen anhaben, damit sie nach der Niederkunft ohne Entkleiden ins Wochenbette gehoben werden kann; aber ihr Leib muss vom Hals bis zu den Füssen mit einer leichten Decke oder mit einem Mantel bedeckt seyn der zugleich das Lager zu den Seiten bedeckt, und den Luftzug verhütet« (Osiander II, 119).

Noch immer durfte der Geburtshelfer die schwangere Frau nur bekleidet sehen:

»Während und nach der Geburt muss die Gebärende und Entbundene ohne die dringendste Noth nicht entblösst werden, und der Geburtshelfer hat ohnehin nicht nöthig, seine Augen zu Hülfe zu nehmen; alle seine Geschäfte bis nach völliger Geburt des Kindes muss er nach dem Gefühl, wie ein Blinder verrichten. Ein Geburtshelfer, der, um zu helfen, sehen will oder sehen muss, versteht seine Kunst nicht, und verrichtet sie mit Hülfe des Gesichts gewiss weniger geschickt, als der, der sie ohne solches erlernt hat. Ueberdies erlaubt der Wohlstand, die Achtung und Schonung, die der Geburtshelfer dem gebärende Geschlechte schuldig ist, kein Entblössen, gesetzt auch, die Gebärende mache sich wenig daraus. Der Gedanke, entbunden zu seyn, ohne dass weder der Geburtshelfer, noch die Anwesenden das Geringste von den Geburtstheilen sehen, ist der Entbundenen ungemein beruhigend, und für die Kunst empfehlender und vortheilhafter, als das geschickteste  Entbinden bei entblössten Theilen. Der Geburtshelfer muss es daher auch nicht dulden, wenn Andere, die beistehen, z. B. im Augenblick der Geburt, die Geburtstheile entblössen wollen. Das neugeborene Kind kann gesehen und behandelt werden, ohne daß man nöthig hat, zu sehen, wo es herkam« (Osiander II, 119).

Die Wehen
Die Gebärende war nun auf dem Geburtslager. Nun warteten die Geburtshelfer auf die »Gebärtätigkeit der Natur«, zunächst auf die Kontraktionen, die zur »Fruchtaustreibung nötig, laut Osiander aber nicht schmerzhaft waren. Froriep dagegen beschrieb sehr schmerzhafte Wehen:

»Sie sind äußerst schmerzhaft, und kommen sehr schnell hintereinander, und da sich nun noch der Schmerz der Ausdehnung der Geburtstheile zu ihnen gesellt, so bringen sie die Angst und Ungeduld der Gebärenden, ihre Aeußerungen des Schmerzes und ihr Sehnen nach Hülfe auf den höchsten Grad. Der ganze Körper der Gebärenden, vorzüglich ihr Gesicht schwitzt sehr, es stellt sich heftiger Durst, sehr häufig auch Erbrechen ein, der Athem wird kurz, und wird bei dem Verarbeiten der Wehen noch dazu immer angehalten; Arme, Beine und Unterleib zittern, der Blick ist wild und blitzend, oder das Auge ist geschlossen, der Mund wird zum Weinen verzogen, und zuweilen kann die Gebärende sich nicht enthalten, laut zu schreien. Am aller schmerzhaftesten ist aber der Zeitpunkt, wo der Kopf durchschneidet und das Mittelfleisch sich über ihn zurückzieht und erschlafft, denn dann ist die Gebärende fast besinnungslos. [...] So wie aber der Kopf geboren ist, lassen für einen Augenblick die Schmerzen nach« (Froriep, 186).

Er wies die Frauen an, diese Preßwehen richtig zu verarbeiten:

»Sie muß zu diesem Behuf Becken und Rücken fixieren, das Kinn auf die Brust halten, damit die Halsmuskeln nicht gespannt sind, sich mit den Händen wo anhalten, ihre Füße anstemmen, und den Athem an sich halten. Die Frau muß aber nicht ohne Noth und nicht länger arbeiten, als eine Wehe dauert. Es müssen ihr dabei die Knie unterstützt, und ein festes rundes Polster unter das Kreuz gelegt werden« (Froriep, 305).

Osianders Hilfe beim Verarbeiten der Preßwehen bechränkte sich dagegen auf einen: »wohl angebrachten Druck im Kreuze« und »ein gemässigt starkes Drücken gegen den ganzen Umfang der äusseren Geburtstheile« (Osiander II, 132). In der vierten Geburtsphase, kurz vor dem Herauspressen des Kopfes, bemühten sich die Geburtshelfer, einen Dammriß zu verhindern. Mit der Hand wurde ein Gegendruck auf den Damm ausgeübt. Dann holte man mit einem speziellen Handgriff den Körper des Kindes heraus:

»Ueberläßt man das Hervortreiben des Körpers der Geburtsthätigkeit, so giebt man nur darauf Achtung, wohin sich der Kopf dreht. Dreht sich das Gesicht nach dem rechten Schenkel, so legt der Geburtshelfer seine linke Hand unter den Kopf, dreht es sich links, so hält man den Kopf mit der rechten Hand; mit der anderen Hand aber unterstützt man beim Durchschneiden der Schultern, das Mittelfleisch. So wie die Schultern zum Vorscheine kommen, wird der Nacken von der Hand, die bis jetzt unter dem Kopfe lag, zwischen dem Daumen und Zeigefinger (die von einander gespreizt eine Gabel bilden) empfangen, die anderen Finger werden unter die Schulter und zur Seite des Rückens ausgestreckt und das Kind gegen die Seite in die Höhe gebogen, nach welcher das Gesicht gerichtet war. Die andere Hand, die unterdessen das Mittelfleisch noch unterstützt, empfängt und faßt den Steiß so, daß das Kind, so wie es geboren ist, nahe vor den Geschlechtstheile der Mutter auf beiden Händen des Geburtshelfers ruht« (Froriep, 309).

Nach der Durchtrennung der Nabelschnur wurde das Kind einer Helferin übergeben, die es wusch und wickelte. Der Geburtshelfer untersuchte die Mutter und kümmerte sich um die Nachgeburt.

Schmerz und Freude
Einige Schriftstellerinnen berichteten in ihren Briefen über die Geburten ihrer Kinder. Demnach waren bei der Geburt außer dem Arzt noch die Schwester oder die Mutter anwesend. Manchmal war der Ehemann dabei, falls er eine medizinische Ausbildung hatte wie Friedrich Schiller oder selbst Arzt und Geburtshelfer war wie Wilhelm Böhmer.
Keine der Frauen mußte sich, soweit bekannt, einer der beschriebenen Operationen unterziehen.
Caroline Böhmer über die Geburt ihres ersten Kindes Auguste:

»Die lezten 14 Tage über, eingeschloßen in meinem Zimmer vom bösen Wetter und der Furcht vor Ansteckung; zwar wohl Freuden, aber auch Leiden der Mutter im Voraus fühlend - so kam endlich der Tag, der mich in tausend langwierigen Schmerzen und Angst selbst zur Mutter machte. Die lezten Augenblicke vorher trieben meine Anstrengung aufs höchste, denn ich fürchtete, das Kind sey todt - diese Vorstellung, vereint mit dem Anblick des lezten gebrochenen Strahls der Sonne, der in das gegenüberstehende Bett fiel, als wolt er es zu Thränen einweihen - o es war Zeit, daß sie unterbrochen ward. Dann folgte ein nur zu kurzer Rausch der Freude, der sich durchs ganze Haus verbreitete - mein Mann, außer sich über das gerettete Leben seiner Frau und seines Kindes, die arme Lotte, die ich einige Tage nicht gesehn, in der Wonne ihres Herzens, kniend vor meinem Bett - ich deßen alles genießend« (an Luise Gotter, Clausthal, 22. 6. 1785; Schmidt I, 116).

Angst, Schmerzen und Anstrengung stehen im Vordergrund dieses Berichtes. Es war eine langwierige Geburt, die, trotz allem komplikationslos verlief.
Friedrich Wilhelm von Hoven, ein Freund Schillers und Arzt in Ludwigsburg, war Lotte Schillers Geburtshelfer bei ihrer ersten Geburt. Schillers waren zu diesem Zweck extra nach Ludwigsburg gefahren. Ihre Schwester, Caroline von Beulwitz-Wolzogen, schrieb darüber:

»Tröstend und hilfreich war uns der treue Freund v. Hoven in den ängstlichen Tagen der Niederkunft meiner Schwester. >Sie war schwer und dauerte lange, sagte er; Schiller zweifelte in manchen Momenten an einem glücklichen Ausgange; er suchte seine Besorgnisse zu verbergen, aber seine Angst blickte sichtbar aus seinem ganzen Betragen hervor. Um so größer war seine Freude nach der endlich glücklich erfolgten Entbindung; es war die Freude des gefühlvollen, edlen Mannes über die Rettung einer zärtlich geliebten Frau und das Entzücken des Vaters über seinen erstgeborenen Sohn<« (Schillers Leben. 203).

Lotte selbst schrieb im nachhinein:

»Ich erhole mich viel schneller, als ich hoffen konnte, denn ich habe viel Schmerzen ertragen müssen« (an Fritz von Stein, Ludwigsburg, 8. 10. 1793; Ebers, 129).

Auch Caroline von Humboldts erste Geburt war langwierig, schmerzhaft und mit Gefahr für ihr eigenes Leben verbunden. Die zweite Geburt war meist komplikationsloser als die erste. Friedrich Schiller berichtete seiner Schwiegermutter:

»Freude, liebe chere mere! Vor 2 Stunden kam unsere liebe kleine Frau mit einem frischen und muntern Jungen glücklich nieder. Die Geburt war nicht schwer und die Wehen dauerten gar nicht lang, Stark accouchierte sie, überaus leicht, und das Kind war da, ehe wir es uns träumen ließen« (11. 7. 1796; Oellers, 262).

Allerdings verlief Lottes dritte Geburt wieder schmerzhafter und langsamer. Schiller meldete seiner Schwiegermutter:

»lch melde nur in zwey Worten, beste Chere Mere daß Lolo diese Nacht (den 11. October) gegen Eilf Uhr glücklich mit einem Mädchen niedergekommen ist. Es hat etwas länger gedauert, weil die Krämpfe stark waren, und starke Kolikschmerzen eintraten; auch ist die gute Lolo durch vielen Blutverlust sehr geschwächt worden« (Jena, 11. 10. 1799; Blumenthai, 102).

Sophie Mereau-Brentano brachte das erste Kind von Clemens Brentano (ihr drittes) ebenfalls unter großen Schmerzen auf die Welt. Nach einer weiteren Geburt erlitt sie infolge eines Unfalls beim Aufhängen eines Spiegels eine Fehlgeburt. Sophie starb bei der Geburt ihres sechsten  Kindes, das offensichtlich eine Steiß- oder Querlage hatte. Das Kind kam zwar lebend zur Welt, starb aber auch nach wenigen Stunden.
Die Mutter erlag ihren inneren Verletzungen wenig später. Clemens Brentano schilderte die tragischen Ereignisse:

»Mein Weib ordnete freudig unter Wehen alles noch selbst, wir staunten sie an. Mein Weib wollte noch keinen Accoucheur, das Kind hatte eine böse Lage, nach einer Stunde verlangte sie den Accoucheur, ich brachte ihn, keine Gefahr. Um ein Uhr in der Nacht das Kind tot, wodurch weiß Gott. Mein Weib fragt matt nach dem Kind, wehe, wehe, ach, und stirbt wie der Held in der [Schlacht] an der Verblutung« (an Friedrich Carl von Savigny, November 1806; Gersdorff, 70).

Die Gefährlichkeit während  einer  Geburt beschäftigte das Denken dieser Frauen stark. Sie mußten mit der Gefährdung ihres eigenen Lebens rechnen und wußten, die Stunde der Geburt ihres Kindes konnte die eigene Todesstunde sein. Diese Nähe von Leben und Tod wurde ganz bewußt empfunden. Charlotte von Kalb drückte es so aus:

»Leben, Sterben, Leben - wie nahe berühren sich in einer Stunde diese Zustände. Durch Wandlungen in der Natur und durch stille Anschauung sind wir gemahnt, das hoffende Gemüth möchte so gern an Auferstehung glauben. Aber könnte man in diesem Leben Auferstehung fühlen, dann war' es in der Stunde wo das Auge der Mutter den Erstgeborenen segnet. In Schwäche und Freude hat sie sich selbst und die Welt vergessen; im reinsten Frieden, in sanfter Lust empfängt sie der Schlummer, gestärkter fühlt sie am Morgen der Liebe Band zu dem Geborenen; auch die Wehmuth, daß ihre Bestimmung vollbracht. Nun lebt durch sie ein Wesen, welches den Aether athmen, das die goldne Sonne wärmen wird« (Gedenkblätter, 110).

7. Das Kindbettfieber

Komplikationen ergaben sich bei den meisten Frauen nach der Geburt im Wochenbett. Ärztliche Vorsorge wurde getroffen, indem man der jungen Mutter Wärme, Ruhe und Schlaf nahelegte. Vor allem die Reinlichkeit des Bettes war wichtig, ebenso das häufige Wechseln der Bettwäsche.
Die Wöchnerinnen waren zum einen vom Milchfieber bedroht, das Froriep allerdings für eine natürliche Angelegenheit hielt. Dennoch hielt er dabei Vorsicht für angebracht.
Weitaus gefährlicher für das Leben der Frauen war das Kindbettfieber. Dessen Ursachen waren damals noch unbekannt. Froriep schrieb darüber:

»Ueber die Natur des Kindbettfiebers wußte man, wenn man die große Menge verschiedener Meinungen durchgeht und offenherzig seyn will, immer noch nichts gewisses zu sagen. Das eigentliche Wesen scheint aber doch typhöses Fieber mit Entzündung und nachher anfangender Gangraenescenz des Uterus zu seyn« (Froriep, 256).

Eine Gangräneszenz ist das Absterben von Gewebe an einer Stelle des Körpers. Heute weiß man, daß das Kindbettfieber durch eine Infektion der Gebärmutter entsteht. Verursacht wird sie durch verunreinigte Instrumente oder unsaubere Hände des Arztes. Bis ins 18. Jahrhundert starben an dieser Krankheit nur zwei bis drei Prozent der Wöchnerinnen. Im 18. und 19. Jahrhundert setzte dann, durch verstärkten Einsatz der ärztlichen Geburtshilfe, ein Massensterben der Wöchnerinnen ein. Im »Hotel de Dieu« in Paris, dem ältesten Gebärhaus der Welt, starben jährlich etwa ein Drittel der Wöchnerinnen.
Die Entdeckung der Ursachen des Kindbettfiebers durch Ignaz Philipp Semmelweis 1847 ließ bis Ende des 19. Jahrhunderts die Sterblichkeits­rate der Wöchnerinnen auf 2,5 Prozent zurückgehen, auf denselben Prozentsatz also, wie vor der Behandlung der Gebärenden durch Ärzte und in Gebärhäusern. Heute ist das Verhältnis auf 2 bis 3 zu 100 000 zurückgegangen (vgl. Martius). Am Kindbettfieber litten:

  • Caroline Böhmer nach der Geburt ihres ersten Kindes. Die Krankheit dauerte zwei Wochen; doch erst nach über acht Wochen war Caroline wieder völlig gesund. Sie litt außer am Körperlichen an der fortdauern­den Bewegungsunfähigkeit. In einem Brief an ihre Schwester beschrieb sie ihren Zustand:

»Noch habe ich seit meiner Niederkunft kein ganz gesundes Gefühl gehabt und ich fürchte nichts mehr wie das Kränkeln, weswegen ich auch alles thun werde, bald wieder hergestellt zu seyn, [...] Es thut mir in allen Gliedern weh, ich kan das Genicke nicht beugen, und wo ich mich anrühre, läufts weiß und roth auf (an Lotte Michaelis, Clausthal, 15. 6. 1785; Schmidt I, 114).

  • Caroline von Humboldt bei ihrem dritten Kind Theodor. Noch fünf Monate nach der Geburt hatte sie sich nicht völlig erholt.
  • Lotte Schiller nach der Geburt des dritten Kindes Caroline. Erst nach vier Monaten fühlte sie sich eingermaßen wieder wohl und konnte aus dem Haus gehen. Sie hatte als Geburtshelfer Johann Christian Stark aus Jena. Ganz gesund wurde sie erst nach sechs Monaten. Anschließend mußte sie sich einer Kräuterkur unterziehen. In der Folgezeit legte sie großen Wert auf Körperhygiene.
  • Agnes von Stolberg-Stolberg mußte ebenfalls nach der Geburt ihres ersten Kindes eine Kur in Karlsbad machen. Wahrscheinlich litt auch sie am Kindbettfieber.

Alle weiteren Geburten verliefen komplikations- und folgenlos. Lotte Schiller überstand die Geburt ihres vierten Kindes ohne Schwierigkei­ten. Sie entband wieder bei Stark in Jena. Caroline von Humboldts weitere Geburten waren leicht. Jeweils zwei Wochen danach war sie wieder auf der Höhe. Dies wurde erwähnt beim vierten Kind Adelheid, beim sechsten Kind Louise, beim siebten Kind Gustav.