Pornografie: Nicht nur für Männer

Die Pornografie ist eines der umstrittensten Themen der achtziger Jahre, sowohl in der Frauenbewegung wie andernorts in der Gesellschaft, etwa bei der Polizei oder den Kirchen. Für Feministinnen ist die Porno-Debatte ein vielköpfiges Ungeheuer, da zahlreiche Aspekte unserer Gesellschaftsanalyse etwas mit diesem Thema zu tun haben. Über Pornografie zu diskutieren bedeutet, uns die Gewalt gegen Frauen aufs neue bewußt zu machen. Es bedeutet auch, sich über die offensichtliche Perversität männlicher Sexualphantasien zu wundern und Zweifel an der »Normalität« heterosexueller Beziehungen anzubringen. Außerdem weisen einzelne Studien darauf hin, daß Gewaltpornos die Bereitschaft von Männern zu aggressivem Verhalten gegenüber Frauen erhöhen. Zwar konnte nicht bewiesen werden, daß Pornokonsum direkt für Vergewaltigungen oder Mißhandlungen von Frauen verantwortlich ist - dennoch sind die Auswirkungen der Gewaltpornos auf Männer und indirekt auf Frauen eindeutig negativ.
Noch wichtiger ist vielleicht, daß Frauen - gleichgültig ob Gewaltpornos direkt oder indirekt Gewalt erzeugen - sich von dieser Form der Darstellung verletzt fühlen. Die bekannteste Feministin, die diesem Gefühl der Verletztheit offen Ausdruck verliehen hat, ist Andrea Dworkin. Zwar wird ihre nur allzu einfache Gleichsetzung von Porno und Patriarchat von den meisten Feministinnen nicht geteilt, und viele kritisieren ihre zensurfreundliche Haltung als zu weit gehend, dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß sich Frauen von Bildern gefesselter und geknebelter Frauen persönlich angegriffen fühlen.
Diese Gefühle - und weniger die Statistiken über die Aggressivität von Männern nach Pornokonsum - sind der Hintergrund für die inzwischen berühmte Zensurdebatte. Feministinnen wie Nicht-Feministinnen haben sich kundig gemacht, was Männer da eigentlich so alles konsumieren und rufen nach dem Staat, er solle die Darstellungen zensieren oder sogar verbieten, die sexuelle Gewalt von Männern legitimieren oder fördern. Andere Frauen haben in der letzten Zeit dagegengehalten, daß wir zu kurz griffen, wenn wir uns nur auf Gewaltpornos stürzen. Denn Pornografie ist keine isolierte Form des Frauenhasses, die man unter Kontrolle halten oder ganz unterdrücken kann, sondern ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie Frauen und die Beziehung zwischen Frauen und Männern in den Massenmedien dargestellt werden. Wenn wir das als zutreffend akzeptieren (und ich akzeptiere es), folgt daraus, daß wir nicht nur den Pornokonsum in Frage stellen müssen, sondern auch die weniger offensichtlich frauenfeindlichen Darstellungen in der Werbung, in Hollywood-Filmen und im Fernsehen, in denen Frauen meist als die zufriedenen Sklavinnen der Männer erscheinen. Ein paar Bilder zu verbieten und ein paar Sekunden aus einem Film zu schneiden, macht die Welt für Frauen insgesamt nicht sicherer; im Gegenteil: Kleinere Zensurmaßnahmen innerhalb einer riesigen Produktion der Massenmedien könnten uns in einer trügerischen Sicherheit wiegen.
Ich werde am Ende des Kapitels auf die Zensurfrage zurückkommen, nach der Erörterung dessen, was Pornografie ist und welchen Zweck sie in unserer Gesellschaft erfüllt. Für den Augenblick soll der Hinweis genügen, daß die »Porno-Frage« in Wirklichkeit aus einer Fülle von Fragen besteht. Es geht um die sexuelle und nicht-sexuelle Gewalt von Männern; es geht um die männliche Sexualität und das männliche Begehren; es geht um die Beziehung der Frauen zu bestimmten Kulturformen, die nur selten als pornografisch erkannt werden; es geht um die politische Frage, wie weit Feministinnen von Regierung und Polizei allen Ernstes erwarten können, daß diese in ihrem Sinne handeln; und es geht um das ganze Problem der entmenschlichten Darstellung von Frauen in den Massenmedien. Kein Wunder, daß wir stundenlang über Pornografie diskutieren können!
Es ist sinnvoll, sich eines dieser Themen nach dem anderen anzuschauen und dabei sowohl die feministische Theorie als auch kritische Studien über die Massenmedien heranzuziehen. Es genügt nicht, lediglich Wutausbrüche gegen die Gewalt von Männern zu bekommen und diese Wut an die Stelle einer rationalen Argumentation zu setzen. Selbstverständlich ist es wichtig, daß wir unseren Zorn wirklich spüren und merken, wie wütend wir darüber eigentlich schon seit Jahren waren. Aber was dann? Wenn wir wütend sind, kann unser Zorn nur zu leicht ausgebeutet und von selbsternannten Zensorinnen und Moralaposteln manipuliert werden, die gerne beauftragt werden würden, uns unter ihre patriarchalischen »Fittiche zu nehmen« und dort zu verstecken. So hat der Bürgermeister von Toronto in einer Äußerung gegenüber der kanadischen Bundeskommission zu Pornografie und Prostitution im Februar 1984 zynisch den Zorn der Frauen gegen Pornos benutzt, um seine Law-and-Order-Forderungen damit zu begründen. Er kündigte einen Vernichtungsfeldzug an, nicht nur gegen Pornografie, sondern gegen das, was er »das doppelköpfige Ungeheuer aus Pornografie und Prostitution« nannte. Lassen wir einmal die aufschlußreiche viktorianische Bildersprache vom janus-köpfigen Ungeheuer beiseite, so können wir uns nur über die Leichtigkeit wundern, mit der der feministische Protest dazu benutzt wird, einen Angriff gegen Prostituierte zu führen und nach schärferen Gesetzen zu verlangen, damit die Polizei härter durchgreifen kann. In den Gesetzen gegen Pornografie und Prostitution sind Schutz und Unterdrückung -wie übrigens bei vielen anderen Formen patriarchalischer Ideologie und Praxis - nur zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Seitdem die Gesetzgeber im neunzehnten Jahrhundert zum »Schutz der Frauen« verfügten, Frauen aus bestimmten Berufen fernzuhalten mit der Begründung, man wolle sie vor bestimmten körperlichen und moralischen Gefahren bewahren, war häufig vom Schutz der Frauen die Rede, wenn es darum ging, Privilegien von Männern zu schützen und Frauen ohnmächtig zu halten.
In diesem Kapitel will ich die Argumente, ob Pornos nun Männer dazu bringen, gewalttätiger gegen Frauen vorzugehen, als es »normalerweise« der Fall ist oder nicht, gar nicht diskutieren. Die Studien, die diese Behauptung aufstellen, sind jedenfalls in ihren Ergebnissen nicht eindeutig. Viel wichtiger ist, daß die Studien zur Aggressionsforschung der entscheidenden Frage ausweichen, welche Auswirkung die Pornografie auf uns Frauen hat. Wir sind schließlich keine Billardkugeln, die darauf warten, von Männern angestoßen zu werden, die ihrerseits von Bildern über angekettete Frauen angetrieben werden. Gesellschaftliche Prozesse können nicht angemessen verstanden werden, wenn man sie so betrachtet, als seien Handlungen und Motivation auf das Reiz-Reaktions-Modell der behavioristisehen Psychologie reduzierbar. Und selbst wenn dieses Modell sich in gewissem Ausmaß auf die männlichen Konsumenten von Gewaltpornos anwenden ließe, folgt daraus noch lange nicht, daß Frauen von den Pornos nur insoweit betroffen seien, als Männer an uns ihre Phantasien austoben. Wir sind intelligente menschliche Wesen, keine passiven Opfer, und wir werden direkt von der uns umgebenden Kultur beeinflußt. Wir haben etwas über die Bilder von Frauen zu sagen, gleichgültig, wie diese Bilder auf Männer wirken.
Wenn wir das Verhältnis von Frauen zur Pornografie untersuchen wollen, müssen wir dazu neue Wege beschreiten. Wir können es uns nicht länger leisten, Pornografie als etwas zu betrachten, das sich die Männer da draußen kaufen, um es dann an uns »auszuagieren«. Wir müssen Pornografie als ein Element betrachten, das unsere gesamte Kultur durchzieht. Statt des Versuches, Pornografie als isolierten Gegenstand zu betrachten, könnte es sinnvoller sein, allgemeiner von dem »Pornografischen« zu sprechen als einem Aspekt zahlreicher scheinbar harmloser Filme, Bücher und Zeitschriften. Wenn wir aufhören, uns darüber Sorgen zu machen, wie wir Pornografie möglichst eng fassen können, damit wir nur die schlimmsten Auswüchse der Zensur aussetzen, und den Begriff statt dessen weit genug fassen, um auch jene Aspekte der Massenkultur miteinzubeziehen, die die Unterwerfung von Frauen verherrlichen, dann haben wir nicht nur etwas über das Begehren der Männer gelernt, sondern auch etwas über die Phantasien und Bedürfnisse von Frauen. Diese werden zum großen Teil von der traditionellen Kultur der Darstellung des Weiblichen schlechthin produziert - mit denselben Machtbeziehungen wie wir sie auch im Gewaltporno wiederfinden. Die Auswirkung der Pornografie auf Frauen wird der Hauptpunkt in diesem Kapitel sein. Ich stelle diese Diskussion in den Kontext einer Definition von Pornografie, die nicht nur die männerorientierte erotische Literatur, sondern auch solche Massenprodukte der Kulturindustrie einschließt, die sich ausdrücklich an Frauen richten und ihre Unterordnung unter den Willen des Mannes verherrlichen und erotisieren. Am Schluß des Kapitels werde ich die durch diesen unorthodoxen Ansatz gewonnenen Erkenntnisse in einige Empfehlungen für politische Aktionen gegen heterosexuelle Gewaltpornos von Männern münden lassen.

Was ist Pornografie?

Pornografie ist eine Sammlung von Bildern, Texten und Darstellungen, die etwas Gemeinsames aufweisen. Dieses »Etwas« zu definieren, ist bis heute Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Bevor wir jedoch den Versuch unternehmen, pornografische Inhalte zu definieren, brauchen wir eine Vorstellung davon, wie wir Darstellungen im allgemeinen analysieren und klassifizieren können.
Es gibt zahlreiche Arten von Darstellungen in unserer Kultur, etwa Avantgarde-Malerei, Seifenopern, Western, Liebesromane, Symphonien, Liebeslieder, Hausfrauen-Zeitschriften und Kriminalromane. Dies sind nur wenige der zahlreichen Genres, die uns größtenteils durch die Industrie der Massenmedien erreichen. So, wie es manchmal schwierig ist zu entscheiden, ob ein ganz bestimmter Song zum Bereich »Country and Western« oder »Pop« gehört oder ob ein bestimmter populärer Roman eher ein Detektivroman oder eine Spionagegeschichte ist, fällt es oft schwer, genau zu bestimmen, was Pornografie eigentlich ist oder nicht ist. Penthouse ist Pornografie, mehr oder weniger schon durch seine Selbstdefinition, aber was ist mit den Romanen von D. H. Lawrence? Oder Schwulenzeitschriften mit erotischen Fotos? Oder Aufklärungsratgebern? Oder Romanen von Frauen, in denen Sex eine wichtige Rolle spielt? Oder Werbespots im Fernsehen, in denen sich äußerst spärlich bekleidete Blondinen auf einem Auto räkeln? Das Problem besteht darin, daß es keinen Lackmus-Test dafür gibt, was Pornografie ist oder nicht ist. Denn Pornografie ist kein Naturphänomen, das klassifiziert werden kann wie eine bestimmte Schmetterlingsart, sondern eher ein komplexer kultureller Prozeß. Pornografie ist ein Prozeß, weil sie notwendigerweise bestimmte Beziehungen zwischen Produzent und Konsument, zwischen dem Konsumenten und seinem/ihrem sozialen Kontext und zwischen dem sozialen Kontext und dem Produzenten herstellt - und durch diese Beziehungen hergestellt wird. Pornografie fällt nicht vom Himmel in die Zeitschriftenregale unserer Supermärkte. Sie wird zunächst von bestimmten Menschen hergestellt, die via Pornoindustrie ein bestimmtes Verhältnis zueinander haben; dann wird sie von Kunden konsumiert, die Pornos kaufen, um sich erregen zu lassen; und schließlich beziehen die Pornos einen Großteil ihrer Bedeutung aus ihrem sozialen Kontext. An anderer Stelle bin ich ausführlicher auf die Produktion und Konsumtion von Pornografie eingegangen. Ich habe mich dort über die Unangemessenheit von Maßnahmen geäußert, die nur entweder in die Produktion eingreifen wollen (d.h. Vorzensur) oder in die Konsumtion (d.h. Gesetze, die den Verkauf von Pornos regeln), ohne daß dadurch der Prozeß besser verstanden würde, der Pornos wie »Pornokonsumenten« schafft.[1] Hier möchte ich mich vor allem auf den sozialen Kontext beziehen, und das zum Teil deswegen, weil er bislang in feministischen Diskussionen fast vollständig vernachlässigt wurde, zum Teil deshalb, weil dieser Aspekt der wichtigste ist, wenn wir die Auswirkungen der Pornografie auf Frauen untersuchen wollen.
Wenn wir das ausklappbare Playboy-Foto des Monats betrachten, sehen wir in der Regel eine junge weiße Frau mit makellosem Körper; entweder sitzt sie oder sie beugt sich zurück, ihre Genitalien werden bewußt deutlich gezeigt; sie befinden sich gewöhnlich in der Mitte des Bildes. Aus sich heraus hat das Bild keine besondere Bedeutung. Wir liefern die Bedeutung nach, aufgrund der reichhaltigen Erfahrungen, die wir in unserer sexistischen, jugendfixierten und rassistischen Gesellschaft gemacht haben, und aufgrund unserer Kenntnisse darüber, was der Playboy ist und was vom Betrachter erwartet wird. Wir wissen aus Erkenntnisquellen außerhalb der Zeitschrift, daß die Frau auf dem Bild keineswegs zufällig jung, schlank und weiß ist und hilflos aussieht. Wir wissen aus Erfahrung, daß dieses Foto für den männlichen Betrachter hergestellt wurde und daß ein Mann, der sich dieses Foto ansieht, auf ganz bestimmte Weise, nämlich mit sexueller Erregung, darauf reagiert. Er wird dieses Foto nicht wie eine Landschaftsaufnahme oder einen Familien-Schnappschuß ansehen; er wird es intensiv betrachten, anstarren und die Frau mit seinen Augen besitzen. Wir verfügen auch über gewisse Kenntnisse über den Kapitalismus und wissen, daß der Zweck der Zeitschrift nicht darin besteht, die Schönheit des weiblichen Körpers herauszustellen, sondern mit weiblichen Körpern Profit zu machen. Also benutzen wir unsere Kenntnisse sowohl über den Produktions- wie über den Konsumtionsprozeß, um das Bild zu beschreiben und ihm eine Bedeutung zu verleihen.
Darüber hinaus sind wir informiert über die ganz gewöhnlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft, und diese Information ist es, die in uns die Gefühle beim Betrachten des ansonsten harmlosen Fotos auslöst. Wir schämen uns für das Fotomodell, weil wir wissen, daß ihre scheinbar naive Unschuld eine Täuschung ist, die den alleinigen Zweck hat, das Verlangen des männlichen Betrachters danach zu erhöhen, sich den abgebildeten Frauenkörper anzueignen. Wir sind wütend auf Männer, sowohl auf diejenigen, die Geld mit dem Foto verdienen, als auch auf jene, die Geld dafür ausgeben. Wir sind verletzt und fühlen uns in Gefahr. Doch es ist nicht das Bild selbst, das diese Gefühle auslöst. Wenn Männer im wirklichen Leben niemals Frauen vergewaltigen würden, hätte dasselbe Bild nicht dieselbe Macht, uns zu verletzen.
Ein anderes negatives Beispiel. Es ist ja durchaus vorstellbar, daß eine Frau eine radikalfeministische Science-Fiction-Geschichte schreibt, in der Männer als dumme Kreaturen geschildert werden, die gerade gut genug sind für Sex und Kindererziehung. Solch eine Geschichte würde vielleicht manche Männer beleidigen, könnte sie jedoch niemals verletzen,
ihnen ein Gefühl der Bedrohung oder der Gefährdung vermitteln, da die Macht in Wirklichkeit nach wie vor in den Händen des Patriarchats und damit der Männer liegt. Da Frauen in unserer Gesellschaft nicht die Macht haben, Männer zu unterwerfen, auszubeuten oder an den Rand der Gesellschaft zu drängen, können feministische Phantasien einer matriarchalen Welt niemals dieselbe soziale Bedeutung und soziale Auswirkung auf Männer haben wie umgekehrt Pornografie auf Frauen. Männer mögen matriarchale Phantasien nicht, aber keine dieser Phantasien kann ihnen Angst davor einflößen, nachts allein durch die Straßen zu gehen, weil sie womöglich von einer Rockerinnen-Gruppe angegriffen werden könnten. Unsere Alltagserfahrungen in einer sexistischen Gesellschaft helfen uns also sehr dabei, uns bewußt zu machen, wie wir gewöhnlich bestimmte sexuelle Darstellungen von Männern und Frauen interpretieren. Die Bedeutung der Darstellung hängt unmittelbar von ihrem sozialen Kontext ab. So hat zum Beispiel das Foto einer knienden Frau, die den Penis eines Mannes küßt, eine völlig andere Bedeutung als das Foto eines Mannes, der vor einer Frau kniet und ihr Geschlechtsteil küßt. Das erste Bild signalisiert die Unterwerfung der Frau, während das zweite einfach suggeriert, daß ein Mann einer Frau Lust bereitet. Der Unterschied in den Konnotationen wird nicht durch irgendein Detail der Fotos hervorgerufen, sondern liegt im sozialen Bedeutungsunterschied zwischen Frauenkörpern und Männerkörpern.
Die Bedeutung einer bestimmten Darstellung wird außerdem spezifiziert durch den Kontext, in dem die Darstellung erscheint. Wenn wir einen pornografischen Film betrachten, in dem eine Nahaufnahme zeigt, wie ein Pfirsich halb durchgeschnitten wird, dann hat diese Aufnahme eine sexuelle Bedeutung bekommen, während dasselbe Bild als Teil einer Nahrungsmittelwerbung niemanden sexuell erregen würde. Das folgende Beispiel soll diesen Punkt näher erläutern.
Im Forum, einem Softporno-Magazin, das von Penthouse herausgegeben wird und ausschließlich Reportagen und erotische Phantasien in Textform enthält, war im Juni 1985 ein Feature zu lesen unter dem Titel »Das Sexleben lesbischer Nonnen«. Der Text bestand aus einer Aneinanderreihung von Ausschnitten aus einem Buch, das die persönlichen Erfahrungen von Nonnen und Ex-Nonnen enthielt, die entweder im Kloster lesbische Liebesbeziehungen hatten - wobei es in der Regel nur sehr selten, wenn überhaupt, zu genitalem Sex kam - oder die nach Austritt aus dem Kloster lesbisch geworden waren. Das Buch war von zwei lesbischen Ex-Nonnen herausgegeben worden und erschien im lesbisch-feministischen Verlag Naiad. Der Verkauf der Nachdruckrechte an das Forum war von lesbischen Feministinnen scharf verurteilt worden, darunter auch von einigen der ehemaligen Nonnen, die ihre persönlichen Erfahrungen im Buch geschildert hatten in dem Bewußtsein, daß das Buch ausschließlich in einem kleinen feministischen Verlag erscheinen würde und für die Diskussion innerhalb der feministischen Leserinnenschaft gedacht war. Diese Frauen waren entsetzt zu sehen, wie ihre Lebensgeschichten in Pornografie verwandelt wurden.[2] Hier ist nicht der Ort, um die komplizierten moralischen und urheberrechtlichen Fragen zu erörtern, die damit verbunden sind, daß die Worte von Menschen verkauft werden und an einem anderen Ort erscheinen. Es soll uns hier ausschließlich die Frage interessieren, aufweiche Weise der Verkauf feministischer Texte an ein Porno-Magazin das Problem der Definition von Pornografie deutlich macht. Die Leserin des Buches nähert sich dem Text als einem lesbisch-feministischen, der besonders die Erfahrungen von Frauen mit dem Katholizismus schildert und zahlreiche Fragen erörtert, darunter Spiritualität, Frauenbeziehungen, Sexualität und Schuldgefühle, Unterdrückung und Rassen- bzw. Klassen-Widersprüche zwischen Frauen im Kloster. Die erotischen Passagen sind rar und über das gesamte Buch verstreut: Selbst Frauen, die sich während ihrer Klosterzeit ihrer lesbischen Neigungen bewußt waren, hatten nur selten Sex mit anderen Frauen. Ob durch Unwissenheit, Scham oder aufgrund des Keuschheitsgelübdes - sexuelle Vergnügungen beschränkten sich bei ihnen im allgemeinen auf Küsse und zarte Berührungen. Selbst in den im Forum publizierten Auszügen, die ausdrücklich auf ihren vermuteten erotischen Gehalt hin ausgesucht worden waren, gibt es nur wenige explizite Schilderungen sexueller Lust. Dafür gibt es im Buch um so mehr Schilderungen sexueller Schuldgefühle, und offenbar erregt es einige Leser sexuell, wenn sie etwas über Scham und Schuldgefühle in bezug auf Sexualität zu lesen.
Im Kontext des Forum lesen sich die Äußerungen über sexuelle Schuldgefühle wie Pornografie. Während die Schilderung der Gewissensqualen im Buch dazu dient, die Funktionsweise des Katholizismus zu verdeutlichen und die Leserin so über eine bestimmte Gruppe der lesbischen Gemeinschaft zu informieren, wirken dieselben Worte im Forum wie pornografische Klischees. Bilder und Begriffe wie Kloster, Mutter Oberin, Beichtväter, Novizinnen, Sühne, Selbstkasteiung und alle anderen Elemente katholischen Klosterlebens gehören nicht umsonst zur Grundausrüstung der Pornografen seit Marquis de Sade.
Dieser Bedeutungswechsel in den autobiografischen Teilen verdeutlicht die Wichtigkeit des Kontextes für eine Bestimmung dessen, was pornografisch ist und was nicht. Eine Geschichte, die wie die bewegende Schilderung der persönlichen Lebenserfahrungen einer Frau wirkt, die in einer streng katholischen Umwelt ihre eigene Sexualität entdeckt, verwandelt sich plötzlich in ein pornografisches Klischee, und dies einfach nur deshalb, weil sie aus dem lesbisch-feministischen Kontext herausgenommen wurde und in einem pornografischem Umfeld erscheint. Dieses Beispiel verdeutlicht, daß sich nicht immer eindeutig entscheiden läßt, was pornografisch ist und was nicht, wenn man nur das betreffende Bild oder den entsprechenden Text für sich betrachtet. Eine solche Entscheidung: pornografisch, ja oder nein? erfordert es, auch andere Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa den Kontext, die Produktionsweise und die Bedingungen der Aneignung des Bildes oder Textes durch die Betrachterinnen. Aufgrund der Schwierigkeit, eine bestimmte Darstellung aus dem Zusammenhang herauszulösen und unabhängig von Zweck, Verwendung und Kontext als »pornografisch« zu bezeichnen, ist es sinnvoller, von pornografischen Elementen in unserer Kultur zu sprechen. Diese Elemente finden sich in den meisten filmischen und gedruckten Massenprodukten, die ausdrücklich von den Produzenten als »Pornos« gekennzeichnet sind. Doch jedes dieser Elemente, oder zumindest die meisten, tauchen auch in anderen kulturellen Genres auf. Bis jetzt haben sich feministische Analysen von Pornos nur auf die männliche Gewalt gegen Frauen konzentriert. So wichtig diese Komponente auch ist, so gibt es doch auch andere, die in der Herstellung von Pornografie als kulturelles Genre genauso wesentlich sind. Als ich mir eine repräsentative Auswahl von Softporno-Magazinen ansah (die eine weit größere Verbreitung haben als Hardcore-Pornos und auch von einer nicht unbedeutenden Anzahl von Frauen gekauft werden3), konnte ich drei Hauptelemente unterscheiden, die immer wieder in dem gesamten Magazin erschienen, wenn auch nicht unbedingt in jedem Artikel oder jedem Foto.

  1. Die Darstellung der sozialen und physischen Macht von Männern über Frauen als sexuell erregend. Dazu gehört die Erotisierung von Gewehren, Uniformen und anderen Symbolen männlicher Macht, natürlich vor allem Reichtum. Im Gegensatz dazu werden Frauen als Machtlose, Ausgelieferte erotisiert, was ihre extreme Jugendlichkeit, ihre körperliche Verletzlichkeit, ihre verbalen Äußerungen und ihr Gesichtsausdruck signalisieren. Bei Männern wird Macht mit sexueller Attraktivität gleichgesetzt, während die Gleichung sich für Frauen umkehrt. Eine Millionärin, eine Premierministerin, eine weibliche Spitzenathletin - all diese Frauen müssen erst einmal ihre Weiblichkeit und Attraktivität für Männer unter Beweis stellen, da ihre Macht unmittelbar mit Männlichkeit oder Asexualität assoziiert wird. (Siehe die endlosen Diskussionen von Sportjournalisten darüber, ob diese oder jene weibliche Athletin auch wirklich eine richtige Frau ist. Osteuropäische Athletinnen sind da besonders suspekt, weil in diesen Ländern die Verwendung von Make-up sowie modische Haarschnitte, Schmuck etc. nicht so gefordert wird wie in konsumorientierten kapitalistischen Ländern.)
  2. Die Darstellung von sexueller und nicht-sexueller Aggression als unvermeidliches Ergebnis des Machtgefälles. Es wird der Eindruck erweckt, als neigten die Mächtigen automatisch dazu, ihre Macht zu mißbrauchen und andere zu beherrschen. Diese Überzeugung ist kein Privileg der Pornoindustrie, wird aber von den Porno-Produzenten dazu benutzt, bestimmte Signale zu setzen. Vor dem Hintergrund dessen, was wir zum Beispiel über die Beziehung der Geschlechter und der Rassen wissen, erkennen wir die Situation in einem Porno-Magazin, daß weiße Cowboys neben Indianerfrauen stehen, sofort als mögliche Vergewaltigung oder zumindest als Verführung der Indianerinnen. Der Pornograf muß die tatsächliche Vergewaltigung dann gar nicht mehr abbilden; wir werden das in unserer Phantasie schon selbst besorgen. Diese Idee der Machtausübung wird in fast allen Bereichen der populären Kultur verwendet, vom Western bis zu Kriegsfilmen, von Liebesromanzen bis zu Spionagethrillern. Doch in der Pornografie spielt sie die besondere Rolle, die sexuelle Verfügbarkeit von Frauen mit der unmittelbaren Gefahr zu assoziieren, vergewaltigt oder sogar ermordet zu werden. Während Wirtschaftsmagazine suggerieren, es liege in der Natur der Männer, alles für den Profit zu opfern, geht Pornografie davon aus, daß Männer Frauen mißbrauchen oder doch zumindest vögeln werden, wann und wo immer sie können. Wenn wir diese Überzeugung erst einmal verinnerlicht haben, muß sie nicht jedesmal wieder aufs neue in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden. Es reicht dann, einen sexuell erregten Mann abzubilden, und schon assoziieren wir, daß keine Frau in seiner Reichweite vor ihm sicher ist.
  3. Die Unterminierung gesellschaftlicher Barrieren und Konventionen durch die unerbittliche Macht des Sex. In der Pornografie werden stereotype soziale Rollen statt voll entwickelter Charaktere gezeigt. Man macht uns nicht mit solch fiktiven Persönlichkeiten bekannt wie Anna Karenina oder Madame Bovary, sondern nur mit solchen Abziehbildern wie der gelangweilten Hausfrau, dem »sexy« Milchmann, der Nymphomanin, dem jungen geilen Bock oder der unschuldigen Schülerin. Viele dieser Rollen würden im wirklichen Leben eine soziale Distanz zueinander aufweisen. So hat der Milchmann eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, und die Hausfrau fühlt sich vermutlich eher ihrem Mann verbunden und ist normalerweise nicht für jeden Mann zu haben. Doch die Pornografie sieht ihre Rolle darin, alle sozialen Barrieren einzureißen, indem Menschen, die gewöhnlich durch die sozialen Regeln der Gesellschaft voneinander getrennt sind, durch den Sex miteinander verbunden werden. Wir kennen das an der Pornografie; wenn wir daher eine Geschichte über eine Schülerin und ihren Lehrer zu lesen beginnen, erwarten wir sofort, daß die normalerweise vorhandene Barriere zwischen Pädagoge und Schülerin durch beiderseitige Lustgefühle überwunden wird. Und wenn eine Frau als für einen Mann »nicht zu haben« dargestellt wird (etwa als Nonne oder als Lesbe), erwarten wir wiederum, daß der Sex dem Mann den Zugang zu der betreffenden Frau verschaffen wird. Daher dient die Beschreibung einer Frau als Nonne oder Lesbe als pornografischer Code, als Signal, daß diese Frau für den Mann eine besondere Herausforderung darstellt. So bedeutet im pornografischen Kontext schon das Wort »Lesbe« einen Anreiz für das männliche Begehren.

Diese Unterminierung sozialer Unterschiede durch die Macht der Leidenschaft muß nicht unbedingt sexistisch sein. Sie ist auch der Hauptbestandteil in vielen erotischen Romanen bis hin zum Groschenroman. Gewöhnlich wird sie jedoch innerhalb eines sexistischen Kontextes zum Ausdruck gebracht. Doch die Vorstellung von Sex als dem großen Überwinder der Klassengrenzen ist nicht per se patriarchalisch. Während dieser dritte Aspekt der Pornografie auch in erotischen Darstellungen zu finden ist, die nur wenige Menschen als pornografisch bezeichnen würden, so lassen sich auch die ersten beiden Aspekte, die aus feministischer Perspektive besonders abzulehnen sind, in vielen anderen Kulturerzeugnissen finden. Was den ersten, die Erotisierung der Männerherrschaft und der Unterwerfung der Frauen angeht, so zeigt schon ein Blick auf die Frauenzeitschriften im Supermarkt, welche Sorte Mann dort als sexuell begehrenswert dargestellt wird: körperlich starke Machos im Vollbesitz sozialer Macht. Ärzte, Rechtsanwälte, Sportler, Manager - all das sind Männer, die unsere Phantasie und unser Begehren anregen sollen.
Wir müssen nur den Soziobiologen zuhören, wie sie über die »angeborene« Aggressivität der Männer und die Bedeutung von Konkurrenzverhalten und Eifersucht reden, um zu erkennen, daß auch das zweite Element, die Darstellung von Aggression als unvermeidbares Ergebnis des Machtungleichgewichts, nicht nur in der Pornografie zu finden ist. Nun ist es natürlich richtig, daß jede/r in unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft ihre/seine Ellbogen einsetzen muß, wenn sie oder er an die Spitze gelangen will. Macht wird gewöhnlich gegen andere statt gemeinsam mit ihnen eingesetzt. Doch wie wir in Kapitel Eins diskutiert haben, ist Macht nicht eine angeborene menschliche Eigenschaft. Wer Macht als naturgegeben hinstellt, appelliert damit an die nebulösen Vorstellungen von der »menschlichen Natur« mit dem einzigen Ziel, damit gegenwärtige gesellschaftliche Zustände zu rechtfertigen. Ich sehe nicht ein, warum wir davon ausgehen sollten, daß die gewöhnlich geringere Körperkraft von Frauen die Ursache dafür sein soll, daß wir immerzu in Angst vor körperlichen Angriffen leben müssen. Es gibt in meinem Fußball-Team eine ganze Reihe sehr starker Frauen, denen es nie in den Sinn käme, ihre individuelle und kollektive Kraft dazu einzusetzen, Schwächere einzuschüchtern oder anzugreifen. Es ist die Gesellschaft, nicht die Natur, die Männern einredet, Frauen seien stets potentielle Opfer ihrer Gewalt.
Zusammengefaßt läßt sich festhalten: Es gibt tatsächlich in der Pornografie, aber nicht nur dort, gefährliche Botschaften für Frauen. Sie sind ideologische Elemente, die in allen Produkten der Massenkultur zu finden sind. Darüber hinaus können diese Botschaften nicht nur als Legitimierung männlicher Gewalt gegen Frauen bezeichnet oder darauf begrenzt werden. Die Darstellung von Macht als notwendigem Ergebnis von und Ausgangspunkt für Wettbewerb und Aggression legitimiert und fördert nicht nur die Herrschaft von Männern über Frauen. Sie legitimiert auch die Ausbeutung anderer Klassen und Rassen und läßt selbst Kriege als »natürliche Vorkommnisse« erscheinen. Sich nur auf die sexuelle Herrschaft über Frauen zu konzentrieren, hieße, die Perspektive unzulässig zu verengen, so wie es vielleicht Frauen der Mittelschicht tun, die andere Formen der Beherrschung nicht kennen. Doch ein Feminismus, der inhaltlich auf breiterer Grundlage steht und auch die Erfahrungen farbiger und Frauen in der »Dritten« Welt einbezieht, muß auch die Verherrlichung des Rassismus und Kapitalismus unter die Lupe nehmen, nicht nur die Verherrlichung sexueller Unterwerfung. Die Pornografie erotisiert häufig verschiedene Formen der Herrschaft gleichzeitig. Das ist zum Beispiel der Fall bei der klischeehaften Szene, in der weiße Eroberer sich eine »primitive« Gesellschaft aneignen, deren Frauen als »natürliche« sexuelle Objekte dargestellt werden, die die Hemmungen der weißen, protestantischen Damen nicht kennen.
Die Pornografie erotisiert soziale Herrschaft allgemein. Ein Bild, das einen weißen britischen Offizier zeigt, der einen indianischen Soldaten auspeitscht, ist in meinen Augen pornografisch, auch wenn keine Frau in dieser Szene vorkommt. Das Bild hat einen definitiven sexuellen Oberton, der die wahre Natur des britischen Imperialismus auf ähnliche Weise verschleiern hilft, wie die Fotos in Penthouse, auf denen Frauen darum betteln, penetriert zu werden, die sexistische Wirklichkeit verschleiern.
Die Erotisierung gesellschaftlicher Herrschaft ist auch ein Element in der Werbung, in Frauenzeitschriften und den Massenmedien allgemein. Seifenopern tragen wahrscheinlich mehr als jedes andere Medium dazu bei, daß Frauen lernen, Reichtum und Macht erotisch zu finden. Dallas-Fans wissen, daß die glamourösen Frauen, die in der Serie auftauchen, immer in Gefahr sind, einen Fehler zu machen und sich in den »falschen« Mann zu verlieben. Doch sie würden niemals den Fehler begehen, sich in einen Mann der falschen Klasse oder Rasse zu verlieben. Die Unsichtbarkeit von Menschen schwarzer Hautfarbe, von Chicanos oder Arbeitern, die den Reichtum der Ewings produzieren, spricht für sich. Da diese Menschen außerhalb der Welt des Reichtums leben, befinden sie sich auch außerhalb des Bereiches, in dem sich das sexuelle Intrigenspiel entfaltet.
Pornografie ist keine Verirrung in einer ansonsten zivilisierten und auf Gleichheit gründenden Kultur. Sie ist Teil der Kulturindustrie, die uns auch sexistische Anzeigen, rassistische Kriegsfilme und klassenherrschaftliche Familienserien beschert hat. Ich stelle hier die Behauptung auf, daß die besondere Rolle dieser Kulturindustrie darin besteht, die gesellschaftliche Herrschaft, und vor allem die Herrschaft von Männern über Frauen, zu erotisieren.

Selbstbeherrschung und die Leugnung erotischer Macht

Bei dem Versuch, pornografische Elemente in unserer Kultur herauszufiltern, sind feministische Autorinnen und Anwältinnen dazu übergegangen, Gewaltpornos von allen anderen Darstellungen von Sexualität und allen anderen Darstellungen von Frauen überhaupt zu trennen. Damit haben sie der Frauenbewegung einen Bärendienst erwiesen. Die Kritik an Pornos begann Ende der sechziger Jahre und war Bestandteil einer umfassenden Kritik, in die auch Werbeanzeigen und solche Einrichtungen wie Schönheitswettbewerbe einbezogen wurden. Der Protest richtete sich nicht nur gegen die Darstellung von Gewalt, sondern gegen alle Formen von Texten und Bildern, in denen Frauen als dumm und ausschließlich »sexy« dargestellt werden. Leider ist diese Verbindung in den aktuellen Debatten hinter die Gewalt-Frage zurückgetreten. Selbst wenn die Gewaltpornos Frauen am meisten in Wut versetzen, sind sie nicht unbedingt die für unsere emotionale und sexuelle Entwicklung gefährlichste Kulturerscheinung. Keine Frau betrachtet die anonymen Frauengestalten, die als Opfer männlicher Gewalt dargestellt werden, als unmittelbare Rollenvorbilder. Doch wer unter uns wird nicht von den gleich gefährlichen Botschaften beeinflußt, die uns vermitteln, wir müßten dünn sein, enge Jeans tragen, für Männer attraktiv sein? Ich bin nicht davon überzeugt, daß Pornos die Gewalt gegen Frauen verstärken; doch was ist mit der Gewalt, die Frauen gegen sich selbst richten aufgrund der männerorientierten Bilder von Schönheit und Attraktivität? Frauen zerstören ihre Fußsehnen, indem sie Stöckelschuhe tragen, ruinieren ihren Stoffwechsel durch Eßanfälle und Diäten und ihre emotionale Gesundheit, indem sie sich dauernd über ihr Aussehen Gedanken machen. Es wäre recht einfach, wenn all die Unterdrückung und Gewalt, unter der Frauen zu leiden haben, ausschließlich der Pornoindustrie »dort draußen« anzulasten wäre. Doch so ist es nicht. Wir werten uns selbst ab und erlegen uns alle möglichen Zwänge auf, wenn wir die Diktate des Sexismus verinnerlicht haben, und kein Gesetz oder Zensurgremium der Welt wird uns dagegen schützen. Die einzige Möglichkeit, wie wir auf lange Sicht das System überwinden können, das unsere Unterwerfung erotisiert und rechtfertigt, indem es sie verherrlicht und sexuell attraktiv macht, liegt darin, uns selbst wieder Macht anzueignen, und dazu gehört die sexuelle Selbstbestimmung. Eine ganze Reihe von Feministinnen, die sich über Pornografie Sorgen machen, lassen diese notwendige Verbindung außer acht und legen uns auf die eine oder andere Weise nahe, uns auf traditionell weibliche Rollenmuster zurückzuziehen. Das muß ich näher erklären.
Der Anti-Porno-Film Not a Love Story, hergestellt vom Canadian National Film Board, stellt einen Angriff auf den Geschmack der Zuschauerinnen dar, indem er die übelsten Ecken der New Yorker Sexindustrie beleuchtet und Ausschnitte aus extremen Gewaltpornos zeigt. Dieser Angriff wird, zur großen Erleichterung der Zuschauerinnen, gelegentlich durch Interviews mit den bekannten Antiporno-Autorinnen Robin Morgan und Susan Griffin unterbrochen. Diese werden uns als außerordentlich »nette« Frauen vorgestellt - ganz anders als die Frauen, die als Arbeiterinnen in der Sexindustrie gezeigt wurden -, und Robin Morgan wird beim Interview von Mann und Sohn voller Bewunderung umrahmt. Ihre Familie (und das wird auch ausdrücklich von Morgan und dem Interviewer betont) wird als das genaue Gegenteil der Pornografie dargestellt: die Heilige Familie.[4] Abgesehen vom lautstarken Heterosexismus dieser Szene - warum sollte feministische Theorie durch die Zurschaustellung des Ehemannes und des Sohnes der Theoretikerin an Überzeugungskraft gewinnen? - liegt der Effekt der Gegenüberstellung von »heiliger Familie« und »böser Pornografie« darin zu suggerieren, beide Institutionen seien Gegensätze und schlössen sich gegenseitig aus. Doch Feministinnen sind nicht müde geworden darauf hinzuweisen, daß es eine notwendige Verbindung gibt zwischen der Heiligen und der Hure, der Ehefrau und der Geliebten, der Mutter und der Arbeiterin im Sexgeschäft. Prostitution und respektable Ehe, darauf haben schon Feministinnen des neunzehnten Jahrhunderts hingewiesen, existieren nebeneinander, ja bedingen und verstärken sich gegenseitig. Die tugendhafte Ehefrau/Mutter von der Stripperin und Prostituierten zu trennen, der ersteren zuzugestehen, die andere zu »analysieren«, bedeutet, in das patriarchalische Muster der Isolierung von Frauen untereinander zu verfallen. Patriarchale Wertvorstellungen haben historisch sowohl die Ehefrau wie die Hure, sowohl die Mutter wie die Stripperin unterdrückt. Diese Werte werden keineswegs radikal in Frage gestellt, wenn Robin Morgan tränenreich ihren heroischen Kampf schildert, den sie um die Beziehung mit ihrem Mann angesichts einer feindlichen Welt von Porno und Gewalt geführt habe. Sie verurteilt im Interview »Promiskuität« als ausschließlich männliche Praxis (verurteilt damit gleichzeitig alle Frauen, die sich nicht so wie sie der monogamen Heterosexualität verpflichtet fühlen) und schlägt ein Mittelschicht-Modell vor als Antwort auf die Probleme, vor die uns Gewaltpornos stellen: »an unserer Beziehung zu arbeiten«.

Selbstverständlich müssen Frauen, die mit Männern leben, viele Kämpfe durchfechten, um ihre Beziehungen auf eine gleichberechtigte Grundlage zu stellen und aufrechtzuerhalten. Doch es gibt keinen Grund, diesen besonderen Kampf zu glorifizieren und ihn als die »feministische Lösung« zu propagieren. Viele Frauen verfügen nicht über einen kooperativen Ehemann oder Partner, mit dem sie sich produktiv auseinandersetzen können. Befindet sich die Sexualität dieser Frauen daher außerhalb des Aufgabenbereichs des »richtigen« Feminismus? Wenn alles, was die feministische Theorie Frauen anzubieten hat, die Auseinandersetzung in ihrer heterosexuellen Beziehung ist, wobei die sexuelle Lust unerwähnt bleibt, so als sei sie ausschließlich eine Angelegenheit der Männer - wo bleibt da die Infragestellung der traditionellen Weiblichkeit? Selbstverständlich sind Erotik und Lust Themen für Frauen, feministische Themen, und sie müssen bei jedem Versuch, die pornografischen Muster durch frauenfreundliche (und sexualitätsfreundliche) kulturelle Muster zu ersetzen, eine wichtige Rolle spielen. Susan Griffin wiederum wird in diesem Film als der Inbegriff der Natürlichen Frau dargestellt. Blond, gesund, ohne Make-up, sitzt sie im hellen Sonnenlicht, umgeben von Grünpflanzen, und schwärmt von all den mystischen Werten, deren wahre Hüterinnen die Frauen seien: Fürsorge, Zuneigung, Moral. Wenn die männliche Sexualität mit Pornografie gleichgesetzt wird, dann muß logischerweise die weibliche Sexualität das Gegenteil von Porno sein, also Liebe, Zärtlichkeit, »Beziehungen«, Spiritualität. Und wieder werden uns traditionelle weibliche Werte als Allheilmittel für das Problem Pornografie feilgeboten, ganz so, als ob Pornografie und traditionelle Weiblichkeit nicht zwei Seiten ein und derselben sexistischen Medaille wären.
Wenn wir uns dagegen wenden, daß Frauen als »geile Huren« dargestellt werden, kann die feministische Antwort darauf ganz sicher nicht in der Flucht ins gegenteilige Stereotyp bestehen, also in der Proklamation unserer Tugendhaftigkeit und Unschuld. Wenn wir uns gegen die Art und Weise wenden, wie Männer ihre Sexualität ausleben, weil sie uns tendenziell als vereinnahmbare Objekte betrachten, dann besteht die Alternative nicht darin, so zu tun, als hätten sich Frauen niemals danach gesehnt, den Körper eines anderen Menschen in Besitz zu nehmen.[5] Wenn wir Männern erklären wollen, daß Sex nichts mit Beherrschung zu tun hat, sollten wir Frauen nicht erzählen, daß Sex immer etwas mit Fürsorge und Liebe zu tun hat. Wenn wir es ablehnen, daß Männer auf unverantwortliche Weise in der Gegend herumvögeln, besteht die Lösung nicht darin, so zu tun, als seien alle Frauen von Natur aus monogam. Es gibt zwei Pole der Doppelmoral, und wir können nicht behaupten, das Patriarchat erfolgreich in Frage zu stellen, wenn wir nur den männlichen Pol kritisieren, den femininen Pol aber gleichzeitig idealisieren. Wir müssen beide Seiten der Doppelmoral ablehnen. Wir müssen anerkennen, daß der Mythos der Madonna genauso falsch ist wie der Mythos der Hure und daß beide Mythen ein unteilbares Ganzes bilden. Es ist gar nicht nötig, klischeehafte Vorstellungen über die fürsorgliche Liebe zu bemühen, wenn wir eine Lösung für das Problem des gewalttätigen, aggressiven Sex suchen: Wir könnten versuchen, statt dessen über guten Sex nachzudenken.
Im gleichen Atemzug, wie sie gewalttätigen Sex ablehnen, bringen manche Feministinnen eine allgemeine Angst vor aller erotischen Macht zum Ausdruck. Ein Beispiel dafür findet sich in einem Dokument, das an die kanadische Regierungskommission zu Prostitution und Pornografie adressiert ist. Dieses Schriftstück wurde verfaßt von einer Gruppe feministischer Rechtsanwältinnen, die sich Toronto Area Caucus of Women and the Law nennt. Der größte Teil der Schrift ist der Suche nach einer möglichst engen Definition von Gewaltpornografie gewidmet, mit dem Zweck, diese zu kriminalisieren. Doch an einer Stelle in diesem Papier stellen sie fest, zwar sollten ihrer Ansicht nach nur ausdrücklich gewalttätige Formen von Pornografie von der Regierung zensiert werden, dennoch sei im Grunde jede »Darstellung von Machtausübung über einen anderen Menschen zum Zwecke der sexuellen Stimulierung des Betrachters« pornografisch.
Die Schlußfolgerung, die diese Frauen vergessen haben, lautet, daß dank ihrer Definition jede realistische Darstellung »normaler« Heterosexualität bereits pornografisch wäre. Ein Foto, das einen reichen Geschäftsmann zeigt, an seiner Seite eine zu ihm aufblickende, finanziell von ihm abhängige Frau, wäre pornografisch, da der männliche Betrachter durch den Gedanken stimuliert werden könnte, daß man sich mit Geld sowohl Sex wie Anbetung kaufen kann.
Es könnte mit Hilfe einer solchen Pornografie-Definition sogar ein Großteil der populären Frauenliteratur und jeder Roman für pornografisch gehalten werden, der Menschen darstellt, die eine starke sexuelle Besessenheit ausleben.

Die Erotisierung der Beherrschung im Trivialroman

Wenn wir die Unterscheidung, die ich vorhin zwischen Macht und Beherrschung getroffen habe, zur Grundlage nehmen, können wir sehen, daß in der Tat die traditionellen Trivialromane für Frauen pornografisch sind, nicht weil sie Macht erotisieren, sondern weil sie die Beherrschung von Frauen durch Männer erotisieren. Es gibt zahlreiche von Frauen geschriebene Romane, in denen die Macht, die eine Person über die andere hat, erotisiert wird. Die eine Person verliebt sich in die andere oder ist ihr sexuell hörig und unterliegt daher ihrer Macht. Doch diese Macht ist nicht gleichzusetzen mit gesellschaftlicher Macht und verstärkt diese auch nicht unbedingt. Andererseits sind die Trivialromane, die viele Frauen in Form von Groschenheftchen verschlingen, voll von Beschreibungen, die Beherrschung als »sexy« darstellen. Es handelt sich dabei nicht um die zufällige sexuelle Macht der einen Person über die andere, auf die sich die Geschichte konzentriert, sondern die erotisierte Herrschaft derjenigen, die das Sagen haben, über diejenigen, die abhängig von ihnen sind. Es geht nicht nur um die Erotisierung des traditionellen Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern; auch die Klassenunterschiede werden erotisiert. Der grauhaarige Chef ist häufig das Objekt des Begehrens seiner Sekretärin, und sein Luxusauto und seine teure Villa werden häufig in liebevollen Details geschildert, gerade so, als seien sie notwendige Bestandteile des Sexappeals dieses Mannes. In der Regel mißbraucht dieser Mann seine Macht und beherrscht die Heldin der Geschichte, indem er sie sexuell belästigt, körperlich attackiert und/ oder droht, sie hinauszuwerfen. Doch alle diese Akte der Beherrschung werden als »sexy« dargestellt. Diese Vorfälle steigern sogar noch die Sehnsucht der jüngeren Frau nach diesem Mann, selbst wenn sie gleichzeitig gelegentlich Warnsignale in ihren Gedanken aufleuchten lassen.

Die Frauen in diesen Liebesgeschichten sind keine Dummchen; sie verlangen ihre Selbständigkeit - bis zu einem bestimmten Punkt. Sie sind berufstätig, scheinen niemals Eltern oder andere Autoritätspersonen in ihrem Umkreis zu haben und verlieben sich auch nicht unbedingt in den erstbesten Mann, der ihnen schmeichelt. Doch die Männer, in die sie sich dann verlieben, verfügen immer über mehr gesellschaftliche Macht als sie selbst. Die männlichen Helden sind weiß und gehören der oberen Mittelschicht an; sie sind außerdem älter als die Heldinnen, häufig sogar sehr viel älter.
Der einzige Unterschied zwischen dem Helden und dem Schurken (es gibt immer einen Schurken) besteht darin, daß der Schurke tatsächlich versucht, seine Drohung, die Heldin zu vergewaltigen oder ihr sonst wie zu schaden, in die Tat umzusetzen, während der Held dies in letzter Minute verhindern kann. Der Held verliebt sich erst spät in der Geschichte in die Heldin, und seine Verliebtheit zügelt seine ansonsten »natürlichen« Impulse, Frauen sexuell, emotional und finanziell auszubeuten. In einer dieser Geschichten trifft der Held die Heldin in seinem Büro, wo sie sich über einen möglichen Anstellungsvertrag für sie unterhalten. Er schlägt unvermittelt vor, daß sie zusammen zu Abend essen, wobei deutlich wird, daß der Abschluß des Vertrages davon abhängt, ob sie dieser Verabredung zustimmt. Die Heldin ärgert sich über diese Erpressung und die Anwendung direkter ökonomischer Gewalt gegen sie, gleichzeitig aber fühlt sie sich dadurch erotisch geschmeichelt. Die Ausbeutung der Heldin als Angehörige des anderen Geschlechts und einer ökonomisch abhängigen Klasse wirkt auf die junge Frau sowohl bedrohlich wie erregend. Sie versucht ernsthaft, eine unabhängige Geschäftsfrau zu werden, doch insgeheim sehnt sie sich danach, die Kontrolle einem stärkeren Wesen zu überlassen. Die Entmutigungen im ökonomischen Kampf der Frauen werden mystifiziert, indem sie in eine sexuelle Sprache »übersetzt« werden. Die Heldin wird nicht als Opfer eines ungerechten Wirtschaftssystems dargestellt, sondern als zitternder weiblicher Körper, der sich nach nichts so sehr sehnt wie von der Macht des Mannes verschlungen zu werden.
Die Alltagsprobleme der wirtschaftlichen Benachteiligung von Frauen werden gleichzeitig ignoriert und glorifiziert. Die ökonomische Macht der Männer und die ökonomische Machtlosigkeit der Frauen erhalten beide einen sexuellen Anstrich. Es wird so getan, als sei die erotische Anziehung eingebettet in ungleiche sozio-ökonomische Beziehungen zwischen den Geschlechtern, die finanzielle Ungleichheit wird sexualisiert. Die Heirat am Ende des Romans wird als die Lösung aller Widersprüche präsentiert. Tatsächlich jedoch wird durch die Eheschließung die Ungleichheit institutionalisiert. Durch die Heirat erhält die Frau zwar Zugang zum Reichtum und zur Macht des Mannes, dennoch wird sie der unterlegene Teil von beiden bleiben.
So ist es kein Zufall, daß die einzige Sexualität, über die die Heldin zu verfügen scheint, eine passive Erotik ist. Aufgrund der starken Verbindung zwischen sozio-ökonomischer Ungleichheit und Erotik würde die einfache Tat, Frauen eine aktive Sexualität zuzubilligen, bedeuten, sehr viel mehr Bereiche als nur das Schlafzimmer zu revolutionieren. Es wäre unmöglich, die sexuellen Rollen in den Trivialromanen gleichwertiger zu gestalten, ohne die sozialen Rollen in Frage zu stellen. Hier zwei Zitate, die diesen Punkt näher illustrieren sollen:

Frauen betrachteten Alex Brent immer so ... Sein schlanker, sehniger Körper hatte einen bedrohlichen Sexappeal, er strahlte die Bereitschaft zu ungestümer Sexualität aus, von der Frauen angezogen wurden wie Eisenspäne von einem Magneten.

Oder

Er haßte sie nur deshalb mit einer so brennenden Intensität, weil er sie so sehr geliebt hatte. Sein Haß war genauso stark wie seine Liebe. Und das rückte ihr den Kopf zurecht. Wenn ein Mann dich so sehr liebt, überlegte sie lächelnd wie kannst du ihn da zurückweisen?

Wenn man die Pronomen in diesen Zitaten umdreht, »er« und »sie« vertauscht und statt »Frauen« »Männer« schreibt, erhält man merkwürdigerweise nicht das Bild einer mächtigen, sexuell selbstbewußten Frau, von der Männer sich angezogen fühlen wie Eisenspäne von einem Magneten. Sondern auf diese Weise entsteht ein lächerlich wirkendes Stückchen Prosa, in dem Frauen als böse Hexen dargestellt werden. Keine Frau wäre fähig, sich mit solchen Bildern weiblichen Verlangens zu identifizieren und sich davon anregen zu lassen.
Da aktive Sexualität gleichgesetzt wird mit Beherrschung oder dem Mißbrauch institutionalisierter Macht, ist es unmöglich, Frauen darzustellen, die ein aktives sexuelles Begehren verspüren, ohne diese Frauen dadurch gleich in monströse Super-Huren zu verwandeln. Es gibt weder Raum für eine passive Erotik, die nicht ohnmächtig wäre, noch für eine aktive Erotik, die nicht »bedrohlich« wäre oder keine »bedrohliche Ausstrahlung sexueller Gewalt« enthielte. Beide Pole der Dynamik erotischer Macht wurden durch Geschlechtsstereotype negativ besetzt, und diese wiederum wurden an die Sozialstruktur des patriarchalischen Kapitalismus geknüpft. Die passive Erotik von Frauen wird verzerrt und unvollständig dargestellt, wenn sie gleichgesetzt wird mit sozialer Unterwerfung und persönlicher Machtlosigkeit. Und die aktive Erotik von Frauen kann überhaupt nicht beschrieben werden, außer als verwerfliche Handlung einer verrückten Nymphomanin.
Die patriarchale Ideologie dringt sogar in die Sprache ein, mit der sexuelle Erregung und Befriedigung beschrieben werden. Frauen haben nicht Lust auf einen Mann, sie »zittern«, »erschauern«, »erbeben« oder zeigen andere Formen körperlicher Erschütterung. Männer dagegen wollen gar nicht mal in erster Linie Lust - sie wollen beherrschen. Selbst ein gewöhnlicher Kuß kann in eine sadistische Handlung verwandelt werden, die nicht Leidenschaft, sondern »Bestrafung« signalisiert: »Grob riß er sie an sich, und als sie ihr Kinn hob, um zu protestieren, preßte er seinen Mund auf ihren; es war ein Kuß, der wortlos alles erklärte. Eine Bestrafung...«
Die Erotik im für Frauen bestimmten Trivialroman geht an ihrer Sexualität völlig vorbei, denn sie stellt den sozialen Status quo nicht in Frage. Im Gegenteil: Sie beruht auf den bestehenden sozialen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und gesteht sexuelle Macht ausschließlich gesellschaftlich mächtigen Männern zu. Hier erscheint das weibliche Begehren ausschließlich als passiv, als die Sehnsucht danach, beherrscht zu werden, sich anzupassen und von der Mühsal »befreit« zu werden, eine unabhängige und finanziell abgesicherte Frau zu werden. Kein Wunder, daß die Ehe als unvermeidliche Lösung aller Widersprüche und Spannungen in der Handlung hingestellt wird. Die traditionelle Ehe ist ja auch das einzige gesellschaftliche Mittel, das männliche Vorherrschaft mit dem Schutz der Frauen verbindet. Sie ist die einzige Institution, die es Frauen erlaubt, ihr sexuelles Verlangen auszuleben, ohne an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Die Institution der Ehe zähmt den männlichen »Impuls«, Frauen zu unterwerfen bzw. kanalisiert ihn in eine monogame und öffentlich anerkannte Beziehung. Diese bietet den Frauen Sicherheit, während sie dem Mann den ungehinderten Zugang zu »seiner« Frau ermöglicht.
Selbstverständlich ist das in der Realität nicht unbedingt der Fall. Für viele Frauen ist die Ehe weder sexuell sonderlich lustvoll, noch ist ihre körperliche Unversehrtheit garantiert. Doch wir sprechen über die Institution und die Ideologie der Ehe, und Groschenromane beschäftigen sich mit der Ideologie, nicht mit der Wirklichkeit. Die Ideologie besagt, daß Männer gefährlich sind, also kann die Frau sich nur bei ihrem Ehemann »gehenlassen«, denn nur er hat die Pflicht, sich um sie zu kümmern und für sie zu sorgen, nachdem er mit ihr geschlafen hat. Nur in der Ehe wird der Drang des Mannes, einen anderen Menschen in Besitz zu nehmen, ein wenig durch die Pflicht, diesen einen Menschen zu beschützen, in die Schranken gewiesen. Man kann also überzeugend argumentieren, daß das Bild der Männer, das in Groschenromanen zum Ausdruck gebracht wird, pessimistischer und gröber, daher männerfeindlicher ist als die Bilder von Männern, die in feministischen Romanen entworfen werden.
In mancher Hinsicht ähnelt die Trivialliteratur für Frauen nicht nur der Pornografie, sondern ist sogar tatsächlich pornografisch. Es findet eine Erotisierung nicht nur von männlicher sexueller Macht statt, sondern generell von gesellschaftlicher und ökonomischer Macht. Und es kommt zu einer entsprechenden Glorifizierung der gesellschaftlichen und sexuellen Unterwerfung von Frauen unter den Mann. Die Spannung, die in der Handlung aufgebaut wird, mündet unvermeidlich in die Ehe, und nicht nur in irgendeine Ehe, sondern in eine rigide strukturierte Ehe, in der die Frau ihre soziale Autonomie fröhlich und freiwillig aufgibt, in der Hoffnung, die Liebe, d.h. den Schutz eines im wesentlichen als gefährlich porträtierten Mannes zu gewinnen. Sexuelle Hingabe wird unauflöslich an ökonomische und gesellschaftliche Hingabe geknüpft. Die Frau, romantisch und seelenvoll, wie sie ist, fordert nichts anderes als die Ehe, in der naiven Hoffnung, daß ihr großer, starker Held sie eben so sehr lieben wie liebevoll mit ihr schlafen wird. Wenn Pornografie die Darstellung von Frauen als willige Sklavinnen der Männer ist, und wenn die Erotisierung institutionalisierter Formen von Beherrschung generell Pornografie ist, dann kann man sich kaum etwas pornografischeres vorstellen als das Leben im Trivialroman.

Die Zensurdebatte

Die vorherrschende feministische Position zur Pornografie beginnt nicht mit einer Diskussion über erotische Darstellungen im allgemeinen, sondern sie beginnt mit einer Diskussion darüber, wie der Staat am besten dazu gebracht werden kann, Gewaltpornos zu verbieten. Es ist kein Zufall, daß feministischen Rechtsanwältinnen eine bedeutende Rolle in der Pornografie-Debatte zukommt. Sie beschäftigen sich vor allem mit der Strafrechtsreform, und ihre Definitionen von Pornografie werden vor allem für die Legislative formuliert. Das ist das Problem. Feministische Künstlerinnen zum Beispiel gehen anders an die Pornografiefrage heran und betonen die Notwendigkeit von nicht-sexistischen Darstellungen und einer feministischen Gegenkultur; sie äußern sich im allgemeinen skeptisch über Zensurvorschläge.[6] Doch die Rechtsanwältinnen, die in
bestimmten Teilen der Frauenbewegung in dieser Frage einigen Einfluß haben, betrachten Pornografie ausschließlich unter rechtlichen Gesichtspunkten. Diese Perspektive ist nicht unbedingt die der »Durchschnittsfrau«.
Die größte Dachorganisation von Frauengruppen in Kanada, das National Action Committee on the Status of Wonnen (NAC), verfaßte eine Pornografiedefinition für die Regierungskommission zu Prostitution und Pornografie. Darin betont das NAC, das Problem sei nicht die Darstellung von Sexualität, sondern die Darstellung von »Gewalt gegen Frauen«, von »Unterwerfung« und »Erniedrigung« von Frauen, wenn diese Darstellung diese Behandlung der Frauen rechtfertige. Wie die meisten anderen Frauengruppen verlangte auch das NAC ein neues Strafgesetz gegen Pornografie, das die bisherigen Paragrafen über Obszönität ersetzen solle. Die NAC-Definition wurde Anfang Februar 1984 der Regierungskommission bei öffentlichen Hearings in Toronto vorgetragen. Auf ihrer Jahrestagung Mitte März unterschrieben die Delegierten aus Hunderten von Frauengruppen diese Anti-Porno-Position. Einige wenige Delegierte sprachen sich allerdings gegen die vage Formulierung in der Definition aus und wiesen darauf hin, daß viele Menschen lesbischen Sex für entwürdigend halten, so daß die NAC-Resolution (für den unwahrscheinlichen Fall, daß sie zum Gesetz würde) auch dazu mißbraucht werden könnte, sexuelle Minderheiten, deren kulturelle Erzeugnisse nicht in den »Mainstream« der Gesellschaft oder auch der Frauenbewegung passen, in rechtliche Schwierigkeiten zu bringen.
Daraufhin wurde die Formulierung geändert, und die Worte »Unterwerfung« und »Erniedrigung« wurden herausgenommen. Die endgültige Formulierung ist jedoch nach wie vor sehr vage. Pornografie wird definiert als »Material, das den Betrachter oder Konsumenten durch die Darstellung von Gewalt zu stimulieren sucht; dazu gehört unter anderem die Darstellung von Zwang oder der Mangel an Einverständnis eines Menschen.« Nun ist sexuelle Belästigung zweifellos eine Form von Zwang, doch die glorifizierenden Beschreibungen von sexueller Belästigung, die Bestandteil von Trivialromanen und Geschichten in Cosmopolitan sind, werden wahrscheinlich nicht zensiert werden. Wenn die NAC-Definition zum Gesetz würde, ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß Polizei und Gerichte sich auf die Verfolgung von »abartigem« Sex konzentrieren würden, der in ihren Augen zwanghaften Charakter hat. Zwang und Einwilligung sind auf sexuellem Gebiet nicht so leicht nachzuweisen, wie uns die NAC-Resolution glauben machen will. Manche Frauen glauben zum Beispiel sicherlich, daß sich keine Frau bereitwillig anal penetrieren läßt und daß jede Darstellung einer Frau in einer »sodomistischen« Position unbedingt als pornografisch zu bezeichnen ist. In Wirklichkeit verwechselt die juristische Betrachtungsweise des Pornografieproblems Realität und Abbildung. Im Alltag ist jeder sexuelle Angriff abzulehnen. Doch wie können wir bestimmen, ob die Vergewaltigungsszene in einem bestimmten Film herausgeschnitten werden muß, weil sie eine Zwangssituation zeigt? Es ist gar nicht einfach, die Botschaft aus einem einzelnen Bild »herauszulesen«; und selbst Texte sind häufig mehrdeutig. Manche pornografischen Texte und Filme setzen eindeutig Gewalt gegen Frauen als sexuelle Stimulanz ein. Doch bei vielen anderen läßt sich dies nicht so eindeutig feststellen.
Es gibt keine klare Grenzlinie zwischen Darstellungen von Sex, in den beide Beteiligte eingewilligt haben, und Verführungsszenen bzw. Schilderungen, die Gewalt beinhalten. Selbst im »richtigen Leben« sind sich die Leute in der Regel keineswegs einig darüber, ob eine bestimmte Frau gegen ihren Willen zum Sex gezwungen wurde oder nicht (siehe Vergewaltigungsprozesse). Und wenn wir über Darstellungen sprechen, vervielfältigen sich die Probleme noch, denn da gibt es keine Person, die behauptet, das Opfer zu sein und deren Äußerung ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Juristinnen mögen erfolgreich einen Vergewaltigungsfall klären, doch sie sind machtlos, wenn es um eine endgültige, juristisch haltbare Aussage über einen bestimmten Text oder ein Bild geht.
Deshalb habe ich die Konsequenz gezogen, daß schon der Versuch, eine Porno-Definition zu präsentieren, die selbst von sexistischen Polizeibeamten nicht mißverstanden werden kann, zum Scheitern verurteilt ist. Zwei Feministinnen mögen sich noch intuitiv einigen können, wodurch sie sich beide beleidigt oder verletzt fühlen, doch selbst unter Feministinnen gibt es große Unterschiede in der Interpretation. Selbst wenn wir uns einigen könnten, wäre es unmöglich, unsere Kritik einer bestimmten Darstellung in eine einheitliche Rechtssprache zu übersetzen und sicherzustellen, daß die Gerichte diese Gesetze (die vorgeblich Frauen schützen sollen) nicht bei ihren Versuchen, sexuelle Minderheiten zu verfolgen oder Darstellungen zu verbieten, die dem »guten Geschmack« widersprechen, anwenden.
Der juristische Ansatz kann die wichtigen Fragen von Produktion, Konsumtion und den Kontext von Pornografie nicht einbeziehen. Obszönitäts-Gesetze gehen irrtümlich davon aus, daß Abbildungen und Texte einen objektiv feststellbaren Bedeutungsgehalt haben. Ein Richter soll demnach feststellen können, ob ein Magazin obszön ist oder nicht, ein Filmzensor darüber entscheiden, welche Szenen aus Filmen herausgeschnitten werden (wobei er nur äußerst flüchtig auf den Kontext und die mögliche Wirkungsweise des Produkts auf den Betrachter eingehen wird). Neue Pornografie-Gesetze könnten den Kontext ein wenig mehr zu berücksichtigen versuchen, doch es liegt in der Natur des juristischen Vorgehens, kulturelle Produkte als isolierte Einheiten mit absoluter Bedeutung zu betrachten.
Mit anderen Worten: Ich glaube, daß die Versuche, ein Anti-Porno-Gesetz zustande zu bringen, aus einer feministischen Perspektive betrachtet, fehlschlagen müssen. Nach dem starken Arm des Gesetzes zu rufen, scheint mir das letzte Mittel. Statt einem bereits übereifrigen Polizei- und Gerichtssystem noch mehr Macht zu verleihen, wäre es eine bessere Politik, die Macht der Frauen zu stärken. Besonders gefährlich sind solche Versuche der Kulturpolitik, die Produktion und Konsumtion von Darstellungen zu regeln, indem der Staat angerufen wird, er solle doch bitte hier seine Macht walten lassen. Ein Gesetz: »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« könnte nicht gegen Frauen eingesetzt werden, da sein Zweck und Ziel eindeutig sind. Doch jedes Gesetz, das Darstellungsformen regelt, kann und wird benutzt werden, um marginale oder oppositionelle Kunst zu unterdrücken - und nicht etwa die multinationale Porno-Industrie. Die Polizei hat vor kurzem in Toronto ein feministisches Kunstwerk konfisziert, das in einem Buchladen-Schaufenster ausgestellt war, und die Künstlerin wegen Obszönität angezeigt (obwohl dieses Plakat keinerlei explizite Darstellungen von Sexualität enthielt, nicht einmal von menschlichen Körpern). Wir können wohl kaum von denselben Polizisten erwarten, daß sie begreifen, was Frauen wirklich abwertet. Dennoch bedeutet eine Anti-Zensur-Position keineswegs, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil. Wenn wir viel Zeit damit verbringen, die Gesetze ändern zu wollen, hindert uns das an der notwendigen Aufgabe, darüber nachzudenken, was wir Frauen tun könnten und sollten, um sowohl der Pornografie wie anderen sexistischen Darstellungen eine frauenfreundliche Kultur entgegenzusetzen. Hier sind einige Beispiele dafür, was Frauen alles tun können, um gleichzeitig den Sexismus der Massenkultur anzugreifen und Frauen durch diese Aktionen mehr Macht zu verleihen:

  • Boykott von Unternehmen, die Geld mit Pornografie verdienen; die Geschäftsleitung über unsere Entscheidung informieren
  • Beschwerden bei Buchhändlerinnen und Supermarkt-Geschäftsführerinnen, nicht nur darüber, daß sie Porno-Magazine verkaufen sondern auch darüber, daß sie feministische Zeitschriften bislang nicht verkaufen
  • Verwendung der »frauenfeindlich«-Aufkleber, die in vielen Frauenbuchläden erhältlich sind, um unsere Meinung über Reklametafeln, Anzeigen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Schaufenster-Auslagen kundzutun
  • Sprühen und Malen kreativer Graffiti, z.B. auf Anzeigentafeln
  • Weigerung, in den Geschäften, in denen wir selbst arbeiten, Pornos zu verkaufen oder auszuleihen, Sicherstellen von Unterstützung seitens des Betriebsrats, der Gewerkschaft und lokaler Frauengruppen G Öffentlichkeitsarbeit in Form von Leserinnenbriefen, Vorträgen und Demos bei entsprechenden Anlässen
  • Diskussion mit männlichen Bekannten, die Pornos konsumieren, mit Kollegen, die Pin-up-Fotos in Gemeinschaftsräumen aufhängen. Versichern wir uns der Unterstützung von Kolleginnen und sympathisierender Männer bei dem Versuch, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die nicht frauenfeindlich ist! Dabei können wir darauf hinweisen, daß Pornografie die emotionale Atmosphäre vergiftet wie Zigarettenqualm die Luft zwischen uns.

Zusammenfassend läßt sich festhalten: Pornografie kann nicht als ein Thema für sich behandelt werden. Wenn das Hauptproblem bei Pornos darin besteht, daß sie die sexuelle Beherrschung von Frauen durch Männer und gleichzeitig andere Formen gesellschaftlicher Herrschaft erotisieren, kann die einzige Lösungsmöglichkeit nur darin bestehen, Frauen und anderen unterdrückten Gruppen mehr Macht zu verleihen, damit sie jeweils neu definieren können, was erotisch ist und was nicht. Dies beinhaltet nicht nur den Boykott sexistischer Kulturprodukte und Widerstand gegen Darstellungen, in denen die Unterwerfung von Frauen verherrlicht wird, sondern auch die Unterstützung bei der Entwicklung alternativer Kulturformen. Ganz allgemein gesagt: Da deutlich geworden ist, daß die Auswirkungen der Pornografie auf die Konsumentinnen großenteils nicht in den Bildern und Texten selbst begründet sind, sondern im sozialen Kontext der tatsächlichen Herrschaft von Männern über Frauen, kann alles, was wir dazu beitragen, Frauen mehr Macht zu verleihen und ihre Würde und Autonomie zu stärken, uns dabei helfen, Pornos die Macht zu nehmen, uns zu demütigen.
Wenn Pornografie aus ihrem sozialen und kulturellen Kontext gerissen wird, kann sie Politikern ein willkommener Anlaß für ihren jeweiligen Stimmenfang sein. Die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit zu verwirklichen, würde eine Menge Geld kosten, aber ein Pornografie-Gesetz gibt es umsonst, und außerdem wäre es den Moralisten der politischen Rechten willkommen.
Doch das Thema Pornografie kann auch positiver und kreativer von uns angegangen werden und Frauen Macht verleihen. In diesem Kapitel habe ich einige Vorschläge in diese Richtung gemacht. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir unsere Aufmerksamkeit dem schwierigen Problem zuwenden müssen, wie unsere Sexualität durch kulturelle Produkte geformt wird, ganz besonders durch solche, die behaupten, unser erotisches Begehren zum Ausdruck zu bringen (moderne Liebesromane), während sie uns in Wirklichkeit um unser Begehren betrügen. Ich habe außerdem darauf hingewiesen, daß die Erotisierung der Frauenunterdrückung durch Pornografie auch in anderen Kulturprodukten vorhanden ist und daß es eigentlich um das allgemeinere Problem der Erotisierung gesellschaftlicher Herrschaftsbeziehungen geht, wozu auch Rassismus und Klassenherrschaft gehören. Das Thema Pornografie kann nicht angemessen behandelt werden, wenn man es von anderen Themen isoliert und versucht, ein Gesetz dagegen zu erwirken. Denn zum einen ist Pornografie nicht nur ein männliches Produkt, das auf die Befriedigung »natürlicher« männlicher Begierden abzielt. Wie zu sehen war, wirkt sich Pornografie auf Frauen wie auf Männer aus und ist tief eingebettet in die kulturellen wie die sozialen Beziehungen in unserer Gesellschaft. Darüber hinaus stoßen wir bei einer genauen Analyse der Pornografie auf die unangenehme Wahrheit, daß unsere Aufgaben als Feministinnen nicht damit erfüllt sind, wenn wir Männer dazu veranlassen, ihre sexistischen Praktiken und ihr traditionelles Verständnis von Sex zu verändern. Ganz im Gegenteil. Selbst wenn wir versuchen, männliches Verhalten zu verändern, müssen wir mutig genug sein, uns die Sexualität und sexuellen Phantasien von Frauen sowie ihre Verhaltensmuster auf erotischem Gebiet genau anzusehen. Und wenn es stimmt, daß Pornografie und all die durch sie aufgeworfenen Probleme nicht nur als »männlich« definiert werden können, so können wir noch weniger behaupten, das Begehren und die Sexualmoral von Frauen seien Inseln der Reinheit und Unverfälschtheit in einem Meer des männlichen Lasters. Damit kommen wir zu den letzten beiden Kapiteln dieses Buches, die sich mit den Themen »Begehren« (vor allem dem Begehren von Frauen) und »Moral« beschäftigen.