Die Freiheit ist unteilbar!

Die ersten politischen Frauenzeitungen in der Revolution von 1848

»DIE FREIHEIT IST UNTEILBAR«
(Louise Otto-Peters. 1849)

Chronik

  • März 1848 »Adresse eines Mädchens«, von Louise Otto.
  • März 1848 Barrikadenkämpfe in Berlin, auch Frauen aktiv.
  • 18. März 1848 Erlaß eines liberalisierten Pressegesetzes in Preußen.
  • 25. Sept. 1848 Barrikadenkämpfe in Köln, Frauen beteiligt.
  • 1848 Die ersten Dienstboten- und Frauenvereine in Berlin entstehen.
  • seit 1848 die ersten demokratischen Frauenvereine in Sachsen.
  • 3.-9. Mai 1848 Barrikadenkämpfe   in   Dresden,   an   denen auch Frauen beteiligt sind.
  • 19./20. Juli 1848 In der »Declaration of Sentiments« fordern amerikanische Frauen die volle staatsbürgerliche Gleichstellung mit dem Mann. 1848-1850 Deutsch-Dänischer Krieg, an dem auch Frauen als erste Feldkrankenschwestern teilnehmen.
  • Nov. 1849 Belagerungszustand in Berlin, Revolutionserrungenschaften, auch Pressefreiheit, werden rückgängig gemacht.
  • Juli 1849 Die letzte Schlacht bei Rastatt im Badischen Freiheitskrieg, die das Ende der deutschen Revolution setzt.
  • seit Mitte 1850 auch in Sachsen Auflösung der Frauenvereine.
  • 1850 Verschärfung des Pressegesetzes auch in Sachsen.  Frauen dürfen keine Zeitungen mehr herausgeben.
  • 1850 Vereinsgesetz, das in fast allen Staaten Deutschlands den Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen und die Teilnahme an politischen Versammlungen verbot

.»Wenn die Zeiten gewaltsam laut werden, so kann es niemals fehlen, daß auch die Frauen ihre Stimme vernehmen und gehorchen. Es ist ein Leben und Streben in unserer Zeit, wie es nie vorher gewesen. Dies Leben hat auch die Frauen mit in seine bewegten Kreise gezogen.«

So begeistert und hoffnungsfroh klingt es schon 1847 aus einem Aufsatz der ersten deutschen Frauenorganisatorin Louise Otto. Den Aufruf veröffentlichte sie im Volkstaschenbuch Vorwärts, von Robert Prutz herausgegeben. Doch zunächst, bis 1848 wurde es noch nicht gewaltsam laut. Wenn es auch gärte: Denn die sozialen und materiellen Verhältnisse waren für die niederen Klassen der deutschen Bevölkerung himmelschreiend - Hungersnöte machten eine soziale Revolution in den späten vierziger Jahren immer wahrscheinlicher. Daher wohl die hellsichtigen Worte der Louise Otto im Vorwärts. Schon in den frühen 40er Jahren hatte sich die couragierte junge Frau publizistisch in der Männerpresse zu Worte gemeldet - sie blieb damit allerdings noch eine weibliche Ausnahme auf diesem Sektor. Bisher hatten im Vormärz nur einige Frauen als Schriftstellerinnen ihre Stimme erhoben: in Romanen und Gedichten mit sozialer, teils kämpferischer, teils karitativer Tendenz. Einige von ihnen hatten sich zudem gleichzeitig praktisch-sozialem Engagement verpflichtet.
1843 warf der demokratische Publizist Robert Blum in seinen »SÄCHSISCHEN VATERLANDBLÄTTERN« die Frage auf: »Soll die weibliche Welt am Staatsleben aktiv teilnehmen?« Passiv und mitfühlend tat sie es ja seit eh und je. »Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht sondern eine Pflicht!« war Louise Ottos Ansicht dazu, die sie in einer Antwort als damals 24jährige überzeugt und überzeugend zugleich vertrat. Seit dieser Veröffentlichung wurde das Mädchen aus gutem Hause regelmäßige Mitarbeiterin der »Vaterlandsblätter« und später auch des »Vorwärts« von Robert Prutz. Wie auch noch zu jener Zeit üblich, schrieb sie allerdings anonym, ihre berühmt gewordene »Antwort« war als »sächsisches Mädchen« unterschrieben. Später benutzte sie das männliche Pseudonym: »Otto Stern«.
Erst in ihrer eigenen Frauen-Zeitung trat sie mit offenem Visier auf. Es war schon ein großer Schritt, selbst für eine Frau aus gutsituierten Kreisen, ihr Geld eigenständig, und dann noch mit Schreiben verdienen zu wollen! Für viele Bürgerinnen war es im Gegensatz zur gezwungenermaßen arbeitenden Frau des vierten Standes völlig unmöglich, überhaupt an ein eigenes Einkommen zu denken. Die soziale Arbeit - aufgrund des sozialen Elends der Zeit ein erstes Betätigungsfeld außer Haus - fand nicht als Beruf und demzufolge natürlich auch unbezahlt statt. Selbst während der Revolution und des mit ihr verbundenen Presseaufschwungs in Deutschland war es noch ein großes Wagnis für eine Frau, eine eigene Zeitung herauszugeben, obwohl geringer als im Vormärz, als Zensur und Beschlagnahmungen, Verbot und sogar Haftstrafen auf der Tagesordnung standen.
Louise Ottos publizistisches Engagement ging von Anfang an in dieselbe Richtung, zu der sich alle demokratisch gesinnten und durch eine bildungsbürgerliche Erziehung aufgeklärten Frauen bekannten: Soziales Wirken und vehemente Bildungsbestrebungen waren die Grundpfeiler des Engagements der Frauenrechtlerinnen im Vormärz. Schon damals stand Louise Otto nicht allein mit ihrer Courage - aber sie war vor 1848 die Ausnahme-Frau, die mit »Tagesschriftstellerei« ihr Geld verdiente. Doch sie konnte damit eine aktuellere und breitere Wirksamkeit erzielen als ihre schriftstellernden Kolleginnen Fanny Lewald, Louise Aston, Mathilde F. Anneke oder Malwida von Meysenburg beispielsweise.
Das Jahr 1848 war für alle Frauen, wie natürlich auch für die Männer der unteren Schichten, ein wichtiger und langersehnter Einschnitt. Völkerfrühling wurde es genannt. Und wenn es auch keine ganze Revolution gab, wenn auch gerade die Frauen keine andere Stellung als im Vormärz nach dem Scheitern der rebellischen Monate hatten - so war doch etwas in Bewegung geraten! Der König blieb, aber die Straßen gehörten dem Volk: Versammlungen, Demonstrationen, KlubGründungen und eine Politisierung der Kneipen und Cafes skizzieren das Tagesgeschehen der Zeit. Und für einige Monate gab es in Deutschland tatsächlich Versammlungs- und Assoziationsfreiheit, selbst ein relativ liberales Pressegesetz, das wenigstens keine Vorzensur mehr kannte. Resultat: die Blätter; Zeitungen und Zeitschriften schossen wie Pilze aus dem Boden.
Frauen nahmen an Versammlungen und Demonstrationen teil, viele von ihnen kämpften sogar auf den Barrikaden von Berlin, Dresden, Wien und Rastatt; überall entstanden Frauenvereine zur Unterstützung der Angehörigen der Märzgefallenen — aber wirklich zu vermelden hatten die >Weiber< in den großen politischen Tagen nicht viel. In vielen Revolutionszeitungen wird sich sogar über ihre ersten Dienstboten- und Frauenversammlungen lustig gemacht. Im neuen Parlament in der Frankfurter Paulskirche saß nicht eine Frau. Weder das passive noch das aktive Wahlrecht gab es für ihr Geschlecht. Und es stand nicht auf der Liste der Revolutionsforderungen; viele Arbeiter, am radikalsten die Schneider, bestanden noch 1848 auf dem Schutz ihres Gewerbes vor weiblicher Konkurrenz.
Als Antwort auf das gesellschaftliche Vergessenwerden gründeten sich sehr schnell überall im deutschen Reich, und besonders im revolutionären Sachsen, Frauenvereine - natürlich nicht alle mit radikal-politischer Tendenz. Wie vor 1848 gab es Wohltätigkeits- und sozialfürsorgerische Vereine, aber auch solche zur Rettung demokratischer Errungenschaften, Frauenbildungs- und Dienstbotenvereine.
Und nicht zuletzt entstanden aus Protest gegen das typische Hintangestelltwerden der Fraueninteressen vier unterschiedliche Frauen-Zeitungen. An ihnen wird deutlich, daß sich der Frauenprotest von 48 nicht nur gegen den feudalen Staat, sondern auch schon gegen Unterdrückung in den Fabriken, gegen Zwangsehe und Prostitution wie gegen die willkürliche Ausbeutung der Dienstmädchen richtete.
Seit dem September 1848, doch nur drei Nummern lang, erscheint die Frauen-Zeitung der Mathilde Franziska Anneke in Köln. Seit November, etwa einen Monat lang, bis zum Belagerungszustand, kommt in Berlin der FREISCHÄRLER FÜR KUNST UND SOZIALES LEBEN heraus, von Louise Aston ediert und redigiert. Vier Jahre lang erscheint zuerst in Leipzig, dann in Gera die FRAUEN-ZEITUNG von Louise Otto. Und eine leider nicht mehr auffindbare Zeitung gab es in Darmstadt: die von Louise Dittmar publizierte SOZIALE REFORM.
Diese vier ersten politischen Frauen-Zeitungen signalisieren, daß die Revolution ein großer Sprung im Bewußtsein und der Kommunikationsbereitschaft von Frauen war. Sie dokumentieren aber auch durch ihren Inhalt, daß bei aller Gleichheit der erlebten Unterdrückung dieFrauen schon damals durchaus zu sehr unterschiedlichen Lebensformen und -forderungen kamen. Wenn hier drei der Zeitungen vorgestellt werden, so ist das eine Möglichkeit, die These von der »großen Mutter« der ersten deutschen Frauenbewegung Louise Otto zu zerstören. Sie hatte tatsächlich einen sehr großen Einfluß und eine ideologische Mächtigkeit gegenüber den Frauen ihrer Zeit. Aber das Sprachrohr aller frauenbewegten Frauen war sie nicht. Es gab durchaus auch schon Vertreterinnen anderer Richtungen: Louise Aston, die von Louise Otto verfemte »Emancipierte«, die den Ideen der Anarchisten und Saint-Simonisten nahestand und die freie Liebe propagierte und lebte. Mathilde F. Anneke, die aus frühsozialistischen und später kommunistischen Zirkeln wichtige Einsichten bezog, und als »Kommunistenmutter«[1] verschrien, hier an erster Stelle für eine bessere und andere Gesellschaft kämpfte - an der Seite ihrer Genossen (auch wenn sie sich später in Amerika mehr und mehr zu einer konsequenten Feministin entwickelte). Eine sehr wichtige und ihre bürgerliche Herkunft überspringende Leistung war gewiß das frühe Engagement der Louise Otto für ihre »armen Schwestern«,[2] die Arbeiterinnen. Und daß sie es nicht nur bei einer mildtätigen Geste beließ, zeigt ihre 1848 veröffentlichte »Adresse« an die Kommission zur Erörterung der Gewerbs- und Arbeitsverhältnisse in Sachsen. In dieser »Adresse eines Mädchens« verlangte die nun schon 31jährige vermehrte und verbesserte Arbeitsgelegenheiten für die Frauen. Sie schloß damals mit den Worten: »Glauben Sie nicht, meine Herren, daß Sie die Arbeit genug organisieren können, wenn  Sie nur die Arbeit der Männer und nicht auch die der Frauen mit organisieren. - Und wenn man überall vergessen sollte, an die armen Arbeiterinnen zu denken - ich werde sie nicht vergessen!«
Die Forderungen der Frauen von 1848/49 waren auf eigenständige Assoziation, Bildung, Arbeit und Verbindung mit der Arbeiterschaft gerichtet. Sie wurden zwar mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber in der Gesamtrichtung doch so vertreten und bilden damit eine produktive Verknüpfung von frauenrechtlerischen und allgemein-politischen Bewußtseinselementen, wie es sie erst in der Frauenpublizistik nach dem Ersten Weltkrieg wieder gab.
Wichtig für diese Ära ist die Verbindung von sozialer Praxis und tagespolitischem Schreiben, wie sie für die drei uns bekannten Publizistinnen Aston, Anneke und Otto zutraf. Dabei ist es interessant, wie unterschiedlich die drei Herausgeberinnen auftraten, wie unterschiedlich in ihrem Emanzipationsbegriff vor allem.

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