FRAUENZEITUNG, M.F. Anneke, FRAUENZEITUNG, Louise Otto, DER FREISCHÄRLER, Louise Aston

Mathilde F. Annekes FRAUENZEITUNG
Mittwoch, den 27. September 1848 erscheint in Köln die Nummer eins der ersten FrauenZeitung in Deutschland. Es ist die erste von einer Frau herausgegebene Zeitung für Frauen, die schon täglich erscheinen soll. Die Frauen-Zeitung ersetzte für kurze Zeit die gerade beschlagnahmte und verbotene Neue Kölnische Zeitung, die Mathilde schon öfter allein gestaltet hatte, wenn ihr Mann und der gemeinsame Freund Beust, verhindert oder wie im September 48 mal wieder wegen zu erwartender Unruhen präventiv gefangengenommen waren. Alle drei waren in der Kölner frühkommunistischen Bewegung aktiv, hatten Kontakt mit Karl Marx und arbeiteten in einem Volksverein gegen die soziale und politische Unterdrückung mit.[3] Als die beiden Männer im Knast saßen, nutzte Mathilde, obwohl vom Verbot der Neuen Kölnischen Zeitung ebenso betroffen, dennoch die Chance, eine eigene Frauenzeitung herauszugeben. Mit dem technischen Apparat, der ihr geblieben war, und dem festen Abonnentenstamm der vorigen Zeitung im Rücken, wollte sie, solange es bei der zunehmenden Repression in Köln noch ging, ein gut verständliches Blatt für die Frauen der Arbeiter, Bauern und Bürger machen. Allerdings wurde das Unternehmen kein agitatorisch-kämpferisches, wie man vielleicht vermuten könnte. Es kam eine Zeitung heraus, die sich teilweise mit den volkstümlichen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts vergleichen läßt: zur Belehrung und Aufklärung gedacht, setzte sie an den Problemen des relativ engen Erfahrungs- und Wirkungskreises der Leserinnen an. Mathilde versuchte, diese Probleme als politische zu vermitteln, sie ernst zu nehmen. Sie setzte sie in Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Problemen der Zeit: z.B. die Erziehungsfrage im Artikel »Kirche und Staat« gleich in der ersten Nummer. Mathilde F. Anneke vermittelt diese Frage der angeblich »großen, der Männerpolitik« als eine, die nicht im Parlament entschieden werden könne: Sie ginge besonders die Frauen an, die durch ihre Kinder mit den alltäglichen Erziehungsproblemen hautnah konfrontiert seien. Deshalb: »Die Aufsicht über die Schulen muß ein besonderer Schulvorstand haben, den die Gemeinde wählt.« Doch nicht nur diese Art aufklärender Artikel, die am alltäglichen der Frauen anknüpfen, füllen die vier Seiten der Zeitung - auch politische Meinungen, aktuelle aus Köln, der Umgebung und Deutschland insgesamt, sollen die meist von der großen Politik ausgeschlossenen Leserinnen erreichen. Nicht allein »frauenspezifische« Nachrichten, allgemein politisches Tagesgeschehen genauso, wird professionell und detailgetreu berichtet. Der Stil des Leitartikels ist der einer politisch-aufklärenden Rede, nicht agitatorisch, sondern eher argumentativ-dialektisch in der Art der Jakobiner-Dialoge in deren Volkszeitschriften.
Leider ist die zweite Nummer dieser FRAUENZEITUNG schon früh verloren gegangen, die dritte wurde noch kurz vor ihrer Auslieferung beschlagnahmt. So wissen wir heute nicht, ob sich die Publizistin mit der Frage, was eine Frau zu der Zeit sein sollte, auseinandergesetzt hat. Diese Definition eines akzeptablen »Weibs-Bildes«, die Erörterung einer »acht weiblichen Emancipation«[4] (Louise Otto) waren ja ansonsten von Anfang an Bestandteil  der Legitimation vor der Männerwelt und der ideologischen Auseinandersetzung unter den Frauen in ihren Zeitschriften.
Die täglich erscheinende, sechs Pfennig kostende FRAUEN-ZEITUNG wurde von Mathilde in Eigen-Arbeit und -regie verfaßt und herausgegeben, offen unter ihrem Namen, der schon durch die NEUE KÖLNISCHE ZEITUNG bekannt war.
Nach der Beschlagnahmung ihrer Zeitung wurde Mathildes Mann bald wieder aus der Haft entlassen; mit ihm gemeinsam nahm die Frauenrechtlerin und Frühkommunistin bis zum letzten Tag am Badischen Freiheitskampf teil. Nach der großen Niederlage der demokratischen Bewegung emigrierte das Ehepaar Anneke nach Amerika wie viele der nun verfolgten Demokraten. Dort kam Mathilde in Kontakt mit der amerikanischen Frauenbewegung, gab am 1. März 1852 in Milwaukee schon wieder eine neue Frauen-Zeitung heraus. Bis zu ihrem Tod war die Frauenkämpferin nun für ihr eigenes Glaubensbekenntnis aktiv und entwickelte sich dabei zu einer engagierten Feministin: »Erst mit der Befreiung des Weibes kann die soziale Frage gelöst werden.« Eine interessante Umkehrung der von Bebel formulierten sozialistischen Emanzipationstheorie.[5]

Louise Astons FREISCHÄRLER
Madame Aston, geschiedene Frau eines englischen Kaufmanns, hatte schon eine bewegte Zeit hinter sich, als sie 1848 nach Berlin zurückkehrte und dort im November ihre Zeitschrift Der Freischärler herausgab. Noch ehe sie eine Zeile ihres atheistisch-frühsozialistischen Gedankengutes veröffentlicht hatte, war sie im März 1846 aus Berlin ausgewiesen worden, weil sie »die frivolsten Herrengesellschaften besuche, einen Klubb emancipierter Frauen gestiftet habe und nicht an Gott glaube«. Sie war offiziell eine »staatsgefährdende Person«. Ihre Veröffentlichungen vor der Herausgabe der eigenen Zeitschrift bezogen sich teilweise auf diese Anschuldigungen und hatten den Charakter literarischer Selbstbehauptungen. Louise Aston stand in Kontakt mit Mathilde F. Anneke und deren Ideen nicht fern, obwohl bei ihr ein Schuß Anarchismus  und  Boheme,   die   spezifische  Mischung der Berliner »Freien«, zum sozialen Engagement hinzukam.
Aus Köpenick und später Bern nach Berlin zurückgekehrt, kam von ihr die revolutionärintellektuelle Zeitschrift Für Kunst und sociales Leben: Der Freischärler heraus. Sie stellte nicht nur den König, sondern die grundsätzlichen gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage, und mit ihnen gleich auch die hausbackenen Vorstellungen und Bemühungen der 48er Demokraten. Louise hatte etwas vom Geist der absoluten Kritik eines Stirner und Bakunin an sich — bei ihr allerdings gekoppelt an ein starkes, auch praktischsoziales Engagement. Ihre Kritik, der man die persönliche Wut gegen alle Halbheiten anmerkt, machte auch vor den Emanzipationsbestrebungen des demokratischen Frauenvereins in Berlin nicht halt. In ihrem sehr emotional-erbitterten, teilweise recht arroganten Bericht über die »Sitzung des demokratischen Frauenvereines« wird klar, welch unterschiedliche Emanzipationsauffassungen es schon während der Revolution - jedenfalls unter den Frauen des Bürgertums - gegeben hat. Wie groß mußte die Kluft zwischen einer im Artikel benannten Lucie Lenz auf der einen und einer »Frau von Welt« wie Louise Aston auf der anderen Seite gewesen sein!
Louise Aston und ihre Anhängerinnen trafen sich in einem »Klübbchen« emanzipierter Frauen und in der Weinstube Hippel mit ihren anarchistischen Kollegen, blieben aber dem Frauenverein fern, weil sie dessen Versammlungen für Zeitverschwendung hielten (vgl. S. 46). Nun waren die Kontroversen unter den Frauen durchaus aber nicht nur persönliche Fehden, etwa weil sich Louise durch das verbreitete Schreckbild zigarrenrauchender Frauen angegriffen fühlte. Sie hatten etwas mit politischen Konzepten und mit Vorstellungen von Wesen und Wirkungskreis der Frau zu tun.
Schon in ihren vor 1848 publizierten Schriften hatte die Autorin auf den grundlegenden sozialen Widerspruch von Besitzenden und ihre Arbeitskraft Verkaufenden hingewiesen, der nicht mit sozialer Wohltätigkeit ausgeglichen werden könne. Eine freie und gerechte Weltordnung mußte ihrer Meinung nach erkämpft werden.
Den FREISCHÄRLER brachte Louise Aston nur einen guten Monat lang, bis zum Belagerungszustand, in Berlin heraus. Er wurde unter ihrem Namen und mit anonym zeichnenden Mitarbeitern erstellt. Schon im Untertitel Für Kunst und soziales Leben wird deutlich, für wen das Blatt gedacht war: für Leser und Leserinnen des gebildeten Bürgertums. Sichtbar wird dies auch an der akademischen und auf Bildungswissen anspielenden Feuilleton-Sprache. Louise Aston versucht nicht wie ihre Kollegin und Freundin Anneke, strategisch zu wirken: also neue Lesergruppen, auch noch nicht politisierte Frauen zu erreichen. So ist Der Freischärler ein etwas abgehobenes Kritikorgan, ein Selbstverständigungsmittel unter kritischen Intellektuellen und ihren >Mitläufern<. Inhaltlich beschäftigt er sich mit Kunstausstellungen, Theater-Aufführungen, Musikdarbietungen, aktuellen politischen Begebenheiten in Berlin und bietet ideologisch-süffisante Auseinandersetzungen mit politischen Tages und Grundsatzthemen. Die Gedichte, die Louise Aston im Blatt unter ihrem Namen veröffentlicht, sind pathetische Freiheitsoden im Stil der Vormärz-Tendenzlyrik, abstrakt oder mit romantisch angehauchten Naturmethaphern - ein interessanter Gegensatz zum journalistischen Teil des Blattes! Daß den spezifischen Fraueninteressen oder -gebieten nicht mehr Raum im Blatt gegeben wird, hängt mit Louises besonderem Weiblichkeits-Verständnis zusammen. Ihr geht es primär um die Befreiung von der »Gesellschaft« und von der herrschenden Gesellschaftsform; im Einsatz für dieses Ziel, so glaubt sie, würde sich auch eine Emanzipation der Frauen entwickeln.

Louise Ottos FRAUEN-ZEITUNG
Über Louise Otto, später Otto-Peters, ist schon sehr ausführlich in der Frauen-Geschichtsschreibung berichtet worden. Ihre Frauen-Zeitung, ihre spätere Zeitung Neue Bahnen und ihre Tätigkeit als Ideologin und Organisatorin der zweiten Phase einer deutschen Frauenbewegung sind inzwischen bekannt. Sie war die »Lerche« der deutschen Frauenbewegung.
Zunächst macht es stutzig, daß ihr Frauenblatt, ein durchaus politisches, erst mit dem Scheitern der eigentlichen Revolutionszeit, nämlich im April 1849 herauskam. Dazu muß man wissen, daß es in Meißen produziert wurde, einer Stadt in Sachsen. In Sachsen gab es traditionell viele politische Vereine, auf die die aus Konservativen und Liberalen gebildete Regierung Rücksicht nehmen mußte. Außerdem siegte 1850 erst in Sachsen die Konterrevolution. Die starke Ausbreitung eines demokratischen Vereinslebens in diesem Landstrich zeigt, daß in einem industrialisierten Königreich wie Sachsen die sozialen Gegensätze schon sehr vorangeschritten waren. So gab es hier auch einen organisierteren Widerstand gegen den Frühkapitalismus als beispielsweise in Berlin, einer Beamtenstadt. In Leipzig, der Hochburg der frühen Arbeiterbewegung war eine Arbeiterkommission tätig, die 1848 bereits die Grundlagen für eine neue Gewerbeordnung schuf. Nachdem im April 1849 der Sieg der alten Mächte in fast allen Regionen Deutschlands errungen war, versuchten die sächsischen Demokraten noch Anfang Mai des Jahres die Reichsverfassung für Sachsen durchzusetzen. Doch der Dresdner Aufstand, der in diesem Zeichen stand, wurde vom sächsischen Militär blutig niedergeschossen. Auch viele Frauen hatten auf den Dresdner Barrikaden gekämpft, ihre Haltung war durch die elenden Jahre vor 1848 radikalisiert worden. Sie muß durch die Brutalität, mit der gegen sie genauso wie gegen die Männer vorgegangen wurde, noch regierungsfeindlicher geworden sein.
Trotz der politischen Restaurierung konnte Louise Otto ihre Frauen-Zeitung noch bis Dezember des Jahres 1850 herausbringen, als auch in Sachsen ein Pressegesetz verabschiedet wurde, das nicht nur verstärkte Zensur mit sich brachte, sondern den Frauen schlichtweg verbot, eigene Blätter herauszugeben, oder auch nur zu redigieren. Die Nummer 51 vom 21. Dezember ist somit die letzte der Frauen-Zeitung auf sächsischem Boden. Für zwei Jahre konnte Louise ihr Unternehmen noch nach dem thüringischen Gheda verlegen, wo eine Zeitlang noch günstigere Zensurbedingungen herrschten.
Der relativ späte Zeitpunkt des ersten Erscheinens der sächsischen Frauen-Zeitung bedingt gleichzeitig den sehr anderen Charakter, den Louises Blatt gegenüber den zwei zuvor beschriebenen hat. Ihre Zeitung konnte schon an ein Frauenbewußtsein sich wenden, das durch revolutionäre Erfahrung und Enttäuschung entstanden war. Die Frauen hatten in Sachsen erfahren, daß sie im Kampf gleichermaßen wie die Männer gebraucht wurden und einsatzfähig waren — daß aber niemand sich für ihre Rechte stark machte, es sei denn sie selbst.
Louise Otto konnte so vom Erscheinungsbeginn ihrer Zeitung an mit einer regen Mitarbeit rechnen; Frauen und auch aufgeklärte Männer, die schon lange ihre Erfahrungen und Einsichten im Zusammenhang mit denen anderer bringen wollten, waren sofort von ihrem Plan begeistert und unterstützten die Herausgeberin mit regelmäßigen Beiträgen. Ein Organ für die unterschiedlichen Fraueninteressen und -aktivitäten zu sein, das war von Anfang an die Existenzgrundlage und -berechtigung der Frauen-Zeitung und erklärt auch ihre schnelle Ausbreitung weit über das sächsische Gebiet hinaus.
In Sachsen gab es (laut Frauen-Zeitung) um 1849 zahlreiche Frauenvereine, in denen Bürgerinnen, Arbeiterinnen und Bäuerinnen zusammenarbeiteten. Neu war die separate Organisierung der Frauen, die ansonsten in der demokratischen Bewegung an der Seite der Männer gestritten hatten.
Aus diesen Frauenvereinen kamen viele der Mitarbeiterinnen Louise Ottos; über ihre Zusammenschlüsse berichtete die Frauen-Zeitung.. Die Herausgeberin wollte mit ihrer Zeitschrift die Leserinnen nicht ausschließlich durch politische Artikel aufklären, obwohl dies in ihren Leitartikeln von Nummer zu Nummer durchaus geschah. Daneben ermunterte sie viele Frauen, ja möglichst auch die schreibungewohnten, zur Aktualität und Informiertheit des Blattes beizutragen. Ihr waren die Schilderungen aus den Dörfern, Städten und Regionen genauso wichtig wie ideologische Abhandlungen zur Rolle und Bestimmung der Frau. Deshalb gab es für beides gleich großen Raum in der Frauen-Zeitung, die jeden Samstag für 5 Reichsgroschen mit acht Seiten erschien. Gelungen ist es Louise auch  wirklich,   mit  ihrer   Zeitschrift  einen Überblick über die Aktivitäten und Auffassungen engagierter Zeitgenossinnen zu geben, und gleichzeitig in die frühe Bewegung unter den Bürgerinnen und selbst Arbeiterinnen einzugreifen. Die Zeitung als Sprachrohr der Zeitbestrebungen war also mehr als die berühmte Ausnahme, das mutige Vorbild als Einzelunternehmen, wie es sehr oft in der Literatur über Louise Otto heißt. Das Blatt lebte von der Initiative anderer Frauen ebenso wie der der couragierten, aber auch relativ privilegierten Louise Otto. Es war ein Forum für längst ausgereifte Interessen der Frauen in der sächsischen Region aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen.
Louise Otto gab ihre Zeitschrift selbständig und völlig eigenverantwortlich heraus. Theo Haffner, der Verlag, Druck und Vertrieb des Blattes besorgte, ließ ihr inhaltlich völlig freie Hand. Günstig war auch, daß der Verlag in Leipzig saß und damit die Möglichkeit hatte, die Vertriebsmöglichkeiten der Handelsstadt zu nutzen. Von hier aus wurde der Postzeitungs-Dienst organisiert, hier war das Zentrum des sächsischen Privatversands und des deutschen Kommissionsbuchhandels.
Neben den vielen Artikeln, die Louise Otto selbst schrieb, lebte die Zeitung von der Mitarbeit professioneller Publizisten, die in anderen Blättern wegen Zensur und Veröffentlichungsverbot keine Arbeit mehr fanden. Die Beiträge nicht-professioneller Mitarbeiter, besonders der weiblichen, waren anonym oder nur mit Vornamen gekennzeichnet. Die Herausgeberin mischte die Bedürfnisse nach Belehrung, kontroverser Meinungsbildung, Erfahrungsaustausch und Unterhaltung, weshalb sie auf eine Kombination unterschiedlicher publizistischer Formen im Blatt wert legte. Neben Briefen, Abhandlungen und Gedichten standen Skizzen, Erfahrungsberichte oder Milieuschilderungen. Derartige Artikel waren den Leserinnen aus dem Vormärz bekannt; sie erfüllten zudem unter Zensurbedingungen, wie sie in Sachsen mehr und mehr dominant wurden, eine strategische Verpackungs-Funktion, für politischen Inhalt. Über diesen Umweg der Belletristik konnte man den Frauen politisches Gedankengut angenehm vermittelt näherbringen, die ein trokkener  Leitartikel noch  abgeschreckt  hätte.
Deshalb auch haben alle Gedichte und Erzählungen in den Heften, ja selbst die Rezensionen eine, zumindest indirekte politische Tendenz. Die regelmäßig abgedruckten »Blicke in die Runde« machten den offen politischen Teil der Zeitschrift aus: sie berichten über Ereignisse und Aktivitäten von, für oder gegen Frauen.
Von einem einseitigen Aufklärungskonzept, wie noch bei M.F. Anneke, kann also bei Louise Ottos Zeitschrift keinesfalls gesprochen werden. Obwohl ihre Meinung darin natürlich dominant war, ist das Blatt eine Art Meinungsspiegel eines Großteils der frühen Frauenbewegung gewesen. Gelesen worden ist die Frauen-Zeitung trotz der starken Orientierung auf die arbeitenden Schwestern überwiegend von Frauen der Handwerker- und Bürgerschichten; das waren etwa 10% der weiblichen Gesamtbevölkerung. Diese Einschränkung lag nicht an der inhaltlichen Konzeption, sondern am verhältnismäßig hohen Preis und dem Verbot in vielen Städten, die Leseinstitute auch den Frauen zu öffnen.
Da Louise Ottos Zeitschrift im Gegensatz zu den anderen beiden in zahlreichen Nummern inzwischen wieder vorliegt, kann über ihre ideologische Ausrichtung weit mehr gesagt werden als über die der Louise Aston und Mathilde F. Anneke.
Neben den schon oben angesprochenen Assoziationsgedanken ist die Bildung der Frauen aller Schichten das Hauptanliegen dieser Frauen-Zeitung. Dabei wird sich allerdings gegen eine »Gelehrsamkeit«, die nur unnötig das Gedächtnis anfülle,, ebenso gewandt wie gegen die Illusion, alle männlichen Berufe auch von Frauen ausführen zu lassen oder gar Staatsgeschicke lenken zu wollen. Wenn es um Bildung, nicht ethische sondern berufliche geht, dann wird diese hauptsächlich im Zugang der Frauen zu Lehr- und Kaufmannsberufen gefordert. Später unterstützte die Frauen-Zeitung die in Berlin besonders verbreiteten Fröbel-Kindergärtnerinnen-Institute und die erste Frauenhochschule in Hamburg.
Doch als Grundtenor wird der Ruf nach Bildung für alle als Vermittlungsband zwischen den Klassen und eher als moralische Kategorie gesehen. Bildung als Voraussetzung auch für die Arbeiterin, ihre Lage besser zu durchschauen, um sie letztendlich durch die im Blatt propagierte Assoziation der Arbeiterinnen und deren Organisationen mit den demokratischen Frauenvereinen zu verändern.
Zusätzlich war die moralische Kategorie der Bildung aber von Anfang an als sittliche Orientierung auf ein auch sexuell reines Frauenideal gedacht. Obwohl die Zeitschrift immer wieder für die Arbeiterinnen eintrat, ist der bürgerlich-karitative Ton der Vormärz-Vereine als Haltung gegenüber den »armen Schwestern« nicht zu überhören. Und schon in der ersten Nummer entwickelt sich der Gedanke einer »acht weiblichen Emancipation« besonders an der Entfaltung der Fähig- und Möglichkeiten bürgerlicher Frauen. Die traditionelle Domäne der bürgerlichen Frau, Erziehung und Haushaltsführung, wird als Ziel und Haltung aller Frauen auf die Gesamtgesellschaft übertragen. In ihr sollten diese weiblichen Qualitäten stärker wirksam werden, um durch das »weibliche Element« im Staate einen festen moralischen Halt gegen die wachsende »Unbill der Zeit« zu haben. Schon 1851 ist in der Frauen-Zeitung vom »Ewig-Weiblichen« die Rede. Da soll die Wärme, Hingabe und Aufopferung der Frauen gegen den einseitigen »Verstandes-Despotismus« der Männer gesetzt und politisch organisiert werden. Man erstrebte zwar die volle Entfaltung der Frauen-Persönlichkeit, verwarf aber vehement eine »Subjektivität«, die dem Geiste der »Humanität« widerspräche. Diese Subjektivität entspringe einer Entfaltungssucht des Individuums, die nur auf den eigenen Gesetzen, dem eigenen Wollen und Wünschen beruhe und keine Pflichten und Bindungen zur Zügelung kenne. Wenn Louise Otto auch Selbständigkeit und Mündigkeit für die Frauen forderte, so schränkte sie doch gleichzeitig das Lebensziel und seinen Inhalt für die Frauen mit der Norm der »Hingabe, Aufopferung und Liebe« ein. Auf diese Weise gelang ihr die Verknüpfung des persönlichen Lebensbereiches und -inhaltes vieler Frauen mit den Interessen des »Allgemeinen«, des Staates nämlich, ohne dabei einen Widerspruch auch nur ahnen zu lassen. Zum propagierten Weiblichkeitsideal, das nicht an einer tradierten Ordnung kratzen sollte, gehörte denn auch die bissige Abgrenzung von den sogenannten »Emancipierten«, die wie Louise Aston Zigarre-rauchend in Männerkleidung umherliefen und der freien Liebe frönend sich in Diskussionen merkwürdiger Männergesellschaften wohlfühlten. Louise Aston und ihre Freundinnen waren, wie deren Vorbild George Sand, das Letzte, was man »aufrichtigen Frauen und Männern« zumuten konnte!
Die Pflichterfüllung gegenüber der Allgemeinheit verstand Louise Otto als Vorleistung der Frauen, um überhaupt einmal einen Rechtsanspruch (z.B. Wahlrecht für Frauen) in der Gesellschaft stellen zu können. Deshalb wurde auch in der Frauen-Zeitung das Wahlrecht noch gar nicht explizit gefordert, obwohl Louise sich damit von anderen Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit wie Malvida v. Meysenburg und den Frauen der Hamburger Hochschule absetzte.
Was die allgemein-politischen Ziele der Zeitschrift anbelangt, trat sie für eine »sociale Demokratie« oder auch »socialistische Republik« ein, worin sie sich von den meisten demokratischen Publizisten und Kämpfern der Zeit nicht unterschied. Das hieß, man war für die »Organisation der Arbeit«, gegen das »Mißverhältnis von Kapital und Arbeit«, und strebte eine Verbindung des »socialen, demokratischen und nationalen Elementes« an. Man merkt schnell, wie abstrakt diese für die 48er Revolution typischen politischen Glaubensbekenntnisse sind, und kann sich vorstellen, wie unterschiedlich sie in jeweiligen akuten Situationen gefüllt werden können. Solch eine Situation war 1849 auch in Sachsen gegeben, als man die Niederlage der Revolution überall schon spüren konnte. So wurde schon in der ersten Nummer der Frauen-Zeitung der Begriff »Revolution« erstmals von den Barrikadenerlebnissen abgetrennt und bei Louise Otto als »langsame Demokratisierung des Volkes« erklärt.
Trotz all dieser ideologischen Einschränkungen eines freien »Weibs-Bildes« wurde in dieser Frauen-Zeitung durch zahlreiche Mitarbeiter-Briefe und ^Beiträge, auch durch Berichte aus den Vereinen, ein weit radikaleres Frauen-Bild vermittelt als in den Grundsatzartikeln. Ein Widerspruch, der in der offenen Konzeption des Blattes lag und deutlich macht, wie wenig geschlossen der Frauen-Zeitgeist auch in dieser Epoche war.

Frauen-Zeitung

KIRCHE UND SCHULE
...
Alle aufgeklärten Menschen sind aber jetzt zu der Einsicht gekommen, daß die Schule von der Kirche getrennt werden muß, das heißt, daß die Geistlichkeit die Aufsicht über die Schulen nicht mehr länger behalten darf, weil's erstlich nicht ihre Sache ist, für's Zweite aber dem Unterricht viel Schaden thut. Daß es nicht ihre Sache ist, ist ganz klar; 's kommt mir gerade so vor, wenn die Geistlichen die Schulen beaufsichtigen wollen, als wenn ein Schuster eine Schneiderwerkstatt, oder als wenn ein Offizier die Kirche beaufsichtigen wollte. Nun sagen aber die Geistlichen: »der Unterricht muß ein frommer, christlicher sein; die Herzen der Jugend müssen schon früh in der Furcht Gottes erzogen werden, und darum müssen wir die Aufsicht über die Schule führen.« Das wollen wir doch 'mal sehen, ob das so wohl recht ist. Was lernen die Kinder in der Schule? Zuerst das ABC, dann Buchstabieren, dann Lesen, Schreiben, Rechnen u.s.w. Gut. Gibt's denn aber ein frommes, christliches ABC, oder ein frommes, christliches Buchstabieren, Lesen, Schreiben und Rechnen? Gott bewahre, das ist für alle Menschen egal, ob sie nun Christen, Juden, Türken oder Heiden sind, wenn sie nur ein und dieselbe Sprache sprechen. Also damit können die Geistlichen nicht durchkommen. »Ja, Religions-Unterricht, Beten, Messe hören«, werden sie sagen. Und ich sage Euch: Da liegt eben der Hase im Pfeffer; das ist gerad' das allergrößte Unglück für den ganzen Unterricht, daß die Kinder viel zu früh mit Dingen behelligt werden, wo sie nichts von verstehen, und nichts von verstehen können, daß sie komplett abgerichtet werden wie die Hunde, daß sie geradezu dumm und zu Lügnern und Heuchlern gemacht werden. Nu! Nu! schimpft nur nicht auf mich, und fallt nicht gleich über mich her und steinigt mich nicht, Ihr Frommen alle, die Ihr denkt, ich lästerte Eure Religion und wollt' sie in Gefahr bringen. Ihr seid doch alle Menschen, die Verstand zum Überlegen im Kopf haben; also hört mich auch ruhig an und gebraucht Euren Verstand, ich will's Euch Alles beweisen. Ich schwätz' Euch nicht bloß was vor und sag' Euch: Ihr müßt's mir glauben; nein, ich such's Euch Alles klar zu machen und zu beweisen. Und wenn das in Euren Verstand nicht paßt, dann braucht Ihr's ja nicht anzunehmen, oder ihr könnt mit Eurem Verstand gegen meinen ankommen, und dann können wir 'mal sehen, welcher oben drauf bleibt.
Also 'mal los. Ihr wißt doch, daß uns so Vieles erzählt wird in der Religion, was kaum ein erwachs'ner Mensch begreifen kann, viel weniger ein Kind mit seinem schwachen Verstand. So'n kleiner Kinderverstand aber, der muß gerade wie der Leib der Kinder viel sorgfältiger behandelt werden, als der von erwachsenen Menschen. Erzählt man den Kindern nun was daher, das sie nicht begreifen können, dann werden sie entweder ganz verwirrt und dumm, oder sie lassen's zu einem Ohr herein gehen und zum andern wieder heraus und plappern's bloß mit der Zunge nach, wenn sie's mit Gewalt lernen müssen. Das ist aber ein schlimm Ding, wenn der kleine Verstand so früh verwirrt gemacht wird, oder wenn man die Kinder an's bloße Nachplappern gewöhnt; da kann aus ihrem Verstand niemals viel werden. So'n verworrener Verstand, der wird so leicht nicht wieder gerade, und wer nicht schon früh an ordentliches Nachdenken gewöhnt ist, der lernt's später sehr schwer. Was die Kinder nicht verstehen können und bloß so nachplappern müssen, das macht ihnen auch keine Freud'; dabei haben sie Langeweile und werden nachlässig und unaufmerksam. Weil sie aber Prügel kriegen, oder knieen müssen, oder sonst bestraft werden, wenn der Lehrer oder der Geistliche das sieht, so fangen sie schon früh an, ihm Wind vorzumachen, ihn zu belügen und zu betrügen. Das ist aber sehr schlimm; da wird der ganze Charakter verdorben, und wenn nicht gute Beispiele zu Haus oder späteres Nachdenken die Kinder wieder besser macht, werden Taugenichtse draus. Was es mit der Andacht und der Frömmigkeit der Kinder zu bedeuten hat, brauch' ich wohl nicht groß erst zu erklären. ...
Ich sag' Euch: es ist ein wahrer Spott, der mit der Religion getrieben wird, wenn man die kleinen Kinder so dazu abrichtet! Keinen Augenblick früher sollt' man den Menschen was davon erzählen, als bis sie Verstand genug haben, die Sache zu begreifen. Lehrt den Kindern erst die Welt kennen, und wenn sie anfangen zu fragen nach Religion, alsdann gebt ihnen Antwort, aber nicht mehr, als sie verstehen können, und wenn sie weiter fragen, gebt ihnen immer mehr Antwort. Das ist die rechte Art! 'S ist aber noch ein andrer Uebelstand dabei, wenn die Kinder schon so gar früh auf Religion abgerichtet werden. Dieser Uebelstand ist, daß der unglückselige Zwiespalt und Haß zwischen den verschiedenen Religionen, zwischen Katholiken, Evangelischen, Lutherschen, Juden, Deutschkatholischen, und wie sie Alle heißen, schon in früher Jugend den Menschen eingebläut wird und niemals ein Ende nimmt. Obgleich in 'ner großen Stadt so was gewöhnlich nicht so arg ist, weil die Menschen meist aufgeklärt sind, steht's doch in Köln damit noch so, daß sich hier gewiß keine deutschkatholische Gemeinde bilden könnte, ohne daß sich die Leute bei den Ohren kriegten, ohne daß es Prügelei und Mord und Todtschlag gab'. Das ist auch noch 'ne Ursache, warum man die Kinder nicht zu früh zur Religion abrichten und besonders den Pfaffen nicht die Aufsicht über die Schulen lassen darf. Für alle Religionsarten darf es nur eine einzige Art Schulen geben, welche von der Gemeinde oder vom Staat unterhalten werden. Die Lehrer müssen verständige, brave, ordentliche und rechtschaffene Leute sein, ob Katholiken, Protestanten oder was sonst, das ist Einerlei. Die Kinder sollen zu allererst was Ordentliches lernen und brave, rechtschaffene Menschen werden. Die Aufsicht über die Schulen muß ein besondrer Schulvorstand haben, den die Gemeine wählt. Wenn's Zeit ist für die Kinder zum Religions-Unterricht, dann können die Geistlichen, oder wie's die Eltern sonst haben wollen, solchen Unterricht geben.
Warum wollen denn nun aber auch wohl die Geistlichen mit aller Gewalt die Aufsicht über die Schulen behalten? Darum wollen sie die Aufsicht behalten, daß sie die Menschen dumm halten können, und die große Macht, die sie haben, nicht verlieren. Die Pfaffen sind ein hochmüthiges Volk, grad' wie die preußischen Beamten, und sie wollen die Menschen von der Wiege bis zum Grabe regieren und beherrschen, wie sie's von Ewigkeit her gethan haben. Nicht Alle sind sie so, aber die Mehrsten. Seht sie Euch nur recht genau an, und lest es in ordentlichen Büchern nach, wie sie's in der Welt getrieben haben.
Die Abgeordneten in Berlin und in Frankfurt werden auf jeden Fall beschließen, daß die Schule von der Kirche getrennt werden soll, das heißt, daß die Pfaffen nichts mehr damit zu schaffen haben sollen. Darüber sind sie jetzt in Todesangst, und schicken Petizionen über Petizionen nach Berlin und Frankfurt gegen die Trennung der Schule von der Kirche. Die meisten Petizionen von dieser Art sind von den evangelischen Pfaffen in Sachsen und von den katholischen im Bisthum Trier und im Bisthum Osnabrück gemacht, besonders auf dem Land', und die armen Bauern haben alle unterschreiben müssen. Die evangelischen Pfaffen in Sachsen haben von den Kanzeln die Petizionen verlesen und die Leute zum Unterschreiben aufgefordert, und auf den Altar haben sie die Dinger hingelegt. Durch solche Spitzbubenstreiche wollten sie den Bauern weiß machen, daß es 'ne heilige Sache war' mit den Petizionen, und daß jeder gute Christ unterschreiben müßt'. Wie's die katholischen Pfaffen gemacht haben, weiß ich nicht, wahrscheinlich wohl eben so. Arg genug muß es wohl hergegangen sein, weil ein Wahlmann Namens ErzDach zu Mauelshagen im Kreise Waldbroel eine Petizion darüber nach Frankfurt geschickt hat, wie die Kerls in seiner Gegend die Sache getrieben haben. Ich rathe Euch, kauft niemals eine Katz' im Sack; seht Euch Alles recht ordentlich an, und überlegt's mit gesundem Menschenverstand, auch wenn's von den Pfaffen kommt.

Der Freischärler

Louise Aston
DER DEMOKRATISCHE FRAUENKLUB UND
DIE FRAUENEMANZIPATION
Das große Räthsel der Sphynx ist gelöst: ein neuer Oedip, noch dazu ein weiblicher, ist erstanden und hat die Weltgeschichte mit kundiger Hand von ihren Kindesnöthen befreit. Wer wagt es jetzt noch aufzutreten und von Emanzipation der Frauen zu reden — jetzt wissen wir ja, was diese geheimnißvolle Idee in sich birgt, an der unser Jahrhundert so grausam laborirt hat, jetzt kennen wir den Kern dieses eleusinischen Mysteriums, dessen Lösung dem Zeitgeist bisher so gewaltige und dennoch vergebliche Anstrengungen gekostet; jetzt sind wir völlig klar über den Sinn dieses modernen Arbadacadabra: Merkt auf ihr Jünger und Jüngerinnen der »Selbständigkeit des Herzens«; Weltachtung und Gottvertrauen, Gottvertrauen und Weltachtung - das ist des Pudels Kern. — Ihr schaut mich verwundert an, ja Einige von Euch scheinen mich sogar mit besorgten Blicken zu mustern! Beruhigt Euch, ich bin vollkommen bei Verstände, aber Ihr habt Recht, daß man entweder sehr viel oder gar keinen Verstand haben muß, um — doch still! Es steht uns nicht zu, daran zu mäkeln und zu kritteln: Lucie Lenz, die große Emanzipirte, hat's gesagt. Das mag Euch genug sein, um daran zu glauben, wie an das Evangelium der freien Liebe. - Doch wehe mir, welch' unheilvolles Wort entschlüpfte da meinen Lippen! Freie Liebe und Gottvertrauen — Weltachtung und freie Liebe — wie stimmt das zusammen? — Ich kann den verdammten Ton nicht vertragen, den ich hier angestimmt, denn ich bin zur Satyre nicht geboren. Zur Satyre gehört ein Herz, das Gift verschluckt und freundliche Grimassen dazu schneidet, zur Satyre gehört die Selbstbeherrschung im Groll leidenschaftlicher Bitterkeit. Und ich will mich nicht beherrschen; ich will nicht freundliche Grimassen schneiden, wenn mir die Brust von Zorn schwillt. Darum heraus mit dem Freischärler-Schwerte des freien Worts; und fahre es zischend unter die heuchlerische Brut, welche mit erhabenen Ideen kokettirt, ohne sie zu begreifen, welche die ernsten Gedanken des leidenden, blutenden Jahrhunderts mit ihren seichten Trivialitäten besudelt. Möge es niederfahren wie der gelbe Himmelsstrahl, damit diesen blöden Augen einmal ein Licht aufgehe über dem faulen Moder, in dem sie sich so wohl fühlen. Der »demokratische Frauenverein« hat einmal wieder eine Sitzung gehalten im Affentheater. Da ist denn, habe ich gehört - denn selbst bin ich nicht dagewesen, weil mich nichts mehr anwidert als sentimentale Frivolität - auch die Rede gewesen von Suppenanstalten und Frauenhemdenverfertigungsmanufaktursubscriptionseröffnungen und dergleichen; ferner aber auch von Emanzipation der Frauen. Lucie Lenz hat die Emanzipation der Frauen durch »Gottvertrauen und Weltachtung« definirt, indem sie sehr geistreich hinzugesetzt haben soll, daß man nicht glauben möge, die Emanzipation bestehe darin, daß die Frauen Cigarren rauchten und mit den Männern im Trinken wetteiferten. Wofür mußte Fräulein Lenz wohl ihr weibliches Publikum halten, daß sie ihm diese jämmerlichen Gemeinplätze aufzutischen wagen konnte, und wie bornirt mußte in der That dies Publikum sein, daß es die sentimentale Rednerin nicht auspfiff. Fürwahr, wenn jetzt noch erst bewiesen zu werden braucht, daß in humoristischer Tändelei der Ernst der Wahrheit symbolisch eingehüllt und der tiefe Sinn auch im kind'schen Spiel verborgen liegen kann, dann ist es traurig um uns bestellt. Aber vielleicht wird man mir den Vorwurf machen, daß ich die Gedanken absichtlich von ihrer trivialen Seite auffaßte. - Gottvertrauen - wird man vielleicht sagen - kann in der Vorstellung der Neuzeit das Vertrauen des Menschen in seine eigene göttliche Natur heißen, und Weltachtung- w'ird man ferner sagen die Achtung bedeuten, welche man der Welt durch die eigene Selbständigkeit abzwingt, die das Bewußtsein der sittlichen freien Würde erzeugt. - O nein, ihr Guten, die ihr, selber gedankenvoll, in der eklatantesten Oberflächlichkeit nach Geist und Wesen sucht, ihr täuscht euch. Geht hin am künftigen Montage, wo möglich mit einer Diogenischen Laterne gerüstet; ihr werdet vergebens suchen; vielleicht wird Frau Dr. Marheineke ihre oder Herrn Held's Cigarre an eurer Laterne anzünden, aber Gedanken werdet ihr nicht finden; und solltet ihr doch einen finden, so sehet genau zu, daß ihr kein Wechselbalg und Findlingskind nach Hause tragt, das wohl einen Vater aber keine Mutter hat. Sollte man nicht wirklich am Ende glauben, daß die Frauen bestimmt sind zu bleiben, was sie immer waren — Kinder oder Sklaven.
Nr. 1/1848

Frauen-Zeitung

Louise Otto
PROGRAMM
Die Geschichte aller Zeiten, und die heutige ganz besonders, lehrt: daß diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen! - Das schrieb ich im Mai des Jahres 1848 hinaus in die Welt, als ich zunächst meine Worte an die Männer richtete, die sich in Sachsen mit der Frage der Arbeit beschäftigten - ich mahnte sie damit an die armen Arbeiterinnen, indem ich für meine Schwestern das Wort ergriff, auf daß sie nicht vergessen wurden!
Dieser selbe Erfahrungssatz ist es, welcher mich zur Herausgabe einer Frauen-Zeitung veranlaßt. Mitten in den großen Umwälzungen, in denen wir uns Alle befinden, werden sich die Frauen vergessen sehen, wenn sie selbst an sich zu denken vergessen!
Wohl auf denn, meine Schwestern, vereinigt Euch mit mir, damit wir nicht zurückbleiben, wo Alle und Alles um uns und neben uns vorwärts drängt und kämpft. Wir wollen auch unser Theil fordern und verdienen an der großen Welt-Erlösung, welche der ganzen Menschheit, deren eine Hälfte wir sind, endlich werden muß.
Wir wollen unser Theil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche in uns in freier Entwikkelung aller unserer Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat.
Wir wollen unser Theil verdienen: wir wollen unsere Kräfte aufbieten, das Werk der Welt-Erlösung zu fördern, zunächst dadurch, daß wir den großen Gedanken der Zukunft: Freiheit und Humanität (was im Grunde zwei gleichbedeutende Worte sind) auszubreiten suchen in allen Kreisen, welche uns zugänglich sind, in den weiteren des größeren Lebens durch die Presse, in den engeren der Familie durch Beispiel, Belehrung und Erziehung. Wir wollen unser Theil aber auch dadurch verdienen, daß wir nicht vereinzelt streben nur Jede für sich, sondern vielmehr Jede für Alle, und daß wir vor Allem Derer zumeist uns annehmen, welche in Armuth, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlässigt schmachten.
Wohl auf, meine Schwestern, helft mir zu diesem Werke! Helft mir für die hier angedeuteten Ideen zunächst durch diese Zeitung wirken! —
Ich meine nun zwar Alles gesagt zu haben, was über die Tendenz dieser Zeitung zu sagen ist - aber leider muß ich denen Recht geben, welche mir zuflüstern, umgekehrt von der gewöhnlichen Redensart, »es sei mit dem Positiven nicht genug«: ich müsse auch noch Negatives hinzufügen- will hier sagen: ich müsse mich und diese Zeitung vor Mißverständnissen schützen. - Nein! ich kann darüber keine Worte machen! ich berufe mich auf mein Leben, auf mein schriftstellerisches Wirken seit 1843 - wer etwas davon kennt, wird wissen, daß ich nicht zu den sogenannten »Emancipirten« gehöre, zu denen, welche das Wort »Frauen-Emancipation« in Mißcredit gebracht haben, indem sie das Weib zur Carricatur des Mannes herabwürdigten. Für Diejenigen, die noch nichts von mir wissen, möge einstweilen die Versicherung genügen, daß ich eben durch die Tendenz dieser Zeitung dem Irrthum entgegenzuarbeiten hoffe, welcher oft gerade die begabtesten Frauen veranlaßte, ihr Streben nach geistiger Freiheit in der Zügellosigkeit der Leidenschaften zu befriedigen. - Man wird also weder mich, noch meine mitarbeitenden Schwestern zu diesen »Emancipirten« werfen können, wohl aber werden wir stolz darauf sein, wenn man uns Nachfolgerinnen jener edlen Jungfrau aus Bethanien nennt, von welcher das leuchtende Vorbild aller Menschen sagte: »Maria hat das bessere Theil erwählt!
So fordere ich denn hiermit alle gleichgesinnte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, welche für die Rechte der Frauen in die Schranken treten, auf, mich bei diesem Unternehmen durch Beiträge zu unterstützen. Ich bitte auch diejenigen meiner Schwestern, die nicht Schriftstellerinnen sind, um Mittheilungen, zunächst die Bedrückten, die armen Arbeiterinnen, auch wenn sie sich nicht geschickt zum stylisirten Schreiben fühlen; ich werde ihre einfachen Aeußerungen gern, wenn nöthig, verdollmetschen - aber es liegt mir daran, daß gerade ihre Angelegenheiten vor die Oeffentlichkeit kommen, so kann ihnen am ersten geholfen werden. Alle Gesinnungsgleichen lade ich zum recht zahlreichen Abonnement ein, damit das Unternehmen gedeihen könne!

Louise Otto
DIE FREIHEIT IST UNTHEILBAR

Die Freiheit ist untheilbar! — Das ist ein so einfacher Lehrsatz, daß er der erste Artikel in jedem  Glaubensbekenntniß  sein  sollte.
Gleichwohl müssen wir es täglich erfahren, daß er noch nicht überall Eingang gefunden, vielmehr nur bei gar Wenigen Fleisch und Blut geworden ist. Es meinen Viele, sich Freiheitskämpfer nennen zu dürfen, welche doch von dem Ideal der Freiheit mit ihren Gedanken ferne sind, und nur von einzelnen Freiheiten etwas wissen wollen, für deren Erringung sie sich abmühen. Wie viel z.B. ist in unserm Deutschland besonders nicht für Glaubensfreiheit gekämpft und gelitten worden, wie viel edle Männer und Frauen sind nicht dafür in den Tod gegangen. Sie nannten sich Freiheitskämpfer und wollten doch weiter Nichts, als die Freiheit, Gott anzubeten und ihm zu dienen je nach ihrem Bedürfniß. Weiter fragten sie nach Nichts. So giebt es heute noch Viele - ja selbst unter den Lichtfreunden und Deutschkatholiken - welche sich nicht scheuen, selbstgefällig zu erklären, daß ihr Streben nach religiöser Freiheit nichts gemein habe mit dem Streben nach politischer Freiheit, ja, daß sie selbst ohne diese, sobald man ihnen nur eben jene garantire, ganz zufrieden zu leben vermöchten. Höchstens bringt man diese heute mit der Frage in Verlegenheit: ob sie denn allen Ernstes einen so kindlichen Glauben haben, daß es ihnen nie einfällt zu bedenken, ob ein Staat, der nicht auf den Grundpfeilern der Freiheit ruht, in seinen engherzigen, bevormundenden Institutionen auch wirklich die religiöse Freiheit garantiren könne, davon noch gar nicht zu sprechen, ob er es wolle. - Besonders aber meinen diejenigen sich Freiheitskämpfer vor allen Andern nennen zu dürfen, welche nur den politischen Fortschritt im Auge haben und ihm allein dienen. Dazu gehören vor Allen die Liberalen vor dem März, die nur nach einzelnen Freiheiten rangen, wie Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit u.s.w., und die man deshalb damals, als wir sogar dieser Güter noch entbehren mußten, für Freiheitshelden hielt. Einige von ihnen, die Beschränkten und Engherzigen, deren Blicke nie über den engen Horizont des Constitutionalismus hinausgingen, sind auf derselben Stufe stehen geblieben, auf der sie damals standen, und wer vor dem März als Freiheitsmärtyrer dastand, erweist sich jetzt als gutgesinnter Reactionär. — Andere hingegen von diesen Politikern setzen mit den errungenen einzelnen Freiheiten, wie Preßfreiheit u.s.w., den Kampf um andere einzelne Freiheiten fort, sie kämpfen für die honnette Republik, nehmen sich die Freiheit, den Adel abzuschaffen und sich selbst, die Bourgeoisie, an dessen Stelle zu setzen— aber sie beweisen durch all' diese Bestrebungen, daß sie Nichts wissen von der einen untheilbaren Freiheit! Und die Sozialisten? und die soziale Freiheit? Die Sozialisten, welche meinen, ihre Utopien mit Hülfe einer Zwingherrschaft gründen zu können, welche über den politischen Fortschritt geringschätzend lächeln und an die Stelle religiöser Freiheit einen erzwungenen Atheismus setzen wollen — die freilich sind eben so fern von der Erkenntniß des Satzes: die Freiheit ist untheilbar! Sie kann nicht in dem einen Zustande sein und in dem andern mangeln - die wahre Freiheit ist eben die Gottheit, die man nicht auf dem oder jenem Berge nur anbeten kann, sondern die man verehren und ihr dienen muß und kann allenthalben, wo ihr auch noch kein Tempel errichtet ist. Und nun laßt uns einmal fragen, wie viel Männer giebt es denn, welche, wenn sie durchdrungen sind von dem Gedanken, für die Freiheit zu leben und zu sterben, diese eben für alles Volk und alle Menschen erkämpfen wollen? Sie antworten gar leicht zu Tausenden mit Ja\ aber sie denken bei all' ihren endlichen Bestrebungen nur an eine Hälfte des Menschengeschlechts - nur an die Männer. Wo sie das Volk meinen, da zählen die Frauen nicht mit. Aber die Freiheit ist untheilbar! Also freie Männer dürfen keine Sklaven neben sich dulden - also auch keine Sklavinnen. Wir müssen den redlichen Willen oder die Geisteskräfte aller Freiheitskämpfer in Frage stellen, welche nur die Rechte der Männer, aber nicht zugleich auch die der Frauen vertreten. Wir können so wenig, wie sie uns selbst, zu Bundesgenossinnen haben wollen, sie die Bundesgenossen der Fahnenträger der Freiheit nennen! Sie werden ewig zu den »Halben« gehören, und wenn sie auch noch so stolz auf ihre entschiedene Gesinnung sein sollten.