Schlußfolgerungen

Die Untersuchung der Hausarbeit, die in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt und diskutiert wurde, trägt ein Stück weit dazu bei, die vorherrschende männliche Ausrichtung der Soziologle, wie sie zu Beginn des Buches geschildert wurde, zu korrigieren. Eine der vielen gähnenden Lücken, die dadurch entstehen, daß sich die Soziologie grundlegend nur mit männlichen Interessen und Aktivitäten befaßt, kann nun ansatzweise wenn nicht ausgefüllt, so doch zumindest überbrückt werden. Aber die Untersuchung hat auch eine weiterreichende Bedeutung. Fragen, die die Situation der Frauen heute betreffen, werden neuerdings öffentlich und sogar in der breiten Bevölkerung diskutiert. Die Zuweisung häuslicher Arbeiten, innerhalb wie außerhalb des Hauses, an die Frauen, sowie die scheinbare Vorliebe der Frauen selbst für den häuslichen Bereich ist prägend für deren allgemeine Lage in der heutigen Industriegesellschaft. Deshalb kann von jeder Untersuchung über die Empfindungen und Einstellungen der Hausfrauen zur Hausarbeit erwartet werden, daß sie sowohl über die "Unterdrückung" als auch über die "Befreiung" der Frau etwas aussagt.

1. Die Untersuchungsergebnisse: Eine Zusammenfassung

Bevor wir zu dieser Frage weitergehen, möchte ich zuerst einige der hauptsächlichen Ergebnisse dieser Untersuchung zusammenfassen. Das erfüllt einen doppelten Zweck: erstens, die wichtigsten Ergebnisse wiederzugeben, und zweitens, die Fäden aufzugreifen und zusammenzuführen, die für die im letzten Teil dieses Kapitels entwickelten Überlegungen über Hausfrauen und die Befreiung der Frau von Bedeutung sind. Die erste Gruppe von Ergebnissen fällt unter die Überschrift: Empfindungen zur Hausarbeit.

a) Empfindungen zur Hausarbeit

Das Hauptziel dieser Untersuchung bestand darin, Hausarbeit als Arbeit zu begreifen, nicht einfach als einen Teil der weiblichen Rolle in der Ehe. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich von früheren soziologischen Untersuchungen des Familienlebens oder der häuslichen Situation von Frauen. Daß der Begriff "Zufriedenheit mit der Hausarbeit" genauso gebraucht wird wie der Begriff "Zufriedenheit am Arbeitsplatz" folgt aus der Sichtweise, daß Hausarbeit Arbeit ist.

  1. Das wichtigste Ergebnis ist hier, daß die Unzufriedenheit mit der Hausarbeit vorherrscht. in der Gesamteinschätzung ihrer Empfindungen zur Hausarbeit, die in einem langen, eingehenden Interview zum Ausdruck kamen, stellte sich heraus, daß 70% der befragten Frauen "unzufrieden" waren. Diese Zahlen begraben die Vorstellung, daß nur eine winzige Minderheit von Frauen unzufriedene Hausfrauen sind.
  2. Eintönigkeit ist eine verbreitete Erfahrung. Dreiviertelder befragten Frauen berichten davon, und 80% von ihnen sind unzufrieden mit der Hausarbeit. Auch Verzettelung - ein Kennzeichen der Arbeit, die mit Eintönigkeit verbunden ist - wird von der Mehrzahl der Hausfrauen erlebt, aber sie steht nicht in Verbindung mit der Arbeitsunzufriedenheit. Der Grund für diese fehlende Verbindung scheint die Erwartung zu sein, daß Hausarbeit notwendig verzettelte Arbeit sein muß. Weil die Frauen dies schon vorher wissen, werden sie folglich nicht unzufrieden damit. Arbeitshetze, ein zweites Merkmal, das in Untersuchungen über Industrieabeiter oft mit Eintönigkeit verbunden ist, wird von der Hälfte der Befragten angegeben. Wie die Verzettelung steht die Arbeitshetze nicht in Beziehung zur Arbeitszufriedenheit. Diese drei Erfahrungen- Eintönigkeit, Verzettelung, Arbeitshetze finden wir stärker bei Hausfrauen als bei Fabrikarbeitern. In dieser Hinsicht haben Hausfrauen mit Fließbandarbeitern mehr gemeinsam als mit gelernten oder angelernten Fabrikarbeitern, deren Arbeit nicht aus sich ständig wiederholenden Tätigkeiten besteht.
  3. Häufig wird über Einsamkeit geklagt. Die meisten der mit Hausarbeit unzufriedenen Frauen berichten über ein geringes Maß an Außenkontakten. Dies gleicht Ergebnissen der Industriesoziologie, wo das meistgeschätzte Merkmal jedes Arbeitsplatzes die Gelegenheit zu sozialen Beziehungen mit Kollegen ist.
  4. Selbständigkeit ist das am meisten geschätzte Merkmal der Hausfrauenrolle. "Sein eigener Herr sein" - ein Satz, den nahezu die Hälfte der Befragten gebrauchte - und das Arbeitstempo selbst bestimmen zu können, ist eine Seite der Hausfrauentätigkeit, die sich sicher von der Erwerbstätigkeit günstig abhebt.
  5. Hausarbeit ist der unbeliebteste Gesichtspunkt des "Hausfrauendaseins".
  6. Ein weiterer Nachteil ist der geringe gesellschaftliche Stellenwert der Hausfrauenrolle. Das geringe gesellschaftliche Ansehen der Hausarbeit und die Tatsache, daß sie nicht ernst genommen wird, werden in dem Ausdruck "Nur-Hausfrau" sichtbar. Die Wahrnehmung des geringen gesellschaftlichen Status steht in Verbindung zur Unzufriedenheit mit der Hausarbeit. Von denen, die sich über den niedrigen Status beklagen, sind mehr unzufrieden, als zufrieden.
  7. Die Einstellungen zu den einzelnen Aufgaben im Haushalt sind merklich unterschiedlich, obgleich sich bei den Einstellungen verschiedener Frauen eine deutliche Ähnlichkeit zeigt. Die beliebtesten Tätigkeiten sind ihrer Reihenfolge nach: Kochen, Einkaufen, Waschen, Putzen, Abwaschen und Bügeln. Die übereinstimmung bei den verschiedenen Frauen ergibt sich daraus, daß bestimmte Arbeitsbedingungen oder -zusammenhänge eher als befriedigend erlebt werden als andere. Bedingungen, die eine bejahende Einstellung zu den einzelnen Tätigkeiten fördern, sind z. B. die Möglichkeit, während der Arbeit mit anderen zu sprechen; genug Zeit zu haben, um Arbeiten auszuführen; die richtige Arbeitsumgebung und richtige Arbeitsgeräte. Während einerseits die Verschiedenartigkeit der Hausarbeitsauf gaben durch diese Ergebnisse hervorgehoben wird, wird andererseits auch die Gleichartigkeit der Erfahrungen sichtbar, die die Frauen als Erklärung dafür anführen, daß sie diese Aufgaben gerne erledigen.
  8. Hausfrauen haben eine lange Arbeitswoche. Der Durchschnitt in dieser Stichprobe liegt bei 77 Stunden. Die Spanne reicht von 48 Std. (die einzige Hausfrau, die zur Zeit des Interviews voll erwerbstätig war) bis zu 105 Std.
  9. Eine wichtige Seite des Arbeitsverhaltens ist das Bedürfnis der Hausfrauen, Maßstäbe und Vorgehensweisen festzulegen, die sie bei ihrer Arbeit befolgen müssen. Dieser Vorgang hat mehrere Ursachen und dient mehreren Zwecken. Erst einmal scheint er ein Mittel zu sein, um eine Reihe von unterschiedlichen Arbeitsaufgaben zu einer Einheit zusammenzufügen. Zweitens ist es ein Weg, das Gefühl persönlicher Verantwortung für die Hausarbeit auszudrücken. Drittens ist es ein Mittel, sich selbst für die geleistete Arbeit zu belohnen täglich kann aus dem erfolgreichen Festhalten an diesen Maßstäben Zufriedenheit gewonnen werden. Eine "Nebenabsicht" ist die Arbeitserweiterung. Es besteht eine Beziehung zwischen der Ausprägung festgelegter Maßstäbe und Vorgehensweisen und der Anzahl der Arbeitsstunden der Frau. Die Mehrzahl der Hausfrauen mit "hoher" Ausprägung arbeitet 70 Std. in der Woche und mehr.
    Mit diesen Bestimmungen ihrer Arbeit wird die Erfahrung der Selbständigkeit für Hausfrauen stark eingeschränkt. An die Stelle einer täglichen Kontrolle über den Arbeitsrhythmus tritt ein inneres Bedürfnis, gewissen Regeln zu folgen. Diese werden "entpersönlicht", d. h. sie werden von der Hausfrau als Arbeiterin als in gewissem Sinne von außen kommend empfunden.
  10. Die Beziehung zwischen der Ausprägung der Maßstäbe und Vorgehensweisen und der Arbeitszufriedenheit geht in die folgende Richtung: Frauen mit hoher Ausprägung sind eher zufrieden mit der Hausarbeit. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Selbstbelohnung. Durch Erreichen der eigenen Maßstäbe und der Einhaltung des Arbeitsrhythmus sind die Frauen in der Lage, ein gewisses Maß an innerer Befriedigung zu erreichen. Eine Folge davon ist, daß, wenn die selbstgesetzten Ziele nicht erreicht werden, wesentliche Unzufriedenheit eintreten kann.
  11. Die Erfahrungen der Frauen mit außerhäuslicher Erwerbstätigkeit haben einiges mit der häuslichen Zufriedenheit zu tun. Alle Frauen, die früher einen als besser angesehenen Beruf ausübten (wie eine Programmiererin, Maniküre, Mannequin), sind mit der Hausarbeit unzufrieden. Diese Erscheinung kann als Unstimmigkeit zwischen verschiedenen Statuszuordnungen der Hausfrau beschrieben werden. Der hohe Status eines früheren Berufs steht im Gegensatz zu dem niedrigen gesellschaftlichen Ansehen des Hausfrauendaseins. Die sich daraus ergebende Belastung scheint den Ausschlag für die gegenwärtige Unzufriedenheit zu geben.

Das Merkmal der Zufriedenheit mit Erwerbstätigkeit ist auch wichtig. Unzufriedenheit mit der Hausarbeit ist größer bei denen, die in einem früheren Beruf zufrieden waren. In den Aussagen der Frauen schneidet die Hausarbeit verglichen mit der Erwerbstätigkeit durchweg schlechter ab, weil diese - ganz egal, was für eine besondere Art der Arbeit es war - Kontakt zu anderen, soziale Anerkennung und eigenes Geld einbringt.

b) Einstellung zur Hausfrauenrolle

Eine zweite Gruppe von Ergebnissen ist sehr eng mit der ersteren verbunden. Sie grenzt sich jedoch durch einen begrifflichen Unterschied von der ersten Gruppe ab, der auf den ersten Blick nebensächlich scheint. in der Tat ist diese Unterscheidung von grundlegender Wichtigkeit für zweierlei: einmal für die Analyse der Hausfrauensituation und zum anderen für die übergeordnete Fragestellung, was diese Untersuchung mit der Befreiung der Frau zu tun hat.
Der Begriff Empfindungen zur Hausarbeit bezieht sich darauf, wie Frauen ihre täglichen Erfahrungen mit Hausarbeit betrachten und wie Hausarbeit auf sie selbst wirkt. Im Gegensatz dazu beschreibt der Begriff Einstellung zur Hausfrauenrolle die Beziehung zwischen der Vorstellung, "eine Hausfrau zu sein" und der psychologischen Identität von Frauen. Während der erste Begriff eine Frage nach der häuslichen Arbeitszufriedenheit ist, bezieht sich der zweite auf den ganzen Aufbau psychologischer Weiblichkeit und "Tauglichkeit" in einer Welt, die auf Geschlechtsunterschieden beruht. Ob man sich selbst als Hausfrau fühlt (oder nicht), ist ein tief verwurzelter Teil des weiblichen Selbstgefühls. Die Gleichsetzung von Weiblichkeit und Hausfrauendasein liegt dem Verständnis der heutigen Familie ebenso zugrunde wie den geschlechtsspezifischen Eintellungen, die in der Welt der Erwerbstätigkeit bestehen (die unterbezahlten weiblichen Arbeitsplätze sind hierfür ein grundsätzliches Merkmal).
Das Auseinanderklaffen der beiden Begriffe - Empfindungen bezüglich der Hausarbeit und Einstellung zur Hausfrauenrolle gilt natürlich nur teilweise; bis zu einem gewissen Grad überschneiden sie sich. Trotzdem war es für die Entwicklung dieser Untersuchung wichtig, Merkmale zu unterscheiden, die eher unter den einen Begriff als unter den anderen eingeordnet werden konnten. Es können im einzelnen vier Schlußfolgerungen gezogen werden, die die Einstellung zur Hausfrauenrolle betreffen.

  1. Der Grad, in dem sich die Hausfrauen persönlich mit der Hausfrauenrolle identifizieren, gestaltet ihre gesamte Einstellung zu dieser Rolle. Die Mehrheit der befragten Frauen hat ein hohes oder mittleres Ausmaß der identifikation; ein niedriger Grad der Identifikation ist ungewöhnlich. Eine hohe persönliche Identifikation mit der Hausfrauenrolle bedeutet, daß sich die Frau für die Verrichtung der Hausarbeit persönlich verantwortlich fühlt.
  2. Das Ausmaß der Identifikation mit der Hausfrauenrolle steht in Beziehung zur Art und Weise, wie die Hausarbeit getan wird. Die Frauen mit einer starken Rollenidentifizierung hatten meist eine hohe Ausprägung der Maßstäbe und Vorgehensweisen.
  3. Bei der Herausbildung der häuslichen Rollenidentifikation ist die Mutter als Rollenvorbild überaus vichtig. Mütter werden oft als Einflußfaktor genannt, der das eigene Verhalten bei der Hausarbeit prägt. Es muß nicht eine direkte Nachahmung der mütterlichen Arbeitsweisen sein: Auflehnung und Nachahmung sind jedoch im Wesentlichen Gesichtspunkte des gleichen Identifikationsvorgangs.
  4. Ebenso wichtig wie die zugrundeliegende Identifikation sind erklärte Glaubensbekenntnisse bezüglich einer "natürlichen" weiblichen Häuslichkeit und gegen die Annahme eines gleichen Ausmaßes an häuslichen Interessen und Aktivitäten bei Männern. Bei den Frauen bildet sich die Einstellung zur Hausfrauenrolle innerhalb des Rahmens einer allgemeinen Anschauung weiblicher und männlicher Rollen heraus, gemäß der Vorstellung, daß jedes Geschlecht deutlich und unterscheidbar seinen festen Platz hat. Diese Bestimmung des angemessenen geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens umfaßt nicht nur die Gleichsetzung von Weiblichkeit mit dem Hausfrauendasein, sondern auch die Art der Arbeitsteilung zwischen der Hausfrau und ihrem Ehemann.

Die Unterscheidung zwischen den Empfindungen zur Hausarbeit und den Einstellungen zur Hausfrauenrolle schließt vieles mit ein. Zunächst einmal gestattet sie uns, einige scheinbare Gegensätze über die Frage der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Frauen mit ihrer häuslichen Situation zu erklären, von denen es in der allgemeinen Diskussion nur so wimmelt, und die auch in der Forschung zu finden sind. Und zweitens bietet diese Unterscheidung eine in sich stimmige Erklärung von Schichtunterschieden und ähnlichkeiten in bezug auf Einstellungen zur und Zufriedenheit mit der Hausarbeit. Diese beiden besonderen Vorteile der Unterscheidung beider Begriffe werden durch ein für heute typisches Gespräch veranschaulicht, in dem die beiden grundsätzlichen Behauptungen, Hausfrauen seien "glücklich" bzw. "unglücklich" gegenübergestellt werden:

A Ich verstehe überhaupt nicht, warum alle so reden, als ginge es den Hausfrauen schlecht. Viele Frauen wollen doch Hausfrauen sein.
B Es ist lächerlich, zu behaupten, daß irgendjemand wirklich gerne aufwischen oder abwaschen würde. Das ist doch unmöglich! Hausarbeit ist einfach fürchterlich. Sie ist öde und langweilig. Es ist überhaupt nichts da zum Vorzeigen, alles was du heute gemacht hast, mußt du morgen wieder machen. Und dann wirst du noch nicht einmal dafür bezahlt!
A Das mag ja deine Ansicht sein, aber es ist doch eine schlichte Tatsache, daß viele Frauen gerne heiraten und Hausfrau werden wollen. Sie beklagen sich auch nicht darüber - es ist sehr wichtig für sie, ihren Haushalt und ihre Kinder zu versorgen und sie haben auch wirklich keinen anderen Ehrgeiz. Es gibt nur eine kleine Minderheit streitbarer Frauen, die deine Ansicht teilen. Du setzt die Hausfrauen herab. Es ist doch nichts dabei, Hausfrau zu sein und das auch noch zu mögen. Einen Haushalt zu führen ist bestimmt befriedigender als irgendso einen blöden Arbeitsplatz im Büro oder in der Fabrik zu haben.
B Aber für viele Frauen gibt es keine andere Möglichkeit, als Hausfrau zu sein. Nur weil es für sie keine andere Möglichkeit gibt, sagen sie, daß sie zufrieden sind und gerne Hausarbeit machen. Wenn die Dinge anders liegen würden, würden sie vielleicht ihre wirklichen Gedanken äußern ...

Bei dieser Unterhaltung spricht Teilnehmer A von der Beziehung der Frauen zur Hausfrauenrolle, während Teilnehmer B sich mehr auf die Empfindungen zur Hausarbeit konzentriert. A sagt nicht, daß Frauen Hausarbeit gern machen, sondern nur, daß sie gerne Hausfrauen sind. Und genauso sagt B zwar, daß Frauen Hausarbeit nicht mögen, behauptet aber nicht, daß Frauen es ablehnen, Hausfrau zu sein. Es ist nur ein Scheingefecht, das auf der fehlenden Einsicht beruht, daß die Bewertung der beiden Faktoren - Gefühle gegenüber der Hausarbeit und der Zugang zu der Hausfrauenrolle - nicht übereinstimmen müssen. Eine Frau kann ihre Hausfrauenrolle bejahen, die Hausarbeit selbst jedoch ablehnen; oder sie kann die Hausfrauenrolle ablehnen, sich selbst nicht als Hausfrau fühlen, und dabei gerne Hausarbeit machen.
Eine ähnliche Gewichtung des einen oder anderen Faktors gibt Aufschluß darüber, warum einige Untersuchungen über die häusliche Situation von Frauen die Zufriedenheit betonen, während andere die Unzufriedenheit hervorheben. Zum Beispiel stellen Mirra Komarovskys "Blue Collar Marriage" (Arbeiterehen) und Lee Rainwater, Richard Coleman und Gerald Handel in "Workingman's Wife" (Die Arbeiterehefrau) das Leben von Unterschichtfrauen in den USA dar, doch alles in allem mit entgegengesetzten Schlußfolgerungen: Komarovsky hebt die Zufriedenheit der Frauen mit dem Hausfrauendasein hervor, Rainwater u. a. richten ihre Aufmerksamkeit auf die Entsagungen und Unzufriedenheiten bei der Hausarbeit. Während Komarovsky die Empfindungen gegenüber der Rolle als solcher in den Mittelpunkt stellt, beschäftigt sich die andere Untersuchung vor allem mit der alltäglichen Arbeit und den Empfindungen gegenüber den einzelnen Haushaltsaufgaben. Die Unterschichtfrauen in dieser Untersuchung "beschreiben ihr tägliches Leben als "ausgelastet", "vollgestopft", "ein einziges Durcheinander", "eintönig", "stumpfsinnig"" "nur stumpfsinnig"... Sie sehen sich selber als schwer arbeitende Frauen",[1] während die von Komarovsky befragten Frauen ihr "Hausfrauendasein akzeptierten.Frauen",[2] Dieser deutliche Kontrast beider Schlußfolgerungen ergibt sich aus der unterschiedlichen Herangehensweise. Die Autoren von "Workingman's Wife" richten ihre Aufmerksamkeit auf die Empfindungen gegenüber der Hausarbeit. Komarovsky beschäftigt sich in "Blue Collar Marriage" damit, ob Frauen ihre Hausfrauenrolle bejahen oder nicht.

c) Soziale Schicht

Was trägt die Unterscheidung zwischen der Einstellung zur Hausfrauenrolle und der Gefühlshaltung zu Hausarbeit zu einer Erklärung der sozialen Schichtunterschiede bei?
Es ergaben sich in den Interviews deutliche Unterschiede zwischen Frauen aus der Unter- und der Mittelschicht; ebenso gab es auch Ähnlichkeiten bei beiden Gruppen. Das Auftreten von Unzufriedenheit mit Hausarbeit, die Einstellungen zu den einzelnen Arbeitsaufgaben, die Ausprägung von Maßstäben und Vorgehensweisen und die Identifizierung mit der Hausfrauenrolle sind einige der wichtigsten Fragestellungen, bei denen keine Schichtunterschiede deutlich wurden. Andererseits zeigten sich beträchtliche Unterschiede in den Antworten zur Frage: "Mögen Sie Hausarbeit?" und in den Antworten auf einen "Test" zur Selbsteinschätzung, der nach der ersten Hälfte des Interviews durchgeführt wurde. Vereinfacht ausgedrückt, wurde durch diese beiden Interviewtelle deutlich, daß Frauen aus der Unterschicht mit der Hausfrauenrolle und mit häuslichen Interessen und Tätigkeiten überhaupt sehr viel enger verbunden sind. Die Antworten "ja" oder "macht mir nichts aus" auf die Frage: "Mögen Sie Hausarbeit?", die hauptsächlich von den Unterschichtfrauen der Stichprobe kamen, wurden dahingehend gedeutet (S. 83), daß sich die Frauen an die Erwartung der weiblichen Zufriedenheit mit der Hausarbeit gebunden fühlten. - Diese Norm ist für die Unterschicht kennzeichnender als für die Mittelschicht, und der für die Unterschicht typische Sprachstil erleichtert ein Festhalten daran.
Der Zusammenhang dieser Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Schichten kann folgendermaßen zusammengefaßt werden: während Unter- und Mittelschichthausfrauen eine ähnliche Gefühlshaltung gegenüber der Hausarbeit haben, scheint ihre Einstellung zur Hausfrauenrolle unterschiedlich zu sein. Die Einstellung der Unterschicht ist insgesamt bejahender. Es besteht eine große Bereitschaft, eine persönliche Identifizierung mit Häuslichkeit kundzutun, und das führt wiederum dazu, Befriedigung in der Hausarbeit zu suchen. Entsprechend läßt sich bei der Mittelschichtfrau eine Neigung zur Loslösung von der Hausfrauenrolle beobachten, die jedoch auf einer sprachlichen und erkenntnismäßigen Ebene verbleibt (zumal von der Kindheit her eine Identifikation mit der Hausfrauenrolle der Mutter zugrundeliegt): anstatt nach Befriedigung durch Hausarbeit zu streben, besteht die Neigung, die Unzufriedenheit mit der Häuslichkeit zu erkennen. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, daß keines der beiden Muster zwingend ist. Einer Frau, die sich Zufriedenheit als Hausfrau wünscht, kann es passieren, daß sie sich trotz dieser Einstellung nicht über die alltägliche Unzufriedenheit hinwegsetzen kann, die bei der Hausarbeit auftritt. Ähnlich ist es bei der Erkenntnis von Unzufriedenheit mit der Hausarbeit als einer Möglichkeit (oder sogar Wahrscheinlichkeit): sie verhindert nicht, daß Zufriedenheit empfunden werden kann.
Im Bereich der Einstellung und Gefühlshaltung zur Arbeit ist die Übereinstimmung der Erfahrungen von Unterschicht- und Mittelschichtfrauen am offensichtlichsten. Allein dieser Punkt macht eine der Haupterkenntnisse dieser Untersuchung aus. Das Auftreten von Unzufriedenheit mit der Hausarbeit ist bei beiden Gruppen gleich. Wenn man bei der Einstufung nach sozialer Schicht das Merkmal des Berufs des Ehemanns durch das der Ausbildung der Ehefrau ersetzt, gibt es immer noch keinen Unterschied: Eine kürzere Ausbildungszeit ergibt keine höhere Wahrscheinlichkeit der Zufriedenheit mit der Hausarbeit als eine längere Ausbildung.Frauen",[3] In Kapitel 4 wird ein Ergebnis aus der Industriesoziologie angeführt, um diese These zu unterstützen. Arthur Kornhauser hat in seiner Untersuchung über Detrolter Automobilarbeiter gezeigt, daß durch den Beruf bedingte Unterschiede in der "seelischen Gesundheit" (zum Teil gleichbedeutend mit "Zufriedenheit") unabhängig vom Einfluß der Ausbildung bestehen. Der Anteil der Arbeiter mit guter seelischer Gesundheit nimmt ab mit dem Grad der geforderten beruflichen Fähigkeiten; und das bei der Betrachtung drei getrennter Gruppen rnit jeweils gleichem Bildungsgrad.[4] Anders ausgedrückt, das Niveau der für einen Beruf geforderten Fähigkeiten hat eine weitaus größere Bedeutung für seelische Gesundheit als der Bildungsgrad. Auf die Situation der Hausfrau übertragen, könnte man annehmen, daß es der Berufscharakter der Hausarbeit ist, der die Unzufriedenheit wahrscheinlich macht. Dieser Einfluß ist wahrscheinlich größer als die Auswirkung von Ausbildung oder irgendeiner Erfahrung im Zusammenhang mit der Schichtzugehörigkeit. Diese Schlußfolgerung erfordert eine Überarbeitung der herkömmlichen Annahme in der Soziologie, daß die unglückliche Hausfrau ein reines Mittelschichtphänomen sei. Zusammen mit anderen Ergebnissen mag sie auch als Beweis gegen die übliche Verwendung des Ansatzes dienen, der die Zugehörigkeit von Frauen zu dieser oder jener Schicht durch den Beruf des Ehemanns bestimmt. In einigen Fällen sind die Grenzen nur scheinbar, d. h. unter Umständen gibt es keine bedeutenden Unterschiede zwischen Frauen, die der Einteilung nach Schichtzugehöriekeit entsprechen würden. Die so gezogenen Grenzen zwischen den Schichten könnten tatsächlich die Aufmerksamkeit von Unterschieden ablenken, die wirklich von Bedeutung wären.

2. Hausfrauen und die Befreiung der Frau

Beschäftigte sich das erste Kapitel dieses Buches mit der Frage des Sexismus in der Soziologie, so befaßt sich dieser letzte Abschnitt mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft überhaupt. Insbesondere wird hier die Frage danach gestellt, welches Bewußtsein Hausfrauen bezüglich ihrer Lage als Frauen haben - oder entwickeln könnten. Sehen sie sich selbst als eine unterdrückte Gruppe? Spricht die Frauenbewegung sie an? Inwiefern hat die feministische Bewegung ihre eigene Ideologie und ihre Kämpfe auf die Situation der Hausfrau bezogen? Welche kämpf erische Taktik unterstützt am wirkungsvollsten die "Bcfreiung" der Hausfrauen - nämlich, zur Entwicklung eines Verständnisses der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Triebkräfte beizutragen, die die Rolle der Frau in der Gesellschaft bestimmen? Und welche Vorstellungen von den Möglichkeiten zur Veränderung dieser Rolle wurden entwickelt? Nur die letzte Frage ist als politisch' im engeren Sinne zu bezeichnen. Sie bezieht sich auf die zukünftige Taktik. Doch im weiteren Sinne können alle diese Frageri als politisch' betrachtet werden, da sie einer bestimmten Sichtweise entspringen - nämlich der feministischen. Mit anderen Worten: diese Fragen sind nur von Bedeutung, wenn es zutrifft, daß sich die Lage der Frauen von der der Männer unterscheidet, daß Frauen benachteiligt werden, daß die Trennung der Geschlechter kulturellen Ursprungs ist und daß Veränderungen der Situation der Frauen als wünschenswert angesehen werden. Daß die aufgezählten BeLauptungen der Wirklichkeit entsprechen, unterstelle ich grundsätzlich. Die Beweise hierfür werden an anderer Stelle erbracht.[5]
Wie in Kapitel 1 dargestellt wurde, könnte es den Anschein haben, daß feministische Werturteile der von der Soziologie beanspruchten Wertfreiheit entgegenstehen. Diese feministischen Werte sind jedoch anders (und fallen deshalb eher auf) als jene gängigen, männlich ausgerichteten Werturtelle, die die Blickrichtung des Soziologen beeinflussen.[6] Der zentrale Punkt wird deutlich, wenn, wie schon so oft, die Ungleichheit der Geschlechter mit der der Klassen oder Rassen gleichgesetzt wird- In nahezu allen Untersuchungen über Chancenungleichheit oder die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums unter den sozialen Schichten, wird zugleich erörtert, wie diese Ungleichheit abgebaut werden könnte.[7] Zum Teil handelt es sich dabei um die Frage, wie die Benachteiligten ein entsprechendes Bewußtsein entwickeln könnten, indem ihnen Tatsachen vor Augen geführt werden und ihr Anspruchsniveau angehoben wird. Diese praktischen Fragen gelten sowohl für die Ungleichheit der Geschlechter als auch für die Klassen- und Rassenungleichheit!
Als die Hausfrauen in der vorliegenden Untersuchung nach ihrer Meinung zur Frauenbewegung gefragt wurden, stellte sich eine vorwiegend ablehnende Haltung heraus. Das überrascht vielleicht nicht, da die Interviews Anfang 1971 durchgeführt wurden, als sich die öffentliche Meinung viel weniger mit der Frage der Befreiung der Frau befaßt hatte als heute. Acht der vierzig Frauen hatten nie von der Frauenbewegung gehört, viele bezogen sich witzelnd auf das in den Medien verbreitete Bild streitbarer Frauen, die zornig ihre Büstenhalter verbrennen. Einige sagten nur, sie hätten von der Frauenbewegung gehört, aber persönlich kein Interesse daran. Von denen, die in diesem Zusammenhang bestimmte Bereiche erwähnten, nannten die meisten gleiche Bezahlung, wobei vier dagegen waren, bzw. andere Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsplatz. Zwei Frauen beschrieben ausführlich und zusammenhängend die Art und Weise, wie Frauen zu Menschen zweiter Klasse erzogen werden. Eine stellte die Vorgänge dar, durch die kleine Mädchen zur Häuslichkeit erzogen werden; dieser Bericht entstand offenbar aus ihren eigenen Erfahrungen als Mutter eines Mädchens und Ehefrau in einer besonders unglücklichen Ehe. Die andere, die sich als "ein bißchen wie die Pankhurst" (englische Frauenrechtlerin um die Jahrhundertwende A.d.Ü.) bezeichnete, sprach von der erniedrigenden Art, wie die Männer die Frauen ansehen, empörte sich über die Schönheitswettbewerbe um "Miss World", und sagte: "Selbst in der Entbindungsklinik wirst Du wie Dreck behandelt".
Von diesen Frauen abgesehen, waren die meisten Äußerungen zum Thema Frauenbefreiung äußerst konservativ. Die Frauen betonten, daß sie es vorziehen würden, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und die herkömmlichen weiblichen Vorrechte beizubehalten, so zum Beispiel in der folgenden Antwort einer ehemaligen Sekretärin, die mit dem Leiter eines Supermarktes verheiratet ist:
"Haben Sie von der Frauenbewegung gehört?"

  • "Ja, schon. In einigen Punkten stimme ich ihnen zu, aber ich finde, daß sie ein bißchen zu weit gehen. Ich glaube nicht, daß die Frauen dafür geschaffen sind, völlig gleichberechtigt zu sein. Die meisten von uns fühlen sich gerne als Frau und mögen es, wenn jemand im Bus aufsteht, um uns seinen Platz anzubieten!"

Der Wunsch, den augenblicklichen Zustand in der Ehe aufrecht zu erhalten, steht im Einklang mit der allgemein üblichen Haltung gegenüber den Unterschieden der Geschlechter. Offenbar besteht keine Neigung, die herkömmlich weibliche Zuständigkeit für Haushalt und Familie abzulegen oder mit dem Mann zu teilen. Die Antworten auf die Frage nach der Frauenbewegung können im Widerspruch zudem stehen, was früher im Interview ausgesagt worden war. Dies wird in dem Interview mit Marilyn Thornton, Ehefrau eines Maurers, deutlich. Über die Frauenbewegung sagt sie:

  • "Ich finde sie lächerlich. Na ja, ich meine immer, der Mann sollte in jeder Familie das Sagen haben und was die wollen ist doch, daß die Frau über den Mann gestellt wird, und das wird nie hinhauen. Das setzt den Mann herab, nicht wahr? Ich meine, so wie die Dinge jetzt sind, wird die Frau nicht dadurch herabgesetzt, daß sie auf dem Platz steht, den sie heutzutage einnimmt ich meine, ich fühle mich nicht herabgesetzt, weil mein Mann einen höheren Lohn nach Hause bringt als ich."

Diese Aussagen müssen zu dem Bild in Beziehung gesetzt werden, das sie im Laufe des Interviews von ihrer Ehe gezeichnet hat. Nach Marilyn Thornton ist ihr Mann in dieser Ehe eher eine Randfigur. Sie verfügt über das Geld, bezahlt alle Rechnungen, spart, soweit etwas übrig bleibt, auf dem Konto, das auf ihren Namen läuft. Er hat keine Ahnung, was mit seiner Lohntüte passiert, nachdem er sie ihr übergeben hat, und er weigert sich, sich für die Geldangelegenheiten irgendwie verantwortlich zu fühlen. Alle Entscheidungen darüber, wo sie wohnen, was für den Haushalt angeschafft wird, wohin sie in Urlaub fahren usw. trifft sie. Sie suchte die Namen für die fünf Kinder aus; nur in einem Fall hatte er Einwände, woraufhin sie einen anderen Namen aussuchte, gegen den er nichts hatte.
Marilyn Thornton macht Witze darüber, daß sie "die Chefin" ist; sie meint, daß es ihr so gefällt und das alle in ihrem Freundeskreis so sind. Sie ist offensichtlich glücklich über das Übereinkommen, das ihr einen erheblichen Einfluß über alle Entscheidungen im Hause verleiht. In so gut wie jeder Hinsicht ist sie die Chefin. In der oben angeführten Äußerung jedoch verleugnet sie dies, indem sie sagt: "der Mann muß in der Familie das Sagen haben". Einige Frauen äußerten im Verlauf des Interviews persönliche Unzufriedenheit, stritten dies jedoch bei der Antwort auf die Frage nach der Frauenbewegung wiederum ab. Die Frau eines Lagerhausvorarbeiters zum Beispiel beklagte sich lang und breit über die Freiheit, die ihr Mann hat, und über seine Vorliebe für die Kneipe, wo er viel Zeit und Geld verschwendet. Diese Klagen mündeten in der Frage: "Das ist doch nicht gerecht, oder?" Auf die Frage nach der Frauenbewegung antwortete sie jedoch.

  • "Ja, ich habe davon gehört. Ich finde es verrückt. Wir sind schon gleichberechtigt genug, finde ich."

Klagen über die größere Freiheit der Männer in der Ehe verwandeln sich in die Behauptung, daß die Einengung der Frauen durch die Hausarbeit im Grunde "natürlich" ist. Der Ärger darüber, daß der Mann sich zu wenig an der Hausarbeit und der Kinderversorgung beteiligt, verändert sich dahingehend, daß die Frauen behaupten, sie seien gerne Hausfrau. Solche Reaktionen auf die Vorstellungen, die in der Frage nach der Frauenbewegung enthalten sind nämlich daß es Frauen gibt, die die herkömmlichen Muster weiblicher Lebenszusammenhänge zu ändern versuchen, - lassen eine beträchtliche Angst vor der Tragweite und den Auswirkungen veränderter Geschlechterrollen vermuten. Erkennbar ist auch, daß sie ganz allgemein keinen Zugang zu den Gedanken der Frauenbewegung haben.
Das Ausmaß, in dem sich die Frauenbewegung mit der psychologischen und wirtschaftlichen Situation der Hausfrau beschäftigt hat, war in den Jahren, seitdem die Bewegung autonom geworden ist, sehr unterschiedlich. Diese Veränderungen scheinen ähnlichen Schwankungen unterworfen zu sein, wie die bezüglich des Klassenbewußtseins innerhalb der Bewegung, da es eine grundlegende Tendenz gibt, "Hausfrauen" mit "Arbeiterklasse" gleichzusetzen.[8] Da die Bewegung zu verschiedenen Zeiten ein unterschiedlich deutliches Bewußtsein des Mittelschichtcharakters ihrer Anhängerschaft hatte, wurde der Hausfrau ein jeweils anderer Stellenwert im politischen feministischen Kampf zugeschrieben. Zur Zeit wird die Hausfrau zunehmend als das Zentrum des revolutionären Kraftfeldes der Frauen gesehen.[9] In gewissem Sinne trifft dies zu. Wie zu Beginn dieses Buches dargestellt wurde, kann der Begriff "Hausfrau" auf die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung angewandt werden, dies ist in der Regel auch der Fall. Folglich muß jeder Massenaufstand von Frauen seinem Begriff nach die Hausfrauen als größte beteiligte Gruppe einschließen.
Andererseits hat es den Anschein, als würde die Bereitschaft der Hausfrau zur Auflehnung geringer sein, als die anderer Frauen. Wegen der Schwierigkeit, Hausfrauen zu erreichen und zusammenzuschließen, sind sie politisch weniger zugänglich als erwerbstätige Frauen. Ein tiefliegendes Hindernis ist die Neigung der Hausfrauen, sich stärker mit der traditionellen Frauenrolle zu identifizieren. Diese Identifikation ist nicht notwendigerweise stärker unter Hausfrauen als unter anderen Gruppen. Jedoch sind die Erziehung zur Häuslichkeit, die Ausführung der häuslichen Rolle als Erwachsene und die anderen sozialen Beziehungen, in denen die Hausfrauen verwickelt sind (Ehe und Mutterschaft), alle so perfekt aufeinander abgestimmt, daß die Hausfrauen in der Welt ihrer herkömmlichen Rolle fast vollständig eingekapselt sind.[10] Je geschlossener das System ist, desto geringer sind die Möglichkeiten, darüber hinaus zu sehen. Eine Verschleierung der Unzufriedenheit der Hausfrau verschließt einen möglichen Ausweg. Es gibt für andere weibliche Rollen keine vergleichbaren sozialen Mechanismen, die die Unzufriedenheit derart planmäßig verdecken.
Diejenigen, die dieses Problem von der praktischen Seite her angehen, bieten der unglücklichen Hausfrau Teilzeitarbeit, Weiterbildung oder ehrenamtliche Sozialarbeit als (allerdings unzureichendes) Allheilmittel an. Unzufriedenheit oder "Depressionen" bei Hausfrauen ist ein bekanntes medizinisches Krankheitsbild. In diesem Fall ist die "Heilung" eine rein medizinische Aufgabe und berührt nicht gesellschaftliche (revolutionäre) Veränderungen.[11] Die populärwissenschaftliche Psychologie bezeichnet die sich beklagende Hausfrau als "nörgelnde Hausfrau", als "reizbare Mutter" oder ganz einfach als "hysterisch". Die herkömmliche psychoanalytische Erklärung geht etwas tiefer und ist daher gefährlicher. Eine unzufriedene Hausfrau ist eine unbefriedigte Ehefrau und eine unangepaßte Mutter. Die Moral von der Geschichte ist, daß sich die Unzufriedenheit mit der Hausarbeit von selber bessern wird, wenn die Probleme der Ehefrau und Mutter erst einmal gelöst sind.[12]
Dadurch, daß die Unzufriedenheit der Hausfrau durch Ursachen erklärt wird, die außerhalb der Hausarbeit liegen, wird die Identifikation der Frauen mit dem Haushalt verstärkt. Es ist sehr schwierig, aus dieser Falle auszubrechen. Inwieweit haben die Strategien der Frauenbewegung den Frauen bislang geholfen, dieser Identifikation zu entkommen? Die meisten Frauen der vorliegenden Untersuchung hatten den Eindruck, daß sich Feministinnen nicht für Hausfrauen interessierten - daß sie auf Hausfrauen "herabsehen" oder deren Beruf als im Vergleich mit der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit minderwertig betrachten. Die Antwort, die Jane Ellis auf die Frage nach der Frauenbewegung gibt, vermittelt diesen Eindruck; darüber hinaus ist sie aus einem anderen Grunde wert, zitiert zu werden. Durch die Art ihrer Kritik an einer bestimmten Fernsehsendung wiederholt sie eine der verbreitetsten Erklärungen für die Unzufriedenheit mit Hausarbeit: nämlich daß sie auf eine persönliche Unzulänglichkeit der Frau selbst zurückzuführen ist.

"Haben Sie von der Frauenbewegung gehört?"

  • "Ja, ich habe davon gehört. Was mir nicht gefällt, ist deren Einstellung, daß irgendwas daran falsch sein sollte, Hausfrau zu sein. Was mich daran ärgert ist, daß ich als Hausfrau und Mutter glücklich bin, und ich bin sicher, daß sehr viele andere Leute es auch sind. Die meinen, daß es falsch ist, glücklich zu sein - daß Du ein bißchen zurückgeblieben bist oder nicht intelligent genug - und das ärgert mich. Du bist nicht deshalb ein Dummkopf, nur weil Du Mutter oder Hausfrau bist. Ich habe neulich eine Sendung geseben, die mich außerordentlich geärgert hat. Da war ein Mädchen in meinem Alter, die hatte drei Kinder, und du hast gesehen, wie sie gewaschen hat, und dazu hat eine andere Frau darüber gesprochen, wie schrecklich es ist, Hausfrau zu sein. Um ganz ehrlich zu sein, ich habe gedacht: na, für den Anfang, liebe Frau, könnten Sie vielleicht mal ihren Herd putzen - sie saß bloß da, mit dem Kopf in den Händen und rauchte eine Zigarette und war völlig ausgeflippt; und die Kinder tobten und schrien und natürlich machten sie sie verrückt. Nun, das ärgert mich, weil, das muß überhaupt nicht so laufen diese Einstellung muß nicht sein. Natürlich werden die Kinder sie anschreien, wenn sie so herumsitzt - die spüren das doch. Ich bin sicher, daß sie nie ausgeht, Du mußt Dich aber anstrengen, um Freunde zu haben und etwas zu unternehmen. Das war es, was mich ärgerte: sie saß nur da und hatte Mitleid mit sich selber; keiner hat sie gebeten, drei Kinder zu kriegen und Hausfrau zu sein."

Dieser lange Vortrag von Jane Ellis bringt sehr gut eine Ansicht über heutige Feministinnen zum Ausdruck, die man immer wieder hört. Dieses Mißverständnis scheint etwas damit zu tun zu haben, wie die Feministinnen den Frauen außerhalb der Bewegung ihre Sichtweise vermitteln konnten (obwohl ein Teil der Schuld bei der verzerrenden Darstellung durch die Medien liegt). Selbst eine Feministin, hüte ich mich vor der leichtfertigen Behauptung, daß "die Bewegung" dies oder jenes getan hat; ich biete nur meine persönliche Einschätzung der Situation an. Diese Einschätzung beruht zum Teil auf dem, was die befragten Hausfrauen zu sagen hatten.
Die innere Bindung der Mehrzahl der Frauen an die herkömmliche Rolle der Hausfrau, Ehefrau und Mutter ist nicht einf ach eine Folgeerscheinung ihrer Stellung innerhalb bestimmter sozialer und wirtschaftlicher Gegebenheiten.[13] Diese Erklärung leugnet die Tatsache, daß die herkömmliche Vorstellung von Weiblichkeit für die Selbsteinschätzung der Frau eine Schlüsselrolle hat. Die Unterdrückung der Frau ist nicht etwas, das wie ein Regenmantel abgelegt werden kann, sobald sich das Wetter ändert. Sie ist wie ein inneres Geschwür, das mühsam ans Tageslicht gebracht und zerstört werden muß. Die vollständige Befreiung von den Zwängen einer auf Geschlechtertrennung angelegten weiblichen Erziehung innerhalb einer ausgesprochen sexistischen Kultur, setzt eine derart wirklichkeitsfremde optimistische Ansicht von der Fähigkeit des Menschen zur eigenen Veränderung voraus, daß sie wahrscheinlich nie möglich sein wird. Wir können zwar die Hauptursache des Leidens ausgraben und beseitigen, aber verschiedene verborgene Nebenzwänge bleiben weiterhin bestehen. Ein wesentliches - vielleicht das wesentliche - Mittel des feministischen Aufstandes ist ein umfassendes Verständnis der Art und Weise, in der Frauen "ihre eigene Unterdrückung verinnerlichen". Dahinter steht, daß die Verhältnisse, die die Frauen unterdrücken, nicht verändert werden können, solange nicht bei den Frauen ein Bewußtsein von der Notwendigkeit einer Veränderung vorhanden ist. Dieses Bewußtsein schließt die Kenntnis des Widerstandes ein, der sich gegen eine Veränderung richtet und dabei von den Frauen selbst kommt. Für die Hausfrauen ist es am wichtigsten, ein Bewußtsein zu entwickeln, und gerade in dieser Hinsicht sind Versäumnisse zu erkennen, die die Ausbreitung der Frauenbewegung in diesem Bereich behindert oder geschmälert haben.
Die theoretische und organisatorische Grundlage der Frauenbewegung ist es, im Zusammenhang von kleinen, unterstützenden Frauengruppen ein Bewußtsein über die eigene Lage zu entwickeln.[14] Solche Zusammenhänge könnten besonders für Hausfrauen geeignet sein, um sich ihrer eigenen verinnerlichten Zwänge zur Häuslichkeit bewußt zu werden. Ein großes Hindernis stellt jedoch die Tatsache dar, daß der Eintritt in solche Zusammenhänge die vorherige Übereinstimmung mit zwei weiteren Grundsätzen der Frauenbewegung voraussetzt: die Notwendigkeit, Männer von dem Bewußtwerdungsprozeß auszuschließen, und das Ziel, schwesterlicher Beziehungen herzustellen - was bedeutet, eine neue Art konkurrenzfreier Beziehungen zwischen Frauen anzustreben.[15] Viele Frauen haben Schwierigkeiten, sich dies vorzustellen. Innerhalb der Selbsterfahrungsgruppe kann es sogar vorkommen, daß Sexualität und Mutterschaft mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als der Hausarbeit. Das Festhalten an dem festgesetzten Leitbild der perfekten Hausfrau, wie es in den Medien erscheint, kann gemeinsam lächerlich gemacht werden. Etwas lächerlich zu machen, heißt aber, es herunterzuspielen. Wichtiger dagegen wäre aber der ernsthafte Versuch, den Kern der weiblichen Zwangslage aufzudecken und gründlich zu untersuchen, was nichts anderes heißt, als das Bedürfnis, Hausfrau zu sein, zu hinterfragen.
Selbsterfahrungsgruppen erreichen aber nur diejenigen, die in gewissem Sinne schon "bekehrt" sind. Deshalb ist es notwendig, andere Wege zu finden, um die Sympathie der Mehrzahl der Hausfrauen zu gewinnen. Eine Möglichkeit wäre, Hausfrauen über die Forderung "Lohn für Hausarbeit" zusammenzuschließen.[16] Die Argumente sind anscheinend, daß Frauen für die Hausarbeit bezahlt werden müßten und daß sie, wenn sie einen Lohn bekämen, eher in der Lage wären, politische Schritte zur Verbesserung ihrer Situation zu unternehmen. Dies scheint mir jedoch ein falscher Gedankengang zu sein. Die Forderung nach Lohn führt eher zu einer Bestätigung der Identifikation der Frau mit dem Hausfrauendasein als zu deren Zurückweisung. Es ist schwer vorstellbar, wie ein solcher Schritt die vielen Verbindungen bewußter werden ließe, die Frauen dazu bringen, ihre zweitrangige Stellung zu akzeptieren.
Eine angemessenere Taktik wäre es, die Frauen zum Nachdenken über die Ursachen ihres eigenen inneren Antriebs, Hausarbeit zu machen, anzuregen, und die Zwänge zu beleuchten, die die Frauen dazu bringen, bestimmte Normen zu erfüllen. Bei der Durchführung der Interviews fiel mir immer wieder der Eifer auf, mit dem die Frauen über Hausarbeit erzählten, ebenso ihre Erleichterung und Freude, wenn sie nach unserem ersten kurzen Austausch an der Haustür merkten, daß ich an ihren Erfahrungen mit Hausarbeit interessiert war - einem Bereich, mit dem sie unmittelbar verbunden waren und dem ihre Sorge galt. Mir wurde klar, daß das Sprechen über die Gründe, warum sie Hausarbeit in einer bestimmten Art und Weise machten, vielen Frauen (vielleicht zum ersten Mal) die Verbindung zwischen ihrem eigenen Verhalten und ihrer Erziehung bewußt wurde. Bewußtseinsentwicklung in diesem Sinne anzugehen, hätte den Vorteil, daß eine tägliche Betroffenheit zum Ausgangspunkt genommen wird und nicht ein theoretisches Problem. Das Thema Hausarbeit ist eine Grundlage, auf der weiter aufgebaut werden kann. Ein grundlegendes Verständnis des Geschlechterunterschiedes, seiner Ursachen und Folgen, kann sich aus der Vergegenwärtigung der gesellschaftlich aufgezwungenen Bindung zwischen Weiblichkeit und Häuslichkeit entwickeln - eine Vergegenwärtigung, die zugleich ein Bewußtsein davon einschließt, wie Frauen dazu gebracht werden, in ihre Unterordnung einzuwilligen. Die nicht mehr "dressierte" Hausfrau ist daher der Möglichkeit nach revolutionär.
Die Frage, welche Bedeutung die Frauenbefreiung in der Vorstellung der Mehrheit der Frauen hat, ist eng verbunden mit einer weiteren Schwierigkeit: dem Mangel an allgemeinen theoretischen Erkenntnissen über die Entwicklung der Weiblichkeit in einer nach Geschlechtern getrennten Gesellschaft. Bezeichnungen wie "Unterdrückung" oder "Unterwerfung" sind nicht dafür geeignet, ein Verständnis der vielschichtigen Vorgänge zu schaffen, die die Herausbildung der Weiblichkeit zur Folge haben. Der Weg nach vorn führt zurück, über den Weg, den das biologisch weibliche Wesen geht, um eine Frau zu "werden". Das neue feministische Interesse an Freuds Theorie erwächst aus dem Bewußtsein, daß Freud eine Beschreibung der psychologischen Strukturen liefert, durch die die Frauen auf eine untergeordnete Stellung in der Gesellschaft hin zugerichtet werden. Eine neue feministische Analyse Freuds hat möglicherweise sehr viel anzubieten.[17] Freud befaßte sich in erster Linie mit Sexualität, nicht mit Häuslichkeit. Deshalb muß in diesen Bereich über die Entwicklung der Häuslichkeit von Frauen auch eine systematische Darstellung aufgenommen werden. Wenn Frauen die Fesseln zerschlagen sollen, die sie ans Haus binden, müssen wir lernen, woraus diese Fesseln bestehen. Die Verbindung zwischen einer Identifikation mit dem weiblichen Leitbild in der Kindheit und einem Abbild des herkömmlichen Verhaltens der "stolzen Hausfrau" wie es in Kap. 6 gezeigt wurde, ist hier von Bedeutung. Das gilt auch für die Verbindung der Bezeichnung "Hausfrau" mit dem Selbstbild, das in Kap. 7 erörtert wurde. Beide stehen in Zusammenhang mit dem in Kap. 8 aufgezeigten Bild der traditionellen Rollenteilung in der Ehe. Zwar kann gesagt werden, daß die Ehemänner der befragten Frauen nicht bereit schienen, diese ungleiche Arbeitsteilung zu ändern, es ist aber auch offensichtlich, daß bei den Frauen selbst kein Antrieb in Richtung auf eine größere Veränderung zu erkennen war.
Die ungleichen Machtverhältnisse planmäßig wieder zurechtzurücken ist ein Unternehmen, das auf vielen verschiedenen Ebenen gleichzeitig stattfinden muß. Theoretische Untersuchungen bilden eine Ebene. Weiterhin müssen praktische Maßnahmen für eine institutionelle Gleichberechtigung durchgeführt werden. Drittens müssen gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Frauen abgebaut werden. Die Argumentation, daß ein größerer Nachdruck darauf gelegt werden sollte, daß Frauen ihre eigenen Vorstellungen über die Unterschiede der Geschlechtsrollen berichtigen, bedeutet nicht, Veränderungen auf anderen Ebenen in ihrer Bedeutung herunterzuspielen. Aber darüberhinaus ist unser beschränktes Vorstellungsvermögen eine Hauptschranke jeder möglichen Veränderung.