Eine nicht realisierbare sexuelle Beziehung
- Eine ideale Liebe. — Wenn sie nicht auch ihre Mutter wäre. — Oder ihre Schwiegermutter? - Die Quadratur des (Familien)-Kreises. - Unterschied in den Generationen oder historische Phasenverschiebung? - Die rätselhafte Bisexualität der Frau.
Die Konzeption des weiblichen Begehrens, die Freud darlegt -und zu deren Sprecher er sich in gewisser Weise macht -, bestimmt, ihm zufolge, auch die Wahl des Sexualpartners: die »Objektwahl«. Vergessen wir, daß die Frau sich weniger ein »Objekt« ihres Begehrens wählt, als daß sie sich als »Objekt« wählen läßt. Was dabei auf dem Spiel steht, erklärt diese »Vergeßlichkeit« hinsichtlich des Funktionierens des weiblichen (Nicht-)Begehrens zur Genüge. Also: »Wo sie [die Objektwahl] sich frei zeigen darf, erfolgt sie oft nach dem narzißtischen Ideal des Mannes, der zu werden das Mädchen gewünscht hatte.« Die geglückte Weiblichkeit selbst kann weder Anspruch auf eine Idealität erheben, noch kann sie sich selbst irgendein Ideal vorstellen. Ihr fehlt dazu der passende Spiegel. Für die Frau war und bleibt es das narzißtische Ideal, der Mann zu sein, der zu werden sie gewünscht hatte. Der Narzißmus und sein Bündnis mit einem Ideal werden abhängig sein von der phallischen Überlegenheit - die die Frau verpflichtet ist zu unterstützen. Aus diesem Grund wird sie sich denjenigen [als] Mann wählen, der sie hätte sein wollen. Das wird die Bedürfnisse des Mannes genügend befriedigen; er braucht im idealen Fall von seinem Wesen nicht abzuweichen. Um zu verführen, reicht es für ihn aus, dem perfektesten Bild von sich selbst zu genügen, so narzißtisch zu sein wie möglich, ein »absolutes« Modell des Narzißmus - das die Frau durch ihre »eigene« narzißtische Projektion stützt und das den Vorzug hat oder als Vorwand dafür dient, den weiblichen Narzißmus zu befriedigen, zu sättigen, vor allem aber zu kurieren, einen Narzißmus, der durch die Vollstreckung der Kastration zwangsläufig verletzt, gedemütigt ist: die Frau, der keine Repräsentation zusteht, die den Wert ihres Geschlechts auszudrücken vermöchte.
»Ist das Mädchen in der Vaterbindung, also im Ödipuskomplex, verblieben, so wählt es nach dem Vatertypus.«
Diese Lösung, diese Objektwahl »in Anlehnung« ist von Grund auf problematisch. Denn die Frau bezeugt so, daß es ihr nicht gelungen ist, ihre Familie zu verlassen. Deshalb das Wiederaufleben von infantilen Konflikten. Und da der Ehemann die Wünsche des kleinen Mädchens nach dem Vater übernommen hat, wird er zum Träger der ambivalenten Gefühlsbeziehungen, also auch der Feindseligkeit gegenüber der Mutter. »Der Ehemann, der zunächst vom Vater geerbt hatte, tritt mit der Zeit auch das Muttererbe an. So kann es leicht geschehen, daß die zweite Hälfte des Lebens einer Frau von dem Kampf gegen ihren Mann erfüllt wird wie die kürzere erste von der Auflehnung gegen ihre Mutter.« Als Vater dürfte der Ehemann eine Liebe, ein Begehren ganz ohne Ambivalenz, ohne »Zusammenstöße« und »Konflikte« erwarten, und dieser Wahltypus sollte das Eheglück garantieren. Aber das Wiederaufleben der Mutterfigur wird dieses Glück wieder stören.
Man staunt angesichts dieser Passage ein wenig, welch ungetrübte Harmonie eine Vaterübertragung auf den Ehemann verheißt. Als könnte so gewährleistet werden, daß die Defloration, die Verletzungs- und Vergewaltigungsphantasien oder gar deren Realität, die Ängste und Schmerzen, die möglicherweise mit der Schwangerschaft und der Niederkunft verbunden sind, ohne ambivalente Reaktionen oder irgendwelche Komplikationen (wieder) erlebt werden, ganz zu schweigen von dem Verlassen der eigenen Familie, von der Übersiedlung in ein neues Heim und der Gewöhnung, wenn es nicht geradezu eine Versklavung ist, an die Haushaltspflichten. Welche Suggestionskraft besitzt die väterliche Autorität, daß ihr solche Leistungen gutgeschrieben werden können?[159] Bedauerlicherweise wird die Mutter - »ihre« Mutter - das auf diese Weise »versicherte« Eheglück stören. Die Rebellionen der Frau richten sich niemals gegen die — geheiligte, erhabene — väterliche Rolle, sondern gegen diese mächtige, dann kastrierte Mutter, die ein kastriertes Kind in die Welt gesetzt hat, die Mutter, der gegenüber die frühen, noch nicht an die etablierte Ordnung angepaßten Triebregungen des kleinen Mädchens noch ausagiert werden konnten. Die Unentschiedenheit der Beziehung der Frau zu ihrem Anfang, zu ihrer Mutter, zu der (denen), die das selbe Geschlecht hat (haben) wie sie, taucht schließlich in der Liebesbeziehung wieder auf, jedenfalls in der ersten Liebesbeziehung, in der ersten »Ehe«. Was zu erwarten war. Und über all diese empirischen Geschichten, über all diese Konflikte in ihrer Geschichte kann sich die Frau - oder vielmehr die Weiblichkeit - nur hinwegsetzen, indem sie sich ein männliches narzißtisches Ideal zu eigen macht. Da es an einer eigenen Repräsentation des Ursprungs mangelt, entscheidet und beendet diese Wahl jeden Kampf, der durch die Konkurrenz von anderen Idealen, von anderen Überhöhungen in der Idealität hervorgerufen werden könnte.
»Eine andere Wandlung im Wesen der Frau, für die die Liebenden nicht vorbereitet sind, mag eintreten, nachdem in der Ehe das erste Kind geboren worden ist. Unter dem Eindruck der eigenen Mutterschaft kann eine Identifizierung mit der eigenen Mutter wiederbelebt werden, gegen die sich das Weib bis zur Ehe gesträubt hatte.«
Eine merkwürdige Assoziation, verknüpft damit, daß diese Identifizierung »alle verfügbare Libido an sich reißen« kann, »so daß der Wiederholungszwang eine unglückliche Ehe der Eltern reproduziert«. Die Identifizierung mit der Mutter hätte also eine Wiederholung der unglücklichen Ehe zur Folge. Was ist es, das Freud hier zur Interpretation anbietet? Die unglückliche Ehe »seiner« Eltern? Das fatale Mißlingen jeder Ehebeziehung? Das Unglück der Frau, auch wenn sie Mutter ist, in jeder Ehe? Und das Unglück des Mannes, auch wenn er Vater ist? Es ist eine merkwürdige Beschwörung der Ehe, die zwangsläufig Züge des Unglücks annimmt ...
Was die Mutter werdende Frau angeht, so gehorcht sie wie eh und je dem »alten Einfluß«: »[...] das alte Moment des Penismangels [hat] seine Kraft noch immer nicht eingebüßt.« Was unvermeidlich darin zum Ausdruck kommt, daß »nur das Verhältnis zum Sohn [...] der Mutter uneingeschränkte Befriedigung bringt; es ist überhaupt die vollkommenste, am ehesten ambivalenzfreie aller menschlichen Beziehungen«. In der Tat, »auf den Sohn kann die Mutter den Ehrgeiz übertragen, den sie bei sich unterdrücken mußte, von ihm die Befriedigung all dessen erwarten, was ihr von ihrem Männlichkeitskomplex verblieben ist«. Es ist also nicht so sehr die Tatsache des Mutterwerdens, die »eine Wandlung im Wesen der Frau [...] eintreten [läßt], nachdem in der Ehe das erste Kind geboren worden ist«, oder zumindest genügt diese einfache Tatsache nicht, um die Konflikte, insbesondere die Ehekonflikte zu lösen: Wenn sie Mutter ist wie ihre Mutter, Mutter einer Tochter, dann gefährdet die unglückliche Beziehung zwischen ihren Eltern - die eine Tochter gezeugt haben - immer noch ihre Verbindung mit dem Ehemann. Aber wenn sie Mutter eines Jungen ist - was in der Beziehung zu ihrer Mutter leider nicht zustande gekommen war und was nun, wenn es zustande kommt, für sie den Wert eines neuen Anfangs erhält und ihn als ihr Werk bestätigt -, dann findet sie, finden sie endlich »uneingeschränkte Befriedigung«. Denn durch ihren Sohn wird sie für ihre narzißtische Kränkung entschädigt, wird sie schließlich fähig, den Träger des Penis »vollkommen« und »ambivalenzfrei« zu lieben. Dies ist das Unterpfand des Familienglücks. Denn »die Ehe ist nicht eher versichert, als bis es der Frau gelungen ist, ihren Mann auch zu ihrem Kind zu machen und die Mutter gegen ihn zu agieren«. Es ist das In-die-Welt-Setzen eines Jungen, die Geburt des Sohnes, was die Quadratur des Kreises,[160] der Familie, vollbringt. Die Frau ist davon erfüllt und voller »Ehrgeiz«, sich in den Stammbaum ihres Vater-Ehemanns einzuordnen und ihn fortzusetzen. Es sind somit nicht die Wiederholung, die Re-Präsentation und Repräsentation ihrer Beziehung zu ihrer Mutter, die hier bestimmend sind, auch nicht die Entdeckung einer spezifischen Spiegelrelation zum Ursprünglichen, das Ins-Spiel-Bringen eines »Speculums«, um das sich die Mutterfunktion* (*Frz.: fonction matricielle. (Anm.d. Ü.)) drehen und wenden könnte - als Zugang zum sexuellen Begehren der Frau oder als dessen Überschreitung. Und auch nicht die Tatsache, daß die Mutterschaft für sie die einzige Möglichkeit bedeutet, als »mächtig« anerkannt zu werden. Nein, die uneingeschränkte Befriedigung leitet sich ein weiteres Mal ganz und gar aus einer ihr gewährten Vollmacht ab: einer phallischen. Wenn sie, sie selbst, demjenigen, der das Recht auf die Macht hat, das Leben (wieder) schenkt, wenn sie das Emblem der Macht (erneut) zur Welt bringt, dann hat sie vollkommen glücklich zu sein. Sie hat stolz darauf zu sein, selbst an der Manifestation ihrer anatomischen Minderwertigkeit beteiligt zu sein. In gewisser Weise wird sie zur Komplizin dieses »Schicksals«, das ihr eigener »Bauch« durch die Fortsetzung des Vorrangs von Penis und Sperma stets aufs neue proklamiert. Ihre Lust kann keinen anderen Ursprung und kein anderes Ziel haben, als das männliche Organ immer wieder zu erregen, »aufzurichten«. Daher ihre Enttäuschung, wenn sie von einem Mädchen entbunden wird. Es ist eine doppelte Demütigung: eine wenig ruhmreiche neue Darstellung und Kennzeichnung ihres Geschlechts und der Beleg ihrer Unfähigkeit, eine »gute Kopie« des wirklichen Geschlechts zu re-produzieren: den Penis. Sie ist deshalb, entgegen ihrem eigenen Begehren, erneut in und vor ein Problem gestellt, das ungelöst geblieben ist: das der Beziehung zu ihrer Mutter.
Ein Problem, das Freud, so gut er irgend kann, zum Wohle aller zu regeln versuchen wird. Es gebe, meint er, zwei Schichten in der »Mutteridentifizierung des Weibes«. Die entscheidende sei die »präödipale, die auf der zärtlichen Bindung an die Mutter beruht und sie zum Vorbild nimmt«. Diese Beschreibung entspricht kaum noch der wie auch immer partiellen und begrenzten, die Freud vorher von der präödipalen Phase des kleinen Mädchens gegeben hatte: Darin war das kleine Mädchen ein kleiner Mann, gut ausgestattet, was die anal-sadistischen Triebregungen angeht - um nur diese zu nennen —, daher aggressiv, besitzergreifend und fähig, eine geradezu »unglaubwürdige« phallische Aktivität zu entfalten. Und was ganz spezifisch die Beziehung zur Mutter betrifft, so sollten wir uns daran erinnern, daß die Wünsche »voll ambivalent, ebensowohl zärtlicher als feindselig-aggressiver Natur [sind]«; daß das Mädchen wünscht, »der Mutter ein Kind zu machen, wie [...] ihr ein Kind zu gebären«; daß es fürchtet, von seiner Mutter »umgebracht oder vergiftet zu werden«; daß es der Mutter vorwirft, »daß sie dem Kind zu wenig Milch gespendet hat, was ihr als Mangel an Liebe ausgelegt wird«; daß »die nächste Anklage gegen die Mutter aufflammt, wenn das nächste Kind in der Kinderstube erscheint«, daher »die Stärke dieser eifersüchtigen Regungen«. Man kann hinzufügen, daß die »Sexualwünsche« des Kindes, die »nicht befriedigt werden können, [...] eine reichliche Quelle für die Feindseligkeit des Kindes gegen die Mutter ergeben«; zu dieser Feindseligkeit trägt auch bei, daß »die Mutter die lustvolle Betätigung am Genitale verbietet«, einmal abgesehen davon, daß »diese frühzeitigen Objektbesetzungen regelmäßig im hohen Grade ambivalent [sind]; neben der starken Liebe ist immer eine starke Aggressionsneigung vorhanden«. Und weiter: »Jeder solche Eingriff in seine Freiheit muß beim Kind als Reaktion die Neigung zur Auflehnung und Aggression hervorrufen«, »auch die mildeste Erziehung kann nicht anders als Zwang ausüben und Einschränkungen einführen«.[161] Was immer die »zärtliche Bindung« des kleinen Mädchens an seine Mutter in jener »ersten Schicht«, von der Freud spricht, sein mag, auf jeden Fall ist sie nicht frei von Ambivalenz, Aggressivität, Feindseligkeit. Und daß das kleine Mädchen seine Mutter zum Vorbild nimmt - wie soll es das können, wenn es nichts als ein kleiner Junge ist? Wie, zumindest, auf eindeutige Weise?
In der zweiten oder ödipalen Phase ist es der Wunsch, »die Mutter zu beseitigen und beim Vater zu ersetzen«, der vorherrscht. Aber diese Phase koinzidiert bei dem Mädchen mit der Anerkennung der Kastration und dem nachfolgenden Eintritt in den Ödipuskomplex; das kleine Mädchen wendet sich aufgrund der Entdeckung seiner eigenen sexuellen Verstümmelung sowie der seiner Mutter dem Vater zu. Es handelt sich also nicht um den einfachen Wunsch, die Mutter zu beseitigen, um sie beim Vater zu ersetzen. Was sich hier abspielt, gerade in der Zurückweisung der Mutter - also nicht nur in der Identifizierung mit ihr und in dem Tötungs-Beseitigungswunsch, um sie zu ersetzen -, ist entscheidend im Prozeß des »Frauwerdens« und setzt die Entwertung des eigenen Geschlechts durch das Mädchen, also auch die Entwertung des Geschlechts der Mutter, voraus. Freud versichert an diesem Punkt der Darlegung, »die Phase der zärtlichen präödipalen Bindung [an die Mutter] ist die für die Zukunft des Weibes entscheidende; in ihr bereitet sich die Erwerbung jener Eigenschaften vor, mit denen sie später ihrer Rolle in der Sexualfunktion genügen und ihre unschätzbaren sozialen Leistungen bestreiten wird«. Diese Schlußfolgerung überrascht nach allem, was man über die sexuelle Entwicklung der Frau lesen konnte: Die Frau soll ihre »Sexualfunktion« besser ausüben, wenn sie die Mutterbindung erneuert, die vor der Entdeckung der Kastration bestand, das heißt, vor der Anerkennung der spezifischen Eigentümlichkeit ihres Geschlechts. Ebenso schwer ist diese These mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was Freud vorher über die »soziale Rolle« der Frau gesagt hat und auch weiterhin sagen wird. Aber vielleicht genügt es, ihm die Möglichkeit zu geben, fortzufahren, sich zu erklären? Nun, »in dieser Identifizierung [mit der Mutter] gewinnt sie [die Frau] auch die Anziehung für den Mann, die dessen ödipale Mutterbindung zur Verliebtheit entfacht«: Wenn die Frau dem Mann gefallen will, muß sie sich mit seiner Mutter identifizieren, mit der Mutter des Mannes offensichtlich. Das Mimen, das Spielen wird hier von ihr verlangt. Und die Kastrierung wird das Erlebnis einer Abtrennung von ihrer gesamten bisherigen Ökonomie sein. Der weibliche Kastrationskomplex wird deren Nachfolge antreten.
Die Frau kann sich also dem Ursprung zuwenden, vorausgesetzt, es ist nicht der ihre. In dieser Perspektive - der Expropriierung, der Expatriierung, nicht der Wiederaneignung - wird alles um so besser sein, je weiter sie zurückgeht, zum Beispiel in die frühe orale Phase mit ihren Merkmalen von Abhängigkeit, Passivität, auf den Zustand des einerseits gefütterten, geliebten, geschätzten, beachteten, andererseits allmächtigen Säugling-Objekts: vor die Zeit der Bißwunden und der Aggressionen. Die Frau wird die Regression auf diese »Stufe« mimen. Das Mimen drängt sich auf, auch hier, weil es die Chance offenläßt, mit den Begierden und Lüsten zu spielen, ohne das Risiko oder die Gefahr des Todes im Falle der Frustration. Und weil es nicht ausschließt, daß sie gleichzeitig die Rolle der Mutter spielt: der Mutter des Ehemanns. In diesem aufgezwungenen Spiel »wahr zu scheinen«, findet sie eine Ruhepause einzig in der Beziehung zu dem Kind, das sie zur Welt bringt. Bekommt deshalb »erst der Sohn das [...], um was er [der Ehemann] für sich geworben hatte«?
»Man hat den Eindruck, die Liebe des Mannes und die der Frau sind um eine psychologische Phasendifferenz auseinander.«
Zweifellos. Aber wie? Will Freud damit sagen, daß die Frau immer an die präödipale »Phase«, der Mann jedoch an die ödipale fixiert bleiben? Es gäbe für ihn und für sie letzten Endes nur eine Liebe: die ursprüngliche, die die Mutter — die jeweils eigene Mutter — zum Objekt nimmt. Rühren die Ehekonflikte daher? Konflikte zwischen Schwiegermüttern? Und es wäre also der Sohn, der die Frau, sehr spät, in den Ödipuskonflikt eintreten ließe. Durch das Begehren des Sohnes wäre sie endlich in die Begierden des Ödipus einbezogen: durch das Begehren des Sohnes nach seiner Mutter. Sie wäre endlich begehrt, ohne Umschweife, direkt. Von ihrem Sohn. Dann wäre klar, weshalb die Geburt eines Sohnes die notwendige Bedingung für die Stabilität der Familienzelle sein soll. Zementiert durch das Begehren des Ödipus, Vater und Sohn.
Aber diese Behauptung, die sich ganz am Ende bei Freud findet, widerspricht allem, was er unentwegt beschrieben und vorgeschrieben hat, wenn er von der sexuellen Entwicklung des kleinen Mädchens sprach. Wie soll man es verstehen? Als implizites Eingeständnis, daß die weibliche Sexualität nicht auf die zur Erklärung der männlichen Sexualität gebrauchten Kategorien zurückführbar ist, einschließlich des Kastrationskomplexes und des Ödipuskomplexes? Als Anerkennung dessen, daß die Psychoanalyse wieder einmal auf den »dark continent« der Weiblichkeit stößt? Oder ist sie ein Diskurs, der sich zwangsläufig widerspricht, wenn und weil er von der Frau handelt? Wird die Widersprüchlichkeit, die das Unbewußte charakterisiert, immer wieder den (bewußten) »Diskurs« stören, sobald das Begehren der Frau, das Begehren nach der Frau im Spiel sind? Erklärt sich daraus die Inkonsequenz, die Freud sagen läßt, daß die Frau ihre »Sexualfunktion« niemals so gut erfülle wie dann, wenn sie - gemäß Freud - ein »kleiner Mann« ist, wenn sie an ihre frühe, präödipale Männlichkeit fixiert bleibt, obschon er anschließend bedauert, daß die »Liebe« des Mannes und die der Frau um eine psychologische Phasendifferenz getrennt sind? Soll das heißen, daß der Mann zwischen der Liebe zu seiner Frau-Mutter und der zu seiner Frau-Tochter schwankt? Oder der Liebe zu seiner Frau-Sohn? Ödipus - ein Päderast? Ganz sicher. Er schwankt zwischen der Aneignung der Mutter als Sexual-»Objekt« und ihrer Aneigung durch Identifizierung. Wohingegen die Frau ihm letzten Endes seinen Sohn vorzieht. Ein Begehren, das minder listig, nicht so gewitzt ist.
Die Differenz der psychologischen »Phasen« wäre also im Grunde genommen eine Differenz der Generationen oder eine unterschiedliche Beziehung zu verschiedenen Generationen. Doch so wie die Frau in die kulturellen Systeme und in die Eigentumsverhältnisse, die den Okzident beherrschen, einbezogen ist, ist sie schlecht darauf vorbereitet, eine solche Beziehung zu mediatisieren, zu metaphorisieren, zu »verschieben«. Wenn man von einer Divergenz der psychologischen Phasen ausgeht, müßte man daher die spezifischen Formen der Integration des Mannes und der Frau in die Ökonomie der (Re-)Produktion überprüfen; man müßte dazu noch einmal untersuchen, welchen Zwang die historischen Determinierungen auf das »Psychologische« und auf die Theorien ausüben, die darüber Aufschluß geben.
Sicher, »was ich Ihnen da erzählt habe, ist sozusagen die Vorgeschichte des Weibes«. Das ist beruhigend und beunruhigend zugleich: Es ist noch nicht alles gesagt worden über die weibliche Sexualität. Doch das, was über ihre »Vorgeschichte« gesagt worden ist, impliziert eine solche Verkennung, eine solche Verneinung und Unterdrückung ihrer primären Triebregungen und Triebrepräsentanzen, deshalb auch eine solche Hemmung, eine solche Zurücknahme oder eine solche »Konversion« von Besetzungen, daß man von der kommenden Geschichte nichts Gutes erwarten kann.
»An die Vorgeschichte anknüpfend, will ich hier nur hervorheben, daß die Entfaltung der Weiblichkeit der Störung durch die Resterscheinungen der männlichen Vorzeit ausgesetzt bleibt. Regressionen zu den Fixierungen jener präödipalen Phasen ereignen sich sehr häufig.« Und »in manchen Lebensläufen kommt es zu einem wiederholten Alternieren von Zeiten, in denen die Männlichkeit oder die Weiblichkeit die Oberhand gewonnen hat«, weswegen man vermuten darf, daß sich das, was die Männer als das »Rätsel des Weibes« bezeichnen, »vielleicht von diesem Ausdruck der Bisexualität im weiblichen Leben« herleitet. Eine Bisexualität, die einerseits als »männliche Vorzeit« analysiert und begriffen wird, andererseits, durch Akzeptieren der »Tatsache der Kastration«, als »Entfaltung der Weiblichkeit«. Als Affirmation des triumphierenden Phallus und des kastrierten Phallus. Oder als »männliches« Begehren nach der Mutter und als »Neid« auf den Penis des Vaters.
Wenn die weibliche Bisexualität so begriffen wird, ist sie dann nicht lediglich eine umgekehrte Fassung des »Programms«, das sich die männliche Sexualität gibt'? Eine umgedrehte, >verkehrte< Projektion des Ziels - des Telos - der Geschichte der männlichen Sexualität? Wobei das Rätsel der Frau das Unterpfand für ein kontinuierliches Vordringen zum Wissen ist: zum absoluten Wissen. Ihm, dem Mann, käme so die Aufgabe zu, das Nicht-Wissen, das sie perpetuiert, dieses »Unbewußte«, das ihr, ohne daß sie es weiß, zugestanden worden ist, immer weiter in die Wirklichkeit des Bewußtseins eintreten zu lassen: Nicht-Wissen und »Unbewußtes«, das für sie - zumindest in dieser Geschichte — letztlich absolut ist, das aber für ihn in dem Maße entzifferbar wird, wie es ihm gelingt, sie als Subjekt zu unterwerfen und zur Hüterin des Negativen zu machen, die die Möglichkeit der Regression ins Unbegrenzte gewährt: der Regression des Bewußtseins, des Geschlechts. Tod des Bewußtseins (und) des Geschlechts, not-wendig für einen durch phallische Sublimierung vermittelten dialektischen Prozeß.
Die Bisexualität der Frau, die Unentschiedenheit, in der die Bestimmung ihres Geschlechts gehalten wird, die »Unbewußtheit«, in der sie, was ihr Verhältnis zum Geschlechtlichen angeht, verharrt, diese Bisexualität stellte also das Reservoir, die Reserve der sexuellen Differenz dar, die von ihr gerade im Nicht-Wissen für alle geeigneten Formen der Idealisierung(en) bewahrt und zurückbehalten wird: »weibliche« Bisexualität, die die Kehr- und Rückseite, die Drehung und Wendung, die Retroversion der Matrix der Geschichte (der sogenannten männlichen Sexualität) bildet, die aber rätselhaft bleibt. Das Rätsel ihrer »Unbewußtheit«, die zu immer neuer Interpretation herausfordert und die dennoch aus mancherlei Gründen »Unbewußtheit« bleiben muß. Denn nur so kann die Frau Trägerin der Repräsentanzen des »männlichen« Unbewußten sein, der Raum, in den diese sich einordnen können: die Repräsentanzen des »männlichen« Unbewußter» und des »Unbewußten« der historischen Entwicklung (der Sexualität). Für die Frau kann diese Ökonomie nur als »Vorgeschichte« gelten. Und wenn ihre Sexualität eines Tages »anerkannt« würde, wenn sie in die »Geschichte« eintreten würde, dann wäre es bereits nicht mehr diese »GESCHICHTE«.
»Das Weibliche ist weiblich aufgrund eines
gewissen Mangels an Qualitäten«
- Ein exorbitanter Narzismus. - Die Eitelkeit einer Ware. - Die Scham, ausgelöst durch eine Mißbildung. - Die Frauen haben niemals etwas erfunden, außer dem »Weben und Flechten«. - Ein neidischer Charakter. - Die Gesellschaft interessiert die Frauen nicht. — Eine geringe Fähigkeit zur Sublimierung. — »Die Frau von dreißig Jahren«.
Jedenfalls, »das weitere Verhalten der Weiblichkeit durch die Pubertät bis in die Zeit der Reife zu verfolgen, liegt nicht in meiner Absicht. Unsere Einsichten wären auch unzureichend dafür«. Der Bericht über die Geschichte der weiblichen Sexualität wird abgebrochen, bevor die Frau das Erwachsenenalter erreicht, ja, bevor man auf die Pubertät stößt. Also vor der »Entdeckung der Vagina«, der Gebärmutter? Vor dem Verlassen der eigenen Familie, dem Wechsel des Namens, der Zeit der »Ehe«, der Mutterschaft, des Stillens, lauter ziemlich entscheidende Etappen unter anderen. Über die spätere Entwicklung der Weiblichkeit »werde ich im nachfolgenden einige Züge zusammenstellen«, »Ihnen noch einige psychische Besonderheiten der reifen Weiblichkeit vorführen, wie sie uns in der analytischen Bearbeitung entgegentreten«, mit der Warnung allerdings, daß »es nicht immer leicht auseinanderzuhalten [ist], was dem Einfluß der Sexualfunktion und was der sozialen Züchtung zuzuschreiben ist«:
- »Wir schreiben also der Weiblichkeit ein höheres Maß von Narzißmus zu, das noch ihre Objektivität beeinflußt, so daß geliebt zu werden dem Weib ein stärkeres Bedürfnis ist als zu lieben.«
- »An der körperlichen Eitelkeit des Weibes ist noch die Wirkung des Penisneides mit beteiligt, da sie ihre Reize als späte Entschädigung für die ursprüngliche sexuelle Minderwertigkeit um so höher einschätzen muß.«
- »Der Scham, die als eine exquisit weibliche Eigenschaft gilt, aber weit mehr konventionell ist, als man denken sollte, schreiben wir die ursprüngliche Absicht zu, den Defekt des Genitales zu verdecken.«
- »Man meint, daß die Frauen \u den Entdeckungen und Erfindungen der Kulturgeschichte wenig Beiträge geleistet haben, aber vielleicht haben sie doch eine Technik erfunden, die des Flechtens und Webens. [...] Die Natur selbst hätte das Vorbild für diese Nachahmung gegeben, indem sie mit der Geschlechtsreife die Genitalbehaarung wachsen ließ, die das Genitale verhüllt. Der Schritt, der dann noch zu tun war, bestand darin, die Fasern aneinander haften zu machen, die am Körper in der Haut staken und nur miteinander verfilzt waren. [...] Wenn dem so ist, so wäre man versucht, das unbewußte Motiv dieser Leistung zu erraten.«
- »Daß man dem Weib wenig Sinn für Gerechtigkeit zuerkennen muß, hängt wohl mit dem Überwiegen des Neids in ihrem Seelenleben zusammen.«
- »Wir sagen auch von den Frauen aus, daß ihre socialen Interessen schwächer [...] sind als die der Männer. Das [...] leitet sich wohl vom dissozialen Charakter ab, der allen Sexualbeziehungen unzweifelhaft eignet.«
- »[…] und ihre Fähigkeit zur Triebsublimierung geringer sind als die der Männer.«
- »Ein Mann um die Dreißig erscheint als ein jugendliches, eher unfertiges Individuum, von dem wir erwarten, daß es die Möglichkeiten der Entwicklung, die ihm die Analyse eröffnet, kräftig ausnützen wird. Eine Frau um die gleiche Lebenszeit aber erschreckt uns häufig durch ihre psychische Starrheit und Unveränderlichkeit. Ihre Libido hat endgültige Positionen eingenommen und scheint unfähig, sie gegen andere zu verlassen. Wege zu weiterer Entwicklung ergeben sich nicht; es ist, als wäre der ganze Prozeß bereits abgelaufen, bliebe von nun an unbeeinflußbar, ja als hätte die schwierige Entwicklung zur Weiblichkeit die Möglichkeit der Person erschöpft.« »Wir beklagen diesen Sachverhalt als Therapeuten, selbst wenn es uns gelingt, dem Leiden durch die Erledigung des neurotischen Konflikts ein Ende zu machen.«
Nun gut. Aber:
- Auch wenn man zugesteht, daß die Beschreibung der weiblichen Objektwahl in gewissem Grade der Realität entspricht, so stellt sich doch die Frage, ob die Frau wirklich zwischen »lieben« und »geliebt werden« zu entscheiden hat. Die Wendung zur Weiblichkeit geschieht durch einen Passivitätsschub, durch die Umwandlung der infantilen Triebregungen des kleinen Mädchens in »Strebungen mit passiven Zielen«, auch durch die Beibehaltung der »Objekt-Stellung. Genaugenommen wählt, begehrt die Frau kein Liebes»objekt«, sondern sie bringt es zuwege, von einem »Subjekt« als »Objekt« begehrt zu werden. Das wirklich begehrenswerte »Objekt« ist immer der Penis, der Phallus: des Mannes (oder) der Mutter. Sie entleiht von diesem, von dieser so viel Wert, wie sie bekommen kann, wenn sie das Begehren des »Subjekts« fesseln will. Wenn sie will, daß er sich in ihr, auf dem Umweg über sie liebt. Narzißtisch in der Tat, aber nur über ein phallisches Mandat. Denn was die narzißtische Besetzung ihres Geschlechts angeht, so weiß man, daß sie darauf keinen Anspruch haben kann. Verstümmelt, beschnitten, gedemütigt ... als Frau.
- Die körperliche Eitelkeit der Frau, Entschädigung für ihre ursprüngliche sexuelle Minderwertigkeit, soll durch den »Penisneid« hervorgerufen sein. Zugestanden. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob die Frau die Wahl hat, anfällig oder nicht anfällig zu sein für die eitle Besetzung ihres Körpers, wenn sie der Weiblichkeit entsprechen soll, die man von ihr erwartet. Ob ihre sexuelle »Brauchbarkeit« es nicht gebietet, daß sie auf die Qualitäten, die »Eigenschaften« ihres Körpers achtet. Um die Begierde des Konsumenten zu erregen, zu schüren und zu erfüllen. Dieser freilich verlangt auch, darin bestärkt zu werden, daß er es ist, der das Maß der sexuellen Werte besitzt: daher die unvermeidliche Intervention des »Penisneides«. Auf diese Weise ist die »Weiblichkeit« in einen zirkulären Prozeß eingeschlossen: Da sie »ihn« nicht hat, ist sie neidisch, sie will ihn haben, weil er der Garant des sexuellen Austausches ist; aber sie hat ihn nicht und wird daher durch ihren »Neid« den Kredit, den Kurswert des »allgemeinen Äquivalents« erhöhen.
Es entsteht hier allerdings ein Problem. Den Besitz des Penis zu mimen, vorzutäuschen, er zu sein, das sind Verhaltensweisen, die die Kurswerte bei diesem Handel verderben. Die Frau kann eine Beziehung zu ihrem Geschlecht nicht mimen, nicht vortäuschen, weil es kastriert ist, weil es für sie von jeder Möglichkeit einer Idee, einer Idealität, einer Spekulation und Spiegelung abgeschnitten ist, weil ihm eine bestimmte organische »Realität« fehlt. Jedoch die Frau, die tatsächlich kein Sexualorgan hat, das den Wert monopolisiert, kann um so besser so tun, »als ob« sie es hätte, sie kann »scheinen«, es zu sein. Das ist es auch, was die Kastrationsangst des Mannes, seine Furcht vor dem kastrierten weiblichen Geschlecht von ihr verlangt, ihr als einzige Möglichkeit, ihre Triebregungen zu befriedigen, anbietet, ohne allerdings die Tragweite davon zu ermessen. Die »körperliche Eitelkeit« der Frau, die »Fetischisierung« ihres Körpers - realisiert über das Vorbild, den Prototyp des Fetisch: den Penis - sind die notwendige Voraussetzung dafür, daß sie ein begehrenswertes »Objekt« wird, und dafür, daß er Verlangen danach hat, sie zu besitzen. Sie wird ihrerseits natürlich versuchen, eine Wertsteigerung, einen höheren Preis für sich zu erhalten. Die Schminke, die Masken, mit denen sie sich verdeckt, haben den Zweck, zu betrügen, einen höheren Wert glaubhaft zu machen, als in Wirklichkeit da ist. Erklärt sich daraus, daß man hier ein Begehren erkennen kann, sich die Macht des Penis anzueignen? Oder zumindest den Wunsch, als Rivalin in die phallische Ökonomie einzutreten und deren »natürliche« Ausbeutungsfunktion zu verleugnen? Nicht so prompt, nicht so einfach. Diese sekundäre Reaktionsbildung -»späte Entschädigung für die ursprüngliche sexuelle Minderwertigkeit« -, die stets einem verächtlichen Blick ausgesetzt ist, lindert und beachtet ihre narzißtischen Kränkungen aus der Vergangenheit nicht, ihre »angeborene« Minderwertigkeit; sie behebt die Verdrängung ihrer Autoerotik nicht, einer Autoerotik, die fortan voller Scham ist. Daß sie die bürgerlich perverse Rolle der »Weiblichkeit« möglicherweise bis zu Perfektion spielt, füllt jene Spalte nicht aus, gleicht keinesfalls den Mangel an einer spezifischen Spiegelökonomie aus, in der sie selbst, für sich, eine Repräsentation ihres Werts ausbilden könnte, die sie nicht mehr nur als »Objekt« in den Austausch gelangen ließe. Das soll nicht heißen, daß sie nicht betrügen und hintergehen wird, daß sie für den Mann nicht eine gefährliche Rivalin auf dem Markt der sexuellen Äquivalente sein wird, daß er nicht glauben wird, daß nunmehr alles Gold der Erde von ihr verwertet und angehäuft wird. Oder wird es auf sie gehäuft, ja, sogar mit ihr amalgamiert? Ein in Gold verwandelter Körper - zur Befriedigung seiner autoerotischen, besitzergreifenden Triebregungen, seiner Schaulust ... - Aber die »Scham« wird bestehen bleiben, um den Defekt ihres Genitales zu bezeugen. Obwohl zweifellos konventionell, hatte sie doch einmal zum Ziel, die Unvollkommenheit, die Mißbildung der weiblichen Genitalorgane verborgen zu halten. Die Scham ist die Erinnerung, als Verkehrung, an den Kompromiß und die Verleugnung, die bei der Ausarbeitung des Fetisch beteiligt sind. Schönen Körpers, für ihn und von ihm mit Gold verziert, wird die Frau gleichwohl, was ihr Geschlecht angeht, zurückhaltend, bescheiden, schamhaft bleiben, auf diskrete Weise Komplizin ihrer eigenen Verschleierung. Sie erhält dieses Doppelspiel aufrecht, ihren Körper, ihren Schmuck zur Schau zu stellen, um ihr Geschlecht desto gründlicher zu verbergen. Denn wenn der »Körper« der Frau irgendeinen »Nutzen« hat, irgendeinen »Wert« repräsentiert, dann einzig unter der Bedingung, daß sie ihr Geschlecht dabei maskiert: dieses Nichts, das nicht zu verbrauchen, nicht aufzuzehren ist und das zudem als gieriger Mund phantasiert wird. Wie soll man eine solch leere Sache verkaufen können? Um sich zu verkaufen, wird die Frau die sexuelle Geringschätzung, die ihr zuteil wird, so gut wie möglich verschleiern müssen.[162]
- Daher die Bedeutung, die das Gewebe, die Stoffe für sie haben, um sich mit ihnen zu bedecken. So erklärte sich der einzige Beitrag der Frauen »zu den Entdeckungen und Erfindungen der Kulturgeschichte, [...] der des Flechtens und Webens«. Eine »Nachahmung« übrigens, für die »die Natur selbst [...] das Vorbild [...] gegeben hat, indem sie mit der Geschlechtsreife die Genitalbehaarung wachsen ließ«. Die Frau kann die Natur (nur) nachahmen. Kann verdoppeln, was die Natur hervorbringt, produziert. Um sie zu unterstützen, zu ergänzen, und zwar auf technische Art. Und auf paradoxe Art. Weil die Natur (das) ganz(e) ist. Aber dieses Ganze kann nicht als Nichts erscheinen, des Geschlechts zum Beispiel. Die Frau webt daher, um sich zu verhüllen, um die Mängel der Natur zu kaschieren, um die Integrität der Natur wiederherzustellen. Indem sie sie verhüllt. Eine Hülle, von der man seit Marx weiß, daß sie den »Wert« vor der richtigen Einschätzung bewahrt; daß sie den »Austausch« der Produkte ohne Kenntnis ihres wirklichen Werts ermöglicht. Abstrahierend, verallgemeinernd, die »Produkte« einander gleichsetzend, ohne Anerkennung ihrer Verschiedenartigkeit.[163] Von Freud weiß man, daß die Hülle dazu dient, dem erschreckten Blick des kleinen Jungen, des Mannes den Unterschied zwischen den Geschlechtern zu verdecken. »Es ist bekannt, wie sie auf die ersten Eindrücke des Penismangels reagieren. Sie leugnen diesen Mangel, glauben doch ein Glied zu sehen, beschönigen den Widerspruch zwischen Beobachtung und Vorurteil...«[164] Es ist eine Hülle, die fast unmerklich die Natur und ihre Arbeit in die Fetisch-Ökonomie übergehen läßt, indem sie das, was sie hervorzubringen fähig ist, der Beurteilung entzieht und es versteckt. Indem sie also Glauben und Vorurteil aufrechterhält und vor dem Widerspruch mit der »Beobachtung« bewahrt.
Aber der Widerspruch ist bereits im Schleier selbst angelegt, in der Duplizität, dem Doppelcharakter seiner Funktionsweise. Er dient dazu, einen geringeren »Wert« zu verhüllen, den Fetisch überzubewerten; gleichzeitig wird er die Bedeutung dessen verbergen und verheimlichen, was er vor der Entwertung, vor der Entehrung zu bewahren vorgibt: das, was zum Beispiel in der Kopulation wiederkehrt und, auf andere Weise, in der Zeugung. Ja, selbst das, was bei der Kopulation an Kosten entsteht, die sich offensichtlich nur schwer kalkulieren lassen und die die Geltung der herrschenden Ökonomie bedrohen, unter anderem deshalb, weil es dabei um etwas geht, das nicht gesehen, nicht erkannt werden kann, ganz gleich, was es damit auf sich hat. Es ist eine Herausforderung der Systeme der Repräsentation(en), der monetären Profit- und Verlustsysteme. Die Fetische könnten dabei vielleicht verbrennen. Daher das Flechten und Weben - um den erschreckten, vom Gold geblendeten Blick vor der Möglichkeit eines Verglühens des Eichmaßes zu bewahren. Vor dessen Schmelzen, dessen Umschmelzen bei jeder Kopulation. Ein schützendes Gewebe, zur Abwehr. Ein Hymen, ein Band, dessen »Nützlichkeit« als abschirmende Membran man ebenso berücksichtigen sollte wie seine »Brauchbarkeit« als Eheband.* (*Frz.:hymen: Jungfernhäutchen und Ehe, Vermählung. (Anm. d. Ü.)) Die »Ehe« wäre somit der exklusive Vertrag über den »Gebrauch« einer bestimmten Wert-Hülle, Ihre Aufgabe ist in verschiedenen Bereichen lokalisiert, sie gestattet vielfältige Investitionen, so etwa im Flechten und Weben, im Spinnen von zuweilen metaphorischen Fäden, es geht um die Mobilisierung, die Monopolisierung des sexuellen Wertes für die Produktion von Geweben, von Stoffen oder Texten, die das, was das Spiel, das Feuer ausmacht und in Gang hält, zum Verschwinden bringen, oft nur zum Erwerb eines eigenen Namens. Man ist auf das Richtmaß der Eigenart des Diskurses zurückgeworfen, auf Gott, Paradigma aller Eigennamen, der sich durch die Vermittlung des Wortes in einer Jungfrau (re-)produziert. Unterdessen webt die Frau, um die Verleugnung ihres Geschlechts aufrechtzuerhalten.
Ihr Geschlecht entspricht ebenfalls gewebtem Stoff, hat mehrere Schichten und die Möglichkeit zur Verdoppelung, mindestens in zweifacher Form. Die Frau und die Mutter verdoppeln sich nicht auf identische Weise (und die Frau verdoppelt sich in der Mutter nicht auf identische Weise). Die Funktion der Hülle, der Verhüllung ist nicht dieselbe: Eine Scheide umhüllt nicht auf gleiche Art wie eine amniotische Membran. »Zum Beispiel.« Auch die Rolle des Schleiers, der die Fetisch-Illusion aufrechterhält, ist verschieden. Denn diese Illusion verschleiert mehr als eine Verleugnung.
Wenn man den Akzent auf die Verleugnung der Kastration der Mutter legt, hat man schon die Gefahr geleugnet, daß die Fetische bei der Kopulation verbrennen könnten. Wenn man sich vor dem Anblick des fehlenden Penis der Mutter hütet, hat man bereits die sexuelle Macht, die Kraft ihrer Lust geleugnet, der Lust überhaupt. Indem man das männliche Organ fetischisiert, mit dem man sie möglicherweise ausstatten wird, nach dieser Konsekration. Die Mutter wird ein weiteres Mal die Frau maskiert haben. Denn der Schleier besagt auch: Die Matrix, die Gebärmutter, das Mütterliche müssen das Geschlechtliche, das Vaginale (wieder) einhüllen. Die Membran, die das Produkt umgibt, die die Arbeit der (Re-)Produktion unterstützt und verbirgt, muß die Lust und das, was dabei auf dem Spiel steht, einschließen, verschließen und verbergen. Das Feuer der Lust, das jede Fetisch-Ökonomie bedroht, die ihrerseits die Schleier hier und dort verwendet, in allen Äquivalenzsystemen. Die Bedingung, unter der sich diese realisieren können, bleibt weiterhin die Verkennung der sexuellen Differenz. - »Daß man dem Weib wenig Sinn für Gerechtigkeit zuerkennen muß, hängt wohl mit dem Überwiegen des Neides in ihrem Seelenleben zusammen.« Die Frau, die diese »Verarbeitung des Neides«, die für »die Gerechtigkeitsforderung« nötig ist, nicht leisten konnte, kennt nicht »die Bedingung, unter der man ihn [den Neid] fahren lassen kann«. Der »Neid« (das »Verlangen« der Frau hat keine Ökonomie gefunden, kein Recht, keine Rechtsprechung, die die Modalitäten regeln würden, nach denen sie ihn ausüben oder »fahren lassen« könnte. In der Tat, die Bedürfnisse und Wünsche des kleinen Mädchens sind »latent« geblieben: unterdrückt, gehemmt, verdrängt, in Haß (auf die Mutter), in Mißachtung (des weiblichen Geschlechts) verkehrt, etc. - Vorgänge, die den Trotz, die Lüsternheit, die Triebspannungen zwar verstärken, aber ihnen kein Maß geben. Aus dieser »Katastrophe« der Libido, die die Entdeckung der Kastration für das Mädchen darstellt, resultiert der »Penisneid«, der die Etappen des »Frauwerdens« skandiert, verbindet und dabei seine Entfaltung gewährleistet.
Dieser »Neid« indes hat nicht nur mit der Gerechtigkeit zu tun. Er unterstützt den Kult des Prototyps des Fetischs. Er kann als religiöse Neigung gedeutet werden. Es sind »mystische« Werte, für die die Frau empfänglich gemacht wird: durch den Aufschub, die Zensur ihrer Triebregungen; durch das, was von ihrer frühen Kindheit, der »präödipalen Phase«, rätselhaft bleiben wird, dunkel, »dark continent«; auch durch die Enthüllung des männlichen Organs als Signifikant der Allmacht; durch ihre Marginalität in bezug auf die Systeme des Austauschs; durch ihre »Passivität«, auch ihren »Masochismus«, etc. Es ist darüber hinaus der religiöse Dienst, mit dem sie betraut wird, dessen Hüterin sie wird — eine Funktion, die nicht dem Recht, der Gerechtigkeit untersteht, ja, die sich ihr sogar widersetzen kann. Die Verehrung des Phallus trotzt den Gesetzen der Stadt, setzt sich über ihre Entscheidungen und ihre Sanktionen hinweg. Sie verspottet den mehr oder weniger legitimen Charakter eines Konflikts zwischen den Männern. Ihr ist nur wichtig, das phallische Emblem vor dem Zerfall zu bewahren, seine Zersetzung zu verdecken, seine Verwesung zu verbergen, es vor Verhöhnung, Bedeutungslosigkeit, Entwertung zu schützen. Auch wenn sie dabei sterben muß, die Frau wird ihren Auftrag erfüllen. Jungfrau? Ihre Tat ist dadurch erst recht vorbildlich. Vom König verurteilt? Um so wirkungsvoller hat sie die Widersprüche des Systems aufbrechen lassen. Das unwürdige Wüten des Souveräns demonstriert es zur Genüge. Denn wenn die Frau die Attribute der Macht des Königs, Richters oder Kriegers nicht blindlings, religiös und andächtig stützt, dann gerät sie in Gefahr, zu verfallen oder nutzlos zu werden, da es sich immer darum handelt, Rivalitätskämpfe zwischen Männern um eben diese Macht zu schlichten. Das heißt, wenn Antigone unter Mißachtung des Szepters des Königs und des Penis seines Erben so laut proklamiert, was dem »phallischen« Reich der Mutter, dem Recht des Blutes angehört, dann war das in einem patriarchalischen Regime, in dem das Wiederaufleben der Beziehung der Tochter zur Mutter immer Konflikte heraufbeschwört, kaum tolerierbar.
Um auf die Gerechtigkeit zurückzukommen, auf den »Sinn für Gerechtigkeit«: Man könnte sich fragen, wie die Frau dazu kommen soll, angesichts ihres Ausschlusses aus der Praxis der Tauschbeziehungen, in denen sie nur als Ware erscheint. »Könnten die Waren sprechen«, würden sie vielleicht sagen, was sie von der Bewertung ihres Preises halten, ob sie ihren Status richtig finden und auch die Machenschaften ihrer Besitzer. Was die »Verarbeitung« ihres Neids, ihres Verlangens angeht, so scheint es kaum möglich, daß sie lernen, wie man damit der »Gerechtigkeitsforderung« gemäß umgehen kann. Denn selbst ohne zu sprechen, »können [sie] nicht selbst zum Markt gehen«. Ihnen bleibt nur übrig, das »Verlangen« der Käufer zu unterstützen: das Verlangen ihrer »Hüter«. Diese müssen sich selbstverständlich »zueinander als Personen verhalten [...], sich daher wechselseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein Willensverhältnis«. Sicher ist bei diesen mehr oder weniger legalen Operationen der »Wert« der Waren ausschlaggebend, aber sie, die Waren, haben, was sie selbst angeht, nichts zu sagen, nichts zu verlangen, kein Bedürfnis und keinen Wunsch zu äußern, keinen Kauf oder Verkauf auf ihre Rechnung zu tätigen. Im Höchstfall sind sie »femmes folles de leurs corps«*, (*Von Marx auf französisch zitiert. Vgl. Das Kapital, in: MEW, Bd. 23, S. 99. (Anm. d. Ü.)) was den Handel nur erleichtern wird. Sie sind Garantinnen des »Verlangens«. Dies ist die der Frau zugewiesene Rolle, deren Ausübung, selbst wenn es geringfügige Komplikationen mit sich bringt, für ein gutes Funktionieren der bestehenden Ordnung der Dinge unabdingbar ist.[165] Unabdingbar also für die Perpetuierung des Phallozentrismus. Denn wenn die Frau kein Verlangen nach dem hätte, was er hat, dann könnte es sehr schnell so erscheinen, als sei die phallische Konzentration von irgendeiner Exzentrität bestimmt. Das Problem ist vielmehr, daß es für sie schwierig ist, nicht lediglich Regelungen der Gleichstellung in einem Recht zu fordern, das bisher allein den Männern oder jedenfalls der »Männlichkeit« vorbehalten war und dessen Anwendung durch die phallische Hegemonie vorgeschrieben und gekennzeichnet ist. Und ohne Kenntnis dessen, was ihr zusteht, ohne Bewußtsein ihrer Verdienste, ihres Werks, der möglichen Besonderheit ihrer Rolle in der Ökonomie des Austauschs kann die Frau nur gleiche Rechte wie die Männer - oder »Äquivalente« - reklamieren und »verlangen«. Es ist ein historisch fraglos unvermeidbarer Augenblick, daß sie sich als Unterworfene, als Opfer, als vom Schicksal, vom Narzißmus des Penis Unterdrückte darstellt und darstellen wird, mit dem einzigen Ziel, sich solche Privilegien anzueigenen: eine sexuelle Revolte, Revolution, die die Dinge einfach umkehrt und die eine ewige Wiederkehr des Gleichen heraufbeschwört. Freud hat daher in gewisser Weise recht, die »Feministinnen« zurückzuweisen, wenn man davon absieht, daß die Gründe, die er nennt, untauglich sind und nur belegen, daß er die Bedeutung des Problems verkennt. - Um so mehr, als es sich um die socialen Interessen der Frauen handelt. Denn obwohl die Befreiung der Sexualität eine Forderung, insbesondere eine »feministische« Forderung ist, deren Worte und Begriffe zuweilen oder sogar häufig ungeschickt gewählt, schlecht formuliert, zuwenig präzise sind und daher zu Spott und Ironie Anlaß geben - eine billige Ironie für denjenigen, der über Sprache verfügt und ihren Gebrauch nicht erst erwerben muß, um ihn dann wieder umzustürzen -, so sind die Forderungen, die die sozialen Rechte dieser »Emanzipierten« betreffen, die Rechte derer, die zumindest hoffen, emanzipiert zu sein, viel schwerer zu umgehen. Sicherlich, letzten Endes geht es nicht darum, die gleichen Vorrechte zu verlangen. Aber es ist notwendig, daß die Frauen das Gleiche, die gleichen Rechte erreichen, damit die Reflexion der Unterschiede, die daraus entstehen würden, möglich, notwendig wird. Denn daß »ihre sozialen Interessen schwächer [...] sind als die der Männer«, ist offensichtlich. Die Zweideutigkeit, die Doppelsinnigkeit dieses Ausdrucks genügt als Kommentar. Warum sollten sie sich für eine Gesellschaft interessieren, die sich für sie nicht interessiert? Eine Gesellschaft, die ihnen lediglich durch die Vermittlung derjenigen Interesse entgegenbringt, die de jure und de facto an ihr interessiert sind. Aus »männlichem Protest«? Das bringt ihnen möglicherweise mehr Schaden ein als Interesse. Aus Masochismus? Im sozialen Feld verschafft der Masochismus keinen großen Genuß. Wie soll man außerdem am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wenn man nicht über etwas Tauschgeld verfügt, wenn man nichts Eigenes als Eigentum besitzt, das man zu den Besitztümern des anderen, der anderen in ein Verhältnis setzen könnte?
Nun, was die »sozialen Interessen« angeht, so leitet sich die Inferiorität* (*In der frz. Übersetzung des Textes von Freud wird in diesem Zusammenhang explizit von »Inferiorität« gesprochen. (»En ce qui concerne l'interet social, l’inferiorite de la femme est due …«)) Tm Original kommt dieser Begriff nicht vor. (Anm. d. Ü.)) der Frau »wohl vom dissozialen Charakter ab, der allen Sexualbeziehungen unzweifelhaft eignet. Liebende finden aneinander Genüge und noch die Familie widerstrebt der Aufnahme in umfassendere Verbände.« Oder, die soziale Minderwertigkeit der Frau verdoppelt ihre sexuelle Minderwertigkeit und/ oder umgekehrt: Es ist ein Teufelskreis, der nur schwer aufzubrechen ist, aus dem man nur schwer herauskommen wird. Man weiß zum Beispiel, was der Frau aufgrund ihrer »Konstitution« an gesellschaftlichen Vorteilen verwehrt wird, aber man vergißt zu rasch, daß die Einschätzungen dieser Konstitution den gesellschaftlichen Bedingungen entsprechen, die man der Frau zugesteht. Unter dem Vorwand, eine »Natur« nachzuahmen, zu unterstützen, deren Konzept man selbst geschaffen hat - man dreht sich immer im Kreis -, erhält die Gesellschaft den Frauen gegenüber »mehr Zwang« aufrecht, trägt »ihren Ansprüchen weniger sorgfältig Rechnung als im Falle der Männlichkeit«, so daß die Formulierung »weibliche soziale Interessen« jede Rechtfertigung vermissen lassen würde. Ebenso wie die von »weiblicher Libido«? Warum benutzt man dann das Argument, die Frau bekunde Desinteresse an öffentlichen Dingen, weil sie stärker von den sexuellen Beziehungen absorbiert sei? Weil »die Liebenden [...] aneinander Genüge finden«? Die Frauen seien häufig »frigide«, aufgrund des »Schicksals« ihrer Libido, die Liebe sei ihnen fast unmöglich aufgrund ihres »Penisneids«, etc.
All das ist unzweifelhaft sehr »dunkel«, und es wird »dunkel« bleiben, solange die Frau und die ihr zugeschriebenen Verhaltensweisen nicht als »Reaktionsbildungen«, als »nützliche« Vorschriften in bezug auf die Männlichkeit interpretiert werden. Jede andere Erklärung, die versucht, die »Weiblichkeit« auf die »Frau« zu münzen - auf die Konstitution, das biologische Schicksal, den Kastrations- und auf den Ödipuskomplex, auf Frigidität, den Penisneid und außerdem auf Eitelkeit, Scham und das Weben -, kommt zu Aussagen, deren Widersprüche erstaunen machen, in einer männlichen Argumentation, Widersprüche, die sich vor allem durch die geringe Aufmerksamkeit, das geringe Interesse (?) erklären könnten, die Freud der socialen Dimension der Liebesbeziehungen widmet.
Marx definiert das Verhältnis des Mannes zur Frau als Ausdruck des Verhältnisses des Menschen zum Menschen, besonders im Hinblick auf die Formen der Ausbeutung in diesem Verhältnis.[166] Ursprung, Praxis, Reflex - es ist offensichtlich, daß das Sexualverhältnis nicht von der allgemeinen Ökonomie getrennt werden kann, in der es praktiziert wird. Und die geringen gesellschaftlichen Interessen der Frauen in Begriffen einer zu ausschließlich -notwendigerweise »dissozialen« (?) - sexuellen Präokkupation begreifen bedeutet, daß man vergißt, bis zu welchem Grad die Modalitäten des Sexualverhältnisses durch die Gesellschaft bestimmt sind und welche dauerhaften Folgen das in der Gesellschaft hat. Daß in der Verteilung der gesellschaftlichen Aufgaben der Frau die Pflege und Sorge um »das Sexuelle«, die »Liebe« zugewiesen wird - und das unterstellt der Freudsche Text -, läßt bereits die Frage entstehen, von welchen Frauen er spricht; ob seine Aussagen für alle Gesellschaften, für alle Klassen gelten. Anders ausgedrückt: Welche ökonomische Infrastruktur bestimmt Freuds Konzeption der Rolle der Frau? Einmal abgesehen davon, daß er ihr den Mangel an sexuellen, psychologischen, sozialen, kulturellen Fähigkeiten zur Last legt - eine Misogynie, die man sehr wohl als ideologisches Unterpfand der bestehenden Eigentumsverhältnisse verstehen kann.
Denn die Arbeit der Frau - gestehen wir vorläufig sogar zu, daß sie vor allem »liebevoller«, »familialer«, »häuslicher« Art ist - hatte nicht immer den Charakter von Abgeschlossenheit, von sozialer Isolierung, den Freud feststellt und den er als »Mangel an sozialen Interessen«, als »soziale Inferiorität der Frau« bezeichnet. Erst mit der patriarchalischen Familie, vor allem mit der monogamen Einzelfamilie verlor die Führung des Haushalts »ihren öffentlichen Charakter« und reduzierte sich auf einen »Privatdienst«: »Die Frau wurde erste Dienstbotin, aus der Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion verdrängt.«[167] Und die folgenden Eigentumssysteme: Sklavengesellschaft, feudale, kapitalistische Gesellschaft - sie haben nicht viel an dem Faktum geändert, daß das Familienoberhaupt die Frau als »einfaches Produktions-(Reproduktions-)Instrument«[168] besitzt. Der Heiratsvertrag war häufig ein impliziter Arbeitsvertrag, aber als solcher nicht juristisch sanktioniert, was die Frau um das Recht auf ganz legitime soziale Ansprüche gebracht hat: Lohn, Arbeitszeit, Ferien etc. Eine »au pair«-Frau, die die Hausarbeit besorgt, im Entgelt für Verpflegung, Unterkunft, Kleidung ... »Die moderne Einzelfamilie ist gegründet auf die offene oder verhüllte Haussklaverei der Frau. [...] Der Mann muß heutzutage in der großen Mehrzahl der Fälle der Erwerber, der Ernährer der Familie sein, wenigstens in den besitzenden Klassen, und das gibt ihm eine Herrscherstellung, die keiner juristischen Extrabevorrechtigung bedarf. Er ist in der Familie der Bourgeois, die Frau repräsentiert das Proletariat.[169] Als nicht anerkannter Arbeitsvertrag verschleiert der Heiratsvertrag auch einen Kaufakt des Körpers und des Geschlechts der Frau: »[...] die Frau, die sich von der gewöhnlichen Kurtisane nur dadurch unterscheidet, daß sie ihren Leib nicht als Lohnarbeiterin zur Stückarbeit vermietet, sondern ihn ein für allemal in die Sklaverei verkauft«[170]; »die junge Tochter, ist sie nicht eine Ware, zum Verkauf ausgeboten für den ersten besten, der das exklusive Eigentum dieses Mädchens erhandeln will? [...] Wie in der Grammatik zwei Verneinungen eine Bejahung ausmachen, so gelten in der Heiratsmoral zwei Prostitutionen für eine Tugend.«[171] Man könnte noch viele Analysen dieser Art zitieren. Folgende etwa: »Die Frau ist ein Eigentum, das man vertragsmäßig erwirbt und zwar ein bewegliches Eigentum, denn der Besitz ist so gut wie der Besitztitel.«[172] Etc.
Der Vertrag wird in der Regel zwischen dem Vater und dem Ehemann geschlossen - ebenso, auf andere Weise, zwischen dem Zuhälter und dem Kunden -, wobei die Virginität der zusätzlich gelieferte Wert ist, zusätzlich auch zur Mitgift, im Austausch gegen eine bestimmte Arbeitskraft, eine bestimmte Garantie an Leistungsvermögen, die von dem Ehemann gefordert werden (man versäumt freilich zu sagen, daß das auch von der »Ehefrau« gefordert wird, jedenfalls was die Arbeitsfähigkeit betrifft). Oder all das wird zwischen den beiden Familienoberhäuptern ausgehandelt, gemäß den jeweiligen Vermögensverhältnissen und den beiderseitigen ideologischen Interessen. Die Vereinbarung über den Wechsel der Frau von einem »Haus« zum anderen, in dem sie von nun an einem anderen »Familienkreis« angehört, wird auf jeden Fall zwischen zwei Männern getroffen. Und so wie der Vater die Virginität seiner Tochter als einen für den »Austausch« notwendigen Wert schützen muß, so wird der Mann seine Frau im Haus festhalten, um die Ansammlung seiner Reichtümer an einem Platz und ihre Übertragung ausschließlich auf seine eigenen Kinder sicherzustellen. »Die Monogamie entstand aus der Konzentrierung größerer Reichtümer in einer Hand - und zwar der eines Mannes - und aus dem Bedürfnis, diese Reichtümer den Kindern dieses Mannes und keines anderen zu vererben. Dazu war Monogamie der Frau erforderlich, nicht des Mannes, so daß diese Monogamie der Frau der offnen oder verdeckten Polygamie des Mannes durchaus nicht im Wege stand.«[173] »Und endlich [...] haben wir nicht gesehen, daß in der modernen Welt Monogamie und Prostitution zwar Gegensätze, aber untrennbare Gegensätze, Pole desselben Gesellschaftszustandes sind?«[174] Übrigens sind diese beiden Pole in der traditionellen monogamen Ehe miteinander verbunden; sie ist die legale Form einer Prostitution, die sich nicht dazu bekennt und, durch Verleugnung, den Moralismus produziert. Sei es aus diesen oder anderen Gründen, jedenfalls steht fest: »Die Familie widerstrebt der Aufnahme in umfassendere Verbände«. Ihr widerstrebt, daß die Frau das Haus verläßt. Was sie in einem ökonomischen Abhängigkeitszustand hält, der alle Formen der Unterdrückung ermöglicht, so zum Beispiel, daß die Frau »nach wie vor Haussklavin ist, trotz aller Befreiungsgesetze, denn sie wird erdrückt, erstickt, abgestumpft, erniedrigt von der Kleinarbeit der Hauswirtschaft, die sie an die Küche und an das Kinderzimmer fesselt und sie ihre Schaffenskraft durch eine geradezu barbarisch unproduktive, kleinliche, entnervende, abstumpfende, niederdrückende Arbeit vergeuden läßt«.[175] Ein Zustand, der durch Aufrechterhaltung des privaten Charakters der Güteraneignung erzwungen wird, durch das Fortbestehen der Einzelfamilie als ökonomische Zelle der Gesellschaft: »Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.«[176]
Natürlich ist es für die bestehende Macht niemals wünschenswert, daß der oder die Unterdrückte sich für seine oder ihre soziale Lage interessiert, daß er oder sie sich über ihre »soziale Minderwertigkeit« Gedanken macht. Wenn die der Frau seit Jahrhunderten übertragene ökonomische Funktion impliziert, ja, die Erklärung dafür ist, daß sie den »öffentlichen« Problemen wenig Aufmerksamkeit schenkt, dann muß man annehmen, daß mächtige Interessen sie heute noch von solchen Beschäftigungen abbringen wollen. Bestimmen sie in letzter Instanz den Freudschen Diskurs über die Sexualität der Frau? Gewiß hat Freud nicht unrecht, sofern er einen Tatbestand beschreibt. Aber seine Aussagen sind durchaus normativ und regeln eine Praxis. - Das gilt um so mehr, als »ihre Fähigkeit zur Triebsublimierung geringer ist als die der Männer«. Das verleiht der Übertragung, die sich an den Analytiker - den Vater, Mann, Ehemann - heftet, sowie dessen Gegenübertragung erst recht zwingende Kraft, macht ihre Auflösung auf dem Wege der Interpretation noch problematischer.
Daß die Frau eine geringere Fähigkeit zur Sublimierung hat als der Mann - abgesehen von einigen individuellen Schwankungen —, hat seine Voraussetzung in der Sublimierung selbst: in ihrem Zweck, in ihren Bedingungen und Modalitäten. Und, um auf den Vergleich - auf die »geringere Fähigkeit« - zurückzukommen: Freud hat die weibliche Sexualität hier wieder einmal als eine geringere männliche Sexualität gedacht. Nun, das ganze »Frauwerden«, das er beschrieben hat, erklärt, weshalb die »Weiblichkeit«, wenn sie vollendet ist und gerade wenn sie vollendet ist, nicht sublimieren kann. So funktioniert etwa das »Über-Ich« auf eine Weise, die die Sublimierung nicht begünstigt. Die Mutter, Trägerin der primären Identifizierung, enthüllt sich als kastriert, als entwertet also; sie ist, was die Identifizierung mit dem »Vatervorbild« - der archaischen phallischen Mutter oder dem Vater -angeht, der Frau auf doppelte Weise verboten: Der Penis repräsentiert das Objekt des Begehrens, das man nicht völlig introjizieren kann; das Über-Ich, das aus dieser Identifizierung resultierte, wäre »männlich«. Die Frau wird deshalb in einem Zustand der infantilen Abhängigkeit gegenüber einem phallischen Über-Ich verbleiben; es ist ein strenges, ihr »kastriertes« Geschlecht verachtendes Über-Ich, dessen Grausamkeit eher die Proliferation masturbatorischer Phantasien und Praktiken begünstigen wird als die Hervorbringung »kultureller« Werke, männlicher Werke im übrigen.
Die Sublimierung impliziert gleichzeitig die Mobilisierung der narzißtischen Libido, die Umwandlung der sexuellen Libido in de-sexualisierte Energie im Dienste des Ich. Doch ganz abgesehen davon, daß die Definition des »Ich« bei der Frau Probleme macht: Das Minderwertigkeitsgefühl, an dem sie leidet, das aber zwangsläufig mit der sexuellen und sozialen Rolle, die sie ausfüllen muß, verbunden ist, befördert bei ihr nicht gerade die Entwicklung der narzißtischen Libido. Es sei denn, sie identifiziert sich mit männlichen Vorbildern, die sie zum »männlichen Protest« führen; oder sie repräsentiert, aus Gefälligkeit, für den Mann den Penis, macht sich in seinem Auftrag zur Fetisch-Trägerin, stellt das begehrenswerte »Ding« dar - ein »Ding«, dessen »Fähigkeit zur Triebsublimierung« augenscheinlich gering ist. Das erinnert daran, daß die Frau in der Wirkungsweise der sexuellen Differenz immer den Pol des »Objekts« darstellen muß. Sie wird daher zu jenem »Wechsel des Objekts« im Prozeß der Sublimierung kaum fähig sein. Hinzu kommt, daß die Sublimierung von sozialen Interessen bestimmt wird, die sie ja wenig betreffen.
Im übrigen weiß man, daß die Triebenergie des kleinen Mädchens aufgrund seines »Kastrationskomplexes« einer starken Unterdrückung ausgesetzt wurde. Es wird ihm also wenig Energie übrig bleiben, die sich in Sublimierungsprozesse umsetzen ließe. Mit Mühe und Not wird es »die Wendung zum Vater« ausführen können, »wenn dabei nicht zu viel durch Verdrängung verloren geht«. Und vergessen wir nicht die lange und schwierige Arbeit, die bis zur »Vollendung der Weiblichkeit« notwendig ist.
Muß man hinzufügen oder wiederholen, daß der Frau eine für sie spezifische Ausbildung oder Umsetzung der psychischen Repräsentanzen ihrer Trieb-Objekt-Ziele unmöglich ist? Die Gründe dafür liegen in dem »untauglichen« Zugang der Frau zur Repräsentation, in ihrem Eintritt in eine spekulative Spiegelökonomie, die ihre Triebe ohne Zeichen, Symbole, Embleme, sogar ohne Schriftbilder läßt, die geeignet wären, sie darzustellen. Ihre Triebziele sind außerdem einer überaus zwingenden Verdrängung unterworfen; sie finden Ausdruck einzig in einer somatischen Stenographie: nicht in Worten, sondern in Kryptogrammen. Ersatz für die Phantasien, die sie selbst nicht hat, es sei denn als masochistische Rück-Wendung ihrer beschnittenen Wünsche oder, im Auftrag, als Gehilfin des »Penisneids«. Es handelt sich hier nicht mehr um Phantasien, die ihren Triebregungen, insbesondere den primären, entsprächen. Von diesen weiß man nichts, außer vielleicht im Traum. Das Begehren der Frau äußert sich einzig in Träumen. Seine Darstellungsformen bleiben allen »bewußten« Instanzen ganz und gar fremd und äußerlich. Rätselhafte »Somatisierungen«, hysterische »Träume«, in denen man »ein Zerrbild einer Kunstschöpfung«[177] sehen könnte. Die von der Frau bevorzugte Neurose wäre also das »Mimen« eines Kunstwerks, ein schlechtes Kunstwerk oder die Nachahmung davon. Sie produziert sich als Nachahmung, als Parodie eines künstlerischen Prozesses. Sie ist zum ästhetischen Objekt geworden, das freilich wertlos und verwerflich ist, weil es auf Simulation beruht. Stigmatisiert als Fälscherin. Weder ist sie »Natur« noch hat sie eine Technik zur adäquaten Re-Produktion der Natur. Trick, Täuschung, Finte, Falle - das ist das gesellschaftliche Urteil, das sie sich für die hysterische Darstellung, die hysterischen Szenen, Dramen, Pantomimen einhandelt. Und wenn die Frau versucht, auf diese Weise die öffentliche Anerkennung ihrer Triebregungen zu erzwingen, dann wird sie diese Forderung, diese Demonstration durch Spott, durch Verwünschungen, mit Folter büßen oder durch eine verkürzte Interpretation, durch den Appell an den gesunden Menschenverstand, an die Vernunft. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Fälschungen zu verbieten. Und die Hysterikerin, die einen Schein vorführt, eine Verstellung, die das - natürliche oder gesetzlich sanktionierte - Maß überschreitet und mißachtet, muß bestraft werden, muß unterdrückt, gedemütigt, freiwillig oder mit Zwang zur Sittsamkeit zurückgebracht werden. Askese, Anstand, Schamhaftigkeit, das sind die Formen der »Sublimierung«, die von der Frau verlangt werden. Lassen wir sie noch ein wenig in ihrer »Latenz«, und betrachten wir für einen Augenblick die Bedeutung, auch die gesellschaftliche, des Sado-Masochismus.
Diese Proliferation von falschem Schein, die Verstellungen, die von der Hysterikerin in Umlauf gesetzt werden, machen die Erinnerung an die Rolle des Blutes erforderlich: des roten Blutes. Die Frau, Mädchen und Mutter repräsentieren das Blut, die Gewalt und die Macht des Blutes. Diese natürliche Quelle von Reichtum wird in der »Vorgeschichte« angesiedelt, in der der Wert des Blutes anerkannt war und sogar überwog; in der »Geschichte« dagegen wird es durch die Errichtung des Patriarchats als Quelle von Reichtum verleugnet, zugunsten des Vorrangs von anderen Gütern und Mächten zensuriert. Es wird nun durch andere Formen des Reichtums verdeckt: durch Gold, Geld, Penis, Kind. Wir haben gesehen, daß sie in der Ökonomie der Analerotik ein System von Äquivalenten bilden. Es sind Begriffe, die im derzeitigen Imaginären eines jeden »Subjekts« mit »Exkrementen« austauschbar sind. Die Rechte des Blutes haben keine Geltung mehr, bis zu dem Punkt, daß »Blutsverwandte«* (*Frz.: consanguin: blutsverwandt; väterlich verwandt. (Anm. d. Ü.)) heute gewöhnlich »vom gleichen Vater abstammend« bedeutet, im Gegensatz zu »Verwandten mütterlicherseits«.** (**Frz.: co-uterins. (Anm. d. Ü.)) Das Sperma hat die Autorität, die Eigenschaften, das Produkt der Arbeit des Blutes für sich verwertet. Aber das Blut läßt sich nicht einfach verdrängen. Es wird seine Gewalt in den schemenhaften Bildern von der Macht der Mutter um so nachdrücklicher geltend machen. Daher bestimmt sich die Rolle des Blutes in den sadistischen, masochistischen Phantasien und Praktiken, an die sich das Lusterleben fast jeden »Subjekts« anlehnt. Es wird seinen Genuß darin (wieder-)finden, daß es, und sei es in der Imagination, die Adern wieder öffnet; darin, daß es (wieder) Blut fließen läßt. Rotes Blut. Der Mutter. Der Frau, der Jungfrau. Eine verwerfliche Lust, geheiligt und unrein, lasterhaft, die sich in der Heimlichkeit des Bettes austobt, in einsamen Phantasien, kaum jemals eingestanden. Sie wird sich nur in der Gewalt der sado-masochistischen Ökonomie manifestieren, in der der Wunsch geäußert wird, das Verbot des Blutvergießens zu übertreten oder die Macht des Blutes umzustoßen, sie zu leugnen: Der Mann wird (hier) »aktiv« sein, die Frau »passiv«. So wird der Mann zum Beispiel die Hysterikerin auspeitschen, mit dem Ziel (und warum nicht?), sie in die Realität des »Lebens« zurückzuführen. Leben, das ganz sicher schon in die Fiktion einer Autarkie des falschen Scheins, des Trugbildes übergegangen ist. Blut, das das Recht auf Zirkulation, das Recht der »Stadt« vielleicht nur noch als Geronnenes, in Gestalt des Geschriebenen hat. Die Feder, die schon immer in das Blut getaucht war, das bei dem Mord an der Mutter, der Frau hat fließen müssen, kann nun schwarz auf weiß, in Blut so schwarz wie Tinte, vom Gerinnen, vom Austrocknen ihrer Rechte und Lüste schreiben.
Aber ist eine Sublimierung der Attraktion des Blutes überhaupt möglich? Gibt es irgendeine gesellschaftlich anerkannte Produktion, die es gestattet, den Inhalt davon umzusetzen? Oder impliziert eine »Gesellschaft« - erst recht eine Gesellschaft von Ausbeutern-»Blutsaugern« -, daß die Verlockung des Blutes zensiert wird? Genauer, gebietet sie die Verkennung des Wertes des Bluts? Erhält sie sich aus seiner Geringschätzung? Geschichte als Sublimierung, deren Fortschritt den Schein als Mehrwert hervorhebt; Geschichte der Sublimierung, deren Fortschreiten vom Mehrwert des Scheins abhängig ist. Also wird jedes Blutvergießen - ebenso wie jede Übertragung von Blut - tabu sein. Oder es wird durch die »Stadt« oder die »Wissenschaft« geregelt, was das Verbot nur scheinbar aufhebt. Die Frau, die das durch dieses Verbot Verdrängte ständig Wiederaufleben läßt, wird deshalb aus der Gesellschaft ausgeschlossen, unter dem Vorwand der anatomischen Minderwertigkeit, des Kastriertseins. Und ihre Produkte werden ein Recht auf Zugang, auf Austausch einzig unter der Bürgschaft, dem Namen des Mannes haben.
Die Frau wird in der Intimität des Hauses, in der »Privatheit« des Familienlebens das Geheimnis des Bluts verbergen. Sie wird den Preis davon nur im Schmerz, in Demütigungen (aner-)kennen lernen. Denn die Niederlage der Macht des weiblichen Geschlechts gilt es immer wieder zu erneuern. Das Familienoberhaupt muß seine Macht stets aufs neue befestigen. Es steht ihm daher zu, und es gefällt ihm, sich das Recht auf Ausbeutung des Blutes tagtäglich erneut anzueignen. Der heimliche Vampirismus des Herrn, er muß verborgen bleiben, kann nur in nächtlichen Phantasien ausagiert werden, denn sonst bestünde die Gefahr, daß er ihn an seine eigene Abhängigkeit vom Tod erinnert. Und an seine Abhängigkeit von der Geburt. Mütterliche Materie, Matrix, die das Fundament seiner Herrschaft bildet. Lediglich ihre Verdrängung sichert ihm sein ungeteiltes Eigentum.
Die Frau, die Mutter beteiligen sich auf verschiedene Weise an dieser Unterdrückung. Die Formen der »Sublimierung«, die der Mann, die Gesellschaft von der Frau verlangen, sind die Hemmung ihrer Triebregungen, deren Verkehrung in ihr Gegenteil, ihre Umwandlung in zärtliche Strebungen, »die unzweifelhaft aus den Quellen sexueller Bedürftigkeit herrühren und regelmäßig auf deren Befriedigung verzichten«, etc. Es ist, kurz gesagt, libidinöse Enthaltsamkeit: die unauffällige Leidenschaft der Arbeit der Triebdestruktion an sich selbst. Unablässige »Aktivität« der Abtötung der Begierden. Auf diese Weise erhält sich die unsichtbare Arbeit des Todes, der Todestriebe durch die Frau und für die Frau. Sie führt unaufhörlich das Ende zum Anfang zurück, jedoch nicht ihr Ende zu ihrem Anfang. Sie holt den Tod in den Mutterleib, in utero, zurück und ruft sich so selbst in die Erinnerung zurück. Aber es ist ein Anfang vor ihrer Empfängnis in ihrer Mutter, in der Gebärmutter irgendeines besonderen Körpers: entpersonalisiert, unpersönlich, verallgemeinert, alles und nichts vom Anfang und vom Ende. Der Mann treibt unterdessen die Sublimierung seines Anfangs und seines Endes in unvergänglichen Spiegelungen und Spekulationen voran, projiziert und entwirft sich selbst in ihnen. - Es ist ein literarischer Mythos, mit dem das Freudsche Expose über den Charakter der weiblichen Sexualität abgebrochen wird: »die Frau von dreißig Jahren«. Aber der Mythos wird hier unter einem einigermaßen überraschenden Aspekt erörtert - wenig anziehend, um so weniger, als er die Kehrseite der verführerischen Reize »der Frau von dreißig Jahren« aufdeckt.
»Hingegen kann ich es nicht unterlassen, einen Eindruck zu erwähnen, den man immer wieder in der analytischen Tätigkeit empfängt. [...] Eine Frau um die gleiche Lebenszeit - dreißig Jahre also - erschreckt uns häufig [immer noch?] durch ihre psychische Starrheit und Unveränderlichkeit.«
Hat sie sich der unauffälligen Arbeit des Todes, der Todestriebe angeglichen und ist im übrigen erstarrt in der Repräsentation der »Weiblichkeit«, die ihr vorgeschrieben worden ist? Ein Fetisch, dessen Totemschönheit eine hart erworbene sexuelle Indifferenz spiegelt? »Ihre Libido hat endgültige Positionen eingenommen und scheint unfähig, sie gegen andere zu verlassen.« Ihre Libido? Was heißt das? Es gibt keine »weibliche Libido«. Aber vielleicht haben die Unterdrückung, die Zensur und die darauf folgende Hemmung dieser Libido ihre Ausübung bis zu einem Grade versperrt, daß die Frau nicht mehr über genügend Energie verfügt, um ihre psychische Verfassung zu verändern? Zumal sie ökonomisch, sozial, kulturell determiniert ist. Diese »endgültigen Positionen« sind nicht imstande, sich zu ändern, es sei denn durch radikale Entwicklungen, Revolutionen, wie eine Frau, und sei sie dreißig Jahre, sie nicht zustande bringen kann. Vergessen wir auch nicht, daß die vielfältigen Tätigkeiten, mit denen sie sich abgeben muß, daß die Hausarbeit ihr wenig freie Zeit lassen. Und würde sie darüber verfügen können, so empfände man es kaum als passend, wenn sie »die Familie« verließe, um »Aufnahme in umfassendere Verbände« zu finden. Zudem hat sie mit dreißig Jahren, verheiratet, Mutter von zwei oder drei Kindern, keinen weiteren gesellschaftlichen Aufstieg vor sich; sie kann nur unermüdlich der gleichen Aufgabe nachgehen. Vielleicht wird sie akzeptieren müssen, daß ihr Mann eine oder mehrere Geliebte hat? Im besten Fall wird sie das dazu veranlassen, ihr Verhältnis zur Homosexualität zu überprüfen und zu analysieren. Aber das sind Dinge, von denen man wenig spricht, und es ist auch nicht ausgemacht, daß sie selbst Gelegenheit hat, davon etwas zu sagen, ebensowenig wie von den nach wie vor großen Schwierigkeiten, die sich auftun, wenn sie den Wunsch nach einem, mehreren Geliebten hat. Ihr bleibt ihr Sohn? Wenn Glück ihren Kindheitstraum Wirklichkeit werden ließ.
Die Geschichte geht weiter. Aber welche »Wege zu weiterer Entwicklung ergeben sich«? »Es ist, als wäre der ganze Prozeß bereits abgelaufen, bliebe von nun an unbeeinflußbar, ja, als hätte die schwierige Entwicklung zur Weiblichkeit die Möglichkeiten der Person erschöpft.« Als wäre die Geschichte zu Ende? Und für sie in ihrer Vorgeschichte stillgestellt? Wenn diese »schwierige Entwicklung« zur Weiblichkeit zu einem guten Teil bereits das Resultat von Einflüssen ist, die ihre Wirkungen bereits erzielt haben - patriarchalische Macht in Familie und Gesellschaft, eine phallokratische Ideologie, die sie »mit dem Verlust des Geliebtwerdens« bedroht, wenn sie sich nicht unterwirft[178] —, dann verlangen diese »Einflüsse« von der Frau von dreißig Jahren nichts anderes, als daß sie weiterhin zufrieden sein soll und sich damit zufrieden geben soll, so unzufrieden sie im Grunde sein mag, was sie eventuell zu irgendwelchen Therapeuten führen wird, die »diesen Sachverhalt beklagen«, an dem sie nichts ändern können, »selbst wenn es [....] gelingt, dem Leiden durch die Erledigung [?] des neurotischen Konflikts ein Ende zu machen«. Das heißt soviel wie ... Die Reaktion des Therapeuten kann dennoch in Erstaunen setzen. Die Frau von dreißig Jahren, von der man allen Grund hat, anzunehmen, daß sie an einer hysterischen Psychose? Neurose? leidet, bringt in die Analyse eine genügend wandlungsfähige und geschmeidige Symptomatik, eine große Angst vor Frustration in ihrem Wunsch nach Übertragung; sie ist - für den, den das noch interessiert - auf Wunsch hypnotisierbar und äußerst suggestibel, da ihre Einfügung in die symbolischen Systeme überaus fragil ist. Kurz, gerade für sie müßte man die analytische Praxis erfinden, eher als für den »Mann von dreißig Jahren«, den seine soziokulturelle Verflechtung häufig für die Zwangsneurose prädisponiert. Aber könnte die Wirkung der Psychoanalyse, so wie sie ist, nicht gerade darin bestehen, die Frau in den »endgültigen Positionen«, die ihre (?) Libido einzunehmen gezwungen wurde, zu bestärken? Versucht in ihr ein Zwangsneurotiker - ein wenig paranoisch vielleicht? -, die weiblichen Konflikte zu beschwichtigen, damit alles wieder seine Ordnung hat? Einer, der gar nicht wünscht, daß es sich ändert, daß es sich weiterentwickelt, daß ihn diese Frau in seinen sexuellen Gewohnheiten durcheinanderbringt, in seiner skoptophilen und analerotischen Triebökonomie, in seinen narzißtischen Sublimierungen, in seinem ziemlich suspekten Respekt vor dem geltenden Recht; der gar nicht wünscht, daß sie etwas anderes sein soll als seine Tochter, deren ihn selbst befriedigenden Verführungsphantasien er zu interpretieren hat und die er in den »vernünftigen« Diskurs seines (sexuellen) Gesetzes einführen, ihm unterwerfen will. Oder sie kann seine Mutter sein, deren erotische Träumereien er, endlich zugelassen zu ihren intimsten Geheimnissen, nicht ohne Genuß anhört, es sei denn, es bahnte sich doch, ganz behutsam, irgendeine sehr »unbewußte« homosexuelle Übertragung an. Vor allem aber möchte er nicht, daß das Resultat der »schwierigen Entwicklung zur Weiblichkeit« wieder in Frage gestellt wird. Es ist eine Weiblichkeit, die allerdings -leider! - die Hysterie bereits verdeckt, verschüttet hat, durch eine mimetische Unterwerfung unter die Ökonomie des Zwangscharakters, deren Stütze ein weiteres Mal die Frau ist, ohne daß sie wirklich an ihr teilhat, ohne daß ihre Sexualität dabei auf ihre Rechnung kommt. Reduziert auf eine Funktion, ein Funktionieren, dessen historische Determinationen man erst untersuchen müßte: die Eigentumssysteme, die philosophischen Systeme, die religiösen Mythologien. Die Definition des »Schicksals«, wie es in ihnen festgelegt ist, wird immer noch, auch in der psychoanalytischen Theorie und Praxis, als das »Schicksal« der Sexualität der Frau verstanden.
»Das ist alles, was ich Ihnen über die Weiblichkeit zu sagen hatte. Es ist gewiß unvollständig und fragmentarisch, klingt auch nicht immer freundlich. Vergessen Sie aber nicht, daß wir das Weib nur insofern beschrieben haben, als sein Wesen durch seine Sexualfunktion bestimmt wird. Dieser Einfluß geht freilich sehr weit, aber wir behalten im Auge, daß die einzelne Frau auch sonst ein menschliches Wesen sein mag.«
Indessen,
»wollen Sie mehr über die Weiblichkeit wissen, so befragen Sie [die Männer] Ihre eigenen Lebenserfahrungen, oder Sie wenden sich an die Dichter, oder Sie warten, bis die Wissenschaft Ihnen tiefere und besser zusammenhängende Auskünfte geben kann«.