Ein undeutlicher Zwischenraum. Die Spaltung zwischen Sinnlichem und Intelligiblem

Das sind Gedanken über die göttliche Wahrheit, zu denen der Mensch erst kommt, wenn er alles hinter sich gelassen hat, was ihn an jene sinnliche Welt gebunden hatte, für welche die Erde, die Mutter, einsteht. Gedanken, die man also auch nur von hinten verstehen kann? Dieser doppelte Rückzug wird nur durch Gott gelöst, der, da er alles sieht, auch am Anfang von allem ist. Was dagegen die Mutter angeht, da soll man sich nicht täuschen: Sie hat keine Augen, sie ist des Blicks und der Seele beraubt, auch des Bewußtseins, des Gedächtnisses, der Sprache. Und wenn man sich zu ihr zurückwendet, um vielleicht dorthin zurückzukehren, wieder in sie einzugehen, dann besteht das Problem nicht darin, sich ihrer Perspektive entgegenzustellen. Das Risiko ist vielmehr, daß man dort jeden Anhaltspunkt verlieren könnte und damit auch die Möglichkeit, den Vater wiederzufinden.* (*Im Frz.:»de perdre lá tout re(-)pere.« (Anm. d.Ü.)) Das dunkle Loch, in dem die helle Vernunft in Gefahr ist, sich zu verdunkeln. Das Andere des anderen bricht wieder hervor, das in seiner Blindheit die Wiederholung des Selben behindert. Es überschwemmt die Identität des Selben mit sich. Nur wenn sie das, wovon sie »phantasiert«, daß ihr Sein dort seinen Ausgang genommen habe - von jenem Zurückliegenden (der Mutter), von der Mutter -, verleugnet, kann diese Identität im Blick des Vaters in Wahrheit wiedergeboren werden. Eine Verdopplung, die das Sein im Intelligiblen zeugt, das intelligible Sein - ohne diese Unscharfe, dieses Überfließen, die durch das Drängen, die Insistenz eines ersten, allzu amorphen Terminus hervorgerufen wurden. Ein gewisser Mangel an Verbindung in der Sprache erinnert unterdessen doch an die kopulativen Aporien zwischen dem Auge Gottes und jener Rückseite, (also wohl) der Mutter: eine unaufhebbare Spaltung zwischen Intelligiblem und Sinnlichem, die niemals beide auf derselben Seite sein werden: auf derselben Seite der Repräsentation. Der Vorrang kommt der Seite, dem »Gesicht« zu, von dem angenommen wird, es könne den anderen sehen, ohne gesehen zu werden, ohne sich dabei bemerkbar machen zu müssen, ohne sich darin wiederzuerkennen. Vollendung des göttlichen Wissens (und Erkennens), ein Wissen, das freilich niemals an jenen Anfängen in der Materie, der Matrix - blinden Flecken auf der Seele der Sterblichen - teilgehabt hat und niemals mit ihnen verwechselt worden ist. Wirklich niemals? Nicht einmal durch einen Blick nach (von) hinten? Wie kann der wahre Logos sich dann in Konfigurationen fortbewegen, die jene Anfänge zu metaphorisieren suchen, ohne daß er es weiß? Er strengt sich an, das »Wesentliche« davon in ideale Formen und Relationen aufzunehmen, die vom unreinen Charakter ihrer Erscheinungen abgelöst sind und, ganz sicher, unendlich weit nach vorne projiziert werden. So findet man die »Mutter« in den Kreisen, Umrissen, Kugeln, Hüllen, geschlossenen Räumen wieder, in denen sich das Sein seit seiner Konzeption aufhält: Ideen, aber auch Universum, aber ebenso Ganzes und Eins. Und deren Bilder, also die Seele. Behausungen, die die Form einer Höhle oder eines Schoßes haben, in denen das Lebende sich bald in Ruhe aufhält, bald sich in Bewegung auf das hin befindet, was weit hinten liegt, ganz tief verborgen ist. Regression in das Allergeheimste und Verborgenste der Geburt. Hinten ist die letzte Membran: ein Paraphragma, das jeder Zudringlichkeit - und wäre es die eines Blicks - widersteht, das sich nur für ein »anderes« Leben von selber öffnen wird. Ringe, in die der Vater die Samen seiner Wahrheit einschließen will. Geizig mit seiner Substanz, eifersüchtig auf seine Spiegelbilder. Ringe, die die Idee umschließen, die jungfräulich und dennoch schwanger von den Samen des göttlichen Lichtes ist. Unbefleckte Empfängnis, unerreichbar in dieser Welt, zumindest »in Wirklichkeit«. Vorrecht des Logos des VATERS.

Ein Weg freilich würde euch dorthin führen: die philosophische paideia. Ein steiler und beschwerlicher »Weg«, voller Hinterhalte, den das Kind nicht ohne Leiden zurücklegt und auf den es sich nicht hinauswagen würde, wenn man — irgendein Meister, männlichen Geschlechts - es nicht an sich zöge und es immer weiter nach vorn, ans »Tageslicht«, zum »natürlichen Licht« stieße. Trotz seiner Widerstände, seines Heimwehs, seiner Wünsche, in seine alte »Behausung« zurückzukehren. Trotz seiner Schmerzen, seiner zeitweiligen Blindheit, seiner Orientierungslosigkeit. Dieses Fortgehen erreicht seinen höchsten Punkt in der Blendung durch die Sonne und in der Ekstase in Gott. Doch ein Einschnitt trennt diese zwei »Visionen der Welt«, diese zwei Modi der Repräsentation. Fehlender - verlorener? - Übergang zwischen dem Drinnen und dem Draußen, aber ebenso zwischen dem Draußen und dem Drinnen. Die Annäherung, der Übergang vom einen zum anderen, vom anderen in bezug auf das Eine, ist im Wesentlichen auf ein anderes Leben verwiesen. Die Progression erschöpft sich an der Grenze dieser Existenz, vollendet sich an der Grenzscheide des Todes, in der Erwartung des Eingangs oder Ausgangs von der anderen Seite. Wo es kein Fortgehen, kein Ausweichen - chorein* (*chorein: weichen, weggehen, ausweichen. (Anm. d.Ü.)) - mehr gibt. Die Ausdehnung, die man durchmessen kann, beschränkt sich auf dieses Universum. Aber um es zu überschreiten, um aus ihm herauszukommen, bedarf es eines Sprungs, den man weder zu seinen Lebzeiten leichthin tun noch nach dem Tod wiederholen kann - jedenfalls nicht als der Selbe. Und wenn man euch die Sublimierung dieser Schwelle verspricht, in Form der Unsterblichkeit, dann ist das einzig um den Preis möglich, daß ihr euren »Körper« in »Seele« transformiert. Phantasmen? Ideen? Nichts hält ihn dann mehr auf. Jedenfalls keine Teilung, keine Trennung oder gar ein Gegensatz. Diese sind es vielmehr, die ihm einen Körper geben. So müßte sich denn die Seele ohne »das andere« als der Ort der Verdopplung des Ähnlichen, der Wiedererinnerung an das Selbe konstituieren? Ist für den Menschen die Rückwendung auf das »Innere«/des »Innern« der psyche notwendig? Hat der Gott eine Seele nötig? Damit sich jedoch in der Seele das reinste, göttlichste und intelligibelste Prinzip vom Unreinen, Irdischen, Sinnlichen unterscheiden kann, ist es wohl nötig, daß beides sich in ihr repräsentiert, natürlich so streng wie möglich durch »Erdzungen« und »Scheidewände« voneinander getrennt. So wie die Teile, die dem Mann zugeschrieben werden, von den »Wohnungen«, die man den Frauen einräumt, durch Gänge, Mauern, etc. geschieden sind.[53]

Aber die Passage, die von den einen zu den anderen führt, ist in der Richtung nicht eindeutig. Und obwohl der Mann, um seine Integrität zu bewahren, nicht in das Gynäkaion, in die »niederen Regionen des Leibes« herabsteigt, so ist es dennoch wichtig für die Kohärenz der (seiner) Theorie, daß er dessen Konfiguration erkennt, indem er mit dem Blick (der Seele) erfaßt, welche Formen dafür in Betracht kommen und welche nicht. Er »kehrt« also dorthin nur »zurück«, um sich in seinem Wissen und seiner Identität mit sich zu bestätigen, vielleicht auch, um zu prüfen, ob nicht eine gewisse Ordnung in die falschen Verlockungen, die anarchischen Bewegungen von dem gebracht werden kann, was dort geschieht (und sich reproduziert). Was die Frauen angeht, so haben sie überhaupt keinen Zugang - außer sie hätten sich zur Würde des männlichen Wesens erhoben - zu den erhabensten Sphären des Selben, zu den Gipfeln des Intelligiblen. Es ist nicht so, daß sie nicht in ihren höchsten Teilen - die zwangsläufig mit dem männlichen Geschlecht verwandt sind - danach streben würden, aber da sie sich oft an die Empfindungen halten, die sie verspürt haben, da sie ihre Träumereien öffentlich bekannt machen und bestenfalls Meinungen von sich geben über das, was in der Stadt geschieht, oder einfach die weitergeben, die ohnehin zirkulieren, sind sie nicht in der Lage, zu realisieren, ob irgendein Gedanke - eine Idee - ihnen wirklich entspricht oder ob sie nur die Ideen des Mannes (der Männer) mehr oder weniger gut imitieren. Sie ignorieren den Wert der Namen, die ihnen vom Logos gegeben werden, wenn es überhaupt so ist, daß es sich dabei um besondere handelt; sie erkennen ihre Definition nicht (wieder) und nicht ihre Vorstellung, auch die Verbindung nicht, die sie zu den anderen und zum Ganzen unterhalten. Sie sind also ohne Maß, denn sie haben keine Grenzen, sie haben keine ein für alle Mal bestimmten Proportionen, die auf den Gesamtzusammenhang bezogen werden können. Sie sind ohne eigene Form. Wie sollen sie sich dann der Liebe zu dem hingeben, was ihnen in einer Seele ähnlich ist (und der Liebe zu denen, die ihnen in einer Seele ähnlich sind), einer Seele, die überdies die Garantie für das Fortbestehen ihrer Beziehung zum Ursprung ist? Der Prozeß der Repräsentation, der Progreß zur Repräsentation des Identischen und zur ewigen Wiederkehr des Selben sind nicht das Los der Frauen. Es sei denn, das muß noch einmal gesagt werden, sie hätten auf ihre niedere Beschaffenheit verzichtet und sich gewünscht, ein Mann zu sein - was allerdings einen Aufschub von zehntausend Jahren bedeuten kann.

Daß die Seele das Bindeglied zwischen dem einen und dem anderen ist, zwischen dem Selben und dem Verschiedenen, besagt nicht, daß sie in gleicher Weise an beiden teilhat. Es ist nicht einmal sicher, ob es einen tauglichen Weg zwischen den zweien gibt, obgleich die Seele für den Ort dieser Verbindung gehalten wird. Denn das »Sinnliche« wird niemals zur Perfektion des »Urbildes« aufsteigen, zum idealen Charakter seiner Morphologie, selbst wenn es versucht, diesen immer adäquater nachzuahmen. Und was das Modell selbst (des Selbst) angeht, so wird es niemals zu jenen geringen Behausungen herabsteigen, in denen Leidenschaften und Trugbilder wohnen, es sei denn, die Vernunft oder die Regierung würde es verlangen. Dann wird aber seine Rückkehr von der anderen Seite einer Order (des Vaters) unterstellt sein, die beschönigen soll, daß man im Grunde dem Schock einer solchen Überschreitung ausweicht.

Der Aufstieg vom Sinnlichen zum Intelligiblen - das heißt: vom »Unterleib« zum »Kopf« - zielt auf die Teilhabe an den Eigenschaften des »Urbildes«, das auch als Vorbild definiert wird. Der ideale Spiegel, dem man sich schon immer und auch jetzt noch anzugleichen versuchen muß, der einzige, in dem es sich zu betrachten ziemt, um der Unbeständigkeit zu entgehen, die das andere in seiner instabilen Mannigfaltigkeit dauernd bedroht. Und das vollkommene Bild wird das sein, das es am adäquatesten nachbildet, das nämlich, worin es sich am besten wiedererkennt: Reflex seiner unwandelbar bestimmten Form, abgelöst von aller Materie. Sein von Vernunft erleuchteter Blick ist der Ort, an dem über den Perfektionsgrad des Mimus des anderen entschieden wird, über seine Fähigkeit, den Normen des Intelligiblen zu genügen oder über seinen Verfall in hysterischen Verkrampfungen und Verzerrungen. Das Sinnliche muß also der Spekulation und Spiegelung der Form des Selben nachgeben und sich an ihr messen, um ins Wissen einzugehen. Dieses Gleis ist das einzige. Und wenn der Weg auch progressiv, abgestuft ist, so ist er doch exklusiv durch das, woran er sich annähert. Das heißt auch, daß die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen, der Phantasmen, der Empfindungen auf dieses einzige Urbild bezogen werden muß. Es nimmt Gestalt an und reproduziert sich, sobald sich seine Form dem Receptaculum (des anderen), dem anderen also einprägt. Das heißt auch, daß es allein als Eigenes die Vielfalt dessen spiegelt, was in der chora geschieht (was in sie hineingeht), sobald es darauf insistiert. Alles kann ihm also zugeschrieben werden, als Information, Transformation, Deformation dessen, was es begründet. Es ist die Quelle aller seiner Spekulationen und Spiegelungen. Ursprung — ? - des Spiegelnden, Spekulativen. Was nun aber den Ort betrifft, an dem es sich (re-)produziert, so kann er nur dadurch zu irgendeiner Schönheit, Güte, Vernunft gelangen, daß er den Prägungen gehorcht, denen er unterworfen ist; indem er sie Zumindest gut verdoppelt, also immer unterhalb der Realisierung des Urbildes von sich bleibt. Im übrigen erreicht er nur dann irgendeine Gestalt, eine Erscheinung, wenn er sich passiv dieser »idealen« Morphologie anpaßt.

Das Übrige ist grenzenlose Unbestimmtheit. Man wird immer versuchen können, es der unbestimmten Erstreckung des Werdens, der amorphen Ausdehnung der »Mutter« zu entreißen, indem man sich zu einem höheren Urbild wendet. Es ist indessen für die Klarheit der Konzeption wichtig, daß immer nur eins eingesetzt wird. Was nicht ausschließt, daß alle Urbilder seit jeher durch die Beziehung zum Vater hierarchisch geordnet werden und daß man auf der Suche nach dem absoluten Vorbild die Wege zurücklegen muß, die zu seinen Deszendenten führen. Aber je höher man auf den Stufen der Verwandtschaft mit jenem göttlichen Kriterium hinaufsteigt, desto schwieriger sind die Beziehungen herzustellen. Sie werden auf Distanz ausgeübt, brauchen Verbindungsglieder: die Vermittlung von »Seelen«. Denn die Abkömmlinge, die dem Guten am nächsten stehen, steigen von ihrer Höhe nicht mehr herab in eine Welt, in der für sie die Gefahr besteht, sich zu deformieren. Sie versammeln sich vielmehr untereinander, ihren Ähnlichkeiten, ihrem genealogischen Rang und ihrer Nähe in der Filiation gemäß. Sie gehen logische, ja kopulative, harmonische Verbindungen ein, beschließen spekulative Zeugungsakte ohne Umschweife. Das Paradigma dieser Beziehungen ist der Vater und der Sohn, der Vater als er selbst: der Sohn. Eine Form der Vereinigung und der Zeugung, die man nachahmen sollte, da sie das einzig mögliche Vorbild für das ist, was in der Ordnung des Diskurses vorkommen kann. Sie ist von ihrem Wesen her inzestuös paternalistisch, und sie ist es, um ihr Wesen ^» erhalten. Und das, was man »sinnlich« oder Materie oder Mutter, ja, auch das, was man »anders« nennt, wird sich danach richten müssen, wenn es, wenn sie in diesem »Universum« ein Gesicht haben will. Denn sie wird darin nicht anders als unter Travestien erkannt, wiedererkannt werden können, Travestien, die sie denaturieren; sie borgt Formen aus, die niemals ihre eigenen sind und die sie sich doch nachzuahmen verpflichtet, um, obschon nur ein wenig, ins Wissen einzudringen. Das wird man zweifellos nachträglich als die Tatsache stigmatisieren, daß sie ihre Verführungskraft trügerischen Erscheinungen verdankt; man wird ihr vorwerfen, mit wirklichen Eigenschaften von Urbildern rivalisieren zu wollen, in ihren Seinsweisen und den Beziehungen, die sie zu den anderen Seienden unterhält. Obgleich der Logos, um die Reinheit seiner Konzeption zu bewahren, sie derart in der Wahrheit seiner Rede verhüllt, daß man nicht mehr weiß, was sie in ihrer Zurückgezogenheit verbirgt, und damit man dann alle die Wünsche nach Macht, alle die Machtphantasien darauf projizieren kann, die das Maß des Logos leugnet. Sie wird also gerade da evident und aufregend, wo sie bereits in diskursiven Paraden, die sie außerhalb ihrer selbst stellen, maskiert und verloren ist; in idealer Weise den Redestreitigkeiten der Männer dargeboten. Das Übrige ist unter der Erde vergraben, zu Schatten der Höhle herabgesunken, in der alles Schatten und Vergessen ist, und wohin man eines Tages doch zurückkommen muß. Aber auf welchem Weg?

Verschwundene Passage zwischen dem Draußen und dem Drinnen, dem Oben und dem Unten, dem Intelligiblen und dem Sinnlichen, zwischen dem »Vater« und der »Mutter«. Was für Bindeglieder auch immer hergestellt werden mögen, stets unterstehen sie Einem (dem Eins), dem Selben; dem Prinzip, das sie seit Ewigkeit begründet; der Rede (den Worten) des Vaters. Und wenn die Souveränität desselben über diese »Welt« so beschaffen ist, daß kein Lebendes seiner Beherrschung entgeht, und daß kein Lebendes ein anderes Schicksal begehrt als die vollkommenste Teilhabe am Guten (des Vaters) — was einen einzigen Weg, eine einzige Methode, um sich zur Wahrheit zu erheben, impliziert: eine »gute« Mimesis -, wie soll man sich dann jemals dem nähern, was hinten gelassen wurde? Der Weg zur Mutter ist versperrt. Der Inzest dort ist verboten, was man auch tun mag, und strenggenommen ist er unmöglich, was man (darüber) auch sagen mag. Denn »sie« ist schon immer für und durch Vorstellungen transformiert, die vom Vater projiziert werden. Sie ist die Matrix für Nachbildungen von Bildern von ihm, die zweifellos immer ein wenig hybride sind. Die einzigen Spuren einer anderen Art muß man auslöschen, indem man sie auf die Klarheit der Idee zurückführt. Reine, einfache, unteilbare Form. Das Übrige ist blinde und schweigende Undurchdringlichkeit der Materie. Wie sollte man da zu ihr herabsteigen? Auch wenn man ihr zu einer angemessenen Stellung verhelfen, sie in eine gerechtere Situation auch in der Stadt bringen wollte, wie sollte man sich verhalten? Wie sie verstehen? Keine Bahnung, die man benutzen könnte, hat sich erhalten, keine, an die man sich in der Vollkommenheit des Wiedererinnerns noch erinnern könnte. Das Vergessen des Vergessens wird besiegelt von der Morgendämmerung der photologischen Metaphorizität des Okzidents.

Sie selbst weiß (von sich) nichts. Sie erinnert (sich) an nichts. Als Stütze für die auto-logischen Spekulationen des Weisen blickt sie in die Dunkelheit - hinter dem Schauplatz der Repräsentation, den sie ohne ihr Wissen, durch ihre Unwissenheit befestigt. Aber ohne Glanz zu zeigen. Denn würde sie leuchten, das Licht würde nicht mehr dem Selben gehören. Man müßte jede geltende Ökonomie neu berechnen. Und wenn man ihr das Leben einer Erscheinung zugesteht, dann wird das eher in einem obskuren Genre sein. Schattentheater unter der Erde, lunarer Reflex des Gestirns, das das Ganze erleuchtet und befruchtet. Eine Verdopplung, die viel matter ist als die Selbstverdopplung, die der Mann in sich selbst trägt: seine »Seele«, wenn »sie« dabei mit ihrem dazwischengestellten Körper kein Hindernis bildet. Wenn »sie« ihn durch ihre amorphe Ausdehnung nicht behindert. Jungfräulichkeit, die den spekulativen Werbungen des Philosophen noch widersteht, die im übrigen für die Reinheit der Konzeption vereinnahmt wird. Eine glatte Oberfläche, die man nicht durchschneiden und durchdringen kann, ohne daß die Reflexion überschritten wird und verschwimmt. Der »Weg« zwischen dem Draußen und dem Drinnen ist also durch ideale Vorschriften verboten. Er verdoppelt sich fraglos in verschiedner Weise auf der einen und der anderen Seite, aber er stellt den Übergang zwischen beiden nicht mehr sicher. Wie soll man, von nun an, in die Höhle, die Grotte, die Erde zurückkehren, die Dunkelheit durchstoßen und das wiederfinden, was man hinter sich gelassen hat? Wie soll man sich Zugang zum Vergessenen, zur Mutter verschaffen?