1. Andrew Eliots Tagebuch 12. Mai 1983

Das 25jährige Jubiläumstreffen meines Harvard-Jahrgangs ist nächsten Monat, und ich habe schreckliche Angst. Angst davor, all den erfolgreichen Angehörigen meines Jahrgangs begegnen zu müssen, die die Wege des Ruhmes beschritten haben, während ich nichts vorzuweisen habe als ein paar graue Haare. Heute traf ein schweres, rot gebundenes Buch ein, in dem alle Leistungen und Erfolge des Jahrgangs '58    festgehalten sind. Es hat mir erst richtig bewußt gemacht, wie sehr ich versagt habe. Fast die ganze Nacht habe ich die Gesichter der Kerle angestarrt, die einmal mit mir zusammen Studenten waren und die jetzt Senatoren und Gouverneure weltberühmte Wissenschaftler und bedeutende Ärzte sind. Und wer weiß, welcher von ihnen einmal in Stockholm auf dem Podium stehen wird oder auf dem Rasen des Weißen Hauses.
Und was am erstaunlichsten ist, ein paar von ihnen sind immer noch mit ihrer ersten Frau verheiratet. Einige der besonders Erfolgreichen waren meine besten Freunde. Ein Mitbewohner, den ich einmal für ein Würstchen hielt, wird wahrscheinlich unser nächster Außenminister. Dem künftigen Präsidenten von Harvard habe ich meine Anzüge geliehen. Ein anderer, den wir kaum zur Kenntnis nahmen, ist zur musikalischen Sensation geworden. Der Tapferste von allen hat sein Leben hingegeben für etwas, woran er glaubte. Sein Heldentum beschämt mich. Und ich kehre nach Harvard zurück, strahlend vor Enttäuschung.

Ich bin der letzte einer langen Reihe von Eliots die in Harvard studiert haben. Alle meine Vorfahren waren hervorragende Männer. Im Krieg, im Frieden, in der Kirche in Erziehung und Wissenschaft. Erst 1948 erhielt mein Vetter T. S. Eliot den Nobelpreis für Literatur. Aber die strahlende Familientradition ist mit mir verblaßt Nicht einmal Jared Eliot, Harvard-Jahrgang 1705, der den Rhabarber in Amerika einführte, kann ich das Wasser reichen. Immerhin besteht eine einzige armselige Parallele zu meinen edlen Vorfahren. Sie führten Tagebuch Mein Namensvetter, Pastor Andrew Eliot, Harvard-Jahrgang 1717 machte täglich Aufzeichnungen, während er sich tapfer um seine Gemeinde kümmerte. Sie sind noch vorhanden und er  beschrieb in ihnen den Revolutionskrieg während der Belagerung von Boston 1776.
An dem Tag, an dem die Stadt befreit wurde, eilte er zu einer Sitzung des Beirates von Harvard und beantragte General George Washington die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Sein Sohn erbte Kanzel und Feder des Vaters und hinterließ eine lebendige Schilderung der ersten Tage Amerikas als Republik.
Natürlich ist der Vergleich unstatthaft, aber auch ich habe mein Leben lang Tagebuch geführt. Vielleicht ist dies der letzte Rest meines Erbes. Ich habe die Geschichte meiner Umwelt beobachtet, ohne selbst irgendwie Geschichte zu machen.
Und dabei habe ich immer noch eine Höllenangst.