30. Andrew Eliots Tagebuch 9. Januar 1978

ich weiß auch nicht, warum ich glaubte, es sei ein gutes Zeichen. Als Andy aus Kalifornien zurückkam, wo er Weihnachten mit seiner Mutter und deren Tycoon verbracht hatte rief er mich im Büro an und fragte, ob wir zusammen zu Mittag essen könnten. Ich dachte, gepriesen sei der Himmel mein Sohn möchte sich mit mir anfreunden. Das war auch deshalb besonders ermutigend, weil er im kommenden September mit dem College anfangen wird. Und ich hoffe ihn zu überreden, nach Harvard zu gehen. Vermutlich war es eine linke Tour, ihn zu fragen, ob er mit mir im Harvard-Club essen würde. Er lehnte das sofort als zu bürgerlich ab. Spätestens da hätte ich merken sollen, was mir da ins Haus stand.
Ich traf ihn in einem Gesundheitsladen im Greenwich Village, wo ich bei Mengen von Grünzeug und Schößlingen versuchte, mittels aller liebevollen Worte, die mir nur einfielen, den Abgrund zwischen uns zu überbrücken. Aber wie immer war er es, der mir die Wahrheit steckte. Er kam auf das nächste Jahr zu sprechen. Ich versicherte ihm, wenn er nicht nach Harvard gehen wolle, mache das überhaupt nichts Er könne studieren, wo er wolle, und ich würde mit Vergnügen die Kosten übernehmen. Er sah mich an, als ob ich ein Marsmensch wäre. Dann erklärte er mir geduldig, daß das amerikanische Erziehungssystem überhaupt nichts tauge. Für ihn sei die ganze westliche Welt dekadent, und der einzige Ausweg sei, etwas für unsere Seelen zu tun.
Ich sagte ihm, er hätte meine volle Unterstützung, was immer er auch täte.
Worauf er antwortete, das bezweifle er aber sehr, da er entschlossen sei, sich von der Familie loszusagen. Worauf ich »Das verstehe ich nicht« sagte, oder so etwas Ahnliches.
Dann tat er kund, sein Name sei nicht mehr Andrew, sondern Gyanananda (ich mußte mir das buchstabieren lassen), was in Hindi >Sucher nach Glück und Wissen< heißt. Ichversuchte, das alles mit Humor zu nehmen und meinte, er sei der erste Eliot mit so einem Vornamen.
Er erklärte, er sei kein Eliot mehr, er gebe alles auf, wofür meine verrottete Generation stünde. Er werde sein Leben in Meditation verbringen, und dafür wolle und brauche er nichts von dem sogenannten Eliot-Geld.
Als ich ihn fragte, wie er denn zu leben gedenke, erwiderte er schlicht, ich verstünde das sowieso nicht. Darauf erklärte ich, meine Frage sei nicht philosophisch, sondern praktisch gemeint, zum Beispiel: Wo wolle er denn leben?
In den Fußstapfen seines Gurus, antwortete er. Zur Zeit stehe dieser Prophet noch einem Ashram in San Francisco vor, aber sein Karma habe ihm schon angedeutet, er solle nach Indien zurückkehren. Dann fragte ich ihn, was er statt des Geldes nehmen würde. Er antwortete, er brauche kein Geld. Ich fragte noch genauer, was er denn zu essen gedenke. Er sagte, er werde betteln gehen wie alle anderen Jünger des Swami.
Ich schlug ihm vor, da ich ein großzügiger Mensch sei, solle er mal bei mir mit dem Betteln anfangen. Das lehnte er ab, denn er spüre schon, ich wolle ihn damit nur binden, er aber wolle »ohne Fesseln fliegen«.
Dann stand er auf, wünschte mir Frieden und wollte gehen. Ich bat ihn dringend, mir irgendeine Adresse zu geben, wo ich mich mit ihm in Verbindung setzen könnte. Er sagte, ich würde niemals fähig sein, mit ihm in Verbindung zu treten, solange ich mich nicht von allen weltlichen Gütern befreit und zu meditieren lernte. Und beides würde ich niemals in Erwägung ziehen, das wisse er.
Bevor er ging, schenkte er mir noch ein paar weise Worte zum Abschied - eine Art Segen. Er sagte, er vergebe mir alles. Er vergebe  mir,   ein   nicht erleuchteter,  bürgerlicher und gefühlloser Vater zu sein. Er trage mir nichts nach, denn er wisse ja, ich sei ein Opfer meiner eigenen Erziehung. Dann ging er fort, blieb aber noch einmal stehen, hob die Hand zum Abschiedsgruß und wiederholte: »Frieden.« Ich weiß, er ist minderjährig, und ich könnte ihn durch die Polizei festnehmen und ihn auf seinen Geiteszustand untersuchen lassen. Aber ich weiß, er würde sich da herauswinden und mich nur noch mehr hassen (wenn das noch möglich ist)
Also blieb ich sitzen, sah auf den Teller voller Laub und dachte: Was habe ich nur so völlig falsch gemacht?

»ich fürchte, ich muß Ihnen etwas Unangenehmes mitteilen, Mr. Rossi.«
Danny saß in der Praxis des weltbekannten Neurologen Dr. Brice Weisman an der Park Avenue. Nachdem er alles Notwendige unternommen hatte, damit die Sache streng vertraulich blieb, hatte er sich einer ausführlichen Untersuchung unterzogen. Von dem furchtbaren Moment im Studio an, als seine Linke plötzlich rebellierte und dem Gehirn nicht mehr gehorchen wollte, das diese Hand vierzig Jahre lang beherrscht hatte, hatte Danny sofort gewußt, daß etwas mit seiner Gesundheit nicht in Ordnung war, auch wenn der Arzt jetzt erst die Sache diagnostizieren und über sein künftiges Schicksal bestimmen würde.
Am folgenden Tag war er mit den Probebändern, die er zu Hause aufgezeichnet hatte, wieder ins Fernsehstudio gekommen. Dann hatten er, Maria und ein einziger Techniker die Töne an den Stellen angelegt, an denen ihn bei der Aufzeichnung am Abend zuvor seine Linke im Stich gelassen hatte.
Wenn Maria auch bei dieser kleinen Täuschung, die so untypisch für Danny war, sein Komplize war, so hatte er sie doch nicht vollständig eingeweiht. Als Grund für diesen kleinen elektronischen Trick halte er seinen vollen Terminkalender, Ungeduld und sogar Zeitersparnis für das Studio genannt.
»Immerhin vertone ich mich selbst«, hatte er gescherzt, »und schiebe nicht heimlich Vladimir Horowitz darunter.«
Maria vermutete aber doch, daß etwas Ernsthaftes dahinterstand, weil Danny immer wieder fragte, ob man dem Techniker vertrauen  könne.  Wußte er, wie oft er sie das gefragt hatte? Was beunruhigte ihn?
Was ihn beunruhigte, das hatte Danny auch Dr. Weisman aufsuchen lassen. Zuerst hatte der Neurologe nur Dannvs Erklärungen zugehört, warum seine Linke gelegentlich zittere und damals im Studio und später beim Üben dem Befehl des Gehirns nicht mehr zu gehorchen schien. »Ich glaube, es ist wirklich nur Erschöpfung, Herr Doktor. Öder es könnten die Nerven sein. Ich arbeite zuviel. Aber wie Sie ja gesehen haben, als ich diese verschiedenen Bewegungen machen mußte, das Aneinanderlegen der Finger und so weiter — mir fehlt physisch wirklich nichts.«
»Ich fürchte doch, Mr. Rossi.«
»Wie?«
»Ich habe einen peripheren Tremor Ihrer linken Hand festgestellt. Weiter besteht eine deutlich erkennbare Bradv-Kinesie - das heißt, Ihre linke Hand bewegt sich etwas langsamer als Ihre rechte. Alles das deutet auf eine Schädigung des motorischen Zentrums im Gehirn hin.«
»Meinen Sie einen Tumor?« fragte Danny, und seine Angst verstärkte das Zittern seiner Hand noch.
»Nein«, sagte der Arzt ruhig, »Ihr Enzephalogramm läßt nichts dergleichen erkennen.«
»Mein Gott, da, bin ich aber erleichtert«, seufzte Danny »Also, wie bekommen wir die verdammte Hand in Ordnung damit ich wieder arbeiten kann?«
Weisman wartete einen Moment und antwortete dann leise: »Es wäre nicht ehrlich von mir, wenn ich Ihnen sagte wir könnten Ihr Problem lösen. Tatsächlich können wir nur hoffen, daß es möglichst langsam fortschreitet.« »Meinen Sie, daß es auch bei der anderen Hand auftreten kann?«
»Theoretisch ist das möglich. Aber wenn jemand so jung wie Sie einen einseitigen Tremor hat, dann beschränkt sich das normalerweise auf die eine Seite. Und es wird Sie erleichtern zu erfahren, daß der Funktionsverlust außerordentlich langsam größer wird.«
»Aber Sie sind doch Arzt, verdammt noch mal. Warum zum Teufel können Sie denn so etwas nicht heilen?« »Mr. Rossi, viele Funktionen des Gehirns sind für uns immer noch ein Geheimnis. Beim gegenwärtigen Wissensstand können wir allenfalls mit Medikamenten die Symptome verdecken. Aber Sie können sicher sein, daß ein so leichter Tremor wie der Ihre sich viele Jahre lang verbergen läßt.« »Und kann ich mit diesen Medikamenten denn weiter Klavier spielen?«
Dr. Weisman nahm die Brille ab und putzte sie mit seinem Schlips. Eigentlich war sie sauber, aber ohne Brille verschwamm das Gesicht von Daniel Rossi, als er ihm die ganze Wahrheit sagte. Und er begann mit einer Art verbaler Anästhesie. »Mr. Rossi, ich muß Ihnen sagen, ich habe Sie schon immer als Künstler bewundert. Und was ich besonders bemerkenswert an Ihrer Begabung finde, ist Ihre Vielseitigkeit. Sie wird Ihnen nützlich sein in einer Situation, die, wie ich weiß, für Sie schwierig sein wird.«
Er hielt inne, dann verurteilte er Danny Rossi zu einem lebenden Toten: »Mr. Rossi, leider werden Sie nicht mehr konzertieren können.« »Überhaupt nicht mehr?« »Nein. Aber Ihre rechte Hand ist ja in Ordnung und wird es sehr wahrscheinlich bleiben. Sie werden ohne Schwierigkeit weiter dirigieren können.«
Danny antwortete nicht.
»Und als Trost kann ich Ihnen etwas anbieten, was ich durch eine Ihrer Fernsehsendungen erfahren habe. Genies wie Bach, Mozart und Beethoven begannen als Virtuosen, heute aber kennt man sie nur wegen ihrer Kompositionen. Sie können die Energie, mit der Sie bisher Klavier gespielt haben, auf das Komponieren verlegen.«

Danny bedeckte das Gesicht mit den Händen und begann so heftig zu schluchzen wie noch nie in seinem Leben. Dr. Weisman konnte keinen Trost mehr bieten. Denn er hatte keine Ahnung, was seine Worte in der Seele seines Patienten angerichtet hatten.
Danny sprang plötzlich auf und ging im Raum auf und ab. Dann schrie er den Arzt in seinem ganzen Schmerz in einer Art und Weise an, als wäre dessen Diagnose ein feindseliger Akt gewesen: »Sie können das gar nicht begreifen, Herr Doktor. Ich bin ein großer Pianist. Ich bin wirklich ein großer Pianist. ..«
»Das ist mir bewußt«, erwiderte Weisman leise.
»Aber verstehen Sie doch«, erwiderte Danny. »Ich bin kein bedeutender Dirigent, und meine Kompositionen sind allenfalls zweitklassig, epigonenhaft. Das weiß ich selbst. Ich kann es nicht besser.« »Mr. Rossi, ich finde, Sie sind viel zu streng sich selbst gegenüber.«
»Nein, verdammt noch mal, ich bin ehrlich. Das einzige, was ich wirklich kann, ist Klavier spielen. Sie nehmen mir das einzige in der Welt, das ich wirklich gut kann.« »Bitte, verstehen Sie doch«, antwortete der Arzt, »ich nehme Ihnen nichts. Sie sind krank.«
»Aber was zum Teufel ist die Ursache?« forderte Danny wütend. »Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Sie können das schon seit Ihrer Geburt haben, und es kommt erst jetzt zum Vorschein. Es kann auch die Folge einer Krankheit sein, zum Beispiel einer Enzephalitis. Man weiß, daß es durch
bestimmte Medikamente hervorgerufen wird ...« »Was für Medikamente?« »Ich glaube nicht, daß dies in Ihrem Fall zutrifft, Mr. Rossi. Ich habe mir die Aufstellung der Medikamente, die Sie mir gegeben haben, genau angesehen.«
»Aber ich habe gelogen, Dr. Weisman. Ich habe ein paar weggelassen. Bei meinem Arbeitsprogramm habe ich mich daran gewöhnt, alle möglichen stimulierenden Mittel zu nehmen, um mich für die Konzerte in Form zu bringen. Kann das die Ursache sein?«
»Es ist denkbar. Haben Sie noch andere Mittel unerwähnt gelassen?«
Da brüllte Danny: »Herrgott noch mal, ich werde den beschissenen Dr. Whitney umbringen!« »Meinen Sie etwa den berüchtigten Dr. Fühldichgut aus
Beverly Hills?« »Sie kennen ihn?« fragte Danny. »Nur von dem Schaden, die seine Cocktails bei Patienten angerichtet haben, die zu mir in die Praxis gekommen sind. Sagen Sie, haben seine Vitamine bei Ihnen Schlaflosigkeit verursacht?« »Ja. Aber er hat mir...« »... Phenothiazine verschrieben?«
Danny nickte stumm. »Wie lange haben Sie das alles schon genommen?« »Zwei, drei Jahre. Kann daran ...« Der Neurologe schüttelte frustriert den Kopf. »Diesem Mann hätte man längst die Zulassung entziehen müssen. Aber ich fürchte, er hat zu viele einflußreiche Patienten, die ihn schützen.«
»Warum hat er mir das angetan?« schrie Danny wieder, völlig verzweifelt.
Dr. Weismans Antwort war etwas härter als seine vorherigen Bemerkungen. »Um ganz offen zu sprechen, Sie können den elenden Dr. Whitney nicht für alles verantwortlich machen. Meiner Erfahrung nach wußten seine Patienten zumindest teilweise, auf was sie sich da einließen. Und Sie sind schließlich ein hochintelligenter Mann.«

Daniel Rossi ging die lange Strecke zu Huroks Büro fast wie in Trance.  Er hatte nichts erfahren, was er nicht schon im Unterbewußtsein gewußt hatte. Schon lange hatte er die drohende Katastrophe vorausgeahnt, die ihm der Arzt jetzt bestätigt hatte. In diesem Moment' aber war er durch den Schock gefühllos. Und er wollte diese andauernde Benommenheit nutzen, um den schmerzlichen Schritt zu tun, der
durch die Diagnose des Arztes notwendig geworden war. Als Pianist abzudanken.

Sobald sie allein im Zimmer waren, erklärte Danny seinem Impresario Hurok, er habe eine vernichtende Bilanz seines Lebens, seiner Lebenserfahrungen und seiner Leistungen gezogen. Er habe deshalb daraus die Konsequenzen gezogen und beschlossen, mehr Zeit auf das Komponieren zu verwenden. Wer gedenke denn Mozarts noch als Pianist, argumentierte er - oder sogar Liszts? Ihre Kompositionen aber hätten überdauert.
»Ich schulde es auch Maria und meinen Töchtern, mehr Zeit für sie zu haben. Bevor ich es überhaupt bemerke, werden sie erwachsen und aus dem Haus sein, und ich habe nichts von ihnen gehabt.«
Hurok hörte geduldig zu, ohne seinen Virtuosen zu unterbrechen. Vielleicht fand er sich mit dem Gedanken ab, daß sich in der Vergangenheit schon viele bedeutende Solisten zu vorzeitigem Abtreten entschlossen hatten, um dann nach einigen Jahren ohne rauschenden Applaus aufs Podium zurückzukehren und mehr Konzerte denn je zu geben.
»Danny, ich respektiere Ihre Entscheidung«, begann er. »Und ich versuche erst gar nicht, mein Bedauern zu verbergen, denn Sie haben noch so viele wunderbare Jahre vor sich. Ich muß Sie nur bitten, noch Ihre drei oder vier Verpflichtungen in diesem Jahr zu erfüllen. Das ist doch annehmbar, oder?«

Danny zögerte einen Augenblick. Nach all der Freundlichkeit Huroks ihm gegenüber verdiente er es eigentlich, die Wahrheit zu erfahren. Dennoch konnte Danny es nicht über sich bringen, es ihm zu sagen.
»Es tut mir aufrichtig leid«, sagte er leise, »aber ich muß sofort aufhören. Natürlich werde ich an die betreffenden Orchester schreiben und mich entschuldigen. Sie können ja...« Er zögerte. »Sie können ja irgendeine Krankheit vorschieben. Hepatitis zum Beispiel.« »Das möchte ich nicht tun«, antwortete Hurok. »Mein Leben lang habe ich mich bemüht, bei meinen Geschäften ehrlich zu sein, und ich kann mich jetzt nicht mehr ändern. Ich werde mir die Planungen durchsehen, vielleicht kann ich Ihre Termine mit anderen Pianisten Ihres Formats besetzen.« Mit traurigem Gesicht sah er seine Papiere durch. Plötzlich kicherte er verschmitzt. »Was ist denn?« fragte Danny. »Hier ist schon jemand, den ich für Sie nach Amsterdam schicken kann-den jungen Arthur Rubinstein, achtundachtzig Jahre alt.«
Danny fürchtete, nicht länger Haltung bewahren zu können, und stand auf. »Vielen Dank, Mr. Hurok. Ich danke Ihnen für alles.« »Danny, ich hoffe sehr, wir bleiben in Verbindung. Ich werde jedenfalls zur Uraufführung Ihrer ersten Symphonie kommen.«
»Danke.«
Er drehte sich um und wollte gehen, da kam dem alten Herrn noch ein Gedanke: »Danny, falls Sie etwa das Publikum nicht mehr ertragen, können Sie ja immer noch Platten einspielen. Denken Sie an Glenn Gould und Horowitz. Es stecken doch noch so viele brillante Konzerte in Ihnen.«
Danny nickte nur und ging hinaus. Er hatte Mr. Hurok nicht sagen können, daiß die Pianisten, die er genannt hatte, noch beide Hände gebrauchen konnten.
Um zwei Uhr früh saß Danny im fast völlig dunklen Studio im dritten Stock seines Hauses. Eine sanfte Stimme unterbrach seinen einsamen Schmerz. Es war wie ein kleines Licht ganz am Ende einer dunklen Höhle.

»Was hast du für Kummer, Danny?« fragte Maria. Sie war in Nachthemd und Bademantel. »Wieso glaubst du, ich habe Kummer?« »Weil du da im Dunkeln sitzt und nicht arbeitest. Schon seit Stunden habe ich keine Musik mehr gehört, es sei denn du hältst >Twinkle, Twinkle, Little Star< hundertmal hintereinander für Musik.«
»Mozart hat viele Variationen über diese Melodie komnoniert«, erwiderte er ohne Überzeugung. »Ja, das weiß ich. Und es ist eine deiner beliebtesten Zugaben, Danny. Deshalb bin ich raufgekommen. Du weißt ich habe dich noch nie gestört.« »Danke. Und es wäre schön, du würdest es weiter so halten«.
»Ich gehe nicht, bevor du mir sagst, was dir fehlt.« »Mir fehlt gar nichts. Bitte laß mich allein.« Innerlich war er froh, daß sie ihm nicht gehorchte und sich neben seinen Stuhl kniete. Aber als sie nach seinen Händen greifen wollte, zog er sie schnell zurück. »Danny, um Gottes willen, ich sehe doch, daß du furchtbar leidest. Ich weiß, du brauchst mich jetzt, Liebling, und ich bin hier. Ich will dir helfen.«
»Du kannst mir nicht helfen, Maria«, antwortete er bitter »Niemand kann mir helfen.« Mehr brachte er im Augenblick nicht heraus.
»Deine linke Hand ist es, nicht wahr? Komm, versuch doch nicht, es abzustreiten. Ich weiß seit dem Abend im Fernsehstudio, daß etwas nicht in Ordnung ist. Spät nachts habe ich dich in deinem Schlafzimmer an der Lampe sitzen sehen und du hast deine linke Hand fast mit Entsetzen angestarrt « »Meiner Linken fehlt nichts«, antwortete er kalt. »Ich habe doch beim Essen das Zittern gesehen  Dannv und gemerkt, daß du versucht hast, es zu verstecken   Du
solltest vielleicht zum Arzt gehen.« »Ich war schon beim Arzt.«
»Und?« fragte sie besorgt.
Er antwortete nicht, sondern begann zu weinen. Sie legte ihre Arme um ihn. »Was ist denn, Danny? Was ist denn?« »Ach, Maria«, schluchzte er, »ich kann nicht mehr Klavierspielen.« Und dann erzählte er ihr alles von seiner tragischen Reise, die bei Dr. Whitney begonnen und bei Dr. Weisrnan geendet hatte. Als er am Ende war, weinten sie beide und umarmten sich lange Zeit. Schließlich wischte sie sich die Tränen ab und faßte ihn fest bei den Schultern. »Jetzt hör mir einmal zu, Daniel Rossi. Ich werde dir jetzt etwas sehr Wichtiges sagen. So schrecklich diese Sache auch ist, es ist nicht das Ende. Dir bleibt immer noch eine Menge zu tun. Du kannst dich weiter mit Musik beschäftigen. Und was am wichtigsten ist, du kannst weiter mit deiner Familie leben, und vor allem mit mir. Ich habe dich nicht geheiratet, weil du besser als Liszt Klavier spielst. Ich habe dich auch nicht geheiratet, weil du ein Star bist. Ich habe dich geheiratet, weil ich dich geliebt habe und weil ich dir glaubte, als du mir einmal gesagt hast, daß du mich brauchst. Danny, mein Liebling, zusammen schaffen wir es.«
Maria hielt ihn umfaßt, während er an ihrer Schulter leise schluchzte.
Es war nicht wie mit einem Publikum, das klatscht und dann nach Hause geht — sie würde immer da sein. Sie stand auf und nahm seine Hand. »Komm, Rossi, wir gehen schlafen.« Sie gingen Arm in Arm die Treppen hinunter, und als sie den zweiten Stock erreicht hatten, ließ sie ihn nicht los, sondern zog ihn den Korridor entlang. »Dein Schlafzimmer?« fragte er. »Nein, Danny, unser Schlafzimmer.«