33. Andrew Eliots Tagebuch 2. Dezember 1982 und 34. Tagebuch vom 4. Januar 1983

Ich werde wieder heiraten.
Die Entscheidung dazu ist mir nicht leichtgefallen. Aber nach siebzehn Jahren erbärmlichen Junggesellenlebens habe ich begriffen, warum die Arche Noah kein Ort für Singles war.
Seit meiner ersten Ehekatastrophe habe ich mich immer dagegen gewehrt. Das Problem ist nur - ich fühle mich einsam - besonders um die Weihnachtszeit. Also habe ich beschlossen, wieder zu heiraten. Und bis unser Harvard-Jahrgang sich im Juni trifft, möchte ich die große Neuigkeit mit Fanfaren verkünden können.
Jetzt muß ich nur noch eine Krau finden. Die Möglichkeiten sind reich und vielfältig. Erst einmal gibt es da Laura Hartley, mit der ich in New York oft zusammen war. Klar, als Chefredakteur  einer   berühmten   Frauenzeitschrift   ist  sie wahrscheinlich zu energisch und selbstbewußt für mich. Ich bewundere   Frauen,   die   beruflich   Karriere   machen,   und Laura ist weiß Gott dynamisch. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum sie bis jetzt noch nicht geheiratet hat. Sie ist neunundreißig. Ich will sagen, sie ist so eng mit ihrem Job verbunden, daß sie manchmal, wenn wir gerade im Bett sind, aufspringt und sich eine Idee für einen Leitartikel oder einen Aufsalz notiert. Und das kann einem schon manchmal die Stimmung verderben. Und dann gibt es da noch ein paar andere kleine Probleme. Erstens, sie ißt nicht. Nicht etwa, weil sie Übergewicht hätte. Im Gegenteil, Laura sieht aus wie ein Zahnstocher in Stiefeln, fch weiß nicht, wie sie mit ihrer permanenten Diät von Kaffee und zuckerfreiem Kaugummi überlebt, aber es ist etwas schwierig für mich, weil ich nur dann ein Sandwich runterschlingen kann, wenn sie es nicht sieht.
Das zweite Problem ist, sie raucht. Nicht etwa nur dann und wann, sondern endlose Ketten von Zigaretten ohne Filter, die ihr Appartement ganz schön einnebeln. Und ihrer recht ausgezehrten Figur und der vernebelten Sicht wegen ist es manchmal gar nicht leicht festzustellen, ob sie überhaupt anwesend ist. Trotz allem glaubte ich, sie sei eine sichere Kandidatin, bis ich nach Boston zog. Diese Stadt hier ist ein wahres Mekka für Heiratswillige. Beacon Hill zum Beispiel ist bevölkert von Zweitausgaben von Faith — neuere, turbinengetriebene Modelle, könnte man sagen. Aber ich scheine eine Pawlowsche Aversion gegen weibliche Preppies zu haben. Weshalb ich Distanz zu den Gesellschaftszicken halte. Besonders auch deshalb, weil es so viele andere Möglichkeiten gibt.
Zum Beispiel Cora Avery. Sie ist wahrscheinlich eines der strahlendsten Beispiele jungen Frauentums in Amerika. Ich traf sie, als ich nachmittags am Charles River joggte. Trotz ihres schlapprigen Trainingsanzugs war klar zu erkennen, daß sie eine fantastische Figur hat. Ich konnte gerade lang genug ihr Tempo halten, um ihre Telefonnummer zu bekommen. Und dann gingen wir zusammen aus. Am ersten Abend erfuhr ich, daß sie Turnlehrerin an der High School von Brookline ist. Und Marathonläuferin. Und Skifahrerin. Und Langstreckenschwimmerin. Und, um sich zu entspannen, macht sie ein wenig Aerobic. Natürlich wollte sie mich für alle diese gesunden Aktivitäten gewinnen, und anfänglich machte ich auch mit. Jeder einzelne Muskel tat mir weh, das wurde aber wettgemacht durch ihre wirklich fabelhafte Massage.
Eine Weile dachte ich, da liefe wirklich was mit uns. Aber als ich anfing, bei ihr die Nächte zu verbringen, bekam ich bald kalte Füße. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie weckte mich um fünf Uhr früh auf, verpaßte mir alle möglichen Megavitamingetränke und zerrte mich zum Joggen. Selbst das notorisch miese Wetter von Boston konnte sie nicht abschrecken. Wie ein Briefträger ließ sie sich weder von Regen, von Schneematsch noch von nächtlicher Dunkelheit davon abhalten, ihre Runden zu drehen. Wir kamen etwa um sieben Uhr zurück, und statt mich in ein heißes Bad taumeln zu lassen oder wieder ins Bett, ging es noch eine halbe Stunde zum Gewichtheben. Wenn ich dann ins Büro kam, war ich einWrack.
Aber sie war ein prima Kerl und mochte mich sehr. Oft rief sie an und schlug vor, zusammen zu Mittag zu essen. Unglücklicherweise fand das immer am Harvard-Schwimmbecken statt. Nachdem wir dort hastig eine Büchse Kraftnahrung verschlungen hatten, überredete sie mich, ins Wasser zu gehen, und ich paddelte müde herum, während sie ihre tägliche Meile herunterspulte. Sogar meine Freunde fanden, ich hätte noch nie so gut ausgesehen. Und ich weiß, wenn ich Cora heiraten würde, würde ich wahrscheinlich mindestens hundert Jahre alt werden.
Aber dann gab es da noch ein paar Nachteile. Ich wurde abends immer so müde, daß ich zu erschöpft war und nur noch schlafen konnte, wenn sie von ihrem Aerobic zurückkam und schmusen wollte. Sie dachte, ich hätte kein Interesse an ihrem Körper. Aber in Wahrheit war ich verrückt nach ihm. Mein eigener Körper war das Problem.
Am Ende des nächsten Semesters möchte sie nach Hawaii ziehen, wo es bessere Trainingsmöglichkeiten für das Triathlon (eine Kombination von Schwimmen, Radfahren und Marathonlauf) gibt. Die Zeit wird also knapp. Ich kann mich so schwer entscheiden, weil sich an jeder Ecke neue Möglichkeiten bieten.
Da gibt es Roz, eine geschiedene Frau, die in Weston lebt. Sie ist klug, sehr belesen und (zur Abwechslung) eine fabelhafte Köchin. Sie lädt mich andauernd zu sich nach Hause ein. wo sich das einzige Hindernis befindet, oder besser, ein vielköpfiges Hindernis. Ihre fünf Kinder hassen mich. Und vermutlich müßte man sie in ein Ehearrangement mit einbeziehen.
Es gibt noch viele andere Kandidatinnen. Aber keine davon scheint ganz die Richtige zu sein. Vielleicht ist das meine Schuld. Vermutlich habe ich zu hohe Erwartungen. .Ich würde gerne eine Frau heiraten, die einfach still dasitzt (ohne Liegestützen zu machen) und sich gerne über alles, von der Politik bis zu Kindern, unterhält. Eine Frau, die dieselben Bücher liest wie ich und Spaß daran findet, darüber zu reden. Am liebsten würde ich jemanden finden, der so einsam ist, wie ich es bin, der eine Hand zum Festhalten braucht und einen erwachsenen Menschen zum Lieben. Vielleicht ist das zuviel verlangt. Aber ich werde weitersuchen.

Aus >Milestones< in >Time< vom 4. Januar 1983:

Geschieden. George Keller, 47, stellvertretender
Außenminister, und Catherine Fitzgerald Keller, 39,
politische Aktivistin; wegen unversöhnlicher
Unterschiede; nach neunjähriger Ehe; keine Kinder.

Tagebuch vom 4. Januar 1983

ich rief George an, um ihm mein Beileid auszudrücken.
Er sagte mir, er nehme die Sache philosophisch. Aber ich versicherte ihm, daß keine Philosophie dieser Welt das Los mildern könnte, das ihm bevorstehe.
Ich meine, eine Scheidung hat etwas von einem Atomkrieg. Am schlimmsten ist es, zu überleben. Der radioaktive Niederschlag hat nicht enden wollende Folgen.
Er antwortete mit einer Art Lachen und bemerkte dann, nicht alle Ehen seien gleich.
Ich stimmte ihm zu.
Wie ich gehört habe, sind ein oder zwei wirklich glücklich.