Die tyrannei, die sich der mann gegen das weib erlaubt bedarf der erklärung und der rechtfertigung. Man hat eine menge sinnreicher gründe hervorgesucht, die alle beweisen sollen, dass beide geschlechter zwar gemeinschaftlich nach tugend streben, dabei aber doch einen sehr verschiedenen Charakter sich erwerben und behaupten müssen.
Soll ich es gerade heraussagen? Man gesteht den weibern gar nicht die erforderliche seelenstärke zu, durch die sie jenen hohen wert erringen könnten, der eigentlich den namen tugend verdient. Allein, so lange man unserm geschlecht die seele selbst noch nicht streitig machen kann, so lange finde ich, dass es geplante vorsehung ist, die ganze menschengattung auf einem und demselben weg zur tugend, d.h. zur wahren glückseligkeit zu führen.
Demnach sind die weiber zu etwas besserem geschaffen, als die kurzen lebenstage mit kleinigkeiten zu vertändeln. Darf man sie daher der unwissenheit, unter dem betörenden namen der unschuld, übergeben?
Die männer beklagen sich - und das mit recht - über die torheiten und launen unseres geschlechts, wenn sie nicht gar unserer unbändigen leidenschaften und unserer entehrenden laster mit bitterkeit spotten. Da seht, würde meine antwort sein, die natürliche folge der unwissenheit: ein charakter, der nur vorurteile zu seinen stützen hat, hört nie auf zu wanken. Und ein reissender strom bricht mit verheerender wut herein, wo es an dämmen fehlt, die seine macht zu bändigen im stande sind.
Man sagt ja den mädchen von kindheit auf - und das beispiel ihrer mütter prägt ihnen diese lehre noch tiefer ein - dass ein fünkchen kenntnis menschlicher schwäche, was mit seinem rechten namen Schlauheit heisst, eine gewisse sanftmütigkeit und geschmeidigkeit, die so oft für gehorsam gilt, und die so ängstliche beachtung einer kindischen art von anstand schon hinreichend für sie sei, um sich des schutzes der männer zu versichern. Sind sie gar noch schön dazu, nun dann können sie vollends alles andere, wenigstens auf die nächsten zwanzig Jahre ihres lebens, ganz entbehren.
Das ist das bild, das uns schon Milton von unserer uralten, schwachen mutter Eva entworfen hat. Doch ich muss frei bekennen, dass ich da, wo er uns sagt, die weiber wären für Sanftheit und süsse, gefällige anmut geschaffen, durchaus nicht im stande bin, den sinn seiner worte zu erfassen, wenn ich nicht annehme, dass er damit, auf gut mahometanisch, uns die seele habe absprechen und zu verstehen geben wollen, wir wären zu weiter nichts bestimmt, als durch süsse, gefällige anmut und durch lenksame, blinde unterwürfigkeit jedesmal die sinne des mannes zu befriedigen, sobald sein geist, des höhern schwungs der denkraft müde, den flügel sinken lässt und ruhen will.
Ja, grobe beschimpfung tut uns jeder an, wer uns lehren gibt, die, wenn wir sie befolgen, nur artige haustiere aus uns machen müssen! So hat man (um ein beispiel anzuführen) jene unwiderstehliche Sanftmut, die durch gehorsam herrschen soll, nicht oft und dringend genug empfehlen können. Was für ein kindisches gerede! Wie unbedeutend muss ein wesen sein - dürfte es wohl auf unsterblichkeit anspruch machen? - das sich so weit erniedrigt, auf solch verkehrten wegen die herrschaft zu erschleichen.!
»Es leidet keinen Zweifel«,
sagt Lord Bacon,
»dass der Mensch durch seinen Körper mit den Tieren in verwandtschaft steht. Ist er nicht mit gott durch seinen geist verwandt, so erscheint er als unedles, verworfenes Geschöpf.«
Wirklich ist, meiner meinung nach, das verfahren der männer sehr unfilosofisch, wenn sie die gute aufführung der weiber dadurch sichern wollen, dass sie dieselben immerfort in einem gewissen stande der kindheit zu erhalten suchen. Rousseau wenigstens war mit sich selbst mehr in einstimmung, wenn er vorschlug, dem fortschreiten der vernunft in beiden geschlechtern einen damm entgegen zu setzen. Denn so bald die männer einmal von dem baume der erkenntnis essen durften, so kann es nicht fehlen, dass die weiber nicht auch sich einschleichen, und davon kosten sollten. Schade nur, dass sie bei der jetztigen fehlerhaften art, wie man ihren verstand ausbildet, zu weiter nichts, als zur erkenntnis des bösen gelangen!
Von kindern gebe ich gern zu, dass sie in ihrer unschuld bleiben müssen. So bald man aber diesen ausdruck von männern oder weibern braucht, so ist er nur ein höflicheres wort, das die sprache der feinen welt für schwäche setzt. Gibt man einmal zu, dass auch die weiber von der vorsehung bestimmt wurden, zu menschlicher tugend sich zu erheben, und durch ausbildung ihres verstandes jene festigkeit des charakters zu erringen, die die unerschütterlichste grundlage unserer hoffnungen für die zukunft ist, so muss man ihnen auch gestatten, nach der eigentlichen quelle des lichtes zu schauen, und man darf sie nicht zwingen, ihren lauf nach dem Schimmer eines blossen trabanten zu richten. Milton freilich, ich gestehe es, mochte hierüber ganz anders denken: es ist nur das unwiderstehliche recht der schönheit, vor dem er sich beugt. Gleichwohl würde es schwer sein, zwei stellen von ihm, die ich hierher setzen will, mit einander zu vereinigen. Doch in solche Widersprüche lassen sich oft auch grosse männer durch ihre sinne führen!
»Zu Ihm spricht Eva, göttlich schön geschmückt:
»Mein Herr und mein Gebieter! Du befiehlst
»Ich folge schweigend Dir, so will es Gott,
»Der dir Gesetz ist, wie Du mir, nicht mehr
»Als diese wissen, ist des Weibes Ruhm
»Und beste Wissenschaft - «
Das sind vorstellungen, von denen ich hie und da gebrauch machte, wenn ich kinder zu behandeln hatte. Nur vergass ich nicht in diesem falle noch etwas anderes hinzuzusetzen. Eure vernunft, sagte ich ihnen, nimmt nun mit jedem tage zu. So lange sie noch nicht einen gewissen grad von reife erreicht hat, so lange könnt ihr nicht umhin, euch bei mir um rat und hilfe umzusehen. Ist aber dieser Zeitpunkt einmal da - dann müsst ihr für euch selbst denken und euch auf gott allein verlassen.
Dagegen scheint dieser dichter in andern versen wieder mit mir einverstanden zu sein, wo er Adam mit seinem Schöpfer auf folgende art rechten lässt:
»Soll ich nicht hier Dein Stellvertreter sein?
»Und steht nicht jene Zunft weit unter mir?
»Sie ungleich mir - wo wär' ein Band für uns?
»Wo Harmonie und inniger Genuss?
»Nein, gegenseitig muss die Freundschaft sein,
»In gleichem Mass' empfangen und erteilt.
»Ist eine Saite stark gespannt und schlaff
»Die andre; stimmt sich nie ein reiner Ton.
»Nach Gleichheit strebt mein Blick, sie sucht mein Herz -
»Ich ring' nach ihr, die mitgeniessen kann
»Die Geistesfreuden all - «
Lieber wollen wir also jetzt, da wir von dem weiblichen charakter sprechen, alle gründe, die bloss von der wirkung der sinnlichkeit hergenommen sind, bei seite setzen, und untersuchen, was für die bildung dieses geschlechts geschehen müsse, wenn dessen glieder zu gehülfen - man erlaube mir das kühne wort - zu mitarbeitern des höchsten wesen in seinem reich erzogen werden sollen.
Individuelle erziehung, so wie ich das wort nehme, (denn der sinn desselben ist noch nicht scharf genug bestimmt) umfasst die ganze aufmerksame und vorsichtige behandlung eines kindes (als menschliches individuums, ohne rücksicht auf geschlecht) die seine sinne allmählich schärft, seinen charakter allmählich formt, seinen aufbrausenden leidenschaften in ihren ersten regungen die nötige richtung gibt, und seinen verstand, noch vor der reife seines körpers, dergestalt in tätigkeit zu setzen weiss, dass einst die erwachsenen menschen das wichtigste geschäft des denkens und urteilens nur fortsetzen dürfen, nicht erst anfangen müssen.
Um jedem missverständnis vorzubeugen, muss ich hier bemerken, dass ich von der privaterziehung ganz und gar nicht jene wunder erwarte, die einige sanguinische schriftsteller derselben zugeschrieben haben. Denn, so wie es jetzt ist, muss ja die erziehung des männlichen und auch des weiblichen geschlechts immer mit nach der denkart und den sitten der gesellschaft, in der wir nun einmal leben, abgemessen werden. In jedem Zeitalter gab es einen strom der volksbegriffe, der alles mit sich fortriss und jedem jahrhunderte seinen eigenen charakter aufdrückte. Schon daraus allein lässt sich ziemlich sicher schliessen, dass bis dahin, wo einmal die bürgerliche gesellschaft eine andere verfassung erhält, von der erziehung überhaupt eben nicht sehr viel zu erwarten sein dürfte. Sei es wie es sei: für meine jetztige absicht ist es hinreichend, bei der behauptung zu beharren, dass jedes moralische wesen, was für einen einfluss auch die umstände auf seine ausbildung haben mögen, doch immer durch eigene übung seiner vernunft tugendhaft werden könne. Denn wäre auch nur ein solches geschöpf mit wirklich lasterhaften neigungen, das heisst, unbedingt böse geschaffen, was könnte uns dann vor gottesleugnung sichern? Oder, wenn wir doch an einen gott glauben, müsste dieser gott nicht selbst ein böses wesen sein?
Eine vollkommene erziehung kann aus diesem grunde, meiner meinung nach, nur in einer solchen Übung und ausbildung des verstandes bestehen, bei welcher jeder umstand, der auf stärkung des körpers und bildung des herzens einfluss hat, aufs glücklichste berechnet ist. Mit andern Worten: Sie muss ihre Zöglinge in den stand setzen, sich solche tugendfertigkeiten zu erwerben, durch die sie unabhängig werden. In der tat, man spielt mit worten, wenn man moralische wesen tugendhaft nennt, deren tugend nicht aus dem gebrauch ihrer vernunft abgeleitet werden kann.
Dies war Rousseaus urteil in hinblick auf das männliche geschlecht. Ich wage es, ein gleiches vom weiblichen zu behaupten. Sicher war es nicht das emporstreben nach männlichen eigenschaften, nein, falsche verfeinerung war es, was die weiber aus ihrem ächten Wirkungskreis herausgerissen hat. Noch ist die königliche huldigung, mit der man ihnen entgegen kommt, viel zu berauschend für sie, als dass sich bei der jetztigen lage der dinge hoffen liesse, sie von ihrem taumel zur besinnung zurückzubringen. Erst dann, wenn einmal der volkscharakter durch vernünftigere grundsätze umgestimmt sein wird, erst dann darf man erwarten, sie mit erfolg zu überzeugen, dass die unrechtmässige gewalt, zu der sie doch nur durch erniedrigung ihrer selbst gelangen, wahres Unglück für sie ist, und dass sie zur natur und gleichheit zurückkehren müssen, wenn sie jene sanfte zufriedenheit geniessen wollen, die nur unverkünstelte neigungen gewähren können. Doch, dieses zeitpunkts müssen wir noch lange harren - vielleicht so lange, bis könige und adel, durch vernunft erleuchtet, endlich einmal wahre menschenwürde kindischem prunk vorziehen und ihren ganzen erblichen flitterstaat von sich werfen. Wenn aber die weiber auch dann noch fortfahren, mit der macht der schönheit nach willkür zu schalten - nun, so werden sie dadurch beweisen, dass sie wirklich weniger geist haben, als der mann.
Ich sehe voraus, dass man mich der anmassung beschuldigen wird. Doch soll mich das nicht abhalten, ein urteil frei heraus zu sagen, von dessen richtigkeit ich vollkommen überzeugt bin. Ich glaube nämlich, dass alle die schriftsteller, die über weibliche sitten und erziehung schrieben, von Rousseau bis zu Dr. Gregory, alle das ihrige dazu beigetragen haben, die frauenzimmer zu noch künstlicheren, schwächeren wesen, als sie ausserdem geworden sein würden, umzuschaffen, folglich dazu beigetragen haben, uns ihnen noch weit unnützere glieder der menschlichen gesellschaft zu machen. Ich weiss sehr gut, dass ich diese beschuldigung auf eine sanftere art hätte ausdrücken können: nur füchte ich, würde man in diesem falle darin eher die weinerliche sprache der affektation, als den treuen ausdruck meiner empfindung bei einem resultat, zu welchem erfahrung und nachdenken mich unwiderstehlich hinführten, gefunden haben.
Später werde ich in einem eigenen abschnitt aus den werken der angeführten Schriftsteller diejenigen stellen, die mir besonders missfallen haben, noch näher auszeichnen. Hier war nur die bemerkung nötig, dass mein tadel den ganzen geist jener bücher trifft, weil dieser, meiner Überzeugung nach, zu einem ziele führt, das eine hälfte der menschengattung um ihre würde bringt und die weiber auf kosten jeder ächten tugend angenehm macht.
Freilich liesse sich dagegen, wollte man nach Rousseauischen prinzipien räsonieren, folgendes einwenden: Wenn der mann, so könnte man sagen, mit der vollendeten ausbildung seines körpers auch zugleich den gehörigen grad der geistesreife erreicht, so wird die frau sich eng an seinen verstand anschmiegen, und aus beiden nun eins werden. Der liebliche efeu würde die eiche, die ihn hält, mit grazie umschlingen, und beide würden gemeinschaftlich ein ganzes bilden, in welchem stärke und schönheit gleich sichtbar wären. Aber, ach! Die männer sind ja selbst, so wie ihre gehülfinnen, gar oft selbst weiter nichts, als überreife kinder, ja - dank ihren frühen ausschweifungen - kaum männer mehr dem äusseren ansehen nach; Wenn nun ein blinder den andern führt, so kann wohl jeder, ohne profet zu sein, im voraus sagen, was geschehen wird.
Der ursachen sind viel, die im jetztigen verdorbenen zustand unserer staaten dazu beitragen, den verstand der frauenzimmer stumpfer, ihre sinne reizbarer und, durch beides, ihre sklaverei immer drückender zu machen. Eine davon, die, ganz unbemerkt, vielleicht mehr unheil stiftet, als die übrigen alle zusammen, ist ihre gänzliche verachtung aller ordnung.
Die regel, die uns unsere geschäfte in einer gewissen ordnung verrichten heisst, ist von grösster wichtigkeit. Sehr selten aber werden wir die weiber, denen man, im ganzen genommen nur eine unordentliche und regellose art von erziehung gibt, diese vorschrift mit demjenigen grad von genauigkeit beobachten sehen, mit dem sie die männer, die von kindheit auf methodisch behandelt werden, zu befolgen pflegen. Gewöhnlich findet man bei ihnen eine schlaffe art alles aufs gerathewohl zu tun - denn wie soll ich die unsteten verrichtungen eines instinktartigen menschenverstandes, der nie auf dem probierstein der vernunft geprüft wurde, anders nennen? - und daher lernen sie nie ihre geschäfte unter allgemeine gesichtspunkte bringen. Auf diese weise tun sie heute, was sie gestern taten, und zwar bloss deswegen, weil sie es gestern taten.
Eine solche vernachlässigung des verstandes in den frühen lebensjahren zieht schlimmere folgen nach sich, als man gewöhnlich glaubt. Denn selbst die wenigen kenntnisse, zu denen sich weiber von stärkerem geiste endlich hinauf arbeiten, können doch nun, aus mancherlei ursachen, bei weitem nicht den grad des zusammenhangs gewinnen, in dem die kenntnisse der männer stehen. Ihre häusliche beschäftigung und abhängige lage führen sie weit weniger in gesellschaft, als die mannspersonen. Und was sie dort lernen, wird nur flüchtig aufgefangen. Weil wissenschaften überhaupt für sie nur nebensache sind, so betreiben sie auch kein fach derselben mit dem ausdauernden eifer, der notwendig ist, wenn der untersuchungsgeist sein volles leben und die urteilskraft ihre gehörige klarheit erhalten soll. Man fordert doch, nach unsern gesellschaftlichen verhältnissen, immer noch etwas wissenschaft von einem jeden, der für einen mann von erziehung gelten will. Knaben müssen sich daher immer einige jahre der schulzucht unterwerfen. Nur bei erziehung der mädchen wird die ausbildung des verstandes jede derzeit dem erwerbe eines und des andern körperlichen talents nachgesetzt. Dabei übersieht man ganz, dass durch stubenhüten und falsche begriffe von sittsamkeit selbst ihr körper entkräftet werden muss und daher durchaus nicht jene anmut und Schönheit gewinnen kann, die nur bei kraftvollen, völlig ausgebildeten gliedern möglich ist. Und noch mehr: Die seelenkräfte der frauenzimmer werden in der Jugend viel zu wenig durch nacheiferung angespannt. Und, wenn sie natürlichen scharfsinn besitzen, so wird dieser, beim mangel an ernster wissenschaftlicher beschäftigung, viel zu früh auf welt und sitten abgeleitet. Kurz, sie kleben an wirkungen und äusseren erscheinungen, ohne auf die ursachen derselben zurückzugehen. Verwickelte regeln, ihr betragen zu modeln, müssen immer nur ein dürftiger ersatz für einfache grundsätze bleiben.
Zum beweis, dass es die erziehung ist, was den weibern diesen schein von schwäche gibt, darf ich mich auf das beispiel von militärpersonen berufen, die man eben so, wie jene, ohne ihre seele mit kenntnissen versehen, oder durch grundsätze gestärkt zu haben, in die welt hinausschickt. Die folgen sind bei ihnen ganz dieselben, wie bei den frauenzimmern. Auch sie bringen es nur zu wenigen, oberflächlichen kenntnissen, die sie ebenfalls aus dem trüben strom des umgangs schöpfen. Weil sie sich endlos in gesellschaften herumtreiben, erwerben sie sich freilich das, was man weltkenntnis nennt. Man hat diese bekanntschaft mit sitten und gebräuchen sehr oft mit der kenntnis des menschlichen herzens verwechselt. Sie ist aber nur kenntnis der oberfläche. - Auch findet man, dass offiziere, so gut wie die weiber, die tugenden vom untern rang mit gewissenhafter achtung üben. Die erziehung war in beiden fällen genau dieselbe. Worin unterscheiden sich hier noch beide geschlechter? So viel ich sehe, haben die erstern vor den letztern weiter nichts voraus, als eine unbeschränktere freiheit, die es ihnen möglich macht, mehr von der welt zu sehen. Und daraus lässt sich die geringe verschiedenheit, die man vielleicht auffinden möchte, hinlänglich erklären.
Eine politische bemerkung, die man vielleicht als abschweifung von der hauptsache betrachten wird, bietet sich mir dennoch in der folge meiner vorstellungen zu natürlich dar, als dass ich sie ganz mit stillschweigen übergehen kann.
Stehende heere können niemals aus entschlossenen, starken menschen bestehen. Immer mögen es ganz gut disziplinierte maschinen sein. Aber nur selten wird man in ihnen männer finden, die grosser leidenschaften fähig oder deren seelenkraft in hohem grade lebhaft wären. Tief eindringenden verstand darf man - ich wage es zu sagen - so wenig in einer armee als unter weibern suchen. Und die ursache, behaupte ich, ist eine und dieselbe. Weiter bemerkt man, dass offiziere sich ebenfalls vorzüglich mit ihrer person beschäftigen, und dass sie den tanz, vollgestopfte zimmer, abenteuer und alles, was zu lachen gibt, so leidenschaftlich lieben.[5] So wie beim schönen geschlecht, gerade so ist auch bei ihnen galanterie das hauptgeschäft. Man lehrt sie ja nur, wie sie gefallen sollen, und nun leben sie auch bloss, um zu gefallen. Bei dem allen verlieren sie da, wo man die geschlechter würdigt, so wenig von ihrem rang, da man sie doch stets eine stufe höher als die frauenzimmer stellt. Und doch lässt sich schwerlich absehen, was sie, ausser dem, was ich soeben angegeben habe, sonst noch für einen vorzug besitzen möchten, der sie zu dieser höhern stelle berechtigen könnte.
Ein hauptübel hierbei ist, dass diese, so wie jene, eher ihre sitten, als ihren sittlichen charakter ausbilden und dass sie mit dem weltlauf eher vertraut werden, als sie durch nachdenken das grosse und höchste ziel der menschenbestimmung auch nur ahnten. Was anders kann die folge sein, als dass sie, mit dem gewöhnlichen lauf der dinge zufrieden, ein raub von vorurteilen werden, alle ihre meinungen auf treu und glauben von andern annehmen und sich blindlings unter das joch des herkommens beugen? Besitzen sie noch etwas verstand, so ist das nur instinktartiger blick, der gefällige äussere verhältnisse auffassen und allenfalls über gute lebensart entscheiden kann, der aber unbrauchbar wird, sobald gründe aufzusuchen oder urteile zu prüfen sind.[6]
Man darf ohne bedenken diese bemerkungen geradezu auch auf weiber anwenden. Ja man kann den vergleich noch weiter treiben. Beide, militärpersonen und weiber, sind durch gewisse unnatürliche vorzüge, die nun einmal in der kultivierten welt gesetzmässige kraft erhalten haben, aus der wohltätigen stelle, die sie im Staate einnehmen sollten, fast ganz herausgehoben. Reichtümer und erblicher rang haben aus den weibern nullen gemacht, die nur durch die verbindung mit den eigentlichen zahlen einen wert bekommen. Der müssiggang hat eine mischung von galanterie und despotismus in die gesellschaft gebracht, welche gerade die männer, die vor ihren buhlerinnen kriechen, zu tyrannen ihrer Schwestern, ihrer gattinnen und ihrer töchter macht. Freilich, wie die sache jetzt steht, so heisst das im grund nichts anderes, als sie in reih und glied halten. Allein, stärkt nur erst die weibliche seele durch einen grösseren wirkungskreis, und bald wird dieser blinde gehorsam verschwinden! Doch blinder gehorsam ist es ja eben, was man durch macht und gewalt zu erhalten strebt. Tyrannen und wollüstlinge tun daher sehr recht daran, wenn sie alles aufbieten, die weiber in der finsternis zu erhalten, weil jene nur Sklaven brauchen und diese doch etwas zu spielen haben müssen. Fürwahr, der wollüstling war von je unter allen tyrannen der gefährlichste - wie oft mussten sich nicht weiber von ihren anbetern, gerade so wie fürsten von ihren ministern düpieren lassen, indess sie unumschränkt über dieselben zu gebieten träumten!
Jetzt habe ich es mit Rousseau zu tun. So anziehend auch der charakter seiner Sophie gezeichnet ist, so wenig scheint er mir doch naturgerecht zu sein. Doch es ist nicht das gemälde selbst, es sind nur die grundzüge ihres charakters, die grundsätze, nach welchen er ihre erziehung bestimmt, auf die mein tadel gerichtet ist. Ja, ich muss es sagen, so sehr ich auch das genie dieses trefflichen schriftstellers, dessen gedanken ich noch oft anführen werde, von herzen bewundere, so tritt doch jedesmal inniger unwille an stelle von bewunderung, und die ernste falte der beleidigten tugend wischt das beifällige lächeln, das man sonst seiner beredsamkeit so willig zollt, sogleich hinweg, wenn ich seine wollüstigen träumereien lese. Ist das der mann - denke ich dann immer -, der in seinem glühenden eifer für tugend alle sanften künste des friedes verbannen und uns zu einer fast spartanischen zucht zurückbringen will? Ist das der mann, dessen feder den edlen kampf gegen leidenschaft, den triumf der rechtschaffenheit, und den heldenschwung, in dem eine feurige seele sich über sich selbst erhebt, uns so schön zu malen weiss? Wie viel verlieren dagegen nicht jene erhabenen gedanken von ihrem eindruck, wenn man nun wieder auf die beschreibung des niedlichen fusses und der verführerischen reize seiner kleinen favorite stösst?
Doch, ich kann für jetzt diesen gegenstand nicht weiter verfolgen, und will daher auch vorübergehende ergiessungen einer überspannten empfindsamkeit nicht weiter rügen: nur eine kleine bemerkung muss ich noch beifügen.
Wer die menschen zu betrachten pflegt, dem ist gewiss das vergnügen nicht fremd, das der anblick einer anspruchslosen gegenseitigen liebe gewährt, wenn sie auch nicht durch feinere gefühle veredelt, wenn sie auch nicht durch gemeinschaftliche geistesbeschäftigungen verstärkt wird. Wie oft sehen wir nicht kleine häusliche vorfälle stoff zu fröhlicher unterhaltung geben oder liebkosungen manch saure arbeiten versüssen? Und ich frage jeden, ob nicht in dem eindruck, den der anblick jener glückseligkeit auf ihn machte, mehr zärtliches mitgefühl als wirkliche achtung lag? Man hat dabei eine empfindung, die dem ähnlich ist, was man fühlt, wenn man kinder oder tiere miteinander spielen sieht...
Nun kommt die frage: Sind die weiber als moralische geschöpfe zu betrachten? Oder sind sie so schwache wesen, dass sie sich den höhern einsichten der männer unbedingt unterwerfen müssen? Lasst uns sehen.
Rousseau erklärt: Das weib dürfe sich nie, keinen augenblick unabhängig fühlen, müsse schlechterding durch furcht beherrscht werden, weil gerade dies sie auf die ihr natürliche verschlagenheit hinführe. Kurz, er will sie zur gefallsüchtigen Sklavin umgeschaffen wissen, um aus ihr einen lockenden gegenstand für sinnliche wünsche, eine angenehmere gesellschaft für den mann, wenn dieser sich von wichtigeren geschäften ausruhen will, zu machen. Er geht in seinen folgerungen, bei denen er naturwinke benutzt haben will, so weit, dass er nicht undeutlich zu verstehen gibt, selbst wahrheit und seelenstärke, die grundpfeiler aller menschlichen tugend, dürfen in dem weiblichen charakter nur unter gewissen einschränkungen ausgebildet werden, weil für frauenzimmer gehorsam die grosse lehre sei, die ihnen mit unablässiger schärfe eingeprägt werden müsse.
Wie ungereimt! Wann wird einmal ein grosser mann von starkem geist auftreten und die nebel zerstreuen, in welche stolz und sinnlichkeit hier die Wahrheit eingehüllt haben! Hätte die natur auch wirklich die weiber unter die männer herabgesetzt, so müsste doch für beide die tugend immer der art, wenngleich nicht dem grade nach, dieselbe sein, wenn man sie nicht zu einem schwankenden begriff herabwürdigen will. Folglich muss auch ihr beiderseitiges verhalten auf dieselben grundsätze gebaut, und auf denselben zweck hingeleitet werden.
Die weiber stehen mit dem mann als töchter, gattinen und mütter in zu enger verbindung, als dass man nicht, bei würdigung ihres moralischen charakters, vorzüglich darauf achten müsste, wie sie die einfachen pflichten, die in diesen verhältnissen gegründet sind, erfüllen. Der grosse zweck ihres strebens bleibt jedoch immer der: ihren verstand ausbilden und sich zur würde selbstbewusster tugend erheben. Immer mögen sie's versuchen, ihren pfad mit blumen zu bestreuen, nie aber sollen sie dabei, so wenig als der mann, vergessen, dass diese welt nicht jenes glück gewährt, das einen unsterblichen geist befriedigen kann.
Damit will ich nicht sagen, als ob eines von beiden geschlechtern sich so sehr in betrachtungen vertiefen oder so weit in entlegene ansichten verlieren müsste, dass es darüber empfindungen vergässe, die uns nahe liegen und die auch ich als eigentlichen lebensgenuss betrachte. Nein, ich empfehle beide gerade dadurch noch dringender, als sie uns vollkommene befriedigung erst dann gewähren, wenn wir sie aus ihrem wahren gesichtspunkt betrachten, der freilich immer nur ein untergeordneter bleiben muss.
Die hergebrachte meinung, als ob das weib bloss für den mann geschaffen sei, verdankt aller wahrscheinlichkeit nach ihren ursprung der poetischen geschichtserzählung, die wir bei Moses finden. Da man annehmen darf, dass nur wenige von denen, die jemals reiflich über die sache nachgedacht, im ernst geglaubt haben, Eva sei wirklich, im buchstäblichen sinn des wortes, eine rippe Adams gewesen, so wird auch der beweis, den man aus dieser schrift nehmen könnte, hinlänglich entkräftet. Wenigstens lässt sich aus ihr mehr nicht folgern, als dass der mann schon im grauesten altertum für gut fand, seine stärke zur unterdrückung seiner gefährtin zu gebrauchen und zu ihrer unterjochung anzuwenden und dass er schon damals den selbstsüchtigen gedanken nährte, auch sie sei gleich den tieren bloss zu seinem vergnügen geschaffen.
Man schliesse aus dem gesagten nicht, dass ich die hergebrachte ordnung In der welt umkehren wolle. Nein, ich habe ja bereits gestanden, dass die männer durch das grössere mass von körperlicher stärke, das ihnen die vorsehung zuteilte, auch zu einem höhrern grad von tugend bestimmt zu sein scheinen. Dabei versteht sich von selbst, dass sich dies nur vom männlichen geschlecht überhaupt und im ganzan genommen behaupten lässt. Aber ich sehe auch nicht den schatten eines grundes, anzunehmen, dass männliche und weibliche tugend etwas ganz verschiedenartiges sein müsse. Aber - wie könnte das je der fall sein, wenn tugend überhaupt nur einen, ewig unveränderlichen massstab hat? Wer daher folgerichtig schliessen will, der muss den satz: dass beide geschlechter nur ein und dasselbe ziel vor augen behalten müssen, mit eben dem nachdruck behaupten, mit dem er die wahrheit bekennt, dass es einen gott gibt.
Hieraus folgt weiter, dass man verschlagenheit nie mit weisheit verwechseln, unbedeutende geschäfte nie mit grossen handlungen vergleichen und eine abgeschmackte sanftheit, die man mit dem betörenden namen der artigkeit belegt, nie jener seelenstärke, die erhabene betrachtungen allein einflössen können, entgegensetzen sollte.
Man wird einwenden: wenn meine behauptung begründet wäre so würde das weib gar manche ihrer reize verlieren. Vielleicht wird man mich auf den ausspruch eines berühmten dichters verweisen. Pope sagt nämlich im namen seines geschlechts:
»Nie sind sie unsrer Liebe so gewiss,
»Als wenn sie uns misshandeln, necken, quälen.«
In welches licht durch diesen muntern einfall mann und weib gesetzt sind - darüber lasse ich jeden vernünftigen selbst entscheiden. Die bemerkung kann ich nicht unterdrücken, dass ich nicht einsehe, warum die weiber, falls nicht für sie in diesem leben alles aus ist, immerfort so herabgewürdigt und nur zur liebe oder vielmehr zur wollust gebraucht werden sollen.
Ich weiss wohl, dass man der liebe nicht nahe treten kann, ohne sogleich des hochverrats gegen sentiments und feine gefühle beschuldigt zu werden. Meine absicht ist aber hier, die ungekünstelte sprache der Wahrheit zu führen und mehr zu dem kopfe als zu dem herzen zu reden. Die liebe aus der welt räsonieren zu wollen, wäre ein ebenso unsinniges unternehmen, als den held von Mancha aus dem roman Cervantes herauszuheben. Nichts weniger aber als ungereimt ist die bemühung, jene tobende leidenschaft zu zügeln und zu erweisen, dass man ihr nie verstatten dürfe, höhere kräfte vom throne zu stürzen, und sich des zepters anzumassen, den immer die vernunft mit kaltem blute führen sollte.
Die Jugend ist die zeit der liebe für beide geschlechter. Dies ist die ordnung der natur. Nur sollte man gerade in diesen tagen, in denen die meisten nur gedankenlos zu geniessen pflegen, nicht vergessen, vorrat für die wichtigeren lebensjahre einzusammeln, wo überlegung an die stelle sinnlichen genusses tritt. Fragt man dagegen Rousseau und die meisten schriftsteller seines geschlechts, die in seine fussstapfen getreten sind, um rat, dann lässt sich der ganze geist der weiblichen erziehung in dieser einzigen regel zusammenfassen: man bilde die frauenzimmer nur so, dass sie gefallen.
Ich nehme es jetzt mit den verfechtern dieser meinung auf, und frage einen jeden unter ihnen, der die menschliche natur auch nur ein wenig kennt, ob sich's denken lässt, dass die ehe imstande sei, eine sache, die im ganzen bisherigen leben zur gewohnheit geworden ist, wieder ganz aufzuheben?
Eine frau, die man weiter nichts lehret, als wie sie gefallen soll, muss gar bald die traurige erfahrung machen, dass ihre reize gleich den Sonnenstrahlen im winter immer kraftloser werden: unmöglich können sie noch viel auf das herz ihres mannes wirken, weil er sie alle tage sieht und der sommer nun vorüber ist. - Wird sie jetzt kraft genug haben, sich in ihrem innern nach trost umzusehen und ihre schlummernden seelenkräfte noch auszubilden? Oder muss man nicht eher erwarten, dass sie nun versuchen wird, andern männern zu gefallen und in sehnsüchtiger erwartung neuer eroberungen die kränkungen ihrer liebe oder ihres stolzes zu vergessen?
Sobald ihr gatte aufhört, liebhaber zu sein - und diese zeit muss einmal kommen - so wird ihre begierde zu gefallen sich entweder nach und nach verlieren oder wenn das nicht ist, eine quelle bitteren grames für sie werden, - und die liebe, die flüchtigste vielleicht unter allen leidenschaften, muss nun der eifersucht oder einem eitlen eroberungswahn weichen.
Doch, man kann sich weiber denken, die, sei es durch grundsatz oder vorurteil, sich auch in diesem falle immer noch in gewissen schranken halten. Freilich werden sich diese niemals eine eigentliche intrige erlauben, aber sie werden sich doch gern durch huldigende anbeter beweisen lassen, wie grausam es von ihrem gatten war, sie so zu vernachlässigen; und wo das nicht ist, da verträumt man ganze tage, ja wochen in den schwärmereien über das glück verschwisterter seelen so lange, bis endlich die gesundheit zerstört und jeder funke von zufriedenheit und mut erloschen ist.
Wenn dies die folgen der grossen kunst »zu gefallen« sind, wie kann man wohl das Studium derselben noch so unentbehrlich finden? Nein, dieses studium taugt nur für eine buhlerin; die keusche gattin und die vernünftige mutter sieht ihr talent zu gefallen nur als die politur ihrer tugend und die zärtlichkeit ihres gatten als eines der schönsten geschenke an, durch welche ihr der himmel ihre arbeiten erleichtern und das leben versüssen will. - In jedem falle aber, sie werde von ihrem gatten mit wärme oder mit kälte behandelt, so ist es ihr höchster wunsch, achtung zu verdienen, ohne ihre ganze glückseligkeit von einem geschöpfe zu erwarten, das gleichen schwachheiten wie sie selbst unterworfen ist.
Der liebenswürdige Dr. Gregory ist hier auf einen ähnlichen abweg geraten. Sein herz bleibt mir immer achtungswert, aber missfällig war, und ist mir immer noch, sein hoch gepriesenes »Vermächtnis für seine Töchter«.
Er gibt ihnen in dieser schrift den rat, ihrem hang zum putz ja fleissig nachzugehen, weil, wie er behauptet, der hang zum putz ihnen natürlich sei. Ich bin wirklich nicht imstande zu begreifen, was er und Rousseau mit diesem ausdruck, den sie beide häufig gebrauchen, aber nirgends genauer bestimmen, eigentlich sagen wollen. Meinen sie, dass die weibliche seele in einem frühern zustand schon diese vorliebe für putz gehabt, und sie als lieblingsneigung in ihren neuen körper mit herübergenommen habe? Nun, so höre ich ihnen gerade so andächtig und mit verbissenem lächeln zu, wie ich öfters zu tun pflege, wenn ich mich genötigt sehe, einen pomphaften Galimathias über angeborene eleganz auszuhalten. Wollen sie hingegen damit nur so viel behaupten: mit der weiblichen seelenkraft entwickle sich in den frauenzimmern dieser hang von selbst, so leugne ich das geradezu. Nein, er ist ihnen schlechterdings nicht natürlich, sondern er entspringt bei ihnen, gerade so wie der falsche ehrgeiz bei den männern, aus streben nach herrschaft.
Dr. Gregory geht noch viel weiter. Er scheut sich nicht, seinen töchtern ausdrücklich verstellung zu empfehlen. So rät er zum beispiel einem unschuldigen mädchen, beim tanzen ihre empfindungen ganz und gar zu verleugnen und sich selbst da keine lebhaftigkeit zu erlauben, wo natürlicher frohsinn ihren füssen sozusagen beredsamkeit geben würde, ohne ihre bewegungen im mindesten unanständig zu machen. Warum aber - ich berufe mich auf wahrheit und gesunden menschenverstand - warum sollte wohl ein frauenzimmer nicht zeigen dürfen, dass sie eine stärkere bewegung als andere personen ihres geschlechts vertragen kann? Mit andern worten, warum sollte sie nicht zeigen dürfen, dass sie einen gesunden körper hat? Und was berechtigte uns wohl, ihre unschuldige munterkeit durch rätselhafte warnungen über Schlüsse, die die männer daraus ziehen würden, niederzuschlagen, wenn ihr die möglichkeit solcher folgerungen noch gar nicht einfallen kann?
Nein, mütter, wollt ihr vernünftig sein, lasst den wollüstling denken, was er will. Aber eure töchter verschont mit solchen verwahrungsregeln, die ihre sittsamkeit beleidigen und ihre natürliche unbefangenheit in fesseln schmieden müssen! Aus der fülle des herzens spricht der mund: Das herz muss rein werden (so lehrte uns ein mann, der weiser war als Salomo) und unbedeutende, äussere gebräuche können dazu schlechterdings nichts helfen, weil man diese selbst da mit der pünktlichsten genauigkeit verrichten kann, wo im herzen noch das laster herrscht.
Ohne zweifei ist die pflicht, das herz zu reinigen und zu veredeln, auch für die weiber von grösster Wichtigkeit. Aber können sie diese pflicht erfüllen, wenn ein noch ungebildeter verstand sie in hinsicht auf beschäftigung und zeitvertreib ganz und gar von ihren sinnen abhängig macht? Wo kein edles geschäft sie über die öden kleinigkeiten des tages hinweg und in den stand setzt, jenen wilden leidenschaften widerstand zu leisten? - Und sollte sich denn wirklich die liebe eines rechtschaffenen mannes nicht anders als durch affektiertes getue gewinnen lassen? Ich leugne nicht, dass die natur dem weibe einen schwächern körperbau als dem manne gegeben hat. Wer wollte aber daraus die folge ziehen, dass eine frau, die, bei gewissenhafter übung der tochter-, gattin- und mutterpflichten, ihren geist gehörig ausgebildet, ihrem körper seine natürliche stärke und ihren nerven die gehörige spannung erhalten hat, dass eine solche frau nur zu niedrigen künsten ihre zuflucht nehmen und eine kränkliche delikatesse affektieren müsse, um sich die liebe ihres gatten zu sichern?
Schwäche kann wohl in den männern kindische zärtlichkeit erregen und ihren anmassenden stolz befriedigen. Nie aber werden die herrischen liebkosungen des gnädigen gebieters eine edle seele befriedigen, die achtung verlangt und achtung verdient. Zärtlichkeit allein ist ein armseliger ersatz für freundschaft;
Dass in einem serail jene künste alle unentbehrlich sind, gestehe ich gern ein. Dem sinnenmenschen muss der gaumen gekitzelt werden, wenn er nicht in fühllosigkeit versinken soll. Sollten aber die weiber so wenig ehrliebe haben, dass diese lage sie befriedigen könnte? Könnten sie sich entschliessen, lieber ihr leben träge im schosse des vergnügens oder in untätigkeit zu verträumen, als ihre ansprüche auf den genuss vernünftiger freuden geltend zu machen und sich durch die übung solcher tugenden, die der menschheit ihre würde geben, auszuzeichnen?
Fürwahr die frau kann keine unsterbliche seele haben, welche fähig ist, ihr ganzes leben bloss mit dem putze ihres körpers zu vertändeln, bloss um die langweiligen stunden hinzubringen und ein anderes geschöpf wieder in gute laune zu versetzen, wenn dieses, nach beendigung seiner geschäfte, nun von ihr liebkosungen und spielereien erwartet: Dagegen wird die frau, die ihren körper stärkt und ihren geist ausbildet, auch ihrem hauswesen würdig vorzustehen und ihre tugenden zu üben imstande sein. Sie wird eben dadurch, weit entfernt in niedrige abhängigkeit von ihrem manne herabzusinken, vielmehr seine freundin werden. Hat ihr der besitz solcher vorzüge nur einmal erst die achtung ihres gatten verdient, so wird sie nicht mehr nötig haben, eine unnatürliche kälte zu affektieren oder ihm ihre liebe zu verbergen, um die seinige dadurch anzufeuern. Auch ein blick auf die geschichte lehrt uns, dass die weiber, die sich dort ausgezeichnet haben, weder die schönsten noch die angenehmsten ihres geschlechts gewesen sind.
Die natur oder, genauer gesagt, gott hat alle dinge gut gemacht. Schade nur, dass die menschen auf so manche erfindung ausgingen, das werk zu verunstalten. Ich weise mit dieser bemerkung auf jene stelle der angeführten schrift des Dr. Gregory, wo er der frau den rat gibt, ihren gatten niemals wissen zu lassen, wie weit ihre empfindung oder ihre zärtlichkeit für ihn gehe. Eine buhlerische massregel, möchte ich sagen, die ebenso unwirksam als widersinnig ist: Die liebe kann schon ihrer natur nach nichts anderes als vorübergehend sein. Wer auf erfindung eines mittels, sie dauernd zu erhalten, ausginge, würde ebenso ungereimt verfahren, als wenn er die grosse panazee oder den stein der weisen suchen wollte. Noch mehr, jene entdeckung würde, falls sie sich wirklich machen liesse, gerade so unnütz oder vielmehr so schädlich für die menschheit als diese sein. Nein, das heiligste band, das die gesellschaft bindet, heisst freundschaft. Nur ist es leider zu wahr, was ein feiner Satiriker sagt:
»So selten sich auch wahre Liebe findet,
»So ist doch wahre Freundschaft seltner noch.«
Man kann sich von der wahrheit dieser bemerkung jeden tag überzeugen, und die ursache davon wird, weil sie gar nicht tief liegt, auch dem blick eines flüchtigen beobachters nicht entgehen.
Unter liebe verstehe ich hier die ganz gewöhnliche leidenschaft, bei welcher zufall und sinnliches gefühl an die stelle von wahl und überlegung treten und von der sich, in der regel, bei allen menschen, sei es in noch so geringem grade, doch immer etwas findet. Von gemütszuständen, die über diese liebe hinausgehen, oder unter dieselbe herabsinken, brauche ich, weil sie ausnahmen sind, hier nicht zu reden. Es ist wohl sehr natürlich, dass diese leidenschaft, zumal wenn sie, wie es oft der fall ist, durch ungewissheit und manche hindernisse immer höher steigt, die seele aus ihrer gewohnten fassung bringen und die empfindung überspannen muss. Ebenso natürlich aber ist es, dass mit dem eintritt in die ehe, wo man seines besitzes versichert wird, sogleich auch jene fieberhitze nachlassen und an deren stelle ein vernünftiger grad von wärme treten muss, bei dem allein sich wahrer genuss des lebens denken lässt. Unschmackhaft können diesen genuss nur leute finden, die nicht verstand genug haben, um ruhige, herzliche freundschaft und achtungsvolles zutrauen an die stelle eines blinden entzückens und sinnlicher aufwallungen einer kindischen liebelei zu setzen.
Dies ist der gang der natur, und er kann kein anderer sein: - auf liebe muss unausbleiblich freundschaft oder kaltsinn folgen. Diese einrichtung scheint mir auch so ganz mit jenem system, das bei der regierung der moralischen welt zugrunde liegt, übereinzustimmen. Leidenschaften sollen zur tätigkeit anspornen und die seele erweitern. Aber mit dem augenblick, wo ihr ziel erreicht ist, und wo der befriedigte geist nun in träger ruhe schweigen will, müssen sie zu bloss sinnlichen begierden herabsinken und nur körperliche, augenblickliche genüsse werden. Nicht selten wird der mann, der wenigstens doch etwas tugend zeigte, solange er nach einer krone rang, nun, da sie seine stirne schmückt, ein tyrannischer Wollüstling. - Etwas ähnliches lässt sich an dem menschen bemerken, bei welchem sich der liebhaber nicht in den gatten verliert: der geck wird ein opfer kindischer launen und verliebter eifersucht, er versäumt alle ernstern pflichten des lebens, und die liebkosungen, die ihm das zutrauen seiner kinder gewinnen sollten, werden nun noch an das überreife kind - an seine frau verschwendet.
Der hausvater und die hausmutter müssen schlechterdings einmal aufhören, einander leidenschaftlich zu lieben, insofern die pflichten des lebens gehörig erfüllt und die mannigfaltigen geschäfte, die den sittlichen charakter bilden, mit kraft und nachdruck betrieben werden sollen. Ich will damit nur so viel sagen: sie dürfen durchaus nicht jenen aufwallungen sinnlicher gefühle nachhängen, welche die ordnung der gesellschaft stören und den geist, den man noch zu manchen andern zwecken braucht, nur an eine idee fesseln. Der seele, die nie von einem gegenstand allein gefesselt wird, fehlt es an mut und leben; kann sie aber sehr lange einem solchen gespannten zustande beharren, so ist sie schwach.
Man darf sicher annehmen, dass eine unrichtige erziehung, ein beschränkter, unausgebildeter verstand und manche weibliche vorurteile das ihrige dazu beitragen, die frauenzimmer um vieles beständiger als die mannspersonen zu machen. Doch für jetzt berühre ich diese saite nicht. Ich gehe vielmehr zu etwas anderem über und glaube nichts paradoxes zu sagen, wenn ich behaupte, dass selbst eine unglückliche ehe oft für eine familie sehr vorteilhaft werden könne, und dass die zurückgesetzte gattin, in der regel, die beste mutter sei. Nach meiner Überzeugung müsste dieses fast allemal die folge sein, wenn man nur erst einmal den verstand der weiber weniger beschränken wollte. Die vorsehung scheint überhaupt alles so eingerichtet zu haben, dass uns immer das, was wir auf der einen seite an gegenwärtigem genusse gewinnen, auf der andern wieder an erfahrung, dem köstlichsten schatze des lebens, abgehen muss.
Während wir die blumen pflücken und uns in vergnügungen berauschen, können wir unmöglich zu derselben zeit auch die reife frucht der mühe und der weisheit ernten. Der weg liegt uns vor augen: wir können nur zur rechten oder zur linken wählen. Wer lust hat sein leben damit zu verbringen, dass er von einem vergnügen zum andern hüpft, der darf dann auch nicht klagen, wenn er weder weisheit noch einen achtungswerten charakter erlangt.
Nehmen wir einmal an, die seele sei nicht unsterblich und der mensch nur für den gegenwärtigen schauplatz geschaffen, so würden wir, dünkt mich, recht haben, uns darüber zu beklagen, dass die liebe (ich meine jene kindische zärtlichkeit) endlich immer unschmackhafter wird und die empfindung abstumpft. »Lasst uns essen, trinken und lieben, denn morgen sind wir tot«, würde dann wirklich die sprache der vernunft und die moral des lebens sein. Und wer anders als ein tor würde die wirklichkeit für einen täuschenden schatten hingeben wollen?
Wenn uns dagegen die betrachtung der kräfte unseres geistes, die einer unendlichen veredlung fähig sind, mit ehrfurcht und bewunderung erfüllt; wenn wir es unter unserer würde halten, unsere wünsche und gedanken auf einen solchen vergleichungsweise immer kleinen wirkungskreis zu beschränken, der nur insofern bedeutend und gross erscheint, als er mit einer grenzenlosen aussicht und mit den erhabensten hoffnungen in verbindung steht; bedarf es dann wohl noch eines falschen und erkünstelten betragens? Und soll der wahrheit heilige majestät beleidigt werden, um ein trügerisches scheingut festzuhalten, das die grundlage der tugend selbst untergräbt? Darf auch dann die weibliche seele sich noch mit buhlerischen künsten verunreinigen, bloss um den wollüstling zu befriedigen und zu verhindern, dass liebe sich ja nicht in freundschaft oder, wo die eigenschaften fehlen, auf die sich freundschaft gründen lässt, wenigstens in mitleidige teilnahme verliere? Nein, das unschuldige herz zeige sich, wie es ist, und vernunft lehre die leidenschaft sich der notwendigkeit unterwerfen. Oder richtiger, edles streben nach tugend und einsicht erhebe den geist über jene gefühle, die den becher des lebens mehr verbittern als versüssen, sobald sie ihre gehörigen schranken überschreiten.
Ich meine hier nicht die romantische leidenschaft, die den schwung des genies zu begleiten pflegt. Wer wäre wohl imstande, dieser den flügel zu lähmen? Diese grosse leidenschaft ist nur dem gefühl treu und findet ihre nahrung in sich selbst. Man sah, dass verbindungen dieser art, wenn sie von dauer waren, mehr unglücklich als glücklich machten. Durch trennung und natürlichen hang zur schwermut nahm die leidenschaft immer mehr überhand, und nun flatterte die fantasie unaufhörlich um ein bild, das sie nur durch einen nebel sah. Vertrautere bekanntschaft würde dagegen dieses entzücken vielleicht in überdruss, wenigstens in kaltsinn verwandelt, der einbildungskraft einen ruhepunkt dargeboten und schon dadurch ihr eine neue laufbahn eröffnet haben. Rousseau bleibt, auch aus diesem gesichtspunkt betrachtet, der natur vollkommen treu, wenn er die geliebte seiner seele, Héloise, auch da noch ihren St-Preux lieben lässt, wo die weit schon vor ihrem gebrochenen auge schwindet. Doch dies ist noch kein beweis für die Unsterblichkeit der leidenschaft.
Eine andere regel, die Dr. Gregory dem frauenzimmer in »hinsicht auf delikatesse der empfindung gibt, ist von demselben schlag. Er untersagt ihnen nämlich, sich diese delikatesse zu eigen zu machen, sofern sie entschlossen wären, einmal zu heiraten. Ja er geht so weit, dass er schon diese entschliessung, die sich doch mit seinen vorhergehenden anweisungen sehr gut verträgt, einem mangel an delikatesse zuschreibt und seinen töchtern nachdrücklich einschärft, diesen wunsch sorgfältig zu verbergen, wiewohl er immer ihr ganzes betragen leiten könnte. Als ob es undelikat sein könnte, die wünsche der menschennatur auch in sich zu fühlen!
Fürwahr eine edle moral, die so ganz zur ängstlichen klugheit einer kleinen seele passt, die ihren blick nicht über den engen kreis ihres irdischen daseins hinaus erweitern kann! Dürfen alle kräfte der weiblichen seele nur in beziehung auf ihre abhängigkeit von dem manne ausgeblildet werden? Muss das weib die verbindung mit einem gatten als das hauptziel ihrer ganzen laufbahn betrachten? Und kann wirklich ein so fehlender kranz ihren niedern stolz befriedigen? Nun, so lasst sie, durch ihre tätigkeit kaum in etwas über vernunftlose wesen erhoben, zufrieden im staub wandeln!
Die frau aber, die ernst für den preis ihrer hohen bestimmung kämpfen will, diese lasst ihren verstand ausbilden, ohne erst lange abzuwägen, was das wohl für ein mann sein werde, mit dem sie sich einmal verbinden soll. Führt sie nur nicht auf ein ängstliches haschen augenblicklicher genüsse, sondern sucht die freie entschliessung, sich eigenschaften zu erwerben, die einem vernünftigen wesen adel geben, in ihrer seele zu wecken; so kann ein rauher, unfeiner gatte, den ihr vielleicht das schicksal gibt, ihren geschmack zwar beleidigen, aber die ruhe ihres geistes wird er nie zerstören. Sie wird niemals ihre seele so bilden, dass sie den schwächen ihres gefährten beifall geben, sondern so, dass sie dieselben tragen könnte. Sein charakter kann für ihre tugend wohl ein probierstein, nie aber ein hindernis werden.
Wenn es die absicht des Dr. Gregory war, seine bemerkung nur auf die romanhaften erwartungen einer ewigen liebe und verschwisterter gefühle einzuschränken, so hätte er doch wenigstens daran erinnern sollen, dass jene überspannten hoffnungen, die, solange als die einbildungskraft auf kosten der vernunft in tätigkeit erhalten wird, auch durch die weisesten verstellungen nicht niederzuschlagen sind, am ende gewiss von der erfahrung verscheucht werden.
Es ist oft der fall, dass frauenzimmer, die eine romantische, unnatürliche delikatesse des gefühls anhaltend in sich genährt haben, ihr leben mit der einbildung verträumten, wie glücklich sie mit einem gatten gewesen sein würden, der sie mit heisser, wachsender Zärtlichkeit einen tag wie alle andern hätte lieben können (haufenweise im wust unserer romanheldinnen zu finden). Immer darf man annehmen, dass sie sich in der ehe ebensosehr härmen könnten, als sie ausser derselben sich wirklich härmen, und dass sie nicht um ein gran unglücklicher mit einem schlechten mann sein würden, als sie jetzt durch das sehnen nach einem guten sind. Dass übrigens eine sorgfältige erziehung oder um es bestimmter zu sagen, ein richtig ausgebildeter verstand, eine person unseres geschlechts in den stand setzen könnte, auch unverheiratet mit würde zu leben gebe ich gern zu. Die ausbildung ihres geschmacks aber aus dem grunde versäumen, damit ihr zukünftiger gatte ihn nicht hie und da einmal beleidigen könne - das heisst doch die wirklichkeit für einen schatten hingeben! Ich begreife nicht, wozu überhaupt ein verfeinerter geschmack dienen soll, wenn die menschen dadurch nicht unabhängiger von den ungewissen ereignissen des lebens werden, wenn ihnen dadurch nicht neue, bloss von ihren eigenen geistesverrichtungen abhängige, quellen des genusses geöffnet werden. Leuten von geschmack - verheiratet oder unverheiratet, das tut hier nichts zur sache - muss immer vieles sehr missfällig sein, wobei andere menschen, die nicht so fein beobachten, nicht anzustossen pflegen.
Diese erfahrung entscheidet aber nicht darüber, ob in der summe des lebensgenusses feiner geschmack wohltat zu nennen ist oder nicht? verschafft er mehr schmerz oder mehr vergnügen? Dies ist hier die frage, deren beantwortung über die Zweckmässigkeit von Dr. Gregorys rat entscheiden muss. Sie wird aber, hoffe ich, deutlich genug ins licht setzen, wie ungereimt und tyrannisch der verfährt, der solch ein System von Sklaverei aufstellen und sich vermessen kann, moralische wesen nach andern, als solchen regeln zu erziehen, die aus reiner vernunft abgeleitet sind und auf die ganze gattung passen.
Sanfte sitten, langmut und geduld sind so liebenswürdige, göttliche eigenschaften, dass die hohe dichterspache die gottheit selbst damit geschmückt hat, und wirklich gibt es vielleicht keine vorstellung der göttlichen güte, die so mächtig auf das herz der menschen wirkt, als jene schilderung, die uns den höchsten zeigt, wie er reich ist an erbarmen und bereit dem sünder zu verzeihen. Sanftmut, aus diesem gesichtspunkt betrachtet, trägt unverkennbar das echte gepräge einer grösse an sich, die mit der ganzen anmut der einnehmendsten herablassung verbunden ist. Aber in welch einer andern gestalt erscheint sie da, wo sie das kriechende benehmen der abhängigkeit, wo sie die stütze einer schwäche ist, die nur darum liebt, weil sie schutz bedarf; die bloss deswegen duldet, weil sie nun einmal jede beschimpfung schweigend über sich ergehen lassen muss; und die endlich unter jenen streichen, bei denen sie zu murren nicht wagen darf, noch lächeln kann!
So erniedrigend dieses gemälde aussehen mag, so ist es doch das treue bild eines vollkommenen weibes, ganz nach jenen hergebrachten begriffen gezeichnet, die blendende, aber flache vernünftler von weiblicher vortrefflichkeit entworfen, aber freilich so entworfen haben, dass darin von menschlicher vortrefflichkeit nichts mehr zu erkennen ist.
Was aber aus den weibern einmal in jenem zustand werden soll, wo man weder freit noch sich freien lässt - davon sagt man uns nichts. Die moralisten sind zwar längst darüber einverstanden - was eine fortgesetzte aufmerksamkeit auf den ganzen lauf des menschenlebens im zusammenhang auch mehr als wahrscheinlich macht -, dass nämlich der mensch (man versteht den mann darunter) durch die manigfaltigen lagen, in die er hier kommt, auf einen künftigen zustand vorbereitet werde. Und doch weisen sie ebenso einstimmig das weib nur dazu an, für den gegenwärtigen zu sorgen. Diesem grundsatz zufolge werden denn sanftheit, biegsamkeit und ein gewisses einschmeichelndes, fast möchte ich sagen, hündisches wesen ganz zweckmässig als die haupttugenden des weiblichen geschlechts empfohlen. Ja ich kenne einen schriftsteiler, der, ohne alle rücksicht auf die freie willkür der natur, mit der sie ihre gaben zu spenden pflegt, geradezu die schwermut an einem frauenzimmer für etwas männliches erklärt. Das weib, meint er wohl, wäre zu weiter nichts geschaffen, als das spielzeug des mannes zu sein - seine klapper, die seinen ohren klingeln muss, sobald er, nach ernsten anstrengungen des verstandes sich wieder amüsieren will!
Ich gebe zu, dass die empfehlung der sanftmut, sofern man sie auf feste grundsätze baut, vollkommen filosofisch richtig ist. Wer wollte einem schwachen wesen es verargen, sanft zu sein? Sobald hingegen die nachgiebigkeit recht und unrecht nicht mehr unterscheidet und sich zu allem brauchen lässt, so kann sie nicht weiter für eine tugend gelten. So behaglich man auch diese tugend an einem gesellschafter finden mag; so wird man doch einen gesellschafter dieser art als untergebenen betrachten und für ihn nur eine laue zärtlichkeit fühlen, die sehr leicht in verächtlichkeit übergeht. Noch mehr: wäre es auch dem unterricht möglich, ein wesen, dessen natürliche anlage an und für sich eine solche feine politur nicht zugelassen haben würde, wirklich sanft und artig zu machen; so könnte damit wohl etwas für die beförderung einer gewissen ordnung in der welt gewonnen sein, aber für das wohl unseres geschlechts wäre dadurch eben nicht gesorgt. Jene unbestimmte anweisung (zur sanftheit und artigkeit) kann nur affektation erzeugen, welche der fortschreitenden vervollkommnung der weiber und der wahren veredlung ihres charakters ein unüberwindliches hindernis entgegenstellt und wodurch dauernde vorzüge dem erwerb einer betörenden anmut, die freilich hier und da einmal einem frauenzimmer auf einige jahre königliche huldigung bereiten mag, aufgeopfert werden.
Nicht ohne ekel und Unwillen kann ich die schönklingenden worte lesen, mit denen die männer die beschimpfende behandlung, die sie sich gegen uns erlauben, zu mildern suchen. Ich darf doch wohl fragen, was sie denn unter so widersprechenden verbindungen, wie schöne fehler, liebenswürdige Schwachheiten und dergleichen mehr, eigentlich verstanden wissen wollen? Wenn es nur der mann ist, der nur einen probierstein, nur ein grosses urbild der sittlichkeit anerkennen darf, so scheinen dagegen die weiber vom schicksal bestimmt zu sein, gerade so, wie es die sage von Mahomets sarge berichtet, zwischen himmel und erde zu schweben: weil sie einerseits keinen tierischen instinkt besitzen, der sie sicher leiten könnte, und man ihnen andernteils doch auch nicht gestattet, mit dem auge der vernunft auf ein hohes ideal hinzublicken. Sie sind folglich bloss deswegen geschaffen, um sich lieben zu lassen, und dürfen nicht auf achtung anspruch machen, damit man sie nicht als männliche wesen aus der gesellschaft jage.
Und aus einem andern gesichtspunkt betrachtet: werden aus jenen untätigen, willenlosen geschöpfen wirklich die besten gattinnen? Nur bei den kurzen augenblicken unseres jetzigen daseins stehen zu bleiben: wie spielen denn solch schwache geschöpfe hier eine rolle? Ist es wirklich wahr, dass die weiber, die sich nichts als einige unbedeutende geschicklichkeiten erworben und dadurch das herrschende vorurteil bestärkt haben, nur allein das glück ihrer gatten machen sowie ihre reize nur darum spielen lassen, um ihnen vergnügen zu gewähren?
Darf man von frauenzimmern, die schon als kinder jene begriffe von leidendem gehorsam eingesogen haben, noch so viel selbständigkeit erwarten, als zu der führung ihres hauswesens und zur erziehung ihrer kinder nötig ist? Wahrhaftig, wenn ich die geschichte des weibes durchgehe, so finde ich von dem allen so wenig, dass ich nicht umhin kann, mit dem strengsten satiriker das weibliche geschlecht so wohl für den schwächsten als den bedrücktesten teil unserer gattung zu erklären. Was stellt uns jene geschichte anderes als zeichen der unterwürfigkeit dar? Und wie viele weiber kann man aufzählen, die mut genug hatten, das drückende joch des unbeschränkten gebieters abzuwerfen? Ihrer sind so wenig, dass sie nur für ausnahmen gelten können. - Hierbei fällt mir ein, dass jemand über Newton die vermutung geäussert hat, er sei wahrscheinlich ein wesen von höherem rang gewesen, das nur zufällig in einen menschlichen körper geraten sei. Ungefähr ebenso könnte man sich denken, dass die wenigen ausserordentlichen weiber, die mit kühnerem schritt die ihrem geschlecht vorgesehene bahn verliessen, eigentlich männliche seelen gewesen und nur durch ein versehen in weibliche körper gekommen wären. Doch, im ernst; wenn es dem filosofen nicht ansteht, da, wo von der seele die rede ist, an das geschlecht zu denken, so muss wohl jene unterwürfigkeit einzig aus der organisation abgeleitet werden. Oder der himmlische funke, der unsere irdische masse belebt, müsste nicht in gleichen gaben gespendet sein.
Doch ich vermeide jede ausdrückliche vergleichung beider geschlechter. Ich habe ja bereits ohne Umschweife eingestanden, dass nach der jetztigen lage und ansicht der sache das weibliche unter dem männlichen stehe. Aber von der behauptung kann ich nicht abgehen, dass die männer diese erniedrigung der weiber so weit getrieben haben, dass man die letzteren nun fast nicht mehr mit dem massstab vernünftiger geschöpfe messen kann. Man weise ihnen nur erst einen wirkungskreis an, der ihre anlagen entwickle, der ihre kräfte stärke; und dann entscheide man, auf welcher stufe im geisterreiche das ganze geschlecht stehen soll. Ich bemerke dabei ausdrücklich, dass ich hier für die kleine anzahl ausgezeichneter weiber keine eigene stelle verlange.
Ganz schwer ist es für uns blöde sterbliche zu bestimmen, zu welcher höhe menschliche einsicht und veredlung sich wohl noch erheben kann, wenn einst die nebel des despotismus fallen, in denen wir jetzt bei jedem schritt straucheln.
Das aber getraue ich mir schon jetzt, auch ohne profetischen geist, voraus zu sagen, dass, falls moralität nur erst auf einem festen grunde ruht, das weib dann gewiss entweder die freundin des mannes oder seine sklavin sein wird. Dann werden wir nicht mehr, wie jetzt, im zweifei stehen, ob sie denn auch ein moralisches wesen oder in der kette der irdischen schöpfung nur das glied sei, welches menschen und tiere zusammen verbindet. Und wenn sich nun ergibt, dass die weiber gleich den tieren, nur um des mannes willen geschaffen sind; gut, so wird sie dieser ruhig in die stange beissen lassen und ihrer weiter nicht mit eitlem lobe spotten. Wird ihm dagegen dargetan, dass auch sie vernünftige geschöpfe sind, so wird er jetzt ihre höhere ausbildung, bloss seinen sinnlichen begierden zu gefallen, nicht weiter hindern. Er wird nun nicht mehr alle rednerkünste aufbieten, um ihnen blinde unterwerfung ihres verstandes unter die führung des mannes zu empfehlen. Er wird da, wo er von der erziehung der frauenzimmer spricht, nicht mehr behaupten, dass ihnen der gebrauch der vernunft nie freigegeben werden dürfe noch fernerhin wesen, die jetzt, eben so wie er, sich zu den tugenden der menschlichkeit erheben, list und verstellung zur pflicht machen.
Die sittliche güte darf nur einen und denselben massstab haben, wenn anders die moral auf einem festen, ewigen grunde ruht; und jedes wesen, das die tugend, im echten sinn des wortes, augenblicklichen konvenienzen opfert oder dem eine solche handlungsweise gar zur pflicht gemacht wäre, lebt bloss für den heutigen tag und kann durchaus keiner zurechnung; fähig sein.
Wäre dies der fall, hätte jener dichter seinen spott sparen können, welcher sagt:
»Wenn schwache Weiber sich verirren,
»So trifft die Schuld die Sterne mehr denn sie.«
Sie müssen an die kette des schicksals gefesselt sein, wenn es ausgemacht ist, dass sie nie ihre vernunft gebrauchen, nie unabhängig handeln, nie über fremdes ansehen sich erheben, nie endlich jene würde eines vernünftigen willens fühlen dürfen, der sich nur vor gott beugt und oft vergisst, dass das universum ausser ihm selbst noch irgend etwas anderes, als jenes urbild der vollkommenheit in sich fasst, auf das sein blick hinschaut.
Doch, ich mag nicht durch deklamationen blenden, wo die vernunft selbst leuchtet. Ich wiederhole nur: Sind die weiber wirklich fähig, wie vernünftige geschöpfe zu handeln, nun, so behandle man sie nicht weiter als sklaven oder als tiere, die mit dem augenblick, wo sie sich zu dem menschen gesellen, einzig und allein von dessen vernunft abhängig werden müssen. Nein, man bilde ihren verstand so viel als möglich aus, wappne ihr herz mit gesunden, edlen grundsätzen und lasse sie dadurch, dass sie sich von gott allein abhängig fühlen, zum bewusstsein ihrer wahren würde sich erheben. Man lehre sie, gerade so wie den mann, der notwendigkeit sich zu unterwerfen, und höre endlich einmal auf, jedem geschlecht eine eigene moral zu predigen.
Sollte es sich erweisen, dass die weiber wirklich nicht so viel seelenstärke, beharrlichkeit und mut als die männer erreichen könnten, so gestatte man ihnen doch wenigstens eine der art nach gleiche tugend, wenn sie gleich umsonst nach demselben grade ringen würden. Die überlegenheit des mannes über das weib wird auch dann noch ebenso deutlich, wo nicht deutlicher, in die augen fallen, und beide werden an einfacher, unveränderlicher wahrheit gleichen anteil nehmen. Ebenso wenig hat man ursache, von diesem verfahren eine umkehrung der einmal in der menschlichen gesellschaft hergebrachten ordnung zu fürchten. Denn das weib wird ja in diesem fall immer nur den rang behaupten, den ihr die vernunft anweist, und von den ränken, durch die sie die Waagschale ins gleiche zu bringen oder gar die gewichte umzutauschen versuchen dürfte, kann hier gar nicht die rede sein.
Man mag diese ideen utopische träume nennen - ich werde nie aufhören, jenem wesen zu danken, das dieselben meiner seele eindrückte und mir so viel mut und stärke zur ausbildung meiner vernunft schenkte, dass ich, um meine tugend aufrecht zu erhalten, mich nur von ihm abhängig fühlen darf und mit missfallen auf die irrigen begriffe, die mein geschlecht in fesseln halten, herabsehen kann;
Ich liebe den mann, als meinen gefährten. Aber seine herrschaft, sie sei rechtmässig oder angemasst, erkenne ich nur dann, wenn die vernunft eines individuums mir diese huldigung gebietet: und selbst dann unterwerfe ich mich nur der vernunft, nicht dem mann.[7] In der tat, die handlungsweise eines Wesens, das der zurechnung fähig sein soll, muss schlechterdings durch die Wirksamkeit seiner vernunft bestimmt werden: wäre das nicht, worauf ruhte denn gottes thron?
Es scheint mir notwendig, diese an sich einleuchtenden wahrheiten oft zu wiederholen, weil man bisher die frauenzimmer, sozusagen ganz isoliert und als wesen, die ihrer einwirkung entbehren könnten, betrachtet hat. Ja, unverantwortlich ist es, dass man sich nicht scheute, sie der tugenden, die die menschheit schmücken, zu berauben, und ihnen dafür erkünstelte reize, die doch nur zu einer kurzen tyrannei verhelfen können, aufzudrängen. Nun hat die liebe aus ihrem busen jede edlere bestrebung verdrängt. Statt des wunsches, achtung einzuflössen, nähren sie in ihrem herzen nur den stolz, schön zu sein, und sinnliche gefühle zu erregen. Und dieses unedele streben ist es, was bei ihnen, gerade so wie in unbeschränkten monarchien die knechtschaft, alle stärke des charakters zerstören muss. Nein, freiheit ist die mutter der tugend; da, wo die weiber schon durch die bürgerlichen verhältnisse sklaven sind, und wo man ihnen nicht gestattet, die frische, belebende luft der freiheit einzuatmen, da müssen sie gleich ausländischen pflanzen in einem ungewohnten boden trauern und können nur für schöne fehler in der schöpfung gelten. - Wirklich sind sie auch der einzige fehler, der in der natur existiert.
Der vorwurf, dass das weibliche geschlecht doch zu allen zeiten imstande der unterwürfigkeit geblieben sei - fällt gerade auf den mann zurück. Der grosse haufe wurde jederzeit von einigen wenigen unterjocht. Und ungeheuer, die kaum noch einen funken von gefühl für menschenwürde zeigten, durften viele tausende ihresgleichen tyrannisieren. Wie konnten sich männer von überlegenen talenten jener erniedrigung unterwerfen? Ist es nicht allgemein anerkannt, dass könige, im ganzen genommen und mit einer ganzen anzahl menschen aus der grössern masse verglichen, diesen allemal an geisteskraft und tugend hätten nachstehen müssen?[8] Und doch hat man sie nicht; und behandelt man sie nicht jetzt noch mit einem grad von ehrfurcht, der die vernunft beschimpft?[9] China ist nicht das einzige land, wo ein noch lebender mensch zum gott gemacht wurde. Kurz, die männer haben sich überwiegender stärke unterworfen, um nur die freuden des augenblicks ohne störung geniessen zu können, und die weiber - haben gerade dasselbe getan. Solange demnach nicht bewiesen ist, dass der höfling, der auf das recht, zum menschen geboren zu sein, mit sklavensinn verzicht tut, kein moralisches wesen mehr sei, solange lässt sich auch aus der hergebrachten unterjochung des weibes kein grund ableiten, der über eine wesentliche verschiedenheit des weiblichen charakters von dem männlichen, zum nachteile des erstern, entscheiden könnte.
Tierische übermacht beherrschte bis hierher die welt. Und von der regierungskunst lässt sich nicht viel mehr rühmen, als dass sie noch zur zeit in der wiege liegt. Das letzte ergibt sich deutlich genug aus dem umstand, dass unsere filosofen immer noch unschlüssig sind, ob sie der dem menschen nützlichsten Wissenschaft auch wirklich diesen namen zugestehen sollen?
Ich breche diese erörterung hier mit der folgerung ab, die gewiss meinen lesern einleuchtet: dass, sowie eine gesunde politik mehr freiheit verbreitet, verhältnismässig die menschengattung, das weib mit eingeschlossen, auch immer weiser und tugendhafter wird.