Das weib ist entweder von natur schon schwach, oder es hat durch umstände von seinem ursprünglichen wert verloren so viel ist, dünkt mich, klar genug. Mit diesem satz will ich ein urteil verbinden, das ich hie und da vernünftige männer, dem aristokratismus zugunsten, habe fällen hören. Der grosse haufe der menschen, sagen sie, darf nie zu einiger bedeutung gelangen. Sonst würden die lenksamen sklaven, die sich jetzt so geduldig einkerkern lassen, ihre kraft und ihren wert fühlen und ihre ketten von sich werfen. Überall, so fahren sie fort, überall sicht man, wie die menschen sich unter ein drückendes joch schmiegen, da sie doch nur ihre häupter erheben dürften, um es von sich zu schleudern. Aber nein, statt die angebornen rechte der menschheit geltend zu machen, lecken sie lieber den staub und sagen: »Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir nicht mehr!« So sind nun auch die weiber nach analogie zu schliessen -, durch denselben hang zu augenblicklichem genuss, von ihrer würde so weit herabgesunken, dass sie nun selbst jene freiheit verachten können, für welche zu kämpfen sie nicht mehr kraft genug besitzen. Doch ich muss mich deutlicher erklären.
In hinsicht auf die ausbildung des herzens ist man völlig einverstanden, dass hier der unterschied des geschlechts nicht in betracht komme. Nur was die geisteskräfte angeht, masst man sich an, uns unter eine vorgezeichnete linie herabzusetzen, die wir nie überschreiten sollen.[21]
Nur im reiche der liebe sind wir unumschränkte gebieterinnen! Der anteil von vernunftmässigkeit aber, den man uns zugesteht ist fürwahr sehr kärglich abgemessen. Denn da man uns genie und urteilskraft abspricht, so lässt sich kaum erraten, was uns noch von vernunftcharakter übrig bleibt.
Die keime unserer unsterblichkeit, wenn ich so sagen darf, liegen in der vervollkommnungsfähigkeit der menschlichen vernunft. Denn würde der mensch vollkommen geboren oder dränge mit dem zeitpunkt seiner reife zugleich ein ström von wissenschaf ten in ihn, der jeden irrtum ausschlösse, so müsste mir sein dasein nach der auflösung seines körpers immer zweifelhaft bleiben ... Gleichwohl gesteht man der seele des weibes, die man nur äusserlich mit mühsamer Sorgfalt schmückt und zum vergnügen des mannes dergestalt aufputzt, »dass er mit Ehren lieben kann«[22] der seele des weibes, sage ich, gesteht man doch nicht diesen vorzug zu. Immer stellt man zwischen sie und die vernunft den mann, und macht es ihr zur obersten pflicht, sich einzig und allein an ihn zu halten und alles, was ER sagt, auf treu und glauben anzunehmen. Doch lassen wir einmal jene theorien fahren, und betrachten das weib, statt sie für einen teil des mannes anzusehen, lieber als ein für sich bestehendes ganzes. Die frage ist: hat sie vernunft oder nicht? Hat sie vernunft was ich auf einen augenblick als zugestanden annehme so ist sie nicht einzig und allein zur aufheiterung des mannes geschaffen und der weibliche charakter darf den menschlichen nie verwischen. Zu jenen fehlschlüssen ward man wahrscheinlich durch den umstand verleitet, dass die erzichung bisher gewöhnlich aus einem falschen gesichtspunkt angesehen und nicht als der erste schritt zur bildung eines nach und nach der vollkommenheit sich annähernden wesens, sondern bloss als vorbereitung für dieses leben betrachtet wurde. Auf diesen sinnlichen irrtum anders kann ich es nicht nennen hat man das falsche System der weiblichen ausbildung gegründet, das ein ganzes geschlecht seiner würde beraubt und die blonden und braunen mit den lächelnden blumen, die bloss die erde schmücken, in eine klasse stellt. Immer haben die männer diese sprache geführt, und die besorgnis, sich von einem vermeinten weiblichen charakter zu entfernen, hat selbst weiber von vorzüglichen talenten verleitet, in denselben einzustimmen. So hat man den verstand im strengen sinn des wortes dem weib ganz abgesprochen, und einen zu Schlauheit und verschlagenheit sublimierten instinkt für die bedürfnisse des lebens gegeben.
Das vermögen, ideen zu verallgemeinern und aus einzelnen beobachtungen umfassende Schlüsse zu ziehen, bleibt für ein unsterbliches wesen der einzige vorzug, der wirklich den namen von Wissenschaft verdient. Ein blosses beobachten, bei dem man um die erklärung jeder sache unbekümmert ist, mag allenfalls wie der gesunde menschenverstand in den gewöhnlichen vorfällen dieses lebens seine dienste tun. Allein, wo bleibt der vorrat für die künftigen bedürfnisse, aus dem die seele ihre nahrung zichen muss, sobald sie ihren körper verlassen hat?
Dieses vermögen soll nicht nur den frauenzimmern versagt sein, man behauptet selbst in den Schriften aufs nachdrücklichste, dass sich dasselbe, wenige ausnahmen abgerechnet, mit dem charakter ihres geschlechts durchaus nicht vertrage. Lasst die männer dieses beweisen, und ich gebe sogleichzu, dass das weib bloss um des mannes willens da ist!
Vorläufig muss ich bemerken, dass das abstraktionsvermögen wenn von einem beträchtlichen grad die rede ist, darf man nicht sehr häufig suchen, weder unter männern noch unter weibern. Und doch beruht gerade auf dieser übung die wahre ausbildung des verstandes. Aber gerade diese ausbildung wird in der weiblichen welt weit mehr als in der männlichen erschwert.
Diese behauptung führt mich zum hauptgegenstand dieses kapitels. Ich will nämlich jetzt versuchen, einige von den Ursachen, welche die weiber herabsetzen und schuld sind, dass sie ihre beobachtungen nicht unter allgemeine gesichtspunkte bringen, bemerklich zu machen.
Ich gehe nicht auf die vorwelt zurück, um dort die geschichte des weibes zu verfolgen. Hier genügt das geständnis, dass das weib jederzeit sklave oder tyrann gewesen ist. Damit verbinde ich die bemerkung, dass eine jede dieser beiden lagen den fortschritt der vernunft in gleichem grade hemmt. Die hauptquelle weiblicher torheiten und laster ist, meiner meinung nach, in der beschränktheit des geistes zu suchen. Aber schon die beschränktheit unserer Staatsverfassungen stellt der ausbildung des weiblichen verstandes unüberwindbare hindernisse entgegen.[23]
Und doch gibt es für die tugend keinen andern festen grund als diesen! Ganz dieselben hindernisse stellen sich den reichen in den weg, und man sieht bei ihnen ganz dieselben folgen:[24]
Die not, so sagt das Sprichwort, ist die mutter der erfindung; man kann den satz auch auf die tugend übertragen. Sie ist ein vorzug, der allemal durch mühe erworben, ein vorzug, dem manches vergnügen erst aufgeopfert werden muss. Aber wer entschliesst sich schon ein ihm nahe liegendes vergnügen aufzuopfern, wenn seine seele nicht schon durch Widerwärtigkeit erweitert und gestärkt ist, wenn nicht irgend ein bedürfnis seinen trieb nach reifern einsichten zur vollen tätigkeit gespornt hat?
Glücklich die menschen, die mit den beschwerden dieses lebens zu kämpfen haben. Diese kämpfe bewahren sie vor der gefahr, bloss aus untätigkeit zu lastern herabzusinken! Müssen hingegen männer und weiber schon von ihrer wiege an in einer heissen zone leben, wo die mittagssonne des vergnügens senkrecht auf sie fällt, wie lässt sich da von ihnen so viel anstrengung des geistes erwarten, als erforderlich ist, die pflichten des lebens zu erfüllen, ja nur an solchen neigungen und bestrebungen geschmack zu finden, die sie über ihr ich hinausführen?
Vergnügen ist, nach den gegenwärtigen verhältnissen der gesellschaft, das hauptgeschäft im leben der frauenzimmer. Solange das so bleibt, kann man nur sehr wenig von solchen schwachen wesen erwarten. Weil der schönheit unumschränkte macht in ununterbrochener folge vom ersten schönen fehler der natur auch auf sie vererbt ist, so haben sie, um diese gewalt zu behaupten, auf die natürlichen rechte, welche ihnen die ausbildung ihrer vernunft verschaffen könnte, verzicht getan und wollen lieber eine kleine weile königinnen sein, als nach den massigen freuden, welche die gleichheit gewährt, streben.
Durch ihre niedrigkeit erhoben (die worte klingen nur widersprechend) massen sie sich an, als weiber eine ewige huldigung zu verlangen. Doch müsste die erfahrung sie lehren, dass gerade die männer, die sich's zum ruhm anrechnen, ihrem geschlechte diese unbeschränkte, empörende verehrung mit gewissenhafter pünktlichkeit zu erweisen, am meisten dazu aufgelegt sind, eben die schwäche, die sie selbst so sehr befördern helfen, zu tyrannisieren und zu verachten! Oft wiederholen sie das urteil von Hume, wo dieser filosof bei der vergleichung des charakters der franzosen und der athener auch der weiber gedenkt.
»Was noch sonderbarer an dieser wunderlichen nation ist«,
(sagt er von den franzosen zu den athenern)
»...ist dies, ein lustiger spass, der bei euch während der saturnalien getrieben wird, da nämlich die herren ihre sklaven bedienen, bei diesen leuten im ernst das ganze jahr, ja wohl ihr ganzes Leben hindurch fortdauert: wobei umstände eintreten, die das widersinnige und lächerliche der sache noch vermehren. Ihr erhebt nur, um euch einen spass zu machen, auf einige wenige tage solche menschen, die das glück erniedrigt hat, und die es auch einmal zu seinem spass wirklich auf immer über euch erheben kann. Aber die bewohner dieses Landes verschwenden die auffallendsten vorzüge an wesen, welche die natur unter sie herab gesetzt hat und deren niedrigkeit und schwächen durchaus unheilbar sind. Die Weiber, so wenig Kraft und Tugend in denselben ist, sind ihre Herren und Gebieter!«
Ach, warum - ich sage es mit bekümmernis warum sind die weiber doch so schwach, selbst von unbekannten einen grad von aufmerksamkeit und verehrung anzunehmen, der sich so ganz von jener gegenseitigen höflichkeit unterscheidet, welche menschlichkeit und gesellige kultur zwischen mann und mann eingeführt haben? Warum wollen sie, solange »die macht ihrer schönheit auf der mittagshöhe steht«, gar nicht sehen, dass man ihnen nur deswegen wie königinnen huldigt, um sie durch leere ehrfurchtsbezeigungen so lange zu täuschen, bis sie ihre natürlichen rechte ganz aufgeben müssen oder gar nicht mehr dazu gelangen können? Gleich dem gefiederten geschlecht in käfige verschlossen, haben sie weiter nichts zu tun, als sich zu putzen und mit lächerlicher majestät von stange zu stange zu hüpfen. Es ist wahr, man versorgt sie reichlich mit nahrung und kleidung, wofür sie weder zu arbeiten noch zu spinnen brauchen. Allein dafür werden gesundheit, freiheit und tugend hingegeben! - Doch wie dürfte man auch unter menschen eine seele suchen, die stärke genug hätte, auf jene äussern, zufälligen vorurteile verzicht zu tun, eine seele, die den mut besässe, sich mit der stillen würde der vernunft über vorurteile zu erheben und nur in den innern, bleibenden vorrechten der menschheit ihren ganzen stolz zu finden? Umsonst ist es, so etwas zu erwarten, so lange erbliche gewalt jede empfindung des wohlwollens erstickt und die vernunft in ihrem keim zerstört.
So hat denn der männer leidenschaft die weiber auf throne gesetzt; und bis dahin, wo einmal die menschen vernünftiger werden möchten, muss man sehr befürchten, dass die weiber sich gerade die gewalt, die ihnen die geringste anstrengung kostet und am wenigsten bestritten wird, zunutze machen werden. Bis dahin werden sie lächeln ja, sie werden lächeln, so oft man ihnen auch zurufen mag:
»Im Reich der schönheit ist kein Mittelweg - Ein Weib ist Sklavin oder Königin, Und Spott ihr Los, wo man sie nicht verehrt.«
Die verehrung geht voran, der spott kommt hinterher. Ludwig der vierzehnte trug dazu bei, erkünstelte Sitten zu verbreiten, weil er, auf eine sehr anlockende weise, die ganze nation in seinen netzen zu fangen wusste. Er flocht ein äusserst künstliches gewebe von despotismus zusammen und verstand sich meisterlich darauf, die ehrfurcht gegen seine würde und erhaltung seiner macht zum eigentlichen interesse eines jeden, auch des niedrigsten im volk, zu machen. Und so gelangten unter seiner regierung auch die weiber, denen er durch eine kindische achtung gegen das ganze geschlecht schmeichelte, zu jener fürstlichen huldigung, die für vernunft und tugend so gefährlich ist.
Ein könig bleibt immer ein könig und ein weib bleibt immer ein weib. Der glanz des einen und das geschlecht der andern hindern beide gleich, zu einer vernünftigen unterhaltung zu kommen. Ich gebe zu, im Umgang mit dem geliebten kann das weib immer weib sein. Sehr natürlich muss ihre empfindsamkeit sie auf den versuch hinführen, eindruck auf ihn zu machen, nicht um ihre eitelkeit, nein, um ihr herz zu befriedigen. Es sei fern von mir, das für gefallsucht erklären zu wollen, was reiner, ungekünstelter trieb der natur ist. Ich eifere nur gegen weibliche eroberungssucht, mit welcher das herz nichts zu tun hat.
Diese sucht ist übrigens nicht nur den weibern eigen. »Ich habe mir alle Mühe gegeben« sagt Lord Chesterfield, »das Herz von mehr als zwanzig Mädchen zu gewinnen, für deren Person ich keine taube Nuss gegeben hätte.« Fürwahr, der wollüstling, der, in einem anfall von leidenschaft, von treuherziger zärtlichkeit vorteil zieht, ist noch ein heiliger, wenn man ihn mit so kaltherzigen schurken vergleicht ich nenne jede sache gern mit rechten namen.
Doch die weiber lehrt man ja bloss, wie sie gefallen sollen. Gefallen ist daher allemal ihr höchster stolz, auf den ihr ganzes streben gerichtet ist. Mit wahrem heldenmut gehn sie darauf aus, nur immer herzen zu erobern, bloss um dieselben wieder aufzugeben oder von sich wegzustossen, sobald der sieg entschieden und anerkannt worden ist.
Es tut mir leid, die weiber so methodisch dadurch erniedrigt zu sehen, dass sie die elenden beweise von aufmerksamkeit annehmen, welche die männer als männer ihrem geschlechte schuldig zu sein glauben, wodurch sie aber, wenn man die sache genau ansicht, gerade ihre eigene überlegenheit auf die empörendste art geltend machen. Vor einem untergebenen sich zur erde beugen, kann nicht herablassung heissen. In der tat, dieses ganze zeremoniell kommt mir so possenhaft vor, dass ich mich kaum halten kann, wenn ich eine mannsperson mit begierde auffahren und mit ängstlicher geschäftigkeit rennen sehe, ein schnupftuch hinzureichen oder eine tür zu öffnen, was die dame sehr bequem selbst hätte tun können.
Ich wünsche im ernste mag mein wunsch auch gelächter erregen die vorzüge, die man unserm geschlecht im umgang zugesteht, in allen fällen, wo nicht liebe im spiel ist, aufgehoben zu sehen. Ich bin überzeugt, dass gerade in dieser bevorzugung der grund jener charakterschwäche liegt, deren man die weiber beschuldigt, und dass es gerade diesen huldigungen zuzuschreiben ist, wenn weiber ihren verstand vernachlässigen, da sie diese äussern dinge so geschäftig betreiben. Daraus erklärt sich auch, dass sie den gefälligen tugenden vor den heroischen den vorzug geben.
Jeder mensch wünscht doch immer irgendeines vorzugs geliebt zu werden. Der grosse haufe wird immer den nächsten weg zur befriedigung seiner wünsche wählen. Nun ist aber die achtung, die man dem reichtum und der schönheit erweist, die unbestrittenste. Sie wird folglich jederzeit das auge gewöhnlicher seelen auf sich ziehen. Es gehören talente und verdienste dazu, wenn männer aus dem mittelstand sich heben sollen. Die folge davon ist, dass man im mittelstand noch am meisten verdienst und talente findet. So haben denn die männer, doch wenigstens in einem Stande noch veranlassung, ihre fähigkeiten mit würde tätig werden zu lassen, und durch kraftäusserungen sich emporzuschwingen. Mit den weibern nicht also, denn sie sind ja, bis zur völligen ausbildung ihres charakters, ganz in der lage, in welcher sich die reichen befinden. Sie werden schon (ich spreche jetzt vom Stande der kultur) mit gewissen vorrechten geboren, die man ihrem geschlecht ausschliesslich zueignet. Solange man ihnen diese so ganz umsonst zugesteht, werden immer nur wenige daran denken, ein übriges zu tun und sich die achtung einer kleinen anzahl von edlen menschen zu verdienen.
Wann hört man wohl einmal von weibern, die sich aus der dunkelheit her vorarbeiten und durch grosse talente oder durch kühne tugenden hochachtung gebieten? Wo wären die zu finden?[25]
»Sich immer nur bemerkt, mit Diensteifer beobachtet, durch Teilnahme, Zuvorkommen und Beifall ausgezeichnet zu sehen, das sind alle Vorzüge, wonach sie streben.«
Wohl wahr! werden vermutlich die männer, die dieses lesen, ausrufen. Doch muss ich wohl sagen, dass ich zunächst nicht die weiber, sondern die reichen schildern will.
In Dr. Smiths Theorie der moralischen empfindungen steht eine allgemeine zeichnung der grossen und reichen, die auch auf das weibliche geschlecht ganz vortrefflich passt... Doch lasst uns hören, was ein scharfsichtiger beobachter sagt:
»Scheinen die Grossen nicht zu wissen, dass sie um einen so wohlfeilen Preis die öffentliche Bewunderung erhalten können, oder bilden sie sich etwa gar ein, sie müssten dieselbe, so wie andere leute, auch mit ihrem schweiss und ihrem blut erkaufen? Was sind es wohl für vorzüge, auf die man den jungen edelmann hinweist, um die würde seines standes zu behaupten, und um jenen vorrang vor seinen mitbürgern auch zu verdienen, zu dem sich seine vorfahren durch verdienst aufschwangen? Sind es etwa wissenschaft und fleiss, standhaftigkeit und selbstverleugnung, oder irgendeine andere grosse tugend? Nichts weniger als das. Da man auf jedes seiner worte, auf jede seiner Bewegungen so sorgfältig achtet, so wird es ihm bald zur fertigkeit, auf jeden kleinen umstand seines gewöhnlichen benehmens ein gewicht zu legen, und er gibt sich die äusserste mühe, alle jenen kleinen pflichten mit der pünktlichsten genauigkeit zu beobachten. Da er sehr gut weiss, wie wenig man ihn aus den augen lässt, und wie sehr die menschen geneigt sind, jedem seiner wünsche zuvorzukommen, so handelt er überall, auch bei den unbedeutendsten gelegenheiten, mit der ungebundenheit und mit dem hochgefühl, die jenes bewusstsein ihm ganz natürlich einflösst. Sein ton, seine miene sein gang, kurz sein ganzes benehmen bezeichnet jenes verfeinerte und anmutsvolle gefühl der ueberlegenheit, welches leute, die für niedere posten geboren sind, kaum ganz erreichen können. Das sind die künste, die er anwendet, um die menschen desto leichter seinem ansehen zu unterwerfen und über ihre neigungen ganz nach seinem gefallen zu gebieten, und nur selten verfehlt er seinen zweck. Ja eben diese künste, wenn sie nur durch einen angemessenen rang unterstützt werden, reichen sogar dazu, die welt zu beherrschen. Ludwig der vierzehnte wurde während des grössern teils seiner regierung nicht nur in frankreich, sondern in ganz europa für das vollkommendste muster eines grossen fürsten angesehen. Was waren aber die talente und tugenden, durch die er zu diesem ruf gelangte? ... Jede andere tugend, mit diesen vorzügen zu seiner zeit und in seiner Gegenwart verglichen, scheint kaum noch einiges verdienst gehabt zu haben. Wissenschaft und Fleiss, Mut und Wohltätigkeit zitterten vor ihnen, wurden beschämt und verloren alle ihre Würde!«
Gerade so weiss nun auch das weib »in sich vollendet« durch den besitz aller dieser frivolen vorzüge die natur der dinge dergestalt umzuändern:
»Dass, was nur Sie verlangt, was Sie befiehlt,
Das Weiseste, das Beste scheint.
Vor Ihr sinkt jede höh're Wissenschaft
Die Weisheit selbst verlieret im Gespräch
Mit Ihr den Mut und sicht wie Torheit aus.
Vernunft und jede Macht, die sonst gebeut,
Beugt sich vor Ihr, und lauscht auf ihr Gebot.«
Und das alles kann sie mit ihrem liebreiz ausrichten! Und weiter bitte ich zu bedenken, dass man im mittelstand die männer, solang sie jung sind, doch immer zu einem oder andern gewerbe, zu einer oder der andern lebensart vorbereitet, und ihre künftige verheiratung nicht als den hauptzweck ihres lebens betrachtet. Für die weiber hingegen ist dies das einzige, letzte ziel, für dessen erreichung sie alle kräfte aufbieten. Nicht geschäfte sind es, nicht umfassende pläne, nicht entwürfe einer raschen ehrbegierde, was ihre aufmerksamkeit zu fesseln vermag. Nein, ihre gedanken können nicht bei so edlen betrachtungen verweilen. Eine vorteilhafte heirat ist ihr höchster wunsch, um dadurch in den stand gesetzt zu werden, eine rolle in der welt zu spielen und ungehindert von einer lustbarkeit zur andern zu eilen. Diesem einzigen zweck opfern sie ihre ganze zeit und oft selbst ihre person durch eine gesetzliche beschimpfung auf.
Wenn ein mann sich irgend einem stand oder beruf widmet, so fasst er diesen oder jenen künftigen vorteil scharf ins auge (und die seele gewinnt allemal durch die richtung ihrer ganzen kraft auf einen punkt ungemein viel stärke) und voll von seinem geschäft, sicht er das vergnügen bloss als erholung an, indes die weiber dem vergnügen als dem hauptzweck ihres lebens unaufhörlich nachjagen.
In der tat, man kann, mit hinsicht auf die erziehung, die ihnen unsere gesellschaftliche verfassung gibt, behaupten, dass der hang zum vergnügen sie alle beherrsche. Aber beweist dies wohl, dass die seelen ein geschlecht haben? Mit eben diesem recht würde man dann sagen dürfen, die höflinge in frankreich, die unter dem verderblichen einfluss eines despotischen Systems ihren charakter bildeten, wären keine männer, weil auch sie freiheit, tugend und menschlichkeit dem hang zum vergnügen und zu eitlem prunk aufopferten! Unglückliche leidenschaften, die zu allen Zeiten die ganze gattung tyrannisierten!
Eben dieser hang zum vergnügen, der in den weibern durch den ganzen geist ihrer erziehung so genährt wird, gibt ihrem benehmen in den meisten fällen etwas unbedeutendes. So sicht man sie, zum beispiel, meistens nur kleinigkeiten und nebendinge mit geschäftigem eifer betreiben: statt sich mit ihren pflichten zu beschäftigen, lauern sie immer nur auf abenteuer. Wenn ein mann eine reise macht, so hat er gemeiniglich seinen zweck im sinn. Ein weib hingegen denkt in diesem fall mehr an die zufälligen ereignisse, die ihr unterwegs zustossen, an die seltsamen dinge, die ihr da begegnen könnten, an den eindruck, den sie wohl auf ihre reisegefährten machen möchte; und vor allem ist sie auf den putz bedacht, den sie bei sich hat, und dann mehr als jemals wie einen teil ihrer selbst betrachtet, vor allem, wenn sie im begriff ist, auf einem neuen schauplatz zu figurieren, und sensation zu machen hofft. Wie kann wohl seelenwürde mit so kindischen bestrebungen bestehen?
Kurz, die weiber, im ganzen genommen, sind, so gut wie die reichen aus beiden geschlechtern, zu dem besitz aller torheiten und laster der kultur gelangt, während sie die schönen vorteile derselben ganz verfehlt haben. Ich spreche hier vom zustand meines geschlechtes im allgemeinen und nehme dabei auf einzelne ausnahmen nicht rücksicht. In der regel also sind die sinne der frauenzimmer erhitzt und ihre verstandeskräfte versäumt: folglich werden sie ein opfer ihrer Sinnlichkeit, die man freilich mit dem artigen namen der empfindsamkeit belegt, und jeder drang augenblicklicher gefühle muss sie ausser fassung bringen. Sie befinden sich demnach in einer weit schlimmem läge, als wenn sie in einem der natur nähern zustand lebten. Unstet und rastlos, müssen sie durch ihre überspannte empfindsamkeit nicht allein unzufrieden mit sich selbst, sondern auch andern beschwerlich werden. Alles, was sie denken, bezieht sich auf diesen oder jene» kleinen entwurf, der immer nur die erregung sinnlicher aufwallungen zum zweck hat: und weil sie da fühlen, wo sie räsonieren sollten, so kann ihre handlungsweise keine festigkeit gewinnen und ihre Überzeugungen müssen einem ewigen schwanken unterworfensein einem schwanken, das nichts weniger als vorsichtiges abwägen eines weitblickenden verstandes, nein, bloss wirkung einander widerstrebender gefühle ist. Man kann nicht leugnen, dass sie oft, auf einmal, für diesen oder jenen plan warm werden: weil aber diese wärme nie auf einen punkt vereinigt wird, wo sie zur beharrlichkeit werden könnte, so verfliegt sie bald von selbst; sie löst sich entweder durch ihre eigene hitze auf oder wirft sich auf eine andere unstete leidenschaft, der die vernunft eben so wenig festigkeit gegeben hat, und es muss kalte gleichgültigkeit erfolgen. Elend muss ein wesen sein, dessen ganze geistesausbildung auf weiter nichts abzielt, als seine leidenschaften zu erhitzen! Man sollte doch den unterschied, der zwischen dem erhitzen und dem stärken derselben ist, nicht so ganz übersehen. Gibt man den leidenschaften volle nahrung, während der verstand ungebildet bleibt, was kann dabei herauskommen? Nichts anderes, als ein gemisch von tollheit und torheit!
Man würde unrecht tun, wenn man diese behauptung auf das schöne geschlecht allein beschränken wollte. Ich gedenke sie für jetzt aber nur in hinsicht auf dasselbe weiter auszuführen.
Romane, musik, dichtkunst, galanterie kurz, alles arbeitet darauf hin, aus den weibern wesen zu machen, die sich nur durch sinnliche eindrücke bestimmen lassen. Auf diese weise bildet sich ihr charakter während der zeit aus, da sie körperliche geschicklichkeit erwerben die einzige art von veredlung, zu der sie sich auf dem posten, den sie in der gesellschaft einnehmen, noch veranlasst fühlen können. Eine überspannte empfindsamkeit erschlafft daher natürlich die übrigen seelenkräfte und lässt den verstand nicht zu jener Oberherrschaft gelangen, die erfordert wird, um ein vernünftiges geschöpf andern nützlich und mit seiner lage zufrieden zu machen. Und doch ist eine, mit jedem schritt des lebens fortgehende, ununterbrochene übung der verstandeskräfte der einzige weg, den uns die natur zeigt, um die leidenschaften zu besänftigen.
Ganz anders ist die wirkung beschaffen, die aus einem bis zur übersättigung fortgesetzten genuss erfolgt. Oft hat mich jene schilderung der verdammnis gerührt, die uns den abgeschiedenen geist darstellt, wie er ohn' unterlass um den befleckten körper herumflattert und doch nicht imstande ist, irgend etwas ohne seine sinnlichen organe zu geniessen. Aber die weiber muss man ja zu sklaven ihrer sinne machen, weil es gerade ihre sinnlichkeit ist, der sie ihre macht für den augenblick verdanken.
Werden die moralisten sich getrauen zu behaupten, dies sei die lage, zu deren fortsetzung man die eine hälfte der ganzen menschengattung ermuntern müsse, um sie in stumpfer untätigkeit und gedankenloser unterwerfung zu erhalten? Schöne, wohltätige lehrer! Wozu wären wir weiber eigentlich geschaffen? Um unschuldig zu bleiben, wird man vielleicht sagen.Ich weiss, dass dies nichts anderes heisst, als kinder zu bleiben. Ja, dann würde es eben so gut sein, wenn wir gar nie geboren wären. Falls man nicht annehmen will, unser dasein sei bloss dazu notwendig, dass der mann desto besser in den stand gesetzt werde, zu dem edlen vorrecht der vernunft zu gelangen und seine fähigkeit, gutes vom bösen zu unterscheiden, auszubilden; während wir in dem staube, von dem wir genommen sind, darnieder liegen, um nie wieder daraus aufzustehen.
Man wird nie fertig, wenn man all die manigfaltigen erniedrigungen, kümmernisse und kränkungen aufzählen will, denen die weiber durch die aufstellung jenes ziemlich allgemein angenommenen satzes ausgesetzt werden: sie wären mehr geschaffen zu fühlen, als zu räsonieren, und müssten jeden einfluss, den man ihnen zugestehen könne, nur allein durch ihre reize und durch ihre schwäche gewinnen; sie wären, wie ein dichter sagt:
»Durch Fehler schön, und liebenswürdig schwach!«
Und was kommt bei dieser liebenswürdigen schwäche heraus? Dass sie vom mann nicht bloss in hinsicht auf schutz, sondern auch in hinsicht auf belehrung ganz und gar abhängig werden, den einzigen fall ausgenommen, wo ihm die macht ihrer reize auch einmal unbedingte, aber eben so unrechtmässige unterwerfung abzwingt. Darf man sich noch wundern, wenn man sie die pflichten, auf welche die vernunft allein hinweist, vernachlässigen, jeder prüfung, die ihre seele stärken könnte, ausweichen und endlich einzig und allein sich damit beschäftigen sicht, ihre fehler unter einer angenehmen decke zu verbergen, die wohl auf ihren reiz in den augen der wollüstlinge erhöhen kann, sie aber in der tat unter alle schätzung von sittlichem wert erniedrigen muss.
Gebrechlich in jedem sinn des wortes, sind sie genötigt, in jeder verlegenheit sich bei dem mann nach trost und hülfe umzusehen. In den unbedeutendsten gefahren schmiegen sie sich mit der anschmeichelndsten zudringlichkeit an ihn, und rufen kläglich seinen beistand an; und nun streckt ihr natürlicher beschirmer seinen arm aus oder erhebt seine stimme, die liebenswürdig zitternde zu bewahren - wovor zu bewahren? Vielleicht vor einer alten kuh oder einer kleinen maus! Eine ratte wäre schon eine ernsthafte gefahr!
Im namen der vernunft und des menschenverstandes frage ich: was kann ein wesen dieser art, wären sie auch noch so sanft und schön, von verachtung retten?
Eine solche furchtsamkeit kann wohl, wenn sie nicht affektiert ist, ganz niedlich aussehen. Immer aber zeigt sie einen grad von schwäche, der ein vernünftiges geschöpf mehr erniedrigt, als weiber sich vorstellen. Denn liebe und achtung sind verschiedene dinge.
Ich bin überzeugt, dieses kindische wesen würde wegfallen, wenn man nur erst den mädchen erlaubte, sich mehr bewegung zu machen, statt dass man sie in wohlverwahrten zimmern so lange einschliesst, bis ihre muskeln erschlafft und ihre verdauungskräfte zerstört sind. Noch mehr: wenn man die furchtsamkeit an mädchen, statt sie ihnen zu nähren, oder wohl gar erst zu erzeugen, ebenso behandelte, wie man die feigheit an knaben zu behandeln pflegt; so würden wir bald die weiber in einer achtungswürdigeren gestalt erblicken. Zwar würde man sie dann nicht mehr so treffend sanfte blumen, die dem manne auf seinem pfade lächeln, nennen können. Dafür aber würden sie ehrwürdigere glieder der gesellschaft werden und ihre pflichten gewissenhaft und aus eigener überzeugung erfüllen.
Rousseau sagt:
»Erzieht die Weiber wie Männer und, je mehr sie sich unserm Geschlechte nähern, desto weniger Gewalt werden sie über uns haben.«
Das ist gerade der punkt, auf den ich ziele: ich möchte sie gern nicht die männer, sondern sich selbst beherrschen sehen. In demselben ton habe ich manche leute gegen die aufklärung des gemeinen mannes räsonieren hören: der aristokratismus weiss gar manigfaltige gestalten anzunehmen.
»Lehrt diese Menschen lesen und schreiben«, sagen sie, und ihr hebt sie aus der Stelle, welche die Natur selbst ihnen angewiesen hat, ganz und gar heraus.«
Die beste antwort hat ein französischer schriftsteiler gegeben:
»Man bedenkt nicht«, sagt er, »dass wenn man den Menschen zum vieh macht, man keinen Augenblick mehr sicher ist, ihn nicht plötzlich einmal in ein wütendes Raubtier umgewandelt zu sehen.«
Nein, ohne einsicht gibt es schlechterdings keine Sittlichkeit!
Unwissenheit ist eine sehr unsichere grundlage für die tugend: und doch soll sie der zustand sein, für den das weib geschaffen worden, wenn man jene schriftsteller sprechen hört, die die vorzüge des mannes am hitzigsten verfochten haben; vorzüge, die, wenn man ihr raisonnement beleuchtet, nicht bloss einen höhern grad, sondern ein ganz anderes wesen als das des weibes in sich schliessen. Sie haben sich dagegen freilich, diesen ausspruch etwas zu mildern, auch wieder mühe gegeben, mit ritterlicher grossmut zu beweisen, dass eigentlich beide geschlechter gar nicht miteinander verglichen werden dürfen. »Der Mann«, sagen sie,
»...ist geschaffen, um zu räsonieren, das Weib hingegen, um zu fühlen: beide zusammen machen, wie Fleisch und Geist, das vollkommenste Ganze aus, indem darin auf die glücklichste Weise Vernunft und Empfindsamkeit zu Einem Charakter zusammenschmelzen.«
Was ist empfindsamkeit? »Schnelligkeit des sinnlichen eindrucks; schnelligkeit der empfindung; zärtlichkeit.« So erklärt Dr. Johnson[26] das wort. Ich muss aber sagen, dass mir diese erklärung keinen andern begriff, als den eines äusserst verfeinerten instinkts darstellt. Ich sehe keine spur von dem bilde gottes weder in der fähigkeit, sinnliche eindrücke zu empfangen, noch in der materie. Man läutere sie siebenmal siebenzigmal, und sie bleiben immer noch materiell; man wird aus ihnen nimmermehr verstand herausscheiden, so wenig als feuer jemals blei in gold verwandeln wird!
Ich komme wieder auf meine alte schlussfolge zurück. Gibt man zu, dass das weib eine unsterbliche seele besitzt, so muss auch ausbildung einer vernunft zum geschäft ihres lebens gehören. Wenn sie also, bloss um den gegenwärtigen zustand vollkommener zu machen (obgleich alles beweist, dass er nur eine ziffer einer unendlich grossen summe ist), sich durch augenblicklichen genuss verleiten lässt, ihrer bestimmung zu vergessen, so arbeitet sie der natur entgegen, oder man müsste annehmen, sie sei bloss geboren, zu gebären und dann zu verwesen.
Eine andere bewandtnis hat es mit den tieren, denen man auch eine seele, wenngleich keine vernünftige zugesteht. Für sie mag die übung des instinkts und des gefühlvermögens der schritt sein, den sie in der jetzigen periode ihres daseins tun müssen, um in der nächstfolgenden zum besitz der vernunft weiter vorrücken zu können. Dafür werden sie aber auch in alle ewigkeit hinter dem menschen zurückbleiben, dem, aus ursachen, die uns unbekannt sind, der vorzug ward, schon auf der ersten stufe seiner existenz zur vernunft zu gelangen.
Später, wo ich die pflichten der weiber ungefähr so behandeln werde, wie ich die pflichten des bürgers oder des vaters behandeln würde, wird man finden, dass meine meinung ganz und gar nicht dahin geht, den grössern teil von ihnen aus ihren familien herauszuheben. Freilich ist es wahr, was Lord Bacon sagt: »Wer Weib und Kinder hat, hat dem Glück Geiseln gegeben: denn beide werden ihm Hindernisse bei jeder grossen Unternehmung, sei es für die Tugend oder das Laster. Ohne Zweifel haben wir die Ausführung der besten und verdienstlichsten Pläne unverheirateten oder doch kinderlosen Männern zu verdanken.«
Ich nehme keinen anstand, dasselbe auch von weibern zu behaupten. Allein das wohl der gesellschaft beruht gar nicht auf ungewöhnlichen kraftäusserungen. Und wäre ihre verfassung vernünftiger eingerichtet, so würde man der grossen talente und der heroischen tugenden noch weniger bedürfen.
Niemand wird leugnen, dass zu der einrichtung und führung eines hauswesens und zur kindererziehung ganz vorzüglich verstand, im echten sinn des worts, stärke des körpers und der seele erfordert wird. Gleichwohl haben die männer, die sich in ihren schritten ein eigenes geschäft daraus machten, die weiber zur häuslichkeit zu bilden, doch aus gründen, die ihnen nur eine grobsinnliche, durch übermässigen genuss ekel gewordene, begehrlichkeit eingeben konnte, alles aufgeboten, ihren körper zu schwächen und ihren geist zu lähmen. Hätten sie jedoch, selbst auf diesem verkehrten weg, indem sie auf die empfindung der weiber wirkten, dieselben nur wirklich überredet, zu hause zu bleiben und die pflichten der mutter und hausfrau zu erfüllen, so würde ich anweisungen, die unser geschlecht seiner bestimmung näher bringen, wenn auch schon dabei hie und da der vernunft einige gewalt geschehen muss, nur mit der äussersten schonung widersprechen. Allein, ich darf mich auf die erfahrung berufen, ob nicht die frauenzimmer durch vernachlässigung ihres verstandes ebensosehr, ja ob sie nicht dadurch noch weit mehr von jenen häuslichen pflichten abgezogen werden, als die ernsthafteste geisterbeschäftigung sie davon abziehen könnte? Dazu kommt noch der umstand, dass der grosse haufe der menschen sich äusserst schwer, vielleicht nie, dazu bringen lässt, verstandesbeschäftigungen mit mut und interesse zu betreiben.
Man erlaube mir den schluss zu ziehen, dass vernunft dem weibe durchaus notwendig ist, um jeder, auch der kleinsten ihrer pflichten genüge zu leisten; wobei ich wiederholen muss, dass empfindsamkeit nicht vernunft ist.
Der vergleich mit den reichen fällt mir wieder ein. So lange die männer noch die pflichten der menschlichkeit versäumen, werden die weiber dasselbe tun. Ein gemeinschaftlicher strom reisst beide geschlechter in gedankenloser eile mit sich dahin. Reichtum und rang hindern den mann, seinen verstand gehörig zu erweitern, und entnerven seine seelenkräfte, indem sie die ordnung der natur umkehren, nach welcher wahres vergnügen jedesmal nur die belohnung für arbeit sein soll. Geradeso steht vergnügen entkräftendes vergnügen den frauenzimmern zu gebote, ohne dass sie sich dasselbe erst verdienen dürfen. Allein, solange jene erblichen besitznehmungen nicht aufgehoben werden - darf man wohl erwarten, männer zu sehen, deren stolz ihre tugend ist? Und solange dies der fall nicht Ist, werden sich die weiber um den wohlfeilsten preis die herrschaft über sie erkaufen, ihre langweiligen häuslichen pflichten liegen lassen und dem vergnügen nachlaufen.
Ein Schriftsteller sagt irgendwo: »Die Stärke des Weibes liegt in ihrer Empfindsamkeit,« und doch tun die männer, ohne die folgen zu ahnden, alles, was sie nur können, um diese kraft zur herrschenden zu machen. Diejenigen unter ihnen, welche immer nur die empfindsamkeit der frauenzimmer beschäftigen, werden auch am meisten einfluss auf sie haben, wohin dichter, maler und tonkünstler gehören. Und da man ihre empfindsamkeit auf kosten der vernunft und selbst der fantasie aufs höchste gespannt hat wie können sich filosofen noch über ihre Schwachheit beschweren? Die aufmerksamkeit, welche die männer den weibern, als weibern, bezeigen, ist es, was auf die empfindsamkeit der letztern wirkt. Und gerade eine Sympathie dieser art ist es, die bei ihnen von jugend an unterhalten und geschärft wird. Weil aber der gatte unmöglich auf die länge so leidenschaftliche, lebhafte aufwallungen erregende beweise jener aufmerksamkeit geben kann, so sucht das weibliche herz, das einmal an lebhafte aufwallungen gewöhnt ist, entweder eine neue liebe auf, oder es schmachtet im stillen und wird ein opfer seiner tugend oder klugheit. Ich spreche hier von dem fall, wo man wirklich ein der empfindung fähiges herz und einen gebildeten geschmack annehmen darf. Meine beobachtungen in der feinern welt haben mich zum resultat geführt, dass es öfter eitelkeit, als empfindsamkeit ist, was durch unsere modische erziehung und durch ein tadelnswürdiges verkehren beider geschlechter genährt wird, und dass koketterie häufiger aus eitelkeit entspringt als aus jener Unbeständigkeit, die eine folge überspannter empfindsamkeit ist.
Eine andere betrachtung wird, wie ich hoffe, keinem achtsamen, wohlwollenden herzen gleichgültig sein. Der fall kommt oft vor, dass eltern an ihren töchtern, die sie so schwach erzogen haben, noch die grausamkeit begehen, sie ohne die mindeste versorgung zu verlassen; wodurch dieselben folglich nicht bloss von der vernunft, sondern auch vom guten willen ihrer brüder abhängig werden. Diese brüder sind, den besten fall angenommen, ganz gute leute, die ihnen dasjenige als wohltat mitteilen, worauf eigentlich kinder von einerlei eltern auch gleiches recht haben. In dieser unsichern, demütigenden lage kann ja wohl ein lenksames weibliches geschöpf einige zeit bleiben, und sich dabei ganz erträglich befinden. Allein, sobald der bruder heiratet ein fall, der wahrscheinlich ist -, so hört man auf, sie als vorsteherin des hauswesens zu betrachten. Sie wird jetzt mit scheelen augen, als lästige fremde, als unnütze last angesehen, die nur von der gnade des hausherrn und seiner neuen gesellschafterin leben muss.
Wer kann alles elend aufzählen, das so viele unglückliche geschöpfe die zu arbeiten nicht imstande sind, und zu betteln sich schämen in einer solchen lage dulden müssen? Die frau, ein wesen von beschränktem verstand und kaltem herzen ein fall den man bei der jetztigen erziehung voraussetzen darf ist auch auf das bisschen freundschaft, die ihr gatte seinen verwandten zeigt, eifersüchtig. Und weil sich ihre empfindsamkeit nicht bis zur menschlichkeit erhebt, so sicht sie mit verdruss das eigentum ihrer kinder an eine hilflose schwester verschwendet. Die folgen sind klar. Das weib nimmt ihre zuflucht zu ränken, um den rest brüderlicher liebe, den sie öffentlich nicht anzugreifen wagt, im verborgenen zu untergraben: Sie lässt es weder an tränen, noch an schmeicheleien fehlen, bis sie sich des hüters entledigt hat. Das arme geschöpf wird in die welt hinaus gestossen, ohne dass sie auf die schlimme lage, in die sie hier kommen kann, auch nur im mindesten vorbereitet wäre. Oder sie muss, wenn man auf schicklichkeit und anstand noch grossmütig rücksicht nimmt, mit einem kleinen gehalt und einem ungebildeten verstand in eine traurige einöde wandern.
Von diesen beiden weibern mag die letzte vor der ersten in hinsicht auf vernunft und menschlichkeit sehr wenig voraus haben. Sie würde vielleicht, wären die plätze vertauscht, gerade so eigensüchtig wie jene gehandelt haben. Hätte man aber die beiden anders erzogen, würden die folgen anders gewesen sein. Die frau wäre nicht Sklavin jener art von empfindsamkeit geworden, deren mittelpunkt ihr eigenes selbst ist, und viel zu vernünftig gewesen, von ihrem gatten eine zärtlichkeit zu erwarten, die ihn zur verletzung früherer pflichten verleiten musste... Die schwester wäre dann im stande gewesen, sich durch eigene kräfte den unterhalt zu verschaffen, statt das bittere gnadenbrot essen zu müssen.
Ich bin überzeugt, dass das herz eben so gut als der verstand durch kultur, und, was wohl nicht so klar scheinen mag, durch stärkung der körperlichen Werkzeuge, aufgeschlossen und erweitert wird. Dazu bitte ich zu bemerken, dass hier nicht von augenblicklichem wetterleuchten der empfindsamkeit, sondern von dauernden gesinnungen die rede ist. Vielleicht ist in der erziehung beider geschlechter die schwerste aufgabe diese, den unterricht so abzumessen, dass er auf der einen seite im frühling des lebens, wo das herz noch von stärkeren trieben bewegt wird, den verstand nicht zu sehr vernachlässige, aber doch auch auf der andern nicht durch zu trockene geistesbeschäftigungen, die von allen geselligen verbindungen zu welt abliegen, alle empfindung unterdrücke.
Um bei den frauenzimmern zu bleiben - wenn man sie sorgfältig erzieht, so bildet man sie entweder zu feinen damen, die voll eigensinniger launen sind und von empfindsamkeit überfliessen, oder man begnügt sich aus ihnen nur arbeitsame, wirtschaftliche hausmädchen zu machen. Die letzten sind oft freundliche, gute geschöpfe und besitzen nicht selten einen sehr geübten mutterwitz mit weltklugkeit verbunden, wodurch sie meistens weit nützlichere glieder der gesellschaft, als jene feinen empfindsamen damen werden, ob man gleich weder grösse der seele, noch geschmack bei ihnen suchen darf. Die geistige welt ist für sie ein verschlossenes buch. Nehmt sie aus dem kreise ihrer familie oder nachbarn heraus, und sie stehen still: denn literatur können sie unmöglich unterhaltend finden, weil ihre seele nie aus dieser reichen quelle von vergnügen kosten mochte, vielmehr sie jederzeit verachtete...
Ein vernünftiger mann kann eine solche frau allein ihres geschlechts wegen lieben und sie bloss darum achten, weil sie eine treue hausmagd ist. Seiner eigenen ruhe wegen lässt er sie nach ihrem belieben das gesinde ausschimpfen, und am sonntag in die kirche gehen. Ein mann von eben so beschränktem verstand würde wahrscheinlich nicht so gut mit ihr auskommen: denn der würde eingriffe in ihre rechte tun und manches häusliche geschäft selbst anordnen wollen. Und doch ist es auch wieder nicht zu leugnen, dass weiber, deren seele nicht durch kultur erweitert, deren von natur selbstsüchtige empfindsamkeit nicht durch nachdenken veredelt worden ist, gerade am wenigstend dazu taugen, einem hauswesen vorzustehen. Denn immer suchen sie ihre macht über die gebühr geltend zu machen, und tyrannisieren, bloss um eine überlegenheit zu behaupten, die sie doch allein zufälligen glücksvorzügen zu verdanken haben. Dies geht zuweilen in wahre grausamkeit über, so dass z.b. das hausgesinde jeder unschuldigen freude beraubt wird, und über seine kräfte arbeiten muss, um die hauswirtin in den stand zu setzen, einen bessern tisch zu halten und an putz und glanz es ihren nachbarinnen zuvorzutun. Hat sie noch auf ihre kinder acht, so schränkt sich dies oft auf kostbare kleider ein, mit denen sie dieselben ausstaffiert und eine solche vorsorge, sie entstehe nun aus stolz oder Zärtlichkeit, muss immer von verderblichen folgen sein.
Man bedenke ferner, wie viele weiber dieser art ihre tage oder wenigstens ihre nachmittage, in der unbehaglichsten langeweile hinbringen müssen. Ihre männer haben nichts dagegen einzuwenden, dass sie gute Wirtinnen und keusche gattinnen sind; aber doch sicht man sie ausgehen und ausser ihrem hause eine angenehmere, und, wenn ich es mit einem, die sache sehr gut ausdrückenden französischen wort sagen darf, eine pikantere gesellschaft aufzusuchen. So wird die geduldige hausmagd, die ihr tagewerk gleich einem blinden pferd in der mühle verrichtet, ihres lohns beraubt: denn die bezahlung, die ihr zukommt, sind die liebkosungen ihres mannes. Weiber, die so wenig hülfsquellen in ihrem innern haben, pflegen sich ihre natürlichen rechte eben nicht so gutwillig entziehen zu lassen.
Dagegen wird die feine dame angewiesen, mit verachtung auf die gemeinen geschäfte des lebens herabzusehen. Freilich spannt man alle ihre kräfte auch nur für äussere geschicklichkeiten an, zu deren erwerb wenig mehr als Sinnenübung erfordert wird. Doch lässt sich ohne etwas verstandesbildung selbst in körperlichen vorzügen kein beträchtlicher grad von genauigkeit erreichen. Ohne eine grundlage von prinzipien bleibt der geschmack immer oberflächlich. Und zu wahrer anmut gehört noch etwas mehr als blosse nachahmung. Indessen wird die fantasie solcher geschöpfe erhitzt und ihre empfindung überverfeinert, wenn nicht gar verfälscht. Oder, wenn das herz auch unverdorben bleibt, und bloss zu sehr verzärtelt wird, so versäumt man doch, jener gefährlichen fühlbarkeit durch kultur des verstandes entgegen zu arbeiten.
Solche weiber sind oft wirklich liebenswürdig und ihr herz hat weit mehr sinn für allgemeines wohlwollen und weit mehr empfänglichkeit für feine sentiments, als jene rüstige hausmagd haben kann. Allein, weil ihnen das gehörige mass von anstrengung und selbstbeherrschung fehlt, so flössen sie auch weiter nichts als liebe ein, und sind bloss gebieterinnen ihrer gatten, so lange sie auf deren empfindung wirken können, und platonische freundinnen für deren männliche bekannten. Sie sind eigentlich die schönen fehler in der natur - wesen, die nicht dazu geschaffen zu sein scheinen, mit dem mann auf gleichem fuss zu leben, sondern nur, denselben von dem herabsinken zur völligen tierheit zu retten, die rauhen ecken seines charakters abzuschleifen und durch reizende Spielereien seinen sinnlichen wünschen, die ihn zu ihnen hinziehen, wenigstens etwas anstand zu geben.
Gütiger schöpfer des ganzen menschengeschlechts; Hast du ein wesen, wie das weib, die deine Weisheit in deinen werken aufsuchen und fühlen kann, dass du allein durch deine natur über sie erhaben bist zu keinem bessern endzweck geschaffen?
Kann sie glauben, sie sei bloss dazu gemacht, sich dem mann, einem geschöpf, das ihresgleichen, und gerade so wie sie auf die welt gesetzt ist, um sich tugend zu erwerben, unbedingt zu unterwerfen? Kann sie sich zu dem ausschliessenden beruf, ihm nur zu gefallen und die erde zu schmücken, da noch herablassen, wo ihre seele fähig ist, zu dir sich zu erheben? Und kann sie endlich in träger ruhe gähnend, so oft sie ein wenig vernunft braucht, sie jedesmal von dem manne erbetteln, da sie doch gemeinschaftlich mit ihm die steilen höhen der Wahrheit erklimmen sollte?
Freilich ist liebe das höchste gut: so erzieht die weiber immer nur dazu, dass sie liebe einflössen, und verfeinert jeden ihrer reize dergestalt, dass der sinnenrausch vollkommen werde. Allein, wenn sie wirklich moralische wesen sind, so macht es ihnen auch möglich vernünftig zu werden, und lasst für sie die liebe zu dem mann nur einen teil der glühenden flamme jener allgemeinen liebe sein, die die ganze menschheit umfasst und als ein gefälliges opfer zu gott emporsteigt.
Zur erfüllung häuslicher pflichten gehört mut und eine beharrlichkeit, welche einer festern stütze bedarf, als sinnliche gefühle... Um unsern untergebenen ein muster zu sein, muss aus unserm ganzen benehmen ein gewisser fester ernst hervorleuchten, der kaum von einem wesen zu erwarten ist, welches von kindheit an zur Wetterfahne seiner sinnlichen eindrücke gemacht wurde... strenge ist oft der sicherste und höchste beweis von liebe: und gerade in dem mangel dieser gewalt über die empfindung und jenes erhabenen, veredelten wohlwollens, welches das künftige wohl des geliebten gegenstandes einer gegenwärtigen befriedigung desselben vorzuziehen fähig ist, liegt der grund, warum so viele zärtliche mütter ihre kinder verderben. Aus eben diesem grund hat auch die frage erst streitig werden können: ob nachlässigkeit oder nachsicht mehr unheil in der erziehung anrichte? Ich bin geneigt, das letztere für schädlicher zu erklären.
Darüber scheint man sich einig zu sein, dass kinder, in den ersten Jahren, weiblicher pflege und aufsicht überlassen bleiben müssten. Ich muss aber gestehen, dass, so weit meine betrachtungen reichen, weiber von viel empfindung gerade am allerwenigsten zu diesem geschäft taugen, weil sie sich von ihren gefühlen hinreissen lassen und dadurch das naturell des kindes verderben. Die leitung der natürlichen, sich hierauf beziehenden anlagen ist das erste und wichtigste augenmerk in der erziehung, und fordert den festen blick der vernunft fordert eine planmässige behandlung, die von tyrannei und verwöhnung gleich entfernt ist. Und doch sind diese beiden fehler gerade die extreme, auf welchen leute von reizbarem gefühl einmal um das andere verfallen, weil sie jedesmal neben dem ziel verbeischiessen. Diese gedanken führten mich zum schluss, dass eine person von genie gerade am wenigsten zu diesem geschäft der öffentlichen oder privaterziehung passt. Geister dieser art sehen die dinge zu sehr im grossen und besitzen nur äusserst selten jene zur festigkeit gewordene heiterkeit, die man gute laune nennt und die man selten mit grosser geisteskraft als mit starker empfindung verbunden trifft.
Daher sollte sich auch niemand, wer mit interesse und bewunderung dem mann von genie auf seinem raschen fluge folgt, oder wer mit kühlerm Wohlgefallen der belehrung nachgeht, die ihm der mühsamere tiefsinn des denkers bereitet, darüber beschweren, wenn er den einen jähzornig und den andern etwas mürrisch findet; weil lebhaftigkeit der fantasie und ausdauernde anstrengung des geistes sich schwerlich mit jener geschmeidigen urbanität vertragen, die fremden meinungen und vorurteilen, statt ihnen trotzig die stirn zu bieten, wenigstens ausbeugt.
Wenn von erziehung oder sitten die rede ist, kann man köpfe vom höhern rang füglich ganz ausser acht lassen: der grosse haufe mit gewöhnlichen fähigkeiten ist es, der belehrung bedarf, und die farbe der gegenstände, die ihn umgeben annimmt. Von dieser gewiss sehr achtungswerten menge von weibern so gut als von männern, behaupte ich, dass ihre empfindung durchaus nicht in dem treibhaus schwelgerischer Untätigkeit auf kosten ihres verstandes erhöht werden darf. Denn, wenn keine grundlage von verstand da ist, so werden sie nimmermehr weder tugendhaft noch frei werden: der aristokratismus des eigentums oder ausgezeichneter talente treibt immer die bald feigen, bald unbändigen Sklaven des gefühls vor sich hin.
Doch, unsern gegenstand von einer andern seite zu betrachten: man hat eine menge angeblicher gründe, und zwar, weil man sich dabei auf naturwinke bezieht, nicht ohne allen schein von wahrheit vorgebracht, um das weibliche geschlecht fysisch und moralisch herabzusetzen. Ich muss einige davon anführen.
Man hat vom weiblichen verstand oft mit verachtung gesprochen, weil er früher als der männliche zur reife komme. Statt diese behauptung dadurch zu beantworten, indem ich auf die frühen proben von verstand und genie an einem Cowley, Milton und Pope verweise, will ich mich nur auf die erfahrung berufen, welche entscheiden mag, ob nicht an jungen mannspersonen, die sehr früh in gesellschaften eingeführt werden, gerade dieselbe frühreife bemerklich ist.
Diese tatsache ist so bekannt, dass die blosse erwähnung derselben jeden, der sich nur etwas in der welt umgesehen hat, einen ganzen schwarm possierlicher männeraffen vor das auge bringen muss, deren verstand dadurch eingeengt wurde, dass man sie in der gesellschaft von erwachsenen zu einer zeit einführte, wo sie noch hätten mit dem kreisel spielen oder den reif schlagen sollen.
Ebenso haben uns einige naturbeobachter versichern wollen, das männliche geschlecht erreiche nicht vor dem dreissigsten jahre sein gehöriges Wachstum und seine volle kraft; das weibliche hingegen gelange schon mit dem zwanzigsten zur völligen reife. Ich fürchte aber sehr, dass sie bei dieser behauptung durch ein männliches vorurteil irre geführt worden sind, welches schönheit als die höchste weibliche vollkommenheit betrachtet wohlverstanden, bloss schönheit der gesichtszüge und farbe, wogegen man männliche schönheit doch noch in einige verbindung mit dem geiste setzt. Stärke des körpers und jenen charakter im gesicht, welchen die franzosen fysionomie nennen, bekommen weiber vor ihrem dreissigsten jahr eben so wenig als männer. Es ist wahr, die spielereien der kinder haben etwas einnehmendes und anziehendes. Allein, so bald die holde frische der jugend schwindet, so werden jene ungekünstelten reize zu studierten grimassen, die jedem menschen von geschmack zuwider sind. Im gesicht des mädchens sucht man weiter nichts, als lebhaftigkeit und verschämte sittsamkeit. Ist aber der lenz des lebens vorüber, so will man in ihren zügen reifern verstand und, statt der grübchen jugendlicher munterkeit, spuren stärkerer gefühle sehen. Jetzt erwartet man von ihr eigentümlichkeit des charakters, die allein, die Zuneigung eines mannes dauernd fesseln kann.
Man fordert jetzt unterhaltung; keine liebelei. Man verlangt einen freien spielraum für seine fantasie und für die empfindungen des herzens.
Im zwanzigsten jahr ist die schönheit beider geschlechter gleich: nur die ausschweifende Sinnlichkeit verleitet den mann, hier einen unterschied zu finden, und veralterte Kokotten denken eben so: so bald sie keine liebe mehr erringen können, bezahlen sie lebhaftigkeit und jugendkraft mit geld. Die franzosen, die in ihre begriffe von schönheit mehr geistiges aufnehmen, geben weibern von dreissig den vorzug, das heisst, sie setzen den höchsten grad weiblicher vollkommenheit in den zeitpunkt, wo lebhaftigkeit der vernunft und jener ernsten würde des charakters, welche von reife zeugt und den ruhepunkt bezeichnet, weichen muss. In den frühern jahren, bis zum zwanzigsten, schiesst der körper in die höhe, Bis ins dreissigste hin bekommen die festen teile ihre gehörige dichtheit: jetzt werden die muskeln, die vorher biegsam waren, mit jedem tage straffer und geben dem gesicht einen charakter, das heisst, sie zeichnen die verrichtungen der seele auf demselben mit dem griffel des Schicksals und sagen uns nicht bloss, welche kräfte darin sind, sondern auch, wie dieselben angewendet worden.
Hier kann man auch beifügen, dass diejenigen tiere, welche langsam zur reife kommen, am längsten leben und zu den edelgattungen gehören. Die männer können durch die länge ihrer lebensdauer nicht den mindesten anspruch auf einen natürlichen vorzug machen. In dieser hinsicht hat die natur das männliche geschlecht durchaus nicht vor dem weiblichen ausgezeichnet.
Die vielweiberei ist ein anderer fysischer umstand, durch den die weiber herabgewürdigt werden. Einen blendenden grund für diesen gebrauch, der jede häusliche tugend erstickt, leitet man aus der hinlänglich beglaubigten tatsache ab, dass in den gegenden, wo er eingeführt ist, mehr mädchen als knaben geboren werden. Dies scheint nun wirklich ein naturwink zu sein: und vor der natur müssen auch die scheinbarsten Spekulationen der vernunft verstummen. Was weiter daraus folgen würde, ist bald zu erraten. Ist die vielweiberei notwendig, so muss das weib eine stufe niedriger als der mann stehen, und nur um seinetwillen geschaffen sein.
Wir wissen von der frucht im mutterleibe nur wenig. Doch ist mir wahrscheinlich, dass eine zufällige, fysische ursache jene erscheinung erklären und zeigen kann, dass bei derselben kein naturgesetz zu gründe liegt. In Forsters[27] Nachrichten von den Inseln der Südsee habe ich bemerkungen über diesen gegenstand gefunden: dass unter tieren verschiedenen geschlechts, immer dasjenige, welches das kraftvollste und feurigste ist, bei der fortpflanzung den vorzug behauptet, und des jungen tiers geschlecht entscheidet. Forster setzt hinzu:
»Wenn man dies auf die Bewohner von Afrike anwendet, so ist klar, dass dort die Männer, an Polygamie gewöhnt, durch den Gebrauch so vieler Weiber geschwächt werden, und daher nicht so munter und kraftvoll bleiben können. Die Weiber im Gegenteil sind hier von einem hitzigem Temperament, nicht bloss deswegen, weil sie an und für sich schon reizbarere Nerven, eine empfindlichere Organisation und eine lebhaftere Phantasie besitzen; sondern auch aus dem Grunde, weil einer jeden derselben bei dieser Art von Ehe, in welcher sie leben, ein so grosser Teil von physischer Liebe entgehen muss, welcher ihr ganz allein zukommen würde, wenn jeder Mann nur Eine Frau hätte: und so werden denn, aus den oben angeführten Gründen, in der Regel mehr Mädchen geboren. Für die meisten Europäischen Länder hat man durch die genauesten Sterbelisten herausgebracht, dass das verhältnis des männlichen Geschlechts zu dem weiblichen fast gleich ist, oder, wenn je ein Unterschied statt findet, doch mehr Knaben, als Mädchen, geboren werden, etwa in dem verhältnisse von 105 zu 100.«
Die notwendigkeit der vielweiberei erhellt also hieraus keineswegs. Ich bin aber der meinung, dass, wenn ein mann eine weibsperson verführt, ihre verbindung von nun an als eine ehe zur linken hand betrachtet werden, und der mann nach gesetzen verbunden sein müsste, mutter und kind zu unterhalten, es sei denn, dass ehebruch, die natürliche ehescheidung, dieses gesetz wieder aufhöbe. Dieses gesetz müsste so lange in kraft bleiben, als die schwäche der weiber noch ursache sein wird, das wort verführung zur entschuldigung ihrer gebrechlichkeit und ihres mangels an grundsätzen zu gebrauchen; ja so lange, als sie überhaupt in hinsicht auf ihren unterhalt, statt sich denselben durch anstrengung ihrer hände oder ihres kopfes selbst zu verdienen, von dem manne abhängig bleiben werden. Nur dürften freilich jene Weibspersonen, von denen ich oben sprach, nicht im eigentlichen sinne für gattinnen gelten; sonst würde gerade der hauptzweck der ehelichen verbindung vereitelt werden, und alle jene so fest verknüpften Zärtlichkeiten, die aus persönlicher treue entspringen, und dieses band so heilig machen, müssten da, wo weder liebe noch freundschaft die herzen vereinigt, zu blossem eigennutz herabsinken. Die frau, die dem vater ihrer kinder treu ist, flösst achtung ein, und darf niemlas wie eine gefallene dirne behandelt werden. Übrigens gebe ich gerne zu, dass mann und frau zusammen leben müssen, um ihre kinder gehörig zu erziehen, und dass es eben deswegen der absicht der natur durchaus zuwider ist, wenn ein mann mehr als eine gattin hat.
Doch, so hoch ich auch den ehestand, als die grundlage fast jeder geselligen tugend schätze; so wenig kann ich mich der empfindung des innigsten mitleids für jene unglücklichen geschöpfe erwehren, die von der menschlichen gesellschaft gleisam abgeschnitten, und durch eine einzige verirrnung aus allen jenen süssen verbindungen, die herz und geist veredeln herausgerissen werden. Ihr versehen verdient oft nicht einmal den namen verirrung; denn viele unschuldige mädchen werden das opfer eines aufrichtig zärtlichen herzens, und noch mehrere werden zu gründe gerichtet, noch ehe sie den unterschied zwischen tugend und laster kennen lernen und so durch ihre erziehung zur schande vorbereitet, geben sie sich denn wirklich der schande preis. Freistätten und magdalenenklöster sind nicht die rechten heilmittel für solche verwahrlosungen. Gerechtigkeit ist es, nicht almosen, woran es in der welt noch fehlt!
Ein mädchen, die ihre »ehre verloren« hat, glaubt, sie könne nun nicht tiefer sinken; in ihren vorigen posten wieder einzutreten ist unmöglich; keine anstrengung ist im stande, diesen flecken wegzuwaschen. So verlöscht in ihrem herzen noch der letzte funken von ehrbegierde, und, weil ihr kein anderes mittel übrig bleibt, sucht sie in dem schändlichsten gewerbe ihren unterhalt. Ja noch mehr, ihr charakter verschlimmert sich sehr bald durch umstände, über die sich die arme unglückliche nur selten erheben kann, sie müsste denn einen ausserordentlichen grad von verstand und geisteskraft besitzen. Keine not erniedrigt den mann zu dem schändlichen gewerbe der Unzucht. Aber tausende von weibern werden auf diese weise gleichsam planmässig zum laster geführt. Dies ist grossenteils nur die folge jener Untätigkeit, in der man sie aufwachsen lässt, und der beständigen lehren, die man ihnen gibt, ihre ganze versorgung allein vom manne zu erwarten, und dagegen das hingeben ihrer person als die eigentliche vergeltung seiner bemühungen zu betrachten.
So haben denn buhlerische männer und die ganze wissenschaft der ausschweifung mehr gewalt über sie, als sinnliche begierde oder eitelkeit. Diese bemerkung gibt der herrschenden meinung, dass mit der keuschheit alles, was am weibe achtenswert sei, verloren gehe, ein noch grösseres gewicht. Die ganze schätzung ihres charakters hängt von der beobachtung einer tugend ab, ungeachtet, dass die einzige leidenschaft, die man in ihrem herzen nährt liebe ist! Noch mehr, die ehre eines frauenzimmers soll ja nicht einmal von ihrem eigenen willen abhängen dürfen.
Wenn Richardson[28] seine Clarissa zu Lovelace sagen lässt, er habe ihre ehre geraubt, so muss er wirklich seltsame begriffe von ehre und tugend gehabt haben. Denn über alle beschreibung ist der zustand eines wesens elendiglich, das sich ohne seine eigene einwilligung herabgewürdigt sehen muss:[29] Gleichwohl habe ich diese übermässige strenge als ein heilsames vorurteil verteidigen hören. Ich antworte darauf mit den worten eines Leibniz:
»...Vorurteile sind oft nützlich: nur taugen sie gemeiniglich bloss dazu, andern Vorurteilen wieder abzuhelfen.«[30]
Die meisten übel des lebens entspringen aus einer begierde nach gegenwärtigem genuss, die sich selbst zuvorläuft. Hierbei kommt der gehorsam, den man von den weibern im ehestande fordert, mit allem recht in betracht: denn es ist wohl sehr natürlich, dass der geist, wenn er durch unbedingte abhängigkeit von machtsprüchen sich abstumpft und das gehorsamste weib zur schwachen, untätigen mutter werden muss. Dürfte man auch annehmen, dass dieses nicht immer die folge wäre; so lässt man doch bei einem verfahren, durch welches man die bildung eines ganzen geschlechts auf unterlassungspflichten beschränkt, alle rücksicht auf einen künftigen zustand des daseins so gut als gänzlich ausser acht. Überhaupt haben die schriftsteller bei behandlung der moral, vorzüglich in hinsicht auf die weiber, nur gar zu oft die tugend aus einem eingeschränkten gesichtspunkt betrachtet, und ihre grundlage einzig und allein in ihren nutzen für dieses leben gesetzt. Und noch mehr, man man hat diesem erstaunlichen gebäude dadurch, dass man die wunderlichen, schwankenden gefühle der menschen zum massstab der tugen gemacht hat, seine ganze haltbarkeit genommen. Ja, selbst tugend und religion haben sich den aussprüchen des geschmacks unterwerfen müssen.
Setzten die ungereimten grillen der männer uns nicht von allen Seiten zu, so müsste es fast ein lächeln der verachtung erregen, zu sehen, wie geschäftig sie sind, ein geschlecht, dem sie, ihrer eigenen aussage nach, die höchsten freuden des lebens verdanken, recht tief herabzuwürdigen. Oft habe ich ihnen auch mit voller überzeugung Popes spott ( über die weiber) zurückgegeben: oder, mich richtiger auszudrücken, er schien mir auf die ganze menschengattung anwendbar.[31]
Trieb zum vergnügen und hang zur herrschaft scheinen sich in die menschheit geteilt zu haben. Der ehemann, der in seinem kleinen harem den herrn spielt, denkt bloss an sein vergnügen oder an seine konvenienz. Ja der unmässige hang nach vergnügen kann - wer sollte es glauben? - die menschen am ende so weit irre führen, dass selbst mancher sonst ganz kluge mann so gut wie der entkräftete wollüstling, der sich bloss verheiratet, um eine gesunde beischläferin zu haben, verführer seiner eigenen gattin wird. So verjagt hymen die sittsamkeit und die keusche liebe entflieht auf immer!
Die liebe als sinnlicher trieb betrachtet, kann ihre nahrung nicht lange aus sich selbst ziehen, ohne sich zu zerstören. Und dieses erlöschen, in ihrer eigenen flamme, kann man den gewaltsamen tod dieser leidenschaft nennen. Allein die gattin, die auf diese weise zur buhlerin geworden ist, wird nun auch wahrscheinlich alles aufbieten, um die lücke, die durch den verlust der zärtlichkeit ihres mannes entstanden, wieder auszufüllen. Denn so gutwillig wird sie sich jetzt nicht mehr mit dem posten einer obermagd in dem haus begnügen, wo sie vor kurzem noch wie eine göttin behandelt wurde. Noch ist sie hübsch, und statt ihre Zärtlichkeit auf ihre kinder zu übertragen, sinnt sie bloss darauf, wie sie den sonnenschein des lebens recht geniessen will.
Es gibt viele männer, die so wenig verstand und vatersinn haben, dass sie in der ersten aufwallung wollüstiger zärtlichkeit ihren gattinen nicht erlauben, ihre kinder zu säugen. Sie müssen sich nur putzen, und ihnen zu gefallen leben. Liebe, selbst unschuldige liebe, sinkt bald zu niedrer luste herab, wenn man ihrer befriedigung die ausübung einer pflicht opfert.
Persönliche zuneigung ist unleugbar eine glückliche grundlage für freundschaft. Zuweilen möchte selbst dann, wenn zwei tugendhafte junge leute in der ehe zusammenkommen, das eintreten irgend eines umstandes, der ihrer leidenschaft einhält täte, zu wünschen sein. Vielleicht würde die erinnerung einer frühern neigung oder einer unglücklichen liebe ihre ehe, wenigstens auf einer seite, zu einer mehr auf achtung gegründeten verbindung machen. In diesem fall würden beide gatten über den gegenwärtigen augenblick hinaussehen, ihrem ganzen benehmen eine gewisse würde zu geben suchen, und einen plan zur errichtung einer freundschaft anlegen, die nichts als der tod trennen könnte.
Freundschaft ist eine ernsthafte sache, die erhabenste aller neigungen, weil sie sich auf grundsätze stützt und durch die zeit immer mehr befestigt wird. Gerade das gegenteil kann man von der liebe sagen. Auch können liebe und freundschaft nicht in einem beträchtlichen grad neben einander in einem herzen bestehen. Sind es verschiedene gegenstände, die beide neigungen einflössen, so wird allemal eine die andere schwächen und zerstören. Ja sogar für einen und denselben gegenstand können sie nur nach einander empfunden werden...
Liebe, so wie sie die glühende feder des genies gezeichnet hat, existiert entweder gar nicht auf der erde oder sie wohnt nur in jenen erhöhten, brausenden fantasien, die solch gefährliche gemälde entworfen haben. Gefährlich nenne ich diese gemälde nicht nur deswegen, weil sie dem wollüstling, welcher nackte sinnlichkeit unter dem schleier der empfindsamkeit verbirgt, eine scheinbare entschuldigung an die hand geben, sondern auch, weil sie affektation verbreiten und der tugend ihre würde rauben. Die tugend muss, in ihrer ächten gestalt, wenn auch nicht mit saurer, doch mit ernster miene erscheinen: wer sich alle mühe gibt, sie mit dem flitterstaat des vergnügens ein ausdruck, den man so oft für gleichbedeutend mit schönheit nimmt herauszuputzen, tut eben so viel, als wenn er ihr einen palast auf einem berg von sand baute; ein versuch, durch anscheinende verehrung ihren Untergang zu beschleunigen.
Tugend und vergnügen sind in diesem leben nicht so unzertrennlich mit einander verbunden, wie einige beredte schriftsteller darzutun gesucht haben. Das vergnügen flicht immer einen welkenden kranz, mischt immer eine berauschende schale: die frucht hingegen, die die tugend bringt, ist die belohnung für die mühe. Sie gewährt uns, so wie wir sie reifen sehen, nur eine stille Zufriedenheit. Ja, weil sie so ganz in den natürlichen gang der dinge hineingehört, wird sie zuweilen kaum von uns bemerkt.
So wird das brot, unser gemeinstes nahrungsmittel, das unsern körper stärkt und unsere gesundheit erhält, nur selten von den menschen als eine wohltat betrachtet. Sein herz ergötzen mehrenteils gastereien, obgleich krankheit und tod in jeder schale, in jeder lecker speise, die seine lebensgeister erhöhen und seinen gaumen kitzeln, verborgen lauscht....
Die weiber haben selten ernsthafte beschäftigung genug, ihre gefühle in ruhe zu erhalten. Ein wirbel eitler, kleinlicher wünsche, in dem sie sich herumtreiben, raubt ihnen alle stärke der seele und der organe. Und so müssen sie bloss gegenstände für die sinne werden. Kurz, der ganze geist der weiblichen erziehung (die erziehung durch das gesellschaftliche leben) zielt darauf ab, den mädchen mit den besten anlagen eine romanhafte und unbeständige, und den übrigen eine frivole und niedrige denkungsart zu geben.
In dem gegenwärtigen zustand der gesellschaft dürfte sich diesem übel, wie ich befürchte, kaum abhelfen lassen. Sollte indessen einst eine rühmlichere ehrenbegierde unter den menschen wurzel fassen, so würde auch dieses geschlecht der natur und der vernunft sich nähern. Es würde in demselben verhältnis tugendhafter und nützlicher werden, in welchem es sich achtungswerter machte.
Allein, ich wage zu behaupten, dass die vernunft der weiber nie stärke genug, ihr betragen zu leiten, erreichen wird, so lange das, was man in der weit eine rolle spielen nennt, noch der hauptwunsch der meisten menschen bleibt. Diesem törichten wünsch pflegt man jede noch so natürliche neigung und die gemeinnützigsten fugenden aufzuopfern.
So heiratet manches mädchen bloss, um (wie es heisst) sich zu verbessern. Ihr herz hat sie so vollkommen in gewalt, dass sie sich das verlieben schlechterdings nicht eher erlaubt, als sich ein mann mit einem sehr ansehnlichen vermögen zeigt. Später werde ich noch ausführlicher darüber schreiben. Jetzt muss ich nur darauf hindeuten, weil die weiber sich so oft dadurch herabwürdigen, dass sie ihr jugendliches feuer durch die eigennützigste weltklugheit ersticken lassen.
Aus eben dieser quelle fliesst auch das vorurteil, junge mädchen müssten den grössten teil ihrer zeit der arbeit mit der nadel widmen. Und doch werden ihre seelenkräfte gerade durch diese beschäftigung mehr als durch jede andere, die man für sie wählen könnte, abgestumpft, weil sie ihre gedanken so ganz auf ihren körper beschränkt. Die männer bestellen ihre kleider beim Schneider, und damit fertig. Die weiber hingegen machen ihren anzug, sei es zum bedürfnis oder zum schmuck, mit eigener hand, und sprechen nun auch von weiter nichts, als von ihrem anzug man kann sagen, dass ihre gedanken beständig ihren händen folgen.
Ich will ganz und gar nicht behaupten, dass die zubereitung eines bedürfnisses an sich den verstand schwäche. Nein, nur der leidige flitterstaat ist es, der diese Wirkung hervorbringt. Wenn eine frau die kleidungsstücke für ihren mann und für ihre kinder selbst verfertigt, so tut sie ihre schuldigkeit und diese arbeit ist ein teil ihrer berufsgeschaffe. So bald hingegen frauenzimmer nur deswegen dergleichen arbeiten vornehmen, um sich vornehmer putzen zu können, als sie ausserdem im stand sein würden, so ist dies etwas schlimmeres als blosser Zeitverlust. Will man die armen tugendhaft sehen, so muss man sie beschäftigen. Die weiber aus dem mittelstand könnten (wenn sie nur nicht die moden des adels, dessen ungezwungenen anstand sie doch nie ereichen werden, nachäffen) dieses hinlänglich tun, wenn sie dafür selbst ihrem hauswesen vorstehen, ihre kinder unterrichten und ihren verstand ausbilden wollten. Gartenarbeit, erfahrungsfilosofie und literatur würden ihnen stoff genug zum nachdenken und zur unterhaltung darbieten, wodurch ihr verstand geübt würde. Der Umgang der französischen frauenzimmer, die man nicht so fest auf den stuhl bindet, um Kopfzeuge[32] zu bauen und bänder zu weben, ist oberflächlich genug. Allein er ist, meines erachtens, nicht halb so abgeschmackt, als die Unterhaltung der engländerinnen, die ihr ganzes leben an mützen, hüten und all dem flitterstaat arbeiten müssen der krämereien, mäkeleien,[33] und was dergleichen mehr ist, gar nicht zu gedenken.
Es sind gerade die klugen, ehrbaren weiber, die durch dergleichen handwerksmässige geschäfte sich am meisten erniedrigen. Der einzige beweggrund, der sie dabei leitet, ist eitelkeit. Die buhlerin, die ihren geschmack verfeinert, um ihre person reizender zu machen, hat doch noch einen höhern zweck!
Diese bemerkungen führen auf frühere zurück, die man nicht oft genug einschärfen kann. Sei die rede nun von männern, von weibern, oder von ständen und gewerben, immer wird man finden, dass die gegenstände, die ihre gedanken am meisten beschäftigen, sowohl dem charakter der klasse überhaupt, als auch dem der individuen insbesondere, ein eigentümliches gepräge geben. Wenn aber die gedanken der frauenzimmer unaufhörlich um ihren körper her umflattern; ist's noch zu verwundern, dass ihr körper für das wichtigste an ihnen gilt?
Gleichwohl wird zu einer feinen bildung des äussern ein gewisser grad von Selbständigkeit erfordert: und der mangel derselben mag unter anderen ein grund sein, warum manche niedliche weiber ausser dem geschlechtsreiz so wenig anziehendes haben. Man bedenke dabei noch, dass sitzende beschäftigungen den grössten teil der weiber kränklich und falsche begriffe von weiblichen vorzügen sie obendrein noch auf diese Zartheit stolz machen, die doch im grunde nur eine fessel mehr ist, welche ihre ganze aufmerksamkeit beständig auf ihren körper zieht und eben dadurch die tätigkeit ihres geistes lähmen muss.
Weiber von hohem stande pflegen nur selten bei der verfertigung ihres anzugs selbst mit hand anzulegen. Er ist folglich für sie nur sache des geschmacks. Und weil sie, so bald ihre toilette gemacht ist, wenig mehr an dieses flitterwerk denken, so gewinnen sie daher jene leichte anmut und ungezwungenheit, welche man so selten in dem betragen anderer weiber findet, die sich bloss putzen, um sich zu putzen. In der tat, die bemerkung, dass im mittelstand allein geistige vorzüge am besten gedeihen, lässt sich durchaus nicht auf das weibliche geschlecht ausdehnen. Denn weiber vom ersten rang, die wenigstens noch einen anstrich wissenschaftlicher bildung zu bekommen und sich häufiger mit männern über allgemeine gegenstände zu unterhalten pflegen, besitzen mehr kenntnisse, als die vom zweiten, die nur ihre moden und fehler nachäffen, ohne ihre wirklichen vorzüge zu erreichen. Tugend (das wort in der weitern bedeutung genommen) habe ich noch am meisten in den niedern ständen gefunden.
Viele arme weiber ernähren ihre kinder im schweisse ihres angesicht und wissen ein vermögen zusammen zu halten, das die laster der hausväter verschleudert haben würden... Fürwahr, der gesunde verstand, den ich unter armen weibern, für welche die erziehung nur sehr wenig tun konnte und die doch so heldenmütig handelten, angetroffen habe, bestärkt mich fest in der meinung, dass bloss unbedeutende beschäftigungen das weib zu einem unbedeutenden wesen herabgesetzt haben.[34]