Adoption und Pflegschaft

Welche Chancen haben lesbische Frauen?

Wie die Erfahrung von Hilde Heringer zeigt, ist die Möglichkeit, ein Kind in Pflege zu nehmen oder zu adoptieren, auch für lesbisch lebende Frauen gegeben. 1976 wurde das Adoptionsgesetz dahingehend geändert, auch sogenannte alleinstehende, das heißt unverheiratete Personen als Antragstellerinnen zuzulassen. (§ 1741 Abs.3 BGB)
Die Praxis sieht allerdings so aus, daß die Adoptionsvermittlungsstellen (die unter staatlicher oder kirchlicher Trägerschaft stehen und dementsprechende Kriterien bei der Beurteilung von Pflegepersonen/Adoptiveltern anwenden) aufgrund einer relativ geringen Zahl von zur Adoption >freigegebenen< Kindern, die einer viel höheren Zahl von adoptionswilligen Personen gegenübersteht, Antragstellerinnen bevorzugen, die verheiratet (zumindest aber in einer festen heterosexuellen Paarbeziehung leben), kinderlos und gut situiert sind. Das heißt, die tatsächliche Chance für lesbische Frauen, ein Kind zu adoptieren, ist sehr gering.
Größere Chancen bestehen bei der Möglichkeit, ein Kind in Pflege zu nehmen. Dabei gibt es die Form der Kurzpflege, bei der es um eine wochen- oder tageweise Betreuung eines Kindes geht, und der Dauerpflege, die einen längeren, z.T. unbestimmten Aufenthalt des Kindes in der Pflegefamilie vorsieht. Der Unterschied zur Adoption ist dabei, daß die leiblichen Eltern weiterhin zumindest ein eingeschränktes Sorgerecht haben und somit auch ein Wechsel aus der Pflege - zurück in die Ursprungsfamilie nicht auszuschließen ist, wenn die leiblichen Eltern sich entscheiden, wieder mit dem Kind zusammenzuleben. Andererseits kommt es auch vor, daß die leiblichen Eltern im Laufe der Zeit einer Adoption zustimmen und das Pflegekind demzufolge adoptiert werden kann.
Der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V. in Berlin weist in seiner Informationsbroschüre darauf hin, daß die Entscheidung, ein Pflegekind aufzunehmen, gut bedacht werden sollte, weil diese Kinder oftmals unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind und daher zuweilen Verhaltensweisen zeigen, die ungewohnt sind oder unverständlich erscheinen und von den Pflegepersonen viel Offenheit und Einfühlungsvermögen erfordern.
Folgende Voraussetzungen müssen von Personen, die eine Pflegschaft beantragen möchten, laut Auflage des Jugendamtes erfüllt werden:

  • körperliche und geistige Gesundheit werden anhand eines Gesundheitsattestes überprüft
  • die persönliche und pädagogische Eignung wird durch Gespräche und Hausbesuche durch Mitarbeiterinnen des Jugendamtes festgestellt
  • ausreichend Wohnraum und finanzielle Absicherung müssen vorhanden sein
  • keine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis

Wie der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V. mitteilte, besteht für lesbische Frauen grundsätzlich die Möglichkeit, ein Pflegekind aufzunehmen, und er ermutigt lesbische Frauen dazu, bei der Antragstellung ihr Lesbisch-Sein offen zu vertreten, anstatt es zu verheimlichen. Daß diese Offenheit in Großstädten leichter zu realisieren ist als auf dem Land und in Kleinstädten, liegt auf der Hand. Trotzdem, so eine Mitarbeiterin, rate sie allen lesbisch lebenden Frauen zur Offenheit und - sollte dies zu einem negativen Bescheid führen - zur Einlegung von Rechtsmitteln. Schließlich, und dem ist zuzustimmen, sei das öffentliche Bewußtsein nur durch offensives Auftreten zu verändern.
Weitere Auskünfte erteilt der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V., Geisbergstraße 30, 1000 Berlin 30, Telefon: 030/2111067. Auskünfte über Adoptionsmöglichkeiten geben u.a. die zentralen Adoptionsvermittlungsstellen der einzelnen Bundesländer.

Sorgerechtsentzug - Ein Damoklesschwert ?

Gisela Leppers

Viele lesbische Mütter leben in der ständigen Angst, ihnen könnte das Sorgerecht für ihr Kind, ihre Kinder entzogen werden. Manchmal ist diese Angst, die viele lesbische Mütter wie ein Damoklesschwert über sich empfinden, berechtigt; in den meisten Fällen jedoch ist sie unbegründet. Ich möchte im folgenden darauf eingehen, wie Sorgerechtsverfahren gegen lesbische Mütter bislang vor Gericht verhandelt wurden und zu welchen Entscheidungen die jeweiligen Richterinnen gelangt sind. Des weiteren werde ich auf Strategien hinweisen, die Frauen, die in ein Sorgerechtsverfahren bzw. einen Scheidungsprozeß verwickelt sind, hilfreich sein können. Im letzten Teil schließlich gehe ich auf die rechtliche Situation lesbischer Mütter mit unehelichen Kindern ein.

Sorgerechtsregelungen bei Scheidungen

Sind lesbische Mütter noch verheiratet und wollen sich scheiden lassen, dann ist, sofern die Kinder noch minderjährig sind, über die Frage der elterlichen Sorge bei der Scheidung zu befinden. Bevor ich auf die spezielle Thematik >lesbische Mütter< eingehe, will ich vorab die allgemeinen gesetzlichen Regelungen darstellen.
Hauptvorschrift zur Regelung der elterlichen Sorge bei der Scheidung ist § 1671 BGB:

§ 1671   Elterliche Sorge nach Scheidung der Eltern:

  1. Wird die Ehe der Eltern geschieden, so bestimmt das Familiengericht, welchem Elternteil die elterliche Sorge für ein gemeinschaftliches Kind zustehen soll.
  2. Das Gericht trifft die Regelung, die dem Wohle des Kindes am besten entspricht; hierbei sind die Bindungen des Kindes insbesondere an seine Eltern und Geschwister zu berücksichtigen.
  3. Von einem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern soll das Gericht nur abweichen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
    Macht ein Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, einen abweichenden Vorschlag, so entscheidet das Gericht nach Absatz 2.
  4. Die elterliche Sorge ist einem Elternteil allein zu übertragen. Erfordern es die Vermögensinteressen des Kindes, so kann die Vermögenssorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil übertragen werden.
  5. Das Gericht kann die Personensorge und die Vermögenssorge einem Vormund oder Pfleger übertragen, wenn dies erforderlich ist, um eine Gefahr für das Wohl des Kindes abzuwenden.
    Es soll dem Kind für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einen Pfleger bestellen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
  6. Die vorstehenden Vorschriften gelten entsprechend, wenn die
Ehe der Eltern für nichtig erklärt worden ist.

Diese Vorschrift bestimmt in Absatz 1, daß bei der Scheidung über die elterliche Sorge für minderjährige Kinder entschieden werden muß, und zwar von Amts wegen, nicht nur auf Antrag der Eltern oder eines Elternteils. Absatz 2 nennt die Kriterien, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung soll dem >Wohl des Kindes< dienen, wobei insbesondere die Bindungen des Kindes an die Eltern und Geschwister zu berücksichtigen sind.
>Kindeswohl< ist ein Begriff, der inhaltlich nicht näher definiert ist, ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff. Zum Thema Kindeswohl wurden unzählige Abhandlungen geschrieben, in denen Versuche einer Systematisierung und Definition unternommen wurden. Tatsächlich hat der Begriff auch durch zahlreiche richterliche Entscheidungen eine gewisse Ausdeutung erfahren; dennoch gibt es keine allgemein gültige Definition, und meines Erachtens kann es eine solche auch nicht geben, da hier Erziehungsgrundsätze, moralische Normen und wissenschaftliche Erkenntnisse hineinspielen, die sowohl jede/n einzelne/n in der Entscheidung beeinflussen als auch gesellschaftlichem und sozialem Wandel unterliegen.
Der immer noch geltende Absatz 4 wurde vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 3. November 1982 (Neue Juristische Wochenschrift 83, S.lOl) für verfassungswidrig erklärt, so daß seitdem auch nach der Scheidung die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam weiter verbleiben kann, wenn:

  • beide Eltern gewillt sind, die gemeinsame Verantwortung für ihr Kind auch nach der Scheidung weiter zu tragen,
  • beide Eltern erziehungsfähig sind,
  • keine Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls erforderlich machen, das Sorgerecht auf einen Elternteil allein zu übertragen.

Nach Absatz 5 kann die elterliche Sorge einem Vormund oder Pfleger übertragen werden, sofern dies erforderlich ist, um eine Gefahr für das Wohl des Kindes abzuwenden. Das ist dann der Fall, wenn beide Elternteile nicht erziehungsfähig sind und eine konkrete Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls vorliegt.
§ 1672 BGB bestimmt die entsprechende Anwendung des § 1671 BGB, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben, sondern über einen längeren Zeitraum. Das Gericht entscheidet aber im Falle der Trennung nur auf Antrag eines Elternteils. Eine Entscheidung von Amts wegen, ohne Antrag eines Elternteils, ergeht für die Zeit der Trennung nur dann, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, diese Gefahr abzuwenden. Das Gericht soll die Eltern vor der Entscheidung über die Regelung der elterlichen Sorge persönlich anhören (§50 a) FGG (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)). Gemäß § 50 b) Abs. 1 FGG hört das Gericht auch das Kind persönlich an, »wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhalts angezeigt erscheint, daß sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft«. Bei Kindern unter 14 Jahren ist die Anhörung eine Kann-Bestimmung, das heißt, es liegt im Ermessen der Richterin/des Richters, ob das Kind persönlich angehört wird. Eine solche Anhörung wird eher stattfinden, wenn zwischen den Eltern Streit über die elterliche Sorge herrscht; sie kann unterbleiben, wenn sich die Eltern einig sind. Bei Kindern ab 14 Jahren ist die persönliche Anhörung gesetzlich vorgeschrieben (§ 50 b) Abs. 2 FGG).
Gemäß § 50 SGB VIII (achtes Buch des Sozialgesetzbuches) hat das Familiengericht das Jugendamt vor der Entscheidung anzuhören. In der Praxis wird das Jugendamt vom Gericht beauftragt, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. In problematischen Fällen, das heißt, insbesondere dann, wenn das Gericht beide Elternteile für gleich erziehungsfähig hält, die Bindungen des Kindes an beide Elternteile relativ gleich sind und auch die Betreuung des Kindes durch beide Elternteile sichergestellt ist, ordnet das Gericht eine psychologische Begutachtung an.

Lesbische Mütter und Sorgerechtsverfahren: Zwei Beispiele

Bei Durchsicht der seit 1980 erschienenen Fachzeitschriften habe ich festgestellt, daß es zur Frage der Sorgerechtsübertragung auf eine lesbische Mutter nur eine einzige veröffentlichte Entscheidung gibt, und zwar vom Amtsgericht Mettmann vom 16. November 1984 (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, FamRZ 85, S.529), die auch rechtskräftig wurde.
Der Kindesvater hatte Bedenken gegen die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter daraus hergeleitet, daß diese mit ihrer Partnerin zusammenlebte.
Das Gericht führte aus:

... das Gericht ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners der Auffassung, daß die gleichgeschlechtliche Veranlagung eines Elternteils und die Tatsache, daß dieser Elternteil mit seinem gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten zusammenlebt, für sich allein diesen Elternteil nicht als Sorgerechtsinhaber disqualifiziert. Eine solche mit Blick auf das Kindeswohl zu treffende Aussage wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die gleichgeschlechtliche Veranlagung eines Elternteils einen Mangel an persönlicher, erzieherischer oder allgemeiner sozialer Qualifikation darstellen würde.
Eine derartige Qualifikation läßt sich aber nach dem heutigen Erkenntnisstand der Sexualwissenschaft aus der homosexuellen oder heterosexuellen Orientierung eines Menschen nicht herleiten. Vielmehr haben eine Reihe von Forschern bei homosexuell orientierten Frauen wie Männern z.T. sogar geringere Werte für Neurotizismus und ein höheres Maß interpersonaler, pädagogischer und sozialer Kompetenz festgestellt (vgl. z.B. Bell und Weinberg, Der Kinsey-Institut-Report über weibliche und männliche Homosexualität, München 1978).
Das mit Blick auf das Kindeswohl entscheidende Kriterium kann daher nicht die sexuelle Orientierung des Elternteils sein, sondern allein die Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Elternteils sowie die Beziehung des Kindes zu diesem Elternteil und dessen Lebenspartner. In diesem Zusammenhang läßt sich in vorliegendem Falle feststellen, daß die Mutter sich jetzt - wie schon in der Vergangenheit - auch nach außen hin zu ihrer gleichgeschlechtlichen Veranlagung bekennt und dazu steht. Die Beziehung zu ihrer Lebensgefährtin hat sich seit April diesen Jahres als tragbar erwiesen. Beide Frauen betreuen das Kind anstandslos in wechselseitiger Abstimmung.
Der Minderjährige hat, was auch aus dem Jugendamtsbericht deutlich wird, eine gute emotionale Beziehung zu beiden Frauen. Aufgrund der Normalität, in der die Mutter und deren Lebensgefährtin ihre Lebensgemeinschaft unterhalten und dem Kind vorleben, steht nicht zu befürchten, daß das Kind in eine soziale Außenseiterrolle gedrängt wird. Dahingehende Befürchtungen hat der Antragsgegner zwar geäußert, aber nicht näher konkretisieren können. Aus der Bescheinigung der Kindertagesstätte, die X seit Ende Oktober besucht, ergeben sich keine nach außen hin erkennbaren Besonderheiten. Das Kind macht einen aufgeschlossenen und fröhlichen Eindruck und ist aufnahmebereit, lernbereit und wirkt sehr ausgeglichen.

Das Bemerkenswerte an dieser Entscheidung ist meines Erachtens, daß nicht nur festgestellt wird, die sexuelle Orientierung eines Elternteils allein könne kein entscheidendes Kriterium für die Erziehungsfähigkeit sein, sondern daß darüber hinaus auch positiv gewertet wird, daß die Mutter ihr Lesbischsein nach außen hin vertritt und dazu steht. In diesem Zusammenhang das Wort >Normalität< von einem Gericht zu hören, ist wohltuend und läßt für die Zukunft hoffen.
Die Redaktion der Zeitschrift hat sich angesichts dieses Urteils einer Anmerkung nicht enthalten können, und darin heißt es:

... das Zusammenleben der Mutter mit einer gleichgeschlechtlichen Lebensgefährtin könnte (jetzt und künftig) vor allem dann zu einer Gefährdung des Kindes führen, wenn die Mutter mit ihrer Partnerin sexuellen Praktiken in für das Kind wahrnehmbarer Weise nachgeht - wobei die Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern nicht unterschätzt werden sollte. Sieht man von dieser - sittlichen - Gefahr (deren Vorliegen hier nicht näher erörtert wird, aber auch nicht ersichtlich ist) einmal ab, wird das Zusammenleben des Kindes mit zwei weiblichen Wesen möglicherweise von ihm nicht anders empfunden, als wenn es z.B. bei Mutter und Tante aufwüchse - woran wohl niemand Anstoß nähme. (FamRZ 85, 530)

Ein Kommentar hierzu erübrigt sich.

Die Erkenntnis, daß Homosexualität und lesbische Liebe normal sind, das heißt, eine Lebensform unter mehreren möglichen darstellen, ist noch lange nicht in das Bewußtsein der Gesellschaft und der Gerichte eingedrungen.
Insbesondere auch Psychologinnen und Psychologen, die in schwierigen Sorgerechtsverfahren eingeschaltet und vom Gericht zur Erstellung eines psychologischen Gutachtens zur Frage, welche Sorgerechtsentscheidung dem Wohle des Kindes diene, beauftragt werden, vertreten häufig die Meinung, Homosexualität sei unnatürlich, abartig, eine Fehlentwicklung, die es zu heilen gelte.
So schrieb 1983 in einem Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht München (82 F 4940/82) eine als Gutachterin zugelassene Psychologin:

Ich als wissenschaftlich eingestellte Tiefenpsychologin analytischer Prägung kann nicht davon ausgehen, die lesbische Praktik sei ebenso 'normal' wie eine heterosexuelle Beziehung ... Ich bot nach einem explorativen Gespräch Frau E. die Möglichkeit einer heilenden Analyse an, die diese jedoch ablehnte, da sie die erklärte Absicht hatte, sich für ihre Zukunft lesbisch einzustellen.
Es ist wohl verständlich, daß ich angesichts dieses Hintergrundes offen betonen mußte, ich müsse mir ganz besondere Gedanken darüber machen, ob ein Kind in einer solchen von mir als psychisch gestört anzusprechenden Atmosphäre nicht möglicherweise Schaden nehmen könne. Ich sehe nicht ein, daß ich gezwungen sein soll, den Begriff einer sittlichen Gefährdung - der, wenn ich recht verstehe, schließlich auch Inhalt des Kinderschutzes unserer Gerichte ist - völlig zu nivellieren ...

Solch haarsträubende Äußerungen in einem Gutachten sind glücklicherweise nicht die Regel, aber es muß doch damit gerechnet werden, daß viele Gutachterinnen oder Gutachter tendenziell ähnliche Ansichten vertreten und die Sorgerechtsübertragung auf den Vater empfehlen, eben weil gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht der Norm entsprechen und es den Kindern nicht >zugemutet< werden soll, in einem solch unangepaßten und >unnormalen< Umfeld aufzuwachsen.
So wurde denn auch in dem oben genannten Verfahren in München, als diese Gutachterin von der Mutter abgelehnt wurde, ein Gutachten von einer anderen Diplom-Psychologin angefertigt, die im Ergebnis ebenfalls vorschlug, dem Vater die elterliche Sorge zu übertragen.
Nachdem festgestellt wurde, daß das Kind zu beiden Elternteilen eine gleich gute Beziehung hat und beide liebt, heißt es in diesem zweiten Gutachten:

... Die Mutter ist auch nach Umorientierung eine liebevolle Mutter für das Kind.
Allerdings gilt es abzuwägen, was gegen das starke Gewicht der sogenannten Normalität des Vaters spricht. Wenn dieser ebenso liebevoll und emotional befriedigend auf das Kind eingehen kann, so ist der sozialen Normalität und Angepaßtheit in jedem Fall der Vorzug gegenüber dem sozial stigmatisierten Leben bei einer lesbischen Mutter zu geben ...

Die Entscheidung des Gerichts erging dann auch zugunsten des Vaters. In der Urteilsbegründung hieß es:

... war die elterliche Sorge für S. dem Vater zu übertragen, da dies unter Berücksichtigung aller Umstände dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht aufgrund der Anhörung der Parteien und des Kindes sowie des Gutachtens der Sachverständigen. In Übereinstimmung mit dem Gutachten und der Stellungnahme des Jugendamtes geht auch das Gericht davon aus, daß beide Parteien von ihrer Person her grundsätzlich geeignet sind, die elterliche Sorge zu übernehmen und daß beide verantwortungsbewußt um das Wohl des Kindes bemüht sind ... Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts zugunsten des Antragstellers ist, daß die weitere Entwicklung des Kindes bei dem Vater, bei dessen Leben im Rahmen der üblichen gesellschaftlichen Normen, überschaubarer und ruhiger verlaufen würde, als bei der Mutter. Zum einen erscheint fraglich, ob die persönliche Entwicklung und Umorientierung der Antragsgegnerin bereits so weit abgeschlossen ist, daß von einer Stabilisierung und einer geradlinigen weiteren Entwicklung ausgegangen werden kann. Zum anderen aber hält auch das Gericht - wie die Sachverständige - nicht so sehr die lesbische Beziehung der Mutter, als vielmehr die Politisierung dieses Verhaltens im Hinblick auf die Auswirkungen für das Kind für bedenklich.
So sehr grundsätzlich die Erziehung von Kindern auch zu Kritik und zum Überdenken vorgegebener Verhältnisse positiv zu werten ist, birgt die Politisierung und das Engagement im Umfeld der Mutter die Gefahr der Verunsicherung des Kindes, das in eine Außenseiterrolle gedrängt werden kann, in sich ...

Der Mutter, die dieses Verfahren öffentlich machte, die Presse informierte und eine Unterschriftenliste bei Gericht einreichte mit der Forderung, »lesbischen Müttern nicht aufgrund ihrer lesbischen Lebensweise das Sorgerecht [zu] entziehen«, wurde gerade diese Öffentlichkeitsarbeit und Politisierung des Verfahrens negativ angelastet.
Abgesehen von diesem Verfahren, welches von der Mutter selbst öffentlich gemacht wurde - diese Entscheidung wurde in keiner Fachzeitschrift veröffentlicht -, und dem oben erwähnten Urteil des Amtsgerichts Mettmann, werden kaum Verfahren bekannt, bei denen es bei der Sorgerechtsentscheidung - auch - um die lesbische Lebensweise der Mutter geht.

Eine Erklärung hierfür ist sicherlich die Tatsache, daß - entsprechend der sozialen Realität und der Rollenzuschreibung - insgesamt immer noch wenige Männer das Sorgerecht für sich beanspruchen, der Fall sich also gar nicht häufig stellt. Eine weitere Erklärung scheint mir darin zu liegen, daß einige lesbische Mütter bei der Drohung des Ehemannes, ihr Lesbischsein zum Thema im Sorgerechtsverfahren zu machen, freiwillig auf das Sorgerecht verzichten, sei es, weil sie selbst sich nicht imstande sehen, ein solches Verfahren durchzustehen, sei es, um den Kindern ein solches Verfahren zu ersparen. Angesichts der Vorurteile, die in der allgemeinen Bevölkerung gegenüber der lesbischen Lebensweise herrschen und die, wie am obigen Beispiel deutlich wurde, auch das Denken und damit die Entscheidung von Psychologinnen und Psychologen, Richterinnen und Richtern bestimmen, befürchten Frauen mit Recht, daß ihre lesbische Lebensweise als Gefährdung für eine ungestörte, >normale< psychische und soziale Entwicklung ihrer Kinder gewertet und damit ihre Erziehungsfähigkeit angezweifelt wird. Es gehört ungemein viel Kraft, Selbstbewußtsein und Unterstützung dazu, sich gegen eine solche Mauer aus Unverständnis, Vorurteilen und Angriffen zu behaupten und dagegen zu argumentieren. Denn den betroffenen Frauen wird ja nicht nur die Fähigkeit, eine >gute Mutter< (was auch immer darunter verstanden wird) zu sein, abgesprochen, sondern es handelt sich um Angriffe auf die Gesamtpersönlichkeit, die demütigen und verletzen. Sich dagegen zu wehren ist um so schwieriger, als hier ja weniger Tatsachen oder wissenschaftliche Erkenntnisse verhandelt werden, die mit Hilfe von Tatsachen und ebenso wissenschaftlichen Erkenntnissen widerlegt werden können.
So heißt es denn beispielsweise auch in einem Schriftsatz der Anwälte des Vaters in dem oben erwähnten Verfahren aus München:

Daß Homosexualität, auch unter Frauen, unnatürlich und abartig ist, ist nach wie vor herrschende Auffassung der Medizin und Psychologie, also der Fachwissenschaften. Daß Homosexualität vom Gesetzgeber - bis auf Ausnahmen - legalisiert ist, ändert daran nichts. Daß eine unnatürliche und psychisch ebenso wie physisch abartige Veranlagung einer Mutter auf ein minderjähriges Mädchen von sieben Jahren stark reflektiert und in dieser Richtung eine Prägung des Kindes voraussehbar ist, entspricht wohl weitestgehend der Lebenserfahrung, so daß u.E. darüber zusätzlich ein Sachverständigengutachten nicht unbedingt erforderlich wäre. Reflektionen des elterlichen Verhaltens auf Kinder, durch Prägung des Charakters und der Persönlichkeitseigenschaften, sind so allgemein bekannt, daß dies als gefestigter Erfahrungswert gilt:
Aus einem strenggläubigen Elternhaus kommen regelmäßig - von Ausnahmen abgesehen - gläubige Kinder; aus einem Elternhaus, in dem der Eigentumsbegriff nicht gilt (diebische Familie) kommen entsprechende Abkömmlinge (Milieu), aus einer sportlich orientierten Familie kommen regelmäßig auch sportlich orientierte Kinder. Warum dies bei einer so ausgeprägten Eigenart der Antragsgegnerin anders sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Tochter sich nicht aktiv entwickeln würde, würde sie jedenfalls allein durch die Beziehungen der Mutter ein so negatives Bild vom Vater und Mann kontinuierlich und subkutan erhalten, daß dies die Persönlichkeit negativ prägen würde ...

Dieses Beispiel macht deutlich, daß die Argumentation in solchen Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, daß hier die sogenannte öffentliche Meinung, die Alltagserfahrung, die soziale Normalität herangezogen werden. Daß diese öffentliche Meinung und augenscheinliche >soziale Normalität< nur deshalb existieren und weiter existieren können, weil alternative Lebensformen zielstrebig ignoriert, verzerrt dargestellt, als Abweichung etikettiert und pathologisiert werden, ist in solchen Verfahren kein Thema. Und wird dies von Frauen zum Thema gemacht, wird es ihnen als >Politisierung des Verfahrens< zusätzlich vorgeworfen. Der eigentliche Grund, warum sich die Gesellschaft und auch die Gerichte weigern und schwer damit tun, Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen zu lassen, liegt nicht in der mangelnden Erziehungsfähigkeit dieser Mütter und Väter, sondern darin, daß befürchtet wird, diese Kinder erlebten gleichgeschlechtliche Beziehungen als normale Lebensformen. Das aber widerspricht dem von erzieherischen Institutionen und Medien immer noch aufrechterhaltenen Bild der Heterosexualität als Normalität.
Es ist davon auszugehen, daß Mädchen und Jungen, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufgewachsen sind, eine andere, positivere Einstellung zu Homosexualität haben. Und genau das, nämlich daß Homosexualität zunehmend als mögliche Lebensform, als Alternative neben anderen erkannt wird, bedeutet einen Angriff auf das patriarchale Gesellschaftssystem.

Sorgerechtsverfahren taktisch planen

Obwohl es, wie gesagt, relativ wenige Verfahren gibt, in denen Väter die elterliche Sorge für sich beanspruchen mit der Begründung, daß die Mutter lesbisch ist, wirkt bereits die Drohung vieler Männer, das Sorgerecht zu erstreiten, als Druckmittel - und zwar auch dann, wenn sie am Kontakt zu den Kindern nur sekundär interessiert bzw. gar nicht in der Lage sind, sie zu versorgen. Es ist ein wirksamer Schachzug, um die Frau einzuschüchtern und auf diesem Weg zu >Wohlverhalten< zu zwingen, beispielsweise zum Verzicht auf Unterhalt oder einen anderen finanziellen Ausgleich, und so die Durchführung der Scheidung zu den Bedingungen des Mannes zu erreichen.
Wenn es sich abzeichnet, daß der Mann mit dem Hinweis auf die lesbische Lebensweise der Frau das Sorgerecht für sich beanspruchen wird, muß die betroffene Frau sich überlegen, wie sie im Verfahren taktisch vorgeht. Sie muß damit rechnen, völlig unbegründeten Vorwürfen und Anschuldigungen seitens des Mannes ausgesetzt zu sein, der ja alles daran setzen wird, mit dem Lesbischsein der Frau zu begründen, daß das geistige und seelische Wohl der Kinder gefährdet ist. So wird dann beispielsweise behauptet, die Frau erziehe die Kinder ebenfalls zur Homosexualität, sie vernachlässige ihre Kinder, weil sie sich zu viel mit ihrer Partnerin beschäftige, sie übe in Gegenwart der Kinder sexuelle Handlungen mit der Partnerin aus usw. Auf solche und ähnlich unsinnige Argumente und Anschuldigungen in den Schriftsätzen der Gegenseite muß die Frau reagieren und eingehen, sie widerlegen und entkräften.
Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Eine Möglichkeit ist es, das Lesbischsein zu leugnen - der Mann muß dann beweisen, daß die Ehefrau lesbische Beziehungen hatte oder hat. Dies kann ein Weg sein, das Verfahren auf eine andere Ebene zu bringen, nämlich auf die Punkte Erziehungsfähigkeit und Bindungen des Kindes sowie auf die Frage, wer die besseren Voraussetzungen hat, sich um die Kinder zu kümmern.
Eine weitere Möglichkeit, die ich persönlich für die bessere halte, weil die Frau ihr Leben und ihre Persönlichkeit nicht verleugnen muß, besteht darin, das Lesbischsein nicht abzustreiten, aber andererseits auch nicht besonders zu betonen, sondern auf die Anschuldigungen sachlich einzugehen und sie zu entkräften, selbst aber immer wieder die Gesichtspunkte hervorzuheben und anzusprechen, die maßgeblich sind für eine Entscheidung zum Wohl des Kindes, nämlich die Frage, wer bisher die Hauptbezugsperson war, wer sich in der Vergangenheit überwiegend um das Kind gekümmert hat, wer die besseren Möglichkeiten hat, sich auch in Zukunft, nach Trennung und Scheidung, um das Kind zu kümmern und es zu versorgen und zu betreuen. Hier ist zum Beispiel darauf hinzuweisen, daß der Vater die Betreuung des Kindes oft gar nicht zu übernehmen beabsichtigt - meist ist er dazu aufgrund seiner beruflichen und sonstigen Verpflichtungen gar nicht in der Lage -, sondern gewöhnlich haben Männer, die das Sorgerecht für sich beanspruchen, eine neue Partnerin, die die Betreuung des Kindes übernehmen würde. Interessanterweise ist in diesem Zusammenhang noch niemals geäußert worden, daß der Mann nur noch Zeit für seine neue Geliebte haben und die Kinder vernachlässigen würde, daß er mit seiner neuen Freundin sexuelle Handlungen vor den Augen der Kinder vornehmen würde etc.
Wenn ich auch grundsätzlich denke, daß das Familiengericht nicht der richtige Ort für ein >Coming-out< oder Öffentlichkeitsarbeit ist, so ist doch die Öffentlichmachung dann wichtig und notwendig, wenn das Verfahren von der Gegenseite offensichtlich dazu benutzt wird, die Lebensweise der Mutter und damit sie selbst zu verurteilen, statt das Wohl der Kinder in den Vordergrund zu stellen.
Wie groß die Vorbehalte gegen homosexuelle Männer und lesbische Frauen als Haupterziehende sind, zeigt sich auch im Adoptionsrecht. In der BRD ist es für schwule und lesbische Paare praktisch aussichtslos, ein Kind adoptieren zu wollen, und selbst in liberalen Ländern wie Dänemark und Schweden, wo homosexuelle Partnerschaften kürzlich rechtlich den heterosexuellen Partnerschaften und der Ehe weitgehend gleichgestellt wurden, ist das Adoptionsrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Zwar können in der BRD auch unverheiratete Frauen ein Kind adoptieren, und somit unter Umständen auch eine lesbische Frau, vermutlich aber nur dann, wenn sie ihre lesbische Lebensweise verschweigt.

Amtspflegschaft und ihre Alternativen

Aufgrund der Tatsache, daß immer mehr Lesben wünschen und beschließen, ohne Mann oder Ehemann Kinder zu haben, will ich noch kurz auf die Rechtslage bei nichtehelichen Kindern eingehen.
Gemäß § 1705 BGB steht das nichteheliche Kind unter der elterlichen Sorge der Mutter. Gemäß § 1706 tritt mit der Geburt eines
nichtehelichen Kindes von Amts wegen eine Amtspflegschaft ein für die Wahrnehmung folgender Angelegenheiten:

  1. für die Feststellung der Vaterschaft und alle sonstigen Angelegenheiten, die die Feststellung oder Änderung des Eltern-Kind-Verhältnisses oder des Familiennamens des Kindes betreffen;
  2. für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einschließlich der Ansprüche auf eine an Stelle des Unterhalts zu gewährende Abfindung sowie die Verfügung über diese Ansprüche; ist das Kind bei einem Dritten entgeltlich in Pflege, so ist der Pfleger berechtigt, aus dem vom Unterhaltspflichtigen Geleisteten den Dritten zu befriedigen;
  3. die Regelung von Erb- und Pflichtteilsrechten, die dem Kinde im Falle des Todes des Vaters und seiner Verwandten zustehen (§1706 BGB).

Diese Amtspflegschaft für ein nichteheliches Kind ist eine die Mütter diskriminierende und entmündigende Regelung, wird doch davon ausgegangen, daß Frauen nicht in der Lage seien, ihre und die Rechte ihres Kindes durchzusetzen. Insbesondere für lesbische Frauen, die bewußt ein Kind ohne den Mann haben und erziehen wollen und ihn lediglich - wenn überhaupt - zum Zwecke der Zeugung benutzen, ist diese Amtspflegschaft überflüssig, da ja Unterhalts- und Erbansprüche gegen den Erzeuger in der Regel ausgeschlossen bzw. nicht geltend gemacht werden. Jede lesbische Frau, die ein Kind bekommt, sollte aber um diese Amtspflegschaft wissen und entweder bereits vor der Geburt beantragen, daß die Pflegschaft erst gar nicht eintritt bzw. nach der Geburt einen Antrag stellen, daß die Pflegschaft aufgehoben wird. Dieser Antrag muß beim Vormundschaftsgericht eingereicht werden. Ihm ist stattzugeben, »wenn die beantragte Anordnung dem Wohle des Kindes nicht widerspricht. Das Vormundschaftsgericht kann seine Entscheidung ändern, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.« (§ 1707 BGB)
Abgesehen von dieser Amtspflegschaft steht der Mutter eines nichtehelichen Kindes die alleinige Personen- und Vermögenssorge für das Kind zu. Eine Entziehung der elterlichen Sorge kommt in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB in Frage. Dieser lautet:

§ 1666   Gefährdung des Kindeswohls

  1. Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Vormundschaftsgericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das Gericht kann auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
  2. Das Gericht kann Erklärungen der Eltern oder eines Elternteils ersetzen.
  3. Das Gericht kann einem Elternteil auch die Vermögenssorge entziehen, wenn er das Recht des Kindes auf Gewährung des Unterhalts verletzt hat und für die Zukunft eine Gefährdung des Unterhalts zu besorgen ist.

Gründe für einen Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB sind beispielsweise: körperliche Mißhandlung, sexueller Mißbrauch, körperliche Vernachlässigung bei drohender Verwahrlosung, Unterlassen ärztlicher Behandlung, Drogensucht der Eltern, mangelhafte Beaufsichtigung des Schulbesuchs. Mir ist kein Verfahren bekannt, in dem der Mutter eines nichtehelichen Kindes wegen ihres Lesbischseins die elterliche Sorge entzogen wurde. Meines Erachtens kann auch die Behauptung oder die Tatsache, daß die Mutter lesbische Beziehungen hat, nicht dazu führen, daß ihr die elterliche Sorge entzogen wird. Hier müssen dann zusätzliche Anschuldigungen und Vorwürfe hinzukommen.
Viele Mütter - nicht nur lesbische - befürchten, daß im Falle ihres Todes oder wenn sie aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, die elterliche Sorge auszuüben, Personen Ansprüche auf das Kind anmelden, denen sie es nicht anvertrauen wollen, beispielsweise der Vater oder die Großeltern.
Bei ehelichen Kindern, für die die Mutter bei der Scheidung das Sorgerecht erhalten hat, bestimmt § 1681 BGB, daß das Vormundschaftsgericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen hat, es sei denn, daß dies dem Wohl des Kindes widerspricht. Das heißt, der Vater erhält nicht automatisch die elterliche Sorge beim Tod der Mutter, ist aber derjenige, der als erster in Betracht kommt.
Hier besteht die Möglichkeit, testamentarisch oder notariell festzulegen, daß im Falle des Todes oder sonstiger Verhinderung eine bestimmte Person das Kind zu sich nehmen soll. Diese Person sollte gleichzeitig erklären, daß sie dazu auch bereit ist. An diese Verfügung ist das Vormundschaftsgericht nicht gebunden, es kann aber auch nicht einfach darüber hinweggehen. Die Verfügung sollte auch die Gründe enthalten, warum es dem Wohl des Kindes entsprechen würde, bei der genannten Person zu leben und nicht beim Vater oder bei den Großeltern.
Bei nichtehelichen Kindern kann nach geltendem Recht der nichteheliche Vater die elterliche Sorge nicht erhalten; ihm kann aber die Vormundschaft über das Kind übertragen werden, wenn die Mutter stirbt oder aus anderen Gründen die elterliche Sorge nicht ausüben kann. Auch hier gilt, daß die Mutter testamentarisch oder notariell festlegen kann, wer im Falle ihrer Verhinderung die Vormundschaft für das Kind übernehmen soll.