1.
Erinnere mich daran wie wir gingen
und den planetarischen Felsen
als Fußhalt erprobten
wie wir die Ränder der Canons prüften
Felder aus schierem
Eis in der Mitternachtssonne
und die Regenfälle rochen bevor sie fielen
und die Fülle der Mondin fühlten
bevor sie aufging
aus dem Gleichgewicht geraten durch das Leben
das sich in uns bewegte, dann leichter geworden
doch immer noch mit der Last
der Kinder an unserem Rücken
an unseren Hüften, wenn wir Feuer machten
Lehm gruben Wasser schöpften
Erinnere mich daran wie der Fluß
den Lehm zwischen unseren Handflächen näßte
und wie die Flamme
ihn leckend zu Mineralfarbe brannte
wie wir unsere Zeichen bei Fackelschein
einritzten in den tiefen Gemächern der Höhlen
Adrienne Rieh
Und wie wir die Borsten des Stachelschweins
durch unsere Zähne zogen
bis sie schneidend dünn waren
und den verwickelten Bast zu Samt bürsteten
und unser Mondwissen dreizehn Mal
in die Ackerfurchen bluteten
Ich weiß es auswendig, und doch
mußt du mir davon erzählen,
mich halten, mich erinnern
2.
Erinnere mich daran wie wir unserer Mutter Leib liebten
und unsere Münder die erste
dünne Süße von ihren Brustknospen sogen
wie unsere Gesichter träumten Stunde um Stunde
im Salz Geruch ihres Schoßes Erinnere mich daran
wie ihre Berührung kindlichen Kummer schmolz
wie sie groß und zärtlich durch unser Dunkel glitt
oder Wache hielt über uns
gegen unseren Wunsch
und wie wir dachten ihre Liebe gälte
dem fremden männlichen Körper zuerst
der nahm, der nahm, dessen Nehmen ein Gesetz schien
und wie sie uns weinend
in dieses Gesetz schickte
wie wir ihr wieder begegneten in unseren Gebärvisionen
aufrecht, trohnend, oben
an einer Wendeltreppe
und wie wir nach ihr lechzten und krochen
Ich weiß, ich erinnere mich, doch
halte mich, erinnere mich
daran wie ihr Frauenleib für uns tabu wurde
3.
Und wie unter dem Schleier aus
schwarzem Flor oder weißem, den schleppenden
Reifen, den Amuletten wir träumten Und wie unter
den fremden männlichen Körpern
wir in Schrecken sanken oder in Ergebung
und wie wir sie Zärtlichkeit lehrten
das Zurückhalten, das Spiel
das Gleiten eines Fingers
die Geheimnisse der Brustknospe
Und wie wir deren Reste
aßen und tranken, wie wir sie
schweigend bedienten, wie wir uns untereinander
unsere Geheimnisse erzählten, weinten und lachten
Rinde und Wurzel und Beere
von Hand zu Hand reichten und uns die Macht einer jeden
zuflüsterten
wie wir die Körper der Toten wuschen
Wäsche waschen als Fest begingen
unser Wissen in gesteppten Galaxien zusammenstückten
Wie wir in zwei Welten wohnten
die Töchter und die Mütter
im Königreich der Söhne
4.
Erzähl mir noch einmal denn ich muß es hören
wie wir unsere Muttergeheimnisse bewahrten
unbeirrbar bis zum Ende
in gesetzwidrige Lumpen gewickelt
zwischen unseren Brüsten
in Blut gemurmelt
mit Blicken ausgetauscht auf dem Fest
wo die Väter an den Knochen saugten
und sich handelseinig wurden
auf dem öffentlichen Platz als der Mittag
unsere geschorenen Köpfe schlug
und die Flammen sich durchsichtig in der Sonne kräuselten
in Fellbooten auf dem Treibeis -
die Schwangeren ausgesetzt,
zu viele Münder zu füttern -
wie Schwester auf Schwester starrte
und durch spiegelnde Pupillen
zurückgelangte zur Mutter
5.
C. bekam am 18. Juni einen Sohn ... Ich fühle genau, daß wir uns fremd sind, meine Schwester und ich; wir erreichen einander nicht und sagen nicht, was wir wirklich fühlen. Das deprimierte mich tief in einer Zeit, da ich ihr gegenüber nur großzügige und einfache Gefühle haben wollte, mich an ihrer Freude freuen und sie mögen mit allem, was zu ihr gehörte. Aber wir sind nicht wirklich Freundinnen und spielen die Rolle von Schwestern. Ich weiß nicht, was ihr wirklich Schmerz oder Freude bereitet, noch weiß sie, wann ich glücklich bin oder worunter ich leide.
(1963)
Es gab Jahre, in denen du und ich
kaum miteinander sprachen
dann eine ganze Nacht lang
als unser Vater im oberen Stockwerk starb
wir verbrannten unsere Kindheit, Unmengen von Papier,
sprachen bis die Vögel sangen
Dein Gesicht jetzt gegenüber an einem Tisch: dunkel
vor Erleuchtung
Über vierzig Jahre sah ich
die Veränderungen in diesem Gesicht
es sah meiner Veränderung zu
dieser Geist hat an meinem Denken gezerrt
ich fühle die Verschiedenheit
der Zellen in uns, sekundenschnelle Wahl
einer Eizelle für eine Samenzelle?
Wir haben verschiedene Waffen ergriffen
unser Haar fiel lang
oder kurz zu verschiedenen Zeiten
aus dir sprühen Worte an die ich nie dachte
wir sind Übersetzungen in verschiedene Dialekte
eines Textes der im Original
immer noch geschrieben wird
doch unsere Augen trinken voneinander
unsere Leben wurden den gleichen dunklen Kanal hinabgetrieben
6.
Wir sind von so weit zurückgekehrt
dieses Haus der Kindheit scheint absurd
seine Geheimnisse ein ausgefallenes Haar, ein Staubkorn
auf der Fotoplatte
die wir auf ewig dem All aussetzen
ich rufe dich von einem anderen Planeten
um dir einen Traum zu erzählen
Licht-Jahre entfernt, du weinst mit mir
Nie waren die Töchter
wirklich Bräute des Vaters
die Töchter waren anfangs
Bräute der Mutter
dann Bräute füreinander
unter einem anderen Gesetz
Laß mich dich halten und es dir sagen
1976
Aus dem amerikanischen Englisch von Verena Stefan und Gabriele Meixner