Einige Bemerkungen zur Selbstbestimmung von Frauen

Dieser Beitrag versteht sich als Anregung zur Diskussion darüber, was die Selbstbestimmung von Frauen ist oder sein könnte. Er ignoriert das, womit jedes Denken über einen Leisten geschlagen und bewertet werden kann: den wissenschaftlichen Anspruch.
Dabei wird nicht etwa in eine Auseinandersetzung der Wissenschaftlichkeit als solche eingegriffen, (denn dies ist eine universitätsinterne Diskussion), sondern es wird über ein Phänomen philosophiert, wie es sich für die Mehrzahl der Frauen darstellt, und dies bedeutet, daß sprachlich eine andere Form gewählt werden muß, damit Erfahrungen ihren adäquaten Platz erhalten.
Damit ist nicht schon unbesehen ein Kriterium von weiblichem Denken eingeflossen, es sei denn, man wollte Verweigerung als weibliche Eigenschaft qualifizieren. Dies bestätigt aber die Geschichte nicht. Auch wurde die Bedeutung der Verweigerung als eine Art des praktisch politischen Handelns noch nicht zur Genüge reflektiert.
Es wird oft deutlich, daß sich der oder die Denkende hinter Autoren und schon Gedachtem, dahinter, was wohl der andere gemeint haben mag, verunwesentlicht und sich von Strukturen und Methoden verpflichten läßt, so daß entweder der Bezug des Stoffes zur denkenden Person im Bereich der Vorfragen zu finden ist oder lediglich negativ reflektiert wird. Am Ende der Ausführungen stellen sich dann unweigerlich die Fragen: Und jetzt? Was soll's?
Nach diesen einleitenden Gedanken komme ich zum Gegenstand des Referats: die Selbstbestimmung von Frauen. Ich gehe dabei von einem Selbstbestimmungsbegriff aus, den ich auf Frauen anzuwenden versuche.
Was ist mit diesem Begriff gemeint und von welchem Hintergrund her muß gedacht werden, damit eine fruchtbare Verbindung zwischen dem Wissen der philosophischen Tradition und dem Oberdenken eines aktuellen Phänomens aus weiblicher Sicht möglich wird?
Die Selbstbestimmung ist ein neuzeitliches Phänomen; die Subjektivitätstheorien handeln, bis auf wenige Ausnahmen, nicht vom konkreten Menschen, sondern vom Menschen an sich, von der Idee des Menschen oder kantisch: vom transzendentalen Subjekt.
Neuerungen und Veränderungen in philosophischer Hinsicht, so zeigt es die Geschichte, finden immer dann statt, wenn sich unter dem Druck der Gegebenheiten Gedankengebäude als zu eng erweisen. So gelang es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts keinem philosophischen System mehr, das Tatsachenmaterial und die gesammelten Fakten der Einzelwissenschaften zu domestizieren, d. h., sie vereint neben- oder untereinander zu plazieren. Dabei wurde der Blick auf den konkreten Menschen möglich, handelt doch die Psychologie und die Psychoanalyse, die Ethnologie und die Sozialwissenschaft vom Patienten, vom Wilden und vom konkreten Menschen.
Die moderne Anthropologie wird so zum Treffpunkt der die Einzelwissenschaften verarbeitenden Disziplinen. Diesen Weg möchte ich aber nicht weiter verfolgen, sondern mich relativ frei mit der Betrachtung der Frau in Hinblick auf ihre Selbstbestimmung anschließen.
Da ich dies als Frau tue, bleiben meine Überlegungen notwendig subjektiv. Einzig eine grösstmögliche Allgemeinheit bei gleichzeitiger Differenziertheit kann in den Aussagen über unsere Selbstbestimmung redlicherweise angestrebt werden; objektive Wahrheiten sind meist idiotische Sätze (Austin) oder werden als Herrschaftsinstrumente verwendet.
Das Referat ist in zwei Teile gegliedert.
Der erste (I.) geht reflektierend von der jetzigen Lebensform einerseits (A.) und von einer intellektuellen Tätigkeit andererseits (B.) aus, die auf die Durchdringung menschlicher Angelegenheiten zielt. Diese intellektuelle Tätigkeit basiert im wesentlichen auf der expliziten Beschäftigung mit Sprache.
Ohne Stellung dazu zu nehmen, ob die Sprache eine männlich dominierte ist und die weiblichen Anteile mutiert und selektioniert hat, gehe ich von einem allgemeinen Wissens-und Erfahrungsvorrat aus, der durch Sprache ausdrückbar gemacht werden kann. Sprache, durch - welche Teile auch immer geprägt - birgt die Möglichkeit zum Herrschaftsinstrument, auf deren Anwendbarkeit Frauen und Männer sich zunehmend sensibilisieren müssen.
Diesen Aspekt gilt es hier nicht auszuführen, wohl aber zu berücksichtigen, wenn von der Selbstbestimmung die Rede ist.
Der zweite Teil des Referats (II.) greift, um adäquat über die Selbstbestimmung reden zu können, auf das Selbstbewußtsein zurück. Dabei gehe ich von einem Selbstbewußtseinsbegriff aus, der das Wissen eines Menschen um seine Zustände bezeichnet. Unter Zuständen verstehe ich dabei Bewegungen, Gefühle, Absichten, Affekte, Wünsche, Meinungen, u.a.m.
Da sich die Selbstbewußtseins- oder Identitätsproblematik in der philosophischen Tradition auf das Subjekt-Objekt Modell stützt, greife ich dieses Begriffsmodell auf, und die Kritik am Subjekt-Objekt Schema führt zum Vorschlag eines Subjektsmodells, das den genannten Selbstbewußtseinsbegriff aus einer neuen Perspektive beleuchtet.
Ich führe mit diesen Begriffen nicht die philosophische Tradition aus, (sonst verlieren wir die Selbstbestimmung der Frauen aus den Augen), sondern wende mich der feministischen Literatur zu, die das Subjekt-Objekt Modell verwendet, ohne dies jedoch explizit zu reflektieren.
Ich stelle einige kritische Fragen an diese Art von feministischem Denken und möchte darüber hinaus mit dem Subjektsmodell einen positiven Impuls zur Betrachtung des Selbstbewußtseins von Frauen geben.
Diese Überlegungen zum Selbstbewußtsein von Frauen sind entwicklungsgeschichtlich alseine Phasezu begreifen, denn es brauchtja wohl keine Diskussion darüber, daß ein Austausch über Objekte, ob reflektiert oder nicht, notwendig gegeben ist.
Dies gewährleistet, wie schon erwähnt, der Aspekt der Sprache, denn indem ich meine Zustände äußerungsfähig mache, beziehe ich mögliche Positionen anderer ein. Als notwendige Voraussetzung müssen die Oberlegungen zum Selbstbewußtsein auch so begriffen werden, daß die Selbstbestimmung in dem Maße möglich wird, wie das Selbstbewußtsein einer Frauzunimmt.
Der Selbstbestimmungsbegriff thematisiert abgesehen vom Existenz- und Kommunikationsaspekt wesentlich den Aspekt des verantwortlichen Handelns. Wie handelt eine Frau in Hinblick auf die Berufswelt, wie handelt sie in Hinblick auf ihre familiäre Situation? Wie handelt sie in Hinblick auf sich selbst?
Dies bringt die Fragen mit sich, wie sie einerseits den Beruf durchstehen und sich andererseits in vernünftigem Maße von ihren Kindern abgrenzen kann.
Damit werden die Problemkreise der Wahl, der Entscheidung und des verantwortlichen Handelns angesprochen.
Nochmals möchte ich darauf hinweisen, daß sich mein Referat als Diskussionsgrundlage versteht und dazu aufmuntert, eigene Erfahrungen und Gedanken zu thematisieren.I.Philosophieren - und damit thematisiere ich bereits eine Form von Selbstbestimmung -, bedeutet wie gesagt zweierlei.
Im folgenden möchte ich die zwei genannten Gesichtspunkte verfolgen: die philosophische Lebensform und die intellektuelle Tätigkeit.
In bezug auf die Lebensform stelle ich die Frage, wie diese für Frauen aussieht und welches ihre Konsequenzen sind.
Die intellektuelle Tätigkeit beschränke ich im wesentlichen auf die Beschäftigung mit Sprache, weil es ein dringendes Frauenproblem ist, über Sprache nachzudenken.
»In Zukunft, also im 20. Jahrhundert, werden diejenigen in einer Gesellschaft die eigentliche Macht ausüben, die fähig sind, ihre Sprachregelung durchzusetzen. Dann ist die Wahl der Begriffe und der Sprache kein Nebenkriegsschauplatz, sondern dann wird der Kampf um die Sprachezurentscheidenden Schlacht«, meint Nietzsche.

A.:

Was die Lebensform angeht, so sind wir uns darüber einig, daß wir unser Leben anders gestalten, als der Durchschnitt der Frauen. Der bewußte Entscheid, nach dem Hochschulabschluß in möglichst nahem Kontakt zu der Institution der Universität und den darin arbeitenden Menschen zu bleiben, setzt ein durchdacht eingerichtetes Leben voraus. Dies betrifft die Partnerwahl, den Kinderwunsch und das Beziehungsnetz im allgemeinen. Es ist zu beobachten, daß es für eine Frau leichterist,zu heiraten, irgendwo, und damit meine ich unter ihrer Qualifikation zu arbeiten, als an der Universität oder einer anderen akademischen Institution wissenschaftlich-philosophisch tätig zu sein. Dies zeigt sich in der völligen Abnahme der weiblichen Präsenz im Oberbau dieser Institutionen. Neben einem Beruf, der mit Geldverdienen verbunden ist, Ergebnisse explizit philosophischer Art (z. B. Aufsätze, Bücher) zu liefern, ist im allgemeinen schwierig und kaum anzutreffen.
Andererseits unterscheidet sich unsere Lebensgestaltung von der der männlichen Kollegen. Frauen im Mittel- und Oberbau der Philosophischen Seminarien oder Institute sind noch eine Rarität. Insofern sie die Sicherheit des institutionellen Rahmens meist nicht genießen, stellen sich finanzielle Fragen.
Spätestens aber beim Kinderwunsch wird offensichtlich, daß die Lebenszusammenhänge einer Frau weitaus komplexer sind und daß es viel Verständnis aller Beteiligten erfordert, will die Frau, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hat, wieder an die wissenschaftliche Front.
Wenn Wissenschaft als Lebensform von männlichen Kollegen vorgestellt wird und dabei das Problem der Wissensbildung und der Sokratische Dialog gemeint sind, so werden damit nur Problem kreise thematisiert, die wie die Spitzen der Eisberge über der Wasseroberfläche herausragen und seminar-philosophisch beredet werden.
Die philosophische Lebensform geht darüber hinaus nicht auf eine Handlungs- und Erfahrungsabstinenz, was Frauen aufgrund ihrer anerzogenen Passivität leicht fällt, sondern hat mit der sogenannten kritischen Reflexion, mit einem zielgerichteten Überdenken und Durchdenken der eigenen und fremden Handlungen, Ausstrahlungen, u. a. m. zu tun. Denken verstehe ich hier nicht im ausschließlich analytisch-rationalen Sinn, sondern letztendlich als synthetisierenden, ganzheitlichen Akt.

B.

Die intellektuelle Tätigkeit geht auf Durchdringung menschlicher Angelegenheiten. Die Tradition orientiert sich am Denken (Was bedeutet es, daß ich denke?), am Wissen (Was kann ich wissen?), an der Erkenntnis (Wo sind die Grenzen der Vernunft?) und an der Sprache (Was kann ich aussagen und verstehen?).
Auch wenn letztere in zunehmendem Maße an Bedeutung gewinnt und immer mehr Interaktionen ausschließlich verbaler Art sind, wird sie hier nicht explizit zum Thema gemacht, denn dies hieße, sich in die Diskussionen um den Logischen Empirismus, die metaphysisch-transzendentalen Sprachauffassungen und die sprachpragmatischen Sprechaktund Bedeutungstheorien verwickeln.
Statt dessen stelle ich den Gegenstand meines Referats, die Selbstbestimmung von Frauen, in der erläuterten Weise dar und benütze den sprachphilosophischen Ansatz bei der Formulierung der Sätze, die auf das Selbstbewußtsein und die Selbstbestimmung gehen.

II.

Da der Selbstbestimmungsbegriff notwendig mit dem des Selbstbewußtseins verbunden ist, die Selbstbestimmung einer Frau undenkbar ohne ihr Selbstbewußtsein ist, muß zunächst vom Selbstbewußtsein die Rede sein.
Das Selbstbewußtsein geht auf das Wissen, das ich von mir und meinen Zuständen habe, während die Selbstbestimmung auf das Verhalten und Handeln geht, das ich nach Oberlegungen ergreife. Die Selbstbestimmung folgt aus dem »Erkenne dich selbst«, und ist ein Terminus der praktisch-politischen Philosophie.
Die Selbstbestimmung hat die genannten drei Aspekte: (a) den Existenzaspekt: Ich sage Ja/Nein zu meiner Existenz, (b) den Aspekt der Beziehung zu anderen Menschen, der über Sprache vermittelt ist und (c) den Aspekt des verantwortlichen Handelns: Ich bin frei, so und so zu handeln und kann dies begründen. Damit stelle ich mein Handeln zur Disposition.
In der Ausführung des zweiten Teils des Referats beginne ich beim Selbstbewußtseinsbegriff, der sich auf dem Hintergrund des Subjekt-Objekt Modells begreifen läßt.
Und nun mache ich etwas, das man eigentlich nicht machen darf. Ich springe aus der zeitgenössischen Selbstbewußtseins- oder Idenlitätsproblematik, verwende aber die Begriffe für meine Zwecke weiter.
Ebenso ergeht es dem Subjekt-Objekt Modell. Es darzustellen und in die immanent philosophische Diskussion einsteigen, heißt in der Vorfrage steckenbleiben. Ich sehe dies als exemplarischen Fall an, daß wir mit den Begriffen, die uns die philosophische Tradition bietet, Sachverhalte ausdrücken können, die einer weiblichen Sicht der Probleme von Selbstbewußtsein, von Selbstbestimmung und von Menschsein in der Kultur überhaupt, entsprechen.
Ich nehme den Ausdruck des Subjekt-Objekt Modells, und die feministische Literatur bietet mir dazu einen Inhalt an: der Mann als das Subjekt und die Frau als das Objekt.
Es wird dabei im allgemeinen die Theorie vertreten, daß Frauen das Spiegelbild von Männern darstellen. Männer benützen Frauen, so wird behauptet, als Spiegel, um sich darin vergrößert und idealisiert zu sehen. Sie nähmen nicht ihr Gegenüber wahr, sondern seien lediglich daran interessiert, sich selbst zu erhalten. Oder anders gewendet: Männliches Denken projeziert sich - verdoppelnd auf das Weibliche und unterdrückt damit nicht nur weibliche Momente des Denkens und der Bewußtheit, sondern verunmöglicht vom Ansatz her die Ganzheitlichkeit, die Androgynität. Im herrschenden Diskurs lassen sich dazu viele Beispiele finden. Das Weibliche, das in erster Linie die Frauen vertreten, befindet sich danach in der fatalen Situation, im Niemandsland zu leben. Weil man das, was man nicht mag, dem Spiegelbild zuschreiben kann oder im besseren Fall der eigenen Wahrnehmungsverschiebung, müssen sich Frauen damit auseinandersetzen, daß sie das sind oder haben, was Männer nicht an sich haben wahrnehmen wollen. Sie empfinden sich als Unterdrückte, ohne Geschichte, sprachlos, Leidende und Passive, u. a. m., Zuschreibungen, die Männer in sie projezieren.
Und das Sichtbare spricht dafür: Dort wo Männer leitend und herrschend sind, z. B. in Politik, Wirtschaft, kirchlichen Institutionen und universitären Stellungen, sind Frauen kaum anzutreffen. Umgekehrt sind Frauen im Haushalt, in der Kindererziehung, in solchen Bereichen, wo Männer weniger anzutreffen sind, wobei sich dies glücklicherweise von unten her in der Veränderung befindet. Das Sichtbare wird darüber hinaus von der männlichorientierten Gesellschaft als Beweis genommen, daß aufgrund der andersartigen Eigenschaften von Frauen, die Richtigkeit der Gesellschaftsordnung erwiesen ist.
Dies wird von einer Art des Feminismus mit der Spiegelbildtheorie durchleuchtet, kritisiert und bekämpft.
Verdeutlichen wir uns das einmal. Diese Theorie beschreibt den Status quo, um das Negative, ich umschreibe es mit »Leid«, verstehbar und einordnenbar zu machen. Frauen mit entsprechender Bildung begreifen, warum sie in einer gewissen Öffentlichkeit nicht vorhanden sind und nichts zu sagen haben. Sie begreifen darüber hinaus möglicherweise ihren psychischen Zustand, sei es, daß sie sich in einem Bereich wohl und vertraut, in einem anderen dagegen fremd, hilflos und überfordert und in einem weiteren Bereich gar nicht fühlen. Sie fassen das in einer Sprache, die sie als männliche empfinden und von der sie fürchten, daß es aus ihr kein Entrinnen gibt. (Den Versuch, die Sprache als solche zu zerbrechen und eine Privatsprache aufzubauen, halte ich für hoffnungslos, bzw. sehe ihn als ein Unterfangen an, das ebenso wie die Sekten mit einem Weitreformierungsanspruch scheitern muß.)
Dies läßt die Frage nach dem Theorieverständnis aufkommen. Zum einen ist die dargestellte Theorie wohlbegründet und kann ihre geschichtlichen Wurzeln vorweisen. Sie kann, ja muß darüber hinaus für das bereitwillige männliche Denken verstehbar sein, da sie sich in patriarchalischen Wurzeln verankert sieht. Diese Theorie will argumentativ überzeugen, will zustimmungspflichtig sein. Aber was ist damit gewonnen?
Meine Behauptung läuft darauf hinaus, daß diese Art von Theorie den Diskurs mitechtpatriarchalischem Denken nicht bewirken kann, weil sievon diesem ignoriert wird. Nicht die Argumente entscheiden in einem solchen Fall, sondern die Herrschafts- und Interessenverhältnisse.
Weibliches Leiden wird aber damit zementiert. Frauen wissen, daß sie Recht haben und ziehen daraus ihr Selbstverständnis und geben sich möglicherweise mit diesem Zustand zufrieden.
Damit ist eine Theorie angeboten, die es den Beteiligten sehr bequem macht; es bleibt nämlich alles beim alten.
Demgegenüber entwerfe ich ein anderes Theorieverständnis, das sich seiner Wirksamkeit und Beeinflussung der Wirklichkeit explizit bewußt ist. Die Theorie versucht nicht nur zu erklären und das Verständnis zu vergrößern, sondern fragt ebenso nach dem zugrundeliegenden Interesse und nach ihrer Wirkung, die sie, ob sie will oder nicht, ausübt.
Da eine Veränderung der Verhältnisse auch über die veränderte Haltung des einzelnen zu sich, - und dies kann mit dem Selbstbewußtsein thematisiert werden - bewirkt werden kann, möchte ich einen anderen Aspekt des Selbstverhältnisses darlegen. Damit lehne ich die Erörterung des Leidens nicht ab, sondern möchte auf dem Weg eines anderen Aspekts und eines anderen Theorienverständnisses zu seiner Veränderung beitragen.
Ich gehe davon aus, daß es nicht sinnvoll ist und nicht zur Entwicklung des Selbstbewußtseins von Frauen beiträgt, wenn sie sich aus der Negativität heraus begreifen. Insofern Menschen ihre Geschichte machen, und Frauen auch Menschen sind, daß also auch sie ihre Zielsetzungen, ihre Willensentschließungen und damitdaseigene und dasfremde Schicksal bestimmen, ist es angebracht, von der Komplexität eigenen Empfindens und eigener Erfahrungen auszugehen.
Darüber hinaus liegt in der Fähigkeit zu denken und auch Erfahrungen zu überdenken die Möglichkeit, Subjekt zu sein, sich selbst zu werden.
Indem Frauen diese Möglichkeit wahrnehmen und ausschöpfen, sich einerseitsdem Leiden soweitverweigern und andererseits sich ihrerzustände bewußt werden und ihre Verhaltensweisen spielerisch-experimentierend überdenken, gelangen sie zur Gewißheit, was wirklich, in diesem Moment oder überhaupt, zu ihnen gehört.
Von daher beschreibe ich den Prozeß, der zum Zerbrechen des Spiegelbildes führen kann und damit ein anderesverständnis des Selbstbewußtseins eröffnet.
Gehen wir von der allgemeinen Erfahrung aus. Was übernehmen wir, wovon lassen wir uns im gesellschaftlichen Umgang mit Menschen ansprechen?
Ich gehe davon aus, daß jeder Mensch viele Fähigkeiten, Eigenschaften, Charakterzüge, u. v. a. m. in sich trägt, die er im Laufe seines Lebens entweder bei sich oder bei anderen entdeckt. Wir lassen uns dabei von Verhaltensweisen, Sprech- und Denkarten anderer ansprechen. Bei Kindern ist dies offensichtlicher: Sie wollen wie diese Frau oder jener Mann werden, oder sie wollen einen bestimmten Beruf ergreifen, weil ihnen ein bestimmter Rollenträger gefällt.
Der Prozeß des gegenseitigen Beeinflussens hört nicht auf; bei Erwachsenen äußert er sich auf andere Weise.
Da wir besonders kritisch bei Frauen sind, die in mancher Hinsicht ein männliches Verhalten an den Tag legen, und weil wir oft mit männlichen Verhaltensweisen konfrontiert sind, die, wenn wir sie auch hätten, uns einige Schwierigkeiten ersparen würden, betrachte ich als Beispiel den speziellen Fall, in dem eine Frau vom Mann Handlungsmuster, Sprechweisen o.a. übernimmt und in ihr Verhalten zu integrieren versucht.
Ich nenne einige Beispiele, die ich signifikant finde.
Z. B. übernimmt eine Frau bewußt die aktive Rolle; sie lernt einen Mann kennen und lädt ihn mit zu sich ein. Oder sie reagiert ganz selbstverständlich abweisend auf Werbeangebote von Männern, wenn sie mit ihrer Freundin oder gewollt allein unterwegs ist. Oder sie äußert im Kontakt zu einem Mann nicht das, was sie nicht will, sondern das, was sie will. Oder sie redet dort, wo von ihr erwartet wird, daß sie zuhört. Oder sie kritisiert argumentativ und läßt sich auf keine andere Ebene ein.
Alle diese Beispiele können mißverstanden werden; kein Handeln soll bei den Haaren herbeigezogen werden, und kein Verhalten soll einer Selbstvergewaltigung gleichkommen, sondern entsprechend dem Mut und der Lust können Stimmungen, Absichten, usw. diese Gestalt annehmen.
Abgesehen von den konkreten Situationen und den zwangsläufig auf tretenden Mißverständnissen und falschen Deutungen, sind diese Verhaltensweisen unter einem innovatorischen Gesichtspunkt und unter einem angstproduzierenden Aspekt zu sehen. Innovatorisch ist dieser Vorgang dann, wenn ein starres Rollenmuster auf diese Weise bewußt zerbrochen wird und hemmende Erwartungen nicht im endgültig destruktiven Sinne enttäuscht werden, sondern so, daß ein Anlaß zur Hinterfragung von Handlungen und Verhaltensweisen und damit die Möglichkeit der Bewußtmachung des eigenen Tuns in Hinblick auf andere gegeben ist.
Die Gefahr der Überforderung und die Angst vor der Isolierung muß ebenso gesehen werden. Eine Frau, die männliches Verhalten nicht nur einmal und zufällig, sondern permanent und gezielt übernimmt, kann in eine Identitätskrise geraten, weil sie nicht nur nicht die äußerlichen Reaktionen, sondern auch die Folgen in ihrem intrapsychischen Haushalt nicht absehen kann.
Allerdings eröffnet die ldentitätskrise, als bewußte erlebt und durchgestanden, die Möglichkeit, das übernommene Verhalten zugunsten eines anderen Gleichgewichts aufzugeben. Erst im Zerbrechen des Spiegelbildes wird es möglich, zwischen sich und den anderen zu unterscheiden und damit seine Handlungen zu wählen.
Was ist für ein solches Verhalten notwendig vorauszusetzen? Dafür entwerfe ich das Subjektsmodell, das für das Selbstbewußtsein von Frauen konstitutiv werden kann.
Das Subjekt identifiziert sich nicht über ein Objekt oder aufgrund der Subjekt-Objekt Struktur, d.h. die Frau empfindet und sieht sich nicht als Objekt, sondern sie identifiziert sich über ihre Zustände. Sie fragt sich, mit welchen inneren und in welchen äußeren Zuständen sie lebt.
Mit den inneren Zuständen meine ich wie bereits erwähnt z. B. Eigenschaften, Affekte, Gefühle, Meinungen, u. v. a. m.
Für das Selbstbewußtsein einer Frau sind zwei Aspekte zu betrachten:
(a.) Konstitutiv ist das Wissen um die inneren Zustände und (b.) das Wissen um die Veränderbarkeit und den dynamischen Prozeß, dem diese innere Verfassung durch die Konfrontation mit den äußeren Gegebenheiten ausgesetzt ist.
Z. B. motiviert u. a. die Angst vor dem Sich-allein-Durchschlagen-Müssen Frauen zur Heirat, obwohl es ihnen z. B. vom Materiellen her möglich wäre, unverheiratet zu [eben. Oder es taucht bei Frauen, die um die 30 Jahre alt sind u.a. der gesellschaftliche Zwang auf, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden.
Wüßten dagegen Frauen, um bei diesen Beispielen zu bleiben, um ihre Angst oder um ihre eigene Stellungnahme zu Kindern, so würden diese Angelegenheiten eine andere Bedeutung für die Frauen erhalten. Dies könnte nach gemeinsamen Gesprächen und Überlegungen zu einem anderen Umgang und zu einer veränderten Haltung führen.
Ich formuliere nun einige Sätze zum Selbstbewußtseinsbegriff, um das Begriffsnetz, in dem der Selbstbewußtseinsbegriff verknüpft ist, deutlich werden zu lassen. Da ich das Selbstbewußtsein als ein »Wissen von mir um etwas« darstelle, führe ich mit diesen Sätzen das aus, was ich mir mit diesem Wissen zuschreiben kann.
Der sprachphilosophische Ansatz, der den Satz als kleinste sprachliche Einheit ansieht, muß die Wahl der Sätze ausweisen: Er muß zum einen begründen, warum er diese Sätze nimmt und zum anderen müssen diese Sätze dem Anspruch einer Allgemeingültigkeit standhalten.
Die Selbstbewußtseinssätze haben die Struktur: Ich weiß, daß ich... Dabei bezeichne ich mit ... das, was ich mir als Frau zuschreiben kann, nämlich die bereits erwähnten Zustände. Diese müssen gewußt werden, und sie müssen auf mich zutreffen.
Beispiele sollen die Wahl der Sätze ausweisen. Dies ist nicht hinreichend, aber notwendig, insofern die Realität die Plausibilität von Sätzen verbürgen kann.
Mit dieser bewußt eingegangenen Unschärfe, die sich nicht auf die methodologischen Diskussionen zwischen nominalistisch-aprioristischen und konzeptualistischen Sprachauffassungen einlassen will, ist eine produktive Auseinandersetzung mit den Selbstbewußtsseinsätzen möglich.
Darüber hinaus möchte ich mit diesen Sätzen eine Möglichkeit aufzeigen, daß und wie weibliche Zustände verallgemeinerungsfähig sind, denn die einzelne Frau ist es aufgrund ihrer jeweiligen Situation und der Unerprobtheit sprachlicher Äußerungen gewöhnt zu glauben, daß nur sie diese Zustände erfahren würde.
Zur Selbstbewußtseinsproblematik stelle ich folgende Sätze auf:

(a) Ich weiß, daß ich ... Ich weiß, daß ich viele Eigenschaften habe.

Das Selbstbewußtsein einer Person definiert sich durch das Wissen um die Summe ihrer Eigenschaften, wobei die Eigenschaften die Gleichheit verschiedener Zustände in derzeit bedeuten. Ich werde miralso meinerselbst in dem Maße bewußt, als ich Eigenschaften an mir bewußt wahrnehme, wobei sich diese Eigenschaften durch wiederholt auftretende Zustände definieren.
So kann es z. B. eine Eigenschaft von mir sein, in einem Seminar tagzuträumen, wenn ich mich nicht als Person angesprochen fühle. Der Zustand der Unaufmerksamkeit verdichtet sich durch mehrmaliges Auftreten zur Eigenschaft tagzuträumen. Der Zustand ist ein punktuelles Ereignis, dessen ich mir meist nicht bewußt bin, während die Eigenschaft in einem Zeitverlauf zutrifft und als bewußtgemachte von mir und anderen aussagbar ist. Damit ist eine Stellungnahme möglich. Zu einem diffusen Zustand kann ich mich nicht verhalten, während ich eine erkannte Eigenschaft entweder hinnehmen, unterstützen oder ablehnen kann.
Gezeigt werden sollte, daß mit dem Satz (a.) die Zuschreibung von Eigenschaften erfolgen kann. Ich kann für mich zur Feststellung darüber kommen, was innerlich in mir der Fall ist. Dies betrifft in besonderem Maße die emotionalen Zustände. Z. B. kann eine Frau, die sich zu einer anderen Frau ganzheitlich hingezogen fühlt, zur Eigenschaft lesbisch zu sein, Stellung nehmen. Sie kann ihr Leben darauf einrichten und ihr Verhalten anderen Menschen und der Gesellschaftsordnung gegenüber damit klären.
Das Entscheidende bei diesen zwei Beispielen ist die Betrachtung der diskursiven Ebene. Das Ausdrücken der Eigenschaften auf der kommunikativen Ebene stellt uns zu einem großen Teil vor die Frage, wie sprachlichdiskursiv mit der Äußerung solcher Eigenschaften umgegangen werden kann. Da eine gemachte Aussage immer eine Wirkung nach sich zieht, ist der Kontext zu berücksichtigen, in den hinein eine Frau z. B. äußert, daß sie lesbisch ist. So muß sie sprachlich auf entrüstete, neugierige und entwertende Aussagen gefaßt sein und diese diskursiv handhaben können.

(b.) Ich weiß, daß ich E.... Ich weiß, daß ich diese und jene Erfahrungen gemacht habe.

Dieser Satz kennzeichnet das Selbstbewußtsein in Hinblick auf das Wissen um Erfahrungen, die das Befinden eines Subjekts beeinflussen können. Z. B. kann eine Frau ihr Selbstbewußtsein aus dem Wissen um die Erfahrung ziehen, mit Erfolg kritische Momente bestanden zu haben. Oder, um wieder das erste Beispiel zu nehmen, kann eine Frau darauf, daß sie um ihre durchgestandenen Schul- und Universitätserfahrungen weiß, ihr Selbstbewußtsein gründen. Sie kann sich verdeutlichen, in weichen teils absurden teils ermunternden Situationen sie schon stand und kann daher vermuten, daß weitere Erlebnisse diesbezüglich zu erwarten sind, nicht aber, daß plötzlich zu große Anforderungen an sie gestellt würden, daß dies z. B. einen Studienabbruch provoziert.
Beim zweiten Beispiel kann es der Fall sein, daß eine Frau ihr Selbstbewußtsein im Wissen um ihre Erfahrungen mit sich selbst und ihren Wünschen und Ansprüchen einerseits und den Erfahrungen mit Männern andererseits findet. So wie sie sich ihrer Erfahrung bewußt wird, wird eine Stellungnahme zu den zu erwartenden Ereignissen möglich.
Dieses Wissen muß sich nicht unbedingt diskursiv-verbal äußern. Während in (a.) die Zuschreibung von Eigenschaften notwendig mit Sprache verbunden ist, kann das Wissen um Erfahrungen auch stumm ablaufen. Es mußjedoch möglich sein, dies auf die Frage hin: »Warum reagierst du so?« mit »Weil ich diese Erfahrung gemacht habe«, so zu beantworten, daß sich das Verständnis aus dem persönlich Subjektiven ergibt. (Die Antworten, die sich auf Allgemeinplätze berufen, sollen damit ausgeschlossen werden.)
Das Wissen um die gemachten Erfahrungen erfordert im Alltag also nicht in erster Linie die Diskursivität, sondern den Mut, dazustehen, die Konsequenzen einzugehen und die Reaktionen der Mitglieder der Gesellschaft durchzustehen.

(c.) Ich weiß, daß ich H... Ich weiß, daß ich soundsoviele Handlungsmöglichkeiten habe.

Hier soll die Abhängigkeit vom Selbstbewußtsein und den Handlungsmöglichkeiten einer Frau aufgezeigt werden. So kann sich die im Seminar tagträumende Frau, wenn sie nicht schon etwas gesagt hat, überlegen, wie sie reagieren will. Sie weiß um ihre Handlungsmöglichkeiten und kann damit das Selbstbewußtsein begründen. Sie kann sich überlegen, ob sie dem Seminar fernbleibt, ob sie ihre Präsenz auf das notwendige Minimum reduziert, ob sie eine Arbeitsgruppe initiiert und einen Dozenten um seine Mitarbeit bittet, ob sie im Seminar mit anderen zusammen eine Änderung anstrebt oder ob sie durch Beziehungen zu Frauen einen gewissen Rückhalt finden kann.
Noch ein weiteres Beispiel soll die Relevanz des Satzes aufzeigen:
z. B. kann es für das Selbstbewußtsein einer Frau wichtig sein zu wissen, daßsie nicht heiraten muß, wenn sieschwanger ist, sondern andere Möglichkeiten zur Lebensgestaltung hat.
Wie bei (b.) gilt auch hier, daß die Frau im Wissen um ihre Handlungsmöglichkeiten die grobumrissenen Konsequenzen dieser Handlungen mit im Auge haben muß und dies stellt an das Selbstbewußtsein die Frage zurück, welche möglichen Reaktionen z.B. von nah- oder fernstehenden Gesellschaftsmitgliedern zu verkraften sind.

(d.) Ich weiß, daß ich S... Ich weiß, daß ich in dieser oderjener konkreten Situation stehe.

Dieser Satz versucht die Abhängigkeit des Selbstbewußtseins einer Frau von der realen Situation zu beschreiben. Es geht dabei um das Einschätzenkönnen der Zusammenhänge, in denen sie steht.
Klar wird spätestens jetzt, daß die Selbstbewußtseinssätze ein und dasselbe aus verschiedener Perspektive beleuchten. Dabei betone ich das Wissen, das einer Frau zugute kommt, wenn sie Reaktionen, die wie bei (a.) vorab sprachlich, bei (b.) und (c.) eher handelnd verarbeiten muß.
Auch bei (d.) geht es um das Wissen, das die Situation einerseits und die Konstitution der Frau andererseits betrifft.
Will z. B. eine Frau, nachdem ihre Kinder soweit selbständig sind, wieder ins Berufsleben einsteigen, so ist ihr Selbstbewußtsein vom Wissen um die Arbeitsmarktlage abhängig. Ebenso wichtig ist das Wissen darum, was z. B. ihr Partner von ihrem Vorhaben hält, damit sie genau unterscheiden kann, welches ihr Wunsch ist.und welchen Wunsch der andere hegt.
(e.) Ich weiß, daß wenn... dann ... und umgekehrt.... Ich weiß, daß sich meine psychische Verfassung und die äußeren Zustände beeinflussen.
Ich meine hier das wechselseitige Verhältnis von äußerem Zustand und innerem Geschehen. Z. B. können wir uns die Situation in einem philosophischen Seminar vorstellen, in dem Frauen völlig unterrepräsentiert sind. Dies kann bei einzelnen ihre vorhandene Angst, ihr Magenweh, ihre Passivität, u. v. a. m. verstärken.
Diese Sätze betreffen das Wissen einer Frau, das ich in Hinblick auf das Subjektsmodell formuliert habe.
Welchen Vorteil bringt das Subjektsmodell für die Selbstbestimmung von Frauen? Wie schon angesprochen, will ich damit den Unterschied zwischen einertheorie des Status quovon Frauen in bezug auf ihreabwesenheit in einer gewissen Öffentlichkeit und einer Theorie des Selbstbewußtseins, die darüber hinausgehende Ansätze für eine Selbstbestimmung birgt, betonen.
In Hinblick auf das Selbstbewußtsein verhindert das Subjektsmodell eine falsch verstandene Abhängigkeit von anderen und zentriert das Wissens- und Handlungspotential im Subjekt.
So kann eine Frau sich zunächst damit identifizieren und zu ihrem Selbstbewußtsein gelangen, daß sie weiß, was in ihr vorgeht und sie es adäquat einzuschätzen weiß.
Ich bin mir der Gefahr und des Einwandes bewußt, daß jemand sich ständig anlügen, sich etwas vormachen kann. Doch würde eine Auseinandersetzung mit dieser Kritik zu weit weg führen, riefe sie doch mit der Kontrollmöglichkeit und der Korrigierbarkeit des Wissens um die eigenen und fremden Zustände die Solipsismusdebatte auf den Plan.
Kommen wir zur Selbstbestimmung. Ich hatte eingangs drei Aspekte genannt, die ich in Hinblick auf das Gesagte aufgreifen und ausführen möchte.
Die Selbstbestimmung ist als Bejahung oder Verneinung der eigenen Existenz definiert. Ich kann mich zu meinem Leben in bestimmter Weise verhalten: Ich kann es beenden.
Die zweite formale Bestimmung ist der sprachliche Aspekt. Erst in der Möglichkeit des Sprechens mit sich und anderen entsteht ein Selbst und ein Selbstbewußtsein. Die Sprache ist eine Objektivation, durch die Sinn und Bedeutung vermittelt werden. Sprache transzendiert das Hier und Jetzt, spezifische Erlebnisse und allgemeine Sinnordnungen. Weil Sprache objektiviert, entsteht ein gespeicherter Wissensvorrat, der als gesellschaftlicher verschiedene Funktionen erfüllt.
Der letzte Aspekt, der des verantwortlichen Handelns, ist der wichtigste. Georg Simmel sieht das vom soziologisch-psychologischen Standpunkt so: »Wenn einmal die Erwerbs- und sonstige Tätigkeit der unverheirateten Frau eine dem jetzigen Zustande gegenüber erweiterte sein wird, so wird eine Veränderung ihres Gefühllebens von ganz unberechenbaren Folgen daraus hervorgehen«.... und »Durch Schüchternheit, Zurückhaltung, Sittsamkeit wird die Erscheinung gewisser Seiten der Frau unmöglich«,... und »Würde eine Frau ihre Gefühle und Pflichten nicht an einen Mann binden, würde sie eine Steigerung ihrer Freiheit erfahren.« So geschrieben 1890.
Diese Bemerkungen von Simmel gehen auf den Zusammenhang des Gefühlslebens der Frau in bezug auf ihr gesellschaftliches Handeln einerseits und auf ihre Beziehung zum Mann andererseits. Zum einen bestimmt nach Simmel die Tätigkeit das Bewußtsein mit, zum anderen müssen Zustände, z. B. Schüchternheit und Sittsamkeit durchbrochen werden, (so folgere ich), damit sich die Frau anders verhalten kann und d. h. auch in ihrer Berufswelt andere Handlungen ausüben kann.
Wie weit der Weg ist, und welch langwieriges Stück wir hinter aber auch vor uns haben, zeigt ein Aufsatz von Alice Salomon aus dem Jahre 1908.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß bereits vor dem Ersten Weltkrieg die damals Neue Frauenbewegung an einem Konzept arbeitete, in dem sie der Frage nachging, wie Frauen ihrem Beruf und der Ehe nachkommen können. Es ging ihnen um Bildungs- und Berufsfragen unter dem Gesichtspunkt der zwei Teile des Frauenlebens, die im Beruf einerseits und in der Ehe andererseits bestehen.
In der Weiterentwicklung wurden zwar soziale Erleichterungen erwirkt, auch hat eine Verschiebung der Akzente der Teilung in Beruf und Kinder stattgefunden, aber dem Problem der Selbstbestimmung der Frau ist damit nicht näher gerückt.
Wie sieht es denn mit der Selbstbestimmung von Frauen in bezug auf Kinder, Familie und Beruf aus?
Wählt sie ihre Schwangerschaft? Wählt sie die Konstellation ihrer Kinder, die jahrelang ihr Leben bestimmt? Wählt sie ihre berufliche Stellung?
Diese Fragen sollen einen Selbstbestimmungsbegriff provozieren, der auf das Leben von Frauen zutrifft.
Betrachte ich Äußerungen von Frauen, so drängen sich mir zwei Komplexe auf, die bei der Selbstbestimmung von Frauen entscheidend mitwirken.
Zum einen geht es um die Abgrenzung von Frauen in bezug auf ihren Mann und ihre Kinder und zum anderen müssen wir die Kontingenz, ihr Durchhaltevermögen in einer öffentlichen Stellung bedenken.
Was ist ein wesentliches Moment dieser Probleme?
Eine nicht zu unterschätzende weibliche Eigenschaft ist die Fähigkeit zu diffundieren, d. h. aufgrund welcher sozial-psychischen Bedingungen auch immer, ist eine Frau schnell bereit, sich anzupassen und sich in eine Situation hineinzugeben. Äußerungen wie »Dann kamen halt die Kinder...«, und »Mein Mann hat gemeint«, sind für diese Haltung bezeichnend.
Andererseits in bezug auf die Berufstätigkeit höre ich Äußerungen wie »Das verlangt der Beruf einfach ...« und »Das sind eben die Normen und Funktionsmechanismen ...«
Wie kann sich da eine Frau mit Kindern, in der Familie und im Berufsalltag selbst bestimmen?
Mit dem genannten Beispiel, der Fähigkeit zu diffundieren - manche würden es als Schwäche bezeichnen - kehre ich zu den Zuständen und den Eigenschaften und damit an den Beginn meiner Ausführungen zurück.
Zustände beeinflussen unsere Handlungen und nicht nur das Wissen darum ist notwendig, sondern ebenso das Wissen um die gesellschaftlichen Verhältnisse einerseits und das ihrer Beeinflußbarkeit andererseits.
Dies fragt u. a. zurück nach der Struktur und dem Maß des Selbstbewußtseins und darüber hinaus nach den Strategien des Handelns, die mit Frauen und Männern zusammen zu entwerfen und zu praktizieren sind, damit die Rede von der Selbstbestimmung sinnvoll wird.
Da ich lediglich »einige Bemerkungen zur...« versprochen habe, finde ich es legitim, mich bei der Selbstbestimmung einer Frau auf die Andeutungen der zwei genannten Momente zu beschränken. Dies auch mit der Absicht, in weiterführenden Diskussionen zu einer differenzierenden Klarheitzu gelangen.

Ich fasse das Gesagte zusammen.
Eine Selbstbestimmung wird in dem Maße möglich, wie Frauen sich ihrer Sprachfähigkeit bewußt werden und Sprache erproben, um ihre Zustände aussagbarzu machen. Dies bedeutet Arbeit am Selbstbewußtsein, denn es ist ein Wissen über sich.
Dann erst wird die Rede von der Selbstbestimmung sinnvoll, d. h. eine Frau kann sich in ihrer Situation, sei es in der Familie, sei es in einer öffentlichen Stellung, auf ihre Zustände besinnen und damit die Information erhalten, wie sie zu den Gegebenheiten steht. So kommt unter der Berücksichtigung der Konsequenzen und deren Eingriff in die Wirklichkeit eine Entscheidung in Gang, die zum Handeln motiviert und eine Selbstbestimmung konkret werden läßt.
Die Selbstbestimmung einer Frau, besonders in Hinblick auf den Aspekt des verantwortlichen Handelns, bringt die Berücksichtigung einer Komplexität mit sich, die einerseits ihre Beziehung zu Kindern und andererseits ihre Stellung zur beruflichen Umwelt thematisieren muß. Nur so kann eine Theorie der weiblichen Selbstbestimmung das verantwortliche Handeln von Frauen erfassen.

Diskussion zu:

»Sprachphilosophische Überlegungen« und die Selbstbestimmung von Frauen« von Christa Schneider

Diskussionsleitung: Manon Maren-Grisebach

A.: Ich habe mit deinem Vortrag das Problem gehabt, daß mir nicht klar wurde, was deine Vorstellung von Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung von der traditionellen bürgerlichen Vorstellung dieser zwei Phänomene unterscheidet. Du hast gesagt: Mein Subjektbegriff bedarf des Objekts nicht mehr. Sondern man bezieht sich einfach so, von vornherein auf sich selbst. Da denke ich, daß dieser bisherige Subjektbegriff schon immer das enthalten hat, vielleicht sogar in falscher Weise, daß man sich so unvermittelt auf sich beziehen könnte. Mir ist dabei nicht klar geworden, was daran neu ist. Mir scheint, du sagst, daß die Frauen so werden sollen, wie ein bürgerliches Subjekt eigentlich sein soll. Ich glaube aber, daß die Probleme, die wir in dieser Gesellschaft haben, vielleicht gerade durch dieses Subjekt reproduziert werden, statt daß wir über sie hinwegkommen.
Ch.S.: Wie sollen wir denn darüber hinwegkommen? Ich erlebe oftmals bei Frauen - und schließe mich dabei nicht aus -, daß sie sich ihrer nicht bewußt sind, und daß sie in verschiedenen Situationen eher zufällig und fremdbestimmt reagieren. Wenn ich nun versuche, mit Hilfe des philosophischen Wissens einige Fragen und Aussagen zum Selbstbewußtsein zu formulieren, dann muß damit nicht unbedingt etwas reproduziert werden. Ich gehe davon aus, daß eine Frau sich zuerst ihrer selbst bewußt werderi und ihre Verhältnisse, in denen sie lebt, reflektieren muß, um sich dann kritisch dazu verhalten zu können. Und dazu gehört, daß sie sich sprachlich verständlich zu machen weiß.
A.: Man muß vielleicht unterscheiden. Es ist sicherlich richtig, daß die Frauen heute versuchen, so etwas zu tun, wie du es entworfen hast: sich eben in dieser Gesellschaft so gut wie möglich durchzusetzen. Dazu gehört eben, daß man sich klar darüber wird, was für Zustände und Bedürfnisse man hat. Dabei ist aber noch nicht gesagt, daß diese Bedürfnisse und Zustände echt und nicht schon geprägt sind. Da müßten die Oberlegungen noch weitergehen. Und dann, das scheint mir schon richtig zu sein, praktisch sehe ich zur Zeit keinen anderen Weg. Aber auf der anderen Seite denke ich, daß in diesem Subjektbegriff, diesem Sich -auf -sich-Beziehen ganz viel von den Problemen, die wir haben, und die die Gesellschaft hat, schon verankert ist. Und daß man an diesem Selbstbezüglichsein anknüpfen und eine Kritik leisten müßte.
Ch.S.: Ich bin mit dir einig, daß diese Arbeit zu leisten ist.
B.: Ich möcht einen andern Punkt von deinem Referat ansprechen. Ich glaube, daß du recht hast, wenn du sagst, daß die Sprache ein wichtiges Problem ist, mit dem wir uns unter einem emanzipatorischen Gesichtspunkt auseinandersetzen müssen. Aber ich kann deine positive Einschätzung der Sprachphilosophie nicht teilen, weil ich aufgrund meiner Arbeit in diesem Bereich zur Einschätzung gelangt bin, daß gerade die Sprachphilosophie, insbesondere ihre neopositivistische Variante, angetreten ist, um Sprache gegen die Untersuchung von Denken, also die sogenannte Psychologismusproblematik, die eben schon anklang, abzusetzen. Und eben damit wird gerade Reflektion, reflexive Prozesse und deren Untersuchung aus der Philosophie als unwissenschaftlich ausgeschlossen. Und was du positiv dargestellt hast, daß sprachliche Äußerungen eben kontrollierbar sind, öffentlich nachprüfbar, usw., das hat, glaube ich, eben in der alleinigen Fixierung darauf antiemanzipatorischen Charakter, weil es eben antireflexiv ist.
Ch.S.: Da sprichst du zweierlei an: Der Sinn und die Möglichkeiten der Sprachphilosophie und das Problem, welchen Regeln Aussagen folgen müssen, damit sie emanzipatorisch sind. Bezüglich des ersten Gedankens glaube ich auch, daß die Sprachphilosophie einigen Einwänden nicht standhalten und nicht das gesamte Erbe der philosophischen Tradition antreten kann. Zum zweiten stehen wirvoreinem methodischen Problem, weiche Bedingungen berücksichtigt werden müssen, damit in einer Sprechsituation Sprache reflexiven und emanzipatorischen Charakter hat. Da müßte meiner Meinung nach eine Intersubjektivitätstheorie her ...

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