[1]Unter der Setzung der Begriffe Männlichkeit und Patriarchat wird versucht, eine Synthesis gesellschaftlicher Realität und der Gewalt ihrer Prozesse zu denken. Im Begriff des Männlichen vereinheitlicht sich die Verstreuung gesellschaftlicher Wirklichkeit zum geschlossenen Bild einer geschichtlichen Wahrheit, der patriarchalen Ordnung. Unter diesen Kategorien totalisiert sich die Perspektive einer Kritik innerhalb des Feminismus, die versucht, das Faktum des gesellschaftlich-geschichtlichen Ausschlusses der Frau und der ubiquitären Präsenz des Männlichen in der Rekonstruktion ihrer Genese überschreiten zu können.
Die historische Ordnung der Geschlechter verweist auf keine Ontologie des Geschlechts, sondern auf eine gesellschaftliche Praxis.
Aber der Begriff Genese enthält Ontologisches und Teleologisches ineins. Er unterstellt die Möglichkeit der Reflexion eines Prozesses als lineares Geschehen. Seine Rekonstruktion impliziert die Kausalität von Ursache und Wirkung, hier ontologisch identifiziert mit einer gleichsam vorgeschichtlichen Usurpation des Geschichtlichen durch das Männliche und der Etablierung patriarchaler Ordnung. Und die Kausalität totalisiert den Prozeß im Rahmen des Kontinuierlichen und des Sinns, die patriarchale Ordnung verzeitigt den gelebten Gehalt des Männlichen. So gründet die Ordnung des Realen tiefer in einer Ordnung des Geschlechts, und die Räume des Gesellschaftlichen sind gleichsam Ontologieentsprechungen seines Sinns.
Darin ist die Frau unter die Perspektive des falschen Geschlechts geraten, ist das vom Männlichen abgezogene Negativbild. Und die Reklamation ihres Ausschlusses geschieht im Begriff des Weiblichen, im Verweis auf die Geschlechtsdifferenz. Darunter totalisiert sich die Bedeutung geschichtlicher Gewalt, gründet das Faktum gesellschaftlicher Depravation. Der Realgehalt konkreter Nivellierung wird als Ausschluß des Geschlechts und seines ontologischen Gehalts reflektiert. Das Weibliche fungiert somit als eine Gegenerfindung zum Männlichen, ontisch Differentes behauptet die Setzung von Transzendenz. Beide Begriffe beanspruchen, die Faktizität geschichtlicher Verhältnisse in dieser ontologischen Identifikation klären zu können. Aber diese Identifizierung enthält Ungesehenes, denn sie fixiert geschichtliche Bedeutung in die Adäquation von Ontisch-Ontologischem. Blicklos spiegelt sie gesellschaftliche Entfremdung in ihrem Rekurs auf Sein, produziert darin den geschichtlichen Ausdruck von Geschichtslosigkeit.
Aber der Primat des Phallus bezeichnet nicht den ontologischen Ort von Männlichkeit, die existentiale Vertiefung eines puren Fleischstückes, sondern verweist umgekehrt auf die Funktion einer gesellschaftlichen Praxis, der Regression aufs Ontische, als die Realisierung einer Sinnerfindung, gleichsam Evidenztraum innerhalb zerbrochener Ordnungen. "Phallus sein oder haben" (Lacan) deutet auf keine existentiale Dialektik, sondern markiert das geschichtliche Gesicht einer Souveränitätsproblematik, die sich innerhalb der Neuzeit mit der Gestalt des Subjekts konstituierte. Männlichkeit verweist auf kein Sein sondern auf eine historische Praxis. In der Sexualität vollzieht sie sich als Subjektwerdung des Penis, der im Primat seiner Gestalt die Szene beherrscht. Um ihn totalisiert sich das Begehren als symbolische Aneignung des Anderen. Diese realisiert sich in der empfindungslosen Penetrierung der Körper, der Perforation ihrer Opazität.
Die Zeichnung des Denkens ist von geschichtlicher Hexis getragen, in die Denken gestellt ist. Sein empirisch-transzendentaler Statusprägt die Philosophie der Neuzeit.
Ontologisch ist das Gesicht des Wirklichen. Seine Geschichtlichkeit ist unter der Hexis zirkulierender Abläufe, abgezogener Logiken und inerter Strukturen starr geworden. Subjektiosigkeit zeichnet die trägen Praxen des Gesellschaftlichen. Beziehungen sind unter dem aneignenden Primat des Begehrens totalisiert, die Bedürfnisse strukturiert der Fetischismus der Waren, Denken erfährt die kreisende Irrelevanz seiner Reflexion.
Darum ratifiziert Philosophie heute selbstverständlich Ontologisches. Und ontologisch ist die Reflexion des Wirklichen. In ihr ist die Unruhe des Denkens fixiert und in die spiegelnde Verdoppelung von Seiendem getrieben, Realität hat ihre harten Züge in die ontologischen Entsprechungen des Denkens inkarniert. Seine Totalisierungen sind die Vernarbungen verletzter Lebendigkeit zur Akzeptanz planer Realitätstautologie. Philosophie produziert ihreveranderung an das Gesellschaftliche, ihre Resignation zur Mimesis.
Dies ist in den Regulativa ihrer Reflexion festgehalten, der Ordnung und des Unbewußten, in denen sie die Apodiktizität von Immanenz und das Apriori gesellschaftlicher Ordnung nachdrücklich behauptet. Gegen die Bejahung der Immanenz von Denken als produktive Möglichkeit von Denken insistiert sie auf das hermetische Bild eines in sich selbst kreisenden sterilen Bewußtseins, das eingeschlossen in das gesellschaftliche Apriori in den vergeblichen Versuchen von Selbstreflexion kreist. Unproduktiv und sinnlos, dem Realen isomorph und deshalb tautologisch.
Darunter ist der Einzelne in Passivität totalisiert. Er wird von einer Ordnung gelebt, die alle Ebenen seiner Erfahrung bestimmt. Damit wendet sich Philosophie gegen die Figur des Subjekts und seinen exponierten Status wie sie das Denken der Neuzeit hervorbrachte. Durch die Destruktion der fraglosen Gewißheit metaphysischer Ordnung wurde die Kontingentwerdung der Welt und des Menschen zum Problem von Denken. Die Bestimmung des ontologischen Status des Menschen wurde sein zentrales Thema.
Descartes kommt im Verlauf seiner metaphysischen Krise zur Konstitution des "cogito", Konvergenzpunkt des Kontingenten, fester Boden zerbrochener Ordnungen. In ihm gelang die Restitution der Welt in den linearen Ketten kausaler Verknüpfung. Das "cogito" war eine leere Abstraktion, denn die Konstitution der Kontinuität von Welt aus der Immanenz von Denken gelang einzig in ihrer Nivellierung und der Depravation ihres Gehalts. Die Zerbrochenheit eines geschlossenen Weltzusammenhangs und dessen einseitige Restitution durch Denken wurde in den Kategorien Subjekt-Objekt und dem Ansich-Fürsich ihrer Reflexion sanktioniert. Im Verlauf seiner Selbstreflexion wird das "cogito" das unglückliche Bewußtsein, das im permanenten Scheitern seiner Souveränität lebt. Die notwendige Verfehlung einer Begründung des Objektiven aus der Immanenz von Denken konstituierte die Ontologie eines Bewußtseins, das sich in eine Dialektik von Souveränität und Mangel innerhalb seiner Reflexionsversuche verstrickt. Welt erscheint ihm als das ständige Zurückweichen des Seins, dem opaken Ansich, vor den es notwendig verfehlenden Setzungen des Bewußtseins, leeres Für-sich. Die Philosophie nahm die Konzeption eines transzendentalen Subjekts in die Ontologie des unglücklichen Bewußtseins zurück, das von diesem Mangel gezeichnet ist.
Die Kritik patriarchaler Ordnung greift diese Linie neuzeitlichen Denkens heraus, in der sich die Gestalt des "cogito" als ein Begehren nach Souveränität explizit findet. Allerdings pointiert sie daran nicht die Verfehlungen einer Bewußtseinsontologie in ihrer undurchschauten geschichtlichen Zeichnung,diedievonderAufklärungbetriebeneabstrakteZerfällungvon Denken und Sein in Subjekt und Objekt und deren Reflexion in den Kategorien des Fürsich, in der Konzeption einer opaken Seinsfülle und dem Nichtsein des Bewußtseins bloß umkehrt, sondern sie versucht, dies Begehren zu vereinheitlichen und im Begriff des Männlichen zu synthetisieren. Hinter den verschiedenen Denkentwürfen neuzeitlichen Denkens zeigt sich die kontinuierliche Gestalt des Männlichen, in der die Psychologie eines historischen Bewußtseins im Begriff des Geschlechts totalisiert wird. Sie begründet die Anwesenheit von Geschichtlichem aus einer Ontologie des Geschlechts. Vernunft, Identität, Souveränität verweisen auf keine geschichtliche Bedeutung, sondern sind Attribute des Männlichen.
Aber das Thema der Relativität des Denkens durchzieht die Philosophie seit der Romantik. Gegen die souveräne Position des Bewußtseins wird auf den Primat der Empirizität des Subjekts insistiert. Denken konstituiert sich im Rahmen eines geschichtlich Notwendigen, von dem her sich die Spezifik seiner Erfahrungen konstituiert und den ontologischen Ausgang für Denken bildet. Die Identität des Einzelnen im "cogito" ist darin aufgelöst, gleichsam verzeitlicht. Die Perspektive transzendentaler Reflexion, die Skansionen des "ich denke" als synthetische Raffung des Gegebenen, ist in die Fundamentalität von Geschichtlichkeit eingelassen, unter der das "cogito" konstituiert konstituierend in die Verschränkung von Kontingenz und Notwendigkeit verzeitigt ist. Das Denken der Geschichtlichkeit des Menschen überschreitet so die Metaphysik der Aufklärung mit ihrer Identifizierung von Erkenntnistheorie und Ontologie, wie dies in der Gestalt des transzendentalen Subjekts gedacht worden war.
Heidegger hat das in seinem Vorwurf des Seinsvergessens in der Philosophie ausgedrückt. Er versuchte gegen den Primat von Denken und der darin implizierten einseitigen Situierung der Wahrheit im Urteil, einen ursprünglicheren Begriff von Wahrheit als Seinsverstehen zu rekonstruieren. Dieses Seinsverstehen geschieht unmittelbar, richtet sich nach der Spezifik seines Gegenstandes, Sein kommt darin vor. Im Begriff der aisthesis und des noein, dem unmittelbar Wahrnehmen von etwas, was darin wahr ist, weil es vernommen wird, dachte er gegen die Zerfällung von Denken und Sein durch den Primat des Logos den Begriff des Verstehens zu setzen. Aus dieser Rekonstruktion entwickelte Heidegger seine Fundamentalontologie, die in der Kategorie des Daseins den existentialhermeneutischen Gehalt gelebten Lebens zu begründen versucht. Dasein meint die jeweilige Spezifik eines Praxiszusammenhangs innerhalb des Gesellschaftlichen. Deren inhaltliche Besonderung konstituiert sich spezifisch aus der gelebten Erfahrung von Existenz. So sagt Dasein nichts über das Konkrete einer Situation, deren gesellschaftlichen Ausdruck, sondern begründet die Allgemeinheit der Geschichtlichkeit von Existenz.
Entgegen dem Versuch Heideggers, das "cogito" im Begriff des Daseins aufzulösen, rekurriert die Patriarchatskritik auf den Ausdruck des unglücklichen Bewußtseins und versucht, dessen existentielle Dialektik, die Motorik seines Begehrens um die Ontologie eines Seinsmangels tiefer zu begründen. Dies geschieht auf der Folie der Sexualität, des vermeintlich ontologisch markanteren Ausdrucks. Die offene Prägnanz einer gesellschaftlichen Praxis, der ungeschminkte Primat männlichen Begehrens, die darin verlebendigte Ontologiefaszination im Bezug der Körper, totalisiert sie auf der Ebene von Ontologischem, der Ordnung des männlichen Geschlechts. Darin gründet das Wesen gesellschaftlicher Realität mit ihren Gesichtern von Gewalt, Herrschaft und Souveränität.
Aber die gesellschaftliche Exponiertheit des Sexuellen und ihr Fetisch, der Phallus, innerhalb der sexuellen Szene, bilden keineswegs den nackten Evidenzsog zu dem alle gesellschaftlichen Gehalte zentripetal sich vereinheitlichen. Die Sexualität hat keinen eigentlicheren Wahrheitsgehalt trotz ihrer scheinbaren Nähe zum Ontischen, sondern sie verzeitigt den Gehalt einer historischen Praxis, die sich innerhalb der Neuzeit in den gewaltsamen Besetzungen von Notwendigkeit und Evidenz, der permanenten Induktion von Ontologiebegehren, als Gegenerfindung zu einer Erfahrung der Nivellierung und Depravation durch die Apodiktizität des Realen konstituiert. Sie geschieht als verinnerter Mangel im Einzelnen und seiner Veränderung an das Ontologieangebot im Realen. Das Begehren nach Souveränität und Apodiktizität im Denken und der Fetischismus der Körper als Regreß aufs Ontische beschreiben gesellschaftliche Praxen einer traumatisierten Existenz in ihrer wütenden Auslöschung produzierten Mangels durch dessen symbolische Negationen. So funktioniert im Denken der Terror der Vernunft mit seinen einkreisenden Gebärden ausschließender Setzungen, im Rahmen des Bedürfnisses geschieht die Anfüllung durch Konsum unter der sich aufdrängenden Totalität des Materiellen und dem induzierten Zwang einer konsumptiven Bewältigung, innerhalb der Sexualität vollzieht sich die Permanenz des Begehrens als die Aneignung des Anderen in der Verknüpfung wund stimulierter Körper.
Die Psychoanalyse veröffentlicht Desiderate der Philosophie durch eine fundamentalontologische Vertiefung ihres Gegenstandes.
Für die Patriarchatskritik steht die Rezeption der Psychoanalyse zentral. In der Figur des Ödipus sieht sie den Realgehalt des Gesellschaftlichen personifiziert und das Wesen patriarchaler Logik adäquat gespiegelt. Die Psychoanalyse versucht den Ausdruck gelebten Lebens im Menschen festzuhalten. In ihr ist die Starrheit des Subjekts aufgelöst und in die komplexe Psychologie von Dasein gestellt. Und sie beansprucht diese Komplexität aus der Rekonstruktion seiner Geschichte, der gleichsam ontologischen Arbeit des Menschen verstehen zu können.
Die Psychoanalyse reflektiert seine Geschichtlichkeit als Ontogenese, als individuelle Seinswerdung. Und sein Werden geschieht als Vergesellschaftung. Sie stellt es zwischen die Blöcke von Lust- und Realitätsprinzip, es vollzieht sich als Kulturgewinnung gegen die Natur. Das Leiden des Menschen bezeichnet darum immer ein Leiden an der Naturverdrängung, dem Verlust des Ursprungs. Die Genese des Menschen ist um diesen Konflikt angeordnet. Die Feilung der Triebe, der Libido, geschieht proportional zur Konstitution des Ich. Aber die Konstitution geschieht nicht linear, sondern kulminiert im Ödipuskonflikt, der gewissermaßen paradigmatischen Szene, in der sich der problematische Kern der Individuation personifiziert findet. In ihr sind ihre strukturierenden Gehalte Inzest, Kastration und Phallus archetypisch verlebendigt. Und die Strukturierung geschieht direkt ins Sein und findet ihren markanten Abschluß im Primat des Genitalen, der Konstituierung des Penis zum Phallus. Darin findet der Mensch sein obskures Sein, konstituiert sich seine Identität zwischen einem Mangel und einer Mystifikation.
Der ontogenetische Anspruch der Psychoanalyse zerfällt den Menschen in die Geschichte seiner Triebschicksale und ihrer Gedächtnistafel, dem Unbewußten und dem Ich, der puren Ratifikationsinstanz des Realen. Die Perspektive der Psychoanalyse verliert durch die Totalisierung einer imaginären Figur, des Ödipus, ihre vorgebliche Unschuld des Verstehens des Anderen in der Komplexität seines Ausdrucks. Ihre Totalisierung im Ödipus zeichnet den dogmatischen Abbruch eines Verstehens des Leidens und der Konflikte eines Individuums in seiner Realität. Die "Urphantasien" haben denselben ontologischen Status wie die Theorie des Ödipus, die diesen angeblich begründen. Beide verweisen auf ein Ich zurück, das versucht, sich ein Verstehen zu geben. Den ödipalen Konflikt zeichnet kein existentialer Kern, durch den die Geschichtlichkeit des Subjekts im existentialen Riß von Natur-Kultur oder Ursprung-Geschichte geschieht, damit von einer Ontologie des Mangels oder des Verlustes strukturiert würde. Die Kontingenz des Geschichtlichen bildet das Erste, in der sich die Erfahrung von Verlust die Metaphysik einer Ursprungssuche geben kann. Die Ontologie des unglücklichen Bewußtseins ist dem Dasein nicht vorgängig, sondern das unglückliche Bewußtsein ist Ausdruck von Dasein.
Die Psychoanalyse beschreibt die Geschichtlichkeit des Menschen als Prozeß einer gelungenen Verunbewußtung entlang der Fixierung eines Bruchs, des Unbewußten, dem zeitlosen Reservoir des Polymorphen und des Bewußten, dem Vernünftigen, Realitätsangepaßten. In der Gestalt des Ödipus hat sich die Dialektik von Kontingentem und Notwendigem in den Leib inkarniert. Im Phallus hat sich die Unmöglichkeit Sein zu sein, der traumatische Bezug zur Welt verleiblicht. Das unglückliche Bewußtsein fände seine anatomische Fundierung.
Die Patriarchatskritik verfängt sich in den anthropologischen Implikaten der Psychoanalyse, indem es ihr nicht gelingt, die Aufdeckung der "Ideologie" des Ödipus konsequent ontologiekritisch zu vollziehen, sondern eine parallele Konstruktion einer Ontologie des Weiblichen dagegen setzt.
Die Kritik patriarchaler Ordnung greift die Figur des Ödipus auf. Allerdings verweist sie in ihrer Kritik weniger auf den verfehlten Anspruch der Psychoanalyse, des Verstehens der Geschichtlichkeit des Menschen im Rahmen von Ontogenese, sondern sie bleibt innerhalb psychoanalytischer Implikate und ref lektiert spezifischer den Gehalt der Ontogenese selbst. Die Ontogenese der Psychoanalyse beschreibt die Genese des Mannes. Die ödipale Identität und der darin ausgesprochene Primat des Phallus, der Kastration und lnzest ihren Gehalt verleiht, ist eine Figur des Männlichen. In ihm sieht sie die gesellschaftlichen Prozesse unter der Markanz ihres patriarchalen Gehalts veröffentlicht. Und die Frau ist darin das Nichts, das Negative, bloße Funktion des Männlichen. So zeigt sie auf die Abwesenheit der Frau, ihr Nichterscheinen innerhalb der Theorie. Psychoanalyseimmanent reklamiert sie das Fehlen des Prozesses der Selbstkonstitution der Frau. Sie ist depraviert zum Schatten, der die Ränder und Konturen des Männlichen umschließt. Und ihr Geschlecht ist das Loch, bergende Höhle, Negativform für den Phallus. Sie versucht eine Rekonstruktion der Gründe dieses Primats des männlichen Geschlechts und der Abwesenheit der Frau, dem Nichterscheinenlassen eines Weiblichen. Sie beginnt mit der Kritik dieser Identitätsfigur, ihrer Gewißheit in dem kultur-anthropologischen Gestus psychoanalytischen Denkens. Sie fragt nach der Motivation des Ausschlusses der Frau, dem Grund ihrer Verbannung. Darin ist die Spezifik des Bezugs angesprochen, des Bezugs des Mannes zur Weit in ihrer Konstitution zum bloßen Objekt. In ihm ist der Bezug als einseitig aneignende Form von Begehren verkörpert. In einer in sich selbst kreisenden "autoerotischen Anstrengung" versucht er die Abgetrenntheit der Weit, ihre fundamentale Fremdheit im Zwang identifikatorischer Spiegelungen gewaltsam und äußerlich zu überwinden. Darin ist der Andere affiziert mit Kontingenz und Notwendigkeit, dem AnsichFürsich, innerhalb der Psychoanalyse im Begriff des "Fetischs" beschrieben. Dem steht die Struktur des Begehrens zentral, der antreibenden Motorik im Hintergrund des Panoptikums "entseelter" Wirklichkeit. Und die Frau erscheint unter dieser Totalisierung als Objekt. Sie ist angezogener toter Körper, umhüllt mit dem Glanz falscher Lebendigkeit. Sie wird der Fetisch, diese Mystifikation, in die das Begehren die Gegenstände seines Wollens als das absolut Fremde und Identische auseinanderbricht. In ihm perpetuiert sich die Erfahrung manischer Affiziertheit und depressiver Leere. Die Frau im Horizont dieses Begehrens ist dessen gesichtslose Verlebendigung, hysterisches Mannequin, geschminkte Gliederpuppe. Das Fürsich im Schematismus männlichen Begehrens unter dem Raster seines Blicks, gleichgültiges Objekt, das in der kreisenden Gefräßigkeit männlichen Begehrens konsumiert wird.
Innerhalb der Psychoanalyse geschieht die Bestimmung des Begehrens individuell. Das Begehren perpetuiert die Struktur der Vergeblichkeit und des Scheiterns im Subjekt, markiert die Unmöglichkeit einer Auflösung in Sein, der Aufhebung des existentialen Risses von Ursprung und Geschichte. Die Patriarchatskritik gibt vor, den isoliert individualgeschichtlichen Status des Männlichen und die imaginäre Bedeutung seiner Objekte im Begriff der Ware, dem Wesen ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu veröffentlichen. Die gesellschaftliche Bestimmung der Frau als Ware stellt sie unter den Primat der Zirkulation im Tausch. Die Totalisierung der Frau als Ware, ihre Unterworfenheit im Tausch, dem nivellierenden Zeichen ihrer Beliebigkeit, verobjektiviert aber eine gesellschaftliche Praxis. Die Totalisierung des Frauentauschs zum Konstitutivum patriarchaler Ordnung nivelliert die Dialektik gesellschaftlicher Prozesse zur bloßen Zirkulierung innerhalb geschlossener Ordnung. Sie sistiert die Prozessualität sich ereignender Gewalt zum fixen Bestand des Wirklichen und der sie nur noch reproduzierenden Bewegung, der objektivierte Primat der Zirkulation. Darin ist Geschichtlichkeit in den ontologischen Block abgeschlossener Wirklichkeit eingeschlossen. Dann ist die innerhalb der Psychoanalyse unterstellte Ontologie im Rahmen gesellschaftlicher Kategorien lediglich wiederholt. Aber die Patriarchatskritik beanspruchte gerade, den Bestand dieser Ordnung begründen und überschreiten zu können. Durch die eigenen ontologischen lmplikate zerfällt sie Wirklichkeit in die Totalität männlicher Herrschaft und hält davon abgezogen, gleichsam als ihre Wahrheit den Ausschluß den Weiblichen fest. Solchermaßen avanciert das Weibliche zum universellen Grund, zum Exponat jenseits von Geschichte.
Die Kategorie des Weiblichen ist ein Artefakt der Theorien, die gegen die eigenen Totalisierungen nur in die Setzung einer abstrakten Positivität fallen können. Sie birgt das ganze Arsenal an Positivitäten, die dem Männlichen in Abzug gebracht werden, Ursprung, Unmittelbarkeit, Nichtidentität etc.... Das Weibliche und spezifischer sein Geschlecht, dessen Exponierung als Ursprung und Werden in einer Mimesis an die Anatomie begründet wird, ist abstrakt aufgespalten in die Totalität ihrer geschichtlichen (patriarchalen) Selbstentfremdung und der Geschichtslosigkeit ihres Wesens, ihrer mythologischen Fülle. Aufgehoben in der Ruhe kreisender Sichselbstgenügsamkeit wird sie mystifiziert zum ontischen Substrat, zur Bedingung der Möglichkeit von Geschichte und Sein. Und ihr Vergessen zeichnet die Gewalt des Patriarchats und die Gestalt des Männlichen, der Usurpation ihres Seins in den Kompensaten seines Mangels. Aber so fallen sie in Ontologie zurück, der sie zu entkommen suchten. Selbst Gesellschaftsontologie betreibend, kreisen sie um den fragwürdigen Riß von Natur und Geschichte und beanspruchen in der Rekonstruktion patriarchaler Rationalität diesen Riß aufzulösen und in der Entbergung des Weiblichen zu überschreiten, mythisch und emphatisch zugleich.
In diesem Denken scheint ungesehen Geschichtliches auf. Es wiederholt die Anstrengungen neuzeitlichen Denkens, seine Aussetzung in Geschichtlichkeit, die individuelle Erfahrung von Kontingentem und Notwendigem in der Rekonstruktion eines Ursprungs, der Kontinuität eines Anfangs zu bergen und aufzuheben. Der Anspruch dieser Totalisierung motivierte den Versuch meiner Kritik gegen die Setzung einer geschlossenen Totalität, der patriarchalen Ordnung und der Fixierung des ontologischen Status des Einzelnen im Primat des Geschlechts, auf die Reflexion ihrer eigenen Geschichtlichkeit zu insistieren. Denn die Totalisierung des Gesellschaftlichen unter den Begriffen der Ordnung und des Unbewußten totalisiert die Erfahrung von Ohnmacht und Nivellierung in ein Apriori von Notwendigkeit. Bewußtsein wird darin reiner Immanenzraum, aus dem heraus Denken die Bedeutung von Praxis-Prozessen als das Fremde und Vorgängige äußerlich erfährt. Und die Bestimmung des Leidens ist dann das Leiden an dieser Vorgängigkeit, die es als fremde Ordnung festhält. Darunter bleibt die konkrete Erfahrung von Gewalt in Praxis unausgedrückt. In derapodiktizitätvon lmmanenz gerät Denken ins Zirkulieren innerhalb seines Immanenzraumes, aus dem her es eine Synthesis seiner Erfahrungen versucht, ohne den Grund dieser Erfahrungen benennen zu können. Äußerlich tangiert wird es steril an der Ratifizierung ontologischer Bestände. Dann gerät es in die Konstruktion von Ontologien, die abgespalten von sich selbst die abgetrennte Realität festhalten, verandert bis in die ontischen Spitzen hinein, der Kontingenz des Geschlechts. Geschichtslos zeigt es die versteinerten Bilder einer sich geschichtslos gerierenden Wirklichkeit. Phallus und Vagina eröffnen die dichotomischen Reihen einer Totalität getrennter Universen, Männlichkeit-Weiblichkeit, Logos-Sinnlichkeit, Identität-Heterogenität.
In diesem Denken, das versucht im Rekurs auf Ontisches, dem Geschlecht, den Gehalt des Wirklichen aus diesem Substrat heraus rekonstruieren zu können, bleibt dessen gesellschaftlicher Ausdruck, seine praktische Inszenierung als Substratvorgat>~-" ungesehen. In der Totalisierung der Gewalt des Gesellschaftlichen aus einer Ordnung des Geschlechts reproduziert Denken den gesellschaftlichen Prozeß der Totalisierung von Praxis- Prozessen in die Totalisierung ihrer Geschichtslosigkeit, der Ubiquität von Ontologischem. Diskussion zu:
»Identität und Weiblichkeit«, von Astrid Nettling (II. Teil)
Der erste Teil wurde leider nicht auf Tonband aufgenommen Diskussionsleitung: Cornelia Klinger
MA.N.: Es ist entscheidend, wo man den Grund der Erklärung ansetzt, also ob man ihn in die Geschichte legt oder ob man ihn in ein Geschlecht legt, und das ist auch der wesentliche Punkt meiner Kritik. Ich kann nicht sagen, daß das Produktive, das Positive, das Mögliche oder Heterogene selbst wiederum eine identische Gestalt gewinnt, und das würde es notwendig, wenn sie (Irigaray) sagt, es ist das weibliche und dagegen das Männliche bestimmt als identisch, hermetisch und so weiter. Sie baut ja selbst ausgehend von Phallus und Vagina dichotomische Reihen auf, also Logos, Sinnlichkeit, Männlichkeit, Weiblichkeit, Identität, Nichtidentität, und das ist ein Versuch, eine Geschlechtsontologie zu entwerfen.
A.: Also, ich glaube, daß die Irigaray Dir zustimmen würde, denn es gibt doch auch Stellen, wo siesagt, daßsie dieses Komplementäre des Weiblichen zum Männlichen ganz explizit ablehnt. Und ihre Kritik an Freud ist, daß das Weibliche entweder gleich oder komplementär ist. Also ich versteh nicht, woher Du jetzt Deine Argumentation nimmst, weil ich die Irigaray ganz anders lese und ihr auch niemals den Vorwurf des Unhistorischen machen könnte.
A.N. Ja, ich könnte mich jetzt wiederholen.
B.: Machst Du einen Unterschied zwischen der Ontogenese und der Phylogenese des Patriarchats? Geht das Problem ein bißchen dahin? Ich habe Dich so verstanden, daß Du die psychoanalytische Erklärung von Irigaray kritisierst, indem sie die Psychoanalyse als Mittel zur Erklärung der Ontogenese nimmt. In mir ist ein Eindruck erweckt worden, daß Du vielleicht die Phylogenese des Patriarchats jetzt ganz anders erklären möchtest.
A.N.: Eine phylogenetische Erklärung geschichtlicher Verhältnisse halte ich für unbrauchbar, was auch meine Kritik an der Psychoanalyse ausdrückt. Die traditionelle Psychoanalyse bewegt sich ja von der Ontogenese auf die Phylogenese. Und ich halte dies generell für ein problematisches Denken, weil man sich aus seiner Geschichtlichkeit heraus nicht so überschreiten kann, daß ich sagen kann, das Werden des Gesellschaftlichen geschieht kontinuierlich als Entwicklung der Gattung, weil dies immer einen identischen Begriff vom Menschen impliziert.
B.: Darf ich noch kurz fragen, hast Du irgendwelche positive Gedanken darüber, wie Du eine phylogenetische Erklärung des Patriarchats sehen möchtest? Hast du irgendwelche positiven Theorien anzubieten?
A.N.: Nein, hab ich keine. Eine phylogenetische Erklärung des Patriarchats lehne ich ab.
C.: Ich möchte noch nach einem Aspekt fragen. Mir ist jetzt in der Diskussion aufgefallen, daß es immer wieder um den Begriff der Ontologie geht bei Irigaray, und mir ist das nie so bewußt oder so auffallend geworden. Ich habe Irigaray nie ontologisch verstanden, sondern eher im Sinne einer neuen Sprache. Und das ist für mich eine andere Ebene, wenn jemand versucht, auf einer neuen Sprachebene, wenn man will auch in einem Sprachspiel, Gedanken zu entwickeln, die nicht unbedingt gleichbedeutend sind mit der Konstruktion einer neuen Ontologie.
A.N.: Ich finde es ist mehr, was sie macht. Sie drückt ja nicht nur ihr Leiden aus, sondern sie entwickelt eine Theorie, nämlich den Versuch einer Begründung patriarchaler Ordnung aus einer Ordnung des Geschlechts. Und es ist mehr als ein Sprachspiel, wenn sie versucht gegen das Nichterscheinen der Frau, ihre Verlorenheit innerhalb des Männlichen, eine abstrakte Positivität des Weiblichen zu erfinden, da fällt sie in ontologisches Denken zurück.