So ist die Machtlage

Die Frau an sich mißachtet und vergöttert

Ich habe Menschen getroffen, die
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern - als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben -
»Fräulein Christian« antworteten und dann:
»Wie der Vorname«, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie »Popiol« oder »Babendererde«
»Wie der Vorname« - bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!

Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen -
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.

Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
Gottfried Benn
Menschen getroffen

Schon als Schülerin habe ich unter Ungerechtigkeit gelitten, und das Bewußtsein dessen, daß ich es besser gehabt habe als viele Frauen meiner Generation, war eines der Hauptmotive, warum ich in die Politik ging: Ich wolite für bessere Chancen der Frauen kämpfen, ein Ziel, das auch andere Frauen in die Politik trieb. Als Frau, die nun den Fünfzig näher ist als den Vierzig, fällt es mir immer schwerer, Mißachtung, Einengung und Unterdrückung zu ertragen, die den Frauen zuteil wird. Immer aggressiver reagiere ich auch, wenn ich Männern begegne, die mit geschwellter Brust Verdienste für sich in Anspruch nehmen, die sie durch nichts anderes errungen haben als durch ihr Geschlecht. Mehr und mehr messe ich die Ansprüche, die die Parteien und einzelne Politiker anmelden, daran, wie sie mit Frauen umgehen. Das Verhalten gegenüber den Frauen und die Frauenpolitik wird für mich zunehmend zum Gradmesser für den Umgang der »Etablierten« mit strukturellen Minderheiten. Natürlich, die Frauen in unserer Gesellschaft sind keine Minderheit. Im Gegenteil: Sie sind wegen der Alterspyramide und wegen der geringeren Lebenserwartung der Männer zahlenmäßig die Mehrheit. Strukturell aber - wegen der ungleichen Verteilung von Chancen und Macht in der Gesellschaft - sind die Frauen eine Minderheit, ebenso wie die Schwarzen in Südafrika, die es zahlenmäßig noch weniger sind als die Frauen bei uns. Ich muß dabei zur Kenntnis nehmen, daß Frauen in der Gesellschaft nicht nur wie eine x-beliebige Interessengruppe behandelt werden, sie verhalten sich oft auch so, als seien sie eine. Seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ringen Frauen um ihre Chancengleichheit. Innerhalb der Arbeiterbewegung und durch Gruppen bürgerlicher Frauen in der Folge der Französischen Revolution wird seit mehr als 150 Jahren nach einer Umverteilung gesellschaftlicher Macht gerufen. Allmählich solite die Zeit der schönen. Worte vorbei sein. In diesen 150 Jahren haben sich die männlichen »Machthaber« immer in zwei Gruppen teilen lassen: Diejenigen, die völlig unreflektiert im Bewußtsein ihrer männlichen Macht aufwuchsen und sich schlechterdings nichts anderes vorstellen konnten als ihre Führerrolle, und jene anderen, gerecht Gesonnenen, die auf dein Wege reformistischer Umgestaltung der Gesellschaft den Frauen peu ä peu zu gerechter Beteiligung an. der Macht verhelfen wollten. Die marxistischen Revolutionäre sahen die Forderung nach weiblicher Gleichberechtigung als »Nebenwiderspruch« des Kapitalismus. Beim modernen »Softi« handelt es sich in der üblichen Interpretation um einen Mann, der auch die weiblichen Komponenten seines Wesens nicht leugnet, sondern sie kennt und zu integrieren versucht. Dies wäre der Typ des eher weiblichen, verständnisvollen Mannes, in dem die Frauen ihren besten Verbündeten dann hätten, wenn er innerhalb der Männergesellschaft selbst etwas angesehener wäre.

Die Angst vor einer »Feminisierung« der Wertmaßstäbe hat bei den Männern existentielle Gründe. Zum einen fürchten viele, als homosexuell verdächtigt zu werden, wenn sie sich weicher und einfühlsamer geben, und das gilt immer noch als »widernatürlich«. Existentieller noch ist aber die Angst vor einer möglicherweise nicht zu bändigenden Emotionalität, die sie doch ihr ganzes bisheriges Leben über so tapfer niedergekämpft haben, um, ausschließlich ein rationales Bild von sich und der Welt herzustellen. Sie fürchten, die Scherben ihres seelischen Gefüges nie wieder zusammenfügen zu können, wenn die anerkannte männliche Ratio - der Kopf - die durch nichts und niemanden attackiert werden darf, etwa doch in Frage gestellt würde. Es ist kein Zufall, daß der Mensch, der uns in Gottfried Benns Gedicht »Menschen getroffen« so anrührt, eine Frau ist. Genauso wenig ist es ein Zufall, daß diese Frau einen männlichen Vornamen als Familiennamen hat: »bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!«. Die Person, weiblich, verschwindet hinter ihrem Namen, männlich. Schließlich ist es kein Zufall, daß eine Figur der griechischen Mythologie dem Fräulein Christian Konturen gibt. Auch sie, Nausikaa, spielt nur im Hinblick auf Odysseus eine Rolle. Wäre von ihr ohne ihn die Rede? Schließlich die Schlußzeilen, die berühmten: (»Ich habe mich oft gefragt, woher das Sanfte und das Gute kommt ...«) Die, Mutter, Geliebte, Schwester könnten gemeint sein. Aber, typisch, hier verschwindet die Weiblichkeit bereits wieder hinter dem abstrakten Neutrum: das Sanfte und das Gute. So bleibt Fräulein- Christian verehrungswürdig, aber blaß. Stark ist das männliche Ich, das sie preist. Mit dieser Sichtweise will ich mich nicht länger zufrieden geben. Ich will es nicht dulden, daß die Welt von solchen »Fräulein Christians« wimmelt. Auch ein »Herr Christian« ist mir nicht recht, damit mich niemand falsch versteht, aber ihn finden wir auch weit seltener: Verkannt, sanft und gut sind Frauen, und sie preisen sich nicht selbst, sondern werden gepriesen und damit auch noch in ihrer Sanftmut und Güte zum Objekt gemacht. In die Klischeesammlung von Sanftmut und Güte gehört auch »die Frau an seiner Seite«, die aufopferungsvoll jeweils passend anfeuert oder Wunden salbt, stets blütenweiße Hemdkragen produziert und geschmackvolle Gastgeberin ist. Es gibt Literatur, die ernst genommen werden will, in der es heißt, der Einfluß von Geliebten und Ehefrauen auf die Politik sei bereits so groß, daß ein weiterer und direkterer Einfluß von Frauen überhaupt nicht nötig sei.

Wie weit die Mißachtung der »Frau an seiner Seite« gehen kann, zeigt ein Beispiel aus jüngster Zeit: Nach dem Wahlsieg von Corazon Aquino auf den Philippinen veröffentlichte der »Spiegel« ein Interview mit ihr, und der Autor, Terzani, schrieb in der Hausmitteilung, er habe die Präsidentin früher schon getroffen, sie sei aber bei seinen Gesprächen mit ihrem Mann, dem bekannten Oppositionspolitiker Aquino, im amerikanischen Exil stets nur als kaffeereichende und ansonsten stumme Ehefrau aufgetaucht. Das Pendant zu den Fräulein Christians sind die vergötterten Frauen, jene zum Symbol wahrer Weiblichkeit von den Männern aufs Piedestal erhobenen, Florence Nightingales und Marilyn Monroes - wobei dieses ungleiche Schwesternpaar die Duplizität Mama /Hure, die angeblich in allen Frauen steckt, bezeichnen mag. Während das »Fräulein Chrlstian« wenigstens noch eine Person ist, wirkt die vergötterte Frau wie eine Uniform, in die beliebige Inhalte gesteckt werden können. In der Kunstgeschichte wimmelt es von allegorischen Darstellungen weiblicher Tugenden, Justitia und Libertas sind auf Denkmalsockel erhobene, vergötterte Frauengestalten, tunlichst halbnackt. Von hier bis zur Werbung heutiger Tage ist nur ein Schritt. Nichts stürzt vergötterte Frauen, auch die künstlich zu Göttinnen erhobenen, schneller als ihre Reduzierung auf ihr Frausein. So erfolgte die »Entzauberung« der bewunderten Evita Perón und der eher verhaßten Imelda Marcos vor allem über die Veröffentlichung der Anzahl ihrer Pelze, Perlenketten und schwarzen Dessous.

Die vergötterte Frau schlechthin, jedenfalls in der katholischen Lehre, ist Maria. Auch an ihr muß sich die Realität des weiblichen Geschlechtes immer noch messen lassen. Das Wort von Papst Paul Vl. aus dem Jahr der Frau 1975 ist zwar schon älter als zehn Jahre, aber noch nicht überholt: »Wir wünschen einen Fortschritt für die Funktion der Frau in Beruf und Gesellschaft, jedoch muß die Würde und die Mission der Frau gewahrt bleiben. Gott hat sie zur empfindsamen Tochter, zur starken und reinen Jungfrau, zur liebenden Ehefrau und besonders zur heiligen und würdevollen Mutter und schließlich zur frommen, arbeitsamen Witwe bestimmt.« [1] Hier ist nicht die Rede vom Fortschritt für Frauen, sondern »die Funktion der Frau« soll sich verbessern. Als Person wird die Frau gar nicht gesehen. Sodann definiert sich die Frau nicht aus sich selbst heraus, sondern sie wird definiert, und dies in zweifacher Weise: Zum einen gemäß dem Wunschbild von Weiblichkeit, das das herrschende Patriarchat von ihr hat: empfindsam, stark und rein-, liebend, heilig und würdevoll, fromm und arbeitsam soll die Frau sein. Zum anderen definiert das Patriarchat die Frau durch den Mann, durch den sie zur Tochter, Ehefrau, Geliebten oder Witwe wird.

Durch den Mann ist festgelegt, daß Weiblichsein immer das Gegenteil von Männlichsein bedeutet, das Männlichsein setzt die Norm. Auch durch Kinder definiert sich die Frau, nämlich als Mutter. Immer noch haben es in unserer Gesellschaft die Frauen schwerer, die weder Mann noch Kinder vorzuweisen haben. Vorurteile, daß dann mit der Frau doch etwas nicht stimmen könne, sind nicht abzustellen. Zur Vergötterung besteht in solchen Fällen kein Anlaß.

Die Erfindung der Hausfrau

»Der MANN trug trotz allem, trotz aller neuen
Moden (Kooperation eingeschlossen), auch
weiterhin die Züge des Königs des Kosmos; er war
der zentrale Kassierer von Unmengen von
Energien und Liebe von allen Frauen, HERR &
BEHERRSCHER DES UNIVERSUMS;
er hatte das Glück, unter lauter Frauen der
AUSERWÄHLTE zu sein, er wurde geliebt, am Leben
erhalten, reproduziert, genährt, gehätschelt, nach
Verschleiß wieder aufbereitet - überall und
ausschließlich durch Frauen.«
Rosetta Froncillo
Confusa desio

Hätten Sie es gewußt? Nämlich, daß Frauen, die doch nur wenig mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen, zwei Drittel aller gesellschaftlichen Arbeitsstunden leisten? Und daß im Privathaushalt genauso viele Stunden, übers Jahr zusammengerechnet, gearbeitet wird wie in der Wirtschaft? daß Frauen für ihre Arbeitsleistung nur ein Drittel aller Löhne und Gehälter bekommen, nur ein Zehntel des Welteinkommens haben und nur ein. Hundertstel des Weltvermögens besitzen? Den wenigsten Menschen, den Männern zumal, sind diese Zahlen bekannt. Wenn man sie zudem noch in Beziehung setzt zu den Durchschnittsverdiensten der erwerbstätigen Frauen und den Durchschnittsrenten und -pensionen, die Frauen sich aus eigenem Verdienst erwerben, wird noch viel deutlicher, wie niedrig die Gesellschaft die weibliche Arbeitskraft bewertet. Statistiker haben errechnet, wieviel eine Hausfrau und Mutter von zwei Kindern im Jahr schuften muß: So schleppt sie fünf Tonnen Geschirr, macht 1 500 mal die Betten, schneidet 80 000 Scheiben Brot und reinigt durchschnittlich 30 000 qm Boden. Sie legt innerhalb des Haushalts mindestens 5 000 Kilometer zurück und spült - denn Geschirrspüler sind längst noch nicht die Regel - 13 000 Teller, 3000 Schüsseln, 6 000 Gläser und 18 000 Gabeln, um nur ein paar Teile zu nennen. Nachmittags ist sie Hilfslehrerin der Nation, und häufig bessert sie das Familienbudget noch durch Teilzeitarbeit auf. Der Wert der Hausfrauenarbeit betrug 1985, wie das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit errechnete, 600 Mrd. DM. Das Bruttosozialprodukt weist dies nicht aus: Hausfrauenarbeit erfolgt zum Nulltarif. Mißachtung der Hausfrauenarbeit ergibt sich auch noch aus einem anderen Zusammenhang. In jedem Jahr kommen bei Verkehrsunfällen unverschuldet zahlreiche Hausfrauen zu Tode. Unmittelbar nach der Beerdigung erhebt sich zumeist ein heftiger und zäher Juristischer Streit zwischen der Versicherung des schuldigen Autofahrers und den Hinterbliebenen der toten Hausfrau, wie hoch denn die monatliche Entschädigungssumme für die Familie zu sein habe, damit diese eine Ersatzkraft anstellen kann, die wenigstens die hausfraulichen Pflichten der toten Ehefrau und Mutter übernimmt. Bei diesem Gerangel stellt sich dann gewöhnlich heraus, daß die Familie fast froh sein muß, eine Esserin weniger zu haben, denn ihre Arbeiten fallen - jedenfalls aus der Perspektive der Autohaftpflichtversicherung - so wenig ins Gewicht, daß eine nennenswerte Entschädigung nicht dabei herauskommt. Der hier durch höchstrichterliche Rechtsprechung gesetzte Rahmen ist so kümmerlich, wie er sich diskriminierender für die Tätigkeit der Hausfrau kaum denken läßt. Kein Wunder, Versicherer, Anwälte, Richter sind vor allem eines: Männer. Ich werde mein Lebtag ein Erlebnis nicht vergessen, das ich vor knapp zehn Jahren mit einem Vortrag vor einem großen Handelsverband hatte. Ich hatte mir als Thema »Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Privathaushalts« gewählt und führte viele gute Argumente an, warum bei der Frage des wirtschaftlichen Wachstums stärker als in der Vergangenheit auf den Konsum und weniger auf die Investitionen. und die Produktion geachtet werden solite. Schließlich wird mehr als die Hälfte des Bruttosozialprodukts durch die private Nachfrage bestimmt. Im Rahmen dieser sachlichen Darlegungen kam ich auf John Kenneth Galbraiths Buch »Wirtschaft für Staat und Gesellschaft« zu sprechen. Ich zitierte Galbraith ausführlicher, da er - besser als meine eigenen Worte es tun konnten - Zusammenhänge formulierte, die mir schon lange auf dem Herzen lagen:

»Dienende Berufe waren immer schon durch die attraktiveren Verdienstmöglichkeiten in der Industrie gefährdet. Aber der durch die industrielle Entwicklung geförderte Wohlstand machte gerade diese Berufe immer nötiger. Es kann daher nicht erstaunen, daß in den letzten 100 Jahren sehr viel Mühe darauf verwandt wurde, Bedienung zu erhalten, einen Ersatz dafür zu finden oder nach Ausweichmöglichkeiten zu suchen. Bei der Suche nach Ersatz wurden die Frau und die Familie entdeckt. Eine allgegenwärtige Kraft hat hier gesellschaftliche Verhaltensformen geformt - eine Kraft, die man oft ahnte, aber kaum einmal beschrieb, Da das Kind einen Namen haben muß, wollen wir diese Kraft »Gemeinschaftsbezogene« Tugend taufen. Die Gemeinschaftsbezogene Tugend läßt jede für das Individuum noch so unbequeme oder unnatürliche Verhaltensweise als verdienstvoll erscheinen, die der Bequemlichkeit oder dem Wohlbefinden der Mächtigen unter uns dient oder ihnen auf andere Weise zum Vorteil gereicht. Die moralische Belobigung der Gemeinschaft für ein konformes und damit tugendhaftes Verhalten dient dann als Ersatz für pekuniäre Entlohnung. Ein nicht konformes Verhalten wird zur Zielscheibe für gerechte Empörung oder Sanktion der Gemeinschaft. Die Gemeinschaftsbezogene Tugend ist von großer Bedeutung, wenn man jemanden zu unangenehmen Dienstleistungen bewegen will ... Die Verwandlung der Frauen in eine heimliche Dienerklasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Diener für niedere Arbeiten konnte sich nur eine Minderheit der vorindustriellen Gesellschaft leisten; im Züge der Demokratisierung steht heute fast dem gesamten männlichen Bevölkerungsanteil eine Ehefrau als Dienerin zur Verfügung. Würden diese Arbeiten mit Geld entlohnt, so bildeten die Hausfrauen die mit Abstand größte Gruppe der ganzen Arbeiterschaft. Der Geldwert der Hausfrauentätigkeit wurde einmal sehr grob auf ungefähr ein Viertel des gesamten Bruttosozialproduktes geschätzt ... Ohne diese Dienstleistung wäre jeglicher Konsum im Haushalt durch den Zeitaufwand für die Verwaltung dieses Konsums begrenzt: Auswahl, 7ransport, Zubereitung, Reparatur, Unterhaltung, Säuberung, Bedienung, Lagerung, Aufbewahrung und alles andere, was mit Warenkonsum zusammenhängt. Die dienende Rolle der Frau ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Expansion des Konsums in der modernen Wirtschaft. daß diese Rolle der Frau so allgemein gutgeheißen wird - sieht matt von einiger Kritik in jüngster Zeit ab - ist nur der Macht der Gemeinschaftsbezogenen Tugend zu verdanken. Wie schon bemerkt, werden die Leistungen der Frauen zur Konsumerleichterung weder beim Nationaleinkommen noch beim Bruttosozialprodukt berücksichtigt. Auch das dient der Verschleierung, denn was man nicht zählt, bemerkt man oft nicht.« [2]

Als ich meine Ausführungen beendet hatte und der Verband eigentlich zu einem Umtrunk bitten wolite, in der Pause, die der internen Verbandsversammlung vorranging, konnte der Verbandsvorsitzende nicht umhin, mir in Verbindung mit seinen Dankesworten deutlich zu sagen, daß er seine Frau aber ausnehmend gut behandele. Anschließend kam ein Herr nach dem anderen auf mich zu, in teures Tuch gekleidet, mit dem Sektglas in der Hand, und sprach von nichts anderem, als daß seine eigene Frau es ausnehmend gut habe und vor allem sehr zufrieden sei mit ihrem Geschick. Alle miteinander wiesen sie Galbraith's Analyse von der »Hausfrauisierung«, die mit einer starken Diskriminierung weiblicher Tätigkeiten einhergehe, mit Nachdruck zurück. Meine Ausführungen registrierten sie teils mit Affront, teils als »spinnert«, in jedem Fall aber als am Thema vorbei, denn Hausfrau sei eine anerkennenswerte Tätigkeit, und ihre Frau sei sehr glücklich dabei. Ende der Diskussion. Aus meinen eigenen Hausfrauenjahren sind mir einige Erfahrungen gegenwärtig, die sicherlich nicht nur für mich typisch sind, sondern in meiner Generation viele Frauen bestimmt haben, die ähnlich erzogen waren wie ich selbst. Da ist zunächst dieser Hausfrauenperfektionismus! jedes Zimmer muß einmal in der Woche gründlich gereinigt werden, die Wäsche im Schrank hat in ordentlichen Stapeln akkurat gebügelt dazuliegen, Marmelade kocht man selbst - bei entsprechenden Preisen der Früchte, und am Sonntag gibt es Kuchen. Systematisch habe ich Kochen gelernt nach dem Ende meines Studiums: Ein. Jahr lang jeden Tag ein anderes Gericht. Ich hatte nämlich gelesen, daß im Laufe längerer Ehen das Repertoire der Köchin/ Hausfrau laufend abnimmt - da Liebe durch den Magen geht, wie jeder weiß, und eines meiner Standardkochbücher »Was Männern so gut schmeckt« hieß - gab ich mir die erwartete Mühe. daß ich als junge Ehefrau von der Umwelt nur noch als Gattin meines Mannes wahrgenommen wurde, machte mir zu schaffen. Ich litt darunter. Während ich als Studentin in meinem kleinen möblierten Zimmer meine eigene Person gewesen war, wurde ich als Hausfrau für den Briefträger, den Fleischer, alle Handwerker, Geschäftsfreunde meines Mannes im Grunde zur »Un-Person«, zum Anhängsel, zur Hälfte. Auch meine Arbeitsleistung sah ich verkannt. Als eine Freundin mich besuchte - ich wirtschaftete in einer Vier-Zimmer-Wohnung und hatte ein Kleinkind - rutschte ihr, die damals noch keine Kinder hatte, die Bemerkung heraus: »Ich an deiner Stelle würde täglich erst einmal zwei Stunden Klavier spielen.« Ich fand dazu kaum je die Zeit und kam mir untüchtig und minderwertig vor, denn meine täglichen Verrichtungen waren so wenig spektakulär und erwähnenswert, daß ich mich selbst am Abend oft fragte, was ich denn eigentlich den ganzen Tag über gemacht hätte. Im Laufe der Jahre - das stellte ich im Vergleich aber erst später fest - wuchs mein Schlafbedürfnis. Niemals während meines späteren Berufslebens fühlte ich mich wieder so müde und zerschlagen wie während der Hausfrauenjahre. Das quälende Gefühl, durch die sich immer wiederholende Arbeit und die tägliche Herausforderung der kleinen Kinder in einer Tretmühle zu stecken, aus der es kein Ausbrechen gab, ist mir noch sehr gegenwärtig. Dies war vor allem deswegen so quälend, weil die Umwelt einer jungen Frau mit drei wirklich zauberhaften Kindern Gefühle der Unzufriedenheit und Einengung ja nicht gestattete: Man hatte einfach glücklich und zufrieden zu sein, denn es gab nichts Reizenderes als kleine rundliche blonde Kinder. Das fand ich natürlich auch, denn ich hatte sie mir gewünscht, liebte sie von Herzen und kam meinen Mutterpflichten mit Freude nach. Die vielen Ordner mit gesammelten Kinderzeichnungen, die Fotografien von Bastelarbeiten, der Bestand an Kinderbüchern und gemeinsamen Vorleseerlebnissen..., dies alles legt zwar Zeugnis dafür ab, daß ich gern und mit Engagement Mutter war, aber trotzdem: Ein wenig Zeit und Kraft für die eigene Person wäre gut gewesen, und das Gefühl, einfach mal nicht zuständig zu sein für das Wohlergehen anderer, hätte allen Beteiligten sicherlich genützt. Ein kaum bedachter Gesichtspunkt der Diskriminierung der Hausfrauentätigkeit ist das Faktum, daß Hausfrau wohl der einzige Beru fist, der die Wiederherstellung seiner eigenen Arbeitskraft selbst bewerkstelligen muß: Hier gibt es weder 38,5-Stunden-Woche noch bezahlten Urlaub, noch Ersatz bei Erkrankung; und vor das genußreiche Erleben von »Freizeit« müßte erst einmal das Bewußtsein geregelter »Arbeitszeit« treten, woran es eben mangelt. Ich erinnere mich - und diese Erinnerung wird mir als Lebenserfahrung bleiben - mit welchem Genuß ich in der ersten Zeit meiner Abgeordnetentätigkeit, wenn ich am Freitag aus Bonn nach Hause kam, zunächst einmal in die Badewanne gestiegen bin und dann eine halbe Stunde geschlafen habe, ehe ich meine Aufgaben als Mutter oder als Wahlkreisabgeordnete aufnahm. Das Gefühl, mir einen solchen Entspannungsgenuß nach einer harten Arbeitswoche in, Bonn verdient zu haben, habe ich mir in der siebenjährigen Hausfrauenphase nie gegönnt, obgleich ich doch mit den drei Kleinkindern wirklich genügend Arbeit hatte! Aber die Hausfrauenarbeit war für mich nicht so definiert, daß mir erlaubt gewesen wäre, mir mein Tun im nachhinein gewissermaßen selbst zu belohnen. daß es übrigens eine Diskriminierung der Hausfrauentätigkeit auch dadurch geben kann, daß man sie wider besseres Wissen zu hoch einstuft, belegt die Soziologin Helge Pross in ihrer für die Zeitschrift »Brigitte« erstellten Untersuchung »Die Männer. Eine repräsentative Untersuchung über die Selbstbilder von Männern und ihre Bilder von der Frau«. Mit einem sehr einleuchtenden Beispiel. Sie hatte im Fragebogen die Männer gebeten, zehn typische Frauenberufe in eine Rangordnung zu bringen, die nach Meinung der Befragten dem Ansehen des Berufes entsprachen. Die Männer reihten die Berufe folgendermaßen: 1. Ärztin, 2. Lehrerin an einer Realschule, 3. Hausfrau eines Vier-Personen-Haushalts, 4. Krankenschwester, 5. Chefsekretärin, 6. Leiterin eines Lebensmittelfilialgeschäfts, 7. Postbeamtin im Schalterdienst, 8. Friseuse mit abgeschlossener Lehre, 9. Verkäuferin im Kaufhaus, 10. angelernte Arbeiterin. Diese Reihung ist deswegen so außergewöhnlich, weil die Hausfrau sehr hoch eingestuft wird und weil bei dieser Einstufung die Logik der übrigen Reihungskriterien - lange Ausbildung, große Selbständigkeit und Dispositionsbefugnis durchbrochen wird. Denn sowohl die Chefsekretärin wie die Leiterin eines Lebensmittelfilialgeschäfts, die im Normalfall zumindest für sich selbst, meist aber noch für weitere Personen zusätzlich als Hausfrauen tätig sind, haben in ihrem Beruf organisatorisch erheblich mehr zu verantworten als die Hausfrau eines Vier-Personen-Haushalts. Frauen selbst, denen dieselbe Frage bei einer Untersuchung zwei Jahre zuvor gestellt worden war, stuften die Hausfrau auch entsprechend ein: Nach der FiliaIleiterin, vor die Postbeamtin. Was also die Männer veranlaßte, die Hausfrauentätigkeit so wichtig zu nehmen, war ganz ohne Frage »gefärbt durch die √úberlegung, man müsse die Hausfrau <aufwerten>, um Unzufriedenheiten mit dieser Rolle vorzubeugen, um Aufbegehren gegen sie abzuwehren, der weiblichen Kritik an ihr, den Wind aus den Segeln zu nehmen« (Helge Pross). [4] Unbestreitbar ist hier der Wunsch Vater des Gedankens. Die Hausfrau muß hoch bewertet werden, weil die Männer sie brauchen; denn keiner von ihnen möchte die von der Hausfrau verrichteten Tätigkeiten etwa selbst übernehmen oder sich pflichtgemäß und dauernd daran beteiligen. Die »Erfindung der Hausfrau« war und ist für die Männer eine der besten Erfindungen, die sie je gemacht haben. Deshalb will auch kein außerhäuslich erwerbstätiger Mann im Ernstfall mit seiner im Hause tätigen Frau tauschen. Zu den Absonderlichkeiten einer Gesellschaft, die die Hausfrau erfunden hat, gehören das Herrenessen und das Damenprogramm. Ersteres kennzeichnet, wie der Veranstalter eines solchen Essens mir einmal schrieb, kein Menü, bei dem etwa Herren verspiesen würden. Gemeint ist aber doch, daß sich um den Eßtisch üblicherweise nur Herren versammeln. Sollte sich wider Erwarten eine Dame auf jene Etagen verirren, wo normalerweise Herren sitzen, wird diese dann sozusagen zum. Herrn erklärt und trotzdem eingeladen. Beim Damenprogramm ist die Sache viel einfacher, jedenfalls war sie dies sozusagen bis vorgestern: Hier handelt es sich um für die Gattinnen erfundene Parallelprogramme zu wichtigen Seminaren, Kongressen, Tagungen, bei denen Männer Wichtiges für ihr Obenbleiben oder Nach-oben-Kommen tun. Neuerdings kommt es beim Damenprogramm aber manchmal zu ähnlichen Verwirrungen wie auch beim Herrenessen: Es verirren sich mitreisende Gatten, die ihre in eigener Funktion reisenden Frauen begleiten, unter die. Gattinnen, und dies bereitet den Arrangeuren von Damenprogrammen Kopfzerbrechen: Ob denn Männer auch Schlösser, Modeschauen, Museen ansehen und sich zweckfrei umschauen möchten? Die Frage ist berechtigt, denn dazu hat laut Männerklischee der Normalmann keine Zeit. So wunderte sich beispielsweise Peter Handke kürzlich vernehmlich, warum denn seine Bücher überwiegend von Frauen gelesen würden. Die Antwort ist einfach: Welche männliche Führungspersönlichkeit, die Herrn Handke auf Empfängen begegnet, liest schon?

Vor Jahren besuchte ich mit meinem Mann eine berühmte Universität in Kalifornien, und wir hatten beide, unabhängig voneinander, Gesprächstermine mit verschiedenen Professoren und Gruppen von Universitätsangehörigen. Mir wurde von der Dame, die mich durch den Tag geleitete, erzählt, diese Art von Betreuung eines Ehepaares sei ihr etwas völlig Neues; daß beide Partner eines Ehepaares unabhängig voneinander an unterschiedlichen Facetten der Hochschulfragen interessiert seien, hätten sie noch nicht erlebt. Kürzlich wäre eine Wissenschaftlerin mit mitreiseildem Ehegatten gekommen, und das habe ihnen doch Probleme bereitet. Üblicherweise pflegten sie den mitreisenden Gattinnen den Park der Universität zu zeigen, aber bei dem Mann habe man nun nicht so recht gewußt, was tun. ... Das Ergebnis des langen Nachdenkens: »Well, let's show him the gardens!« Für Unruhe haben kürzlich die Frauen der italienischen Spitzenpolitiker gesorgt, die sich mehr oder minder weigern, ihre »Gattinnenpflichten« zu erfüllen. Sie begründen dies damit, daß sie die Familie nicht ins politische Geschäft einbeziehen lassen wollen und daß sie eigenständige Personen seien, anderswo als in Rom verwurzelt und deshalb ungeneigt, als »Frau an seiner Seite« aufzutreten. Ähnlich macht es eine Freundin von mir seit Jahren: Sie ist freiberuflich tätig, ihr Mann ein Spitzenbeamter, und sie sind wechselseitig jeweils bei drei Anlässen im Jahr als »Gatte/Gattin« dabei. Alle übrigen Repräsentationspflichten trägt die jeweils angesprochene Hälfte des Ehepaares allein. Oft habe ich früher mit meinem Hausfrauen-Dasein und der gesellschaftlichen Geringschätzung dieser Tätigkeit gehadert, aber keinen Ansatzpunkt für Veränderungen gesehen. Irmtraud Morgners hexische Phantasie ist mitreißend für utopische Entwürfe. Die Egalität des gespaltenen Frauenlebens in der Industriegesellschaft, Marke Ostblock noch. dazu, kennt sie wie wenige. Und hat den Kopf doch frei, sich die Dinge einfach auch mal anders vorzustellen. Es lohnt, ihre Geschichte von Valeskas Frauenfamilie nachzulesen, die in die Utopie einer »schönen Menschengemeinschaft« mündet, in der kein »dogmatisches System mit Naturereignischarakter, das die Welt mit großen Gesten vergewaltigt«, mehr waltet. Bei dieser Utopie bleibt bedauerlicherweise ein Rest: Wer versorgt die Männer in der »schönen Menschengemeinschaft«? Sind sie auch glücklich?

Wer zahlt, schafft an

LYSISTRATE: Nur in Sicherheit brächten wir gerne das Geld,
nicht verführen euch soll es zum Kriege!
. . .
RATSHERR: Nun, was hast du denn vor?
LYSISTRATE: Und das fragst du mich noch?
Wir verwalten fortan die Finanzen!
RATSHERR: Das wolit ihr, verwalten den Schatz wolit ihr?
LYSISTRATE: Und was hast du dagegen zu sagen?
Und verwalten wir denn nicht das Geld auch zu Haus,
da ja alles durch unsere Hand geht
RATSHERR: Das ist nicht das gleiche!
LYSISTRATE: Wieso denn?
RATSHERR: Das Geld ist bestimmt zu den Kosten des Krieges!
LYSISTRATE: Unnötig vor allem ist eben der Krieg!
RATSHERR: ja, wie sollen wir sonst denn uns retten?
LYSISTRATE: Wir werden euch retten!
RATSHERR: Wer? Ihr?
LYSISTRATE: ja, wir! Wir selber!
RATSHERR: daß Gott sich erbarme!
LYSISTRATE: Und wir werden dich retten, auch wenn du dich sträubst!
RATSHERR: Wie vermessen!
Aristophanes
Lysistrate

Häuptling Tulavil findet starke Worte, um seine Stammesgenossen vor der Obsession des weißen Mannes mit dem Geld - dem »runden Metall und schweren Papier«, wie er es bildkräftig nennt - zu warnen. Er hat erkannt, es gibt kein Symbol, das in der heutigen Welt Macht besser verkörpert als Geld. Geld ist Macht. Und vom Tanz um das Goldene Kalb über den »Schwarzen Freitag« bis zur Flickschen Spendenaffäre hat dieses Thema die Menschen erregt. Die einschlägige Literatur, ob nun wirtschaftswissenschaftlich, psychologisch oder feuilletonistisch, ist von Männern verfaßt. Hier ist nicht der Ort, die abertausendste Arbeit über Geld - nun aber aus weiblicher Sicht - hinzuzufügen; unter dem Gesichtswinkel »Geld und Macht« lohnen aus der weiblichen Perspektive allerdings einige Aspekte die Aufarbeitung. Zunächst: Die Geldwelt ist eine reine Männerwelt, in der Ausnahmen lediglich die Regel bestätigen. Mit dem Mammon muß man auch äußerst achtsam und vor allen Dingen ernsthaft umgehen, nicht so locker, wie ich dies in der Debatte zum Wirtschaftshaushalt 1986 tat, als ich nämlich Elke Heidenreich, alias Else Strathmann, zitierte und versuchte, für »Otto Normalverbraucher und seine Frau Lieschen, geb. Müller« diese trockene Materie zu veranschaulichen:

»Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen, zu dem ich nur teilweise berechtigt bin, weil ich zwar in Dortmund geboren, aber seit 18 Jahren in Bayern ansässig bin. Es ist von Elke Heidenreich alias Else Strathmann, und es lautet über den Bundeshaushalt so:
»Über nix kann ich mich so aufregen wie dadrüber, dattet inne Kasse von unsern Bundeshaushalt nie ma stimmt, Sie. Die ham datt doch nu alle studiert, datt sind Minister, kriegen wer weiß wieviel Geld dafür un komm vorne un hinten nich hin mittet Geld, rubbeldiekatz, isset weck, kaum dattse ma mitten Rigieren angefangen ham. Die schmeißen mitte Million rum, als tätense Quatett spielen - gibse mir noch drei Milliarden fürde Rüstung, dann krisse von mir noch zwei Maakfuffzich fürt Soziale, könn wer Kultur ablegen.)« Und der Schluß dieses »bemerkenswerten« Aufsatzes: »<Nänä, der ihren Haushalt, den hättich schnell saniert, glaumse datt? Eine einzige richtige deutsche Hausfrau inne Regierung, unter Bundeshaushalt tät anders aussehn, datt glaumse aber!)« [7]

Sichtlich irritiert wies einer meiner Nachredner von der CDU diese Annäherung an die Prosa des Alltagsdenkens von sich: Man sollte doch jetzt bitte »zur richtigen« Wirtschaftspolitik zurückkehren! Paradox an dieser übertriebenen Ernsthaftigkeit ist aus der Frauenperspektive zweierlei: Zum einen gehen auf der ganzen Welt eher die Frauen mit Geld um. Sie sind es, die mehrheitlich die Haushaltskasse verwalten und dabei in guten wie in schlechten Zeiten ungeheures Geschick entwickeln. In vielen Kulturen der Welt tätigen sie die Geldgeschäfte sogar ausschließlich, und sie haben in verschiedenen Geschichtsepochen das Wirtschaftsleben und den Geldaustausch entscheidend mitbestimmt. Mehr als die Hälfte des Bruttosozialproduktes wird durch den Konsum bestimmt, und diesen Konsum leistet in erster Linie die Konsumentin, die Verbraucherin, die denn auch in flauen Wirtschaftszeiten immer wieder vorwurfsvoll als »der Konsument« und »der Verbraucher« von Regierungsseite munter zum Konsum animiert wird, um der Wirtschaft wieder aufzuhelfen. Die zweite Paradoxie: Nicht nur wird die Frau in Geldangelegenheiten tätig, sie war und ist selbst ein Stück Vermögen, wie die große Kölner Ausstellung »Die Braut - geliebt, verkauft, getauscht, geraubt« jüngst veranschaulichte: Zwar ist die Frau Objekt des Tausches und als solches in unserer Gesellschaftsordnung gering geachtet, in anderen Kulturen ist sie sich dieser Rolle als »Wirtschaftsfaktor« aber durchaus bewußt und weiß diese Rolle zu nutzen. Merkwürdigerweise sind die Worte für »Geld« in vielen Sprachen auf Begriffe zurückzuführen, die »Opfer«, »Opfertier«, »Sühne«, »Vergeltung« bedeuten. Bei solchen mythischen Zusammenhängen sind in der Männerwelt die Frauen oft ziemlich schlecht daran, deshalb würde mich der Zusammenhang von Geld und Macht auch im Detail interessieren: Wie rational funktioniert eigentlich der Geldmarkt, aus welchen Quellen speisen sich die internationalen Geldströme jenseits des rationalen Regulariums? Ich wette, daß hier wie anderswo gewiß ein gehöriges Quantum männlicher Irrationalität und vorurteilsgeprägter Kaffeesatzleserei waltet, die längst enlarvt gehörte. Aber - schade dazu ist hier nicht der Ort. [8] Aus dem Besitz von Geld kann Angst ebenso wie Befriedigung oder Beunruhigung erwachsen, Geld eröffnet Möglichkeiten zur Selbstdarstellung wie auch zu unkalkulierbarer Abhängigkeit. Der Tauschwert des Geldes beruht längst auf Wertsystemen, die seine ursprüngliche Bedeutung weit überschreiten. Der Historiker Rudolf Müller spricht von der »Genesis des bürgerlichen Subjekts aus der Zersetzung der naturwüchsigen Vergesellschaftung durch den zum Subjekt sich erhebenden Tauschwert«. Das klingt so, als beträfe es uns nicht, aber Müllers Darstellung, wie das »bürgerliche Ich« und seine Distanz zu seiner Umwelt durch das Geld entstanden, ist eine faszinierende These. Denn mit dieser Distanz schlagen wir uns ja immer noch herum: Die materialistischen Grundlagen unserer Gesellschaft und unsere rationale Art, mit Geld und Gedanken umzugehen abstrakt, objektiv abgehoben, logisch: eben männlich - hängen eng zusammen. Wenn es ums Geld geht, hört die Gemütlichkeit auf, sagt ein Sprichwort. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die zu Beginn des Jahres 1976 über meine Familie und mich im Spiegel erschien und bei deren Vorbereitung den fragenden Journalisten vor allen Dingen das Thema interessierte, wie denn mein Mann und ich die Geldverteilung regelten ich damals Bundestagsabgeordnete, er Diplom-Ingenieur, meine Einkünfte höher als die seinen. Für mich war dies überhaupt kein interessantes Thema, für meinen Mann gleichfalls nicht. Später erfuhr ich, daß der Journalist von seiner Frau geschieden war und mit dem Unterhalt für sie und zwei damals vermutlich noch kleine Kinder offenbar Schwierigkeiten hatte. Er versuchte, sein Problem zu lösen. Der bayerische Spruch »Wer zahlt, schafft an« ist evident: Wer das Geld hat, hat das Sagen. Deshalb sind die Frauenorganisationen der Parteien durch die Bank recht stiefväterlich ausgestattet, sowohl materiell als personell, und deshalb ist politische Frauenarbeit viel schwerer als die durchschnittliche Parteiarbeit, weil die Frauen, sofern sie nicht über ein eigenes Einkommen verfügen, ihre Teilnahme an politischen Veranstaltungen aus dem Familieneinkommen abzweigen müssen. Über dessen größeren Teil verfügen sie zwar manchmal, aber mit sich selbst und ihren Interessen sind Hausfrauen meist knauseriger als mit den Ansprüchen der übrigen Familienmitglieder.
Meine Mutter hat sich nie dafür interessiert, wieviel mein Vater eigentlich verdiente. Er war großzügig, mit dem Haushaltsgeld kam sie aus, zusätzliche Ausgaben wurden besprochen und von ihm finanziert, und sie lebte in der Sicherheit, er werde das alles zum Besten der Familie schon regeln. Das Taschengeld für uns Kinder zahlte mein Vater aus, später auch den Wechsel fürs Studium. Dabei stand er auf dem Standpunkt, daß wir drei Mädchen weniger Geld benötigten als später unsere Brüder, weil wir uns ja selbst was kochen konnten, während die Brüder doch neben der Mensa auch auf Restaurants angewiesen wären. Außerdem würden wir sicherlich häufiger eingeladen, während unsere Brüder umgekehrt andere Mädchen einzuladen hätten, was ebenfalls einen höheren Monatswechsel rechtfertige. Dabei übersah er völlig, daß wir Mädchen sehr viel schlechtere Möglichkeiten hatten als unsere Brüder, uns während der Semesterferien oder parallel zum Studium zusätzlich Geld zu verdienen. Die brauchten bloß vier Wochen auf dem Bau zu arbeiten und hatten ein Vielfaches von dem, was uns Mädchen als Aushilfen bei der Post, beim Lotto, beim Kellnern oder für Hilfsdienste in der Bibliothek angeboten wurde. Mich hat diese unterschiedliche Behandlung damals nicht weiter beschäftigt, zumal meine Brüder jünger waren und ich mit dem Studium mehr oder weniger fertig und durch meine journalistische Nebentätigkeit finanziell einigermaßen auskömmlich versorgt war, so daß ich meinen Brüdern nichts neiden mußte. Als ich dann Hausfrau war und meinerseits Wirtschaftsgeld für den Haushalt, die drei Kinder und mich erhielt, habe ich mich - wie meine Mutter - für die Höhe des Familieneinkommens nicht sonderlich interessiert. Aber ich erinnere mich an ein Beispiel, wo ich mich erstmals nach den geltenden Kategorien gefragt habe: Mein Mann kaufte sich nämlich ein Segelboot, ohne vorher mit mir darüber gesprochen zu haben, und ich war darüber aus zwei Gründen verärgert. Zum einen, weil ich mich im Geiste mit den Kindern am Ufer sitzen sah, während er auf freien Wassern segelte; zum anderen, weil ich es mir nie herausgenommen hätte, aus dem gemeinsamen Topf auch nur 50,- DM für ein französisches Parfum zu nehmen, weil ich fand, dies wäre zu teuer und käme mir nicht zu. Als ich dann später als Abgeordnete Geld verdiente, erlebte ich zu meiner Verblüffung, daß das von mir verdiente Geld immer »Familiengeld« war, davon wurden die Kleidung für mich und die Kinder, der gesamte Haushalt einschließlich Hilfskräfte und meist auch noch die Miete bezahlt. »Sein« Geld blieb »sein« Geld, herangezogen meist für den Luxus: Urlaubsreisen, besondere Anschaffungen, Bausparverträge. . . .
Wie sehr die Verfügungsmöglichkeit über das Familieneinkommen oder sonstige Geldbeträge das Selbstbewußtsein stärkt und die »Herrschaftsgelüste« anstachelt, weiß jede Frau. Der Wunsch nach einem eigenen Einkommen und nach einer vom Manne unabhängigen Altersversorgung ist deshalb auch ein wesentlicher Antrieb für die außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Frauen. Aber ich rufe noch einmal die Zahlen ins Gedächtnis, die anläßlich des Jahres der Frau ermittelt wurden: Die weibliche Hälfte der Bevölkerung leistet zwei Drittel aller Arbeitsstunden, erhält dafür ein Zehntel des Weltlohnes und ist nur zu einem Hundertstel. am Weltvermögen beteiligt. So ist die Machtverteilung.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Aufschrei der Frauenorganisationen zu verstehen. der sich wegen der Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung erhob. Hier findet nämlich eine Umverteilung weiblicher Einkünfte zugunsten der Männer statt. Für die nicht erwerbstätigen Hausfrauen bleibt die Situation unverändert, während sie sich für die erwerbstätigen Ehefrauen - gemessen am gegenwärtigen Status - erheblich verschlechtert. Und noch eine Entwicklung macht den selbstbewußten und eigenständigen Frauen Beschwernis: Mehr und mehr finden Männer es attraktiv, unverheiratet mit erwerbstätigen Frauen zusammenzuleben. Dies ist bei der immer noch üblichen Rollenaufteilung die Inkarnation des »Genuß ohne Reue«: »Sie« arbeitet in doppelter Funktion als Berufs- und Hausfrau und ernährt sich selbst, »er« arbeitet für sich und genießt die »Erfindung der Hausfrau«. Welch ein Selbstbewußtsein, Ja: welche Macht das Verfügen über Geld den Frauen geben kann, lernte ich kürzlich an einem Beispiel in St. Barbara in Kalifornien.

Dort gab es bis vor wenigen Jahren einen nur Männern vorbehaltenen Universitätsclub, der seinen Sitz in einem schönen alten Gebäude im Zentrum der Stadt hatte, das aber allmählich in sich zusammenzufallen drohte, da den männlichen Clubmitgliedern das Geld zur Renovierung fehlte. Hier sahen die Frauenorganisationen der Stadt ihre Chance. Sie boten dem Club an, das Gebäude wiederherzurichten, wenn dieser endlich weibliche Mitglieder akzeptiere. Beides geschah: Weit mehr als 100 leidlich kapitalkräftige selbständige Frauen traten in den Club ein und halten seither ihre Treffen dort ab, der Club wird nun von Männern und Frauen genutzt. Wäre eine so pragmatische Lösung des Problems »Geld und Macht« in Deutschland denkbar? Vermutlich eher nicht. jedenfalls sind Anstrengungen, gut verdienende Frauen dazu zu animieren, ihre finanziellen Oberschüsse anderen Frauen beispielsweise Künstlerinnen oder Organisationen - beispielsweise Frauenclubs - zuzuwenden, noch lange nicht so erfolgreich, wie sie es sein sollten.

Texttyp

Sozialbiographie