Von Marx, Bebel, Zetkin und den anderen:

Die schwierige Beziehung der Sozialdemokratie zur Frauenbewegung


»Das ist nicht das schlechteste Obst, woran die
 Wespen nagen.
«
Lou Andreas-Salomé 
Eintragungen. Letzte Jahre

Um von allem Anfang an kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Es gibt in Deutschland keine Partei und keine Bewegung, die sich so kontinuierlich, so zäh und streckenweise auch tapfer der Frauenfrage angenommen hat wie die deutsche Sozialdemokratie. Wenn viele Sozialdemokratinnen dennoch wie ich nach der Devise »Genug ist nicht genug« mit der Partei hadern, so hat dies vielschichtige Gründe. Auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung, als sich die Frauenbewegung aus dem allgemeinen Aufbruch zu emanzipieren und zu lösen begann, widerfuhr der Sozialdemokratie Ungerechtigkeit: Die Kräfte des Aufbruchs erwarteten von ihr die Lösung der Frauenfrage, und zwar umgehend und durchgreifend. Man lastete der Sozialdemokratie ihre zweifellos vorhandenen Defizite auf diesem Feld derart an, daß man nun die reformistischen Ansätze zur gesellschaftlichen Umgestaltung als schwächlich, nicht weitreichend genug, kompromißlerisch und »typisch sozialdemokratisch« abwertete. Unter den historischen Frauengestalten konnten nur Clara Zetkin und Rosa Luxemburg bestehen, und August Bebels Jahrhundertwerk »Die Frau und der Sozialismus« wurde als bloße Theorie gebrandmarkt, die durch keinerlei praktischen Fortschritt für die Sache der Frauen untermauert sei. In Marielouise Janssen-Jurreits kenntnisreichem Wälzer »Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage« kommt die historische und gegenwärtige männliche Sozialdemokratie genauso schlecht weg wie in Alice Schwarzers Emma. Zu gern hätten die in der Theorie beschlagenen radikal gesonnenen 68er Frauen eine Sozialdemokratie gesehen, von der sich ohne Einschränkung hoffen ließ, daß sie sofort die immer noch vorhandenen Defizite der Frauenbefreiung ein für allemal ausgleichen und beseitigen würde. Statt dessen fand man eine zu etwa achtzig Prozent aus Männern bestehende Massenorganisation vor, hierarchisch gegliedert, in die Zwangsjacke von Tagesordnungen, Delegiertenwahlen, Routineparteitagen gesteckt, dazu noch mit der Pflicht zum Kompromiß und der Fron des Regierens, das heißt Handeln-Müssens behaftet: die zwangsläufigen Halbheiten konnten schwerlich überzeugen. Die SPD hatte ihren Weg im 19. Jahrhundert als Klassenpartei begonnen. Sie war Teil, aber auch bereits Ergebnis der Befreiungsbewegung, die in der Französischen Revolution ihren Anfang genommen hatte. Ihre Grundwerte waren dieselben - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit , heute mit »Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität« übersetzt. Die Emanzipation des Menschen, und zwar des Arbeiters wie der Frau beide gewissermaßen »Prototypen« kapitalistischer Unterdrückung - war das Ziel des gesellschaftlichen Kampfes. Dabei war die SPD, dem Geist des 19. Jahrhunderts entsprechend, hartnäckig fortschrittsgläubig. Die Wirtschaftstheorie von Marx war nur ein Element dieses Fortschrittsglaubens, die Theorien von Darwin und die aufgeklärten Erziehungstheorien taten ein übriges zur Vollendung des geistigen Gebäudes. Natürlich war die SPD zu Beginn eine reine Männerpartei, überwiegend geprägt von Männern der Arbeiterklasse. Diese waren, sofern sie den Rang eines Arbeiterführers errungen hatten, von wenigen »Bürgerlichen« abgesehen, ihrer psychologischen und soziologischen Struktur nach Aufsteiger. Aller Erfahrung nach können sich Aufsteiger den Luxus von Liberalität am wenigsten leisten: Sie achten auf Linientreue. Störungen in ihrer Einflußsphäre, Irritationen im Machtgefüge halten sie schwer aus.
Diese Charakterstruktur der sozialdemokratischen Parteiführer hat ganz ohne Frage Auswirkungen auf ihr Verhältnis zu den Frauen gehabt, im 19. Jahrhundert zumal, als diese Einstellung synchron mit dem Zeitgeist lief. In der Genealogie der männlichen Führerpersönlichkeiten verblieb davon ein gehöriger Rest bis auf den heutigen Tag: Frauen stören den Männerbund eher, und die Art und Weise, wie sie möglicherweise Führung ausüben, ist für Männer irritierend. Die Arbeiterschaft und ihre Führer erfuhren die Lohnarbeit als Entfremdung, als Zwang, als Fron, sogar als Demütigung und Erniedrigung ihres menschlichen Selbstwertes, insofern sie mit ausbeuterischen Praktiken verknüpft war. Die Erwerbsarbeit war nötig zum Verdienst des Lebensunterhaltes, und die Arbeitskraft war das einzige Kapital der Lohnabhängigen. Aus den Erfahrungen mit Unternehmerwillkür in der Frühzeit des Sozialismus heraus zeugt es nachgerade von humaner Grundhaltung, daß die Arbeiterführer dafür kämpften, wenigstens Frauen und Kinder aus dem Mechanismus der Fremd- und Selbstausbeutung ausgenommen zu sehen. Aus dieser Grundhaltung heraus erwächst daher das Engagement der Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert, für Frauenarbeit Schutzbestimmungen und ein Verbot der Nachtarbeit zu erwirken, - Vorschriften, die damals human, sozial und ungeheuer progressiv, ja: umstürzlerisch waren, die heutzutage oft eher als Diskriminierung von Frauenarbeit gesehen werden. daß mit Arbeit auch Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung verbunden sein könnte und daß das Recht auf Arbeit - wofür die radikalen bürgerlichen Frauenrechtlerinnen stritten - ein Grundrecht auch für Frauen darstellen sollte, schien der Arbeiterbewegung ziemlich absurd. Im Zuge der Verarmung des Industrieproletariats im 19. Jahrhundert, als immer mehr Frauen in der Industrie oder in Heimarbeit zum Lebensunterhalt der Familien beitragen mußten, schien Fortschritt ein Synonym zu sein für Verhältnisse, in denen der Verdienst des Mannes ausreichte, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Damit wuchs zugleich der Wunsch nach gewissermaßen »bürgerlichen« Familienformen. Dies insbesondere auch dadurch, als sich, die Arbeiterfamilie von den Konservativen zunehmend diskriminiert sah. Der Sozialismus zerstöre die Familie, so hieß es. Auch dies ist ein ideologischer »Frontverlauf«, an dem sich bis zum heutigen Tag nur wenig geändert hat. Noch heute sind in traditionellen Arbeiterfamilien Männer stolz darauf, wenn ihre Frauen nicht arbeiten müssen; dies erhöht gewissermaßen das Prestige des Familienvaters. Und noch heute müssen sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gegen konservative Anwürfe, wehren, sie propagierten oder verherrlichten weibliche Erwerbstätigkeit, diskriminierten damit die Arbeit der Hausfrau und vernachlässigten die Entwicklungsmöglichkeiten. von Kindern. Diese Vorwürfe gehen heute genauso an den Fakten vorbei, wie sie es ehemals taten, denn es gibt wohl keine Gruppierung, wenn man die traditionelle Landbevölkerung einmal außer acht läßt, in der mit so großer Beständigkeit an der hierarchischen Familienordnung festgehalten wird wie in der Arbeiterschaft. An diesen drei Grundelementen - der männlichen Parteigliederung, dem Verhältnis zur bezahlten Arbeit und der Einstellung zur Familie - hat sich in der traditionellen Sozialdemokratie wenig geändert: Die Partei ist auch heute eine Männerpartei, der soziologische Typus des Aufsteigers bestimmt die Parteihierarchie, Parteisolidarität rangiert vor Gruppensolidarität, auch wenn die »Gruppe« so groß ist wie die »Grundgesamtheit Frau«, die mehr als 50 Prozent der Bevölkerung umfaßt.
Die Vision von der »Frau in der Zukunft« hat niemand mitreißender und schöner formuliert als August Bebel: »Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke. Ihre Erziehung ist der des Mannes gleich, mit Ausnahme der Abweichungen, welche die Verschiedenheit des Geschlechts und ihre geschlechtlichen Funktionen bedingen; unter naturgemäßen Lebensbedingungen lebend, kann sie ihre physischen und geistigen Kräfte und Fähigkeiten nach Bedürfnis entwickeln und betätigen; sie wählt für ihre Tätigkeit diejenigen Gebiete, die ihren Wünschen, Neigungen und Anlagen entsprechen und ist unter den gleichen Bedingungen wie der Mann tätig. Eben noch praktische Arbeiterin in irgend einem Gewerbe ist sie in einem anderen Teil des Tages Erzieherin, Lehrerin, Pflegerin, übt sie in einem dritten Teil irgendeine Kunst aus oder pflegt eine Wissenschaft und versieht in einem vierten Teil irgendeine verwaltende Funktion. Sie treibt Studien, leistet Arbeiten, genießt Vergnügungen und Unterhaltungen mit ihresgleichen oder mit Männern, wie es ihr beliebt und wie sich ihr die Gelegenheit dazu bietet.« [10] Von Bebels Vision sind wir auch nach mehr als 100 Jahren noch weit entfernt. Wie ging die Partei angesichts des idealischen Anspruchs ihres »Obervaters« Bebel mit den Frauen um? Die Parteiführung erkannte, daß eine politische Agitation gegen die Frauen nicht möglich war. Diese mußten den Männern die zeitlichen Freiräume gewähren und mußten auch ideologisch am gleichen Strang ziehen, damit die Sache der Sozialdemokratie voran kam. Die Partei befand sich allerdings im Zwiespalt. Sollte sie sich auf die Ehefrauen von Genossen konzentrieren in ihrer Agitation? Dann verbreiterte sich im Grunde die Machtbasis nicht, denn die Genossenfrauen waren selten ein echter Zugewinn, wenn man den Ehemann bereits organisiert hatte, und Mitgliedsbeiträge zahlten sie - als Ehefrau - auch kaum. Andererseits: Eigenständige Arbeiterinnen waren sehr schwer zu organisieren, denn sie hatten neben Erwerbstätigkeit und zu versorgender Familie kaum Zeit und Kraft für die Parteiarbeit. Die Männer erkannten zwar deutlich, daß es nützlich war, Frauen in die Partei einzubinden, denn das machte die Agitation glaubwürdiger; ideologisch bedeuteten die Frauen aber eigentlich kein Plus, denn sie setzten keine eigenen Akzente. jedenfalls war dies die Oberzeugung aus der Perspektive der männlichen Funktionäre.
Der weitere Ausbau der politischen Arbeit sozialdemokratischer Frauen hatte mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen behauptete die marxistische Theorie, wenn der Grundwiderspruch aufgehoben wäre, nämlich die Gesetze des Kapitalismus durch den Sozialismus außer Kraft gesetzt würden, dann erledigte der »Nebenwiderspruch«, nämlich die Unterdrückung der Frau, sich von selbst. Mit diesem Hoffnungsschimmer konnten die weiblichen Sozialdemokraten zunächst ganz gut leben. Aber die radikale bürgerliche Frauenbewegung setzte demgegenüber pragmatisch an und forderte, durch verbesserte Bildung und die Beseitigung der schlimmsten sozialen Mißstände bei den Frauen die Situation zu verbessern. Das klang gleichfalls überzeugend. Zum anderen wollte die erstarkende Gewerkschaftsbewegung, der sich die Arbeiterinnen mehr und mehr anschlossen, gleichfalls durch pragmatische Maßnahmen die Situation der Frauen am Arbeitsplatz verbessern: Betriebsinspektoren und Vertrauenspersonen der Gewerkschaften wurden bestellt, Verbesserungsvorschläge und Forderungen beharrlich vorgebracht, was seine Wirkung gegenüber den weiblichen Beschäftigten ebenso nicht verfehlte. Mit diesen pragmatischen. Konkurrenten im Nacken tat sich die Sozialdemokratie zunehmend schwer, die marxistische Begründung lupenrein durchzuhalten und die Frauen immer noch auf übermorgen zu vertrösten. Viele Frauen, häufig sogar die besonders aktiven und gut ausgebildeten, fühlten sich durch die Sozialdemokratie weniger gut vertreten als durch die radikale bürgerliche Frauenbewegung bzw. die Gewerkschaften. Ihnen dämmerte allmählich, daß der Nebenwiderspruch - die Unterdrückung der Frau - recht eigentlich der Grundwiderspruch war. So erklärte beispielsweise die radikale Frauenrechtlerin Anita Augspurg mit Bezug auf die Theorien von Clara Zetkin: »Wenn Clara Zetkin von den Männern einer zur Herrschaft gekommenen Sozialdemokratie erwartet, daß sie die politischen Rechte, auf welche die Frauen heute freiwillig verzichten, freiwillig auf die Frauen ausdehnen, dann hat sie, die doch so viel auf die Lehren der Geschichte gibt, aus ihnen wenig gelernt. In den 100 Jahren von der Französischen Revolution bis zu dem belgischen Stimmrechtsfeldzug haben sich die Männer, die für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kämpften und bluteten, in bezug auf die Anerkennung der Rechte der Frau außer auf dem Papier nicht geändert; sie werden sich auch in den nächsten 100 Jahren nicht ändern. In bedeutend kürzerer Zeit werden aber die Frauen, die solidarisch die Schultern anstemmen, die politischen Rechte für sich erkämpft haben, und daß sie alsdann für Gerechtigkeit und sozialen Fortschritt wirken werden, dürfte sich sicherer bewahrheiten, als die umgekehrte Richtung Clara Zetkins.« [11]
Beide Zukunftsvisionen stehen zur Einlösung an. Der real existierende Sozialismus in den Ostblockländern hat die Situation für die Frauen genauso wenig prinzipiell verändert wie der Ausbau der Rechtssituation und die weitgehend erreichte rechtliche Gleichstellung der Frauen in allen Industriestaaten. Männer und Frauen haben sich meines Wissens die Frage noch nie gestellt, ob es eigentlich in der Geschichte der Sozialdemokratie eine Frau gegeben habe, die Macht besaß. Wenn denn überhaupt irgendeine, so würde ich Clara Zetkin nennen, deren Stellung von 1892 bis 1908 einmalig gewesen ist. Sie kam Anfang der neunziger Jahre aus Paris nach Deutschland zurück und ließ sich in Stuttgart nieder, wo sie alsbald mit der Herausgabe der Zeitschrift Die Gleichheit betraut wurde. Mit Hilfe dieses Instrumentes und durch die Hilfe der ihr ergebenen »Vertrauenspersonen«, die die weibliche sozialdemokratische Mitgliederschaft organisierten, welche sich in weiten Teilen des Landes politisch nicht organisieren durfte, gelang es ihr, eine Machtbasis zu erwerben, wie dies keiner anderen Frau in der Sozialdemokratie später jemals wieder gelang. Clara Zetkin wehrte die radikalen bürgerlichen Frauen ab. Ihr Konflikt mit Lily Braun ist bekannt und zeigt, wie die Gesamtpartei zu Beginn des Jahrhunderts gegen die Reformsozialisten agierte, zumal wenn diese bürgerlichen Zweckbündnisse verdächtig waren. Außerdem aber blieb sie angesichts der erstarkenden Gewerkschaftsbewegung auf Linie der marxistischen Lehre und legte die Frauen der Sozialdemokratie ohne Wenn und Aber auf den Kurs des Klassenkampfes fest.
Die Vision Lily Brauns, eine Volkspartei anstelle der Klassenbewegung für die Frauen zu erstreiten, wurde zunichte, und in einem »Prozeß der Selbstselektion« [12] wurden die Frauen, solange es irgend ging, auf die reine Lehre festgelegt. Erst durch das Auftreten von Luise Zietz aus Hamburg, die die Frauenbewegung zu einer Massenbewegung verbreiterte, geriet nach der Aufhebung des Versammlungsverbotes 1908 die Frauenbewegung für Clara Zetkin außer Kontrolle, so daß ihr Einfluß abnahm. Clara Zetkin, entstammte einem bürgerlichen jüdischen Elternhaus und hatte eine gute Ausbildung genossen. daß ausgerechnet sie, die ihrer Herkunft nach eher dem Bürgertum zuzurechnen war, eine so radikale Haltung gegenüber der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung einnahm, muß verwundern. Es verwunderte auch Zeitgenossinnen - wie beispielsweise Anna Blos, die in ihrem Buch »Die Frauenfrage im Lichte des Sozialismus« schrieb: »Durch ihre Heirat mit dem sehr viel jüngeren Mann (gemeint ist ihr zweiter Mann, der schwäbische Kunstmaler Zundel, A. M.) kam Klara Zetkin-Zundel in ganz behagliche Verhältnisse. Sie, die wie kaum eine andere das Wort <proletarisch> im Mund führte und alle angriff, die bürgerlichen Verkehr hatten oder sich eine (gehobene Lebenshaltung) erlaubten, wohnte in einer mit schönen alten Möbeln eingerichteten Villa, hatte ein gastfreies Haus, und wer sie dort als liebenswürdige Gastgeberin kennen lernte, konnte sich kaum vorstellen, daß diese Frau die Todfeindin der bürgerlichen Gesellschaft war, als die sie sich selbst gerne bezeichnete.« [13] Clara Zetkin benutzte ihre Zeitschrift »Die Gleichheit« als Kampfinstrument, das sie gegen ihre bedeutende Kontrahentin Lily Braun einsetzte. Aber sie mußte erleben, daß Luise Zietz, die durch ihre erfolgreiche Agitation und Mitgliederwerbung das Blatt bis zum Jahre 1914 zu seiner höchsten Auflage von 124 000 Exemplaren führte, ihr das Instrument schließlich entwand. Inhaltlich hatte sie ohnehin an, der einen oder anderen Stelle bereits nachgeben müssen. So erschien seit 1904 eine Beilage für Mutter und Kind, und auch der literarische Teil des Blattes paßte sich der Leserschaft an. Der männliche Parteivorstand hat sich inhaltlich mit dem, was Clara Zetkin in der »Gleichheit« zur Diskussion stellte, nie gründlich beschäftigt: Man ließ sie gewähren. »Die Gleichheit« als »Spielwiese« für die weibliche Parteimitgliedschaft: Bitte ansonsten nicht stören! Es ist erwiesen, daß Bebel, aber auch einige andere führende Genossen, die Abgrenzung zu den radikalen bürgerlichen Frauen längst nicht mit dieser Verbissenheit betrieben, wie dies für Clara Zetkin galt. Aber hat man sich je die Mühe gemacht, hier einen Konsens herzustellen?
Man nahm die ideologischen Differenzen innerhalb der weiblichen Mitgliedschaft, solange als irgend möglich, schlicht nicht zur Kenntnis. Sie paßten ins Vorurteil der »zänkischen Frauen«, die sich untereinander nicht »grün« sind. Ein Vorurteil, das ja bis heute besteht. Wo es allerdings um effektive Umverteilung von Macht hätte gehen können nämlich bei einer Diskussion um satzungsmäßig festgeschriebene Beteiligung der Frauen an Mandaten und Führungsämtern, waren die Männer hellwach: Alle entsprechenden Anträge in der Zeit von igo6 bis igo8 wurden abgeschmettert, und neu aufkommende Bestrebungen ähnlicher Art während der Weimarer Republik und nach dem Zweiten Weltkrieg hatten gleichfalls keinen Erfolg. Mich fasziniert das Phänomen, daß viele herausragende Frauenpersönlichkeiten der Sozialdemokratie nach 1917 nicht bei den Mehrheitssozialisten verblieben, sondern soweit dies bisher »aktenkundig« ist, zur USPD bzw. zur KPD abgewandert sind. Auf die Frage, ob politisch profilierte Frauen, wenn sich in Umbruchsituationen die Machtfrage stellt, stärker zur Radikalisierung neigen als Männer, weiß ich keine Antwort. Die Frage stellte sich Anfang der 7oer Jahre angesichts der Radikalisierung von Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin erneut, konnte aber nicht beantwortet werden jedenfalls für mich nicht überzeugend.
Als Folge der revolutionären Umbrüche und durch die Unterstützung der Sozialdemokratie und der radikalen bürgerlichen Kräfte wurde den Frauen im Jahr 1919 das Wahlrecht zuteil. Die erste Rede, die in einem deutschen Parlament von einer Frau gehalten wurde, verdanken wir der Sozialdemokratin Marie Juchacz, deren Name gewöhnlich mit der Arbeiterwohlfahrt in Zusammenhang gebracht wird und deren Bedeutung im Schatten der revolutionären Sozialdemokratinnen Luxemburg, Zetkin und Zietz stand. Juchacz Bedeutung war eingeengt auf den sozialpolitischen Bereich, anderes wurde von ihr kaum überliefert. Und dabei ist ihre Rede von eindrücklicher Kraft und grundsätzlicher Bedeutung: »Es ist das erste Mal, daß in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, daß es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die Vorurteile überwunden hat ... Ich möchte hier feststellen und glaube, damit im Einverständnis vieler zu sprechen - daß wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa im althergebrachten Sinne Dank schuldig sind.
Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist. Wollte die Regierung eine demokratische Verfassung vorbereiten, dann gehörte zu dieser Vorbereitung das ganze Volk in seiner Vertretung. Die Männer, die dem weiblichen Teil der Bevölkerung das bisher zu Unrecht vorenthaltene Staatsbürgerrecht gegeben haben, haben damit eine für jeden gerecht denkenden Menschen und für jeden Demokraten selbstverständliche Pflicht erfüllt... Durch die politische Gleichstellung ist nun meinem Geschlecht die Möglichkeit gegeben zur vollen Entfaltung seiner Kräfte. Mit Recht wird man erst jetzt von einem neuen Deutschland sprechen können und von der Souveränität des ganzen Volkes ... Ich möchte hier sagen, daß die Frauenfrage, so wie es jetzt ist in Deutschland, in ihrem alten Sinne nicht mehr besteht, daß sie gelöst ist ... Der politische Kampf, der immer bestehen bleiben wird, wird sich von nun an in anderen Formen abspielen. Innerhalb des durch Weltanschauung und selbst gewählte Parteigruppierung gezogenen Rahmens haben wir Frauen nunmehr Gelegenheit, unsere Kräfte auswirken zu lassen. Aber damit begeben wir uns nun keineswegs des Rechts, anders geartete Menschen, weibliche Menschen zu sein. Es wird uns nicht einfallen, unser Frauentum zu verleugnen, weil wir in die politische Arena getreten sind.«
Über diese große Rede, die so gut wie vergessen ist, schrieb damals der Chefredakteur des Zentralblattes der sozialdemokratischen Partei, Friedrich Stampfer, im Vorwärts: »Marie Juchacz ist die Frau, die ihre errungenen Rechte mit würdiger Selbstverständlichkeit wahrnimmt Angesichts einer solchen Erscheinung, die erfreulicherweise nicht vereinzelt bleibt, muß die Witzelei der Spießbürger, die in früherer Zeit den Fortschritt der Frauenbewegung begleitete, einer stummen Verlegenheit Platz machen. Durch Frauen wie Marie Juchacz wurde eine Tradition geschaffen.« [14] Leider war es so nicht! Aus der von Friedrich Ebert und Marie Juchacz 1919 gegründeten Arbeiterwohlfahrt entwickelte sich eine soziale Hilfsorganisation, deren Verdienste nicht hoch genug gerühmt werden können. Trotzdem stellt sich politisch die Frage, ob diese Organisation nicht von der Männermehrheit in der Mehrheits-SPD vor allem dazu »erfunden« wurde, die Sozialdemokratinnen mit sozialen Fragen, die sie interessierten, sinnvoll, politisch, darüber hinaus ehrenamtlich zu befassen, so daß sie - und darin stimmten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten überein - zur Zufriedenheit aller politisch tätig und beschäftigt waren, trotzdem aber die »große Politik« nicht länger stören konnten, wie dies zuvor Rosa Luxemburg und Clara Zetkin mit beträchtlichem Erfolg vermocht hatten. [15] Die Sozialpolitik als Spielwiese für Frauen dieses Muster wurde als angeblich erfolgreich auch nach 1945 erneut angewandt, und ein weiteres Mal folgten die Frauen willig den Vorschlägen für eine »frauengemäße« Politik, die von Frauen zu betreiben sei. Aus der Geschichte der Gleichheit läßt sich gut ablesen, wie die männliche Führungsschicht der Sozialdemokratie mit der weiblichen Mitgliedschaft umging: 1921 ging das Blatt zunächst einmal endgültig ein, nachdem es von 1917 bis 1922 - also seit der fristlosen Kündigung von Clara Zetkin - von wechselnden Herausgebern und Chefredakteuren betreut worden war. Es wurde ersetzt durch Die Genossin - Informationsblätter der weiblichen Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - und seit 1926 von Hertha Gotthelf redigiert, die damals von Marie Juchacz nach Berlin geholt worden war.
Die Zeitung gewann besonders in sozialpolitischer Hinsicht ein scharf umrissenes Profil und spiegelte damit die wichtigsten Probleme wider, mit denen sich die sozialdemokratischen Frauen im Reichstag abmühten. 1933 mußte Die Genossin ihr Erscheinen einstellen. Hertha Gotthelf emigrierte wie viele, kehrte 1946 aus England zurück, war von 1947 bis 1958 verantwortlich für die sozialdemokratische Frauenarbeit und gehörte in dieser Funktion während der gesamten Periode dem Parteivorstand an. Von 1948 bis zu ihrem Tode am 13. Mai 1963 gab sie, die sozialdemokratische Frauenzeitschrift heraus, die nun wieder an die Tradition vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfte, denn sie hieß: Gleichheit. Das Blatt der arbeitenden Frau. Die Zeitschrift hat als frauenpolitisches Dokument der Nachkriegszeit eine sorgfältige Analyse verdient, die bisher nicht geleistet worden ist. Die neue Gleichheit überlebte Hertha Gotthelf nur um zwei Jahre. Im Juni 1965 teilten Redaktion und Verlag den »Iieben Lesern« mit, »daß dies die letzte Ausgabe der <Gleichheit> ist. ... da bedauerlicherweise ... das Interesse an politischen Publikationen in letzter Zeit immer mehr abgenommen« habe. Tröstend versicherten aber die Herren Herausgeber: »Wir wissen, daß die Frauenarbeit nunmehr in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und in allen ihren Publikationen einen festen Platz gewonnen hat, daß die eigentliche Aufgabe der Gleichheit damit als erfüllt angesehen werden kann.« - Da sind wohl Zweifel angebracht. Die Geschichte der sozialdemokratischen Frauenbewegung nach 1945 muß noch geschrieben werden. Sie ist durch zahlreiche Brüche und Umbewertungen gekennzeichnet und wird gewiß von den verschiedenen Generationen der an ihr Beteiligten unterschiedlich gesehen. Ausweichen will ich nicht, sondern - mit allem Vorbehalt - meine Meinung sagen, wobei der Vorbehalt der Tatsache gilt, daß ich erst seit gut 15 Jahren mit dieser Geschichte eng, phasenweise sogar sehr eng verbunden war und daß deshalb meine Bewertung der Zeit davor falsch sein könnte, ebenso wie sie für die miterlebte Zeit natürlich subjektiv ist. Unmittelbar nach dem Krieg waren die politischen Frauengruppen, die sich alsbald und tatkräftig an die Arbeit machten, beträchtlich überaltert und ganz besonders darauf bedacht, sich gesellschaftlich nicht neuerlich zu isolieren (wie dies für die politische Frauenarbeit der traditionellen Sozialdemokratie gegolten hatte), sondern sich vielmehr mit anderen Frauengruppen, soweit politisch möglich, zu verbünden, um für alle Frauen einen politischen Fortschritt zu erzielen. »Das machst du dann wie vor 1933«, hörte die junge Inge Gabert, spätere langjährlge Landesvorsitzende der sozialdemokratischen Frauenorganisation in Bayern, als sie sich nach 1945 politisch zu betätigen begann.
Wie die Sozialdemokratie es vor 1933 allerdings gemacht hatte, wurde ihr nicht erklärt, so daß sie irritiert nachfragen mußte: 1933 war sie jünger als sechs Jahre gewesen. Aber Emigrantinnen und vertriebene Sozialdemokratinnen arbeiteten mit jenen aus der inneren Emigration wieder auftauchenden Frauen zusammen, um so schnell als möglich Fortschritte für die Frauen zu erzielen. Weil diese Grundhaltung vorherrschte, gelang es der Sozialdemokratin Elisabeth Seibert, den Gleichberechtigungsparagraphen 1949 in der Verfassung zu verankern. Am Widerstand der Männer gegen diesen Paragraphen hatte sich nichts geändert, die Frauen aber waren solidarischer als 1919. Die Briefflut, die - angezettelt über den Deutschen Frauenrat - im Jahr 1949 den Parlamentarischen Rat erreichte, war eine klug eingefädelte Aktion, die den »Müttern des Grundgesetzes« den Rücken stärken sollte. Sie wurde ein großartiger Erfolg. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, daß Frauen im Erfinden unkonventioneller Aktionsformen groß sind; heute gehört dergleichen zum Standardrepertoire von Bürgerinitiativen. Im Grunde läßt sich aus der Nachkriegsgeschichte der Gleichheit deutlich ablesen, daß die politische Frauenarbeit der Gesamtpartei wenig bedeutete: Gut und recht, wenn sich jemand um die Organisation von Kaffeekränzchen sorgte und im politischen Vorfeld auch die Frauen der Genossen nicht unbetreut ließ; als politisches Tummelfeld gab es immer noch die »Arbeiterwohlfahrt«, und schließlich hatte man in den gehobenen Parteigremien die »Statutenfrau«! - Anfang der sechziger Jahre schwappte dann aber doch eine Welle der Modernisierung ins Frauenlager: Die Statutenfrau wurde mit Hilfe der Genossinnen satzungsmäßig abgeschafft, neue Frauen arbeiteten im Parteivorstand mit, und allmählich bereitete sich vor, was dann 1973 in Mannheim beschlossen wurde: Die »Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen« als eine unabhängig gewählte sozialdemokratische Frauenorganisation mit eigenem Vorstand, eigener Satzung und konkret beschriebenen Aufgaben. Das Entstehen dieser Arbeitsgemeinschaft fiel zeitlich zusammen mit dem Aufkommen der Studentenbewegung und der Frauenbewegung und mit jener Zeit, in der die Jungsozialisten in der Sozialdemokratie besonders pointierte Standpunkte einnahmen. Aus diesem Grund litt die AsF in ihren ersten Jahren unter Flügelkämpfen und ideologischen Auseinandersetzungen. Im Unterschied aber zu den Jungsozialisten vollzogen sich diese von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt. Politische Frauenarbeit erreicht die Öffentlichkeit nämlich meistens nicht, weil sie für die männerbeherrschten Medien nicht interessant ist. Aber auch der Parteivorstand nahm nicht zur Kenntnis, was sich bei den Frauen tat: Diese gerade neu gegründete AsF konnte der Männerbastion doch schwerlich gefährlich werden. Viel gefährlicher erschienen die nach drängenden jungen Männer bei den Jungsozialisten. Die Medien sahen dies genauso und bestärkten das männliche Parteiestablishment und die übrige Öffentlichkeit in ihrer Meinung.
Die aufmüpfigen Frauen erreichten aber 1975, daß auf dem Parteitag in Mannheim in den dort damals abschließend diskutierten »Orientierungsrahmen 85« ein eigenes Kapitel eingefügt wurde, das sich mit der Situation der Frauen in der Gesellschaft und mit den von Sozialdemokraten anzustrebenden Verbesserungen befaßte. Einen Vorbehalt mußten wir Frauen damals akzeptieren: Wir mußten die Gruppe der Frauen prototypisch als die größte Gruppe benachteiligter Minderheiten akzeptieren. Trotz dieses Vorbehalts können sich die damals erreichten Ergebnisse auch heute noch sehen lassen. Wie denn überhaupt sich die Erfahrung belegen läßt, daß die Frauenorganisation in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen, auch dann, wenn diese nicht unmittelbar mit Frauen zusammenhängen, Beschlüsse gefaßt hat, die dem Bewußtsein der Gesamtpartei vorauseilten. Diese Erfahrung deckt sich mit dem Faktum, daß auch der Deutsche Frauenring lange Jahre vor anderen gesellschaftspolitisch wichtigen Organisationen beispielsweise die Gefahren der Atomenergie durch eine Sonderbeauftragte hat kontrollieren lassen, oder daß der Deutsche Juristinnenbund die Frage der Gentechnologie lange vor anderen Verbänden überprüft und kritisch gewürdigt hat. Frauen scheinen für Zukunftsfragen und -probleme ein deutlicheres Gespür zu haben. Noch etwas scheint mir bemerkenswert: In meiner Generation, also den jetzt Vierzig- bis Fünfzigjährigen, finden sich eine große Zahl von Sozialdemokratinnen, die sich bereits aus der »Frühgeschichte« der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen kennen, die auch aktive Jungsozialistinnen waren und die in der Zwischenzeit in unterschiedlichen Funktionen Parteiarbeit von der Pike auf gelernt haben. Außerdem sind sie beruflich qualifiziert und haben Familienerfahrung, so daß sie für Führungsämter in der Sozialdemokratie in Frage kommen. Diese Frauen arbeiten selbstbewußt in der Gewißheit, daß die sozialdemokratische Frauenorganisation dem Bewußtsein der Frauen. in unserer Gesellschaft auch derer, die nicht organisiert sind - weit näher ist, als dies für die Gesamtpartei zutrifft. Mehr noch: Sozialdemokratische Frauen verkörpern ein Maß an Glaubwürdigkeit, das ihre männlichen Kollegen nicht besitzen. Insofern stellt sich für die sozialdemokratischen Frauen die Machtfrage heute mit besonderer Deutlichkeit. Wobei sie erkennen müssen, daß den Sozialdemokratinnen in der Partei nach Möglichkeit immer noch eine politische »Spielwiese« zugewiesen wird, die keine Machtbasis darstellt.
Aus der Erfahrung heraus, daß die Männerpartei sich den Beteiligungsansprüchen der Frauen nur mit dem äußersten Widerwillen und wenn es gar nicht mehr zu umgehen war öffnete - Willy Brandt hat immer wieder unverdrossen versucht, seine Geschlechtsgenossen zum Umdenken und zu verändertem Handeln zu animieren - entbrannte innerhalb der AsF schon Ende der siebziger Jahre eine Quotierungsdiskussion. Wenigstens so viele Mandate sollten durch Frauen besetzt werden, daß sich derselbe Prozentsatz wie bei der weiblichen Mitgliedschaft innerhalb der Gesamtpartei ergab! Mit knapper Mehrheit wurde die Forderung nach einer Quote 1979 abgelehnt. Die Diskussion darüber ist aber während all der seither verstrichenen Jahre fortgesetzt worden. Seit 1985 gewinnt sie erneut an Boden, wobei manche Sozialdemokraten es auf dem Nürnberger Parteitag 1986 äußerst schwer haben werden, die Forderung abzulehnen, denn in Norwegen wird sie bereits praktiziert: 40 Prozent für jedes Geschlecht ist das Minimum der Beteiligung, und in Österreich sind in der SPÖ 25 Prozent satzungsmäßig festgeschrieben. In Zugzwang geraten die Sozialdemokraten auch deshalb, weil bei den GRÜNEN reine Frauenlisten im Gespräch sind. In dieser Partei ist die Fünfzig Prozent Beteiligung von Frauen bei der Vergabe von Mandaten ein ungeschriebenes Gesetz, das zwar nicht immer eingehalten wird, aber doch den Anspruch markiert, unter den die Partei sich setzt. Es ist vielleicht nicht zufällig, daß 1986 im fünfundsiebzigsten Jahr nach dem Ersten Internationalen Frauentag 1911 sozialdemokratische Frauen im gesamten Bundesgebiet eindrucksvolle Feiern dieses Gedenktages organisiert haben. Nachdem nämlich der Erste Frauentag 1911 ein Fest der organisatorischen Stärke und Macht der SPD-Frauenbewegung gewesen ist, hatten in der Zwischenzeit männliche Parteifunktionäre diese Einrichtung zu unterbinden versucht und hatten - im Umkehrschluß - sozialdemokratische Frauen mit aller Zähigkeit gegen dessen Abschaffung gekämpft, weil der Internationale Frauentag ihnen als ein Symbol, ihrer Unabhängigkeit und als ein Vehikel für ihre aktive Teilnahme an der Politik erschienen war. Sind fünfundsiebzig Jahre danach solche Manifestationen immer noch erforderlich?