Schwierige fünf Jahre
In gewisser Hinsicht war nun die prägende Periode meines Arbeitslebens vorüber. In den turbulenten Jahren von 1971 bis 1976 hatten wir die großen öffentlichen Auseinandersetzungen um die Pentagon-Papiere und Watergate sowie den Druckerstreik überstanden. Da mutet es geradezu ironisch an, daß erst die folgenden fünf Jahre bis 1981 zu den schwierigsten in meinem ganzen Berufsleben wurden. Manchmal hatte ich in dieser Zeit das Gefühl, nun dafür bezahlen zu müssen, daß ich die früheren Krisen relativ unbeschadet überstanden hatte. Immer noch sah ich mich als eine vom Schicksal begünstigte Erbin, doch zum Glück besaß ich nun, nach traumatischen Jahren im Rampenlicht, eine recht stabile Basis für die Weiterarbeit. Die wichtigsten Geschäftszweige der Washington Post Company - die Post, Newsweek und die Post-Newsweek-Fernsehsender - machten allesamt gute Fortschritte. Aber ich neigte immer noch zur Schwarzmalerei. Trotz der jüngsten Erfolge war mein - nie sonderlich ausgeprägtes - Selbstvertrauen erschüttert, zumal ich nun mit meinen tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlleistungen immer mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand und zum Gegenstand kritischer Kommentare wurde. Warrens Ratschläge und mein ständiger Kontakt mit ihm waren für mein Handeln in jenen Jahren von ausschlaggebender Bedeutung. Besonders wichtig war, daß er mich von den Vorteilen überzeugte, die im Rückkauf unserer eigenen Aktien lagen. Dieser Gedanke war mir zunächst suspekt erschienen. Heutzutage sind Aktienrückkäufe ganz alltäglich, doch Mitte der siebziger Jahre betätigte sich erst eine Handvoll Firmen auf diesem Gebiet. Ich war der Ansicht, wenn wir unser ganzes Geld für den Aktienaufkauf verwendeten, müsse dies unweigerlich das Wachstum unserer Firma behindern. Doch Warren rechnete die Sache mit mir durch und zeigte mir, welche Vorteile eine solche Aktion langfristig, aber auch kurzfristig für unsere Firma hätte. Ständig betonte er, wie niedrig unsere Aktien im Verhältnis zu ihrem wahren Wert an der Börse notiert seien. Darum sei gerade der Rückkauf unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein viel besserer Schachzug als manche anderen von uns geplanten Vorhaben. Ganz allmählich setzte sich Warren mit seiner Meinung durch: Wenn wir nur ein Prozent der Aktien der Washington Post Company kauften, würde jeder einen größeren Anteil unserer Aktien besitzen - und das zu einem Spottpreis. Schließlich entschied ich, daß wir so verfahren sollten. Meine natürliche Vorsicht legte mir jedoch nahe, daß ich zunächst auch die wichtigen Leute in meiner Umgebung auf meine Seite bringen müsse, und ich machte mich daran, die Spitzenmanager der Firma, einschließlich unserer Rechtsberater, von der Richtigkeit dieser Entscheidung zu überzeugen. Als wir uns endlich einig waren, gingen wir mit dem Vorschlag in unseren Aufsichtsrat, der den Aktienrückkauf absegnete. Dort erkannte man schnell, welch wirklich gute Idee das war, und verzichtete auf jegliche Störmanöver. Daraufhin kauften wir im Lauf der nächsten zwanzig Jahre 45 Prozent der ausgegebenen Aktien zurück.
Meine Schwierigkeiten im Bereich des Managements rührten wohl hauptsächlich aus meinem Mangel an geschäftlichen Erfahrungen her; massiv verstärkt wurden sie jedoch durch die Tatsache, daß ich in der Firmenleitung keinen echten, verläßlichen Partner hatte. Als es zum großen Streik kam, war bereits klar, daß Larry Israel, der seit Fritz Beebes Tod im Jahre 1973 als Präsident für das operative Geschäft der Washington Post Company zuständig war, nicht die richtige Wahl gewesen war. Nach zahlreichen Konsultationen kam ich zu der Überzeugung, daß sich die Situation nicht grundlegend bessern würde, und wir faßten den Beschluß, uns zu trennen.
Im Januar 1977 gaben wir Larrys Rücktritt bekannt. Ich übernahm erneut den Titel der Präsidentin und behielt außerdem meine Aufgaben als Aufsichtsratsvorsitzende (Chairman). Wir wollten erst einmal in Ruhe abwarten, welche Lösung sich für den neuen Chief Operating Officer abzeichnen würde. Die Ankündigung von Larrys Rückzug hatte eine ganze Serie negativer Geschichten in den Medien zur Folge, in denen ich erneut als Zielscheibe der Kritik herhalten mußte. Der Beitrag in Time etwa trug die Überschrift »Bärbeißige Kay verstärkt ihre Kontrolle« (»Krusty Kay Tightens Her Grip«). Nach einer Charakterisierung meiner Person als schwierig im Umgang, unbeständig, impulsiv und von einer »grauen Eminenz« manipuliert (gemeint war natürlich Warren) schloß Time seinen Beitrag gleichwohl mit dem Eingeständnis: »Was immer die Probleme sein mögen, Grahams Firma wird Rekordgewinne und Rekordeinnahmen aufweisen.« Besonders zuwider waren mir die sexistischen Ansichten, die hinter solchen Berichten standen - ständig wurde ich als die Schwierige hingestellt, und wer immer die Firma verließ, wurde als Opfer meiner weiblichen Launen betrachtet. Immer noch galt ich als Frau in einer Männerwelt als Kuriosität.
Ebenfalls zu dieser Zeit machte ich mir ernsthaft Sorgen über die Qualität der Zeitung und der Redaktion. Meiner Meinung nach hatten Inlandsund Lokalredaktion stark nachgelassen, wir waren zu oberflächlich geworden. In diesem Punkt teilte Ben meine Ansicht nicht, wohl aber Bob Woodward, der die Sache einmal wie folgt auf den Punkt brachte: »Die Zeitung taugt nur noch zum Hinternabwischen.« Es ist Bens Verdienst, daß wir, er und ich, auch diese schwierige Zeit mit meinen hartnäckigen kritischen Fragen heil überstanden haben. Bei solchen Gelegenheiten konnte ich immer noch wie ein Zahnarztbohrer agieren, doch Ben hielt das aus, und dann kamen wir auch wieder ins Lot. Bisweilen kümmerte er sich nicht um meine Ansichten und handelte nach eigenem Gutdünken, und manchmal war das auch gut so. Wenn er Fehler gemacht hatte, korrigierte er sie beizeiten, sobald er eingesehen hatte, daß etwas nicht funktionierte. Daß er nicht auf mich - und andere - hörte, war Bens Stärke, zugleich aber auch seine Schwäche. Indes, was ich ihm zum Zeitpunkt dieser Meinungsverschiedenheiten über die Qualität der Post schrieb, war ernst gemeint: »Wenn ich an unser grundlegendes Vertrauen und gegenseitiges Einvernehmen denke, dann spielen oberflächliche Probleme, die jeder von uns gelegentlich mit dem anderen haben mag, keine Rolle. Denn wenn das Grundvertrauen gegeben ist - und was mich betrifft, ist das der Fall - ergibt sich daraus alles andere.«
Ein weiterer Problembereich, der mir damals bei der Post Sorgen machte, war die Meinungsseite mit den Leitartikeln und Kolumnen. Nach Watergate schien Phil Geyelin in einem dauerhaften Tief zu stecken. Ich gab mir Mühe, ihm zu versichern, daß diese Seite zwar dringend einen Vitalitätsschub benötige, daß ich jedoch volles Vertrauen zu ihm und seinen Fähigkeiten hätte. Ich sprach mit Phil darüber, daß ich infolge der Komplexität meines Aufgabenbereichs und aus Zeitmangel nicht mehr so intensiv wie früher mit ihm zusammenarbeiten könne. Weder bei der Post noch bei Newsweek konnte ich in dem früher gewohnten Ausmaß an Sitzungen der Redaktion und des Managements teilnehmen. Ich versicherte Phil, daß ich versuchen würde, konstruktiv an der Lösung der Probleme mitzuarbeiten und ihm zu helfen, wo immer ich dazu in der Lage sei.
Auch bei Newsweek gab es Probleme. Wirtschaftlich lief das Nachrichtenmagazin zwar bemerkenswert gut, an der Redaktionsspitze jedoch begann 1976 ein häufiger Wechsel, der dem Blatt nicht guttat und mich auch persönlich belastete. Im Oktober dieses Jahres bat Oz Elliott, der dem Magazin zeitweilig den Rücken gekehrt hatte, inzwischen aber wieder als Leitender Herausgeber und Geschäftsführer dort tätig war, um Freistellung für ein Jahr, damit er etwas für die Stadt New York tun könne. Da er sich gedanklich offenkundig nicht mehr auf die Arbeit bei Newsweek konzentrieren konnte, mußte ich ihn schweren Herzens gehen lassen - und zwar nicht nur für ein Freijahr. Unsere gegenseitige Zuneigung überstand auch diese Krise, und ich hege für Oz immer noch große Bewunderung und Dankbarkeit. Er wurde nach seinem Abgang stellvertretender Bürgermeister von New York City. Ed Kosner, seit September 1975 Herausgeber von Newsweek, blieb für die Leitung der Redaktion und die generelle Richtung des Magazins verantwortlich. Als Oz ging, übernahm Bob Campbell, seit 1975 Newsweek-Präsident, Oz' Titel und Aufgabe als Chairman. Neuer Präsident wurde Peter Derow, der 1965 direkt von der Harvard Business School zu Newsweek gekommen war. Von Peter war ich sehr angetan, ich hielt ihn für einen fähigen, ehrgeizigen, attraktiven jungen Mann, der sein Managerhandwerk bestens verstand. Häufig traf ich ihn oder sprach mit ihm. Ich glaubte an ihn und sah in ihm einen Mitstreiter, auf den ich mich verlassen konnte. Er gab Anlaß zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft.
Obwohl ich für die Rolle, die ich spielte, meiner Meinung nach unzureichend ausgebildet und zu unerfahren war, hielt ich mir einiges auf meine Fähigkeit zugute, Mitarbeiter und ihre Leistungen richtig einschätzen zu können. Peters Leistungen waren in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, und er hatte geräuschlos Karriere gemacht, bis er hinter Bob Campbell zur Nummer zwei aufgestiegen war. Ich hatte schon bemerkt, daß er ein sehr politischer Mensch war - bei Medienvertretern niemals ein gutes Zeichen -, doch als er mir Mitte 1977 eines Tages Knall auf Fall eröffnete, er wolle uns verlassen, um bei CBS Vizepräsident für den Verwaltungsbereich zu werden, war ich aufs höchste erstaunt und enttäuscht. Doch Peter beließ es nicht bei dieser Ankündigung. Er sagte mir, er wolle in einem gesunden, vitalen, gut geführten Unternehmen arbeiten - und das könne man von mir und meinem »Saftladen« ja leider nicht sagen. Als Führungsfigur sei ich hoffnungslos überfordert, und so bleibe ihm keine andere Wahl, als zur dynamischen CBS zu gehen. Als er mich wegen meiner fehlenden professionellen Managementfähigkeiten ins Gebet nahm, traf er einen sehr wunden Punkt. Und ich muß gestehen, daß ich mindestens zwei Tage lang immer wieder in Tränen ausbrach. Ich wollte mir selbst gegenüber einfach nicht zugeben, daß dies schon eine höchst merkwürdige Art und Weise war, eine Firma zu verlassen, in der man zwölf Jahre lang sehr erfolgreich gearbeitet hatte - zum beiderseitigen Gewinn.
Das Eingeständnis ist mir zwar peinlich, aber ich sorgte mich derart um den drohenden Verlust dieses Mannes, daß ich ihm sogar die Position des Präsidenten der Washington Post Company anbot, wenn er nur bliebe. Peter aber war entschlossen zu gehen und sagte mir, dieser Job würde ihm zuviel abverlangen er war damals, glaube ich, siebenunddreißig Jahre alt. Auch gehe es ihm nicht um eine spezielle Position oder einen bestimmten Titel in der Firma. Die Frage laute vielmehr: »Will ich die nächsten zehn Jahre damit verbringen, mich selbst und die Familie ständig mit Weiterbildung und der Frage zu behelligen, wie diese Firma eigentlich geführt werden müßte?« Und er fügte noch hinzu, bei der Washington Post Company zu bleiben »würde jemanden erfordern, der viel mehr Geduld hat als ich«. Einige Wochen später verließ er uns, mit Lobeshymnen überhäuft. Ich legte in meiner ausführlichen Abschiedsrede dar, wie großartig er doch sei. Persönlich wußte ich jedoch, daß ich die verbalen Prügel, die er mir verabreicht hatte, nicht so schnell würde vergessen können. Ich fragte mich ständig, wieweit er wohl recht habe. Es gehört zu den bizarren Ereignissen in meinem Berufsleben, daß ich mich ein halbes Jahr später mit Peter in New York zum Lunch traf und er bei dieser Gelegenheit sondierte, ob für ihn eine Möglichkeit bestehe, zu Newsweek zurückzukehren. Unerklärlicherweise - ja, es handelte sich um eine regelrechte Dummheit - sagte ich trotz massiver Desillusionierung durch seine kritischen Worte über mich spontan zu und hieß ihn erneut willkommen, zumal wir bis dahin noch keinen Nachfolger für ihn gefunden hatten. Es dauerte nur einen Monat, und er war wieder Präsident von Newsweek. Bei der Washington Post Company stand ich nach Larry Israels Abschied im Februar 1977 bis Ende des Jahres praktisch allein an der Firmenspitze, als Präsidentin, Aufsichtsratsvorsitzende und überdies auch noch als Verlegerin der Post.
Doch zwei Männer standen mir zur Seite: Warren Buffett und mein Sohn Don Graham, der für mich immer wichtiger wurde. Ende 1976 hatten wir Mark Meagher zum Präsidenten der Zeitungsabteilung des Konzerns befördert, und zum gleichen Zeitpunkt hatte Mark Don zum geschäftsführenden Vizepräsidenten und Generalmanager der Post ernannt. Somit war Don nun für alle alltäglichen Abläufe bei der Zeitung verantwortlich. Im November 1977 stieg Mark Meagher dann zum Präsidenten und damit zum Chief Operating Officer der Washington Post Company auf. Er war noch jung, und in mancher Hinsicht fehlten ihm Erfahrung und Reife, aber er hatte uns gute Dienste geleistet, besonders während des großen Streiks. Und weil ich mir nicht ganz sicher war, wonach ich für die Spitzenposition im Konzern eigentlich suchte, schien es mir besser zu sein, eine bekannte, bewährte Kraft heranzuziehen.
Mitte der siebziger Jahre lag mein Hauptaugenmerk auf Expansionsmöglichkeiten für den Konzern. Denn die Frage des Wachstums und der Zukäufe war in unserer Firma zuvor noch niemals systematisch und geordnet angegangen worden. Wie schlecht wir darauf vorbereitet waren, eine andere, kleinere Zeitung zu managen, zeigte sich überdeutlich bei der Trenton Times, die wir im Frühjahr 1974 gekauft hatten. Ich hatte Warren damals ein Memo zugesandt, in dem ich die Transaktion beschrieb und bewertete. Dabei benutzte ich Bewertungsparameter, die Warren die Haare zu Berge stehen ließen obwohl er diese Reaktion damals höflich verschwieg. Offenkundig hatten wir den Markt nicht gründlich genug erforscht. Wie mir Warren später sagte, fand sich in meinem Memo keinerlei Hinweis darauf, daß es in Trenton nicht nur eine Zeitung gab-, die Konkurrenz war ein sehr lebendiges Morgenblatt. Um den Kauf zu bewerten, wurden im Memo aber nur Beispiele aus Städten mit Zeitungsmonopolen bemüht. Solche Schnitzer machten Warren geradezu fassungslos, doch weil er damals noch nicht im Aufsichtsrat saß, hielt er sich zurück. Wir boten für die Zeitung 16 Millionen Dollar, wahrscheinlich rund 4 Millionen zuviel. Ich hatte allerdings noch genügend Gespür für die Situation, um zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt, als eine der Schwestern aus der Eigentümerfamilie des Blattes nochmals mehr Geld forderte und alles nach einer Verzögerung aussah, zu sagen: »Na gut, dann steigen wir eben aus. Wenn sie noch mehr Geld fordern, dann sagt doch einfach nein. Nehmen wir doch diese Gelegenheit zum Anlaß, die ganze Sache platzen zu lassen.« Ich hatte rein instinktiv reagiert, aber alle anderen Sitzungsteilnehmer - darunter Larry Israel, Mark Meagher und Ben - erhoben sich und sagten: »Was ist denn nun los? Wollen Sie denn nicht, daß die Firma expandiert? Wollen Sie keine weiteren Zukäufe?« Natürlich wollte ich expandieren, aber ich wollte mir keinen Ärger ins Haus holen. Genau den aber sollten wir leider mit der Trenton Times bekommen, einer Nachmittagszeitung und das zu einem Zeitpunkt, da wir mit eigenen Augen sehen konnten, wie es unserer Washingtoner Konkurrenz auf dem Nachmittagsmarkt erging. Gleichwohl gab ich damals nach, und wir übernahmen die Trenton Times. Damit wurde die Liste meiner Sorgen um eine weitere bereichert. Da wir nach Watergate weit stärker als vorher im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen, wurde ausgiebig und schadenfroh über unsere endlosen Schwierigkeiten mit der Trenton Times berichtet. Trotzdem hielten wir weiter Ausschau nach geeigneten Ergänzungen unseres Spektrums im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Unter anderem bemühten wir uns um die Zeitschriften New York, The New Yorker und Atlantic Monthly sowie um die Buchverlage Random House und Simon & Schuster, doch in den drei erstgenannten Fällen zerschlugen sich die Verhandlungen, und die Buchverlage erschienen uns wegen ihrer Größe eher unverdaulich zu sein. Ferner versuchten wir vergeblich den Erwerb der Tageszeitung in Wilmington, Delaware. Um die Denver Post hingegen bemühten wir uns gar nicht erst. Eine weitere wichtige Transaktion war durch unsere Sorge motiviert, daß wir in Washington neben der größten Zeitung am Ort auch die wichtigste Fernsehstation besaßen. Zu einer Zeit, da die Federal Communications Commission sich bevorzugt um Medienmonopole kümmerte, galt so etwas möglicherweise schon als Monopol. In einem gleichgelagerten Fall stand eine Entscheidung des Supreme Court kurz bevor. Unsere Fachanwälte rieten mir, wir sollten doch versuchen, unseren Sender WTOP gegen einen gleichartigen in einer anderen Stadt einzutauschen, der sich in einer ähnlich heiklen Monopolsituation befinde. Andernfalls müßten wir in Washington, unter den Augen des Kongresses, bei einer entsprechenden Gerichtsentscheidung möglicherweise als Paradefall herhalten, und dann stehe eine solche Transaktion gerade zu einem Zeitpunkt an, da eine Erneuerung der Sendelizenz fällig sei. Unter solchen Bedingungen sei ein Sendertausch wie der jetzt empfohlene praktisch nicht mehr möglich. Ich machte mich daher mit Warren auf den Weg durch alle Städte mit vergleichbaren Medienlandschaften wie Washington: Los Angeles, Dallas, Houston, Atlanta, Detroit. Doch nur Peter Clark, Chef der Detroit News Company, die in der wirtschaftlich gebeutelten Autostadt eine Zeitung und einen Fernsehsender besaß, war überhaupt gesprächsbereit.
Der Detroiter Medienmarkt war von ungefähr gleicher Größe wie der in Washington: Bei Fernsehen und Radio stand Washington landesweit an achter Stelle, Detroit an siebter. Der Hauptunterschied bestand allerdings darin, daß unser Markt wuchs, während der Detroiter Medienmarkt stagnierte. Dafür war Detroit in mancher Hinsicht die bessere Stadt fürs Fernsehen, und wir konnten uns Hoffnungen machen, daß ein Tausch sich als profitabel erweisen würde. Die letzte Entscheidung, ob wir WTOP gegen WWJ in Detroit (später in WDIV umbenannt) eintauschen sollten, lag bei mir, und ich war hinreichend besorgt um das politische Klima und die Schwäche unserer Konkurrenz auf dem Washingtoner Zeitungsmarkt, daß ich mich für den Tausch entschied. Anfangs verhandelten Warren und ich gemeinsam in Detroit mit Peter Clark. Weil seine Station größer und profitabler war als unsere, verlangte er zusätzlich zu WTOP noch eine Zahlung in Höhe von 6 Millionen Dollar. Diese Summe erschien uns zu hoch, und so kam Peter seinerseits zu Verhandlungen nach Washington. Als ich Warren bat, doch auch zu kommen, sagte er, das könne und solle ich allein erledigen. Wir einigten uns schließlich auf eine Zuzahlung in Höhe von 2 Millionen Dollar. Das Geschäft kam zustande - und zum ersten Mal hatte ich ganz allein verhandelt. Trotzdem war ich über den Abschluß nicht gerade glücklich. Schließlich gaben wir unsere älteste Fernsehstation auf - eine Station, mit der Erinnerungen an Phil und meinen Vater verknüpft waren, eine Station, die ich selbst gut kannte und liebte und die wir gemeinsam zum Marktführer aufgebaut hatten. Dafür begaben wir uns nun nach Detroit, in eine fremde Stadt, die so ganz anders war als alle, die ich kannte. Als die Übergabe erfolgte, konnten die Nachrichtensprecher und Moderatoren bei WTOP nicht anders, als ihre Sympathien für Jim Snyder, den Leiter der Nachrichtenredaktion, der jetzt für uns nach Detroit ging, beim letzten Abschied tränenreich zum Ausdruck zu bringen. Die Situation in Detroit übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Wir hatten einen Spitzensender in einer dynamischen Medienlandschaft gegen eine mittelmäßige Station und einen Markt eingetauscht, der von einer Rezession gebeutelt war. Die üblichen Anfangsschwierigkeiten und der hausinterne Widerstand gegen jegliche Reform erwiesen sich sogar als so schlimm, daß Jim Snyder nach einem Herzinfarkt aufgeben mußte. Lange bereute ich meine - voreilige - Entscheidung für den Tausch, zumal in der bald darauf erfolgenden Entscheidung des Supreme Court Ausnahmeregelungen für Firmen vorgesehen waren, die bereits über Zeitungen und Fernsehstationen in derselben Stadt verfügten. Allmählich verbesserte sich die Lage aber auch beim Sender in Detroit. Der Tausch wurde letztlich doch zum Erfolg - aber erst, nachdem ich mir lange übermäßige Selbstvorwürfe gemacht hatte.
1978 engagierten wir uns - auf Drängen von Newsweek und besonders von Peter Derow mit der Monatszeitschrift Inside Sports auf einem für uns neuen Gebiet. Abermals war der Plan zuvor nicht gründlich genug durchdacht worden. Sodann blieben bei der Führung des Blattes Wünsche offen, obwohl wir mit John Walsh über einen cleveren Herausgeber verfügten. Auch dieses Blatt bescherte uns größere Verluste als erwartet, und überdies bedeutete das Projekt für Newsweek selbst einen Aderlaß an Talent, Energie und Arbeitszeit. Beim Star, unserem kränkelnden Washingtoner Konkurrenzblatt, ergaben sich wichtige Veränderungen, die kurzfristig bei der Post für Alarmstimmung sorgten und uns langfristig sogar noch mehr Sorgen bereiteten, ehe schließlich dann doch das Aus kam und der Star sein Erscheinen einstellen mußte. Joe Allbritton hatte sich alle Mühe gegeben, den Negativtrend beim Star umzukehren, und dabei durchaus redaktionelle Erfolge erzielt. Trotzdem war der Niedergang, der natürlich schon lange vor seiner Zeit eingesetzt hatte, nicht mehr aufzuhalten. Die alte Eigentümerfamilie hatte einfach zu lange selbstzufrieden die Hände in den Schoß gelegt. Allerdings war auch die große, träge Verlegerfamilie nicht die Hauptursache für den Niedergang des Star und den damit verbundenen Aufstieg der Post gewesen. Vielmehr begünstigten gesellschaftliche Veränderungen im ganzen Land die Morgenzeitungen, während für die traditionell starken Nachmittags- und Abendblätter nun schwere Zeiten anbrachen. Hauptsächlich trugen der Aufstieg der Fernsehnachrichten, die Bevölkerungsverlagerung in die Vororte der Großstädte und Probleme bei der innerstädtischen Zeitungszustellung später am Tage zur Schwächung der nachmittags erscheinenden Tageszeitungen bei. Der wahrscheinlich wichtigste Grund indes war wirtschaftlicher Art. Mit steigenden Kosten, besonders bei Löhnen und Zeitungspapier, mußten die Zeitungen auch ihre Anzeigenpreise erhöhen, und das wiederum zwang die Inserenten, sich zwischen einzelnen Zeitungen zu entscheiden. Das Anzeigenvolumen auf mehrere Blätter zu verteilen, wie es viele vorher getan hatten, konnte nicht länger die Lösung sein. Hatte sich eine Zeitung erst einmal eine ziemlich marktbeherrschende Position erobert, ergab sich oft ein Schneeballeffekt: Die Inserenten erkannten, daß sie über die größere Zeitung mehr Leute erreichen konnten, und wenn sie sparen mußten, strichen sie eben die Inserate für die kleineren Blätter. War eine solche Dynamik erst einmal in Gang gekommen, ließ sich kaum noch etwas dagegen ausrichten. Und in gewisser Weise war es genau das, was dem Star widerfuhr. Verschärfend kamen dann noch die Versäumnisse der Verlegerfamilie hinzu, die sich vor der Konkurrenz sicher wähnte. Viel zu lange hatte beim Star niemand die Post wirklich ernst genommen. Trotzdem war unser Platzvorteil immer noch nicht überwältigend. Allerdings hatte ich, wie vor mir schon Phil und mein Vater, gelernt, was es heißt, ums Überleben zu kämpfen. Wir wußten, welche Anstrengungen nötig waren, um nur eine einzige zusätzlich Anzeigenzeile oder einen einzigen neuen Abonnenten zu gewinnen. Don und ich tragen immer noch die Narben solcher Kämpfe aus früheren Zeiten. Auch Don verstand bereits, obwohl er noch relativ jung war, daß es keinen Stillstand gibt und daß der Erfolg schon den Keim des Niedergangs in sich tragen kann. Im März 1977 erklärte sich Allbritton einverstanden, seine Radiostation in Washington, D. C., zu Geld zu machen. In der monatlichen Hauszeitschrift für alle Mitarbeiter des Star stand darüber zu lesen, diese Transaktion werde »die Liquidität von Star Communications für die nächsten zwanzig Jahre garantieren«. Tatsächlich konnte Allbritton nur einen Monat später zum ersten Mal seit vielen Jahren, einschließlich vieler Jahre vor seiner Übernahme des Blattes, einen Quartalsabschluß mit schwarzen Zahlen verkünden. Ich schrieb Joe einen Glückwunschbrief, und er erwiderte in seiner Antwort, eine Schwalbe mache freilich noch keinen Sommer, das wisse er nur zu gut. Nun sehe er aber wenigstens Licht am Ende des Tunnels; allerdings könne sich auch dieses Licht noch als Fata Morgana erweisen. Der Star war jetzt ein wesentlich verbessertes Blatt, und Allbrittons brillanter Schachzug, seine Radiostation und die kleineren Fernsehsender zu verkaufen, hatte seine finanzielle Lage wesentlich verbessert. Das beunruhigte mich - freilich nicht so sehr wie die Ankündigung Anfang Februar 1978, daß Time Inc. den Star übernehmen werde. (Allbritton hatte sich entschieden, lieber die wertvolle große Fernsehstation zu behalten.) Jetzt hatten wir es also mit der mächtigen, reichen, professionell arbeitenden und erfindungsreichen Time Inc. zu tun, und in ihr sahen wir einen noch viel bedrohlicheren Konkurrenten als in dem Millionär aus Texas. Die Time Leute probierten neue Ideen aus, investierten Riesensummen und nutzten den Stab der Auslandskorrespondenten ihres Nachrichtenmagazins, um auch im Star mehr Auslandsberichte zu bringen. Und sie gaben noch wesentlich mehr Geld als Allbritton für Werbeaktionen aus.
Eine der ersten Aktionen des Star unter der neuen Time-Herrschaft bestand darin, ein fünfteiliges Porträt meiner Person von Lynn Rosellini auszugraben, das ursprünglich von Joe Allbritton in Auftrag gegeben worden war. Es sollte eine freie Arbeit ohne redaktionelle Vorgaben sein. Doch letztlich hatte Joe verfügt, diese Artikelserie solle nicht veröffentlicht werden, weil sie seiner Meinung nach zu negativ ausgefallen war. Die Time Leute indes kannten solche Hemmungen nicht, rührten in Verbindung mit dieser Serie massiv die Werbetrommel und brachten die beiden ersten Teile sogar auf der Titelseite. Natürlich bin ich in meinem Urteil über diese Artikel befangen, und ich habe sie auch seither nicht wieder angeschaut. Mir ist aber noch lebhaft im Gedächtnis, daß ich als eine Art gespaltene Persönlichkeit à la Dr. Jekyll und Mr. Hyde dargestellt wurde. Mein Porträt fiel sogar so negativ aus, daß ich Angst hatte, niemand wolle je wieder für uns arbeiten, wenn er es mit einer solchen Chefin zu tun bekäme. Ich erhielt daraufhin viele ermunternde Briefe, und im Star erschien sogar ein Leserbrief von Barry Goldwater, der nachdrücklich meine Partei ergriff. Diesen Brief fand ich um so bewegender, als der Senator mir politisch wirklich fernstand. Goldwater schrieb:
Nun gehöre ich ja gewiß nicht zu jenen, denen die Washington Post in ihrem politischen Leben wohlgesonnen war. Vielmehr meine ich, daß ich unter den Kapriolen ihrer Reporter und Redakteure mindestens ebenso gelitten habe wie andere politisch Tätige. Aber das tut hier überhaupt nichts zur Sache. Denn es gibt meiner Ansicht nach einen Punkt, an dem es auch für Reporter um Fragen des Anstands geht, und um solche Fragen haben sich weder Ihre Reporterin noch Ihre Zeitung im geringsten geschert. Sie dürfen gerne mit kritischem Anstand darüber berichten, wie sich Mrs. Graham beruflich verhält, aber ich glaube, Sie haben keinerlei Recht, die Art zu kritisieren, wie sie ihr Leben geführt hat, und erst recht spreche ich Ihnen die Berechtigung ab, mit ihr so unehrenhaft umzugehen, wie Sie es tun.
Nachdem Time Inc. sich auf diese Weise in Washington etabliert hatte, wundert es mich fast schon, daß ich für andere Dinge in meinem Leben überhaupt noch Zeit hatte oder Neigung dazu verspürte. Doch zahlreiche Aktivitäten, bei denen sich Öffentliches mit Privatem vermischte, verschafften mir Abwechslung und Entspannung von geschäftlichen Sorgen und überdies ein gewisses Maß an Vergnügen und persönlicher Befriedigung. Bob McNamara, damals Präsident der Weltbank, hatte seine Institution darauf verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, den Ländern der sogenannten Dritten Welt nachhaltig zu helfen. Die wohlhabenden Länder der nördlichen Hemisphäre waren damals über die radikale politische Rhetorik der südlichen Länder und über deren irrationale Forderungen nach Unterstützung in Höhe von vielen Milliarden Dollar verärgert, während sich die Länder der südlichen Hemisphäre über die ihrer Meinung nach unsensible und herzlose Haltung der nördlichen Länder aufregten. In dieser Situation hatte McNamara nun die Idee, eine Arbeitsgruppe einzurichten, deren Mitglieder sich mit den Problemen ausdrücklich als Individuen auseinandersetzen sollten, nicht als Repräsentanten ihrer Heimatländer. Für die Leitung dieser »Nord-Süd-Kommission« hatte er den früheren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt gewonnen, nach dem die Gruppe informell auch »Brandt-Kommission« genannt wurde. Bob argumentierte, mir würde es sicher guttun, wenn ich in dieser Gruppe mitarbeitete, denn dabei müsse ich mich mit einem Aspekt der Welt auseinandersetzen, von dem ich bisher noch wenig Ahnung hätte. Überdies könne ich mein Wissen darüber einbringen, was in den Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht politisch durchsetzbar sei, und auch für Post und Newsweek sei es sicher nicht verkehrt, wenn sie sich mehr um solche Themen kümmerten. Obwohl ich Skrupel hatte, unsere Grundregel zu brechen, uns nicht bei Organisationen zu engagieren, die zu bestimmten Themen feste Überzeugungen vertraten, kam ich zu dem Schluß, daß es zu jeder Regel auch Ausnahmen geben müsse. Dies sei ein solcher Ausnahmefall. Also sagte ich Bob zu. Als Kommissionsmitglieder wurden sechzehn Personen benannt, darunter neben Willy Brandt noch vier weitere ehemalige Regierungschefs ihrer Länder: Ted Heath aus Großbritannien, Pierre Mendes-France aus Frankreich, Olof Palme aus Schweden und Eduardo Frei aus Chile. Neun der sechzehn Repräsentanten kamen aus Entwicklungsländern, zwei aus den USA: außer mir noch mein alter Freund Peter Peterson, der unter Nixon der Regierung angehört hatte. Mir war sonnenklar, daß ich die Rolle der Quotenfrau aus dem Norden zu spielen hatte. Aus Gründen der Balance kam später noch eine Geschäftsfrau aus Malaysia hinzu, Khatijah Ahmad. Das erste Zusammentreffen unserer Kommission fand im Dezember 1977 auf Schloß Gymnich bei Bonn statt. Für mich war es wie das Eintauchen in eine andere Welt, in der die Leute fremde und seltsame Sprachen benutzten. Ständig wurden Akronyme (Kunstwörter aus den Anfangsbuchstaben längerer Bezeichnungen) in den Raum geworfen, die ich nicht kannte, und man frotzelte über frühere Treffen und Berichte, Unterabteilungen der Vereinten Nationen und die Funktion von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Weil wir in alphabetischer Reihenfolge um den Tisch saßen, ergaben sich auf ganz natürlichem Wege mehrere Zweiergruppen. Ich saß neben Ted Heath (»G« neben »H«), und unsere Freundschaft vertiefte sich in den zwei Jahren noch weiter, in denen wir bei Kommissionssitzungen nebeneinandersaßen. Bei der ersten Sitzung - und fast im ganzen ersten Jahr meiner Mitgliedschaft - blieb ich bis auf kleinere Bemerkungen weitgehend stumm. Die mir unvertrauten Themen und die Experten am Tisch schüchterten mich ein. Doch allmählich begann sich die Atmosphäre zu lockern, wozu die Tischgespräche beim Essen, gemeinsame Spaziergänge und informelle Grüppchen beim Tee oder beim Drink natürlich wesentlich beitrugen. Bei manchen ging die Lockerung, ohne daß ich es bemerkt hatte, sogar schon sehr weit. Eines der radikalsten Kommissionsmitglieder aus der Dritten Welt, ein berühmter Schürzenjäger, überraschte mich eines Tages mit einer Einladung auf sein Zimmer. Ich dankte ihm für das Kompliment, sagte jedoch, ich hielte es lieber mit einem alten Sprichwort: »Niemals bei der Arbeit.« Doch er konterte mit einem anderen Sprichwort, an das er sich halte: »Sag niemals nie.« Ganz offenkundig war die Atmosphäre freundlicher geworden. Als jedoch die Abschlußberatungen der Kommission näher rückten, konnte keiner von uns erkennen, wie wir irgendeinen vernünftigen Bericht zustande bringen könnten, denn die Gruppe schien weitgehend aus Primadonnen zu bestehen, die sich auf fast nichts einigen konnten. Unser Vorsitzender war indes fest entschlossen, bei der Schlußsitzung irgendeinen Bericht durchzupauken. In einer von Ärger und Aufregung geprägten Nachmittagssitzung verlor Willy Brandt mit hochrotem Kopf und schwer atmend schließlich die Fassung. Er gab eine persönliche Schlußerklärung ab und zog sich, deprimiert über unseren Mangel an Fortschritten, endgültig zurück. Die verbliebenen Kommissionsmitglieder beschlossen, daß für den Süden Shridath (Sonny) Ramphal aus Guyana und für den Norden Ted Heath gemeinsam mit Brandts Berater Michael Hoffmann den Entwurf für einen Schlußbericht erarbeiten sollten. Danach trafen wir uns unter Leitung von Ted Heath noch ein letztes Mal, um uns durch die Kommentare der Mitglieder zu den einzelnen Sektionen des Berichtsentwurfs hindurchzuarbeiten. Glücklicherweise kam Brandt, wie sich Ted später erinnerte, verspätet in England an, so daß Ted die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und Entscheidungen erzwingen konnte. Der Schlußbericht wurde verabschiedet. Und welchen Effekt hatte er? In bestimmten europäischen Ländern einen großen, doch in den Vereinigten Staaten fast keinen. Wir hatten uns am Verhandlungstisch geeinigt, doch im Abschlußbericht standen für jeden von uns Dinge, die er oder sie eigentlich nicht gutheißen konnte. Aber es gab am Ende nur noch die Wahl, den Bericht als Ganzes zu unterschreiben oder die Unterschrift zu verweigern. Wir unterschrieben alle. Der Bericht erwies sich letztlich als genau das, was er eigentlich nicht sein sollte, weil die verschiedenen Kommissionsmitglieder am Ende doch nur die Standpunkte ihrer Länder oder Wähler vertraten.
Das Presseecho in den USA auf die Arbeit der Kommission war gering selbst in der Washington Post. Wenigstens etwas konnte ich vielleicht dadurch bewirken, daß ich die Newsweek-Redakteure dafür gewann, sich mit der Thematik zu befassen und sogar eine Titelgeschichte über die Dritte Welt einzuplanen. Ich wußte natürlich, daß das kein Knüller werden würde, aber ich glaubte, daß wir unseren Lesern diese Informationen schuldig seien. Nach einigem Drängeln meinerseits brachte Newsweek schließlich kurz nach Veröffentlichung des Abschlußberichts der Brandt-Kommission die versprochene Titelgeschichte. Zur kaum verhohlenen Freude der Redakteure erwies sich diese Nummer jedoch als der Reinfall des Jahres. Obwohl ich damals noch Verlegerin der Washington Post war, investierte ich bereits wesentlich mehr Energie und Arbeit in die Leitung der Washington Post Company. Schon eine ganze Weile hatte ich daran gedacht, Don die Zeitung zu übergeben und ihn zum Verleger zu machen, doch ich war mir über einige Fragen noch nicht im klaren: Wann wäre dieser Übergang für Don am besten? Wann für mich? Und wann wäre er am besten für die Post? Ende 1978 fungierte ich dem Titel nach seit fast einem Jahrzehnt als Verlegerin der Post, de facto sogar schon einige Jahre länger. Und nun hielt ich den geeigneten Zeitpunkt für einen Wechsel für gekommen. Als Mutter hatte ich genug Distanz zu Don, um zu wissen, daß er bereit und in der Lage war, die neue Aufgabe zu übernehmen. Er war für sein Alter schon immer sehr reif gewesen - überaus fleißig, gewissenhaft, anständig, klug und fähig. Und ich mußte mich jetzt auf die Arbeit an der Spitze des Konzerns konzentrieren, als Aufsichtsratsvorsitzende und Firmenchefin (Chief Executive Officer). Diese Aufgaben wurden immer umfangreicher und anspruchsvoller. Auch war ich zu dem Schluß gekommen, daß bei der Zuständigkeit für die Kommentarseite der Post ein Wechsel unausweichlich geworden war. Phil Geyelins Probleme konnte ich nicht für ihn lösen, und die Lage war für alle Beteiligten bereits sehr schwierig geworden. Darum war ich dafür, daß Phil in Pension gehen und Meg Greenfield seine Nachfolgerin werden sollte. Und ich wußte, daß auch Don diese Ansicht teilte. Doch aus zwei Gründen wollte ich nicht diejenige sein, die diesen Wechsel in die Wege leitete: Erstens war Meg meine Freundin, und ich hatte Angst, ihre Beförderung könnte mir als reiner Freundschaftsdienst negativ angekreidet werden. Und zweitens - wobei dieser Grund für mich wesentlich schwerer wog, weil ich selbst nach der Übernahme der Post die entsprechende Erfahrung gemacht hatte, als ich Ben Bradlee engagiert hatte: Es entsteht eine ganz andere Bindung zu den Mitarbeitern, die man sich selbst ausgesucht hat, als zu denen, die man vom Vorgänger übernommen hat. Darum wollte ich nicht, daß Don eine von mir eingesetzte Herausgeberin Meg Greenfield übernahm, auch wenn wir hinsichtlich Megs Person und Qualitäten einer Meinung waren. Don sollte selbst in der Lage sein, seine eigene Wahl für Phil Geyelins Nachfolge zu treffen.
Ich beschloß also, Anfang des folgenden Jahres den überfälligen Schritt zu vollziehen.
Am 10. Januar 1979 übergab ich auf einer routinemäßigen Sitzung der erweiterten Redaktion Titel und Würde des Verlegers der Washington Post an Don. Und nachdem ich den Wechsel verkündet hatte, beantwortete ich öffentlich auch gleich einige der Fragen, mit denen ich privat so lange gerungen hatte: was dieser Übergang bedeute, und warum er zu diesem Zeitpunkt vollzogen werde. »Auf die Frage: Warum gerade jetzt? gibt es in der Tat eine einfache Antwort: Weil Don bereit ist, und weil ich bereit bin. Ich vermute sogar, daß Don schon eher bereit war als ich«, sagte ich der Belegschaft. Und Don antwortete mit der ihm eigenen Eleganz: »Meine Mutter hat mir alles andere als ein leichtes Erbe hinterlassen; es wird nicht einfach sein, in ihre großen Fußstapfen zu treten.« Mein Vater, Phil, mein Sohn und ich hatten alle eines gemeinsam: eine große Liebe zum Zeitungsgeschäft. Doch Don unterschied sich von uns auch in wesentlichen Punkten. Es beginnt schon damit, daß er von der Erfahrung und vom Temperament her weit besser qualifiziert war als wir anderen zum Zeitpunkt der Übernahme des Blattes. Bereits bei der Schülerzeitung St. Albans News und der College-Zeitung Harvard Crimson hatte er sich seine Sporen als Redakteur verdient. Am Journalismus war er eindeutig schon immer interessiert gewesen. Als er in Vietnam stationiert war, hatten wir uns Briefe über seine Zukunft bei der Post geschrieben, er hatte sich dann aber entschlossen, seinen Eintritt bei der Post noch eine Weile aufzuschieben, um erst noch mehr über die Welt zu erfahren. Nachdrücklich vertrat er die Auffassung, daß man »kein guter Zeitungsmensch sein kann, wenn man sein ganzes Leben nichts anderes getan hat, als für Zeitungen zu arbeiten«. Außer seinem Vater hatten ihm auch andere, an deren Rat ihm lag, gesagt, die bestmögliche Vorbereitung für jeden Job bestehe darin, möglichst viele unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln. Besonders viel hatte Don dabei von John Gardner und Scotty Reston gelernt. Scotty hatte ihm gesagt, wichtig sei vor allem, daß »man sich von niemandem sagen lassen muß: >Du verstehst meine Situation einfach nicht.<« Im Dezember 1967 schrieb mir Don: »Instinktiv sehe ich, daß ich, wenn ich erst einmal angefangen habe, für die Post zu arbeiten, nie wieder für jemand anders arbeiten werde. Und es gibt verdammt viel, was ich vorher noch tun möchte.« Nach der Rückkehr aus Vietnam wurde Don also erst einmal Polizist im District of Columbia. Nachdem der beliebte, langjährige Polizeireporter der Post, Al Lewis, davon gehört hatte, kam er zu mir und sagte: »Ich kann das verhindern, wenn Sie wollen. Das ist viel zu gefährlich. Wir wollen ihn doch nicht in einem solchen Job auf der Straße herumlaufen lassen.« In gewisser Weise wollte ich das auch nicht - die Aufgabe war wirklich gefährlich, und ich machte mir Sorgen -, aber ich wußte auch, daß Don genau das tun wollte und daß er gute Gründe für seine Entscheidung hatte. Seltsamerweise schien er in seiner Zeit bei der Polizei deutlich erwachsener zu werden als zuvor in den zwei Jahren bei der Armee. Auf meine Frage, woran das wohl liege, antwortete er: »Oh, das ist ganz einfach. In der Armee kriegst du den ganzen Tag immer gesagt, was du tun sollst, während du bei der Polizei laufend in schwierigen Situationen vor Ort und ohne lange zu überlegen deine eigenen Entscheidungen treffen mußt.« Bei der Post begann Don im Januar 1971 als Stadtreporter und durchlief dann eine ganze Reihe verschiedener Jobs in unterschiedlichen Abteilungen - vom Buchhalter bis zum Stellvertreter des für die häusliche Zustellung zuständigen Vertriebsmanagers, vom Angestellten in der Werbeabteilung bis zum Anzeigenakquisiteur, vom stellvertretenden Produktionsmanager bis zur Tätigkeit im Newsweek-Büro in Los Angeles. Im Herbst 1974 hatte Ben Bradlee ein Problem in der Sportredaktion: Zwei leitende Redakteure lieferten sich zum Schaden der ganzen Abteilung einen Kleinkrieg. Ohne mich zu fragen, löste Ben das Problem einfach dadurch, daß er Don den Job des verantwortlichen Sportredakteurs anbot. Mir hatte dagegen vorgeschwebt, Dons Ausbildung vor allem durch weitere Verwendung im kaufmännischen Bereich voranzutreiben, und ich war ein wenig irritiert, daß Ben nun sein Problem ausgerechnet auf meine Kosten lösen wollte. Andererseits sah ich aber auch, daß Bens Angebot Don eine großartige Möglichkeit für einen verantwortlichen Posten auf der mittleren Karriereebene bot. Hier konnte er seine Leidenschaft für die redaktionelle Seite des Zeitungsgeschäfts genauso einbringen wie seine große Liebe zum Sport, und darum war es für mich undenkbar, Don Steine in den Weg zu legen, indem ich meine Zustimmung zu dieser Lösung verweigerte. Allerdings gab ich mein Plazet nur unter der Bedingung, daß Don nicht länger als ein Jahr auf diesem Posten verweile und am Ende für seinen eigenen Nachfolger sorge (was ihm mit George Solomon auf brillante Weise gelang). In jenem Jahr, in dem er für die Sportredaktion verantwortlich war, arbeitete Dort härter, als ich jemand anders je habe arbeiten sehen. Einmal traf ich ihn um drei Uhr morgens an seinem Schreibtisch an und fragte, was er denn um diese Zeit dort noch zu tun habe. Seine Antwort lautete, daß i er, seit er einmal in der Herstellung gearbeitet habe, genau wisse, wieviel allerletzte Ergebnismeldungen man zwischen zwei und drei Uhr morgens noch durch die Setzerei bringen könne, ohne das pünktliche Erscheinen des Blattes zu gefährden. Nach dem Ende seines Jahres in der Sportredaktion wurde Don stellvertretender Generalmanager der Zeitung, und in dieser Funktion war er mir, wie schon geschildert, während des Druckerstreiks eine enorme Hilfe.
Ohne seine Dienste hätte es die Zeitung in dieser Krise wesentlich schwerer gehabt. Damals wurde mir klar, daß er trotz seiner erst dreißig Jahre schon mehr als bereit war, die Rolle des Verlegers zu übernehmen. Das Verhältnis zwischen ihm und mir hätte unendlich schwierig sein können, aber wir haben beide einiges dafür getan, daß alles reibungslos lief. Es ist schon nicht einfach, den eigenen Vater als Chef vor der Nase zu haben, aber die Mutter als Chefin ist sogar noch schwerer zu ertragen. Darum fällt Don der größere Anteil an dem Verdienst zu, daß unser berufliches Verhältnis sich so glücklich gestaltet hat. Gleich nach seinem Amtsantritt als Verleger ernannte Don Meg Greenfield als Nachfolgerin Phil Geyelins zur verantwortlichen Chefredakteurin für die Kommentarseite. Natürlich gab es bei diesem Wechsel zunächst auch die vorhersehbaren Spannungen und Probleme. Meg verschaffte der Meinungsseite jedoch neuen Schwung, und sie ist seither für diesen Bereich ebenso zuständig geblieben wie für die Seite »Vermischtes«. Außerdem schreibt sie auf höchstem Niveau regelmäßig ihre Kolumnen für Post und Newsweek. Ich hatte zwar schon immer gewußt, daß Don eines Tages Verleger der Post werden würde, aber nicht geahnt, daß es mir so schwer fallen würde, diesen Posten aufzugeben. Der Wechsel setzte mir emotional stark zu, und ich mußte mich immer wieder zusammenreißen, um damit zurechtzukommen, wußte aber, daß die Entscheidung richtig war. »Verlegerin der Post« war ein Titel, an dem ich wirklich sehr hing. Ich liebte es über alles, direkt ins Geschehen bei der Post verwickelt zu sein. Die frühen Jahre der Teilhabe am Überlebenskampf des Blattes unter meinem Vater und dann unter Phil sowie meine eigene dramatische Zeit als Verlegerin hatten bei mir zu einer unermeßlichen und unerschütterlichen Verbundenheit mit der Post geführt. Aber ich wollte nicht den Fehler machen, zu lange an meinem Sessel zu kleben, nur weil mir die Arbeit soviel Befriedigung verschaffte.
Unverkennbar litt ich also unter Trennungsschmerz, doch als ich ging, warteten ein ohnehin schon überfüllter Terminkalender und die Herausforderung, einen Medienkonzern zu leiten, auf mich. Als Aufsichtsratsvorsitzende und Chief Executive Officer war ich verantwortlich für Wachstum, Stabilität und wirtschaftliche Gesundheit eines Halbmilliardendollar Unternehmens mit fünftausend Beschäftigten und rund zweitausend Aktionären. Im Herbst 1979 ging es dem Unternehmen finanziell recht gut - auch die Aktienkurse waren leicht gestiegen -, aber wie immer gab es auch Probleme, vor allem die unvermindert andauernden Schwierigkeiten bei der Trenton Times und bei Inside Sports, aber auch einen leichten Rückgang bei den Einnahmen. Daß ich all diese Dinge wirklich zum Guten wenden könnte, traute ich mir allerdings nicht unbedingt zu. Warren und ich waren gerade zu einem gemeinsamen Wochenende in Glen Welby unterwegs, als er mir so taktvoll und sanft, wie es ging, die Nachricht überbrachte, daß Bill Ruane und Sandy Gottesman, enge Freunde von Warren und Investoren, die für sich selbst und ihre Klienten große Aktienpakete der Washington Post Company erworben hatten, Aktien im Wert von zig Millionen Dollar verkaufen wollten. Ruane managte den Sequoia Fund, während Gottesman zu den Partnern der First Manhattan Company gehörte. Und diese beiden Investmentfonds wollten nun alle oder einen großen Teil ihrer Post-Aktien veräußern. Warren hatte lange darüber nachgedacht, wie er mir diese Nachricht am besten überbringen könne, und versucht, mir die bittere Pille so weit wie möglich zu versüßen. Ich muß jedoch gestehen, daß meine unmittelbare Reaktion ein Tränenausbruch war. Da waren sie also, diese schrecklich cleveren Investoren, deren Urteil angeblich so fundiert war und die nun nicht länger an uns glaubten. Da würden sich ihnen die anderen Aktionäre doch in Scharen anschließen. Ich sah den Entschluß der beiden Großinvestoren als ein vernichtendes Urteil über meine Managementfähigkeiten an.
Warren bemühte sich verzweifelt und nach besten Kräften, mich zu trösten, indem er mir erklärte, Bill sei der Meinung, daß er mit den Post-Aktien bislang so gut gefahren sei, daß sie paradoxerweise sein Portfolio-Management eher belasteten als entlasteten. Seine eigenen Aktien werde Bill Ruane auf jeden Fall behalten. »Du kennst die Wall Street eben nicht«, versuchte Warren mich zu beruhigen. »Dort denken die Leute einfach nicht langfristig. Erst wenn deine Aktien den Kurs von 100 Dollar erreicht haben, werden sie sich an der Wall Street darauf stürzen.« Natürlich glaubte ich, Warren sage das nur, um mich aufzuheitern; der Gedanke, daß unsere Aktie jemals die Marke von 100 Dollar erreichen würde, erschien mir absurd. Nein, solche Worte konnten mich nicht trösten. Warren sah die Dinge natürlich ganz anders als ich, und für ihn erschien Bills und Sandys Vorgehensweise in völlig anderem Licht. Er sah die Vorgänge wirklich als enormes Plus für unsere Firma an, vergleichbar fast mit dem Aufkauf der Washington Times-Herald. Obwohl er wußte, daß mich der Gedanke an diese Aktientransaktionen tieftraurig stimmen würde, war ihm sofort klar, wie sehr unsere Firma in Zukunft davon profitieren würde, daß diese Aktienpakete gerade jetzt verkauft wurden. Er versuchte also, mich zu überzeugen, daß wir lieber eine Party feiern sollten, und fügte hinzu: »Mach dir keine Sorgen. Was sie verkaufen, kaufen wir einfach selbst. Das wird für uns von Vorteil sein, und sie werden es bedauern.« Ich konnte zwar nicht aufhören, mir Sorgen zu machen, aber wir kauften die Aktien auf - zu einem Durchschnittspreis von 21,91 Dollar, während Bill und Sandy ursprünglich nur 6,50 Dollar dafür gezahlt hatten. Zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt sprachen Warren und ich einmal über Frauen, die angesichts geschäftlicher Probleme in Tränen ausbrechen. Da erinnerte ich ihn an unsere gemeinsame Autofahrt nach Glen Welby. »Nun«, sagte er lächelnd, »wir haben damals mehrere hundert Millionen Dollar verdient. Wenn du also das nächste Mal wieder in Tränen ausbrechen willst, dann gib mir doch bitte vorher Bescheid.« Und er fügte hinzu: »Sieh es doch mal aus dieser Warte, Kay. Wenn du die Aktien nicht zurückgekauft hättest, dann wäre ich in Tränen ausgebrochen. Einer von uns beiden mußte also auf jeden Fall heulen.«
Vom Herbst 1979 an konzentrierte ich mich auf den Versuch, die ganze Firma endgültig auf Vordermann zu bringen. Ich schied aus den meisten anderen Gremien aus, in denen ich noch mitgearbeitet hatte - darunter die Kuratorien der University of Chicago und der George Washington University sowie der Aufsichtsrat von Allied Chemical - und engagierte mich dafür wesentlich aktiver in Verbänden, die mit den Medien und Zeitungen zu tun hatten: etwa beim Bureau of Advertising, im Aufsichtsrat der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und - besonders wichtig - im Vorstand der American Newspaper Publishers Association (ANPA, Verband der amerikanischen Zeitungsverleger). Angesichts all der Probleme, mit denen ich mich damals in der Washington Post Company herumzuschlagen hatte, mag es vielleicht verrückt erscheinen, daß ich mich so aktiv gleich in allen drei Branchenverbänden engagierte. Doch in allen dreien gab es sonst keine Frauen, und darum war meine Mitarbeit dort sehr erwünscht und hilfreich. Sie diente der ganzen Branche, und mir verschaffte sie einen besseren Einblick in die Probleme, mit denen sich auch andere Medienkonzerne auseinanderzusetzen hatten. Im Bureau of Advertising, in dem ich schon von 1971 bis 1979 mitgearbeitet hatte, war ich von 1980 bis 1982 im Vorstand. Dieser Branchenverband war nicht unbedingt nach Phils Geschmack gewesen, aber ich fühlte mich dort wohl. Zum Zeitpunkt meiner Wahl war der Verbandsvorstand allerdings ausgesprochen unausgewogen zusammengesetzt: nur Männer, nur Weiße, fast nur Leute mit kaufmännischem Hintergrund und fast keine Redakteure. Die achtzehn Direktoren im Aufsichtsrat (Board) von AP wurden von den Mitgliedern der Agentur gewählt, und jeder, der gewählt werden wollte, mußte zuvor einen Wahlkampf bestreiten, was mir persönlich Probleme bereitete. Man hatte mich zwar gewarnt, daß es die meisten Kandidaten nicht beim ersten Anlauf schafften, aber ich war dann trotzdem enttäuscht, als ich bei meinem ersten Versuch eine Niederlage einstecken mußte. Im folgenden Jahr, im April 1974, ging ich dann systematischer vor und gewann. Damit wurde ich die erste und einzige Frau im Board und absolvierte danach bis 1983 die drei zulässigen Wahlperioden. In den Vorstand der ANPA wurde ich 1973 gewählt, ebenfalls als erste Frau. Doch diese Wahl wurde erst nach dem Ausscheiden eines anderen Mitglieds möglich, das strikt gegen Frauen im Vorstand gewesen war. Damals wechselte der Vorstandsvorsitz alle zwei Jahre zwischen einem Vertreter der kleineren Blätter und dem Verleger einer großen Zeitung. Nach einem sehr undemokratischen Verfahren bestimmte der jeweilige Amtsinhaber seinen Nachfolger praktisch im Alleingang. 1979 trat Al Neuharth, der damalige ANPA-Vorsitzende, mit dem Vorschlag an mich heran, ich solle nach Len Small, dem Verleger einer Gruppe von Kleinstadtzeitungen aus Illinois, als dessen Nachfolgerin übernächste Verbandsvorsitzende werden. An so etwas hatte ich überhaupt noch nicht gedacht, aber Al wollte mich unbedingt in diesem Amt sehen. Nur ganz allmählich konnte ich mich damit anfreunden, hielt es dann aber doch für meine Pflicht, diese Aufgabe zu übernehmen. Len Small machte also schon frühzeitig bekannt, daß ich nach Ablauf seiner Amtszeit 1981 nächste ANPA-Vorsitzende werden solle. Allerdings kam Len tragischerweise bei einem Autounfall ums Leben, und ich mußte praktisch ohne jede Vorbereitungszeit schon im April 1980 den Vorsitz übernehmen. Eine so große, heterogene Organisation wie die ANPA zu führen schließlich haben die großen und die kleinen Blätter durchaus unterschiedliche Ansichten und Interessen -, und das als einzige Frau unter lauter Männern, brachte viele zusätzliche Belastungen mit sich. Anfangs hatte ich unglaubliche Angst davor, bei den zweitägigen Vorstandssitzungen und bei Konferenzen des Verbandes den Vorsitz zu führen sowie zwischendurch mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle in Reston, Virginia, zusammenzuarbeiten. Hinzu kam, daß auch bei der inhaltlichen Arbeit einige »dicke Brocken« in meine Amtszeit fielen: die Probleme des heraufziehenden elektronischen Zeitalters und die Herausforderung der Telefongesellschaften. Als Konzernchefin hatte ich mich um Dinge zu kümmern wie die Auflagenüberwachung bei Post und Newsweek, die Kosten für Zeitungspapier oder die andauernden Ertragsprobleme bei unseren Rundfunk- und Fernsehstationen. Ich versuchte, mich auf strategische Firmenplanung zu konzentrieren, und hoffte, in den einzelnen Konzernabteilungen Fortschritte zu machen. Vor allem wollte ich das Verhältnis der Abteilungen untereinander verbessern.
Wir benötigten immer noch eine solidere Wachstumspolitik für die ganze Firma. Zum Thema Wachstum hatte ich mir selbst schonjahrelang Gedanken gemacht. Immer wieder hatte ich an Expansionsplänen gearbeitet und dazu auch den Rat und die Vorschläge anderer Leute eingeholt. Trotzdem waren kaum Fortschritte zu erkennen. Ebenfalls dachte ich über die Bedeutung von Leistungsbewertungen und Leistungsanreizen nach, seien sie finanzieller oder anderer Art. Und wie immer gab es auch Personalprobleme. Im Frühsommer 1979 stand an der Spitze von Newsweek schon wieder ein schmerzliches Revirement an. Unter Oz Elliott war Ed Kosner eine sehr erfolgreiche Nummer zwei gewesen, doch ohne Oz bekam er die große Redaktion einfach nicht in den Griff. Ed war ein Journalist von seltener Begabung, aber zum Manager fehlte ihm noch einiges. Entsprechend sank die Moral in der Redaktion auf einen Tiefpunkt. Ein Beteiligter beschrieb mir die Vorgänge als »eine Art Nervenzusammenbruch des ganzen Magazins«. Peter Derow und ich verbrachten viel Zeit mit der Diskussion der Frage, was nun zu tun sei. Leider hörte ich wieder einmal auf ihn und seinen Rat, statt meinen eigenen Instinkten zu folgen. Zum einen sagte ich Peter, wenn Ed so gravierende Probleme habe, müßten wir ihn zumindest vorwarnen. Doch Peter erwiderte: »Auf keinen Fall; wenn Sie das tun, ist bei ihm alles möglich. Der kriegt es fertig, spontan aus der Tür zu marschieren, und das war's dann.« Dummerweise gab ich Peter nach, statt, wie ich eigentlich wollte, mit Ed ganz offen über die Situation zu sprechen. Jeder, über dessen Rauswurf nachgedacht wird, hat eigentlich ein Anrecht auf ein solches Gespräch, das oft ja sogar Wunder wirkt. In der Zwischenzeit hatte ein Redakteur, der, wie ich aus unmittelbarer Erfahrung wußte, das Geschäft der Zeitungsredaktion bestens beherrschte, mit mir Kontakt aufgenommen. Ich meinte, daß seine Erfahrungen und Fähigkeiten auch auf die Redaktion eines wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazins übertragbar seien. Und vor allem war dies jemand, mit dem ich schon vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, der Ed Kosners Job gerne übernommen hätte und der meiner Meinung nach die perfekte Wahl gewesen wäre. Doch als ich diese Lösung mit Peter Derow besprach, brachte er mich davon ab, indem er die Risiken hervorhob, die darin lagen, einen Neuling ins Magazingeschäft zu transferieren. Erneut gab ich nach und beugte mich Peters anscheinend größerem Sachverstand. Wir kamen dann auf Lester Bernstein zurück, der schon einmal Leiter der Inlandsredaktion und Redaktionsgeschäftsführer bei Newsweek gewesen war. Für ein paar Jahre, so meinten wir, könne er eine sichere Übergangslösung sein, bis wir einen geeigneten neuen Herausgeber gefunden hätten. Daß diese Besetzung ein Fehler war, merkte ich allerdings schon, als Lester nichts Besseres zu tun hatte, als sofort einen Monat Urlaub zu nehmen. Als Peter und ich Ed die Nachricht von seiner Ablösung überbrachten, war er natürlich erregt und verärgert, und er hatte jedes Recht, sich über unser Vorgehen zu beschweren, denn keiner von uns hatte sich je ausführlich mit Ed über die grundlegenden Differenzen unterhalten. Es wurde eine Redaktionssitzung anberaumt, um die Mitarbeiter über den Wechsel zu informieren. Ed kam lediglich herein, um zu sagen: »Ich gehe.« Dann verließ er Sitzung und Gebäude. Ich meldete mich direkt darauf zu Wort und sagte, daß mir die Abruptheit dieses Wechsels sehr leid tue. Dann lobte ich Ed und Lester und verließ ebenfalls den Raum. Ich wollte nur noch weg, und weil vor dem Aufzug eine große Menschenmenge wartete, lief ich sogar zu Fuß die Treppen vom vierzigsten in den zwölften Stock hinunter, wo sich die Büros der Konzernleitung befanden. Schon wieder ein Wechsel an der Spitze einer Redaktion - und schon wieder eine Gelegenheit für bestimmte Leute, mich als angeblich schwierige Frau in die Mangel zu nehmen. Oft ist mir aufgefallen, daß bei derartigen Wechseln gerade jene, die sich zuvor am entschiedensten über die alten Führungskräfte beschwert hatten, nun am lautesten Kritik übten an meiner »Art«, den Wechsel zu vollziehen - so plötzlich, so unerwartet, so grausam. Privat sagten mir die Leute dann, dieser Schritt sei genau zu diesem Zeitpunkt überfällig gewesen, um Newsweek einen Ausweg zu weisen. Allerdings waren erst noch zwei weitere vergebliche Anläufe erforderlich, bis wir endlich den richtigen Newsweek-Herausgeber gefunden hatten: Rick Smith. Und es blieb nicht bei diesem einen Wechsel: Meine Zusammenarbeit mit Mark Meagher verlief nicht so glatt wie gewünscht. Unser Verhältnis gestaltete sich immer aufreibender, je deutlicher mir wurde, daß auch Mark einer jener Spitzenmanager war, der die in ihn gesetzten Erwartungen letztlich nicht erfüllen konnte. Mark war ein guter Mann, und in bestimmten Bereichen besaß er außerordentliche Fähigkeiten, aber er war vielleicht doch noch zu jung und unerfahren, um den Job an der Spitze eines Konzerns mit voller Verantwortung für das operative Geschäft wirklich ausfüllen zu können. Im Juli 1980 kündigten wir an, daß Mark am Jahresende ausscheiden werde. Diese Entscheidung war mir um so schwerer gefallen, als ich ihn persönlich sehr gern mochte.
Vielleicht war dies der Tiefpunkt in meinem beruflichen Leben; auf jeden Fall war es eine der schmerzlichsten und entmutigendsten Phasen, die ich je durchmachen mußte. Marks Abgang erschien mir als Menetekel - nicht nur als persönliche Niederlage, sondern auch als Zeichen dafür, daß sich die Firma insgesamt im Umbruch und auf der Suche befand. Der Konzern wurde jedenfalls nicht gut geführt. Uns war keine spürbare, substantielle Expansion geglückt, und im Newsweek-Management herrschte die reine Konfusion. Diesmal schlug die Presse wirklich auf mich ein. Sogar die Zahl der Wechsel auf der Führungsebene des Konzerns wurde übertrieben dargestellt teilweise, weil die Leute unsere Führungsstrukturen nicht kannten und die Zeitung mit dem Konzern vermengten. Nun gab es in der Firma keinen mehr, den ich zum neuen Präsidenten hätte ernennen können, ich mußte nach einem externen Kandidaten suchen. Unglücklicherweise war ich durch die Fehlgriffe der letzten Zeit derart verunsichert und entmutigt, daß ich befürchtete, unsere Methoden der Personalsuche seien vielleicht grundlegend nicht in Ordnung. Mein Ruf als eine in der Zusammenarbeit schwierige Frau machte die Suche schon unter optimalen Bedingungen nicht gerade leicht. Zudem kursierten Gerüchte, niemand anders als Don könne Präsident werden, denn wer werde es schon riskieren, sich zwischen Mutter und Sohn zerreiben zu lassen? Doch Don war immer noch sehr jung und hatte erst im Jahr zuvor die Post als Verleger übernommen. Gerade als ich mich nach Hilfe umsah, machte Peter Derow den Vorschlag, eine Unternehmensberatung heranzuziehen. (Er saß inzwischen im Aufsichtsrat der Washington Post Company und bekleidete bei Newsweek nach Bob Campbells Ausscheiden außer der Position des Präsidenten auch noch die des Chairman.) Die Unternehmensberatung solle den Konzern gründlich unter die Lupe nehmen und mir bei meinen Führungsaufgaben administrative Unterstützung geben. Ich hielt diese Idee für durchaus nicht abwegig, und wir zogen McKinsey & Company hinzu. Im darauffolgenden Jahr fanden mehrere Treffen zwischen den McKinsey-Leuten und Vertretern unserer Firma statt; dabei wurde endlos darüber geredet, was wir getan hatten und welche Ziele wir zu erreichen hofften.
Dieser ganze Konsultationsprozeß verblüffte mich immer mehr, denn anscheinend geschah kaum etwas anderes, als daß die McKinsey-Leute alles, was wir ihnen gesagt hatten, in etwas anderer, aber nicht sehr hilfreicher Form wiederkäuten. Besonders unklug im McKinsey-Bericht war der Vorschlag, wir sollten doch aufhören, unsere eigenen Aktien zurückzukaufen: Bei einem Aktienpreis von 20 oder 21 Dollar sei das ja durchaus in Ordnung gewesen, aber jetzt, da die Aktie auf 26 Dollar gestiegen sei, sei es einfach nicht mehr sinnvoll. Eine Zeitlang hielt ich mich an diesen Rat, obwohl, wie mir Warren wiederholt versicherte, jeder andere Kenner der Szene mir gesagt hätte, daß der Marktwert unseres Konzerns damals bei über 400 Millionen Dollar lag, während der Börsenwert aller Aktien immer noch erst ein Viertel dieses Betrages ausmachte. Vielleicht hatte sich bei McKinsey niemand die Mühe gemacht, diese simplen mathematischen Relationen einmal durchzurechnen. Später bezeichnete Don die betreffende Seite im McKinsey-Bericht nur noch als »Halbmilliardendollarseite« - denn so viel kostete uns dieser Vorschlag im Endeffekt an verlorenen Firmenwerten. Gleichzeitig arbeitete ich bei der Suche nach einem neuen Präsidenten der Washington Post Company mit einem »Headhunter« zusammen. Es gab verschiedene Treffen mit diesem Vermittler und potentiellen Kandidaten, doch keiner der Bewerber erschien mir annehmbar, und viele entsprachen dem, was mir vorschwebte, nicht im geringsten. Irgendwann erwies sich die Häufung all dieser Anforderungen, Sorgen und Ängste einfach als zuviel. Die Überlastung forderte ihren Tribut. Bei einem Aufenthalt in New York im März 1981, bei dem ich vor Werbeleuten sprach, zog ich mir eine Lungenentzündung zu. Zwölf Tage lag ich dort im Krankenhaus, und als ich wieder nach Hause kam, war ich außerordentlich geschwächt. Direkt nach meiner Rückkehr erhielt ich einen Anruf von Jim Shepley, dem Präsidenten der Time Inc. und Chairman, der um eine persönliche Unterredung bat. Damit kündigte sich ein weiterer dramatischer Moment in unserem Leben an - zumindest in Dons und meinem Leben. Denn Shepleys Anruf bedeutete nichts anderes, als daß Time Inc. beim Star in Nöten war und Handlungsbedarf sah. Man wollte mit uns über die Möglichkeit einer gemeinsamen Herstellung beider Zeitungen verhandeln. Unsere Familie hatte immer ein ernsthaftes Konkurrenzblatt gewollt und den Wettbewerb begrüßt. Unserer Meinung nach fuhren damit alle Seiten besser als ohne Konkurrenz. Darum trafen Don, Warren und ich wiederholt mit unseren Anwälten und Vertretern des Star zusammen, um eine entsprechende Übereinkunft zu erzielen. Die Verhandlungen liefen immer noch, als zehn Tage nach unserem letzten Treffen offizielle Vertreter von Time Inc. eine Pressekonferenz abhielten, auf der verkündet wurde, der Star werde in zwei Wochen sein Erscheinen einstellen. Ich hörte die Nachricht im Autoradio auf dem Weg zur Arbeit, und diese Ankündigung rief in mir sehr unterschiedliche Gefühle hervor: Zunächst und vor allem war ich tieftraurig darüber, daß es so weit kommen mußte, daß Washington eine gute Zeitung mit vielen treuen Lesern verlieren sollte - ganz zu schweigen von den Beschäftigten, für die eine Welt untergehen würde. Aber ich war auch fast benommen, als mir klar wurde, daß dies nach all den Jahren des Ringens ein grandioser, endgültiger Sieg war, wenn auch einer mit bitterem Beigeschmack. Der Star war kein verhaßter Konkurrent, sondern einer, vor dem wir Respekt hatten.
Es war danach noch die Rede von möglichen Kaufinteressenten für den Star, doch solche Pläne erschienen unwahrscheinlich. Genannt wurden unter anderen Rupert Murdoch, Walter Annenberg, Mortimer Zukkerman und Armand Hammer. Um zu verhindern, daß jemand die Zeitung nur kaufte, um vom Verkauf des Betriebsvermögens und der Immobilien zu profitieren, legte Time Inc. für potentielle Käufer rigorose Auflagen fest. Wir von der Post setzten unsere Gespräche über mögliche andere Kooperationsabkommen mit Vertretern des Star, aber auch mit anderen, darunter Al Neuharth und Armand Hammer, fort, doch letztlich schien es keine Möglichkeit mehr zu geben, den Star noch zu retten. Am 27. August 1981 stellte das Blatt nach 128 Jahren sein Erscheinen ein. Schadenfreude gab es nicht. Don sagte zu Recht: »Dies ist ein trauriger Tag für Washington und für das Zeitungswesen«, denn die Stadt und das Land hatten eine große amerikanische Zeitung verloren. In einem Leitartikel der Post hieß es einige Tage später: »Niemand wollte, daß der Star verlosch, aber nun ist er doch erloschen. Trauer, Nostalgie, Wut, Sentimentalität und Besorgnis - all diese Emotionen wurden durch den Verlust geweckt, und die Leute bei der Post teilen diese Gefühle.« Nachdem fast ein weiterer Monat verstrichen war und Klarheit herrschte, daß niemand mehr auf den Plan treten würde, um den untergegangenen Star zu neuem Leben zu erwecken, kauften wir die Grundstücke und Produktionsanlagen. Auch einige der besten Autoren des Blattes fanden bei uns eine neue Heimat. Ebenso konnten wir aus der Konkursmasse viele neue Leser gewinnen, so daß wir trotz unserer neuen Druckerei in Springfield das Star-Gebäude samt Druckerei dringend benötigten. Heute noch wird die Post dort gedruckt. Vor Ablauf eines weiteren Jahres wurde dann in Washington ein neues Blatt gegründet, die Washington Times. Dahinter steht, auch finanziell, die Unification Church. Auflagenhöhe und Anzeigenaufkommen dieser Zeitung sind gering, doch redaktionell stellt das Blatt eine lebendige, konservative Stimme dar - auch wenn die Kosten für die kirchlichen Träger immens sind. Offenbar sind den Leuten, die das Blatt unterstützen, Hauptstadtpräsenz und die Möglichkeit, bei der Regierung Gehör zu finden, diesen Preis wert.
Der Anfang vom Ende des Star war freilich nicht das einzige dramatische Ereignis im Frühjahr 1981. Im vorangegangenen Herbst war auf der Titelseite der Post ein Artikel von Janet Cooke erschienen, die zur Schar unserer jungen, intelligenten neuen Reporter und Reporterinnen gehörte. Als »Jimmy's World«, das Porträt eines achtjährigen Heroinsüchtigen, erschien, war Janet gerade sechsundzwanzig Jahre alt. Dieser Artikel war zunächst Stadtgespräch, wurde dann über unsere Nachrichtenagentur verbreitet und national wie international berühmt. Wir hielten die Story für so gut und so gut geschrieben, daß wir sie für einen Pulitzerpreis einreichten, der ihr prompt auch zugesprochen wurde. Am Tag nach der Preisverkündung begannen allerdings die Probleme, denn es stellte sich heraus, daß es im eingereichten Lebenslauf der Autorin Unstimmigkeiten und Übertreibungen, ja regelrechte Unwahrheiten gab. Als die Lebensläufe der Pulitzer-Preisträger in verschiedenen Zeitungen erschienen, rief das Vassar College bei uns an, um mitzuteilen, daß Janet Cooke dort keinen Studienabschluß mit Auszeichnung gemacht habe. Sie hatte dort überhaupt kein Examen abgelegt, sondern das renommierte College nur ein Jahr lang besucht, um dann auf die University of Toledo überzuwechseln, wo sie entgegen ihren Behauptungen ebenfalls keinen Magisterabschluß gemacht hatte, sondern nur einen Bachelor of Arts. Die Leute vom Toledo Blade riefen bei Associated Press an und wiesen darauf hin, daß zwischen den Angaben, die Janet über ihre Mitarbeit bei dieser Zeitung gemacht hatte, und den Unterlagen der Zeitung Diskrepanzen bestünden. Und als wir daraufhin Janets Angaben selbst überprüften, stellten sich weitere Unwahrheiten heraus - so beherrschte sie zum Beispiel nicht wie behauptet mehrere Sprachen. Am 15. April 1981 gestand Janet Cooke den Redakteuren der Post schließlich, daß sie sich die ganze Story ausgedacht habe. »Jimmy« gab es nicht, und die dem Kind zugeschriebenen Zitate waren frei erfunden. Bestimmte Ereignisse, für die sich Cooke als Augenzeugin verbürgt hatte, waren nie passiert. Daraufhin schickte Ben folgendes Telegramm an zahlreiche Organisationen, die mit dem Nachrichtenwesen zu tun hatten: »Mit großem Bedauern müssen wir Ihnen leider mitteilen, daß Janet Cooke, die Reporterin der Washington Post, die am Montag mit dem Pulitzerpreis in der Sparte Features ausgezeichnet wurde, entschieden hat, daß sie den Preis nicht entgegennehmen kann ... Sie bedauert diesen Vorfall genauso wie die Washington Post. Sie hat um ihre Entlassung gebeten, und diesem Gesuch wurde stattgegeben.«
Umgehend beauftragten wir unseren Ombudsmann Bill Green, einen Bericht über das Geschehene zu verfassen und dabei auch auf Ursachen i und Hintergründe einzugehen. Das war unserer Meinung nach die objektivste Möglichkeit zur Klärung dieser überaus peinlichen Situation. Nur so konnten wir alle Hilfe zum besseren Verständnis unserer eigenen Fehler und Versäumnisse erhoffen. In der Tat war bei uns einiges schiefgelaufen. Niemals zum Beispiel hatte jemand Janet Cooke gründlich über ihre Reportage befragt. Man hatte ihr einfach vertraut, und sie schrieb so gut, daß niemand daran dachte, die Fakten der Story zu überprüfen. Ein Redakteur verließ sich auf den anderen, und so war die Story von Tisch zu Tisch gewandert, bis sie schließlich auf der Titelseite gelandet war. Selbst bei der Einstellung hatte man versäumt, Cookes biographische Angaben genau zu überprüfen. Ich glaube aber, daß wir, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, alles richtig gemacht haben. Wir ermittelten die Wahrheit und stellten sie, so grausam und peinlich sie für uns auch war, detailliert dar. Die Redaktion entschuldigte sich für den Vorfall, und wir nahmen unser internes System, das die Panne ermöglicht hatte, genauestens unter die Lupe. Bill Green stellte einige harte Fragen - darunter auch die, ob Cookes Hautfarbe (sie war eine Schwarze) dazu beigetragen habe, daß sie schneller Karriere machte, als es ratsam gewesen wäre. Und er zog eine Reihe von Schlußfolgerungen: Man habe den Reportern zu sehr vertraut; die jungen Reporter wollten nur noch Skandale ä la Watergate aufdecken; das Wettrennen um journalistische Auszeichnungen wirke wie Gift, neue Reporter sollten nicht so schnell vorangetrieben werden; die Redakteure hörten nicht genug auf ihre instinktiven Zweifel.
Janet Cooke warf der Zeitung vor, sie übe zuviel Druck auf ihre Reporter aus; diese sollten sich, statt solide Reportagen zu liefern, vor allem auf die Suche nach dem machen, was Bob Woodward Storys über »heilige Scheiße« nannte. Janet beschuldigte uns außerdem, einen harten Konkurrenzkampf unter den Reportern um den Zugang zur Titelseite zu entfachen. Im Zusammenhang mit der Cooke-Affäre reichte die journalistische Fakultät der (überwiegend von Schwarzen besuchten) Howard University eine offizielle Beschwerde gegen die Post ein, und die (linksliberale) New Republic brachte einen ihrer diversen Artikel über die Affäre unter der Oberschrift »Die Kinder von Deep Throat«. Mein Mitgefühl galt Don Graham, der sich als Verleger den harten Fragen in einer Pressekonferenz stellte und dabei eine gute Figur abgab. Und ich exponierte uns kollektiv sogar noch mehr, als ich Tom Winship anrief, den damaligen Vorsitzenden des Journalistenverbandes American Society of Newspaper Editors. Dieser Verband sollte kurz nach der Rückgabe des Pulitzerpreises durch Janet Cooke zu einer Tagung in Washington zusammenkommen. Ich fragte Tom, ob er eine eigene Sitzung zu diesem Thema plane. Als er verneinte und sagte, für die Ansetzung einer solchen Sitzung sei es inzwischen zu spät, erwiderte ich: »Sie werden sich in der gesamten Branche lächerlich machen, wenn Sie den Vorfall nicht ins Programm nehmen. Ich persönlich habe einen Horror davor, aber gegenwärtig ist das die alles überragende ethische Frage unserer Zunft. Deshalb sollten Sie dafür im Tagungsprogramm Zeit einplanen.« Tom stimmte zu und fügte eine Veranstaltung am frühen Morgen ein. Diese war sehr gut besucht, und unsere Redakteure mußten sich dort einiges anhören. Aber ich war stolz, daß Don Graham neben Ben Bradlee auf dem Podium stand und seinen Arm mehrfach um Bens Schulter legte. Ebenfalls anwesend war unser unvergleichlicher ehemaliger Herausgeber Russ Wiggins, der mit seinem typischen trockenen Humor sagte: »Ich bin begeistert vom Zustand der amerikanischen Presse. Jeder einzelne Redakteur, den ich getroffen habe, hat mir versichert, bei seiner Zeitung hätte das nicht passieren können.« Von allen Seiten mußten wir fürchterliche Prügel einstecken, und in gewisser Hinsicht zu Recht. Wir hatten eindeutig Fehler gemacht, und einige unserer Routinevorgänge hatten nicht richtig funktioniert.
Die penetrante Selbstgerechtigkeit in weiten Teilen der Branche aber, So als wären sie grundsätzlich gegen solche Fehler gefeit, hielt ich nicht nur für boshaft, sondern auch für kurzsichtig. Auf einer ANPA-Sitzung sagte ich später, ich sähe nun die Gefahr, »daß wir vor lauter Nervosität und Vorsicht ins andere Extrem verfallen und dabei den Aufgaben einer freien Presse nicht gerecht werden«. Als ob ich in dieser schwierigen Zeit nicht schon genug Sorgen und Ängste gehabt hätte, kam nun auch noch Peter Derow, um mir mitzuteilen, daß er einen neuen Job gefunden habe ironischerweise abermals bei CBS. Nur zu gern hätte er erneut vom Leder gezogen und mir vorgehalten, was alles mit mir und der Firma nicht in Ordnung sei. Doch inzwischen war ich selbstsicherer und härter geworden und ließ ihn einfach kühl abblitzen. Es schien ihn merklich zu irritieren, daß ihm dieses Vergnügen entgangen war. Erst als die Suche nach einem neuen Präsidenten der Washington Post Company ein wenig systematischer wurde, konnte ich der Zukunft wieder etwas optimistischer entgegensehen. Ich interviewte einen Kandidaten nach dem anderen, ohne anfangs schon genau zu wissen, wonach ich suchte. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, daß ich den richtigen Kandidaten schon erkennen würde, wenn er vor mir saß. Die Suche zog sich so lange hin, daß ich schließlich nur noch von der »Suche nach Mr. Wonderful« sprach. Doch im Verlauf dieses Prozesses wurde mir immer klarer, daß ich bestimmte Vorstellungen von den Zielen unserer Firma hatte und daß die Kandidatensuche mir dabei half, diese Vorstellungen herauszukristallisieren, während ich gleichzeitig das Profil meines Wunschkandidaten immer deutlicher vor Augen hatte. Als ich schließlich Anfang Juli 1981 Dick Simmons interviewte - er war Präsident von Dun & Bradstreet gewesen - sah ich in ihm sofort eine ganze Reihe jener Qualitäten, die mir, wie ich inzwischen wußte, wirklich wichtig waren. Dazu gehörten auch nachweisliche Erfolge als Spitzenmanager. Einige Tage später saßen Warren, Don, Mary Graham und ich mit Dick in meinem Haus beim Dinner zusammen, und dann traf ich mich mit ihm allein an einem Samstag zu einem mehrstündigen entspannten Gespräch. Nochmals zwei Wochen später bot ich Dick dann die Position des Präsidenten und Chief Operating Officer der Washington Post Company an. Nach über einem Jahr war die Suche nach »Mr. Wonderful« zu einem guten Ende gekommen.