April

Sonnabend 1ten
Isolde immer unwohl, viel Melancholie dadurch, doch hoffen wir, daß es nichts Ernstes wäre. Unangenehmer Brief von Herrn Unger, welcher, anstatt sich zu präsentieren, von der Notwendigkeit spricht, seine Mutter und Braut zu besuchen, und auch von einer Au-dition für den König. - Freund Feustel hält eine Rede in der Bürgerressource, in welcher er die Bürger auf die Pflichten, welche ihnen bevorstehen (bei den großen Aufführungen), aufmerksam macht.
Sonntag 2ten
Briefe geschrieben an E. O., welcher mir Ciaire Charnace verdächtigen will! An Ciaire auch und Mr. Tribert. Nachmittags Ausfahrt mit den Kindern. Siegfried heiser; er sagt bei Tisch: »Die Tage gefallen mir nicht mehr«, befragt erklärt er: »Weil alle Menschen sterben sollen.« Er tröstet sich damit, daß es noch dauert, bis alle Menschen sterben. Ich glaube, das Kind hat eine Ahnung von meinem Gram; ich glaube, wenn man aus Gram sterben kann, so müßte ich jetzt sterben! Rubinstein spielte »Les Adieux, l'absence et le retour« von Beethoven, vergangene Zeiten gingen bei diesen Klängen an mir vorüber, und ich mußte weinen; weinen und beten; ob Gott sich meiner erbarmt?... Ich kann an die Aufführungen nicht denken. O Gott, wie leicht war das Schwere, wie schwer ist irgend welcher Erfolg, irgend welche Befriedigung dem belasteten Herzen.
Montag 3ten bis 6ten
Immer Unterricht, Besorgungen, Geschäfte. Sorge um Wohnung, R. schreibt ein Circular, daß er keine freien Plätze wird geben können. Er liest eine Geschichte der Templer.[1] Ich das letzte Buch, welches mir die Mutter schickte, von Taine, »Les origines de la France contemporaine«. — Einsame Abende, R. erkältet.
Freitag 7ten
R. erhält einen Brief von Herrn Vogl, daß seine Frau guter Hoffnung ist; nun heißt es, eine neue Sieglinde schaffen, an Frau v. Voggenhuber telegraphiert R. - Herr v. Hülsen meldet, daß die Einnahme von I. Aufführung von Tristan 13 und so und so viel Mark eingetragen - R. erkältet, Fidi auch muß die Stube hüten.
Sonnabend 8ten
Kinder unterrichtet, ein wenig im Freien gewesen, dann beim heiseren Fidi! Abends im Mondschein spazieren.
Sonntag 9ten
Boni und Loldi heute gefeiert; der Papagei kommt an, Platho genannt, nach dem Associe von Herrn Feustel, welcher ihn ausgesucht! Große Freude der Kinder. Frau Voggenhuber nimmt die Sieglinde an. - Dr. Heigel schickt aus Berlin einen Roman, dessen Heldin Cosima heißt,[2] seltsame Empfindung. Die Kinder nach Fantaisie, ich mit Fidi daheim.
Montag 10ten
Heute der eigentliche Geburtstag![3] Schönes Wetter. Erinnerungen; für mich alles wehmütig. Vom Vater gute Nachrichten. R. beschäftigt sich mit dem Templerorden. Kummervolle Gedanken an Lulu. Unterricht den Kindern. Marie Hohenlohe und andre schreiben, daß der Vater sich ausgezeichnet befinde.
Dienstag 11ten
Herr Brandt kommt, ein eigentlicher Trost, da er einzig hilft; seine Berichte vom Theater sind unerquicklich; der Bauführer erweist sich als durchaus untätig. R. setzt Circulare auf, um die Sänger zu verbinden.
Mittwoch 12ten
Viel mit den Kindern; R. erhält einen Brief von Dr. Standhartner, Direktor Jauner stellt als Bedingung der Beurlaubung von Frau Materna: Tristan und Walküre für Wien nächsten Winter. So ist schon, bevor das Werk hier zu Stande gebracht, der Keim seiner Auflösung da! R. klagt, daß er von der Schmach seiner Kunst leben muß, und hat sich jetzt schon zu sagen, daß selbst die hiesigen Aufführungen an dem elenden Zustand der Kunst nichts verändern werden. Keine Erhabenheit kann in unserer Welt Dauer haben, flüchtige Erscheinung, und welche Mühsal, um diese hervorzubringen! R. mit den Kindern in der Menagerie, kehrt mit einem wüsten Eindruck davon zurück!
Donnerstag 13ten
Hausnöte, Gouvernante Ferien wünschend, Stubenmädchen fort etc. Dazu Siegfried heiser. R. erhält einen rührenden Brief von einem Seminaristen, welcher um Eintritt zu den Spielen bittet, aber hinzufügt, daß, wenn dies nicht möglich, er die Hälfte seines Gehaltes (600 Gulden jährlich) dafür bestimmen würde! Abends Konferenz, Freund Feustel hat allerlei zu berichten.
Freitag 14ten
Karfreitag! Gute Stimmung, gute Gedanken! Nachmittags in der Kirche, nicht viel Erbauung.
Sonnabend 15ten
Unterricht den Kindern. R. sehr mit juristischen Fragen beschäftigt, behauptet, an den Reichstag gehen zu wollen, um bis in das einzelne das Gesetz durchführen und deuten zu lassen.
Sonntag 16ten
Besuch von Pr. Bernays aus München, dem größten jetzt lebenden Kenner Goethe's; sehr angenehme Bekanntschaft. Nachmittags ein wenig erschreckend (überraschend)*(* Nachträglich eingefügt.) Dr. Schönaich; wir nehmen ihn im Hause auf. Wie ich im Zimmer allein bin, drängt es mich zum Klavier, und leicht ergießt sich meine Stimmung in Tönen. Die Sonnenstrahlen grüßen mich scheidend, ich entbiete Gedanken der Ferne, welche die Ferne nicht empfangen wird! Weinend begrüße ich R. heimkehrend. Abends Pr. Bernays[4] - viele »geistvolle« Gespräche.
Montag 17ten
Hausbesorgungen, Diner für Pr. B., den Bürgermeister, bei welchem er wohnt, den Kirchenrat. Sehr gute Stimmung; der Pr. weiß und kennt sehr viel und, was vielleicht noch mehr heißt und seltener ist, erkennt R. - Abends wiederum zusammen.
Dienstag 18ten
Abschied von Dr. Schönaich! Freund Richter dafür eingezogen, keine schönen Nachrichten von Wien mitbringend. Diner mit ihm und Pr. Bernays; auch den Abend zusammen. Gestern wurde schön musiziert, Tristan und die Meistersinger, heute Unsinn Othello.[5]
Mittwoch 19ten
Richter einzig noch bei uns; gemeinschaftlicher Besuch des Theaters; traurigster Eindruck, kein Vorwärtsgehen!... Heimgekommen, Brief von Herrn Direktor Jauner, sich freuend, die Walküre für Wien**( ** Dem Heft beigelegt ein Zeitungsausschnitt »Wagneriana« vom 19. April 1876, betr. Walküre in Wien[6] und Ritters Altgeige, s. Anm.) zu bekommen (Bedingung für die Materna!!!), will schon jetzt mit Dekorationen beginnen. R. außer sich; dabei werden immer [noch] nicht die Kontrakte der benötigten Choristen abgeschickt; alles dort morsch, treulos. Und so roh, noch nicht ist R. hier mit unsäglicher Mühe zu Stande gekommen, und er soll für Wien im voraus sein Werk schänden! Depesche von Herrn Unger, möchte erst Sonnabend kommen! ... Ist in Kassel bei seiner Braut! R. weiß nun noch gar nichts von seinen Fortschritten. Und 3 Uhr Depesche von Frau Voggenhuber, daß sie sich nicht hat von ihren Verpflichtungen befreien können, also die Sieglinde nicht wird singen können!... Dies alles an einem Nachmittag. R. meint, das Leichteste sei das, was das Schicksal zufügt, aber die Treulosigkeit der Menschen!... Ihr roher Enthusiasmus.
Donnerstag 20ten
Abschied von Richter; er spricht es deutlich aus, daß den Leuten in Wien gar nichts daran läge, ob Bayreuth zu Stande käme, und daß man das Zerwürfnis mit Scaria mit Willen herbeigeführt. Am Nachmittag erhält R. noch von Kmeister Levi die Nachricht, daß in Folge des Wiederbeginnes des Münchner Theaters am 15ten August einige Bedürfnisse für hier nicht zu befriedigen seien!... Abends »Don Quixote«.
Freitag 21ten
Unterricht den Kindern; R. lauter Hiobs-Posten - Herr Unger kommt an, jedoch mit einem Übel im Hals! Keine Nachricht von der Brandt, welche jetzt Sieglinde übernehmen soll, und, schlimmstes, Lilli Lehmann und [Minna] Lammert[7] bekommen keinen Urlaub; Herr v. Hülsen läßt spielen bis 1ten Juli!!*(* Am Rand über die halbe Seite: »Frau Grün meldet, daß Eilers (Fasolt) herzkrank - und zwar gefährlich - sei!!«) Dazu der Zustand des Theaters!... Anmeldungen aber sollen in großer Anzahl erfolgen.
Sonnabend 22ten
R. schreibt an Herrn von Hülsen!... Sehr ernst und eindringlich, er muß hoffen, daß dies mit Erfolg geschieht. - Ich in beständigem Verkehr mit englischen Bonnen. Abends »Don Quixote«.
Sonntag 23ten
Um die Mittagszeit, wie wir unsere Musiker bei Tisch bei uns haben, kommen verschiedene Depeschen; erstens von Herrn Niemann, ein Frl. v. Pretfeld zur Sieglinde empfehlend, von welcher alle Anwesenden sagen, sie sei - schon der Gestalt nach - unmöglich! Dann von Herrn Jauner, er erwarte die Antwort auf seinen Brief, um mit Frau Ma-terna abzuschließen! Also die ganze Protzigkeit der Gemeinheit! R. weist auf seinen Brief an Dr. Standhartner [hin] und schließt mit dem Satze, er hoffe, keine feindselige Gesinnung seitens der Direktion zu gewärtigen zu haben. - Zugleich an Frl. Scheffsky telegraphiert (immer für Sieglinde)! Der König läßt sehr kurz telegraphieren, daß er auf die Audition verzichte! Herr Feustel meldet, daß man - endlich - einen Gastwirt für die Restaurationen engagiert.
Montag24ten
R. schreibt an Hofrat D., um die Erklärung des kurzen Telegramms zu verlangen. - Dann telegraphiert er an Frau Materna, da er nun Direktor Jauner nicht mehr trauen kann. - Abends Brief von Lilli Lehmann, Frau v. Voggenhuber ist in denselben Umständen wie Frau Vogl!... Alle erklären die von R. ersehene Frl. Brandt für unmöglich, was sehr abgeschmackt, denn es ist bloß, weil sie nicht hübsch ist. Mallinger soll erklärt haben, sie würde gern Sieglinde singen, darauf wurde an sie von R. gestern telegraphiert. - R. ist [in] der Ertragung aller dieser Widerwärtigkeiten großartig. - Wir lesen abends in »Don Quixote« weiter, die Schäferei.
Dienstag 25ten
Nichts von Hülsen, nichts von [der] Mallinger, nichts von [der] Scheffsky, nichts von Jauner noch [von der] Materna! Große Unruhe!... R. schreibt an Lilli Lehmann seine Verwunderung über die allgemeine Meinung gegen die Brandt, nur wegen ihrer Häßlichkeit, das Unkünstlerische dieser Auffassungsart. - Gestern machte ein junger Architekt Stecher R. Freude; er ist der Sohn einer ersten Enthusiastin für Tannhäuser, kam, das Theater zu sehen, und geriet in Enthusiasmus über mein Portrait von Lenbach und die Zeichnung von Ciaire, was R. erfreute. Abends schreibt R. an Direktor Jauner noch einmal genau, was er meint, und kopiert seinen Brief.
Mittwoch 26ten
R. erhält in der Frühe einen Brief von Dr. J. auf seine Depesche vom Sonntag; Protestationen, Erschrecken über »die feindselige Disposition der Hofoperndirektion« der Depesche; dabei bleibt er aber bei der Bedingung der Walküre im November mit seinem Personale!... Frau Mallinger telegraphiert ab; immer [noch] keine Sieglinde. - Gestern abend besprechen wir mit R. das hiesige Benehmen der Einwohner, welche in dem Fest und dem Besuch der Fremden nur die Gelegenheit zur Übervorteilung erblicken; also nirgends in Deutschland Gemeinsinn und das daraus erwachsende Ehrgefühl! Wie anders darin die Franzosen. - Die Gemeinheit und Torheit dieser Gesinnung erregt wirklichen Ekel, R. sagt, er würde den Leuten, wenn es also fortführe, sagen, daß er die Aufführungen abmelden müsse. - R. geht zum Theater mit dem endlich durch einen heftigen Brief von Feustel aufgeschreckten Herrn Brückwald - alles immer im Rückstand; und die von den Herrn Brückner versprochene Decke ist nicht da, die Leinwand sei falsch gewesen!! - R. sehr ärgerlich heim. Erzählt unter andrem beim Abendbrot, daß der König um Vergrößerung der Zivilliste bei den Kammern angeht; unter Vorgeben der vergrößerten Angaben durch die neue Währung.[8] Die ultramontane Kammer wird die Gelegenheit ergreifen, die Nachteile des neuen Regimes nachzuweisen, dann gewiß dem König viel Häßliches sagen - was wird er dann tun; große Besorgnisse!... Herr Hey telegraphiert, daß Frl. Scheffsky nächsten Montag kommt; sehr verspätet. - Es heißt, die Serben wollen der Türkei Krieg erklären, R. sagt, er hoffe noch einmal, Papst und Sultan aus Europa (etwa in Jerusalem) zu sehen. - Wie im Traum und als Nebengestalten gehen alle die Dinge an mir vorüber; einzig drang es wie ein Messerstich mir durch das Herz, als neulich vorübergehend Herr Rubinstein erzählte, daß Hans öffentlich in Amerika die Deutschen geschmäht habe und darauf die Marseillaise gespielt!... Wer dann so leidet wie ich, für den gibt es kein Wohlergehen, und das Übel trifft nur wie gespenstisch!...
Donnerstag 27ten*
(* Fälschlich »28ten«, irrtümlich datiert bis Sonnabend, 29.April.) R. erhält einen Brief von Lilli Lehmann, sie protestieren alle gegen Frl. Brandt abermals, im übrigen scheint sie noch immer anzunehmen, daß sie keinen Urlaub erhält. Erste Probe mit Herrn Unger, R. scheint nicht unzufrieden, doch auch nicht ganz befriedigt. Unterricht den Kindern. Am Morgen besuchte mich Herr Groß, meldend, daß R. sich neulich getäuscht, man sei jetzt nur noch bis zur Hälfte der Patronat-scheine angekommen. Niederdrückender Eindruck. Ich gehe mit R. im Hofgarten, der Hagedorn in Blüte, schön duftend. - Abends ein Mann von Markneukirchen mit einem Instrument, welches das Orchester ersetzen soll!... Es stellt sich als Ziehharmonika heraus! Dagegen hat er eine Geige gemacht, welche einen schönen Klang hat, der Mann selbst ist ernst.
Freitag 28ten
Ein wahrer Höllentag, das Einpfeffern der Wintersachen bringt die Nöte des Hausstandes zutage!... Dazu abends Konferenz mit trüben Notizen, Freund Feustel glaubt den Krieg bevorstehend, die Rebellen hätten die Festung N. eingenommen. Dazu die überseltsame Zumutung an R., sich hinter die - nächsten Montag - kommende, beim König beliebte Schef fsky zu stecken, um die Gelder nicht zurückzuzahlen. - Es wäre empörend, wenn es nicht so kindlich wäre, doch macht es auf R. einen eigentümlichen Eindruck.
Sonnabend 29ten
Es scheinen die Kriegsgerüchte auf das Bedürfnis einer Baisse seitens der Besitzer des Tagblattes (Wien) zurückzuführen zu sein - Herr Jauner schweigt. R. hat die dritte Probe mit Herrn Unger und ist mit ihm zufrieden. Nachmittags Spaziergang mit R. Abends liest er mir einen Bericht aus Amerika, worin es heißt: Hans habe mit unerhörter Meisterschaft gespielt, jedoch sich durch sein persönliches Auftreten das Publikum befeindet, so daß der Besuch mäßig war. In Tränen und Kummer brachte ich diesen Abend und den ersten Teil der Nacht zu; mit Flehen zu Gott! - Wir bringen auch unseren herrlichen Don Quixote zu Grabe und nehmen von ihm Abschied! Ein solches Werk ist nicht zu analysieren, wie eine Tragödie mitzuerleben! - Herr Fiege meldet per Postkarte den großen Erfolg der 6ten [Aufführung] von Tristan; kein Werk von R. habe in Berlin so gefallen - was ich darauf zurückführe, daß er die Aufführung doch beaufsichtigt. Komischer Brief von Herrn Krolop,[9] wenn nur die Sieglinde drei Monate vorher zuerteilt worden wäre!... Vom Abgrund aus schreie ich zu dir, mein Gott! Es erwidert mir die traurige Weise, und das ganze Leben glänzt öde mir entgegen, wie das Meer dem
armen Tristan. Sehr interessieren und beschäftigen uns die Skizzen von Beethoven; sehr merkwürdig, wie er das innen Gehörte gesucht hat, es endlich mühselig wiedergefunden. Was leitet ihn da? Kein Bewußtsein, ein Instinkt.
Sonntag 30ten
Langweilige Hausnöte, für mich auch vielerlei Briefschaften. Mit den Kinderchen still im Garten, Krocket-Spiel, Tausend und eine Nacht; plötzlich Freund Doepler mit Skizzen zu dem Walküren-Ritt, sehr schön. Gemütlicher Abend unter allerlei Gesprächen. Brief von Herrn von Hülsen, er will das möglichste tun.

Fortsetzg. der Anmerkung zu 6

»Für das Wagnerfestspiel in Bayreuth werden jetzt die glänzendsten Vorbereitungen getroffen. Das dortige Residenzschloß wird auf Befehl aus München zum Empfange des mit seinem Besuche officiell angezeigten deutschen Kaisers prachtvoll hergerichtet. Außer dem Kaiser werden dort noch etwa 10-12 deutsche Fürsten und Prinzen, unter ihnen der Kronprinz und die Großherzoge von Baden, Mecklenburg und Weimar erwartet. König Ludwig wird mit seinen fürstlichen Gästen wahrscheinlich nicht zusammentreffen, sondern einige Tage vorher an Ort und Stelle die Aufführung in der Probe an sich vorüberziehen lassen. - Das Wiener Hofoperntheater wird die erste deutsche Bühne sein, an welcher nach dem Bayreuther Festspiele Richard Wagner's >Wallküre< in Scene gehen wird. Director Jauner hat von Richard Wagner die Zusicherung in freundschaftlichster Weise erhalten und wird das Werk sofort in Angriff genommen, um die >WaIlküre< in der nächsten deutschen Winter-Saison zur Aufführung zu bringen. - Eine sehr werthvolle Anerkennung wurde der von dem Tonkünstler Herrn Hermann Ritter in Heidelberg neuconstruirten Viola alta (Bratsche) zu Theil, indem sich Richard Wagner vor einiger Zeit über dieselbe äußerst günstig aussprach und auch mehrere der neuen Instrumente für das Orchester der Bayreuther Bühnenfestspiele bestellte. In einer neuerdings an Herrn Ritter gerichteten Zuschrift stellt Richard Wagner der neuen Erfindung, über welche er sich zugleich eingehend ausspricht, ein glänzendes Zeugnis aus. Das interessante Schreiben möge hier eine Stelle finden, es lautet: >Geehrter Herr! Ich bedauere wahrhaft, immer noch nicht die freie Zeit gewinnen zu können, um über Ihre Altgeige mich so ausführlich vernehmen zu lassen, wie ich es für nöthig halte, um auch meinerseits dazu beizutragen, diesem Instrumente die ihm gebührende Beobachtung zu verschaffen: Ich bin überzeugt, daß die allgemeine Einführung der Altgeige in unsere Orchester nicht nur die Intentionen derjenigen Tonsetzer, welche bisher mit der gewöhnlichen Bratsche vorlieb nehmen mußten, während sie für den Gesang den wahren Altgeigenklang beabsichtigten, erst in das rechte Licht gesetzt werden, sondern daß auch in der ganzen Behandlung des Bogeninstrument-Quartetts eine bedeutende und sehr vortheilhafte Veränderung vor sich gehen dürfte. Die freie A-Saite dieses, nun nicht mehr dünn näselnden, sondern hell wohltönenden Instrumentes, wird der gehemmten A-Zwischensaite der Violine manchen energischen Gesang abnehmen können, da die Violine in dieser Lage bisher an energischer Kundgebung des Tones so sehr behindert war, daß z. B. bereits Weber hier sehr häufig ein Blasinstrument (Clarinette oder Ho-boe) zur Verstärkung mit hinzunehmen mußte; die Altgeige wird dieses nicht mehr nöthig machen und den Tonsetzer nicht mehr zur Anwendung der Mischfarben veranlassen, wo der reine Streichinstrumentcharakter in der Intention lag. Zu wünschen ist nun, daß das verbesserte, ungemein veredelte Instrument sofort an die besten Orchester vertheilt und den besten Bratschenspielern zu einer ernstlichen Pflege dringend empfohlen würde. Wir werden hier auf großen Widerstand gefaßt sein müssen, denn leider treffen wir bei der Hauptanzahl unserer Orchesterbratschisten nicht gerade auf die Blüthe der Bogeninstrumentisten. Ein anfeuernder Vorgang wird aber Nachfolger herbeiziehen und schließlich werden Capell-meister und Intendanten dem guten Beispiele Aufmunterung zuzuwenden haben. Sehr bedaure ich, daß Sie mir so spät erst Ihre Angelegenheit zur Kenntniß brachten und außerdem ich gerade jetzt so ungemein in Anspruch genommen war, daß ich, was in der Kürze der Zeit noch zu ermöglichen gewesen wäre, nicht eifrig genug betreiben konnte. Ich bitte Sie um Nachricht über die Aufnahme Ihres Instrumentes von Seiten des vortrefflichen Herrn Hofmusikus Thoms in München; Freund Fleischhauer (Concertmeister in Meiningen) erklärte sich ja bereit, für die Anempfehlung der Altgeige schon zum Gebrauch im Orchester bei den bevorstehenden Bühnenfestspielauff ührungen in Bayreuth zu wirken. Habe ich so die Aussicht, wenigstens zwei dieser Instrumente bereits in meinem Orchester verwendet zu sehen, so bedaure ich nur, nicht bereits sechs davon zu gleicher Mitwirkung berufen zu können. Es wäre wohl unmöglich gewesen? Ich bitte Sie nur um genaue Mittheilung über die Erfolge, welche bis jetzt Ihrem Instrumente gewonnen worden sind und bitte über mich und mein Zeugniß zu Gunsten Ihrer Sache unbeschränkt zu verfügen. Zunächst aber danke ich Ihnen noch für die Widmung Ihrer so bündigen und dabei so belehrenden Abhandlung und verbleibe mit aufrichtiger Hochachtung Ihr ergebener Richard Wagner. Bayreuth, 28. März 1876.< - Wagner hat an den Königl. Capellmeister Herrn Carl Eckart in Berlin nachstehendes liebenswürdiges Schreiben gerichtet: >Geehrter, lieber Freund! Es fällt mir schwer auf das Herz, daß, da es bei unsrem >Tristan< zu keiner demonstrativen Generalprobe kam, mir dadurch die Gelegenheit entzogen wurde, Ihrem vortrefflichen Orchester, somit den geehrten Mitgliedern der Königlichen Hofcapelle, mit einem herzlichen Abschiedsworte zugleich meinen wahrhaften Dank, sowie meine unumwundenste Anerkennung für die Ausführung meiner so schwierigen Partitur zu bezeugen. Ich muß Sie nun bitten, bei geeigneter Gelegenheit dieses Versäumte in meinem Namen mündlich nachholen zu wollen. Gewiß ist mir nie etwas so Schwieriges, als dieser Tristan, leichter gemacht worden, als es diesmal durch die sorgfältigen, von ganzem Herzen meinerseits Ihnen, lieber Freund, verdankten Vorbereitungen in Berlin mit diesem Werke geschah. Für immer bin ich Ihnen und den vorzüglichen Künstlern der Berliner Hofcapelle für diese schöne Leistung, die ich gern eine That nenne, verpflichtet, und verbleibe mit freundschaftlichster Hochachtung Ihr sehr ergebener Richard Wagner.<«