Montag 1ten
R. träumte von Olliviers, welche ihn kalt und zurückhaltend empfingen, er sich französisch ihnen näherte und, das Gesicht meiner Schwester betrachtend, mich plötzlich erkannte, »diesen Ausdruck hat nur Cosima«, sprach er erwachend aus. - Gedenken der früheren Zeiten! »Ich habe niemanden geliebt außer dich«, sagt mir R. »Ein ganz anderer Mensch bin ich geworden.« R. hatte eine gute Nacht. Große Hitze; ich mache mit Lulu einige Besuche. - Abends der Bürgermeister mit Frau und die Musiker samt Josef Rubinstein von Charkow neu erschienen, welcher große Fortschritte im Klavier gemacht hat. R. nimmt die Waldscene aus Siegfried vor.
Dienstag 2ten
Wir besprachen neulich den Schaden, welchen Bayern bei der Vertauschung seiner Signale mit den Preußischen erlitten hat; daß hier gar kein Sinn entscheidend ist! Öde wie die Mark Brandenburg sind nun die Signale, während früher die Rufe phantasievoll anregend waren. R. instrumentiert und befindet sich seit dem Marienbaderwasser viel wohler, er schläft besser und ist demnach am Morgen heiterer gestimmt. Besuch des Dekans, welcher sich über unser Haus sehr freut. Brief von Hans an sein Kind, er nennt sich darin »Dein nicht glücklicher Vater«, was mir wie ein Stich durch die Seele geht. Hier hat ein furchtbares Schicksal gewaltet! O könnte es mir glücken, ihm durch seine Kinder einige Freude zu bereiten! - Mit R. im Hofgarten abends gewandelt.
Mittwoch 3ten
Lusch zu einer Pfarrersfrau wegen Nähstunden geführt; sehr guter Eindruck, Schlichtheit, Armut, dabei Goethe und Schiller und Humboldt im Schrank. - Meine Nacht war trübe, das Wort, das R. mir gesagt, anknüpfend an den Ausdruck, von welchem er behauptet, daß er mir zu eigen sei - die melancholische Begeisterung, kommt mir in den Sinn, und ich weiß, daß die Extase sich mir immer zur Träne verdichtet. - Nachmittags kommt das Manuskript der Skizze zu Tristan und Isolde, welches R. Marie Muchanoff verehrt hatte, von Warschau hier an. Trauriger Besitz!... Kindergesellschaft. R. instrumentiert. Er hat einen Sänger-Komponisten zu empfangen, welcher als halber Zwerg den Donner zu singen wünscht; R. findet, daß sie jetzt alle große Komponisten sind und daß, ob etwas von Schumann, von Cornelius oder von X sei, er es nicht unterscheiden könne, es scheint ihm alles gleich. Zu Mittag hatten wir über das Chopin'sche Stück gestritten, welches Josef Rubinstein gespielt; R. wird bei den Figurationen, den Arpeggien, der gewissen Klavier-Lyrik zerstreut. Er spielt etwas aus der Walküre und sagt, er stünde in einem merkwürdigen Verhältnis zu diesem Werke, worin alles noch Problem für ihn sei, während es in München bereits abgedroschen sei. -Abends Spaziergang im Garten.
Donnerstag 4ten
Veränderung des Wetters; Kälte. R. arbeitet; ich habe in der Stadt vormittags Besorgungen, am Nachmittag Wiederbeginn der Studien mit Daniella. Besuch des Dekans, welcher wünscht, daß ein jeder Gebildete unser Haus sähe. Keine Lektüre. -
Freitag 5ten
Für Fidi's Geburtstag Besorgungen gemacht; R. instrumentiert. Brief des Dr. Hemsen, Bibliothekar des Königs von Württemberg, berichtend von der Nichtteilnahme des Königs an den Festspielen.
Sonnabend 6ten
Der »Knecht« soll leben! Er wird herzlichst gefeiert, der uns so viel Freude gebracht; Gedenken des Tages seiner Geburt. Nachmittags nach Eremitage gefahren, welches wir Fantaisie vorziehen; während die Kinder die Wasser der Grotte betrachten, lagern wir uns, R. und ich, im Walde, dem Gezwitscher der kleinen Tages-Schwätzer, wie R. die Vögel nennt, lauschend. Selige Stimmung, trotzdem R. nicht wohl ist, denn er hat in Folge eines geringen Diätfehlers die Nacht über nicht geschlafen, noch am Morgen einen schauderhaften Traum gehabt, darin er von einem rohen Gesellen angefallen, er sich wehrte und Beistand von einem Menschen erhielt, diesen ließ er im Stich und floh, und als dieser den Gesellen überwunden hatte, R. von der Ferne ansah, kehrte dieser zu ihm zurück und stach ihm die Augen aus! »So«, sagt R., »bildet die Angst im Traum, die Sucht zum Erwachen zur Feigheit sich aus und [zur] Niederträchtigkeit.« Abends Auspacken des Glas-Services mit R. -Große Sorge meinerseits, daß unser Vermögensetat sehr überschritten werde.
Sonntag 7ten
R. trinkt jeden Morgen sein Marienbaderwasser, welches ihm gut bekommt; ich gehe in die Kirche zur Installation eines neuen Pfarrers durch den Dekan. R. liest die klägliche Anzeige des Todes von Marie Muchanoff in der Zeitung, er fragt sich, ob er über sie schreiben sollte, aber wie! Seid klug wie die Schlangen, aber ohne Falsch wie die Tauben,[1] es müßte künstlich sein, und das lähmte ihn, ich bitte ihn sehr, es zu tun. - »Das jetzige einzig mögliche Katholikon«, sagt heute R., »ist die Musik und Beethoven als Großpriester.« -Zurückkunft R.'s*(*Richters), welcher in Bezug auf unsere Unternehmung gute Nachrichten bringt, während seine Berichte von den Aufführungen des Freischützens in Dresden, des Lohengrin in Berlin grauenvoll sind. Abends J. Rubinstein, welcher dem Vater auf jüdische Art sehr zu seinem Vorteil allerlei abgeguckt hat.
Montag 8ten
Viel Spielens der Kinder mit Richter. Wir haben Haushaltsnöte und ich große Sorge. Skizzen von Hoffmann, welcher endlich die Veränderungen gemacht hat! R. arbeitet. Abends kommen die Musiker, und es wird der dritte Akt von Siegfried [vorgenommen]; mit namenloser Wehmut gedenke ich dabei der Dahingeschiedenen, wie keine lauschte und atmete [sie] diese Töne ein, und wie keine hat sie mich geliebt. Ich möchte wohl, R. schrieb über sie, ich will ihn aber nicht mahnen, würde ihm mein Blick in das Leben zu Teil, wie könnte er da schaffen.
Dienstag 9ten
Die Großen im Klavier unterrichtet, mit Lusch Geschichte vorgenommen, an den Bibliothekar Hemsen geschrieben, die bloße Erwähnung von der Freundin Tod bedrückt und beugt mich. -Nachmittags starkes Gewitter, welches hat das Gute, daß es nicht dauert wie der ewige Jude. Wie ich ihm mitteile, mit welcher Überraschung ich es gewahre, daß Lusch in der Geschichte alles verlernt hat, erzählt er mir, daß in Quarta sein Lehrer die Kinder nach den Motiven des 30jährigen Krieges gefragt hätte, alle geschwiegen hätten und er ihn sehr erfreut hätte durch die Antwort, »die Unabhängigkeit der Fürsten von dem Kaiser«. Beim Abendbrot sucht R. vergeblich Richter zu erklären, daß einzig Mönchsorden mit dem Gelübde der Armut und jeglicher Entsagung dem Elend Abhülfe tun könnten; die armen Kinder mit Barfüßen ergreifen R. stets. Abends die Nibelungen-Kanzlei, wie sie hier allwärts genannt wird und vor der Post zu Recht besteht. R. musiziert mit ihnen, die große Scene zwischen Wotan und Fricka, »wo die Lebenslust gebrochen wird«, und die darauf folgende. Nachts wütendes Gewitter, wie Feuerdrachen kommt das Wetterleuchten auf uns zu.
Mittwoch 10ten
Nichts von Bedeutung, weder von innen noch von außen, R. arbeitet; abends soll musiziert werden, es muß jedoch unterlassen werden, weil R. sehr durch die »Kapriolen« von J. Rubinstein, welcher als Virtuose zuerst fungiert, verstimmt; wir nehmen etwas den »Christus« vor, die Session ist aber bald aufgegeben. Die Anlagen des Theaters werden besprochen, zwei Pläne sind da, welche beide R. nicht sonderlich gefallen, auch ist es R. nicht lieb, daß der Gasthof unmittelbar auf dem Grundstück zu stehen kommt. Allein, bei dem fehlenden Gelde ist nicht viel von gefallen oder nicht die Rede.
Donnerstag 11ten
Lauter Unannehmlichkeiten. Die Wirtschaftsräume durch den Architekten gänzlich verfehlt, Klagen der Leute, dazu Tapezierer-Ungeschicklichkeiten, und immer größere Kosten! Zum Glück kann R. arbeiten. Nachmittags nimmt [R.] mit Richter die Götterdämmerung, abends mit den anderen Musikern einzelnes aus der Walküre vor. R. hatte wieder wilde Träume, unter anderem, daß ich ihm eine böse schwarze Katze nachschickte! Mir erfüllt den Sinn der Tod der Freundin - gestern entwarf ich eine Nachschrift, allein zu wem redet man, wenn man über sie öffentlich spricht?... - Unser Amerikaner schickt einen Aufsatz über das Theater, sehr korrekt; dies bringt uns auf Amerika zu sprechen, und R. sagt: »Man wäre wohl geneigt, viel von dieser Seite zu erwarten, wenn nur man es nicht in der Erfahrung hätte, daß jede Kultur mit der engsten Nationalität zusammenhing. Vielleicht bedarf es aber der sogenannten Kultur gar nicht und kommt dann das rein Menschliche der Herrn Demokraten zum Vorschein.« Bei der Walküre rief er aus: »Ja, Siegmund will nichts als Sieglinde, wissen, was ihr ist, ob sie Seitenstiche hat und derlei« (ich hatte nämlich diese Tage solches Übelbefinden). - Fidi überrascht, ja erschrickt uns durch Rechnen, 7x7,9x9,3x9, niemand hat es ihn gelehrt. R. sagt, solche Anlage hätte er gar nicht gehabt.
Freitag 12ten
R. arbeitet und ist mit dem Marienbader Brunnen zufrieden. Ich erledige Briefschaften und Hausnöte. Nachmittags mit Richter einen Teil der Götterdämmerung. Abends dritter Akt aus der Walküre.
Sonnabend 13ten
Unterricht von Lusch; Überlegen wegen der Pension, erste Turnstunde. R. liest in Finlay des Morgens und zieht die Parallele der Idee des römischen und der Idee des deutschen Reiches; »wie sich als ein römischer Bürger anzusehen der ganze Stolz noch war, als es gar keinen wirklichen Römer mehr gab, so ist das Deutsche auch ein Meta-physicum, denn wenn von 100 Menschen bloß 10 geblieben sind, was weiß man von diesen zehn, und wie haben nicht Wallonen, Schweden, Spanier u.s.w. gehaust, die Weiber gezwungen u.s.w., die Sprache aber und der Gedanke haben sich erhalten«. Bei Tisch Reminiszenzen an unseren Liebling Friedrich den Großen, der für uns gleich nach den griechischen Helden, was sympathisches fesselndes Wesen betrifft, kommt. - Abends Siegfried lter Akt, von Richter sehr schön gespielt.
Sonntag 14
Sehr kaltes Wetter; R. ruft mir am Morgen zu, ich möchte zwei Pelze zum Morgenkaffee im Sommerhäuschen anziehen. Die Kinder, in der Kirche, erlauben einiges Abmachen (an den Sänger Scaria, auch an Sascha Ritter wegen der Kapellmeisterstelle in Hamburg). Nachmittags hoffte ich auf die Götterdämmerung, allein sie blieb aus; auch abends keine Musik, da die Kanzlei mit Richter die jetzt hier hausende Coburger Oper besucht, mit dem Gedanken, vielleicht etwas dort zu finden. R. und ich, wir gehen abends durch den Garten, innig inbrünstig unsrer Liebe uns bewußt! Spät abends Depesche aus Weimar von Fritzsch, Tristan und Isolde versetzt alles dort in hellen Enthusiasmus, das erinnert R., weil es nach dem ersten Akt ist, an die Depesche[2] von N. Homolatsch. Nach dem 1ten Akt der Walküre.
Montag 15
Mit Maurer allerlei zu tun, der Saal wird nicht fertig. R. arbeitet, befragt sich häufig, da er kein Orchester hört, ob er nicht zu viele Instrumente nimmt. Nach Tisch Jugend-Erinnerungen, Shakespeare Scha-kes-pe-ar ausgesprochen, bis eine Frau Dr. Schneider, mit welcher seine Familie in Blasewitz einen Sommer gewohnt, ihm gesagt hatte, wie es auszusprechen, er verstand aber Schicksper und brachte den Namen mit Schicksal und Kampf zusammen. Er erzählt weiter, wie er in der Bücherkammer von Frau Schneider (eine exaltierte Frau, welche mit Gewalt ihren Sohn zum Genie erziehen wollte) stundenlang gesessen hätte und gelesen, dann auch mit dem Shakespeare in's Wäldchen von Blasewitz gegangen sei, um weiter zu lesen, und dabei alles dämonisch phantastisch aufgefaßt, selbst bei Falstaff immer einen mysteriösen Sinn suchend. Er war damals 13 Jahre. Die Schwester dieser Frau Schneider sei die erste gewesen, welche ihm später ein bedeutendes Wort über den Tannhäuser gesagt; das ganze Weltenschicksal, meinte sie, fände man in der Ouvertüre. R. sagt, wenn ich bedächte, in welcher trivialen Umgebung er damals gelebt, so würde ich verstehen, daß dieses Wort sich ihm einprägte. - Viel um Fidi bekümmert, R. meinte, es wäre besser für ihn, wenn wir jetzt stürben, er würde sonst verzogen! - Abends zweiten Akt aus Siegfried!
Dienstag 16ten
Das Wetter wird wieder mild. Viel mit Lusch gearbeitet. - Manche Rechnung läuft ein, ich bemerke zu R., wie seltsam dies sei, daß ich, welche eigentlich keine Geldnöte gekannt, beständig in Sorge sei, und daß er, welcher so darunter gelitten, niemals von Angst befallen sei. - Dr. Haase hat seinen Prozeß gewonnen. - Einige Aufsätze über Andreas Hofer[3] ergreifen mich sehr, und ich meine, daß er eine tragische Figur sei. R. sagt, er habe für Röckel seiner Zeit einen Text entworfen gehabt, wie immer habe er den Gegenstand gleich in drei Akten gesehen, der erste wäre gewesen das Versammeln der Leute um sich auf dem Berg. Röckel habe aber nichts getan!... Wir kamen auf die »Jüdin« zu sprechen und R. sagt, diese Partitur habe ihm, nachdem sein Geschmack sich gänzlich verworfen habe, wieder den Sinn für saubere Musik gegeben. Wir sprechen von Mozart's Instrumentierung, und R. erwähnt von Gluck in der »Armide« einen Eintritt der Klarinette, von welchem man sich früge, woher er denselben nur habe, so schön und ergreifend. - Richter geht in »Don Juan« und glaubt in der Elvira eine Walküre entdeckt zu haben.
Mittwoch 17ten
Wundervolles klares Wetter, gestern zeigte mir R. die Mondsichel mit dem Abendstern, das schöne Zeichen am Himmel. Die Marmorplatten auf dem Hause werden mit dem Spruch eingesetzt, die Leute auf der Straße blicken neugierig hin. Wir erhalten Berichte über Tristan und Isolde in Weimar, einen sehr hübschen von G. Davidsohn, alles wäre schön gewesen, nur König Marke wird einfach nicht erwähnt, dieser Träger der sittlichen Weltordnung und dadurch Todesverkünder. Bei dem Zitat Nacht der Liebe sagt R.: Das ist Wahnfried. Wir nehmen uns vor, den Spruch niemandem zu erklären. R. arbeitet. Wir gedenken oft seiner Familie in Leipzig, ihr Verhalten gegen uns unbegreiflich. Abends die Musiker, dritter Akt von Siegfried wird vorgenommen. Besuchsanmeldungen nicht gerade angenehmer Art. - Maneia Manteia Wahn, R. erklärt Richter, wie er eigentlich im Wahn sei, derlei zu unternehmen wie das Bühnenfestspielhaus, während alle Leute sagten: Mein Gott, sämtliche Opernhäuser sind ihm eröffnet, und er ist damit noch nicht zufrieden. Für diese Leute, diese Verständigen sei er ein Wahnsinniger, und doch, aus solchem Wahn, wie z. B. auch der deutschen Idee, entstünde alles Große; Analogie mit dem Tierinstinkt, auch ein Wahn. -Schließlich macht er den Scherz, man sehe doch, wie er Konzessionen mache, schriebe er doch jetzt eine Oper, welche man selbst in Bayreuth aufführen könne!
Donnerstag 18ten
Erster Besuch am Morgen: Freund Lenbach; herzliche Freude des Wiedersehens. Um ein Uhr die kleine Gräfin[4], freundliches Zusammensein. Lenbach erfreut uns durch sein Vergnügen an Bayreuth, das er interessant findet. Fahrt nach Eremitage. Richter kehrt mit den Kindern zu Fuß heim, verstaucht sich dabei den Fuß. Große Unterbrechung der Arbeit; zum Glück keinerlei Gefahr.
Freitag 19ten
Schöner Morgen, Ausfahrt mit den Freunden nach Fantaisie, zu Mittag der Bürgermeister und der Dekan. Abends liest R. den zwei Freunden Parzival vor. Ob diese es gefaßt, weiß ich nicht, mich erschüttert es aufs neue unaussprechlich.
Sonnabend 20ten
Bei trübem Wetter die kleine reizende Gräfin zur Eisenbahn begleitet. Wer ist glücklich. Mit Lenbach den übrigen Teil des Tages zugebracht. Der Vater schreibt von Hans, dieser habe 150 000 frcs bei Seite für die Kinder. Besuch des Vaters von Herrn v. Gersdorff, Freund Feustel abends bei uns; er berichtet, daß zwanzig Familien von Nürnberg sich hier niederließen.
Sonntag 21ten
Viel über vieles mit Lenbach verkehrt, in ihm einen edlen, selbstlosen, ungemein begabten Menschen erkannt; R. gewinnt ihn auch lieb, was mich sehr freut. Um vier Uhr Abschied, welcher uns dreien nicht leicht fällt. - Viel um Richter, welcher sich nicht rühren darf.
Montag 22ten
Vielerlei nachzuholen, wie stets, wenn Besuche da waren. R. arbeitet. Nachrichten vom Tristan in Weimar, Freundin Frommann meldet, daß namentlich ältere Leute ganz bezaubert wären. Hübsche Aufsätze von Frau Merian[5] in der Weimarischen Zeitung. Große Wärme, wir lesen abends nicht mehr, sondern leisten Richter ein wenig Gesellschaft.
Dienstag 23ten
Depesche des Großherzogs von Weimar an R., seine Ergriffenheit bei Gelegenheit der Aufführungen des Tristan kund gebend. R. will nicht danken, so übernehme ich es. R. arbeitet, indem er sich sehr oft befragt, ob er nicht zu reich instrumentiert!! Mit Daniella wiederum viel gearbeitet.
Mittwoch 24ten
Allerlei Briefschaften, R. hat peinliche Geschäftsanordnungen, wie mich dünkt, ich lebe in der Sorge, daß unser Hausstand weit über unsere Mittel geht! Und ich kann in nichts ihn verringern, weil R. ihn also haben will.
Donnerstag 25ten
Eine Rheintochter präsentiert sich (Frau Pauli aus Hannover[6]), schöne Stimme, allein gar keine Aussprache. Richter versucht zu begleiten, kann aber nicht gut noch sich aufrechthalten. Feier des Hans Sachs in Nürnberg, keinem fällt es dort ein, R. dazu einzuladen!... Reden, Musik, allerlei, aus den Meistersingern keinen Ton.
Freitag 26ten
Heute ist es Mime, welcher sich vorstellt; R. erschrickt über die undeutliche Sprache der Leute, welche alle keine Konsonanten, namentlich kein S haben. - Besuch von Franz Kolb vom Rhein her, merkwürdige Rekapitulation dabei des Benehmens der Familie Brockhaus, mit welcher er verwandt ist! -
Sonnabend 27ten
Ziemlich viel auf einmal; Einrichtung des Saals, welcher auch heute eingeweiht werden sollte, Besuch des Maschinisten Brandt, Ankunft des Sängers Scaria (Hagen) und Besuch von Frau Löper,[7] aus Karlsbad zurück. Herr Scaria nimmt gleich etwas vom Hagen vor, da er aber nichts von der Dichtung kennt, liest sie R. vor (die Götterdämmerung). Seltsamer Umgang mit diesen Werkzeugen.
Sonntag 28ten
Der Saal wirklich eingerichtet und schön. R. darob in großer Zufriedenheit, ich von der steten Sorge beschlichen, daß wir zum Unglück fahren. - R. will den Kontrakt mit Schott lösen und schreibt deshalb Herrn Batz. - Scaria arbeitet mit Richter am Morgen, abends gibt er einiges vom Studium zum besten. Nachmittags das Theater besucht. Er gesteht, daß er nun erst verstünde, weshalb R. dieses erbauen wollte. -Großes Gewitter.
Montag 29ten
Keinen Schlaf, auch ziemlich verstimmter Tag, da wegen Richter's Unvorbereitetheit Scaria nicht arbeiten kann; dazu alle Notizen über die in das Auge gefaßten Sänger immer erschreckend! Verlorener Tag. - Amerikanische Sängerin mit einer Arie von Donizetti, um von R. zu erfahren, ob sie Stimme habe, von New York herüber gekommen!
Dienstag 30ten
R. hat im Saal die Bibliothekzu ordnen, ich unter andrem eine Admonestation[8] an den guten Richter! - Wiederum sonst das Stilleben. R. erzählt zu Tisch von der seltsamen Scene in der Abgeordnetenkammer in München, wo die Ultramontanen gegen das Ministerium einen großen Streich ausspielen wollten. - Dann wiederum unsere alten Gespräche, Naturforschung, Philosophie, Geschichte (Heraklius) u.s.w. Dem guten Sänger Scaria, welcher ziemlich naiv frug, ob Friedrich der Große wirklich ein großer General gewesen, hatte R. von unserem Helden erzählt, später fand sich auch, daß der Gute die achte Symphonie von Beethoven nicht kannte.