Donnerstag 1ten
Immer Maschinenproben, R. macht ihnen alles vor, klettert, agiert, zum höchsten Erstaunen aller. Herr Hill angekommen, macht große Freude durch seinen Eifer.
Freitag 2ten
Probe zwischen Alberich und Mime! Es geht sehr schön; abends will Hill im Theater, trotz Schwindel und sonstigen Schwierigkeiten, wirklich selbst klettern und in den Abgrund stürzen, großer Triumph R.'s.
Sonnabend 3ten
Erste Orchesterprobe, es klingt wundervoll, sagt R. - Abends kommt er aber ganz glücklich heim, der Versuch ist geglückt, die Sängerinnen gehen wirklich in die Maschinen, Hill klettert selbst herauf, das für unmöglich Gehaltene wird wirklich durch den Zauber des Genies erwirkt! - Mich überkommt ein namenloses Wehgefühl, weithin streifen die Gedanken, kehren wie Wolken schwer zurück, entladen sich in Tränen und steigen wieder auf im Gebet. Den Vögeln gehorcht, Vogel Bülow singt, der Pirol!...
Sonntag 4ten
Pfingsten - immer neue Ankömmlinge - abends zum ersten Mal wieder das Orchester gehört, dann die Rheintöchter schwimmen sehen!
Montag 5ten
Zweites Künstlerdiner bei uns, Betz, Wilhelmj, etc., heitrer Ton. Besichtigung des Pferdes Grane. Dann Rheingold-Probe, erste Scene Orchester und Sänger. Die Kinder mit - unbegreiflich, daß derlei möglich!
Dienstag 6ten
Fidi 7 Jahre; R. überrascht mich mit dem Idyll, bringt Fidi zu mir in's Bett, während ich schlafe, und dann ertönt es. Am Schluß wird Fidi von R. auf der Galerie den Musikern vorgestellt, sie lassen ihn hochleben, er dankt! Ein Storch schwebt um das Haus - gutes Zeichen. Abends hat R. Probe (Arrangier-Probe, 2te Scene von Rheingold); Ballettmeister Fricke soll Außerordentliches geleistet haben, mit den hiesigen Turnern als Nibelungen. Nur ist R. furchtbar angestrengt, und der Rückstand von vielem, vor allem der Dekorationen von Gebrüder Brückner, welche inzwischen 14 Dekorationen für den Herzog von Meiningen gemalt, regt ihn auf.
Mittwoch 7ten
R. hatte eine erträgliche Nacht, doch greifen ihn die Proben und alles, was damit zusammenhängt, sehr an. Ich besuche heute auch die Probe, Erstaunliches wird geleistet, namentlich seitens Brandt. Heimgekehrt finde ich einen sentimentalen Brief des Kmeisters Wüllner aus München, mir erklärend, warum er früher nicht Wagnerianer war! Er will gern die Direktion von Rheingold und Walküre behalten, und Kmeister Levi hat eine Bedingung seines Bleibens in München daraus gemacht, daß er die 4 Werke dirigiert.
Donnerstag 8ten
Immer für R. vor- (Orchester) und nachmittags Proben (4 bis 8x/2), ich bin in Sorge. Dazu viel häusliche Unruhe, alle zwei Tage Diners.
Freitag 9ten
Arrangier-Probe vom Schluß des Rheingoldes, macht schon jetzt den gewaltigsten Eindruck! Richter erzählt mir Sonnabend den 10ten, daß, wie die letzte Separat-Orchester-Probe stattgefunden, das ganze Orchester in einem Jubel ausgebrochen sei. Alle haben strahlende Augen, heitere Gesichter, seien hier, wie sie behaupten, ganz andere Menschen, lebten förmlich auf. R. kommt von der Probe vom Rheingold-Schluß mit Klavier sehr früh zurück, es sei alles so gut gegangen!
Sonntag 11ten*
(* Ursprünglich »12ten«, irrtümlich datiert bis Donnerstag, 22. Juni 1876, und mit Bleistift nachträglich (von fremder Hand?) um einen Tag zurückkorrigiert.) - R. erhält einen Brief von Hofrat Düfflipp, daß der König verstimmt sei darüber, daß in seinem Telegramm R. nicht für das Geburtstags-Telegramm des Königs gedankt habe!... Schlußprobe von Rheingold, die Kinder zugegen. Es geht wundervoll. Frau Materna und Herr Niemann angekommen. — Besuch des Oberhofmeisters Graf Castell; es ist mir eine gewisse Genugtuung, daß Richter, der in München Verpönte, dem Grafen den Eintritt zum Theater zu verschaffen hat.
Montag 12ten
R. sehr leidend! Kopf reißen, Zahngeschwür, er legt Blutegel an und besteht darauf, nachher in die Probe zu fahren. (Auch schrieb er inmitten von wütenden Zahnschmerzen an den König). Nach der Probe sehr unwohl. Erster Akt Walküre; Niemann, Scheffsky, Eilers - R. wiederum alles einstudiert, jede Bewegung, jedes Wort, alles.
Dienstag 13ten
R. hatte eine schreckliche Nacht, und ein Abszeß bildet sich am Zahn. Er muß die Probe absagen, welche nun Niemann, Fricke und Richter zu halten haben. - Beifolgenden Bericht**(** Bruchstück eines Briefes, darin u. a.: »Heutiger Stand der Eintrittskarten zur ersten Aufführung 702, zur zweiten 642 und zur dritten 570.«) schickt Herr Feustel, eine Mahnung! Memento mori und daß Göttliches keine Götter macht. Ich bringe Herrn F. einen Brief von Hofrat D., welcher die Vorschläge erbittet wegen Gestundung.
Mittwoch 14ten
R. sehr leidend, hatte eine schlechte Nacht; es ist keine Rede davon, daß er heute die Probe halten kann; ich besuche sie und kann ihm gute Nachricht davon mitbringen. Trotz seiner Schmerzen scherzt er und sagt, daß es sein Schicksal zu sein scheine, daß die Walküre hinter seinem Rücken aufgeführt würde! - Für mich Gouvernanten-Sorge.
Donnerstag 15ten
R. immer leidender! Wiederum keine Möglichkeit, die Probe zu leiten. Heute 2ter Akt! Doch wenn er nicht da ist, ist nichts zu tun, guter Wille, Fleiß etc. helfen nicht. Wie ich hinauffuhr, rief mich Herr Feustel in sein Geschäft, um mich zu fragen, ob ich immer [noch] gewillt sei, mit meinem zu erwartenden Vermögen für die Sache einzutreten, es stünde schlimm; ich sage: Ja und schreibe sofort an Ciaire, wann ich wohl im Besitz meiner 40 000 frcs sein könnte, um diese zuerst auszuliefern, dann will ich den Vater um meine Mitgift angehen - - in Gottes Namen! Feustel scheint nicht zu glauben, daß alle Scheine verkauft werden.
Freitag 16ten
Durch Hülfe des Chlorais hatte R. eine erträgliche Nacht, »schwillt wie ein Nilpferd an«, wie er sagt. Doch kann er der Probe nicht beiwohnen, welche denn auch eine »Tapperei«, mit Richter zu sprechen, wird. Abends teile ich R. Feustel's Sorgen mit, er sagt: Die Hauptsache ist, die Sache zu Stande bringen, nachher, ist ein Defizit, kann er sich an den Reichstag wenden und auch an die Fürsten. Er entschließt sich, Bismarck zum Ehrenpatron [vorzuschlagen] und zwei der Reichstagsabgeordneten, welche am willigsten seine Sache vertreten wollten.
Sonnabend 17ten
Da R. gut geschlafen hat (immer mit Chloral), entschließt er sich, die Probe zu halten; Orchester und Sänger allerdings dann ein anderes Ding! Eckerts aus Berlin angekommen und Nichte Johanna. R. entschließt sich, das Pferd von der Scene zwischen Brünnhilde und Siegmund auszulassen, weil es zerstreue. Mächtigster Eindruck des Ganzen. - Feustel: Kronprinz mit Gemahlin haben abgeschlagen, den Aufführungen beizuwohnen.
Sonntag 18ten
Ruhetag für alle, für mich manches Hin und Her. - Ich hatte einen guten Brief von Gräfin Vitzthum über Lulu - sie habe Fortschritte zum Guten gemacht!... (Hübscher Brief eines Russen aus Podo-lien, bittend um einen Patronatsschein.)
Montag 19ten
Nachricht vom Tode August Röckel's.[1] Trauriger Eindruck davon, welcher sich mehr auf die Trennung durch das Leben bezieht als durch den Tod.
Dienstag 20ten
R. geht es nicht schlimmer, doch immer nicht gut, er fährt mit mir in die Orchesterprobe und hat hier auch alles zu sagen! Nachmittag zweite Probe des dritten Akts (Walküre). Gestern war die erste, zur Erschütterung aller Mitwirkenden und Zuschauenden. Wie R. Frl. Scheffsky die Gebärde vormachte, mit welcher sie von starrer Verzweife-lung zu freudigem Schreck und entzücktem Jauchzen übergeht, rannten
uns allen die Tränen von den Augen. Sehr hübsch sagte mir Pr. Doepler, daß sie jeden Abend in Wagner schwärraten, die Künstler alle, und die armen Patrone bedauerten, welche nur einigen Vorstellungen beiwohnen würden und eigentlich gar nichts von der Sache wissen. Wir wollen die 300 Thaler bezahlen, meint er, wir genießen diese Zeit. Die Gruppierung der Walküren herrlich. Wie ein Walküren-Nest sieht der Felsen aus. Pr. D. sagt, er wisse, R. würde sehr alt, und zwar bloß, weil er sich es vorgenommen habe! - R. aber doch sehr müde am Schluß solcher Proben. - Heute Geschäftsbriefe für ihn: an Dr. Simson in Berlin (Fürstner), dann an Herrn Voltz wegen Herrn Batz, der in seiner Unverschämtheit nicht nachläßt. Es ist mir fürchterlich zu denken, daß Fidi mit diesem Menschen nach unserem Tode noch wird zu schaffen haben.
Mittwoch 21ten
Dritte Walküren-Probe, viel Ärger. Unrichtige Tempi des Orchesters, und Frl. Schef f sky beinahe unmöglich! Wir bleiben oben, R. und ich, das Gespräch erheitert ihn etwas. Pläne wegen Frl. Schef f sky...
Donnerstag 22ten
Erste Siegfriedsprobe mit Klavier - Herr Unger erfreut R. sehr, er sagt, er sei der einzige, der etwas von ihm gelernt. Erste Zugvögel - Gräfin Usedom mit Tochter. Wir bleiben abends in der Restauration, R. und ich.
Freitag 23ten
R. doch immer sehr angegriffen, beklagt sich, daß er gänzlich das Namens-Gedächtnis verloren, neulich habe er Wilhelmj nennen wollen, und der Name sei ihm ganz entfallen. Er geht in die zweite Probe von Siegfried mit Klavier, nachdem er am Morgen die Orchesterprobe überwacht (die Tempi sehr wenig noch von Richter gekannt), » malt zu viele vier Viertel« - sagt R., ich empfange die Gräfinnen Usedom abends; R. gesellt sich spät zu uns, ärgert sich, daß die Kapellmeister (Ek-kert, Levi) so wenig hübsch über Unger sich aussprechen.
Sonnabend 24ten
R. sehr angegriffen, das Geschwülst noch immer da, fährt aber in die Orchesterprobe. Pr. Doepler gekränkt durch R.'s Heftigkeit (alles fehlt noch, von den Requisiten etc). Abends versöhnt ihn R. in seiner eigenen schönen Weise. Abends mit Usedoms, Eckerts, Richters in der Restauration. Dr. Strecker bringt den amerikanischen Marsch; R. fragt die Orchestermitglieder, ob sie ihn aufführen wollen, morgen Sonntag, sie haben aber eine Partie nach Berneck vor.
Sonntag 25ten
Herr Kögel soll endlich heute R. den Hagen vorsingen. - Den Kindern hat der erste Akt von Siegfried am besten gefallen - was R. freut, da es für die Popularität desselben zeugt, während sonst die Künstler vor diesem ersten Akt bis jetzt wie vor etwas Unbegreiflichem stehen. Einige Personen zu Tisch, abends Empfang.
Montag 26ten
Erste Probe von Siegfried's 2tem Akt, Herr Unger heiser, was wirklich betrübend, beinahe bedenklich ist. Nichtsdestoweniger aber wirkt der Akt wundervoll. Die Dekoration ist ausgezeichnet schön, und Herr Brandt hat wieder gezaubert. Um die Mittagszeit kam R. sehr traurig heim, die Dekoration war gar nicht, wie er sie sich wünschte, im Verlauf von einigen Stunden hatte Meister Brandt alles in Ordnung gebracht. Sehr heitere Stimmung darüber am Abend.
Dienstag 27ten
Wiederum 2ten Akt von S., wiederum Herr Unger heiser! Große Lähmung dadurch für den Eindruck. R. und ich abends müde. Not mit Herrn Kögel (Hagen!), für Donner ist Gura gewählt. - Es heißt, in der Türkei stünde es schlimm.[2]
Mittwoch 28ten
Immer [noch] keine Gouvernante, worüber wir, da die Kinder sich sehr artig benehmen, lachen und sie unsere Pestalozzis nennen, weil sie sich selbst erziehen. R. Probe mit Herrn Kögel am Morgen; sehr angreifend für ihn, abends 2ten Akt Siegfried mit Orchester. Herrlich; Herr Unger aber immer heiser!! -- R. hatte beängstigende Träume von mir.
Donnerstag 29ten
Dritter Akt Siegfried, R. richtet ein, sehr angreifend für ihn; am Morgen Herr Kögel wenig erfreulich als Hagen, nachher Orchester, abends Einrichtung. Herr Unger dazu immer heiser; Herr Brandt in Verzweiflung, weil ihn die Maler Brückner im Stich gelassen, der Mechaniker aus London[3] mit nichts fertig, dazu Kriegsnachrichten!!! Herr Feustel bedenklich; jeder Tag kostet 2000 und einige Mark! R. vergleicht sich mit B. Cellini beim Guß des Perseus. - Große Freude an der Schrift des Herrn v. Hagen über die erste Scene des Rheingoldes.
Freitag 30ten
Brief vom Hofrat Düfflipp, Gestundung bis zum 800sten Patronatschein versprechend. R. außer sich. - Ankunft der englischen Gouvernante. Mir sehr lieb, da die deutschen Wesen bis jetzt sehr unerquicklich. Abends Siegfried, Herr Unger immer heiser, nichtsdestoweniger großartiger Eindruck! Unvergleichlicher. Reflexionen über den Abstand des Werkes und der Darsteller und dem Publikum!... R. sehr müde.