»Die Frau ist dazu geschaffen, dem Mann zu gefallen!«
Jean-Jacques Rousseau
Sophie muß Frau sein, so wie Emile Mann ist, das heißt, sie muß alles besitzen, was der Konstitution ihrer Gattung und ihres Geschlechts entspricht, um ihren Platz in der physischen und geistigen Ordnung ausfüllen zu können. Beginnen wir also damit, die Übereinstimmungen und Unterschiedlichkeiten unser beider Geschlechter zu untersuchen.In allem, was nicht mit dem Geschlecht zusammenhängt, ist die Frau Mann: sie hat dieselben Organe, dieselben Bedürfnisse, dieselben Fähigkeiten; die Maschine ist auf gleiche Weise konstruiert, die Einzelteile sind die gleichen, die Funktionen sind die gleichen, das Äußere ist fast das gleiche und, unter welchem Aspekt man sie auch betrachten mag, sie unterscheiden sich nur um ein Mehr oder Weniger voneinander.
In allem, was mit dem Geschlecht zusammenhängt, gibt es bei Frau und Mann ebenso viele Übereinstimmungen wie Unterschiede - die Schwierigkeit, sie miteinander zu vergleichen, entsteht aus der, bei der Konstitution der einen und des anderen zu bestimmen, was geschlechtsgebunden ist und was nicht. Durch die vergleichende Anatomie und sogar durch bloßes äußeres Betrachten sieht man allgemeine Untersdiiede zwischen beiden, die mit dem Geschlecht nichts zu tun zu haben scheinen; sie haben aber sehr wohl mit ihm zu tun, jedoch durch Zusammenhänge, die zu bemerken wir außerstande sind - wir wissen nicht, bis wohin diese Zusammenhänge gehen können; das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, daß alles, was sie gemein haben, gattungsbedingt und alles Unterschiedliche geschlechtsbedingt ist. Unter diesem zweifachen Gesichtspunkt finden wir zwischen ihnen so viel Obereinstirnmendes und Entgegengesetztes, daß es vielleicht als eines der Wunder der Natur angesehen werden muß, die zwei einander so ähnlich und gleichzeitig so unähnlich beschaffene Wesen schuf.
Diese Beziehungen ebenso wie die Unterschiedlichkeiten müssen ihren Einfluß auf die Geistesanlagen ausüben, diese Schlußfolgerung ist einleuchtend, entspricht der Erfahrung und beweist die Sinnlosigkeit der Streitereien um den Vorrang oder die Gleichberechtigung der Geschlechter: als ob jedes von beiden, wenn es nach seiner besonderen Bestimmung den von der Natur vorgesehenen Zielen zustrebt, nicht vollkommener wäre, als wenn es sich dem anderen angleiche! In dem, was sie gemeinsam haben, sind sie gleich; in dem, was sie voneinander unterscheidet, sind sie unvergleichbar. Eine vollkommene Frau und ein vollkommener Mann dürfen sich irn Geist ebenso wenig gleichen wie im Antlitz, und in der Vollkommenheit gibt es kein Mehr oder Weniger.
In der Vereinigung der Geschlechter trägt jedes zum gemeinsamen Ziel bei, aber nicht auf die gleiche Weise. Aus dieser Verschiedenheit entsteht der erste benennbare Unterschied in ihren gegenseitigen geistigen Beziehungen. Das eine muß al,-tiv und stark, das andere passiv und schwach sein - notwendigerweise rnuß das eine wollen und können, und es genügt, wenn das andere nur schwachen Widerstand zeigt.
Aus diesem festgesetzten Prinzip folgt, daß die Frau eigens dazu geschaffen ist, dem Mann zu gefallen. Soll der Mann ihr seinerseits gefallen, so aus einem weniger unmittelbaren Bedürfnis - sein Vorzug besteht in seiner Kraft, er gefällt einzig darum, weil er stark ist. Ich gebe zu, daß das nicht das Gesetz der Liebe ist, aber es ist das der Natur, das vor ihr bestand.
Da die Frau dazu geschaffen ist, zu gefallen und sich zu unterwerfen, muß sie sich dem Mann liebenswert zeigen und ihn nicht herausfordern, ihre Macht liegt in ihren Reizen, und mit ihnen muß sie ihn zwingen, seine eigene Kraft zu entdecken und zu gebrauchen. Die wirkungsvollste Art, diese Kraft zu erwecken, ist, sie durch Widerstand notwendig werden zu lassen. Dann verbinden sich Eigenliebe und Verlangen, und das eine triumphiert über den Sieg, den das andere ihm einbringt. Daraus entstehen Angriff und Verteidigung, die Kühnheit des einen und die Scheu des anderen Geschlechts, und schließlich die Zurückhaltung und Scham, mit denen die Natur das schwache Geschlecht ausrüstete, um sich das stärkere untertan zu machen. Wer könnte glauben, daß sie unterschiedslos beiden das gleiche Entgegenkommen vorschreibt, und daß der Teil, der zuerst Verlangen spürt, auch der sein müsse, der es zuerst bezeugt? Welch seltsame Verkehrung des Urteils! Wäre es natürlich, daß sich beide Geschlechter mit gleicher Kühnheit einem Unternehmen hingeben, das so verschiedenartige Folgen für sie hat? Wie kann man verkennen, daß, wenn bei einer so großen Ungleichheit im gemeinschaftlichen Unternehmen die Zurückhaltung dem einen nicht die Mäßigung geböte, die die Natur dem anderen gebietet, bald der Untergang beider folgen würde und das Menschengeschlecht an den Mitteln, die zu seiner Erhaltung bestimmt sind, zugrunde ginge? Bei der Leichtigkeit der Frauen, die Sinne der Männer zu erregen und auf dem Grund ihres Herzens die Überbleibsel einer schon fast erloschenen Liebesfähigkei.t wieder zu erwecken - es brauchte nur eines unglückseligen Landes auf Erden, wo die Philosophie solches Brauchtum eingeführt hätte, besonders in den heißen Zonen, wo mehr Frauen als Männer geboren werden, so würden die Männer, von den Frauen tyrannisiert, schließlich zu deren Opfern und alle wehrlos dem Tod entgegengetrieben.
Wenn die Tierweibchen nicht die gleiche Art von Scham empfinden was folgt daraus? Haben sie, wie die Frauen, unbegrenztes Liebesverlangen, das von dieser Scham im Zaum gehalten wird? Sie kennen dieses Verlangen nur als Bedürfnis; ist das Bedürfnis befriedigt, hört das Verlangen auf, sie stoßen das Männchen nicht mehr nur zum Schein zurück, sondern in vollem Ernst - sie tun genau das Gegenteil dessen, was des Augustus TochtL-r tat.- sie nehmen keine Passagiere mehr auf, wenn das Schiff vollgeladen ist. Selbst wenn ihr Leib offen ist, sind ihre Augenblicge guten Willens kurz und rasch vorüber - der Instinkt treibt sie, und der Instinkt hält sie zurück. Welchen Ersatz für diesen negativen Instinkt gäbe es bei der Frau, wenn man ihr das Schamgefühl nähme? Wer warten wollte, bis sie sich nichts mehr aus Männern machen, müßte warten, bis sie zu gar nichts mehr taugen.
Gott wollte das Menschengeschlecht in allen Dingen auszeichnen: gibt er dem Menschen unbschränkte Neigungen, gibt er ihm zugleich das Gesetz, das sie ordnet, damit er frei sei und selbst über sich herrsche; liefert er es übermäßigeii Leidenschaflen aus, gibt er diesen Leidenschaften die Vernunft bei, sie zu beherrschen; liefert er die Frau schrankenlosen Begierden aus, fügt er diesen Begierden das Schamgefühl bei, um sie in Schranken zu halten. Überdies gibt er dem richtigen Gebrauch ihrer Fähigkeiten eine augenblickliche Belohnung, nämlich das Gefallen, das man an der Ehrbarkeit findet, wenn man sie zur Richtschnur seines Handelns macht. Mir scheint, all dies wiegt wohl den Instinkt der Tiere auf. Ob nun das Menschenweibchen die Begierden des Mannes teilt oder nicht und sie befriedigen will oder nicht, es stößt ihn immer zurück und wehrt sich, aber nicht immer mit der gleichen Kraft und folglich nicht mit dem gleichen Erfolg. Damit der Angreifer siegreich sei, muß der Angegriffene es geschehen lassen oder befehlen, denn wieviel listige Möglichkeiten hat er nicht, den Angreifer zum Gebrauch von Gewalt zu zwingen! Der freieste und süßeste aller Akte läßt keine wirkliche Gewalt zu, Natur und Vernunft widersetzen sich ihr: die Natur, insofern als sie den schwächeren Teil mit soviel Kräften versehen hat, als er braucht, um zu widerstehen, wenn er will; die Vernunft, insofern als ein wirklicher Gewaltakt nicht nur der brutalste aller Akte ist, sondern auch seiner Absicht am feindlichsten, entweder weil der Mann seiner Gefährtin so den Krieg erlklärt und sie ermächtigt, ihre Person und ihre Freiheit selbst auf Kosten des Lebens des Angreifers zu verteidigen, oder weil allein die Frau den Zustand, in dem sie sich befindet, beurteilen kann und kein Kind einen Vater hätte, wenn sich jeglicher Mann die Rechte eines Vaters gewaltsam verschaffen könnte.
Eine dritte Folge der Anlage der Geschlechter ergibt also, daß der stärkere Teil scheinbar der Herr sei, sich in Wirklichkeit aber dem sdiwädieren unterwerfe, nicht aus frivoler, galanter Gewohnheit und herablassender Großmut, sondern nach einem unabänderlichen Gesetz der Natur, die der Frau eine größere Leichtigkeit mitgibt, die Begierden zu erregen, als dem Mann, sie zu befriedigen und ihn so, auch wenn er bereit ist, vom Belieben der Frau abhängi, macht und ihn zwingt, seinerseits danach zu trachten, ihr zu gefallen, um zu erreichen, daß sie ihn den Stärkeren sein läßt. So ist die Ungewißheit, ob die Schwäche der Stärke nachgibt oder ob sich der Wille ergibt, das Süßeste im Sieg des Mannes; und es ist eine üblidie List der Frau, diese Ungewißheit zwischen ihr und ihm immer bestehen zu lassen. Darin entspricht die geistige Einstellung der Frauen vollkommen ihren Anlagen: sie erröten keineswegs über ihre Schwäche, sie rühmen sich ihrer - ihre zarten Muskeln haben keine Widerstandskraft, sie tun, als sei es ihnen unmöglich, die geringste Last aufzuheben, sie würden sich schämen, stark zu sein. Warum? Nicht nur, um zart zu erscheinen, sondern aus einer schlauer bedachten Vorsicht; sie bereiten sich von langer Hand Entschuldigungen und das Recht, bei Bedarf schwach zu sein.
Der Fortschritt der durch die Laster erworbenen Aufklärung hat in diesem Punkt die alten Ansichten bei uns sehr geändert, und man spricht nicht mehr von Vergewaltigungen, seitdem sie so wenig notwendig sind und die Männer nicht mehr daran glauben; dagegen sind sie im hohen griechischen und jüdischen Altertum etwas ganz Gebräuchliches, weil eben diese Ansichten in der Einfachheit der Natur liegen, die nur die Erfahrung der Liederlichkeit hat ausrotten können. Wenn heutzutage von weniger Vergewaltigungen die Rede ist, so gewiß nicht deshalb, weil die Männer enthaltsamer sind, sondern weil sie weniger leicht-,läubig sind, und weil manche Klage, die früher einfältige Völker überzeugt hätte, heutzutage nur das Gelächter der Spötter erregen würde - durch Stillschweigen erreidit man mehr. Im Deuteronomium gibt es ein Gesetz, wonach ein geschändetes Mädchen mit dem Verführer bestraft wurde, wenn das Vergehen in der Stadt begangen wurde; wurde es jedoch auf dem Lande begangen oder an abgelegenen Orten, wurde nur der Mann bestraft; denn, so sagt das Gesetz, das Mädchen hat geschrien tind ist r"icht gehört worden. Diese milde Auslegung lehrte die Mädchen, sich nicht an belebten Orten erwischen zu lassen.
Die Auswirkung dieser Unterschiedlichkeiten in den Ansichten über die Sitten ist offenbar. Die moderne Galanterie ist ihr Werk. Die Männer, die herausgefunden haben, daß ihre Lust mehr vom Willen des schönen Geschlechts abhängig, als sie geglaubt hatten, haben diesen Willen durch Gefälligkeiten unterjocht, für die das schöne Geschlecht sie reichlich entschädigt hat.
Man bemerkt, wie das Physische uns unmerklich zum Geistigen führt und wie aus der rohen Vereinigung der Geschlechter allmählich die süßesten Gesetze der Liebe entstehen. Die Frauen üben ihre Herrschaft nicht aus, weil die Männer es so gewollt haben, sondern weil die Natur es so will: sie übten sie schon aus, bevor sie sie zu haben schienen. Derselbe Herkules, der fünfzig Töchter des Thespius zu vergewaltigen glaubte, sah sich dennoch gezwungen, bei Omphale zu spinnen, und der starke Samson war nicht so stark wie Dalila. Diese Herrschaft gehört den Frauen und kann ihnen nicht genommen werden, selbst wenn sie Mißbrauch damit treiben - wenn sie sie überhaupt verlieren könnten, hätten sie sie schon. lange verloren.
Es gibt keine Gleichartigkeit zwischen den beiden Geschlechtern im Hinblik auf das Geschlechtliche. Der Mann ist nur in gewissen Augenblicken Mann, die Frau ist ihr ganzes Leben lang Frau, oder wenigstens während ihrer ganzen Jugend; alles erinnert sie unablässig an ihr Geschlecht, und um dessen Funktionen richtig zu erfüllen, braucht sie die entsprechende Körperbeschaffenheit. Während ihrer Schwangerschaft muß die Frau geschont werden, im Wochenbett braucht sie Puhe, sie braucht eine ruhige Häuslichkeit, um ihre Kinder zu nähren; um sie aufzuziehen muß sie Geduld und Sanftmut haben, einen Eifer und eine Hingabe, die nichts abschrecken kann; sie ist das Bindeglied zwischen ihnen und ihrem Vater, sie allein läßt sie ihn lieben und scheint ihm das Vertrauen, sie die Seinen zu nennen. Wieviel Zärtlichkeit und Fürsorge braucht sie, um die Einigkeit in der ganzen Familie aufrechtzuerhalten! Und dies alles darf schließlich nicht Tugend sein, sondern Neigung, sonst wäre das Menschengeschlecht bald ausgelöscht.
Die gegenseitigen Pflichten beider Geschlechter haben nicht die gleiche Starrheit und können sie auch nicht haben. Wenn sich die Frau deswegen über die ungerechte Ungleichheit beklagt, die der Mann bekundet, so hat sie unrecht; die Ungleichheit ist keine menschliche Einrichtung, oder zumindest nicht das Werk des Vorurteils, sondern das der Vernunft: der, dem die Natur die Kinder als Gut anvertraut, ist dem anderen dafür verantwortlich. Es ist gewiß niemandem erlaubt, sein Wort zu brechen, und jeder untreue Gatte, der seine Frau des einzigen Lohns für ihre strengen Pflichten beraubt, ist ein ungerechter und barbarischer Mensch; die untreue Gattin aber geht noch weiter, sie löst die Familie auf und zerreißt alle Bande der Natur; wenn sie dem Mann Kinder schenkt, die nicht von ihm sind, verrät sie beide, und der Treulosigkeit fügt sie noch den Betrug hinzu. Ich kann mir kaum ausdenken, welche Ausschreitung und welches Verbrechen nicht mit diesem zusammenhängt. Wenn es einen schrecklichen Zustand auf Erden gibt, so ist es der eines unglücklichen Vaters, der, ohne Vertrauen zu seiner Frau, sich den süßesten Gefühlen seines Herzens nicht hinzugeben wagt, der bei der Umarmung seines Kindes zweifelt, ob er nicht das Kind eines anderen umarmt, das Unterpfand seiner Entehrung, den Dieb des Guts seiner eigenen Kinder. Was ist eine Familie dann anderes als eine Gesellschaft geheimer Feinde, die eine schuldige Frau gegeneinander aufwiegelt und sie dabei zwingt, gegenseitige Liebe vorzugeben?
Darum ist es nicht nur von Bedeutung, daß die Frau treu ist, sondern daß sie vor ihrem Gatten, vor ihren Nächsten und vor jedermann auch als treu erscheint; sie muß bescheiden, aufmerksam und zurückhaltend sein und in den Augen andrer so wie vor ihrem eigenen Gewissen Zeugnis ihrer Tugend geben. Wenn es wesentlich ist, daß ein Vater seine Kinder liebt, so ist es ebenso wesentlich, daß er ihre Mutter achtet. Das sind die Gründe, durch die sogar die Wahrung des Scheins zu den Pflichten der Frauen gezählt wird, und wodurch ihnen
Ehrbarkeit und guter Ruf nicht weniger unerläßlich werden als Keuschheit. Bei der geistigen Unterschiedliclikeit der Geschlechter leitet sich aus diesen Prinzipien ein neues Motiv für Pflicht und Anstand ab, das besonders den Frauen die gewissenhafteste Achtsamkeit über ihr Verhalten, ihr Benehmen und ihre Haltung vorschreibt. Mit der allgemeinen Behauptung, die beiden Geschlediter seien gleich und ihre Pflichten die gleichen, verliert man sich in leeren Reden, womit man gar nichts sagt, solange man auf unsere Behauptungen nicht zu antworten vermag.
Ist es nicht eine recht gediegene Art zu argumentieren, wenn man gegen so gut fundierte allgemeine Gesetze mit Ausnahmen aufwartet? Die Frauen, sagt ihr, bekomnien nicht immer gleich Kinder! Nein, aber es ist ihre eigentliche Bestimmung, Kinder zu gebären. Was! weil es auf der Welt hundert große Städte gibt, wo die Frauen zügellos leben und wenig Kinder gebären, behauptet ihr, es sei allen Frauen natürlich, wenig Kinder zu gebären! Und was würde aus euren Städten, wenn das abgelegene Land, wo die Frauen einfacher und keuscher leben, die Unfruchtbarkeit der Damen nicht wieder gut machte? In wie vielen Ländern gelten Frauen, die nur vier oder fünf Kinder haben, als nicht sehr fruchtbar! Was macht es schließlich aus, ob diese oder jene Frau wenig Kinder hat? Ist es darum für die Frau weniger natürlich, Mutter zu sein? und müssen nidit Natur und Sitten durch allgemeine Gesetze dafür sorgen?
Wenn die Abstände zwischen den Schwangerschaften wirklich so groß wären, wie man voraussetzt, kann eine Frau ohne Gefahr und Risiko so plötzlich und entscheidend ihre Lebensweise ändern? Wird sie heute Amme und morgen Kriegeriii sein? Soll sie Anlagen und Neigungen wechseln wie ein Chamäleon die Farben? Kann sie sich ohne übergang aus dem Schatten der Zurückgezogenheit und den häuslichen Obliegenheiten den Härten von Wind und Wetter aussetzen, den Mühen, Strapazen und Gefahren des Krieges? Kann sie bald ängstlich, bald tapfer, bald zart, bald robust sein? Wenn die in Paris aufgewachsenen jungen Leute das Waff enhandwerk kaum ertragen, wie könnten es Frauen, die niemals der Sonnenglut getrotzt haben und kaum marschieren können, nach fünfzigjähriger Verweichlichung ertragen? Sollen sie dieses harte Handwerk in einem Alter ausüben, da die Männer es aufgeben?
Es gibt Länder, wo die Frauen fast ohne Schwierigkeit niederkommen und ihre Kinder fast mühelos aufziehen - das gebe ich zu: aber in diesen selben Ländern gehen die Männer bei jeder Temperatur halbnackt herum, schlagen die wilden Tiere nieder, schleppen ein Boot wie einen Tornister, gehen sieben- bis achthundert Meilen weit auf Jagd, schlafen im Freien auf dem nackten Erdboden, ertragen unglaubliche Strapazen und bleiben tagelang ohne Nahrung. Wenn die Frauen robust werden, werden die Männer es um so mehr; wenn die Männer verweichlichen, verweichlichen die Frauen um so mehr; wenn in beiden Punkten die gleiche Veränderung geschieht, bleibt auch der Unterschied gleich.
In seinem Staat weist Plato den Frauen die gleichen körperlichen Übungen zu wie den Männern - das glaube ich gern. Nachdem er das Familienprinzip aus seiner Staatsauffassung ausgeschaltet hatte und nicht wußte, was er aus den Frauen machen sollte, sah er sich gezwungen, Männer aus ihnen zu machen. Dieser schöne Geist hatte alles berechnet, alles vorgesehen: er kam einem Einwand zuvor, den zu machen vielleicht niemand gedacht hätte, aber den, den man erhebt, hat er schlecht beantwortet. Ich spreche keineswegs von dieser vorgeblichen Frauengemeinschaft, und dem Vorwurf, den man so oft dagegen erhoben hat und der nur beweist, daß die, die ihn aussprechen, Plato niemals gelesen haben; ich rede von jener bürgerlichen Vermischung, die überall die beiden Geschlechter zu den gleichen Verrichtungen, zu den gleichen Arbeiten vereinigt und mit Sicherheit die untragbarsten Mißbräuche erzeugt; ich rede von dieser Zerrüttung der süßesten Gefühle der Natur, die einem künstlichen Gefühl geopfert werden, das nur durch jene bestehen kann: als ob es nicht einer natürlichen Eingenommenheit bedürfte, um konventionelle Bande zu knüpfen! als ob die Liebe, die man für seine Nächsten fühlt, nicht das Prinzip der Liebe wäre, die man dem Staat schuldet! als ob das Herz sich nicht durch die kleine Heimat, die Familie, der großen anschlösse! als ob es nicht der gute Sohn, der gute Gatte, der gute Vater wäre, der den guten Bürger ausmacht!
Ist es einmal bewiesen, daß Mann und Frau nicht gleichartig sind noch sein dürfen, weder von Charakter noch von Anlagen, so folgt daraus, daß sie nicht die gleiche Erziehung genießen dürfen. Sollen sie den Weisungen der Natur folgen, müssen sie im Einvernehmen handeln, aber nicht das gleiche tun: das Ziel der Arbeiten ist das gleiche, aber die Arbeit selbst und folglich die Neigungen, die sie bestimmen, sind unterschiedlich. Nachdem wir versucht haben, den natürlichen Mann heranzubilden, trachten wir nun danach, auch die Frau heranzubilden, die zu diesem Mann paßt, um unser Werk nicht unvollständig zu lassen. Wollt ihr immer gut geleitet sein, so folgt immer dem Fingerzeig der Natur. Alles, was das Geschlecht charakterisiert, muß als von ihr eingerichtet geachtet werden. Ihr redet unaufhörlich: die Frauen haben diesen und jenen Mangel, den wir nicht haben. Euer Hochmut täuscht euch; für euch wären es Mängel, für sie sind es Qualitäten; wenn sie sie nicht hätten, ginge alles weniger richtig zu. Hindert diese vermeintlichen Mängel daran, zu entarten, aber liütet euch, sie zu tilgen.
Ihrerseits hören die Frauen nicht auf zu lamentieren, daß wir sie zu Eitelkeit und Koketterie erziehen, daß wir sie unentwegt mit kindischem Getue unterhalten, um leichter die Oberhand zu behalten; sie machen uns für die Fehler verantwortlich, die wir ihnen vorwerfen. Wie töricht! Seit wann mischen sich die Männer in die Erziehung der Töchter? Wer hindert die Mütter daran, sie so zu erziehen, wie es ihnen paßt? Für sie gibt es keine Kollegien - wie scb~reclilich! Ach, wenn Gott doch wollte, daß es auch für Knaben keine gäbe! dann würden sie vernünftiger und rechtsdiaff ener erzogen. Zwingt man eure Töchter, ihre Zeit mit Albernheiten zu verturi? Läßt man sie gegen ihren Willen die Hälfte ihres Lebens nach eurem Beispiel vor dem Spiegel verbringen? Hindert man euch daran, sie zu bilden und nach eurem Wunsch bilden zu lassen? Ist es unsre Schuld, daß sie uns gefallen, wenn sie hübscli sind, wenn ihre Koketterie uns verführt, wenn die Kunstkniff e, die sie von euch lernen, uns anziehen und schmeicheln, wenn wir es gern haben, sie geschmackvoll aufgemacht zu sehen, wenn wir sie nach Belieben ihre Waffen schärfen lassen, mit denen sie uns im Zaum halten? Dann erzieht sie doch wie Männer, die hätten absolut nichts dagegen. je mehr die Frauen ihnen gleichen möchten, um so weniger werden sie sie beherrschen, und in dem Augenblick sind die Männer wirklich die Herren.
Die den beiden Geschlechtern gemeinsamen Fähigkeiten sind ungleich an sie verteilt, aber insgesamt genommen gleichen sie einander aus. Als Frau gilt die Frau mehr denn als Mann. Überall da, wo sie ihre Rechte geltend macht, ist sie im Vorteil; überall da, wo sie die unsrigen usurpieren will, bleibt sie uns unterlegen. Dieser allgemeinen Wahrheit kann man nur Ausnahmen gegenüberstellen - die ständige Argumentationsweise seitens der galanten Anwälte des schönen Geschlechts. In der Frau männliche Eigenart zu kultivieren und ihre eigene Art verkümmern zu lassen, heißt offensichtlich zu ihrem Schaden wirken. Die Gewitzten unter ihnen erkennen das nur zu gut, um sich täuschen zu lassen; bei dem Versuch, sich unsre Vorrechte anzumaßen, geben sie die ihren nicht auf; aber da sie nicht beide gleich gut nutzen können, weil sie unvereinbar sind, bleiben sie unterhalb ihrer eigenen Möglichkeiten, ohne die unseren erreichen zu können, und verlieren zur Hälfte an Wert. Höre auf mid-i, weitblickende Mutter, mache keinen honnete homme aus deiner Tochter, als wolltest du die Natur verleugnen; mache eine honnete femme aus ihr und du kannst sicher sein, daß es so f ür sie und für uns besser sein wird.
Folgt daraus, daß sie in voller Unwissenheit erzogen und einzig auf die Verrichtungen im Haushalt besc7iiränkt werden soll? Soll der Mann eine Dienstmagd aus seiner Gefährtin machen? Soll er sich an ihrer Seite des größten Reizes der Gemeinschaft berauben? Soll er sie hindern, etwas zu f ühlen, etwas zu erkennen, um sie besser beherrschen zu können? Soll er einen wirklichen Automaten aus ihr machen? Nein, gewiß nicht; so hat es die Natur nicht vorgesehen, die den Frauen so anziehende und subtile Geistesgaben verleiht; sie will, im Gegenteil, daß sie denken, urteilen, lieben und erl~.ennen, daß sie ihren Geist pflegen wie ihr Aussehen - das sind die Waffen, die sie ihnen als Ersatz für die Kraft gibt, die ihnen fehlt, und um die unsere zu steuern. Sie müssen viel lernen, aber nur das, was zu wissen ihnen gemäß ist.
Ob ich nun die besondere Bestimmung des Geschlechts betrachte, ob ich seine Neigungen beobachte, ob ich seine Pflichten bedenke - alles trägt gleichermaßen dazu bei, mich auf die Erziehungsform hinzuweisen, die ihm angemessen ist. Frau und Mann sind füreinander geschaffen, aber ihre gegenseitige Abhängigkeit ist nicht gleicher Art: die Männer hängen von den Frauen durch ihre Begierden ab; die Frauen hängen von den Männern durch ihre Begierden und ihre Bedürfnisse ab; wir könnten eher ohne sie bestehen als sie ohne uns. Damit sie haben, was sie brauchen und ihrem Wesen treu bleiben, müssen wir es ihnen geben, müssen wir es ihnen geben wollen und sie dessen würdig erachten: sie hängen von unseren Empfindungen ab, von dem Wert, den wir ihren Verdiensten beilegen, und davon, wie wir ihre Reize und Tugenden einschätzen. Allein schon durch das Gesetz der Natur sind die Frauen ebenso wie die Kinder dem Urteil der Männer ausgesetzt es genügt nicht, daß sie achtenswert sind, sie müssen geachtet werden; es genügt nicht, daß sie schön sind, sie müssen gefallen; es genügt nicht, daß sie sittsam sind, sie müssen als sittsam anerkannt werden; ihre Ehre liegt nicht nur in ihrem Verhalten, sondern in ihrem Ruf, und es ist unmöglich, daß eine Frau, die es zuläßt, als ehrlos zu gelten, jemals ehrbar ist. Der rechtschaffene Mann hängt nur von sich selber ab und kann der öffentlichen Meinung trotzen; aber die rechtschaffene Frau hat damit nur die Hälfte ihrer Aufgabe erfüllt, und was man über sie denkt, ist nicht weniger bedeutend für sie als das, was sie wirklich ist. Daraus folgt, daß die Methode ihrer Erziehung in dieser Hinsicht der unsrigen entgegengesetzt sein muß: die Meinung der Gesellschaft ist für die Männer das Grab der Tugend, für die Frauen aber ihr Thron.
Von der guten Konstitution der Mutter hängt zunächst die der Kinder ab; die erste Erziehung der Männer hängt von der Fürsorge der Frauen ab; von ihnen hängen auch ihre Sitten, ihre Leidenschaften, ihre Neigungen, ihre Zerstreuungen, selbst ihr Glück ab. So muß sich die ganze Erziehung der Frauen im Hinblick auf die Männer vollziehen. Ihnen gefallen, ihnen nützlich sein, sich von ihnen lieben und achten lassen, sie großziehen, solange sie jung sind, als Männer für sie sorgen, sie beraten, sie trösten, ihnen ein angenehmes und süßes Dasein bereiten: das sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, das ist es, was man sie von Kindheit an lehren muß. Solange man nicht zu diesem Prinzip zurückgeht, entfernt man sich vom Ziel, und alle Regeln, die man für sie aufstellt, dienen weder ihrem noch unserem Glück. Aber obgleich jede Frau den Männern gefallen will und es wollen muß, besteht ein großer Unterschied darin, einem verdienstvollen, wahrhaft liebenswerten Mann gefallen zu wollen und dem Wunsch, jenen kleinen Verführern zu gefallen, die ihr eigenes Geschlecht so wie das, was sie nachahmen, entehren. Weder die Natur noch die Vernunft können die Frau dazu bringen, in den Männern das zu lieben, was sie selbst ist; genausowenig soll sie die Liebe des Mannes suchen, indem sie männliche Art annimmt.
Gelien sie also von dem zurückhaltenden und gesetzten Ton ihres Geschlechts ab und nehmen die Manieren jener Leichtsinnigen an, so folgen sie nicht ihrer Berufung, sie verzichten auf sie; sie berauben sich selbst der Rechte, die sie usurpieren möchten. Wenn wir anders wären, sagen sie, würden wir den Männern nicht gefallen. Sie lügen. Um Narren zu lieben, muß man närrisd-i sein; der Wunsch, solche Leute anzulocken, enthüllt den Geschmack der Frau, die ihn hegt. Gäbe es keine frivolen Männer, würde sie es sich eifrig angelegen sein lassen, sie frivol zu machen; und deren Frivolitäten sind weit eher das Werk der Frau, als ihre eigene das jener Männer ist. Die Frau, die richtige Männer liebt und ihnen gefallen will, wählt die ihren Absichten entsprechenden Mittel. Die Frau ist ihrem Wesen nach kokett; aber ihre Koketterie wechselt je nach ihren Absichten Form und Ziel; stimmen wir diese Absichten auf die der Natur ab, und die Frau wird richtig erzogen.
Fast von Geburt an sind kleine Mädchen putzsüchtig: nicht zufrieden damit, hübsch zu sein, wollen sie auch, daß man es merkt - an ihren kleinen Affereien sieht man, daß diese Sorge sie schon beschäftigt; und kaum imstande, zu verstehen, was ihnen gesagt wird, lassen sie sich dadurch leiten, daß man ihnen sagt, was man über sie denken wird. Sucht man - was recht unbedacht wäre - einen kleinen Jungen durch dasselbe Motiv zu leiten, wird man damit kaum Erfolg haben. Sind sie selbständig und genießen sie ihre Freuden, kümmert es sie recht wenig, was man über sie denken könnte. Nur mit viel Zeit und Mühe beugt man sie unter das gleiche Gesetz.
Woher den Mädchen diese erste Belehrung auch kommen mag - sie ist sehr gut. Da der Leib sozusagen vor der Seele geboren wird, muß zunächst der Leib gepflegt werden: diese Ordnung gilt für beide Geschlechter. Aber die Ziele dieser Pflege sind unterschiedlich. Bei dem einen handelt es sich um die Entwicklung der Kräfte, bei dem anderen um die des Liebreizes; nicht, daß diese Qualitäten jeweils ausschließlich einem der beiden Geschlechter eigen sein müssen, ihre Ordnung nur ist umgekehrt: die Frauen brauchen genügend Kraft, um alles, was sie tun, mit Anmut zu tun; die Männer brauchen genügend Geschicklichkeit, um alles, was sie tun, mit Leichtigkeit zu tun.
Mit der übertriebenen Verweichlichung der Frauen beginnt auch die der Männer. Die Frauen sollen nicht so kräftig sein wie sie, aber für sie, damit die Männer, die sie gebären, es auch sind. In dieser Hinsicht sind die Klöster, wo die Schülerinnen einfache Kost bekommen, sich tummeln können, wo sie Wettläufe machen, Spiele im Freien oder in den Gärten, dem Elternhaus vorzuziehen, wo ein verzärtelt aufgezogenes junges Mädchen immer umschmeichelt oder gescholten, immer unter den Augen der Mutter in einem abgeschlossenen Raum sitzend, weder aufzustehen noch umherzugehen wagt, weder zu sprechen noch zu atmen, und nicht einen Augenblick die Freiheit zum Spielen hat, zum Herumspringen, Laufen, Schreien und zur Hingabe an die seinem Alter natürliche Unabhängigkeit - immer entweder gefährliche Nachgiebigkeit oder falsch verstandene Strenge, niemals ein vernünftiges Verfahren.
Die Mädchen von Sparta betrieben militärische Spiele wie die Knaben, aber nicht, um in den Krieg zu ziehen, sondern um eines Tages Kinder zu haben, die seine Strapazen zu ertragen vermöchten. Dem stimme ich jedoch nicht zu: es ist unnötig, daß die Mütter Karabiner getragen und preußisches Exerzieren geübt haben, um dem Staat Soldaten zu schenken; aber ich finde, daß im allgemeinen die griecliische Erziehung auf diesem Gebiet sehr richtig aufgefaßt war. Die jungen Mädchen erschienen oft in der Öffentlichkeit, aber keineswegs mit den Knaben zusammen, sondern unter sich. Es gab ungefähr keine Festlichkeit, nicht ein Götteropfer, keine feierliche Handlung, wo man nicht Scharen von Töchtern der ersten Bürger antraf, mit Blumen bekränzt, beim Gesang von Hymnen, die Tanzchöre bildeten, Körbe, Gefäße und Opfergaben trugen und den zerrütteten Sinnen der Griechen ein reizvolles Schauspiel gaben, das ein Gegengewicht bot gegen die schlechte Wirkung ihrer anstößigen Gymnastik. Welchen Eindruck dieser Brauch auch auf die Herzen der Männer machte, er war jedenfalls ausgezeichnet geeignet, dem weiblichen Geschlecht während der Jugendzeit durch angenehme, gemäßigte und gesunde Leibesübungen eine kräftige Konstitution zu sichern und seinen Geschmack anzuregen und zu bilden durch den steten Wunsch zu gefallen, ohne doch je seine guten Sitten zu gefährden. Sobald diese Mädchen verheiratet waren, sah man sie nid-it mehr in der Uffentlichkeit; eingeschlossen in ihren Häusern kümmerten sie sich ausschließlich um ihren Haushalt und ihre Familie. Dies ist die Lebensweise, die dem weiblichen Geschlecht von Natur und Vernunft vorgeschrieben wird. Daher gebaren diese Frauen die gesündesten, kräftigsten und schönsten Männer der Welt, und trotz des schlechten Rufs einiger Inseln steht heute noch fest, daß von allen Völkern der Erde, selbst die Römer nicht ausgenommen, keines genannt wird, wo die Frauen zugleich sittsamer und liebenswerter gewesen wären und Ehrbarkeit mit Schönheit vollkommener gepaart als im alten Griechenland....
Im Umgang mit den Menschen bemerke ich allgemein, daß die Höflichkeit der Männer eher Dienstfertigkeit ist, die der Frauen aber eher eine Freundlichkeit. Dieser Unterschied kommt nicht aus der Konvention, sondern von der Natur. Der Mann scheint eher dienen zu wollen, die Frau will gefallen. Daraus folgt, daß, wie immer es auch um den Charakter der Frauen bestellt sein mag, ihre Höflichkeit nidit so falsch ist wie die unsere; sie vertiefen nur ihren Urinstinkt; wenn aber ein Mann vorgibt, mein Interesse gehe ihm vor seinem eigenen, so bin ich ganz sid-ier, daß er lügt, mit welchen Freundschaftsbeweisen er auch immer diese Lüge beschönigen mag. Es ist also den Frauen ein leichtes, höflich zu sein, und folglich auch den jungen Mädchen, es zu werden. Die erste Lehre kommt von der Natur, die Kunst tut nichts dazu als ihr folgen und unsren Sitten gemäß bestimmen, in welcher Form sie sich offenbaren soll. Die Höflichkeit der Frauen untereinander ist eine andere Sache; sie nehmen dabei so gezwungene Manieren an, so kühle Aufmerksamkeiten, daß sie kaum ein Hehl daraus machen, wenn sie einander lästig sind, und in ihrer Lüge aufrichtig scheinen, da sie gar nicht erst versuchen, sie zu verschleiern. Indessen schließen junge Mädchen manchmal in allem Ernst aufrichtigere Freundschaften. In ihrem Alter ersetzt die Fröhlichkeit die gute Gemütsart, und da sie mit sich selbst zufrieden sind, sind sie es mit aller Welt. Es ist auch gewiß, daß sie sich in Gegenwart der Männer herzlicher küssen und liebevoller umarmen, stolz darauf, deren Begehren durch den Anblick von Gunstbezeigungen, auf die sie sie neidisch machen, ungestraft anzustacheln.
Wenn man schon Knaben vorlaute Fragen verbietet, so muß man sie erst recht jungen Mädchen verbieten, bei denen die befriedigte oder ungeschickt abgelenkte Neugier, angesichts ihres Scharfsinns, Geheimnisse, die man ihnen verschweigt, zu wittern und ihrer Geschicklichkeit, sie zu enthüllen, ganz andere Folgen hat. Aber wenn man auch ihre Ausfragerei nicht dulden soll, so scheint es mir gut, daß man sie selbst oft ausfragt, daß man sie zum Plaudern bringt, daß man sie dazu reizt, um sie in der leichten Unterhaltung zu üben, sie schlagfertig zu machen, um ihnen Geist und Zunge zu lösen, so lange man es ohne Gefahr tun kann. Solche immer in Fröhlichkeit auslaufenden, aber elegant und gut gelenkten Konversationen wären ein reizvolles Vergnügen für dieses Alter und könnten in die unschuldsvollen Herzen dieser jungen Mädchen die ersten und vielleicht nützlichsten Moralbelehrungen ihres ganzen Lebens senken, indem sie unter der Lockung des Vergnügens und der Eitelkeit lernen, welchen Qualitäten die Männer ihre wirkliche Achtung schenken, und worin der Ruhm und das Glück einer ehrbaren Frau besteht.
Es ist durchaus verständlich, daß, wenn die männlichen Kinder außerstande sind, sich eine wirkliche Vorstellung von Religion zu machen, diese Vorstellung erst recht das Fassungsvermögen der Mädchen übersteigt: gerade deshalb möchte ich mit ihnen etwas früher darüber sprechen; denn wenn man warten müßte, bis sie imstande wären, diese tiefen Fragen methodisch zu disk~Litieren, würde man Gefahr laufen, niemals mit ihnen darüber reden zu können. Die Vernunft der Frauen ist eine praktische Vernunft, die sie auf gescllickteste Weise die Mittel finden läßt, ein gesetztes Ziel zu erreichen, die sie aber nicht dieses Ziel selbst finden läßt. Der Umgang der Geschlechter untereinander ist etwas Wunderbares. Aus diesem Umgang entsteht eine geistige Person, deren Auge die Frau und deren Arm der Mann ist, jedoch mit einer solchen gegenseitigen Abhängigkeit, daß die Frau vom Mann lernt, was sie sehen muß, und der Mann von der Frau, was er tun muß. Wenn die Frau ebenso wie der Mann bis zu den Prinzipien zurückgehen könnte und der Mann ebenso wie sie den Sinn für das Detail gehen hätte, so würden sie, weil immer voneinander unabhängig, in ewigem Streit leben, und ihre Gemeinschaft könnte nicht weiterbestehen.
Herrscht aber Harmonie zwischen ihnen, strebt alles dem gemeinsamen Ziel zu; keiner weiß, wer am meisten von dem seinen dazutut; jeder folgt dem Impuls des anderen; jeder gehorcht, und beide sind die Gebieter.
Gerade deshalb, weil das Verhalten der Frau der öffentlichen Meinung unterworfen ist, ist ihre Gläubigkeit der Autorität unterworfen. jede Tochter soll die Religion der Mutter haben, und jede Frau die ihres Gatten. Sollte diese Religion die falsche sein, tilgt die Fügsamkeit, mit der die Mutter und die Familie sich der Ordnung der Natur beugen, vor Gott die Sünde des Irrtums. Außerstande, selbst entsdieiden zu können, müssen sie die Entscheidung der Väter und der Gatten annehmen wie die der Kirche.
Da sie ihre Glaubensregel nicht aus sich selbst finden können, können die Frauen sie nicht in den Grenzen der Evidenz und der Vernunft halten; da sie sich aber von tausend fremden Impulsen hinreißen lassen, befinden sie sich immer diesseits oder jenseits des Wahren. Immer in Extremen lebend sind sie alle entweder Freigeister oder Frömmlerinnen; keine von ihnen weiß Vernunft mit Frömmigkeit zu vereinen. Die Quelle des übels liegt nicht nur im überspannten Charakter ihres Geschlechts, sondern ebenso in der schlecht geregelten Autorität des unsren: durch die Freiheit der Sitten wird sie verächtlich, durch den Schreck der Reue tyrannisch, und so kommt es, daß man immer zuviel oder zuwenig damit anfängt.
Da die Autorität die Religion der Frauen festlegen muß, geht es nicht so sehr darum, ihnen die Gründe, die uns zum Glauben führen, auseinanderzusetzen, als darum, ihnen klar und deutlich darzulegen, was man glaubt: denn der Glaube, den man dunklen Vorstellungen schenkt, ist der Urquell des Fanatismus, und der, den man für absurde Dinge verlangt, führt zum Unsinn oder zum Unglauben. Ich weiß nicht, wozu unsre Katechismen am ehesten verleiten - zur Gottlosigkeit oder zum Fanatismus; aber ich weiß sehr wohl, daß sie notwendigerweise das eine oder das andere bewirken.
Wenn ihr junge Mädchen in Religion unterrichten wollt, macht vor allem niemals einen Gegenstand der Traurigkeit und des Zwangs für sie daraus, niemals eine Aufgabe oder eine Pflicht; laßt sie folglich auch nichts auswendig lernen, was damit zusammenhängt, nicht einmal Gebete. Begnügt euch damit, regelmäßig die euren in ihrer Gegenwart zu verrichten, ohne sie jedoch zu zwingen, mitzubeten. Betet kurz, nach Christi Vorschrift. Verrichtet sie mit der gehörigen Sammlung und Ehrfurcht; verlangt ihr Gottes Ohr, daß es uns anhöre, so bedenkt, daß ihr ebensoviel Inbrunst in das legt, was ihr ihm zu sagen habt ... Es ist weniger wichtig, daß junge Mädchen ihre Religion früh kennen, als daß sie sie gut kennen und, vor allem, lieben.
Im übrigen ist es bis zu dem Alter, da die Vernunft erwacht und die Stimme des Gewissens durch das aufkeimende Gefühl zu sprechen beginnt, nützlich, zu beobachten, daß das, was gut oder schlecht, für junge Mädchen das ist, was ihre Umgebung als solches erklärt hat. Was man ihnen befiehlt, ist gut, was man ihnen verbietet, ist schlecht, mehr haben sie davon nicht zu wissen; daraus ersieht man, von welcher Bedeutung, für sie noch mehr als für die Knaben, die Wahl der Personen ist, mit denen sie in Berührung kommen und die einige Autorität über sie erlangen müssen. Schließlich kommt einmal der Augenblick, da sie anfangen, sich ein eigenes Urteil über alles zu bilden, und dann ist es an der Zeit, ihren Erziehungsplan zu ändern.
Ich habe vielleicht bis hierher schon zuviel darüber gesagt. Auf welches Niveau zwingen wir die Frauen herab, wenn wir ihnen nur die öffentlichen Vorurteile zum Gesetz machen? Erniedrigen wir nicht so tief das Geschlecht, das uns beherrscht und uns ehrt, wenn wir es nicht herabgewürdigt haben. Für das ganze menschliche Geschlecht gibt es ein Gesetz, das aller Meinung vorausgeht. Auf die unbeugsame Richtung dieses Gesetzes müssen alle anderen zurückgehen; es sitzt selbst über das Vorurteil zu Gericht, und nur soweit die Wertschätzung der Menschen mit ihm übereinstimmt, darf sie für uns Maßstab sein.
Dieses Gesetz ist das innere Gefühl - es genügt mir, zu bemerken, daß die Erziehung der Frauen immer fehlerhaft sein wird, wenn diese beiden Gesetze nicht zusammenwirken. Das Gefühl ohne die gesellschaftliche Meinung wird ihnen nicht jene Feinheit der Seele geben, die die guten Sitten mit weltlicher Ehre schmückt; und die gesellschaflliche Meinung ohne Gefühl wird immer nur falsche und ehrlose Frauen hervorbringen, die den Anschein an die Stelle der Tugend setzen.
Es ist also wichtig für sie, eine Fähigkeit heranzubilden, die zum Schiedsrichter zwischen den beiden Führern dient, die das Gewissen nicht in die Irre gehen läßt und die Irrtümer des Vorurteils riditigstellt. Diese Fähigkeit heißt Vernunft. Aber wie viele Fragen erheben sich bei diesem Wort! Sind Frauen gründlichen Denkens fähig? ist es von Bedeutung, daß sie es kultivieren? können sie es mit Erfolg kultivieren? Ist diese Bildung den ihnen auferlegten Funktionen von Nutzen? Ist sie mit der Einfachheit, die ihnen angemessen ist, in Einklang zu bringen?
Die verschiedenen Arten, diese Fragen zu betrachten und zu lösen, ergeben einander entgegengesetzte übertreibungen; die einen wollen die Frauen darauf beschränken, in ihrem Haushalt mit den Mägden zu nähen und zu spinnen und machen so nichts anderes aus ihnen als die erste Dienerin des Hausherrn, und die anderen begnügen sich nicht damit, ihnen ihre Rechte zu sichern, sondern wollen noch, daß sie sich die unseren anmaßen; denn gewährt man ihnen überlegenheit über uns in den Qualitäten, die ihrem Geschlecht eigen sind, und macht sie uns in allem übrigen gleich - was anderes bedeutet das, als der Frau den Vorrang zu übertragen, den die Natur dem Gatten gibt? ...
Ich würde es nicht absolut verwerfen, wenn eine Frau einzig auf die Beschäftigungen ihres Geschlechts beschränkt und in allem übrigen in tiefer Unwissenheit gehalten würde; dafür müßten jedoch die allgemeinen Sitten sehr einfach und sehr gesund sein oder ihr Leben sehr zurückgezogen. In großen Städten und unter korrupten Männern wäre diese Frau zu leicht zu verführen; oft würde ihre Tugend nur von der Gelegenheit abhängen. In diesem philosophischen Jahrhundert braucht sie eine bewährte Tugend; sie muß im voraus wissen, wie man zu ihr reden könnte und was sie darüber zu denken hat.
Der Beurteilung der Männer unterworfen, muß sie im übrigen deren Achtung verdienen; vor allem muß sie die ihres Gatten erwerben; sie darf ihm nicht nur ihre Person liebenswert machen, auch ihr Verhalten muß seine Zustimmung finden; sie muß vor der Öffentlichkeit die Wahl, die sie getroffen hat, rechtfertigen und den Gatten durch die Ehre ehren, die man der Frau erweist. Wie will sie aber mit all diesem zurechtkommen, wenn sie unsre Institutionen nicht kennt, wenn sie nichts von unsren Bräuchen weiß, von unsren Anstandsbegriffen, wenn sie weder den Ursprung der menschlichen Entscheidungen noch die Leidenschaften kennt, die sie bestimmen? Weil sie eben von ihrem eigenen Gewissen und der Meinung der anderen zugleich abhängt, muß sie lernen, diese beiden Faktoren miteinander zu vergleichen, sie einander anzupassen und dem einen vor dem anderen nur dann den Vorzug zu geben, wenn sie in Widerspruch zueinander stehen. Sie wird zum Richter ihrer Richter, sie entsdieidet, wann sie sich ihnen unterwerfen und wann sie sie abweisen muß. Bevor sie ihre Vorurteile verwirft oder akzeptiert, wägt sie sie ab; sie lernt sie bis auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen . . . und sie zu ihren Gunsten zu wenden; sie ist auf der Hut, sich jemals einen Tadel zuzuziehen, wenn ihre Pflicht ihr erlaubt, es zu vermeiden. Nichts von all dem ist möglich, ohne daß ihr Geist und ihre Vernunft ausgebildet werden. . .
Wie will im übrigen eine Frau, die es überhaupt nicht gewohnt ist zu denken, ihre Kinder erziehen? Wie kann sie erkennen, was ihnen angemessen ist? Wie will sie sie den Tugenden geneigt machen, die sie nicht kennt, dem moralischen Verdienst, von dem sie keine Vorstellung hat? Sie wird ihnen nur schöntun oder drohen können, sie nur frech oder ängstlich machen; sie wird manierierte Affen oder tölpelhafte Straßenkinder aus ihnen machen, niemals feinsinnige und liebenswerte Kinder.
Für einen Mann von Bildung ist es also nicht passend, eine Frau ohne Bildung zu nehmen und folglich auch nicht aus einem Stand, wo man keine gewinnen kann. Aber mir wäre ein einfaches und derb erzogenes Mädchen hundertmal lieber als ein Blaustrumpf und Schöngeist, der in meinem Hause einen literarischen Gerichtshof etabliert und sich zu dessen Präsidentin macht. Eine schöngeistige Frau ist die Geißel ihres Mannes, ihrer Kinder, ihrer Freunde, ihrer Diener, aller Welt. Aus der erhabenen Höhe ihrer schönen Seele verabscheut sie alle weiblichen Pflichten und macht sich immer zunächst zum Mann nach Art und Weise von Mademoiselle de l'Enclos. Außerhalb ihres Hauses wirkt sie überall lächerlich und setzt sich einer sehr gerechten Kritik aus, denn diese kann nicht ausbleiben, wenn man seinen Stand verläßt und einen annehmen möchte, für den man nicht geschaffen ist. All diese hochbegabten Frauen machen nur den Dummen Eindruck. Man weiß immer, wer der Künstler oder der Freund ist, der die Feder oder den Pinsel hält, wenn sie arbeiten; man weiß, wer der diskrete Gelehrte ist, der ihnen insgeheim ihre Orakel diktiert. Diese ganze Scharlatanerie ist einer ehrbaren Frau unwürdig. Hätte sie wirkliche Talente, würden diese durch ihre Eitelkeit entwertet. Ihre Würde ist es, nicht gekannt zu sein; ihre Ehre ist die Achtung ihres Mannes: ihre Freuden liegen im Glück ihrer Familie. Ich berufe mich auf euch selbst, Leser, seid aufrichtig: was gibt euch eine bessere Meinung über eine Frau beim Betreten ihres Zimmers, was läßt euch ihr mit größerem Respekt entgegentreten, wenn ihr sie mit Arbeiten ihres Geschlechts beschäftigt seht, mit Hausfrauenpflichten, die Sachen ihrer Kinder um sie herum, oder wenn ihr sie beim Verseschreiben am Toilettentisch antrefft, umgeben von Broschüren jeder Art und kleinen Briefchen in allen Farben? Gäbe es nur vernünftige Männer auf Erden, so müßte jedes gelehrte Mädchen sein Leben lang Mädchen bleiben . . .
Auf diese Betrachtungen folgt die über die Gestalt; sie ist das erste, was uns interessiert, und sollte doch das letzte sein; doch soll man sie auch nicht für überflüssig halten. Mir scheint, die große Schönheit sollte man bei der Heirat eher fliehen als suchen. Durch den Besitz verbraucht sich die Schönheit rasch; nach sechs Wodien bedeutet sie ihrem Besitzer nichts mehr, aber ihre Gefahren dauern so lange wie sie selbst. Ist eine schöne Frau nicht gerade ein Engel, so ist ihr Gatte der unglücklichste aller Männer; selbst wenn sie ein Engel wäre, wie könnte sie es verhindern, daß er nicht iinmerfort von Feinden umgeben wäre? Wäre äußerste Häßlichkeit nicht abstoßend, würde ich sie äußerster Schönheit vorziehen; da nämlich beides in kürzester Zeit dem Gatten nichts mehr sagt, wird die Schönheit zum Nachteil und die Häßlichkeit zum Vorteil. Aber die Häßlichkeit, die Ekel hervorruft, ist das größte Unglück; das Ekelgefühl, anstatt sich zu verlieren, verstärkt sich mehr und mehr und wird zum Haß. Eine solche Ehe ist die Hölle; der Tod wäre besser als eine solche Verbindung.
Strebt in allem nach dem Mittelmaß, ohne selbst die Schönheit davon auszunehmen. Ein liebenswertes und gewinnendes Gesicht, das nicht Liebe, aber Wohlwollen einflößt, soll man allem anderen vorziehen; der Gatte hat dabei nichts zu befürchten und beide haben gemeinsam Vorteil davon: Anmut verbraucht sich nicht so wie Schönheit; sie lebt und erneuert sich ständig, und nach dreißig Jahren Ehe gefällt eine anmutige Frau ihrem Mann noch wie am ersten Tag.
Solcherlei Erwägungen haben mich zur Wahl Sophies bestimmt. Zögling der Natur ebenso wie Emile ist sie für ihn geschaffen wie keine andere; sie wird die Frau des Mannes sein. Durch Geburt und Vorzüge ist sie ihm gleichgestellt, an Glücksgütern steht sie unter ihm. Sie bezaubert nicht auf den ersten Blick, nimmt aber jeden Tag mehr für sich ein. Ihr größter Reiz wirkt erst nach und nach, er entfaltet sich nur in der Intimität des Umgangs, und ihr Gatte spürt ihn mehr als jeder andere auf der Welt. Ihre Erziehung ist weder blendend noch vernachlässigt; sie besitzt unverbildeten Geschmack, ungekünstelte Talente, Urtellsvermögen ohne Kenntnisse. Ihr Geist hat wenig Wissen, ist aber zum Lernen vorbereitet; das ist ein gut bearbeiteter Boden, der nur auf das Samenkorn wartet, um Früchte zu bringen. Außer den Barême und dem Telemach, die ihr zufällig in die Hände fielen, hat sie keine Bücher gelesen; aber hat ein Mädchen, das sich für Telemach begeistern kann, ein fühlloses Herz und einen empfindungslosen Geist? O liebenswerte Unwissenheit! Sie wird nicht der Lehrer ihres Gatten sein, sondern sein Schüler, sie will ihn nicht ihren Neigungen unterordnen, sondern die seinigen annehmen. So wird sie ihm teurer sein, als wäre sie gelehrt; er wird die Freude haben, sie alles zu lehren...
»Zweierlei will der echte Mann: Gefahr und Spiel!«
Friedrich Nietzsche
Bei allem Zugeständnisse, welches ich dem monogamischen Vorurteile zu machen willens bin, werde ich doch niemals zulassen, daß man bei Mann und Weib von gleichen Rechten in der Liebe rede: diese gibt es nicht. Das macht, Mann und Weib verstehen unter Liebe jeder etwas anderes - und es gehört mit unter die Bedingungen der Liebe bei beiden Geschlechtern, daß das eine Geschlecht beim andren Geschlecht nicht das gleiche Gefühl, den gleichen Begriff »Liebe« voraussetzt. Was das Weib unter Liebe versteht, ist klar genug: vollkommmene Hingabe (nicht nur Hingebung) mit Seele und Leib, ohne jede Rücksicht, jeden Vorbehalt, mit Scham und Schrecken vielmehr vor dem Gedanken einer verklausulierten, an Bedingungen geknüpften Hingabe. In dieser Abwesenheit von Bedingungen ist eben seine Liebe ein Glaube: das Weib hat keinen anderen. - Der Mann, wenn er ein Weib liebt, will von ihm eben diese Liebe, ist folglich für seine Person selbst am entferntesten von der Voraussetzung der weiblichen Liebe; gesetzt aber, daß es auch Männer geben sollte, denen ihrerseits das Verlangen nach vollkommner Hingebung nicht fremd ist, nun, so sind das eben - keine Männer. Ein Mann, der liebt wie ein Weib, wird damit Sklave; ein Weib aber, das liebt wie ein Weib, wird damit ein vollkommneres Weib ... Die Leidenschaft des Weibes, in ihrem unbedingten Verzichtleisten auf eigne Rechte, hat gerade zur Voraussetzung daß auf der andren Seite nicht ein gleiches Pathos, ein gleiches Verzichtleisten-Wollen besteht: denn wenn beide aus Liebe auf sich selbst verzichteten, so entstünde daraus - nun, ich weiß nicht was, vielleicht ein leerer Raum? - Das Weib will genommen, angenommen werden als Besitz, will auf gehn in den Begriff »Besitz«, »besessen«; folglich will es einen, der nimmt, der sich nicht selbst gibt und weggibt, der umgekehrt vielmehr gerade reicher an »sich« gemacht werden soll durch den Zuwachs an Kraft, Glück, Glaube, als welchem ihm das Weib sich selbst gibt. Das Weib gibt sich weg, der Mann nimmt hinzu - ich denke, über diesen Natur-Gegensatz wird man durch keine sozialen Verträge, auch nicht durch den allerbesten Willen zur Gerechtigkeit hinwegkommen: so wünschenswert es sein mag, daß man das Harte, Schreckliche, Rätselhafte, Unmoralische dieses Antagonismus sich nicht beständig vor Augen stellt. Denn die Liebe, ganz, groß, voll gedacht, ist Natur und als Natur in alle Ewigkeit etwas »Unmoralisches«. - Die Treue ist demgemäß in die Liebe des Weibes eingeschlossen, sie folgt aus deren Definition; bei dem Manne kann sie leicht im Gefolge seiner Liebe entstehn, etwa als Dankbarkeit oder als Idiosynkrasie des Geschmacks und sogenannte Wahlverwandtschaft, aber sie gehört nicht ins Wesen seiner Liebe - und zwar so wenig, daß man beinahe mit einigem Rechte von einem natürlichen Widerspiel zwischen Liebe und Treue beim Manne reden dürfte: welche Liebe eben ein Haben-Wollen ist und nicht ein Verzichtleisten und Weggeben; das Haben-Wollen geht aber jedesmal mit dem Haben zu Ende... Tatsächlich ist es der feinere und argwöhnischere Besitzdurst des Mannes, der dies »Haben« sich selten und spät eingesteht, was seine Liebe fortbestehn macht; insofern ist es selbst möglich, daß sie noch nach der Hingebung wächst - er gibt nicht leicht zu, daß ein Weib für ihn nichts mehr »hinzugeben« hätte ...
Alles am Weibe ist ein Rätsel, und alles am Weibe hat eine Lösung: sie heißt Schwangerschaft.
Der Mann ist für das Weib ein Mittel: der Zweck ist immer das Kind. Aber was ist das Weib für den Mann?
Zweierlei will der echte Mann: Gefahr und Spiel. Deshalb will er das Weib, als das gefährlichste Spielzeug.
Der Mann soll zum Kriege erzogen werden und das Weib zur Erholung des Kriegers: alles andre ist Torheit.
Allzu süße Früchte - die mag der Krieger nicht. Darum mag er das Weib; bitter ist auch noch das süßeste Weib.
Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder, aber der Mann ist kindlicher als das Weib.
Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!
Ein Spielzeug sei das Weib, rein und fein, dem Edelsteine gleich, bestrahlt von den Tugenden einer Welt, welche noch nicht da ist.
Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Liebe! Eure Hoffnung heiße: »Möge ich den Übermenschen gebären!«
In eurer Liebe sei Tapferkeit! Mit eurer Liebe sollt ihr auf den losgehn, der euch Furcht einflößt.
In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht sich sonst das Weib auf Ehre. Aber dies sei eure Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet, und nie die zweiten zu sein.
Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding gilt ihm ohne Wert.
Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es haßt: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur böse, das Weib aber ist dort schlecht.
Wen haßt das Weib am meisten? - Also sprach das Eisen zum Magneten: »Ich hasse dich am meisten, weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich zu ziehen.«
Das Glück des Mannes heißt: ich will. Das Glück des Weibes heißt: er will »Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!« - also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer Liebe gehorcht. Und gehorchen muß das Weib und eine Tiefe finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes Gemüt, eine bewegliche stürmische Haut auf einem seichten Gewässer. Des Mannes Gemüt aber ist tief, sein Strom rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine Kraft, aber begreift sie nicht ... »Du gehst zu Frauen? Vergiß die Peitsche nicht!«...
Das Weib will selbständig werden: und dazu fängt es an, die Männer über das »Weib an sich« aufzuklären - das gehört zu den schlimmsten Fortschritten der allgemeinen Verhäßlichung Europas. Denn was müssen diese plumpen Versuche der weiblichen Wissenschaftlichkeit und Selbst-Entblößung alles ans Licht bringen! Das Weib hat so viel Grund zur Scham; im Weibe ist so viel Pedantisches, Oberflächliches, Schulmeisterliches, Kleinlich-Anmaßliches, Kleinlich-Zügelloses und Unbescheidnes versteckt - man studiere nur seinen Verkehr mit Kindern! - das im Grunde bisher durch die Furcht vor dem Manne am besten zurückgedrängt und gebändigt wurde. Wehe, wenn erst das »Ewig-Langweilige am Weibe« - es ist reich daran! - sich hervorwagen darf! Wenn es seine Klugheit und Kunst, die der Anmut, des Spielens, SorgenWegscheuchens, Erleichterns und Leicht-Nehmens, wenn es seine feine Anstelligkeit zu angenehmen Begierden gründlich und grundsätzlich zu verlernen beginnt! Es werden schon jetzt weibliche Stimmen laut, welche, beim heiligen Aristophanes! Schrecken machen, es wird mit medizinischer Deutlichkeit gedroht, was zuerst und zuletzt das Weib vom Manne will. Ist es nicht vom schlechtesten Geschmacke, -wenn das Weib sich dergestalt anschickt, wissenschaftlich zu werden? Bisher war glücklicherweise das Aufklären Männer-Sache, Männer-Gabe - man blieb damit »unter sich«; und man darf sich zuletzt, bei allem, was Weiber über »das Weib« schreiben, ein gutes Mißtrauen vorbehalten, ob das Weib über sich selbst eigentlich Aufklärung will - und wollen kann ... Wenn ein Weib damit nicht einen neuen Putz für sich sucht ich denke doch, das Sich-Putzen gehört zum Ewig-Weiblichen? - nun, so will es vor sich Furcht erregen - es will damit vielleicht Herrschaft. Aber es will nicht Wahrheit: was liegt dem Weibe an Wahrheit! Nichts ist von Anbeginn an dem Weibe fremder, widriger, feindlicher als Wahrheit - seine große Kunst ist die Lüge, seine höchste Angelegenheit ist der Schein und die Schönheit. Gestehen wir es, wir Männer: wir ehren und lieben gerade diese Kunst und diesen Instinkt am Weibe: wir, die wir es schwer haben und uns gerne zu unsrer Erleichterung zu Wesen gesellen, unter deren Händen, Blicken und zarten Torheiten uns unser Ernst, unsre Schwere und Tiefe beinahe wie eine Torheit erscheint. Zuletzt stelle ich die Frage: hat jemals ein Weib selber schon einem Weibskopfe Tiefe, einem Weibsherzen Gerechtigkeit zugestanden? Und ist es nicht wahr, daß, im großen gerechnet, »das Weib« bisher vom Weibe selbst am meisten mißachtet wurde - und ganz und gar nicht von uns? - Wir Männer wünschen, daß das Weib nicht fortfahre, sich durch Aufklärung zu kompromittieren: wie es Manns-Fürsorge und Schonung des Weibes war, als die Kirche dekretierte: mulier taceat in ecclesia! Es geschah zum Nutzen des Weibes, als Napoleon der allzu beredten Madame de Stael zu verstehen gab: mulier taceat in politicis! - und ich denke, daß es ein rechter Weiberfreund ist, der den Frauen heute zuruft: mulier taceat de muliere!
Es verrät Korruption der Instinkte - noch abgesehn davon, daß es schlechten Geschmack verrät - wenn ein Weib sich gerade auf Madame Roland oder Madame de Stael oder Madame George Sand beruft, wie als ob damit etwas zugunsten des »Weibs an sich« bewiesen wäre. Unter Männern sind die Genannten die drei komischen Weiber an sich - nichts mehr! und gerade die besten unfreiwilligen Gegen-Argumente gegen Emanzipation und weibliche Selbstherrlichkeit.
Die Dummheit in der Küche; das Weib als Köchin; die schauerliche Gedankenlosigkeit, mit der die Ernährung der Familie und des Hausherrn besorgt wird! Das Weib versteht nicht, was die Speise bedeutet: und will Köchin sein! Wenn das Weib ein denkendes Geschöpf wäre, so hätte es ja, als Köchin seit Jahrtausenden, die größten physiologischen Tatsachen finden, insgleichen die Heilkunst in seinen Besitz bringen müssen! Durch schlechte Köchinnen durch den vollkommnen Mangel an Vernunft in der Küche ist die Entwicklung des Menschen am längsten aufgehalten, am schlimmsten beeinträchtigt worden: es steht heute selbst noch wenig besser. Eine Rede an höhere Töchter.
Es gibt Wendungen und Würfe des Geistes, es gibt Sentenzen, eine kleine Handvoll Worte, in denen eine ganze Kultur, eine ganze Gesellschaft sich plötzlich kristallisiert. Dahin geht jenes gelegentliche Wort der Madame de Lambert an ihren Sohn: »mon ami, ne vous permettez jamais que de folies, qui vous feront grand plaisir« - beiläufig das mütterlichste und klügste Wort, das je an einen Sohn gerichtet worden ist. Das, was Dante und Goethe vom Weibe geglaubt haben - jener, indem er sang »ella guardava suso, ed io in lei«, dieser, indem er es übersetzte »das Ewig-Weibliche zieht uns hinan«: ich zweifle nicht, daß jedes edlere Weib sich gegen diesen Glauben wehren wird, denn es glaubt eben das vom Ewig-Männlichen ...
Wie die längste Weile fleucht, kommt ein Mann zu uns gekreucht!
Alter, ach! und Wissenschaft gibt auch schwacher Tugend Kraft.
Schwarz Gewand und Schweigsamkeit kleidet jeglich Weib - gescheit.
Wem im Glück ich dankbar bin? Gott! - und meiner Schneiderin.
Jung: beblümtes Höhlenhaus. Alt: ein Drache fährt heraus.
Edler Name, hübsches Bein, Mann dazu: o wär er mein!
Kurze Rede, langer Sinn - Glatteis für die Eselin!
Die Frauen sind von den Männern bisher wie Vögel behandelt worden, die von irgendwelcher Höhe sich hinab zu ihnen verirrt haben: als etwas Feineres, Verletzlicheres, Wilderes, Wunderlicheres, Süßeres, Seelenvolleres - aber als etwas, das man einsperren muß, damit es nicht davonfliegt.
Sich im Grundprobleme »Mann und Weib« zu vergreifen, hier den abgründlichsten Antagonismus und die Notwendigkeit einer ewig-feindseligen Spannung zu leugnen, hier vielleicht von gleichen Rechten, gleicher Erziehung, gleichen Ansprüchen und Verpflichtungen zu träumen: dies ist ein typisches Zeichen von Flachköpfigkeit, und ein Denker, der an dieser gefährlichen Stelle sich flach erwiesen hat - flach im Instinkte! - darf überhaupt als verdächtig, mehr noch, als verraten, als aufgedeckt gelten: wahrscheinlich wird er für alle Grundfragen des Lebens, auch des zukünftigen Lebens, zu »kurz« sein und in keine Tiefe hinunterkönnen. Ein Mann hingegen, der Tiefe hat, in seinem Geiste wie in seinen Begierden, auch jene Tiefe des Wohlwollens, welche der Strenge und Härte fähig ist und leicht mit ihnen verwechselt wird, kann über das Weib immer nur orientalisch denken - er muß das Weib als Besitz, als verschließbares Eigentum, als etwas zur Dienstbarkeit Vorbestimmtes und in ihr sich Vollendendes fassen - er muß sich hierin auf die ungeheure Vernunft Asiens, auf Asiens Instinktüberlegenheit stellen, wie dies ehemals die Griechen getan haben, diese besten Erben und Schüler Asiens, welche, wie bekannt, von Homer bis zu den Zeiten des Perikles, mit zunehmender Kultur und Umfänglichkeit an Kraft, Schritt für Schritt auch strenger gegen das Weib, kurz, orientalischer geworden sind. Wie notwendig, wie logisch, wie selbst menschlich-wünschbar dies war: möge man darüber bei sich nachdenken!
Das schwache Geschlecht ist in keinem Zeitalter mit solcher Achtung von seiten der Männer behandelt worden als in unserm Zeitalter - das gehört zum demokratischen Hang und Grundgeschmack, ebenso wie die Unehrerbietigkeit vor dem Alter: was wunder, daß sofort wieder mit dieser Achtung Mißbrauch getrieben wird? Man will mehr, man lernt fordern, man findet zuletzt jenen Achtungszoll beinahe schon kränkend, man würde den Wettbewerb um Rechte, ja ganz eigentlich den Kampf vorziehn: genug, das Weib verliert an Scham. Setzen wir sofort hinzu, daß es auch an Geschmack verliert. Es verlernt den Mann zu fürchten: aber das Weib, das »das Fürchten verlernt«, gibt seine weiblichsten Instinkte preis. Daß das Weib sich hervorwagt, wenn das Furcht-Einflößende am Manne, sagen wir bestimmter, wenn der Mann im Manne nicht mehr gewollt und großgezüchtet wird, ist billig genug, auch begreiflich genug; was sich schwerer begreift, ist, daß eben damit - das Weib entartet. Dies geschieht heute: täuschen wir uns nicht darüber! Wo nur der industrielle Geist über den militärischen und aristokratischen Geist gesiegt hat, strebt jetzt das Weib nach der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit eines Kommis: »das Weib als Kommis« steht an der Pforte der sich bildenden modernen Gesellschaft. Indem es sich dergestalt neuer Rechte bemächtigt, »Herr« zu werden trachtet und den »Fortschritt« des Weibes auf seine Fahnen und Fähnchen schreibt, vollzieht sich mit schrecklicher Deutlichkeit das Umgekehrte: das Weib geht zurück. Seit der Französischen Revolution ist in Europa der Einfluß des Weibes in dem Maße geringer geworden, als es an Rechten und Ansprüchen zugenommen hat; und die »Emanzipation des Weibes«, insofern sie von den Frauen selbst (und nicht nur von männlichen Flachköpfen) verlangt und gefördert wird, ergibt sich dergestalt als ein merkwürdiges Symptom von der zunehmenden Schwächung und Abstumpfung der allerweiblichsten Instinkte. Es ist Dummheit in dieser Bewegung, eine beinahe maskulinische Dummheit, deren sich ein wohlgeratenes Weib - das immer ein kluges Weib ist - von Grund aus zu schämen hätte. Die Witterung dafür verlieren, auf welchem Boden man am sichersten zum Siege kommt - die Übung in seiner eigentlichen Waffenkunst vernachlässigen; sich vor dem Manne gehen lassen, vielleicht sogar »bis zum Buche«, wo man sich früher in Zucht und feine listige Demut nahm; dem Glauben des Mannes an ein im Weibe verhülltes grundverschiedenes Ideal, an irgendein Ewig- und Notwendig-Weibliches mit tugendhafter Dreistigkeit entgegenarbeiten; dem Manne es nachdrücklich und geschwätzig ausreden, daß das Weib gleich einem zarteren, wunderlich wilden und oft angenehmen Haustiere erhalten, versorgt, geschätzt, geschont werden müsse; das täppische und entrüstete Zusammensuchen all des Sklavenhaften und Leibeigenen, das die Stellung des Weibes in der bisherigen Ordnung der Gesellschaft an sich gehabt hat und noch hat (als ob Sklaverei ein Gegenargument und nicht vielmehr eine Bedingung jeder höheren Kultur, jeder Erhöhung der Kultur sei) - was bedeutet dies alles, wenn nicht ein Abbröckelung der weiblichen Instinkte, eine Entweiblichung? Freilich, es gibt genug blödsinnige Frauen-Freunde und Weibs-Verderber unter den gelehrten Eseln männlichen Geschlechts, die dem Weibe anraten, sich dergestalt zu entweiblichen und alle die Dummheiten nachzumachen, an denen der »Mann« in Europa, die europäische »Mannhaftigkeit« krankt - welche das Weib bis zur »allgemeinen Bildung«, wohl gar zum Zeitunglesen und Politisieren herunterbringen möchten. Man will hier und da selbst Freigeister und Literaten aus den Frauen machen: als ob ein Weib ohne Frömmigkeit für einen tiefen und gottlosen Mann nicht etwas vollkommen Widriges oder Lächerliches wäre - man verdirbt fast überall ihre Nerven mit der krankhaftesten und gefährlichsten aller Arten Musik (unsrer deutschen neuesten Musik) und macht sie täglich hysterischer und zu ihrem ersten und letzten Berufe, kräftige Kinder zu gebären, unbefähigter. Man will sie überhaupt noch mehr »kultivieren« und, wie man sagt, das »schwache Geschlecht« durch Kultur stark machen: als ob nicht die Geschichte so eindringlich wie möglich lehrte, daß »Kultivierung« des Menschen und Schwächung - nämlich Schwächung, Zersplitterung, Ankränkelung der Willenskraft, immer miteinander Schritt gegangen sind, und daß die mächtigsten und einflußreichsten Frauen der Welt (zuletzt noch die Mutter Napoleons) gerade ihrer Willenskraft - und nicht den Schulmeistern! - ihre Macht und ihr Übergewicht über die Männer verdankten. Das, was am Weibe Respekt und oft genug Furcht einflößt, ist seine Natur, die »natürlicher« ist als die des Mannes, seine echte raubtierhaft listige Geschmeidigkeit, seine Tigerkralle unter dem Handschuh, seine Naivität im Egoismus, seine Unerziehbarkeit und innerliche Wildheit, daß Unfaßliche, Weite, Schweifende seiner Begierden und Tugenden... Was, bei aller Furcht, für diese gefährliche und schöne Katze »Weib« Mitleiden macht, ist, daß es leidender, verletzbarer, liebebedürftiger und zur Enttäuschung verurteilter erscheint als irgendein Tier. Furcht und Mitleiden: mit diesen Gefühlen stand bisher der Mann vor dem Weibe, immer mit einem Fuße schon in der Tragödie, welche zerreißt, indem sie entzückt. - Wie? Und damit soll es nun zu Ende sein? Und die Entzauberung des Weibes ist im Werke? Die Verlangweiligung des Weibes kommt langsam herauf? O Europa! Europa! Man kennt das Tier mit Hörnern, welches für dich immer am anziehendsten war, von dem dir immer wieder Gefahr droht! Deine alte Fabel könnte noch einmal zur »Geschichte« werden - noch einmal könnte eine ungeheure Dummheit über dich Herr werden und dich davontragen! Und unter ihr kein Gott versteckt, nein! nur eine »Idee«, eine »moderne Idee«!...