Arbeitgeber-Probleme

Da wir eine verstärkte Erwerbstätigkeit von Frauen befürworten möchten, ist es wichtig, uns mit den Widerständen zu befassen, die zweifellos bei Arbeitgebern, Arbeitskollegen und allgemein in der Öffentlichkeit dagegen bestehen. Die Einwände werden aus einer Reihe von verschiedenen Gründen erhoben. Einige von ihnen beruhen auf sozialen Vorurteilen oder persönlicher Abneigung, andere auf nachweisbaren Tatsachen und Umständen. Obwohl es schwierig ist, vernunftmäßige Gründe gegen gefühlsmäßige Einstellungen vorzubringen, müssen wir Argumente gegen die erhöhte Erwerbstätigkeit von Frauen - was hauptsächlich Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen bedeutet - ernstnehmen, wenn sie durch unparteiische Sachverständige, wie Psychologen, Erzieher, Sozialwissenschaftler usw. unterstützt werden, und wir müssen das Beweismaterial untersuchen, das von Arbeitgebern weiblicher Arbeitskräfte vorgelegt worden ist. Um ein möglichst umfassendes und objektives Bild unseres Problems zu erhalten, werden wir die von allen interessierten Stellen vorgebrachten Argumente sorgfältig zu prüfen haben. Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat nunmehr eine genügend lange Vergangenheit und ist so weit verbreitet, daß die Auseinandersetzung dem Bereich der persönlichen Meinungen entzogen und in die leidenschaftslose Atmosphäre praktischer Erfahrung und rationeller Untersuchung übergeleitet werden kann.
Zuerst sollen die Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit behandelt werden.
Maschinenausstattung und Organisation der Industrie wurden - zumindest in den ersten Phasen der industriellen Revolution, denen die westlichen Länder erst jetzt entwachsen - fast ausschließlich von Männern erstellt und betrieben. Blickt man auf die Geschichte der Industrie zurück, so ist es völlig klar, warum es so war. Die Dampfmaschine, deren Erfindung die industrielle Revolution einleitete, brauchte die schwere körperliche Arbeit von Männern, die ihr als wichtigstes Rohmaterial die Kohle zu liefern hatten, und die auch die schweren Maschinen in Gießereien und Fabriken bedienen sowie Schienenwege und Kanäle bauen und in Betrieb nehmen konnten. Zudem konzentrierten sich die Produktion und der wachsende Verwaltungsapparat, der für die neue industrielle Entwicklung erforderlich war, in größerer Entfernung und ganz unabhängig von den Wohnstätten der Menschen. Die Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz, von privatem und beruflichem Leben, wurde so vollständig wie möglich Der gleiche Mensch, der als Glied einer Familie zu Hause gewisse Pflichten, Aufgaben und Vorlieben hat, nimmt als Mitarbeiter im Büro oder in der Fabrik eine nahezu völlig andere Persönlichkeit an. Seine Verpflichtungen, seine Interessen und Ziele sind dort und hier nicht die gleichen.
Die Kluft zwischen den beiden Aufgabenbereichen wurde dadurch vertieft, daß die Hauptlast der häuslichen Pflichten von der Frau übernommen werden konnte, die mehr und mehr zum Mittelpunkt der Familie und zum Haushaltungsvorstand wurde. Einige andere Aufgaben, wie die Ausbildung des Sohnes im Beruf des Vaters, verschwanden entweder ganz oder gingen auf Bildungs- und andere Einrichtungen über. Der Anteil des Mannes am häuslichen Leben und am Familienleben schrumpfte zusammen, während Geschäfts- und Fabrikbetriebe zu Riesenapparaten ausgebaut werden konnten, die unter der Voraussetzung funktionierten, daß die Menschen Rädchen im Getriebe waren. Die Tatsache, daß sie auch außerhalb ihrer Arbeit Verpflichtungen und Interessen hatten, konnte unbeachtet bleiben.
Als neue Methoden in Industrie und Verwaltung die Frau in diese von Männern geschaffene Welt brachten, und als immer mehr Frauen benötigt wurden, um die Maschinen in Gang zu halten, hat man ihre Leistungen natürlich an den festgelegten Normen gemessen. Wie groß war ihr Arbeitsertrag, ihre Anwesenheitsrate und ihr Arbeitsinteresse im Vergleich zu den vorhandenen Maßstäben?
Die Leistungen der Frau sind an anderer Stelle genügend gewürdigt worden und sind heute so bekannt, daß es keiner Wiederholung bedarf. Die Tatsache, daß mehr und mehr Frauen von der Industrie, dem Handel, der Verwaltung und den öffentlichen Diensten aller Art gebraucht und gesucht werden, bezeugt an sich schon genügend den Wert ihres Beitrages.
Dies beantwortet jedoch nicht die Frage, ob eine Anpassung der Arbeitsorganisation und -technik nicht notwendig oder zumindest wünschenswert wird, wenn die Mitarbeit der Frau den bestmöglichen Nutzeffekt haben soll, ohne daß es zu Konflikten in ihrem Leben und einer Zerrüttung ihrer Familie kommt. Bisher ist die erforderliche Anpassung ziemlich einseitig von Seiten der Frauen erfolgt, oft unter großen persönlichen Opfern. Sollen die Arbeitskräfte jedoch optimal genutzt werden, dann muß der recht schwerfällige Industrie- und Verwaltungsapparat den Bedürfnissen der Menschen, die ihn in Gang halten, neu angepaßt werden.
Das Interesse am Wohl des Arbeiters und seiner Familie ist erst neueren Datums und charakteristisch für die jüngste Phase der Industrialisierung. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der steigende Anteil der Frau an bisher männlichen Arbeitsgebieten zu dem wachsenden Bewußtsein beigetragen hat, daß die Arbeit des Menschen nur die eine Seite seines Lebens darstellt. Diese Erkenntnis sprach zum Beispiel aus einer Broschüre,[1] die das Britische Arbeitsministerium im Jahre 1942, zu einer Zeit stärkster nationaler Kraftanstrengung, veröffentlichte: »Das häusliche Leben war stets eine persönliche Angelegenheit des Menschen, es war Endzweck und Belohnung seiner Arbeit. Viele Regierungsstellen, Vereinigungen und Persönlichkeiten beschäftigen sich jetzt mit >Wohlfahrt<. Die als >Wohlfahrtsbestrebungen< behandelten Angelegenheiten sind jedoch sehr geringfügig, wenn man sie mit dem häuslichen Leben eines Menschen vergleicht...«
Diese Veröffentlichung, die ein Vorbild amtlichen Verständnisses ist, behandelte das damals besonders drückende Problem des Fernbleibens von der Arbeit. Insbesondere verheiratete Frauen waren die schlimmsten Missetäter, und das Arbeitsministerium ermahnte die Arbeitgeber: »Sie versuchen zwei Ganztagsarbeiten zu verrichten. Wenn sie nicht mehr als einen halben Tag wöchentlich ihrer Arbeit fernbleiben, dann haben sie etwas Erstaunliches vollbracht. Es ist an der Zeit, daß man mehr über den Einsatz der Frauen in dieser Richtung spricht und mehr auch über die zu treffenden Maßnahmen, um ihnen das Weitermachen zu ermöglichen.«
Das Ministerium empfahl, diese Umstände zu berücksichtigen und ihnen durch größere organisatorische Beweglichkeit der Wirtschaft zu begegnen. »Die Anpassung des Industrieapparats an wohlbegründete Bedürfnisse der Menschen, die ihn bedienen, ist von wesentlicher Bedeutung, wenn ein optimaler Arbeitsertrag erzielt werden soll.« Dies ist natürlich in Friedenszeiten nicht weniger richtig als in Zeiten des Krieges, und es muß die Grundlage jeder langfristigen Wirtschaftspolitik bilden. An diesem Punkt wollen wir nicht näher darauf eingehen, wie eine solche Anpassung des industriellen Apparates und der sozialen Organisation im allgemeinen zu erreichen ist; wir können auch nicht die einzelnen Empfehlungen des Arbeitsministeriums an die Arbeitgeber erörtern. Über diese Dinge wird später mehr zu sagen sein.
Wir wollen hier den allgemeinen Hintergrund skizzieren, vor dem die Unterschiede zwischen Mann und Frau gesehen werden müssen. Wir sind davon überzeugt, daß es einen einzigen konstruktiven Zugang zu dem Problem der erwerbstätigen Frau gibt, nämlich den, die Organisation der Arbeit und nicht die der weiblichen Arbeitskräfte als variabel zu behandeln. Die Frage heißt deshalb nicht: Welche nachteiligen Auswirkungen - wenn es solche gibt hat die doppelte Funktion weiblicher Arbeitskräfte auf die Arbeit sowie auf bestehende feste Maßstäbe und Methoden der industriellen Organisation? Sondern: Welche Arbeitsbedingungen vermögen am besten Höchstleistungen zu fördern, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß jede Arbeitskraft ebenso häusliche Verpflichtungen wie einen Beruf hat, und daß besonders verheiratete Frauen oft eine ebenso schwere wie bedeutsame Verantwortung zu Hause tragen.
Wenn es das Endziel ist, die industrielle Organisation einem neuen Arbeitertyp anzupassen, der unterschiedliche Überlieferungen und soziale Gewohnheiten hat, dann müssen wir vor allem sehen, an welchen Punkten sich Reibungen aus dem Zusammentreffen dieses neuen Arbeiters mit dem alten Apparat ergeben haben. In dreierlei Hinsicht fällt der Vergleich mit männlichen Arbeitskräften nachteilig für die Frau aus:

  • 1. in bezug auf Abwesenheit von der Arbeit,
  • 2. durch häufigeren Arbeitsplatzwechsel, und
  • 3. hiermit verbunden, wegen der relativ höheren Kosten und Nachteile bei der Ausbildung von Personen, deren dauernde Beschäftigung unsicher ist.

Je qualifizierter die Arbeit und je länger und teurer die erforderliche Ausbildung, desto brennender ist dieses Problem.

Abwesenheit von der Arbeit (Absentismus)

Genaue Zahlen sind schwer zu erlangen und geben kein klares Bild der Situation, denn die Abwesenheitsraten unterscheiden sich nicht nur bei den einzelnen Arbeitszweigen, sondern auch von einem zum anderen Arbeitsplatz und von Ort zu Ort. Sie variieren bei verheirateten und ledigen Frauen, bei gelernten und ungelernten Arbeitskräften und bei Männern und Frauen verschiedener Altersstufen. Sie hängen von so veränderlichen Faktoren wie dem Arbeitsklima eines Betriebes ab, den Auswahlmethoden für Arbeitskräfte, dem Verhältnis der Betriebsleitung zu den Mitarbeitern und natürlich von der allgemeinen Arbeitsmarktlage, beispielsweise der relativen Leichtigkeit, mit der andere Stellungen verfügbar sind. Darum müssen alle Verallgemeinerungen ein verzerrtes Bild geben. Soviel kann jedoch ganz allgemein gesagt werden: Abwesenheit von der Arbeit kommt beträchtlich häufiger bei Frauen als bei Männern vor - oft zwei-, dreimal so oft und auch noch mehr. Aber es gibt Büros und Fabriken mit besonders guten Arbeitsbedingungen, wo Frauen nicht öfter fehlen als Männer.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst der Vereinigten Staaten hat Unterlagen über Abwesenheit wegen Krankheit gesammelt, die einige Jahre umfassen, und zwar an Hand von Unterlagen der Krankenfürsorgegesellschaften auf Gegenseitigkeit, der Gruppen-Krankenversicherungsprojekte und der Unterstützungskassen von Firmen. Die Unterlagen betreffen nur Arbeitsunfähigkeit von mindestens acht aufeinanderfolgenden Tagen, denn die meisten Unterstützungsleistungen im Krankheitsfall beginnen erst nach Ablauf der ersten Woche der Erkrankung. Sie werden von Dr. W. M. Gafafer in den US-Berichten über die öffentliche Gesundheit periodisch analysiert.
Für das Jahr 1950 zeigen diese Zahlen, daß bei Männern infolge von Krankheit und nichtbetrieblichen Unfällen 116,8 Fälle von Abwesenheit pro Jahr auf 1 000 Arbeiter vorkamen, während es bei den Frauen 258,4 waren. Die folgende Tabelle zeigt die durch Krankheit bedingte Abwesenheit von Männern und Frauen während der Jahre 1949 und 1950 sowie die Durchschnittszahlen für die vorhergehenden zehn Jahre.

Eine andere Untersuchung [2] wurde bei über 300 000 Arbeitern durchgeführt, die in den Vereinigten Staaten und Kanada bei General Motors beschäftigt, und die von der Firma in das »Gruppen-Versicherungsprogramm« für Arbeitskräfte in Stundenlohn aufgenommen worden waren. Sie umfaßte Krankheiten, die in den, dem 31. Juli 1950 vorangegangenen zwölf Monaten begonnen hatten und länger als sieben Tage dauerten.
Männer verloren durchschnittlich 4,2 Tage im Jahr wegen vorübergehender nichtarbeitsbedingter Krankheit, verglichen mit 14,8 Tagen bei weiblichen Arbeitnehmern (ohne Geburten), oder 17,2 Tagen mit Geburten.
Während des der Untersuchung zugrundegelegten Jahres hatten 87 von je 1000 männlichen Stundenlohn-Arbeitern eine nichtberufliche Krankheit, die länger als sieben Tage dauerte. Eine solche Erkrankung war fast dreimal so häufig unter den versicherten männlichen Arbeitern im Alter von fünfzig und mehr Jahren wie unter jüngeren Männern - nämlich 188 je 1000 der älteren Männer, verglichen mit 67 je 1000 der jüngeren. Weibliche Arbeitskräfte hatten eine Häufigkeitsrate von 239 auf 1000 (ohne Geburten), das ist fast die dreifache der Männer. In den jüngeren Altersgruppen war die Häufigkeitsrate der Frauen fast viermal so hoch wie die der Männer. Nach der Untersuchung war etwa eine von jeweils vier der versicherten weiblichen Arbeitskräfte während des Jahres wegen einer nichtberuflichen Krankheit abwesend, bzw. eine von drei Frauen unter fünfzig Jahren, wenn Krankheitsfälle hinzugezählt werden, die mit einer Schwangerschaft in Verbindung stehen.
Männliche Arbeiter im Stundenlohn verloren im Jahresdurchschnitt 48 Tage je Unterstützungsanspruch in dem betreffenden Jahr; Frauen (ohne Geburtsfälle) verloren im Durchschnitt 62 Tage je Unterstützungsanspruch, das heißt zwei Wochen mehr als die Männer. Junge Männer verloren 41 solcher Tage - 20 weniger als die älteren Männer, während jüngere Frauen 62 Tage verloren - nur 5 Tage weniger als der Durchschnitt der Gruppe der älteren Frauen.
Das Hauptergebnis all dieser und ähnlicher Studien zeigt im Frieden wie im Krieg eine gemeinsame Tendenz: Frauen sind öfters abwesend von der Arbeit als Männer, und ihre gesamte Verlustzeit ist größer; Krankheit ist bei Männern wie bei Frauen der vorherrschende Grund der Abwesenheit, und Erkrankungen, die ein Fernbleiben von der Arbeit zur Folge haben, treten unter Frauen häufiger als unter Männern auf.
Die gleiche Tendenz besteht in anderen Ländern. Ein Zwischenbericht über die Tätigkeit der Nationalen Krankenversicherung in Großbritannien [3] zeigt, daß während des Jahres 1950 Krankheitsunterstützungen für durchschnittlich 1 3/4 Wochen je Mann und fast drei Wochen je Frau gezahlt wurden. Diese Zahlen umfassen alle Arbeitnehmer, bis auf die Staatsbeamten, die durch ein Sondersystem versorgt werden; aber sie beziehen sich nicht auf ein Fernbleiben von der Arbeit, für das keine Versicherungsleistung gezahlt wird, wie ein einzelner Krankheitstag, oder - unter gewissen Umständen - die ersten drei Tage einer Erkrankung.
Das Forschungsamt für betriebliche Gesundheit des Medical Research Council[4] schätzte, daß unter Kriegsbedingungen »die Männer im allgemeinen zwischen 5 und 10 vH der möglichen Arbeitsstunden versäumten, Frauen dagegen oft zwischen 8 und 20 vH. In den meisten Betrieben fehlten Frauen mehr als zweimal soviel wie Männer, und verheiratete Frauen mögen bis zu dreimal soviel fehlen wie ledige Frauen«.
Ein schwedisches Komitee, das sich aus Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber zusammensetzte, und das 1948 zusammentrat, um die Probleme der Frauenlöhne und die Stellung der Frauen in der Industrie im allgemeinen zu untersuchen, stellte fest, daß abgesehen von Sonderfällen von Abwesenheit, wie Urlaub, Militärdienst, Schwangerschaft und Niederkunft - Absentismus in der schwedischen Industrie bei Frauen doppelt so häufig war wie bei Männern.[5]
Absentismus in der Industrie fällt gewöhnlich unter zwei Kategorien: Fehlen durch Krankheit und sogenanntes »vorsätzliches Fernbleiben«. Die zweite Kategorie umfaßt jede Abwesenheit, die nicht durch Krankheit oder Verletzung gerechtfertigt ist. Sie kann daher eine Vielzahl von Ursachen haben: Ermüdung infolge langer Arbeits- und Anfahrtszeiten, Verpflichtungen in Heim und Familie, Wohnungsmangel und hieraus sich ergebende Verkehrsschwierigkeiten, erforderliche Einkäufe - oder es können psychologische Gründe sein, wie fehlende Arbeitslust, mangelndes Interesse an der Arbeit, fehlende Einsicht in die Bedeutung der Arbeit.
Obwohl die Krankheitsrate bei Frauen absolut höher liegt als bei Männern, ergibt sich der große Unterschied in der Zahl der versäumten Arbeitsstunden aus anderen Gründen, die hauptsächlich mit häuslichen Pflichten zusammenhängen. Professor Zweig [6] sagt in diesem Zusammenhang: »Man darf nicht außer acht lassen, daß der Begriff des vorsätzlichen Fernbleibens auf das Verhalten einer Frau kaum sinnvoll angewandt werden kann. Wenn ihr Ehemann oder ihr Kind, ihre Eltern oder Schwiegereltern krank sind, hat sie dann nicht ebenso das Recht, zu Hause zu bleiben, als wenn sie selber krank wäre? Wenn ihre Kinder unbeaufsichtigt herumtoben, weil Schulferien sind, hat sie dann nicht das Recht, ein geeignetes Programm für sie zu machen? Oder wenn ihr Mann in dieser Woche Spät- oder Nachtschicht hat, kann sie ihn doch zu Hause nicht ganz sich selbst überlassen. Der ganze Begriff des vorsätzlichen Fehlens ist doch eine männliche Erfindung zur Verurteilung von Männern, kann aber auf Frauen nicht gleichermaßen angewandt werden.«

Da Kinder sehr viel häufiger krank sind als Erwachsene, und da sie normalerweise unter der Obhut ihrer Mutter stehen, fehlen verheiratete Frauen - vor allem solche mit Kindern nicht nur viel häufiger als Männer, sondern auch viel häufiger als ledige Frauen.
Die Tabelle zeigt die verschiedenen Krankheitsziffern von ledigen und verheirateten Frauen. Bei der Auswertung dieser Zahlen müssen jedoch zwei Faktoren berücksichtigt werden. Erstens ist zu beachten, daß die Zahlen aus der Kriegszeit stammen, wo zahlreiche Ehefrauen, teils aus patriotischen Gründen und teils durch Dienstverpflichtungen, in den Arbeitsprozeß eingereiht wurden, die sonst nicht außerhäuslich gearbeitet hätten. Aus diesem und anderen Gründen - zum Beispiel infolge von Luftangriffen, Nervenüberlastung, Heimaturlaub des Ehemannes oder Freundes usw. - war die Abwesenheitsrate erheblich höher als in normalen Zeiten.
Zweitens sollte man noch folgenden Punkt berücksichtigen, wobei wiederum Professor Zweig [7] zitiert werden kann: »Es läßt sich nicht immer zwischen Abwesenheit wegen Krankheit und vorsätzlicher Abwesenheit unterscheiden, und bei Frauen noch weniger als bei Männern. Die Frau, besonders wenn sie verheiratet ist und Kinder hat, übernimmt sich leicht, und ihr Ehemann, der im allgemeinen nicht allzusehr mit ihrer beruflichen Arbeit einverstanden ist, sieht sie morgens vielleicht prüfend an und sagt: >Du siehst heute so müde aus, du solltest dich besser einen Tag freimachen!< Vielleicht verlangt er sogar, daß sie zu Hause bleibt und es gibt wohl kaum einen Arzt, der nicht einer verheirateten Frau mit Kindern, die einen überanstrengten Eindruck macht, ein entsprechendes Attest ausstellen würde.
Die in der Tabelle enthaltenen Zahlen sind genügend detailliert, um einige interessante Einzelheiten aufzuzeigen: bei der untersuchten Arbeitnehmerinnengruppe stellte sich heraus, daß auf 16,3 vH der Frauen etwa zwei Drittel der durch Krankheit versäumten Arbeitszeit entfiel.
Ehefrauen fehlten 45 vH häufiger und versäumten 65 vH mehr Arbeitszeit als ledige Frauen. Während der sechsmonatigen Untersuchungsdauer waren 45,3 vH der Frauen nicht wegen Krankheit abwesend, darunter 38,4 vH verheiratete Frauen und 54 vH ledige. Die sehr hohe Gesamtzahl von 84,2 Krankheitsausfällen auf 100 Arbeitnehmerinnen wurde dadurch erreicht, daß einige Frauen mehrmals fehlten. Eine weitere interessante Tatsache offenbart die Tabelle 24, daß nämlich Frauen der höheren Altersgruppen - verheiratete wie ledige - weniger häufig der Arbeit fernbleiben als die der jüngeren Altersgruppen. Sowohl die verheirateten als auch die ledigen Frauen zwischen 50 und 59 Jahren schneiden dabei besonders gut ab. Da die Zunahme der weiblichen Arbeitskräfte in den letzten Jahren weitgehend auf die Rückkehr von Frauen im Alter von 40 und mehr Jahren in den Arbeitsprozeß zurückzuführen ist, scheint die Annahme berechtigt, daß sich infolgedessen die Anwesenheitsziffer von Frauen insgesamt verbessern wird.
Dr. Anna M. Baetjer von der Johns Hopkins Universität [8] hat amerikanische Zahlen untersucht und die Gründe analysiert, die Frauen zum Fernbleiben vom Arbeitsplatz veranlaßten. Sie erklärt, daß die höheren Krankenzahlen bei Frauen »anscheinend nicht auf einer größeren Anfälligkeit des weiblichen Geschlechts beruhen, weil die Sterblichkeitsziffern der Männer in allen Altersgruppen höher sind als die der Frauen«, und daß die Abwesenheit wegen Krankheit »sich nicht auf solche Krankheiten beschränkt, die mit den Geschlechtsfunktionen der Frau zusammenhängen sondern sich auf Krankheiten erstreckt, von denen beide Geschlechter befallen werden«. Sie hat festgestellt, daß »die häufigsten zum Fernbleiben von der Arbeit führenden Erkrankungen solche der Atmungsorgane waren, die bei etwa 50 vH der Krankheitsfälle, wie auch der jährlich verlorenen Arbeitstage vorlagen, und ferner Erkrankungen der Verdauungsorgane, die für fast 20 vH der Fälle verantwortlich waren.« Dr. Baetjers Feststellung, daß Frauen häufiger krank sind und daher auch mehr Arbeitszeit versäumen, daß sie aber auch kürzer fehlen, entspricht den allgemeinen Beobachtungen in der Bevölkerung und wird auch von Zahlen bestätigt, die für das weibliche Hilfskorps der britischen Armee erarbeitet wurden.
»Die Häufigkeit kürzerer Erkrankungen«, heißt es in Dr. Baetjers Bericht, »scheint mit steigendem Alter abzunehmen, obwohl die durchschnittliche Krankheitsdauer je Krankheitsfall zunimmt. Da diese beiden Faktoren sich gegenseitig ausgleichen, verändert sich mit dem Alter die Zahl der jährlich versäumten Arbeitstage nicht wesentlich, ausgenommen in den höheren Altersgruppen. Das mag teilweise damit zusammenhängen, daß die Frauen, die häufiger erkranken, schon in jüngeren Jahren geneigt sind, die Arbeit aufzugeben, so daß eine ausgewählte Gruppe von Frauen mittleren Alters übrig bleibt ... Die Beschäftigung von Frauen mittleren Alters drückt daher die Häufigkeit der Krankheitsfälle herab und erhöht die Zahl der jährlich durch Krankheit verlorengegangenen Arbeitstage kaum.«
Die Beschäftigungsdauer scheint ebenfalls selektiv zu wirken: »Frauen, die länger beschäftigt waren, nahmen seltener Krankheitsurlaub in Anspruch, was wahrscheinlich sowohl einen Selektionsprozeß als auch eine andere Altersverteilung widerspiegelt.«
Unter den verschiedenen Ursachen, auf die Dr. Baetjer die vermehrte Abwesenheit der Frauen wegen Krankheit zurückführte, verdient auch die folgende erwähnt zu werden: »Daß Frauen soviel häufiger als Männer wegen Krankheit ihrem Arbeitsplatz fernbleiben, hängt vielleicht lediglich damit zusammen, daß Frauen ihre leichteren Erkrankungen ernster nehmen als Männer es tun. Dieser Gedanke wird von der Tatsache bestätigt, daß Frauen durchschnittlich kürzer wegen Krankheit abwesend sind als Männer. Viele Leute glauben, die übermäßige Arbeitsversäumnis durch Krankheit unter den Industriearbeiterinnen sei darauf zurückzuführen, daß die Frauen häufig versuchen, zwei Berufe auf einmal auszufüllen, nämlich ihren Beruf in der Industrie und ihren Beruf als Hausfrau. Zum Teil mag das häufige Fehlen von Frauen am Arbeitsplatz auch daran liegen, daß sie ihre Arbeit weniger ernst nehmen, so daß sie sich schon bei leichten Beschwerden frei nehmen, oder grundloses Fernbleiben häufiger als Männer mit Krankheit entschuldigen. Manches deutet darauf hin, daß Frauen leichter für nervöse und seelische Störungen anfällig sind als Männer, aber man weiß nicht, wie weit mangelnde emotionelle Anpassung für häufige Erkrankungen verantwortlich ist. Schließlich haben manche die überhäufige Abwesenheit von Frauen wegen Krankheit auf ihre kargeren Ernährungsgewohnheiten zurückgeführt, aber gegenwärtig gibt es nur wenig Anhaltspunkte, um diese Vermutung zu beweisen.«
Angesichts der oben erwähnten verschiedenartigen Ursachen der Arbeitsversäumnis überrascht es nicht, festzustellen, daß Ausfälle bei Arbeitnehmerinnen, die nur Teilzeitarbeit verrichten, erheblich seltener vorkommen. Die für eine Fabrik veröffentlichten Vergleichszahlen [9] lauten 1,83 vH für Teilzeitarbeiterinnen zu 3,3 vH für verheiratete, vollbeschäftigte Arbeiterinnen.
Bisher haben wir nur Zahlen für Industriearbeiterinnen angeführt, teils wegen der Fülle des Quellenmaterials über dieses Thema und teils, weil hier die Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen besser vergleichbar sind als in vielen anderen Arbeitsbereichen. Darüber hinaus bildet das Fernbleiben vom Arbeitsplatz - wie die große Zahl der vorliegenden Untersuchungen schon andeutet - gerade für die Industrie ein ernstliches Problem wegen der großen Zahl weiblicher Arbeitnehmer, und weil solche Ausfälle hier häufiger sind als in anderen Beschäftigungszweigen.
Auch nicht-industrielle Arbeitsbereiche verzeichnen mehr Arbeitsausfälle bei Frauen als bei Männern, obwohl hier die Abwesenheitsrate der Frauen im großen und ganzen niedriger ist. Oft sind aus den verschiedensten Gründen keine genauen Zahlen verfügbar, und wir können nur einige zufällige Beispiele anführen, um die allgemeine Tendenz aufzuzeigen. Es muß auch erwähnt werden, daß Arbeitsversäumnisse aus anderen als Krankheitsgründen meistens nicht vermerkt werden; sie wären auch äußerst schwer zu erfassen. Eine Staatsbeamtin zum Beispiel, die für Einkäufe oder aus familiären Gründen einen freien Tag haben möchte, wird diesen Tag von ihrem Jahresurlaub nehmen und diesen entsprechend verkürzen. Da ihr womöglich vier, fünf oder - in höheren Positionen - gar sechs Wochen Jahresurlaub zustehen, hat sie eine ganze Reihe von freien Tagen zur Verfügung. Wenn sie also aus anderen Gründen als solchen, für die sie ein ärztliches Attest vorlegen kann, der Arbeit fernbleibt, erscheint das in keiner Statistik; denn diese Tage fallen unter die Rubrik »Jahresurlaub«, und natürlich gibt es keine Nachweise darüber, wie männliche oder weibliche Staatsbeamte die ihnen gesetzlich zustehenden Urlaubstage aufteilen, das heißt, ob sie sich einzelne Tage frei nehmen, weil sie sie zum Einkaufen brauchen oder weil ein Familienangehöriger krank ist, weil sie eine Tagung besuchen, ein Fußballspiel sehen oder an die See fahren wollen.
In einigen anderen Behörden wird den Angestellten jährlich eine bestimmte Zahl von Tagen als Krankheitsurlaub zugebilligt. Das trifft beispielsweise auf alle Personen zu, die nach den Bestimmungen des amerikanischen Staatsdienstes beschäftigt werden. Diesen steht ein jährlicher Krankheitsurlaub von höchstens 15 Tagen zu, die man wiederum bis zu insgesamt 90 Tagen zusammenlegen kann. Dieses Verfahren läßt gleichfalls einen weiten Spielraum für unregelmäßiges Fernbleiben vom Dienst, das nicht belegt werden muß, und verwischt das Problem der Ausfälle bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Für den britischen Staatsdienst lassen die folgenden Zahlen aus 63 Ministerialbteilungen erkennen, wie sich die Abwesenheit wegen Krankheit im Jahre 1943 auf Männer und Frauen verteilt:

Verheiratete Frauen sind in den obigen Zahlen nicht enthalten, weil sie vor Aufhebung der Heiratsklausel im Jahre 1946 nicht in Planstellen des Öffentlichen Dienstes übernommen werden durften.
In Schweden wurde in der Zeit zwischen den Kriegen verschiedentlich das Problem der Ausfälle im Staatsdienst untersucht. Ausgehend von einer der ersten Untersuchungen dieser Art berechnete man, daß während einer Gesamtdienstzeit von 35 Jahren der Mehrausfall einer Frau gegenüber einem Mann durchschnittlich etwa ein Jahr betragen würde. (Männer: 86o,85 Tage; Frauen: 1222,1 Tage.) Spätere Untersuchungen zeigten ebenfalls einen auffälligen Unterschied in der Zahl der Krankheitstage von Männern und Frauen. Frauen versäumen aus Krankheitsgründen mehr Arbeitstage als Männer, und verheiratete Frauen wiederum mehr als ledige. Als diese Fragen von der Kgl. Kommission für Frauenarbeit besprochen wurden, wies man jedoch darauf hin, daß eine relativ größere Zahl von Frauen in den unteren Dienststufen arbeiteten und daher nur Anspruch auf einen kürzeren Jahresurlaub als viele Männer mit den gleichen Dienstjahren hatten.
Verhältnismäßig wenig Material liegt über Dienstabwesenheit von Lehrern vor, obwohl gerade bei diesem Beruf ein Vergleich zwischen beiden Geschlechtern auf gleicher Basis sehr wohl möglich wäre. Einige Städte haben jedoch hierüber Bericht erstattet. Die Stadt Cincinnati führte über einen Zeitraum von zehn Jahren (1939-1948) eine Stichproben-Erhebung durch, die insgesamt 3274 Lehrerinnen und 726 Lehrer erfaßte. Nach, diesem Bericht fehlten Männer im Jahresdurchschnitt 2,9 Tage wegen Krankheit und Frauen 5,2 Tage. Insgesamt betrug der Arbeitsausfall aus verschiedensten Gründe" bei Männern 3,4 Tage und bei Frauen 6,1 Tage.

  Die nebenstehenden Zahlen über die Dienstabwesenheit von Lehrern wurden im Bericht des Britischen Kgl. Untersuchungsausschusses für gleiche Entlohnung (Royal Commission on Equal Pay) veröffentlicht.
Der Unterschied zwischen dem Dienstausfall von ledigen und verheirateten Frauen scheint vorwiegend auf Erkrankungen des Ehemannes und der Kinder zu beruhen. Wie die obige Tabelle zeigt, überwiegt die Zahl der verheirateten Frauen die der anderen Kategorien vor allem in der Gruppe der Abwesenheit aus »anderen Gründen« und nicht wegen eigener Erkrankung. (Wochenbetturlaub ist in den obigen Zahlen nicht enthalten.)
Als die schwedischen Lehrerinnen gleiche Bezahlung verlangten, führten ihre Gegner die Frage der Dienstabwesenheit ins Feld. Daraufhin wurde eine besondere Untersuchung durchgeführt, die folgende Ergebnisse zeigte (Zahlen von 1937):

In dem Bemühen, die höhere Zahl der Fälle von Krankheitsurlaub bei den verheirateten Frauen zu erklären, wurde darauf hingewiesen, daß es einer verheirateten Frau leichter möglich ist, einen Tag oder zwei im Bett zu bleiben, weil sie oft eine Hausangestellte oder auf jeden Fall ihren Ehemann hat, der sich um sie kümmern kann, als etwa einer ledigen Frau, die alles selber machen muß. Da,gegen wurde die Tatsache, daß ledige Lehrerinnen eine beträchtlich längere Zeit wegen Krankheit ausfielen, mit nervösen und gastrischen Leiden oder Erschöpfungszuständen erklärt, die alle von einer starken nervlichen Belastung zu zeugen scheinen.
Wir haben diese Zahlen so ausführlich dargelegt, weil es uns zum vollen Verständnis notwendig scheint zu erkennen, daß einer der Haupteinwände gegen die Beschäftigung von Frauen nicht bloß auf Vorurteilen beruht, sondern auf tatsächlicher Erfahrung. Die Statistiken zeigen unmißverständlich, daß - selbst unter angemessener Berücksichtigung aller Abweichungen in den verschiedenen Berufen - in allen Arbeitsbereichen Frauen häufiger der Arbeit fernbleiben als Männer.
Das ist jedoch nur eine Seite des Problems, und man muß noch andere Faktoren beachten, wenn man diese Frage richtig einschätzen will. Es ist zum Beispiel recht und billig zu betonen, daß Personen in verantwortlicheren Stellungen weniger geneigt sind, der Arbeit fernzubleiben, als solche, die eine geringere Verantwortung tragen; daß ein gutes Betriebsklima auch die Zahl der Ausfälle absinken läßt; daß reifere Frauen und solche, die schon länger erwerbstätig sind, ihrer Arbeit im allgemeinen regelmäßiger nachgehen als jüngere und noch unerfahrene Frauen. Im Jahre 1943 erklärte der damalige britische Arbeitsminister, Ernest Bevin, vor dem Parlament: »Aus praktischer Erfahrung läßt sich sagen, daß Frauen, die im mittleren Alter eine Arbeit annehmen, weniger fehlen und mehr leisten. « Bevin erinnerte dann daran, daß er zu Beginn seiner Amtszeit einmal die Arbeitgeber zwingen mußte, Frauen über 40 Jahren einzustellen, und er fuhr fort: »Ich bin froh, daß ich das getan habe. Die Arbeitgeber haben inzwischen festgestellt, daß der ausgleichende Einfluß der Frau im mittleren Alter in den Betrieben sehr erfolgreich gewirkt hat und für alle Beteiligten von großem Nutzen war.«
Es mag auch ein gutes Teil Wahrheit in Professor Zweigs Behauptung [10] liegen, daß verheiratete Frauen, und besonders die mit Kindern zu Hause, eigentlich nur Teilzeitarbeit suchen und Ganztagsarbeit nur deswegen annehmen, weil keine Teilzeitarbeit zu bekommen ist. Sie werden, erklärt Professor Zweig, nach Möglichkeit versuchen, eine ganztägige Beschäftigung in eine Teilzeitarbeit umzuwandeln, und wenn sie nicht - wie es in einigen Betrieben geschieht - wenigstens einen halben Tag für Einkäufe und andere häusliche Pflichten freibekommen, werden sie dazu neigen, sich auf eigene Kappe freizunehmen, um zu vermeiden, daß ihr Wochenende mit Hausarbeit überlastet wird.
Eine gewisse Laxheit hinsichtlich regelmäßiger Anwesenheit bei ganztägiger Arbeitszeit kann auch ein Zeichen von Unreife in der Einstellung mancher Frauen zu ihrer Arbeit sein, die sich natürlich in einer Periode der Vollbeschäftigung stärker auszuwirken vermag. Da ihre Männer arbeiten und gutes Geld verdienen, und da sie wissen, daß sie notfalls praktisch immer eine neue Stellung finden können, fühlen sich die Frauen - sofern nicht ihre Arbeit besonders anziehend ist oder der Arbeitsplatz sich in der Nähe ihrer Wohnung befindet oder ihnen andere Vorteile bietet - weniger veranlaßt, sich nach Kräften anzustrengen, um ihre Stellung zu behalten, als sie es tun müßten, wenn ihr Lebensunterhalt davon abhinge.

Der Arbeitsplatzwechsel

Die gleichen Faktoren beeinflussen auch den Arbeitsplatzwechsel, der bei Frauen wesentlich häufiger ist als bei Männern, und der für die Arbeitgeber weiblicher Arbeitskräfte oft ein ernstes Problem bildet. Stellungswechsel sind bei Frauen durchschnittlich um 50-60 vH (wenn nicht noch mehr) häufiger als bei Männern. Es kommt sogar vor, beispielsweise in der Textilindustrie, die eine große Zahl von Frauen beschäftigt, daß die gesamte Belegschaft einer Fabrik im Laufe eines Jahres wechselt, also ein Abgang von 100 Prozent.[11]
Aus den vom amerikanischen Arbeitsministerium veröffentlichten Zahlen ergibt sich im wesentlichen das gleiche Bild wie aus denen des britischen Arbeitsministeriums. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer betrug in den USA im Januar 1951 3,9 Jahre für Männer und 2,2 Jahre für Frauen.[12] Während zu diesem Zeitpunkt 25 vH der Männer schon wenigstens zehn Jahre bei dem gleichen Arbeitgeber tätig waren, konnten nur 14 vH der Frauen auf eine so lange Zeit an demselben Arbeitsplatz zurückblicken. (Das liegt natürlich teilweise daran, daß viele Frauen noch nicht so lange im Erwerbsleben stehen.
Jüngere Frauen wechseln selbstverständlich häufiger ihre Stellung als ältere. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer älterer Frauen bei dem gleichen Arbeitgeber übertrifft, ungeachtet ihres Familienstandes, die aller anderen Gruppen. Diese Zeitspanne belief sich im Jahre 1951 auf vier Jahre bei Frauen von 45-54 Jahren und auf 4,5 Jahre bei Frauen von 55-64 Jahren.
Ist es für ein junges Mädchen viel leichter, eine neue Stellung zu finden, als etwa für eine Frau über vierzig. Daher wird diese sich die größte Mühe geben, ihre gegenwärtige Stellung zu behalten. In dieser Beziehung spiegeln sich in der unterschiedlichen Häufigkeit des Stellenwechsels von jüngeren und älteren Arbeitnehmerinnen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt wider.
Die Hauptgründe jedoch für den stärkeren Wechsel weiblicher Arbeitskräfte betreffen naturgemäß vor allem die jüngeren Altersgruppen: Viele Frauen geben bei der Heirat ihre Stellung auf, oder wenn sie ihr erstes Kind bekommen, oder wenn sich die Stellung des Ehemannes verbessert; manche ziehen vielleicht an einen anderen Ort, wenn sie heiraten oder wenn der Ehemann versetzt wird; oder sie müssen die Stellung wegen Schwangerschaft oder familiärer Pflichten aufgeben.
Zu all diesen Gründen kommt noch die Tatsache - oder sie steht vielmehr hinter den meisten von ihnen -, daß die meisten Frauen bisher wenig Sinn für eine Berufslaufbahn haben und daher hinsichtlich der Dauer ihrer Beschäftigung eine etwas laxe Haltung zeigen. Viele halten ihren Beruf nur für eine Übergangsbeschäftigung, bis sie heiraten. In der Überzeugung, daß sie ihn nicht lange ausüben müssen, und ohne an die späteren Jahre zu denken, interessieren sie sich oft nicht für ein bestimmtes Arbeitsgebiet, sondern sind bereit, jede freie Stelle anzunehmen, die ihnen im Augenblick geeignet erscheint - oft aus zufälligen Gründen, zum Beispiel, weil der Betrieb nicht weit von zu Hause ist, oder weil dort eine Freundin arbeitet, oder weil es eine saubere Arbeit ist usw.
Aus ähnlich zufälligen Gründen wechseln Frauen oft den Arbeitsplatz, wenn ihnen die Atmosphäre oder der Vorarbeiter nicht zusagt, wenn sie nicht mit den Kollegen auskommen, wenn sie sich langweilen, oder wenn sich ihnen eine bessere Gelegenheit bietet. Da es heutzutage viel mehr offene Stellen für junge Mädchen gibt, als junge Mädchen dafür verfügbar sind, ist es nicht schwer zu verstehen, warum sie so oft den Arbeitsplatz wechseln. Frauen passen sich gewöhnlich veränderten Verhältnissen leichter an als Männer; ihre Bereitwilligkeit, auch die Verhältnisse selbst zu ändern, ist nur die Kehrseite der gleichen Fähigkeit.
Außerdem darf nicht übersehen werden, daß mangelnder Sinn für eine kontinuierliche Laufbahn oder fehlende Beständigkeit gegenüber dem einmal gewählten Beruf Erscheinungen, die oft auch bei Frauen mit hohen Qualifikationen zu finden sind - sich mit der Kollektiverfahrung der Frauen verbindet, daß sie nur geringe Aufstiegsmöglichkeiten haben, es sei denn, sie hätten ganz außergewöhnliche Charaktereigenschaften und dazu viel Glück. Nach der Heirat wird ihre Ausdauer im Beruf überdies durch die amtliche Politik etwa durch höhere Besteuerung nahezu in allen Ländern entmutigt. Schließlich wissen sie auch nur zu genau, daß - wie groß auch im Augenblick die Nachfrage nach ihnen sein mag sie in Krisenzeiten die ersten sind, die überflüssig werden. In dieser Hinsicht gleichen sie anderen sozialen Gruppen mit ähnlichen Erfahrungen in der Vergangenheit, so zum Beispiel den Bergleuten, die selbst in einer Zeit der Vollbeschäftigung immer noch von der Kollektiverinnerung an frühere Wirtschaftskrisen verfolgt werden. Daß das nicht nur Schatten der Vergangenheit sind, wird den Frauen immer wieder nahegebracht. Als 1952 beispielsweise die ersten Zeichen einer gewissen konjunkturellen Abschwächung bemerkbar wurden, wurde im britischen Verband der Staatsbediensteten der Antrag eingebracht, den weiblichen Beamten die Weiterbeschäftigung nach der Heirat erneut zu versagen. Dieser Antrag wurde zwar nach langer und lebhafter Diskussion abgelehnt, aber es ist doch zweifellos symptomatisch für ihre ungesicherte Berufsstellung, daß die Frauen bei drohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer als erster »Ballast« abgestoßen werden sollen. Das ist jedoch nicht überraschend, weil der Verdienst der Frauen noch immer als »Aufbesserung« des Familieneinkommens angesehen wird. Die Folge davon ist bei den Frauen das Gefühl, nur einen schwachen Rückhalt an irgendeiner Berufslaufbahn zu haben.
Abgesehen von solchen gelegentlichen Erinnerungen an ihre unsichere und ungleiche Lage auf dem Arbeitsmarkt gibt es für die Frau noch die ständige Mahnung, daß sie für die gleiche Arbeit einen geringeren Lohn als der Mann erhält. Diese ungleiche Bezahlung, die sich auf alle Löhne, die meisten Gehälter, Zuschüsse für Lebenshaltungskosten und auf alle kollektiven Zulagen auswirkt, die zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ausgehandelt werden, verewigt bei den Frauen das Gefühl, daß ihre Arbeit nicht für vollwertig gehalten wird, und daß sie als Arbeitskräfte nicht so ernst genommen werden wie die Männer. Das hat die psychologische Wirkung, daß sie sich selbst, bewußt oder unbewußt, nicht verpflichtet fühlen, ihre Arbeit so ernst zu nehmen wie die Männer es tun.
In Großbritannien besteht seit 1957 Gleichheit der Bezüge im öffentlichen Dienst und im Lehrberuf. In den Vereinigten Staaten wurde das Gleichheitsprinzip - gleicher Lohn für gleiche Arbeit - durch den Classification Act von 1923 eingeführt, und seitdem sind Frauen im Bundesdienst, jedoch nicht in privaten Arbeitsverhältnissen, auf derselben Basis wie Männer bezahlt worden. Trotzdem hat eine 1959 von der Civil Service Commission durchgeführte Berufsstatistik über Schreibtischberufe aufgedeckt, daß 79 vH aller weiblichen Angestellten gegenüber 28 vH der männlichen in den fünf untersten Gehaltsgruppen eingestuft waren; dementsprechend waren umso weniger Frauen vertreten, je höher man auf der Beförderungsleiter stieg. Die Einstufung von Frauen in den nichtgehobenen Berufen war durchschnittlich drei Stufen niedriger als die von Männern; in Fachberufen lag sie sogar vier Stufen darunter.[13] Obgleich inzwischen gesetzliche Maßnahmen getroffen wurden - mit Durchführungsverordnung des Präsidenten vom Juli 1962 zur Beseitigung von Diskriminierungen bei Ernennung und Beförderung von Frauen im Bundedienst sowie durch das Gesetz zur Einführung gleicher Entlohnung von 1963, das dieses Prinzip auch für die Privatwirtschaft einführte -, ist es noch nicht möglich, die langfristigen Auswirkungen dieser Maßnahmen abzuschätzen.
Im französischen Staatsdienst ist die gleiche Bezahlung schon seit langem eingeführt, und seit 1946 gibt es auch einen Mindestlohn gleicher Höhe, den das Gesetz für alle Berufe vorschreibt. Dennoch stellte man noch 1953 fest, daß die Durchschnittslöhne von Männern und Frauen um nicht weniger als 40 vH differierten, weil Frauen meist in untergeordneten Stellungen oder in herkömmlich schlecht entlohnten Gewerbezweigen, etwa in der Bekleidungsindustrie, beschäftigt waren.[14]
Hier schließt sich also der Teufelskreis: Die ungleiche Entlohnung vermindert bei den Frauen den beruflichen Ehrgeiz und trägt dazu bei, daß sie leichter den Arbeitsplatz wechseln andererseits aber ist der häufigere Stellungswechsel einer der Hauptgründe dafür, warum sie schlechter bezahlt werden und auf Schwierigkeiten stoßen, wenn es um eine Beförderung geht. Denn natürlich erhöht ein häufiger Personalwechsel die laufenden Betriebsunkosten, führt zu Zeitverlusten und geringerer Leistung und schädigt - wie ständiges Fehlen - die Arbeitsmoral der Belegschaft.
Die größere Unrast weiblicher Arbeitnehmer hat wesentlich größere Konsequenzen, wenn sie in einem weiteren Rahmen gesehen wird. Die Bereitschaft der Frauen, nicht nur leichten Herzens ihre Stellung zu wechseln, sondern auch ihren Beruf aufzugeben, bewirkt eine soziale und wirtschaftliche Verschwendung.
Wenn das für alle Frauen gilt, so trifft es ganz besonders auf die Frauen zu, deren Beruf eine lange oder kostspielige Ausbildung erfordert. Es ist wirklich erstaunlich, daß Eltern, Arbeitgeber und Schulbehörden nicht noch weniger willens sind, Zeit und Geld in die höhere Schulbildung oder die Fachausbildung von Mädchen zu stecken angesichts der kurzen Zeitspanne, während derer die meisten wahrscheinlich von den erworbenen Kenntnissen Gebrauch machen. Man hat von den Frauen im Staatsdienst gesagt mit wieviel Berechtigung, ist schwer zu beurteilen -, daß sie während der ersten Jahre ihrer Beschäftigung nicht das Geld wert sind, das sie verdienen; wenn sie dann aber anfangen, vollwertige Kräfte zu sein, scheiden sie aus, um zu heiraten. Eine genaue Untersuchung über die Wirtschaftlichkeit von Arbeitskräften müßte eingehende Berechnungen der Investitionen an Zeit und Geld anstellen, die zur Ausbildung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen erforderlich sind und gleichzeitig feststellen, was diese Investierungen einbringen. Daß Frauen oft ihre Ausbildung so einfach verschwenden, hat sicherlich Anlaß zu ernster Kritik gegeben und außerdem - ob voll berechtigt oder nicht die Beförderungsaussichten jener Frauen stark beeinträchtigt, die auf eigenen Füßen stehen wollen und die hoffen, in ihrem Beruf vorwärtszukommen.
In den Auseinandersetzungen über die gleiche Entlohnung von Frauen spielen diese Argumente eine große Rolle. Man führt auch an, daß Frauen besondere Beaufsichtigung und mehr soziale Betreuung brauchen als Männer, wodurch die Produktionskosten steigen; daß sie zwar mehr Entgegenkommen seitens der Betriebsleitung und größere Rücksichtnahme auf ihren Haushalt erwarten, selbst aber recht unbeweglich sind. Das heißt, man kann sie weniger leicht auf einen anderen Posten versetzen und ihnen nur begrenzt andere Aufgaben übertragen - und das vor allem der traditionellen Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern wegen, durch die immer noch viele Arbeitsbereiche den Frauen verschlossen sind. In dieser Hinsicht hat sich jedoch die Einstellung in den letzten Jahren verändert, und die Zahl der den Frauen zugänglichen Berufe hat sich erheblich vergrößert. Sicherlich stimmt es aber, daß die Frau mehr an einen Ort gebunden ist, daß sie in der Regel bei ihrer Familie bleibt und nicht ihren Haushalt auflöst und anderswo hinzieht, wenn und wann immer der Beruf es von ihr verlangt. Obwohl einige bedeutende Frauen in von führenden Positionen hierin eine Ausnahme bilden, ist die größere Unbeweglichkeit der Frau zweifellos ein Faktor, mit dem man rechnen muß.
All diese Unzulänglichkeiten weiblicher Arbeitnehmer im Vergleich zu denen der Männer bewirken den allgemeinen Eindruck, daß nach wirtschaftlichen Maßstäben der Wert der weiblichen Arbeitskräfte unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht nur niedriger als der einer gleichen Anzahl von Männern ist, sondern auch niedriger, als er sein könnte. Man kann kaum die Schlußfolgerung umgehen, daß die Frauen bis jetzt noch nicht voll in unser Wirtschaftssystem einbezogen sind.

Welche Verbesserungen sind sogleich möglich?

Einem späteren Kapitel ist es vorbehalten, jene Sozialreformen zu erörtern, die nötig sind, damit die Frau ihr volles Gewicht in Industrie, Handel und freien Berufen in die Waagschale werfen kann. Hier werden wir lediglich untersuchen, was unter den gegenwärtigen Umständen getan werden kann, um die Leistungsfähgkeit der weiblichen Arbeitskräfte zu erhöhen.
Wir können wiederum nichts Besseres tun, als die Broschüre über »das Problem des Absentismus« (The Problem of Absenteeism) vom Britischen Arbeitsministerium anzuführen. »Es wäre von Vorteil für die Betriebsführungen«, heißt es dort, »wenn sie freimütig anerkennen würden, daß es nicht angeht, viele Arbeitskräfte - und besonders Frauen - Woche für Woche fünfeinhalb Tage arbeiten oder Überstunden machen zu lassen, wenn sie obendrein täglich zwei bis drei Stunden oder mehr für die An- und Abfahrt, womöglich in einem überfüllten Bus oder Zug und bei jedem Wetter benötigen - oder wenn sie noch einen Haushalt und kleine Kinder zu versorgen haben. Viel könnte wahrscheinlich dadurch erreicht werden, daß man die Arbeit bzw. die Arbeitskräfte in den Betrieben in der Weise neu einteilt, daß diejenigen, die besondere Arbeitszeiten brauchen, auch so beschäftigt werden, daß sie die Arbeit der anderen nicht desorganisieren. Es könnte auch statt dessen erwogen werden, für die Frauen ein rotierendes System einzuführen, so daß jede Arbeiterin einen Tag der Woche - über den Sonntag hinaus - frei hat. Der letzte Vorschlag würde besonders für verheiratete Frauen von unbestreitbarem Wert sein.«
Diese Sätze wurden während des Krieges geschrieben. Damals bezweifelte niemand, daß die Frauen für die Kriegsanstrengungen der Nation einen wertvollen Beitrag leisteten. Es war ganz klar, daß die Frauen gebraucht wurden, und die Regierung, die lokalen Behörden und die Arbeitgeber machten alle erdenklichen Anstrengungen, um ihnen die Arbeit außerhalb des eigenen Heims zu ermöglichen. Als wieder friedliche Zeiten heraufzogen, war man dieser Frage gegenüber weit weniger aufgeschlossen. Vor allem die Männer scheinen die neue Entwicklung nur mit gemischten Gefühlen beobachtet zu haben. Teils fürchteten sie wohl die weibliche Konkurrenz in der kommenden Zeit ungewisser wirtschaftlicher Entwicklung, und teils wünschten sie wohl auch, daß ihre Frauen sich den ganzen Tag um den Haushalt kümmerten.
Schlaglichtartig wurde diese Einstellung beleuchtet -in der Debatte, die im September 1943 über die Frage der Arbeitskräfte im britischen Unterhaus stattfand. Eine Regierungsvorlage sah vor, daß Frauen von 45 bis 51 Jahren dienstverpflichtet werden sollten. Diese Absicht beschäftigte die Öffentlichkeit und die Presse äußerst lebhaft, und die Wogen der Gefühle gingen hoch. Aber die Debatte im Unterhaus enthüllte eine interessante Scheidung der Geschlechter: Nur unter den Männern wurden Stimmen laut, die das Bild der Mütterlichkeit heraufbeschworen und gefühlvoll von den Hausfrauen sprachen, die die »Hauptlast tragen« und »die großartige Arbeit auf sich nehmen, Haus und Herd in unserem Lande zusammenzuhalten«, usw. Dagegen unterstützten alle weiblichen Abgeordneten die Vorlage Bevins; und Eleanor Rathbone, selbst eine ehrwürdige und verehrte Frauenführerin, trat sogar dafür ein, alle Frauen bis zum Alter von 65 Jahren zu rekrutieren.
Die geteilten Meinungen in der Frage der Frauenarbeit zeigen sich in den nur mit halbem Herzen getroffenen Maßnahmen nach dem Kriege, die es verheirateten Frauen leichter machen sollten, Arbeit außerhalb ihres Heimes anzunehmen. Zwar hat man in allen westlichen Ländern einige Vorkehrungen getroffen, um die Arbeit der Frau auf ihre speziellen Bedürfnisse abzustimmen. Aber die erzielten Fortschritte sind nicht das Ergebnis von planmäßigen Bemühungen um die Lösung eines vorher vernünftig untersuchten Problems. In Großbritannien und in den Vereinigten Staaten, wo man besonders unmittelbar nach Kriegsende stark danach strebte, wieder zum »Normalzustand« zurückzukehren, schloß man Tageskindergärten ungeachtet der Vollbeschäftigung und des Arbeitskräftemangels; Teilzeitarbeit war zwar sehr begehrt, wurde aber kaum angeboten, es sei denn, der Arbeitskräftemangel war so akut, daß selbst eine halbe Arbeitskraft immer noch besser erschien als gar keine, und man so, wenn auch widerstrebend, einige notwendige Umorganisationen durchführte.

Teilzeitarbeit

Verglichen mit der starken Nachfrage ist das Angebot an Stellen in »halber Packung« verhältnismäßig klein, obwohl es in den letzten 30 bis 40 Jahren ständig zugenommen hat. Der Mangel an Arbeitskräften hat es nicht nur während des Krieges, sondern auch in der folgenden Periode der Vollbeschäftigung notwendig gemacht, in einigen Industriezweigen, im Haushalt, im Handel und in verschiedenen freien Berufen Teilzeitarbeitskräfte zu beschäftigen. Wegen des Arbeitskräftemangels haben beispielsweise die Behörden die Teilzeitbeschäftigung von Lehrern und Pflegerinnen gefördert.
Krankenschwestern sind überall so knapp, daß manche Krankenhäuser sich genötigt sahen, Schichtarbeit einzuführen und auch verheiratete Krankenschwestern auf Teilzeitbasis zu beschäftigen - ein Verfahren, das allen Berichten zufolge befriedigend funktioniert. Einige örtliche Versuche verliefen in Großbritannien so erfolgreich, daß das Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium den Behörden und Krankenhäusern im ganzen Lande Hilfe und Förderung bei der Organisierung von Werbefeldzügen für Teilzeitarbeit angedeihen ließ, mit dem Erfolg, daß ein Reservoir beruflichen Könnens angezapft wurde, das sonst ungenutzt geblieben wäre. Die Kranken haben dadurch zusätzliche Pflege erhalten und die Belastung des vollberuflichen Personals ist vermindert worden. Mit der Ausdehnung des Nationalen Gesundheitdienstes ist die Arbeitslast noch erheblich größer geworden, und die Zahl der in Teilzeit Beschäftigten ist Jahr für Jahr gestiegen. Im September 1960 belief sich die Zahl der in Teilzeit beschäftigten Krankenschwestern und Hebammen in den Krankenhäusern von England und Wales auf 44 243, denen 162 061 ganztägig beschäftige Krankenschwestern und Hebammen gegenüberstanden, was einem Verhältnis von 1:3 entspricht.[15]
Das Frauenreferat des amerikanischen Arbeitsministeriums veröffentlichte einen Bericht [16] auf Grund einer Erhebung, die in zehn amerikanischen Städten über die Frage der Teilzeitbeschäftigung durchgeführt wurde. Hierin wird die wachsende Bedeutung der Teilzeitarbeit unterstrichen und erklärt, daß zwei Drittel der Arbeitgeber und alle in Teilzeit beschäftigten Frauen mit dieser Regelung zufrieden waren.
Einige Arbeiten sind von Natur aus besonders für die Teilzeitbeschäftigung geeignet, so zum Beispiel die Reinigung von Betrieben, Büros und Wohnungen, oder die Arbeit in Gaststätten, besonders in Werks- und Behördenkantinen, wo nur eine Mittagsmahlzeit verabfolgt wird. Eine Reihe von Sozialdiensten geben Frauen, die nicht vollberuflich tätig sein wollen, ein neues Arbeitsfeld als Hauspflegerinnen für Alte oder Kranke, als Mitarbeiterinnen in der Schulspeisung usw.
Auch andere Arbeiten auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege eignen sich ausgezeichnet als Teilzeitbeschäftigung, und man sollte davon viel mehr Gebrauch machen, als das bisher der Fall ist. Jetzt wird auch eine wachsende Zahl von Kindern in Privathaushalten versorgt, während die Mutter ihrer Arbeit nachgeht. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Schweden haben viele Frauen, die ihrer eigenen kleinen Kinder wegen ans Heim gebunden sind, es nicht als allzu große Belastung empfunden, zusätzlich noch die Beaufsichtigung weiterer Kleinkinder zu übernehmen, was überdies die Haushaltskasse etwas aufbessert. Außerdem hat die Gesellschaft anderer Kinder auch wohltätige Wirkung auf ihre eigenen, während andere Mütter entlastet werden. In all diesen Beschäftigungen leisten die Frauen eine Arbeit, die ihnen von altersher zukommt und die sie früher in ihrem eigenen Heim taten, obwohl sie heute oft besser auf gemeinschaftlicher Grundlage getan wird.
Der Einzelhandel beschäftigt eine große Zahl von Frauen in Teilzeitarbeit, um in den Hauptgeschäftsstunden das feste Personal zu entlasten. Das gleiche gilt natürlich auch in den vielen Fällen, wo Frauen im Familienbetrieb mithelfen. Die Vergnügungsindustrie beschäftigt größtenteils ihr Personal auf Teilzeit-Basis. Das gleiche gilt für Institute der Erwachsenenbildung, für Marktforschungsfirmen und ähnliche Unternehmen.
Abgesehen von diesen Sondergebieten sind die Arbeitgeber jedoch im großen und ganzen nicht geneigt, Personal auf Teilzeit-Basis einzustellen, es sei denn, ein akuter Arbeitskräftemangel oder die Notwendigkeit, Sonderschichten einzulegen, zwingt sie dazu. Die Gründe für diese Abneigung sind in der zusätzlichen Verwaltungsarbeit zu suchen; außerdem in den Kosten für die Sozialversicherung, in den Schwierigkeiten der Arbeitsorganisation und auch in dem Gefühl, daß Teilzeitbeschäftigte immer Außenseiter bleiben, weil sie ja nur die Hälfte ihres Interesses für die Arbeit aufwenden.
Auch die Arbeitnehmerorganisationen hegen der Teilzeitbeschäftigung gegenüber gemischte Gefühle. Sofern die Forderungen und Bedingungen der Gewerkschaften befolgt werden, stellen sie sich nicht direkt gegen die Teilzeitarbeit und sind bereit, sie als ein notwendiges Mittel zur Ergänzung des Arbeitskräftepotentials in Zeiten der Knappheit anzusehen. Aber es ist verständlich, daß sie eine Schwächung ihrer Verhandlungsposition befürchten, die darauf beruht, daß für jeden Arbeiter auch ein voller Arbeitsplatz vorhanden sein muß; außerdem fürchten sie eine Lage, in der die Leute bereit sein könnten, für den halben Lohn ganztägig zu arbeiten.
Aus all diesen Gründen gibt es nicht genügend Teilzeitbeschäftigungen für die vielen Frauen, die sie gerne annehmen würden. Eine potentiell nicht unbeträchtliche Reserve gelernter Arbeitskräfte bleibt daher ungenutzt.
Es wäre sicherlich wünschenswert, daß verheirateten Frauen mehr Gelegenheit gegeben würde, ihre Arbeitskraft zu gleichen Teilen dem Haushalt und einer Tätigkeit außerhalb des Hauses zu widmen, und wenn Arbeitgeber und Betriebsleitungen anpassungswilliger wären, sollte eine Zunahme der Teilzeitarbeit möglich sein. Die Arbeitsämter sollten besondere Listen führen, in denen die Teilzeitarbeitsstellen nachgewiesen werden. Derartige Stellen sind meistens nur durch Freunde oder bei früheren Arbeitgebern zu bekommen, manchmal mit kirchlicher Hilfe oder mit Unterstützung von Berufsorganisationen, aber nur sehr selten durch Arbeitsämter.[17]
Man kann natürlich nicht erwarten, daß die Arbeitgeber die Last der Neugestaltung allein tragen. Das Problem ist verwickelt und geht die ganze Gesellschaft an. Daher muß es auf verschiedenen Gebieten der Gesellschaft in gemeinsamer Anstrengung angepackt werden. Hilfe und Förderung seitens der Regierung - wie im obigen Falle durch den Nationalen Gesundheitdienst zur Bekämpfung des akuten Schwesternmangels sollte auch auf anderen Gebieten gewährt werden. Es wäre auch sehr wünschenswert, daß Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen diese Frage ernsthaft prüften. Tatsächlich wird das zunehmend gemacht, da die wachsende Zahl verheirateter, erwerbstätiger Frauen und der Zwang, diese Arbeitskraftreserven stärker heranzuziehen, auch die Aufmerksamkeit auf ihre besonderen Probleme gelenkt haben.
Auf internationaler Ebene hat die I.L.=. (International Labour Organization) zwei Berichte über »Weibliche Arbeitskräfte in einer sich wandelnden Welt«[18] bei ihrer 48. Sitzung im Jahre 1964 als Arbeitsunterlage zu diesem Thema vorgelegt. Das Ergebnis waren »Empfehlungen«[19] zur Eingliederung von Frauen mit Familienpflichten in den Arbeitsmarkt unter gleichen Bedingungen und ohne Diskriminierung. Sie umfassen spezielle Einrichtungen zur Unterrichtung und Erziehung der Öffentlichkeit, für Dienstleistungen und Stätten zur Kinderbetreuung, für Ausbildung, Beratung, Fortbildung und Umschulung von Frauen zum Eintritt oder Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt nach verhältnismäßig langer Unterbrechung.
In ähnlicher Weise hat die O.E.C.D. (Organization for Economic Cooperation and Development) - eine supranationale Organisation auf Regierungsebene, die eine >aktive Arbeitsmarktpolitik< als Mittel wirtschaftlicher Wachstumsförderung befürwortet - ihre besondere Aufmerksamkeit dem Problem weiblicher Arbeitskräfte mit Familienpflichten zugewandt; sie hält diese für eine der >Gruppen, welche zeitweilig oder ständig außerhalb des Arbeitsmarktes< stehen, und die daher besonderer Einrichtungen bedürfen, >um ihnen die Teilnahme an nützlicher Erwerbsarbeit zu ermöglichen<. Unter der Leitung ihrer Abteilung für Arbeit und Soziale Angelegenheiten (Manpower and Social Affairs Directorate) hat die O.E.C.D. in Mitgliedsländern eine Erhebung durchgeführt, um erstens herauszufinden, ob es irgendeine Elastizität der Arbeitszeit die den Bedürfnissen dieser Gruppe von Arbeitskräften entgegenkommt, und zweitens, ob wenigstens einige dieser Bedürfnisse gedeckt werden - oder es werden könnten - seitens anderer Stellen als der Arbeitgeber. Die auf dieser Erhebung [20] beruhenden Empfehlungen betreffen Hilfsmaßnahmen, wie häusliche Hilfskräfte, Einrichtungen zur Kinderbetreuung, Anpassung der Verkaufszeiten usw., gesetzliche Regelung der Teilzeit-Arbeit, Bewilligung von arbeitsfreien Tagen sowie Erwachsenenbildung, und sie liegen auf derselben Linie wie die von der I.L.O. angenommenen Vorschläge.
Durch eine Anzahl Veröffentlichungen, durch Presseberichte und -diskussionen wurde die Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam gemacht, die durch die Erwerbstätigkeit einer großen Zahl von Frauen mit häuslichen Verpflichtungen entstanden ist. Sie wurde davon in Kenntnis gesetzt, daß es verschiedener Umstellungen bedarf, um diese neue Gruppe von Arbeitskräften ohne unnötige Härten in den bestehenden Rahmen einzugliedern. Ein allmählicher, wenn auch langsamer Wandel in der Einstellung der Öffentlichkeit ist wahrnehmbar; wie immer vergeht jedoch erst eine Zeitspanne zwischen den Tatsachen sozialer Veränderungen und deren gefühlsmäßiger Bejahung. Deshalb vollzieht sich der Fortschritt so unvermeidlich langsam.