Die Bewegung, die eine ständig wachsende Zahl verheirateter Frauen aller sozialen Schichten auf den Arbeitsmarkt gebracht hat, hat sich in den letzten Jahren beschleunigt. Sie ist in allen Industrieländern im Vordringen und kommt durch ihre Ausdehnung einer stillen Revolution gleich.
Diese Entwicklung hat drei Hauptursachen:
- Erstens ist die überwiegende Mehrzahl der unverheirateten Frauen erwerbstätig, es sei denn, sie studieren noch oder sie unterziehen sich einer anderen Ausbildung.
- Zweitens ist die Zahl der Eheschließungen gestiegen, und das durchschnittliche Heiratsalter hat sich seit dem Kriege ständig verringert. Dies bedeutet, daß viel mehr Frauen im Alter von 20 bis 25 Jahren als je zuvor verheiratet sind, und viele von ihnen setzen ihren Beruf fort bis zum ersten und manchmal bis zum zweiten Kind.
- Drittens haben die Vollbeschäftigung und die Erfordernisse der allgemeinen Wiederaufrüstung nach dem 2. Weltkrieg den Bedarf an Arbeitskräften erhöht. Eine Ausweitung des vorhandenen Arbeitsmarktes ist daher nur zu erreichen, wenn mehr verheiratete Frauen für Voll- oder Teilzeitarbeit gewonnen werden.
Man mag sich schon vor einigen Jahren darüber klargeworden sein, aber die Schnelligkeit und die Bereitwilligkeit, mit der die verheirateten Frauen bereit waren, die freien Stellen einzunehmen, war völlig unvorhergesehen. So schätzte beispielsweise erst 1947 die Sozialerhebung des Hauptinformationsamtes (Social Survey of the Central Office of Information) auf Grund einer Stichprobenbefragung, daß in Friedenszeiten die Zahl der für eine volle Erwerbstätigkeit wahrscheinlich zusätzlich verfügbaren Frauen in Großbritannien 200 000 nicht überschreiten würde. Dazu kämen möglicherweise weitere 250 000 bis 500 000 für Teilzeitarbeit. Man glaubte aber, daß nur außergewöhnlich scharfe Maßnahmen eine derartige Erhöhung der damals vorhandenen Arbeitskräfte gewährleisten könnten. Seitdem hat sich die ganze Situation in einem solchen Tempo verändert, daß die Wirklichkeit alle Voraussagen übertroffen hat. Zwischen dem 31. Dezember 1947 und Juni 1951 stieg die Zahl der weiblichen Erwerbspersonen in Großbritannien um 710 000, obgleich in der Zwischenzeit das Schulentlassungsalter von 14 auf 1: 5 Jahre heraufgesetzt worden war, und sie stieg um gut eine weitere Million zwischen 1951 und 1965. Dieser Zuwachs an weiblichen Arbeitskräften ist einzig und allein die Folge des erhöhten Anteils an verheirateten Frauen, die außerhäuslich erwerbstätig sind.
In Schweden stieg die Gesamtzahl der weiblichen Arbeitskräfte zwischen 1945 und 1960 um 224 000. In der gleichen Zeit nahm die Zahl der verheirateten erwerbstätigen Frauen um 2.73 000 zu (was den Anteil der verheirateten Frauen von 21 auf 45 vH erhöhte).
Vergleichbare Zahlen für die Vereinigten Staaten ergeben das gleiche. Zwischen 1940 und 196o erhöhte sich die Zahl der Frauen unter den amerikanischen Arbeitskräften um rund 10 Millionen. In der gleichen Zeit (vgl. Tabelle 14) sank der Anteil lediger Frauen an der Gesamtzahl erwerbstätiger Frauen von ungefähr 1 : 2 auf 1 : 4.
Die neuen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen haben zwar vorhandene Neigungen verstärkt und einen schon bestehenden Trend beschleunigt, aber die Verhältnisse, soweit sie die Erwerbstätigkeit von Frauen betreffen, können nur insofern »künstlich« genannt werden, als sie innerhalb einer relativ kurzen Zeit Möglichkeiten geschaffen haben, die sonst wahrscheinlich eine sehr viel längere Entwicklungszeit gebraucht hätten. Wo immer solche Möglichkeiten bestanden, haben die Frauen weder langsam noch widerstrebend davon Gebrauch gemacht.
Daß die Frauen tatsächlich bereit sind, erwerbstätig zu sein, daß aber die Umstände günstig sein müssen, um sie wirklich auf den Arbeitsmarkt zu bringen, zeigt sich auch an der im Vergleich zu ländlichen Bezirken sehr viel größeren Zahl erwerbstätiger Ehefrauen in Großstädten.
Günstige Umstände: äußere und innere
Solche Umstände können in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die eine Gruppe spricht die Frauen ständig von außen her an; die andere wirkt in einer mehr negativen oder indirekten Weise von innen. Umstände der ersten Gruppe sind: das Vorhandensein möglichst vieler geeigneter, einigermaßen bequem erreichbarer Arbeitsplätze; günstige Verkehrsverbindungen; Einrichtungen für die Kinderbetreuung; Ausbildungsgelegenheiten; und schließlich die Möglichkeit, daß einige der besonders zeitraubenden Hausarbeiten durch gewerbliche Dienstleistungsbetriebe übernommen werden können. Die zweite Gruppe von Möglichkeiten entsteht durch die vermehrte Muße, deren sich die Frauen heute als Folge einer kleineren Familie erfreuen, und durch die laufende Erfindung neuer, verbesserter Erleichterungen für den Haushalt. John D. Durand meint in seiner interessanten Untersuchung der langfristigen Entwicklungslinien im Bereich der weiblichen Erwerbstätigkeit in den Vereinigten Staaten [1] sogar, daß das Endergebnis dieser technischen Entwicklung sein könnte, »das Heim als Arbeitsstätte und Hausfrauen als funktionelle Bevölkerungsgruppe so gut wie auszuschalten«.
Das ist vielleicht übertrieben. Auf jeden Fall ist es selbst als entfernte Möglichkeit der heutigen Wirklichkeit sehr weit entrückt. Die neuere Entwicklung geht dahin, eher mehr als weniger häusliche Aufgaben in das Heim zurückzuverlegen, trotz - oder seltsamerweise gerade wegen des steigenden Gebrauchs von modernen Haushaltsgeräten. Viele der sogenannten arbeitssparenden Einrichtungen treiben die Dezentralisierung von Dienstleistungen voran, die in einem früheren Stadium der Industrialisierung aus dem Heim in die Fabrik verlagert worden waren. (Ein Beispiel hierfür, das einem sofort in den Sinn kommt: Man wäscht die Bettücher im Hause, anstatt sie in die Waschanstalt zu geben. Dies ist ebenso das Ergebnis der Waschmaschinen wie der hohen Löhne, die die Preise der Waschanstalten in die Höhe getrieben haben.) Es sieht so aus, als ob die Konzentration der Erzeugung, die das beherrschende Prinzip der Industrialisierung war, auf dem Gebiet der Hauswirtschaft zum Stillstand gekommen wäre.
Was auch immer das schließliche Ergebnis dieser Entwicklung sein mag, im Augenblick ist sie erst im Anfangsstadium. Moderne Maschinen sind erst in eine kleine Minderheit von Haushalten vorgedrungen. Selbst in den Vereinigten Staaten gibt es in dieser Hinsicht erhebliche Unterschiede zwischen Stadt und Land, sowie zwischen verschiedenen sozialen Schichten.
Läßt man Mr. Durands zugespitzte Formulierung hier beiseite, so weist doch alles darauf hin, daß die allgemeine Entwicklung verheirateten Frauen immer mehr Möglichkeiten für eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit bieten wird. Und mit der Wahrscheinlichkeit fortdauernder Vollbeschäftigung müssen diese Möglichkeiten sich zwangsläufig vermehren, selbst ohne ein weiteres Absinken der Geburtenrate.
Aber, so fragt Mr. Durand, wird der Wunsch der Frauen nach Erwerbstätigkeit in einer Zeit des Friedens und eines ständig steigenden Lebensstandards bestehen bleiben? Welchen Anreiz zur Erwerbsarbeit kann es für die Frau geben, wenn weder nationaler Notstand noch persönliche Bedürftigkeit dies erfordern? Die Antwort war damals schwerer zu finden, denn wie die folgende Tabelle zeigt, gab es eine Wechselbeziehung zwischen dem Prozentsatz erwerbstätiger Ehefrauen und dem Einkommen des Ehemannes.
Dies stimmte im großen Ganzen bis zu jener Zeit, in der Mr. Durand seine Studie veröffentlichte. Aber zwischen den beiden Volkszählungen von 1940 und 1950 fand ein bedeutsamer Wandel statt. Eine Analyse der Zahlen von 1950 durch das U. S. Bureau of the Census [2] zeigt, daß in der Gruppe Frauen, die keine Kinder unter 18 Jahren hatten, jene Frauen am ehesten erwerbstätig wurden, deren Männer zwischen 4000 bis 5000 Dollar im Jahr verdienten, etwas mehr als das mittlere Einkommen eines Mannes in jener Zeit. Waren nur Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren vorhanden, dann lag der größte Anteil erwerbstätiger Frauen in jener Gruppe, deren Ehemänner 2000 bis 3000 Dollar verdienten; nur Mütter von Kleinkindern hatten eine Erwerbsquote, die in umgekehrtem Verhältnis zu der Einkommenshöhe der Ehemänner stand.
Wirtschaftliche und psychologische Beweggründe
Der Zustrom von Frauen auf den Arbeitsmarkt besteht sozusagen aus zwei Strömungen. Zu der einen, die in den ersten Phasen der Industrialisierung besonders stark war und mit dem allgemein niedrigen Lohnniveau zusammenhing, gehören die Frauen, die das Familieneinkommen durch ihre Erwerbstätigkeit ergänzen müssen. Der im Vergleich zu anderen Teilen des gleichen Landes relativ hohe Anteil erwerbstätiger Ehefrauen in Textilgebieten ist ein Beispiel dafür. Diese Strömung versiegt zumeist, wenn das Einkommen des Ehemannes steigt. Sie hat alles in allem während der Zeit der Vollbeschäftigung allmählich an Stärke abgenommen.
Zu der anderen Strömung gehören Frauen mit Fachkenntnissen oder höherer Bildung, und sie ist weit weniger unmittelbar vom Einkommen des Ehemannes abhängig. Sie Scheint in einem fortgeschrittenen Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung einzusetzen und mit der wachsenden Kompliziertheit der Arbeitsbedingungen in der Industriegesellschaft und dem damit verbundenen höheren Lebensstandard an Bedeutung zu gewinnen.
Es wäre natürlich verfehlt, diese beiden Strömungen als zwei getrennte Abläufe zu verstehen; obwohl aus verschiedenen Quellen stammend, vermischen sie sich so, daß sie ihre Eigenart verlieren. Die wirtschaftlichen Beweg,gründe können nicht länger von den ideologischen getrennt werden, ebensowenig wie sich die freiwilligen von den zwingenden unterscheiden lassen. Gehört beispielsweise der Drang nach einer Verbesserung des eigenen Lebensstandards - um sich nämlich Luxusgüter leisten zu können - in die gleiche Wertstufe wie der Zwang, für den nackten Lebensunterhalt zu sorgen? Ist die Wahl eines Berufes - im Gegensatz zu mehr Muße - noch »freiwillig« zu nennen, wenn sie erst einmal zur allgemeinen Norm geworden ist, die gesellschaftliche Billigung findet? Gehört die Frau, die in ihrer Jugend als Krankenschwester ausgebildet wurde, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und die ihren Beruf aus einem Gefühl der Verpflichtung der Öffentlichkeit gegenüber fortsetzt oder wiederaufnimmt oder die Frau, der ein unerwarteter Zufall die Gelegenheit gab, verborgene Talente zu entfalten, zu der einen oder anderen »Strömung«?
Eine vom Internationalen Arbeitsamt durchgeführte internationale Untersuchung über erwerbstätige Frauen mit häuslichen und Familienpflichten gibt nur zwei Beweggründe für außerhäusliche Erwerbsarbeit von Frauen an: Einerseits die wirtschaftliche Notlage der Frauen und andererseits die nationale Notwendigkeit zu erhöhter Produktion, unterstützt von nachdrücklichen Regierungsmaßnahmen, um mehr Frauen für die Industrie zu gewinnen.
Eine zunehmende Zahl von Erhebungen macht es jedoch augenscheinlich, daß andere Gründe eine bedeutende Rolle bei dem Entschluß der Frau spielen, ihren Arbeitsplatz nach der Verheiratung zu behalten. In Sheffield, York und anderen Industriezentren ergaben unabhängig voneinander vorgenommene Untersuchungen, daß die soziale Isolierung der heutigen Hausfrau ein starker Antrieb für die Frau ist, sich eine Beschäftigung außerhalb ihres Heimes zu suchen.
So schätzt zum Beispiel Ferdinand Zweig, der eine Sozialerhebung über Einstellung und Gewohnheiten von erwerbstätigen Frauen in Lancashire durchgeführt hat,[3] daß von den verheirateten Frauen nicht mehr als etwa eine von dreien unter wirtschaftlichem Druck erwerbstätig ist, sei es, weil das Haushaltsgeld nicht ausreicht, oder weil sie ihren Ehemann ernähren muß. Die anderen arbeiten wegen des Sonderverdienstes: um die Ausbildungskosten der Kinder zu decken, um Sachen zu kaufen, die sie haben wollen, oder aus anderen Gründen, denn sie sind gewöhnt, arbeiten zu gehen und finden Gefallen daran«. Obwohl er zugibt, daß die Grenzlinie zwischen »wirtschaftlichem Druck« und »Wunsch nach Verbesserung« veränderlich und schwer zu bestimmen ist, betont er nachdrücklich, daß wirtschaftliche Notwendigkeit unter keinen Umständen der einzige oder auch nur der Hauptgrund für die Erwerbsarbeit verheirateter Frauen außerhalb ihres Hauses ist. »Der Sozialforscher vergißt oft, daß viele Frauen eher unter dem Gefühlszwang der Einsamkeit arbeiten gehen als unter dem wirtschaftlichen Zwang niedriger Löhne.«[4]
- (Anm. 4) Es lohnt sich, einige von Dr. Zweigs Beispielen in diesem Zusammenhang anzuführen: »Die typischen Antworten, die man von der Gruppe der Mütter bekommt, die sozusagen freiwillig arbeiten gehen, lauten etwa so: 24jährige Mutter mit einem 15 Monate alten Baby: >Ich langweilte mich zu Hause sehr< - oder eine Mutter mit 4 Kindern von 14, 11 und 8 Jahren und einem 15 Monate alten Baby: >Ich bin mehr ermüdet, wenn ich zu Hause bleibe, als wenn ich hier bin!< - Eine 20jährige Mutter mit einem 14 Monate alten Baby: >Ich arbeite, um beim Möbelkaufen mitzuhelfen!< - Eine 23jährige Mutter mit einem Kind von 3 Jahren: >Ich möchte meinem Mann helfen, in seinem Beruf vorwärtszukommend - Eine 49jährige Mutter mit 3 Kindern, 2 erwachsenen und einem von 14 Jahren, das noch zur Schule geht: >Ich gehe arbeiten, weil ich mich zu Hause langweile, nicht wegen des Geldes!<- Eine 28jährige Mutter mit einem Jungen von 3 Jahren: >Wir haben eine Menge Aufwand, den wir uns sonst nicht leisten könntenU - Eine 31jährige Mutter mit 2 Jungen von 7 und 10 Jahren: >Es ist mir lieber zu arbeiten. Es bringt Abwechslung. Der ältere Junge hat einen Schlüssel, und eine Schwester wohnt nebenan!<-Eine 38jährige Mutter mit 3 Kindern von 12, 9 und 7 Jahren: >Unsere Oma ist wie eine Mutter. Die außerhäusliche Arbeit hält einen in Verbindung mit der Welt, und man fühlt sich jünger!< - Eine 33jährige Mutter mit einem Kind von 7 Jahren: >Als der Junge in die Schule kam, wurde das Leben in den vier Wänden unerträglich - Eine 34jährige Mutter mit 2 Kindern von 8 und 4 Jahren: >Man wird nicht so mürbe, und man fühlt sich jünger. Wenn mein Mann und ich eine kleine Auseinandersetzung haben, kann ich zu ihm sagen: >Du ernährst mich nicht!< — Andere der vorgebrachten Gründe waren: >Um beim Hauskauf zu helfen!< - >Ein elektrischer Kühlschranks - >Ein Fernsehapparat!» - Bis zu: >Unser Haus ist zu klein für 2 Frauen<, da ihre Mutter bei ihnen lebte.« (a. a. O., S. 74)
Unser Widerstreben, der herkömmlichen Erklärung beizupflichten, daß verheiratete Frauen aus wirtschaftlichem Zwang erwerbstätig sind, findet eine weitere, gut belegte Unterstützung in den Erkenntnissen von B. Seebohm Rowntree und G. R. Lavers.[5] Ihre Sozialerhebung in York vom Jahre 1950 - die u. a. bezeugt, daß der erhöhten Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen ebenso wie der Vollbeschäftigung, höheren Löhnen und den verschiedenen Segnungen des Wohlfahrtsstaates das tatsächliche Verschwinden der Armut in ihrem Untersuchungsgebiet zu verdanken ist -, stellt fest, daß der Brauch, das Familieneinkommen durch Voll- oder Teilzeitarbeit der verheirateten Frauen zu ergänzen, »gerade in den am besten gestellten Arbeiterschichten vorzuherrschen scheint«. Die Verfasser erklären diese zunächst sonderbare Erscheinung folgendermaßen: »Die Tatsache, daß es dem Arbeiterstand im ganzen gesehen besser geht als je zuvor, hat in vielen Familien den Wunsch nach Dingen geweckt, die sie früher ohne Überlegung als weit über ihre Verhältnisse gehend abgelehnt haben würden.« Die Erhebung umfaßte 12 708 Familien, deren Haushaltsvorstände Männer in Vollbeschäftigung waren. Bei 1278 oder 10 vH dieser Haushaltungen waren die Ehefrauen voll- oder teilzeitbeschäftigt (gegenüber nur 3,2 vH im Jahre 1936). Nach den Gründen ihrer Erwerbsarbeit befragt, gaben die Frauen folgende Antworten:
- 13 vH - um Möbel usw. für ihre Wohnung zu kaufen,
- 2 vH - um die Ausbildung der Kinder zu bezahlen,
- 1, 5 vH - aus »Pflichtgefühl « (die meisten von ihnen waren ausgebildete Pflegerinnen),
- 3 4,5 vH - wirtschaftliche Notwendigkeit,
- 27 vH - um Güter des gehobenen Bedarfs zu kaufen,
- 21 vH -wegen des Vergnügens, mit anderen Leuten zusammenzutreffen, anstatt den ganzen Tag zu Hause eingesperrt zu sein.
»Viele Frauen sagen offen«, fährt der Bericht fort, »daß sie einen höheren Lebensstandard wünschen und zu arbeiten bereit sind, um ihn zu erlangen. Beispiele für die Ziele dieser Frauen sind: Einen Wagen zu kaufen, Ferien fern von York zu machen, eine Musiktruhe, eine elektrische Wasch- oder Geschirrspülmaschine zu kaufen.«
Der Demokratisierungsprozeß hat nicht nur eine Nivellierung der Einkommen mit sich gebracht, sondern auch eine ständig zunehmende Angleichung der Lebensansprüche. Solcher Aufwand - Auslandsreisen, höhere Ausbildung der Kinder, moderne Haushaltseinrichtung usw. - gilt nicht mehr als Vorrecht einer privilegierten Klasse, sondern wurde zum erreichbaren Ziel großer Bevölkerungsgruppen, das man erlangen kann, wenn man sich mehr anstrengt. Und viele Frauen messen ihm soviel Wert bei, daß sie diese zusätzlichen Anstrengungen auf sich nehmen.
Bisher wurde den erwerbstätigen verheirateten Frauen des Mittelstandes nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, ihre Zahl schien zu unbedeutend, um eine genaue soziologische Untersuchung zu rechtfertigen. Einige kleinere Arbeiten sind jedoch greifbar, und besonders eine, von Margot Jefferys unter den verheirateten Frauen in höheren Dienstgraden des britischen Verwaltungsdienstes und der staatlich geförderten Forschungsorganisationen durchgeführte Erhebung [6] lohnt es, in diesem Zusammenhang erwähnt zu werden, obwohl die 234 berufstätigen Frauen, die bei dieser Untersuchung mitwirkten, nicht für die gesamte Schicht repräsentativ sein mögen. Die Verfasserin führt aus: »Eine Prüfung der einzelnen Antworten dieser Gruppe zeigt, daß nicht ein Hauptgrund für die Berufsarbeit vorherrschte. Nur eine von fünf Frauen arbeitete, weil ihr Verdienst die einzige oder die Hauptquelle des Familieneinkommens war. Von den anderen Frauen, die wahrscheinlich besser in der Lage waren zu wählen, ob sie arbeiten wollten oder nicht, wurde Interesse an ihrer Tätigkeit oder mangelnde Befriedigung an ständiger Hausarbeit etwa ebenso oft als Hauptgrund für ihre Berufstätigkeit angegeben wie finanzielle Überlegungen. Während jede Frau einen vorherrschenden Grund hatte, sprachen in der Mehrzahl der Fälle jedoch auch andere Überlegungen mit. So erwähnten die meisten von denen, die Interesse an ihrer Tätigkeit als Hauptgrund nannten, auch die finanziellen Vorteile und umgekehrt.« - Ein etwas überraschendes Ergebnis dieser Umfrage ist, »daß finanzielle Überlegungen als Hauptgrund für Erwerbstätigkeit weit öfter von kinderlosen Frauen angegeben wurden als von Frauen mit Kindern, sofern ihr Verdienst nicht die einzige oder die Hauptquelle des Familieneinkommens war«. Die Verfasserin erklärt dieses zunächst befremdliche Phänomen wie folgt: »Frauen ohne Kinder haben, mit wenigen Ausnahmen, geringe häusliche Bindungen und weniger Gründe, warum sie nicht arbeiten sollten. Bei vielen von ihnen mag das Interesse belanglos sein für ihren Entschluß zu arbeiten, obwohl es natürlich nicht unerheblich bei der Wahl ihrer Tätigkeit mitspricht. Der finanzielle Antrieb, der ja die Mittel zur Befriedigung von Wünschen mannigfaltiger Art für die Freizeitbetätigung verschafft, wird dann vorherrschend, weil die Aufgabe der Arbeit die Beschränkung liebgewordener Musebeschäftigungen einschließen würde. Dagegen stehen Frauen mit kleinen Kindern vor großen Schwierigkeiten, wenn sie arbeiten wollen, und zwar nicht zuletzt wegen der hohen Kosten für angemessene Haushaltshilfe und Kinderbetreuung. Ihr Nettoverdienst wird wahrscheinlich viel niedriger sein als der der kinderlosen Frau; er muß überdies der gefühlsmäßigen Belastung gegenübergestellt werden, die durch den Versuch entsteht, Berufsarbeit zu leisten und gleichzeitig Kinder aufzuziehen. Nur ein besonders starkes Interesse oder wirkliche Abneigung gegen häusliche Pflichten oder Abwandlungen dieser beiden Einstellungen sind geeignet, den Ausschlag zugunsten der Arbeit zu geben.«
Bei den Ehefrauen des Mittelstandes wie auch der Arbeiterklasse ist der finanzielle Anreiz, sich außerhäusliche Erwerbsarbeit zu suchen, ein wichtiger Beweggrund, aber zufolge der in unserer Zeit der Vollbeschäftigung gewonnenen Erfahrung sind deutliche Anzeichen vorhanden, daß die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht mehr der Hauptgrund ist. Er wurde, zumindest in gewissem Grade, durch eine recht verwickelte psychologische Situation ersetzt, bei der die Sehnsucht nach einem höheren Lebensstandard, das Bedürfnis nach Geselligkeit, die Vorliebe für besser zusagende Arbeitsarten und der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit zu den wesentlichen Antrieben gehören.
Die Tatsache, daß der Anteil der verheirateten Frauen am Erwerbsleben in den Vereinigten Staaten stärker gestiegen ist als anderwärts - Stockholm vielleicht ausgenommen scheint gleichfalls zu beweisen, daß persönliche wirtschaftliche Not und der volkswirtschaftliche Bedarf an Arbeitskräften (die zwei vom Internationalen Arbeitsamt untersuchten Gründe) keineswegs die einzigen Motive sind, die verheiratete Frauen zu Erwerbsarbeit veranlassen. Diese beiden Länder haben einen hohen Lebensstandard, und was zumindest die Vereinigten Staaten anbelangt, so sind dort die Frauen von Staats wegen kaum ermutigt worden.
Diese beiden Beispiele zeigen deutlich, daß die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen neben materieller Not individueller oder nationaler Art - auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist. Dazu gehört z. B. die Kluft zwischen dem tatsächlichen und dem erstrebten Familieneinkommen - wobei diese wiederum von den Dingen abhängt, die man für das Geld erwerben könnte. Weiter gehört dazu das Vorhandensein von Einrichtungen, die es den Frauen erlauben, ihren Betätigungsdrang zu befriedigen, einerlei ob er auf psychologische oder auf wirtschaftliche Bedürfnisse zurückzuführen ist. Auch mag er dem Verlangen nach produktiverer oder abwechslungsreicherer Arbeit, dem Wunsch nach besserer Verwendung von angeborenen Fähigkeiten und erworbenen Kenntnissen, vielleicht auch dem Drange, »mit den Müllers Schritt zu halten«, oder einfacher Geselligkeit entspringen - höchstwahrscheinlich aber vereinigen sich jeweils einige dieser Motive.
Bei Erwerbstätigkeit aus persönlicher Notlage wird diese selbst ohne Erleichterung der häuslichen Pflichten gesucht, was viel Nervenkraft verbraucht und auf Kosten der Behaglichkeit und des häuslichen Glückes geht. Falls ein nationaler Notstand besteht, ist es dann und wann für unvermeidbar gehalten worden, gewisse Erleichterungen durch Kinderkrippen, organisierte Haushaltspflege, Schulmahlzeiten usw. zu schaffen, um die Frauen anzuspornen, eine Arbeit anzunehmen. Wo aber derartige Sozialleistungen als Ergebnis einer hochentwickelten Industrialisierung, verbunden mit einer wirksamen Gesellschaftsorganisation bereits vorhanden sind, da braucht der äußere Anlaß - sei es die Rute materieller Bedrängnis oder der Zucker staatlicher Propaganda - kein ausschlaggebender Faktor zu sein.
Wenn die Frage diskutiert wird, warum Frauen Erwerbsarbeit annehmen, steht gewöhnlich das wirtschaftliche Motiv im Vordergrund. Da die Frau in unserer Gesellschaft entweder für die gleiche Arbeit niedriger bezahlt wird als der Mann oder aber sich mit den geringer bezahlten Arbeitsplätzen begnügen muß, ist es natürlich, daß die materielle Notlage der Frauen von denjenigen stark hervorgehoben wurde, die für gleiche Bezahlung beider Geschlechter eintraten. Tatsachen und Zahlen wurden vorgelegt, um zu beweisen, daß eine große Zahl von Frauen ihre Kinder oder andere Angehörige unterhält, und daß es ein Märchen ist, wenn man die Leute zur Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Löhne geltend machen, die Frauen arbeiteten nur für ein Taschengeld.
Diese Tatsachen wurden oft so dargestellt, um Mitgefühl für die Frauen zu wecken, die »ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen müssen«. Man behauptete, daß die meisten Frauen es vorziehen würden, nicht außerhalb ihres Heimes zu arbeiten; wenn sie aber eine Erwerbsarbeit annähmen, dann geschähe das nur, weil finanzielle Not sie dazu triebe. Der amerikanische Soziologe W. F. Ogborn berichtet sogar, 85 vH der erwerbstätigen Frauen hätten erklärt, sie arbeiteten nicht weil sie es wollten, sondern weil sie müßten.
Eine Frage, die nie gestellt wird
Die Frage, warum Frauen arbeiten, erscheint in dieser Form ungerecht und belanglos zugleich. Wenn man Männer fragen wollte, warum sie arbeiten, würde die große Mehrzahl zweifellos antworten, daß sie sich und ihre Familie ernähren müßten. Niemand würde sie deshalb bemitleiden. Es wird für selbstverständlich gehalten, daß es so ist. Nur wenige Glückliche können ehrlich für sich in Anspruch nehmen, daß sie zu ihrem eigenen Vergnügen oder in Verfolg ihrer Interessen arbeiten. Für die überwiegende Mehrheit ist es eine conditio sine qua non, daß sie eine Arbeit annehmen müssen; wenn sie daran Interesse finden können, um so besser für sie. Aber Männer werden so etwas nicht gefragt. Sie haben nicht zwischen arbeiten oder nichtarbeiten zu wählen, sondern zwischen den verschiedenen Arten von Arbeit. Ihre persönliche Aufgabe ist es, sich so gut wie möglich dieser Situation anzupassen.
Die der Frau gegenüber eingenommene Haltung ist anders. Es ist bezeichnend, daß die zahlreichen Untersuchungen über die Gründe verheirateter Frauen für die Annahme von Erwerbsarbeit nicht durch andere Studien ergänzt werden, die der Frage nachgehen, warum verheiratete Frauen nicht außerhäuslich erwerbstätig sind, wenn sie keine kleinen Kinder zu betreuen haben. Dieser Zustand wird so sehr für die natürliche Ordnung der Dinge gehalten, daß er keine Verwunderung auslöst und daher auch keine wissenschaftliche Abhandlung bewirkt hat. Trotz des tiefgreifenden sozialen Wandels herrscht die Auffassung noch immer vor, daß es für die Frau normal sei, unter allen Umständen von ihrem Ehemann ernährt zu werden. Viele Männer, insbesondere die des Mittelstandes, deren Ehefrauen erwerbstätig sind, haben ein Schuldgefühl, weil sie es ihnen gestatten, und rechtfertigen sich deswegen. In gewisser Weise scheint es heute noch, daß eine verheiratete Frau, die einen anderen Beruf als den der Hausfrau ausübt, etwas »einbüßt« und daher Mitgefühl verdient.
Natürlich kann man diesen Zustand mit verschiedenen Worten beschreiben. Die Zeitschrift Life veröffentlichte zum Beispiel die Ergebnisse einer Erhebung, nach der es in den Vereinigten Staaten 20 Millionen »untätige« Frauen gibt. Der Ausdruck »untätig« wurde hier auf alle Frauen, die nicht erwerbstätig sind, angewendet, sofern sie weder alt noch krank oder Mütter von Kindern unter 18 Jahren waren. Wenn diese Auslegung sich weiter verbreitete, dann würden weniger Männer das Gefühl haben, es sich selbst zu schulden, der einzige Ernährer ihrer Familie zu sein; und mehr Frauen würden einen moralischen Zwang fühlen, ihre Zeit und Kraft für mehr als leichte Hausarbeiten zu nutzen.
Während Männer keine andere Wahl haben als zu arbeiten und als asozial gelten, falls sie sich weigern, es zu tun, ist der gleiche sittliche Maßstab keineswegs bei Frauen angewandt worden. Diese haben weitgehend das in früheren Zeiten für Männer wie für Frauen der herrschenden Klasse typische Vorrecht gewahrt, sich nicht an den Anstrengungen der Gesellschaft zu beteiligen. Weil sie es nicht taten, galten sie erstaunlich lange als um so angesehener.
Gleichheit oder Vorrecht?
Hier ist offensichtlich eine Lücke in unseren demokratischen Vorstellungen; oder, wenn man es lieber so ausdrückt, eine zeitliche Verzögerung in der Anpassung unserer Vorstellungen an unsere veränderten Lebensbedingungen. Gerade die Frauen sollten hierin feinfühlig sein. Sie haben so lange gleiche Rechte verlangt und haben auf so vielen Gebieten Gleichheit erreicht, daß nun ihr sozialer Beitrag neu bewertet werden sollte. Bei dieser Bewertung müßten alle ihre produktiven Bemühungen, ob bezahlt oder unbezahlt, ob innerhalb oder außerhalb ihres Heimes, berücksichtigt werden; ob sie Kinder erziehen oder Garn spinnen, ist in diesem Zusammenhang von minderer Bedeutung. Aber es sollte Rechenschaft darüber abgelegt werden, was sie mit ihrer Leistungskraft und mit ihren Fähigkeiten sowie mit den Investierungen anfangen, die die Gesellschaft in sie hineingesteckt hat. Denn in einer Demokratie hat keine Gruppe das Recht, bei dem Vergleich ihres sozialen Beitrages mit dem anderer eine Befreiung auf Grund ihrer Geburt zu erlangen.
Außerdem will uns scheinen, daß in dem demokratischen Wettstreit zwischen den konkurrierenden Ansprüchen der Geschlechter die Zeit gekommen ist, um ein Wort für die gleichen Rechte der Männer einzulegen. Die Ansprüche auf Gleichberechtigung wurden von den Frauen so beredt während des letzten Jahrhunderts vorgebracht, daß man kaum die Vorrechte zu erwähnen wagt, deren sich Frauen in ihrer Eigenschaft als Frauen erfreuen. Es gibt davon eine ganze Anzahl, und wir brauchen hier nicht weiter auf sie einzugehen.
Heute, da die Gleichheit zwischen den Geschlechtern nahezu erreicht ist, ist es nur recht und billig zuzugeben, daß die Nachteile nicht alle nur auf einer Seite sind, und zu verlangen, daß bei beiden Geschlechtern mit gleichem Maß gemessen wird. Gleiche Rechte sollten gleichen Pflichten und gleicher Verantwortung entsprechen. Deshalb sollten jene, die gleiche Bezahlung verlangen, auch die letzten sein, die Mitleid für die armen Frauen erbitten, weil sie für ihren Lebensunterhalt »arbeiten müssen«. Égalité oblige.
Es ist allerdings eine Tatsache und durch die Zahlen des vorhergehenden Kapitels reichlich belegt, daß die Arbeitsmöglichkeiten und die Nachfrage nach Arbeitskräften für die beiden Geschlechter unter den heutigen Marktbedingungen ziemlich verschieden sind. Jedoch gibt es überwältigende objektive Beweise, um den Anspruch zu widerlegen, daß die Frau per se, ob verheiratet oder ledig, einen anderen Status haben sollte. Daß Mütter »im aktiven Dienst« in einer besonderen Lage sind und besondere Berücksichtigungen verdienen, ist etwas anderes. Dies ist ein Punkt, der in einem späteren Kapitel noch ausführlich besprochen werden wird. Aber alle Frauen zu allen Zeiten ihrer potentiellen Mutterschaft oder früherer Mutterschaftsleistungen wegen von den allgemeinen Verhaltensregeln auszunehmen, wäre das gleiche, als wollte man Männer von der alltäglichen Arbeit befreien, weil sie eines Tages vielleicht Helden werden könnten, oder weil sie in der Vergangenheit tapfer gekämpft haben.