Die Lebensabschnitte

Einige unserer Leser mögen einwenden, daß unsere Einstellung zum Leben, und besonders zum Leben der Frau, zu utilitaristisch sei. Warum versuchen Sie, werden sie fragen, die Frau in das Berufsleben hineinzudrängen? Warum diese strenge Einstellung zur Arbeit als einem Allheilmittel der Seele? Wäre es nicht besser, so lange wie möglich die Restbestände einer müßigen Klasse oder wenigstens eines Kreises von Menschen zu erhalten, die in der Lage sind, Dinge zu tun, wann und wie sie wollen, die die vielen kleinen und nicht entlohnten Dienstleistungen, die getan werden müssen, verrichten, und die sich an dem erfreuen können, was das Leben wirklich wertvoll macht: Freundschaft, Bücher und Kunst? Solchen Lesern möchten wir zweierlei sagen:
Erstens kann es sich unsere moderne Volkswirtschaft weder leisten, noch ist es mit unseren demokratischen Vorstellungen vereinbar, daß ein großer Teil der Bevölkerung von den Anstrengungen anderer lebt. Ob wir wollen oder nicht - der Stand der Müßiggänger gehört ebenso der Geschichte an wie die vierspännige Kutsche, das hausgebraute Bier und andere Symbole der »guten alten Zeit«. Der berufslose »Gentleman«, der seine Zeit damit verbrachte, zu reisen, sich zu bilden und die schönen Seiten des Lebens zu genießen, ist verschwunden, und die beruflose Dame wird ihm ganz gewiß folgen. Mt den veränderten technischen Hilfsmitteln haben sich auch unsere gesellschaftlichen Bestrebungen gewandelt. Wenn wir in einer leidlich gerechten und leidlich vernünftigen Gesellschaftsordnung leben wollen, wenn wir wünschen, daß der Lebensstandard unserer Bevölkerung verbessert und ihre Kinder erzogen werden, wenn wir das Alter von der Angst vor der ärgsten Armut befreien wollen - dann müssen wir alle nach bestem Können dazu beitragen.
Zweitens - weit entfernt davon, ein Evangelium der harten Arbeit zu predigen, hoffen wir im Gegenteil auf ein wachsendes Maß von Muße, so daß auch mehr Menschen an den Freuden des Lebens teilhaben können. Muße sollte jedoch in ihrer echten Funktion verstanden werden: als eine Zeit der Ruhe und der Erholung inmitten eines ausgefüllten Lebens.
Auch wir wollen, wie unser kritischer Leser, in einer Welt leben, in der die Menschen vor allem Menschen und nicht nur »gute Staatsbürger« sind. auch wir verabscheuen den Ameisenstaat, in dem der Wert eines Menschen nur nach seinem Anteil an der Erfüllung eines vorbestimmten Produktionsplanes bemessen wird. Denn wir finden, daß ein Leben, in dem nur gearbeitet wird, zu langweilig wäre, um lebenswert zu sein.

Familie und Beruf - zwei Welten?

Eben aus diesem Grunde sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß eine gerechtere Aufteilung von Arbeit und Muße zwischen den Geschlechtern, wie sie bereits zwischen den Gesellschaftsklassen erfolgte, notwendig ist. Wenn Männer und Frauen ebenso in ein und derselben Welt leben sollen, wie sie es friedlich in ein und demselben Heim und in ein und derselben Familie tun müssen, dann muß ihr Anteil an dem Rhythmus von Tätigkeit und Muße, dann müssen ihre Interessenkreise und ihre Zerstreuungen besser ins Gleichgewicht gebracht werden, als es jetzt der Fall ist. Es kann nicht zuträglich sein, zwei Menschen zu einer lebenslangen Partnerschaft miteinander zu verbinden, deren Leben in so ungleichem Rhythmus verläuft und deren Interessen auf so weit voneinander entfernten Gebieten liegen, wie es etwa während des letzten Jahrhunderts in unserer Gesellschaft üblich geworden ist.
Daß so viele Frauen - vor allem unverheiratete - in die »männlichen« Arbeitsbereiche eingedrungen sind, mag dazu beigetragen haben, den wirklichen Stand der Dinge zu bemänteln; aber es ist nicht übertrieben zu sagen, daß die Trennung zwischen den beiden Welten des Berufes und der Familie für die Mehrzahl der Menschen heute vollständiger ist, als sie es in der Vergangenheit jemals war. Beruf und Familie sind nicht nur örtlich manchmal durch viele Meilen - voneinander getrennt, sondern auch hinsichtlich der Atmosphäre, der Interessen sowie des Tempos und der Intensität des Lebens. Wieviele Kinder haben auch nur die leiseste Kenntnis oder Vorstellung davon, wie ihre Väter den größten Teil ihres Tages zubringen? Bei der Fahrt von der Fabrik oder dem Büro zu seiner »Schlafstelle« im Vorort stellt sich der Mann um, als käme er von einem anderen Planeten. Er wird von einer Frau erwartet, deren Leben einem völlig anderen Rhythmus unterliegt. Ihr Heim, das sie theoretisch teilen, ist fast ausschließlich zur Domäne der Frau geworden, und ihr fällt ebenso die Hauptverantwortung für die Kinder zu.
Jedoch an Ehe, Familienleben und Kindern sollten sich eigentlich Mann und Frau gemeinsam erfreuen. Niemandem - und am wenigsten dem Kinde - ist mit der heutigen Neigung gedient, all dies auf eine Seite, nämlich in »die Welt der Frau«, zu verlagern.
Diejenigen, die gegen eine Ausweitung der außerhäuslichen Berufstätigkeit von verheirateten Frauen im Namen der Tradition angehen, haben ihren Blick nur auf eine Periode unserer Sozialgeschichte, nämlich auf das 19. Jahrhundert gerichtet. Solche Traditionalisten wären gut beraten, blickten sie ein wenig weiter zurück auf eine Zeit, in der es ein stabileres Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Gemeinschaft und den Bedürfnissen des Individuums gab. In jener Zeit der harmonisch in sich geschlossenen Familien waren Arbeit und Muße zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kindern und zwischen jung und alt viel gleichmäßiger verteilt. Die so entstandene Verbundenheit und der sanftere Übergang von der einen Altersstufe in die andere ist von dem heutigen Zustand mit seinen getrennten Bezirken für Mann und Frau und für jede Generation sehr verschieden. Der jetzige Zustand hat so viele Spannungen erzeugt, daß es sich wohl zu fragen lohnt, ob wir nicht einige wertvolle Merkmale der alten Lebensart in neuer Form zurückgewinnen könnten.
Die Familie war einmal der natürliche Lebensraum für den Mann wie auch für die Frau. Beide hatten an der Erziehung ihrer Kinder teil; jeder teilte die Sorgen und Erfolge des anderen, und alle zusammen trugen ihren angemessenen Teil an der gesamten Arbeitslast, wenn auch diese Teile je nach Kraft und Fähigkeiten der einzelnen Familienmitglieder unterschiedlich waren. Wahrscheinlich gingen sehr große kulturelle Werte verloren, als diese Art von Gemeinsamkeit aufhörte. Ganz gewiß aber haben wir noch keine ähnlich ausgewogene Art zu leben gefunden.
Man sollte daher nicht vergessen, daß gerade die gemeinsame Beteiligung von Mann und Frau dieses Gleichgewicht schuf. Es ist zwar müßig, zu beklagen, daß es nicht mehr vorhanden ist, aber es wäre noch weit zweckloser, sich die romantische Hoffnung zu machen, daß die Frau allein eine solche Lebensfülle schaffen könne, wenn es ihr überlassen bleibt, die Überreste aus früheren Zeiten zu bewahren. Wenn jemand behauptet, ein Heim zu schaffen sei die alleinige Aufgabe der Frau, dann begeht er den Fehler, die Frau etwas allein tun zu lassen, was von Mann und Frau gemeinsam getan werden muß, wenn das Ideal eines glücklichen Heims verwirklicht werden soll.
Viele Menschen fühlen instinktiv, daß dies richtig ist. Die Tatsache, daß immer mehr Männer ihre Freizeit für Hobbies verwenden, die ihnen einen tätigen Beitrag zum Familienleben ermöglichen, ist dafür ein augenfälliger Beweis. In dem höchstmechanisierten Land der Welt, den Vereinigten Staaten, verbringen mehr Menschen als je zuvor ihre Freizeit als Amateurmaler, -schreiner, -tapezierer, -gärtner usw. Ohne Zweifel spielen dabei auch die hohen Kosten für Facharbeiter eine große Rolle. Doch abgesehen von diesem finanziellen Anreiz finden die meisten Männer echte Freude an solchen schöpferischen Hobbies; nicht nur als Ausgleich zu ihrer routinemäßigen oder nur im Sitzen verrichteten Arbeit, sondern weil sie dadurch an dem »Nestbauenden« Schaffen ihrer Frauen teilhaben und es beiden ein gemeinsames Ziel gibt, das zum größten Teil verlorenging, als die Aufgaben von Mann und Frau strikt - und fast bis zum Ausschluß des Mannes aus dem Familienleben voneinander getrennt wurden.
Ein Vergleich mit der Vergangenheit bringt jedoch noch eine weitere Ungleichheit zwischen dem heutigen Leben des Mannes und dem der Frau zutage. Unter den vorindustriellen Bedingungen waren Arbeit und Muße nicht so klar getrennt, wie sie es heute sind. Die Kinder wurden mit Märchen besänftigt, während die Hände sich am Webstuhl regten. Wenn der Vater Heu mähte, fand er dabei Zeit, seinen Sohn zu lehren, wie man Zinken in den Rechen setzt oder wie man die Stimmen verschiedener Vögel voneinander unterscheidet. Gewiß waren die Nächte dem Schlafen und Ausruhen vorbehalten; aber auch die Nachtruhe mußte unterbrochen werden, wenn gerade eine Kuh kalbte. Dieses Gleiten von einer Beschäftigung zur anderen, von der Arbeit zum Spiel und wieder zurück, ist der industriellen Welt vollkommen fremd. Aber es ist nach wie vor typisch für den Bereich des Haushalts. Eben dies macht alle Bemühungen illusorisch, die Hausarbeit etwa nach dem Zeitaufwand zu bemessen. Auch führt es zu ungerechten Vergleichen zwischen der Arbeitslast der Hausfrau und der anderer Menschen, die einer kontrollierten und geregelten 48-Stunden-Woche unterworfen sind - ein Vergleich, der gewöhnlich in beiderseitiger Unzufriedenheit endet. Ebenso können Männer - und natürlich auch solche Frauen, die im Erwerbsleben stehen - nur in ihren Hobbies dieser vorindustriellen Mischung von Arbeit und Muße, bei der man unmöglich sagen kann, wo die eine beginnt und die andere aufhört, teilhaftig werden.

Spezialisierung nach Altersgruppen

Ein wichtiges Merkmal des Lebens in der heutigen Gesellschaft scheint fast unbemerkt geblieben zu sein: die Teilung der Lebenszeit in mehr oder weniger klar abgegrenzte Phasen. Die Spezialisierung - heute ein Kennzeichen für alle Bezirke unserer Gesellschaft - greift auch im Leben jedes Individuums um sich und trennt eine Phase von der anderen. In jeder von ihnen übernimmt der einzelne eine verschiedene gesellschaftliche Aufgabe. Man kann sie die Ausbildungs-, Berufs- und Ruhestands-Phase nennen.
In der vorindustriellen Zeit war nicht nur das Ausmaß der Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Menschen geringer, sondern es waren auch die verschiedenen Perioden im Lebensablauf eines Menschen weniger klar durch besondere gesellschaftliche Funktionen gegeneinander abgegrenzt. Die Jugend war nicht so deutlich wie heute der Ausbildung vorbehalten; das Alter wurde nicht so eindeutig wie heute als eine Periode der Ruhe angesehen.
Auch das Leben der Frau nahm einen geradlinigeren Verlauf. Pflichten des Haushalts und ein umfassendes Pensum häuslicher Arbeiten füllten täglich viele Stunden aus, solange sie noch Kind war. Die Ausbildung fand im Hause statt. Das Eheleben war auf einer verantwortungsvolleren Ebene nur die Fortsetzung dessen, was die Frau in ihrem Elternhaus zu tun pflegte, natürlich trat die Mutterschaft hinzu. Schließlich kam der Tod, oft bevor sie die Fülle ihres Lebens erreicht hatte und nicht lange, nachdem die Kinder aufgehört hatten, ihre Fürsorge zu beanspruchen, gewiß aber höchst selten erst in einem so hohen Alter, daß sie weder auf diese noch auf jene Weise für kleine Hausarbeiten von Nutzen sein konnte.
Der Lebensablauf der unverheirateten Frau unterschied sich nicht sehr hiervon. Entsprechend der vorherrschenden Anschauung war auch für ihre Betätigung der Haushalt der natürliche Rahmen, ob es nun das Haus ihrer Eltern oder ihrer Verwandten war.
Heute sind an beiden Enden eines normalen Arbeitslebens zwei aufgabenmäßig verschiedene Perioden angehängt worden. Den daraus entstandenen Problemen wurde bis jetzt wenig Beachtung geschenkt.
Während die Arbeitsteilung ausgiebig untersucht worden ist, wurde der Verteilung der Arbeitskraft über eine normale Lebensspanne und den sich daraus ergebenden Problemen verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Sicher, es gibt besondere Zweige in der psychologischen und soziologischen Forschung, die sich allein mit dem Studium von Problemen beschäftigen, die mit der Ausbildungsperiode verbunden sind. Die Einführung von Altersrenten und die Festsetzung von Altersgrenzen für verschiedene Berufe haben ihrerseits soziologische und psychologische wie auch wirtschaftliche Probleme der Anpassung geschaffen, unter denen viele Gegenstand von ad-hoc-Lösungen gewesen sind. Wir haben eine neue Fachwissenschaft, die Gerontologie, die sich den medizinischen, psychologischen und soziologischen Problemen der alten Menschen widmet. Dennoch hat die Sozialpsychologie bis jetzt nicht die ganz allgemeine Frage der Stufenfolge im menschlichen Leben behandelt; insbesondere hat sie das außer acht gelassen, was man die Psychologie der »Nicht-Beteiligung« nennen könnte. Diese wäre in vieler Hinsicht ein lohnendes Forschungsobjekt. Neben anderem könnte sie ein neues Licht auf einige Aspekte der weiblichen Psychologie werfen.
Die Zeit wäre auch reif für eine systematische Untersuchung, wie verschieden sich die vorerwähnten gesellschaftlichen Veränderungen auf Männer und Frauen ausgewirkt und zu welcher großen Divergenz ihrer Lebensweisen sie geführt haben. Erst kürzlich hat man damit begonnen, diese Kluft zu überbrücken - eine Entwicklung, die das gesunde Anzeichen einer Erneuerung und als solches höchst willkommen ist.

Die Lebensabschnitte der Frau
bringen ein neues Problem mit sich

Die Frauenberufe sind natürlich ebenso wie die Männerberufe spezialisiert worden. In ihrer Jugend braucht die Frau heute zugunsten der Ausbildung nichts im Haushalt zu tun, und im Alter bleibt ihr die Verpflichtung zu produktiver Arbeit erspart. Es kommt aber hinzu, daß der mittlere Abschnitt ihres Lebens durch die Kluft, die heute zwischen dem Lebensstil der ledigen und dem der verheirateten Frau besteht, in zwei gänzlich verschiedene Perioden aufgespaltet worden ist. Durch mehr oder weniger viele Jahre vor der Ehe wird die Frau heute auf eine Lebensweise vorbereitet und festgelegt, die in bemerkenswertem Gegensatz zu dem Dasein steht, das die meisten Frauen wahrscheinlich später führen werden. Eine Minderheit setzt diese erste Periode ihr ganzes Leben hindurch fort. Die große Mehrheit jedoch erlebt nach der Eheschließung eine vollständige Umwandlung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe.

Erste Periode des Erwachsenenlebens

Zwischen Schulentlassung und Eheschließung durchlaufen die meisten Frauen eine Periode, in der sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen; sie dauert in den europäischen Ländern durchschnittlich fünf bis sieben, in den Vereinigten Staaten eher weniger Jahre. 82 vH aller ledigen Frauen zwischen fünfzehn und sechzig Jahren sind in England erwerbstätig. Der entsprechende Prozentsatz liegt in den USA bei 51 vH (dort beträgt das Durchschnittsalter bei der ersten Eheschließung 20,8 Jahre gegen 22,1 in Großbritannien, und überdies liegt das Schulentlassungsalter in den meisten Staaten mit 18 Jahren beträchtlich höher, so daß die Zeit zwischen Schulentlassung und Eheschließung in den USA wesentlich kürzer ist), in Schweden bei 75,9 vH (mittleres Heiratsalter lediger Frauen 26,1 Jahre) und in Frankreich bei 65,2 vH (mittleres Heiratsalter bei der ersten Eheschließung 22,9 Jahre).
Diese Periode zwischen Schulentlassung und Eheschließung hat zweifellos einen großen bildenden Einfluß auf die Persönlichkeit der Frau. Sie ist in dieser Zeit Kollegin des Mannes. Sie bekommt Kontakt mit dem Leben der Gemeinschaft, wird Mitglied von Verbänden und erlangt politische Reife - alles dies in gleicher Weise wie ihre männlichen Arbeitsgefährten. Sie erhält Freizeit als Ausgleich für ihre Arbeit und gewöhnt sich daran, frei über diese zu verfügen, ohne dabei von den Eltern schärfer überwacht zu werden als herangewachsene Jungen. Auch gelangt sie zu einem unabhängigen Verdienst und entwickelt die Gewohnheit, selbständig darüber zu verfügen.
Meistens erhält die Frau für diesen Lebensabschnitt auch ihre höhere Bildung und erwirbt ihre Kunstfertigkeiten oder ihre Fachausbildung. Vom Standpunkt der Gesellschaft aus bedeutet dies eine erhebliche Kapitalinvestition, selbst wenn in den meisten Ländern nur verhältnismäßig wenige Frauen bis heute in die Stätten einer höheren Ausbildung vorgedrungen sind. Tabelle 3 veranschaulicht das.
Während die Zahl der für die Grund- und Mittelschulen angemeldeten Mädchen und Jungen sich etwa die Waage hält, liegt der Anteil der Mädchen in höheren Schulen und den meisten Fachschulen noch weit unter dem der Jungen; immerhin hat der Anteil der Mädchen während der sechziger Jahre gegenüber den in Tabelle 3 genannten Zahlen zugenommen. In den Vereinigten Staaten waren 1962 bei den College-Anfängern 42 vH Studentinnen; zur gleichen Zeit gab es aber nur ein Drittel weibliche Kandidaten unter denjenigen, die ein Diplom-, Doktor- oder Staatsexamen ablegten. Nach dem Robbins-Bericht war 1961 in Großbritannien der Anteil der Mädchen an den Studienanfängern 40 vH; nimmt man alle höheren Bildungseinrichtungen, einschließlich Abendhochschulen und Fernstudium, zusammen, dann sind jedoch im gleichen Jahr nur 25,5 vH Mädchen unter den Studienanfängern. In Frankreich stieg der Anteil der Studentinnen an der Gesamtzahl der Studierenden im Jahre 1960 auf 40 vH, in Schweden 1962/63 auf 35 vH.

Nach Abschluß der Ausbildung folgt praktisch für jedes Mädchen eine Zeit, in der es berufstätig ist. Heute ist es geradezu zur Regel geworden, daß die Frau in die Welt der Arbeit geht, und ihr Recht, nahezu jeden Posten zu übernehmen, wird kaum angefochten. Ihre Beschränkung auf ungelernte Hausarbeit - entweder im Elternhause oder in einem fremden Haushalt - gehört schon der Vergangenheit an. Die meisten Frauen erhalten heute eine Berufsausbildung und können ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.
Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus leben diese Mädchen vor der Ehe das Leben eines Mannes, obwohl sie oft benachteiligt sind durch ungleiche Löhne und den noch schwerwiegenden Mangel an echten Aufstiegsmöglichkeiten. Bis jetzt kann man die meisten von ihnen wohl kaum als »Karrierefrauen« bezeichnen, da eine Berufslaufbahn noch immer weitgehend das Vorrecht des Mannes ist. Aber es kommt hinzu - und dies ist wirklich der Kernpunkt dieser Frage -, daß die meisten Mädchen gar nicht ihr Leben lang berufstätig bleiben wollen.

Zweite Periode des Erwachsenenlebens

Nach einer Periode der Berufstätigkeit gabelt sich der Weg. Die Gruppe von Frauen, die weiterhin im Erwerbsleben bleiben, besteht überwiegend aus solchen, die nicht heiraten. Ihre Zahl hat sich seit dem Krieg immer mehr verringert.
Die Volkszählungsergebnisse lassen nur ungenügend erkennen, wie viele Frauen heiraten, denn sie zeigen die Gliederung aller Frauen in Ledige und Verheiratete vom 14- oder 15. Lebensjahr an, so daß sie Altersgruppen unter dem normalen Heiratsalter einbeziehen, was die Zahlen sehr zu Gunsten der ledigen Frauen verschiebt. Trotzdem mögen sie hier angeführt werden, um Aufschluß über die Zahl der Frauen zu geben, die nach dem Verlassen der Schule unverheiratet sind:

Ein besseres Bild von der Heiratsrate gewinnt man aus einem Bericht der Royal Commission on Population, demzufolge 1947 in Großbritannien 83,5 vH aller Frauen im Alter von 45-54 Jahren verheiratet oder verheiratet gewesen waren.
Nachdem das Erwachsenenleben für die Frau mit ihrem Eintritt in den Arbeitsmarkt begonnen hatte, zieht sich die überwiegende Mehrheit bei der Familiengründung daraus zurück. Das Frauenproblem von heute ist nicht - wie es manchmal dargestellt wird - der Wunsch der verheirateten Frau, sich freizumachen, um einen Beruf auszuüben; die Frage ist vielmehr, ob die erwerbstätige Frau ihren Beruf aufgeben soll zugunsten der Hausarbeit. Diese Lage hat schwedische Frauenrechtlerinnen veranlaßt, den althergebrachten Kampfspruch von dem »Recht der verheirateten Frau auf Arbeit« umzukehren in das »Recht der arbeitenden Frau auf Heirat«.
Niemand wird ihr dieses Recht absprechen und ebensowenig ihr Recht - das manche Leute sogar für eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft halten - eine Familie zu gründen und zu betreuen.
Ernstlich ist jedoch die Frage zu prüfen: Wie lange sind häusliche Pflichten eine ausfüllende Beschäftigung innerhalb eines durchschnittlichen Ehelebens von 50 Jahren? Die meisten Frauen betrachten natürlich ihr Heim, sobald sie einmal verheiratet sind, als ihren Beruf, und nehmen jede damit verbundene Arbeit auf sich, von mühseliger Plackerei bis zu mehr oder weniger notwendiger Ausschmückung.
Eine Frau, die den Haushalt in traditioneller Weise als ihren eigentlichen Beruf ansieht, wird kaum zugeben, daß ihre ständige Anwesenheit im Hause nur während der Periode »aktiver Mutterschaft« erforderlich ist. Wie verhält es sich nun mit dem Zeitaufwand für die Hausarbeit, soweit er meßbar ist?

Die Arbeitszeit der Hausfrau

Tarras Saellfors, ein führender schwedischer Rationalisierungs-Experte, stellte die wirklich erschreckende Berechnung an, daß in Schweden jährlich 2,340 Mill. Arbeitsstunden für Einkaufen, Kochen und Spülen aufgewandt werden, während die schwedische Industrie vergleichsweise nur 1,290 Mill. Stunden braucht. Allein mit Spülen, einer der am wenigsten erfreulichen oder produktiven Hausarbeiten, werden täglich 1 1/2 Millionen Stunden zugebracht. Daraus ist leicht zu erkennen, welch großen Fortschritt die Rationalisierung der Hausarbeit bedeuten würde.
Die meisten Untersuchungen, die es über die Arbeitszeit der Hausfrau gibt, machen leider keinen Unterschied zwischen der Periode »aktiver Mutterschaft« und den anderen Jahren. Noch weniger unterscheiden sie zwischen unbedingt notwendiger Arbeit und reiner Beschäftigung; hier ist es natürlich sehr schwierig, eine Grenze zu ziehen. Auch ließe sich einwenden, daß ja die Hausfrau die im Haushalt gewonnene Zeit nicht für andere produktive Arbeit verwenden würde, so daß sie viele zeitraubende Arbeiten genausogut zu Hause verrichten vermag, auch wenn diese anderwärts wirtschaftlicher und mindestens ebenso befriedigend ausgeführt werden könnten.
Die nach unserer Ansicht interessanteste Erhebung über die Arbeitszeit der Hausfrau wurde 1947 von dem französischen Institut national d'études démographiques durchgeführt.[1] Man wollte ermitteln, wie viele Arbeitsstunden es eine Mutter kostet, Kinder aufzuziehen. Diese Untersuchung ist für uns von besonderem Interesse - erstens, weil sie zwischen der Arbeitswoche einer kinderlosen, verheirateten Frau und Müttern mit einem, zwei, drei und mehr Kindern unterscheidet, und zweitens, weil sie die Hausarbeitszeit von Voll-Hausfrauen und die von verheirateten Frauen mit außerhäuslicher Berufsarbeit vergleicht. Die Erhebung erstreckte sich auf 1795 verheiratete Frauen unter 47 Jahren in französischen Städten mit über 5000 Einwohnern.
Dieser Untersuchung zufolge schwankt die Arbeitswoche von verheirateten Frauen zwischen 47 und 74 Stunden, je nach Anzahl der Kinder. Die durchschnittliche Hausarbeitszeit einschließlich des Zeitaufwandes von bezahlten Hilfskräften und gelegentlich helfenden Familienmitgliedern - betrug in kinderlosen Familien 61 Wochenstunden. Hierzu kommen 18 Stunden pro Woche bei einem Kind, 28 Stunden pro Woche bei zwei und 39 Stunden pro Woche bei drei und mehr Kindern.
Verheiratete Frauen mit außerhäuslicher Berufsarbeit verringern ihre Hausarbeitszeit um 10 Wochenstunden, sofern sie kinderlos sind, und bis zu 30 Wochenstunden, wenn sie Kinder haben - verglichen mit Voll-Hausfrauen bei entsprechender Kinderzahl. In der folgenden Tabelle stellt M. Stoetzel die Arbeitszeit von Voll-Hausfrauen und von verheirateten erwerbstätigen Frauen einander gegenüber:

Diese Tabelle zeigt als interessantestes Ergebnis, daß die Arbeitszeit der verheirateten berufstätigen Frauen von mehr als 8o Stunden pro Woche nur um 6-8 Stunden pro Woche über der Arbeitszeit der Voll-Hausfrauen mit Kindern liegt, was etwa einer Stunde pro Tag entspricht. Was in dieser einen zusätzlichen Stunde täglich geleistet wird, übertrifft an Produktivität bei weitem die gemachten Anstrengungen.
Unter den maßgebenden Forschungsarbeiten in den USA ist eine der bekanntesten Untersuchungen der Bericht von Bryn Mawer: Women during the War and after (1945), der die Familien in vier typische Gruppen gliedert. Er ermittelt je Haushalt den folgenden Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Arbeiten:

  • 60,55 Stunden pro Woche in bäuerlichen Familien
  • 64,09 Stunden pro Woche in nicht-bäuerlichen, ländlichen Haushalten
  • 78,35 Stunden pro Woche in städtischen Haushalten, in Städten mit weniger als 100 000 Einwohnern
  • 80,57 Stunden pro Woche in Haushalten in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern.

Entgegen der allgemeinen Vermutung liegt die aufgewandte Hausarbeitszeit im städtischen Haushalt erheblich höher als im Landhaushalt, obwohl die Hausfrau in der Stadt über weit größere Arbeitserleichterungen verfügt. Das ist teils auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Städte schmutziger sind und deshalb mehr Zeit zum Putzen und Waschen benötigt wird, teils darauf, daß normalerweise mehr Räume benutzt werden. Auch zum Einkaufen und zur Versorgung der Kinder wird mehr Zeit gebraucht. Der Bericht bemerkt ausdrücklich: »Wenn mit wachsendem Lebensstandard mehr Geräte und Dienstleistungen Eingang in den Haushalt finden, neigen die Frauen dazu, mehr Zeit auf ihre häuslichen Pflichten zu verwenden.«
Nach einer britischen Untersuchung von 1951 bringt eine Arbeiterfrau in einer Londoner Vorstadt durchschnittlich 71 Stunden in der Woche mit Hausarbeit zu, wobei der höchste Zeitanteil in Verbindung mit den Mahlzeiten steht, nämlich ein Viertel der täglichen Hausarbeitszeit. Diese Zahl ist etwas überhöht, da in der Gruppe »Beschäftigung mit Mahlzeiten« auch die Zeit des Essens - neben der eigentlichen Zubereitung - enthalten ist; ebenso wird die Zeit für die persönliche Körperpflege unter »Hausarbeit« mitgezählt. Beides würde bei einer gleichen Erhebung über den Arbeitstag eines Mannes oder einer Büroangestellten nicht einbegriffen sein. Trotzdem läßt sich von der Hausfrauenarbeit noch immer sagen, daß sie viel zeitraubender ist als fast jede andere Arbeit, selbst wenn sie gemächlicher abläuft. Der Bericht sagt deshalb auch: »Stellt die auf ihr Heim beschränkte Frau Vergleiche an, dann verspricht ihr das strenge Büro- und Fabrikleben die Flucht in eine der Hausfrau weitgehend versagte Außenwelt und den Kontakt mit dieser, was für sie den ganzen Zauber und das Geheimnis des Unerreichbaren besitzt.«
Nehmen wir es also als Tatsache hin, daß eine Hausfrau mit Kindern im Durchschnitt wenigstens 60 Stunden in der Woche, und oft mehr, mit den verschiedensten Hausarbeiten verbringt. Die Frage bleibt jedoch, ob dieser ganze Arbeitsaufwand wirklich notwendig ist, oder ob nicht bei besserer Planung seitens des einzelnen oder der Gesellschaft die Zahl der Stunden wesentlich und ohne Schaden für den Haushalt herabgesetzt werden könnte.
Obwohl sie es beklagen, sind die meisten Hausfrauen im Grunde stolz darauf, daß »die Arbeit einer Frau nie getan ist«. Aber die meiste Arbeit ist »nie getan«, wenn man ihr nicht an irgendeiner Stelle einen Endpunkt setzt. Auch der Büroangestellte, der seinen Schreibtisch verläßt, der Krämer, der seinen Laden schließt, der Arbeiter, der sein Werkzeug am Ende eines Achtstundentages aus der Hand legt sie alle sind in der Regel mit ihrer Arbeit nicht fertig. Sie brechen die Arbeit ab und verschieben sie auf den nächsten Tag. Eine solche Disziplin ist natürlich viel leichter einzuhalten, wenn Heim und Arbeitsplatz getrennt sind und man die unbeendete Arbeit nicht ständig vor Augen hat. Das Verlangen nach einem Achtstundentag wurde erst nach der industriellen Revolution laut und hätte nicht aufkommen können, solange Werkstatt und Heim eine Einheit bildeten. Er gilt noch heute nicht für Selbständige, Künstler, Ärzte und viele Ein-Mann-Betriebe.
Die Hausfrau, deren Heim zugleich ihre Werkstatt ist, befindet sich in dieser wie in mancher anderen Hinsicht noch in der vorindustriellen Zeit. Die Lage wird jedoch heute dadurch erschwert, daß die Hausfrau in einer Welt lebt, in der die meiste andere Arbeit in Acht-Stunden-Schichten und in 5 bis 5 1/2 Tagen wöchentlich getan wird, worauf die Freizeitgestaltung entsprechend abgestellt ist. Kein Wunder daher, daß die Hausfrauen sich benachteiligt fühlen, zumal ihre Arbeitsspitzen zum Teil in die Zeit fallen, zu der andere Leute mit geregelter Arbeitszeit ihre Freizeit genießen.
Die modernen arbeitssparenden Einrichtungen und Geräte haben eher dazu beigetragen, die Qualität der Hausarbeit zu heben, als die darauf verwandte Zeit zu verkürzen. Diese Tatsache scheint die Ansicht zu stützen, daß das Problem der »Haushaltsplackerei« zumindest teilweise ein psychologisches Problem ist. Hausarbeit kann fast unbegrenzt ausgedehnt werden, und es gibt genügend Grund, um die Vermutung zu rechtfertigen, daß Hausfrauen sie oft genug unbewußt ausdehnen, um ein inneres Gefühl der Leere durch den augenfälligen Beweis, daß sie vollbeschäftigt und unentbehrlich sind, zu beschwichtigen.

Dritte Periode des Erwachsenenlebens

Psychologisch wie wirtschaftlich erhebt sich die äußerst wichtige Frage: Was geschieht, wenn die Frauen in ihren vierziger Jahren den Zeitpunkt erreichen, der für die meisten von ihnen den »Ruhestand« nach der Zeit der aktiven Mutterschaft bedeutet? Zu dieser Zeit werden ihre Kinder soweit herangewachsen sein, daß sie nicht länger die volle Aufmerksamkeit der Mutter benötigen; vielfach werden sie auch das Haus verlassen haben. Vielleicht haben nur die an Statistik interessierten Menschen einen Widerspruch darin bemerkt, daß die Frau - die gerade heute ihre Jugend und Gesundheit länger denn je zu bewahren weiß gleichzeitig daran denken sollte, sich soviel früher »zur Ruhe zu setzen«.
Dieser Zustand verringerter Betätigung wird von den Frauen selbst im allgemeinen nicht als Ruhestand empfunden. Es gibt keinen schroffen Abbruch der Gewohnheiten, kein Aufhören der Beschäftigung, nur ein allgemeines Nachlassen des Arbeitsdrucks, eine kaum wahrnehmbare Gewichtsverlagerung von einer häuslichen Beschäftigung auf eine andere weniger Stopfen und Kochen als bisher, aber mehr Strickarbeiten.
Dennoch durchleben viele Frauen ein Stadium heftiger Gemütskrisen, wenn sie den Zeitpunkt erreichen, da ihre Kinder unabhängig geworden sind. Nach langen Ehejahren, in denen sich ihre Männer daran gewöhnen mußten, ein wenig im Hintergrund zu stehen, taugen sie nicht mehr dazu, plötzlich der Mittelpunkt der weiblichen Fürsorge und Aufopferung zu sein. Margaret Mead hat ein düsteres Bild dieser Situation gezeichnet.[2] »Eines Tages, wenn sie noch immer eine junge Frau ist, wird sie sich an einem Frühstückstisch finden mit nur einem Gesicht gegenüber, dem ihres Mannes, und sie wird allein sein, ganz allein in ihrem eigenen Heim. Sie ist ohne eine Aufgabe; ihre Hauptrechtfertigung, die Arbeit, für die sie >alles aufgab<, ist nicht mehr vorhanden, und doch hat sie noch zwei, vielleicht drei Mahlzeiten täglich zuzubereiten, die Haustür zu öffnen und die Wohnung zu säubern. Aber das Essen ist oft nur für zwei zu richten, und die Fußböden haben es nicht nötig, so oft geputzt zu werden, weil keine Kinderfüße mehr darüberlaufen. Sie ist nicht gänzlich ohne Arbeit, aber sie ist ausrangiert, auf den Boden hinaufbefördert; man hat sie auf einen jener Abstellplätze abgeschoben, mit denen große Organisationen, deren Mitarbeiter wohlerworbene Rechte haben, gegenüber einem Angestellten - falls er für die Pensionierung noch zu jung ist - die Tatsache zu verbergen suchen, daß er eigentlich in den Ruhestand gehört.«
Unter solchen Umständen werden nicht wenige Frauen von einem Gefühl der Leere und der Zwecklosigkeit befallen, auf das sie je nach Temperament und Anlage verschieden reagieren. Ob sie nun nörgelig und mißvergnügt werden, ob sie einen Nervenzusammenbruch bekommen, oder ob sie ein Ventil finden im Bridge oder Golfspiel, im Besuchemachen und Einkaufen, ob sie ihre Tatkraft örtlicher karitativer Tätigkeit, oder in seltenen Fällen der Politik oder künstlerischem Schaffen widmen -, der eigentliche Grund dieser und anderer Veränderungen ist, daß sie in der Mitte ihres Lebens, im Vollbesitz ihrer Leistungsfähigkeit, am Ende ihrer selbstgewählten »Laufbahn« angelangt sind.

Neuer Anfang mit 40 Jahren

Viele Frauen halten sich für zu alt, um mit 40 Jahren neu anzufangen. Verschiedene gesellschaftliche Einflüsse wirken der Vorstellung entgegen, man könnte in diesem Lebensabschnitt einen neuen Beruf beginnen. Voran steht das Fehlen passender Gelegenheiten oder der Mangel an einer entsprechenden Berufsausbildung, sowie an Möglichkeiten für die »Nachschulung von Müttern a. D.«, wie Margaret Cole es genannt hat. Ferner ist da besonders in kleineren Orten - der Druck gesellschaftlicher Vorurteile, unter dem die arbeitende Frau und ihre Familie an Ansehen verlieren. Schließlich ist im Denken der Frauen selbst noch immer das traditionelle Vorurteil lebendig, das sie glauben läßt, sie seien viel älter und viel weniger leistungsfähig, als sie es in Wirklichkeit sind.
In Fällen persönlicher oder nationaler Not werden aber alle diese Erwägungen gewöhnlich gegenstandslos. Der Verlust ihrer Männer, Wirtschaftskrisen, der Druck fehlender Arbeitskräfte oder politische Umwälzungen haben zahllose verheiratete Frauen mittleren Alters, mit oder ohne frühere Ausbildung, zum Ernährer ihrer Familie gemacht, und zwar zu einer Zeit, die wir die dritte Periode des Erwachsenenlebens genannt haben.
Frauen, die vor langer Zeit ihren Beruf aufgegeben hatten, fühlten sich unter dem Druck des Krieges gedrängt, ihre frühere Berufserfahrung dem Vaterland zur Verfügung zu stellen. Andere, die nie eine Berufsausbildung genossen hatten, waren trotzdem davon überzeugt, daß ihre Energie und ihre Intelligenz bei den Kriegsanstrengungen von Nutzen sein könnten. Unter den vielen Tausenden von Flüchtlingen, die die Naziverfolgung über die ganze Welt verstreute, waren es gewöhnlich die Frauen, die mit den neuen Verhältnissen besser fertig wurden als die Männer. Manche Frauen von über 40 Jahren aus dem Mittelstand, die nie zuvor in ihrem Leben außerhäuslich gearbeitet hatten, erlernten ein neues Handwerk oder Gewerbe und erhielten unverdrossen nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Männer, die ohne ihren Beruf und die gewohnte Umgebung entwurzelt waren und nicht so leicht unter veränderten Bedingungen wieder Fuß fassen konnten.
Die Arbeitsmarktstatistik zeigt, daß der Anteil der Witwen und geschiedenen Frauen an den Arbeitskräften beträchtlich höher ist als der der verheirateten erwerbstätigen Frauen. Allein diese Tatsache beweist hinreichend, daß - ganz abgesehen von nationalen Notständen viele Frauen später unter Druck von Ereignissen, die außerhalb ihrer Einwirkung liegen und im Gegensatz zu ihren Erwartungen stehen, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen.
Aus all diesen Beispielen ist ersichtlich, daß die Rückkehr verheirateter Frauen auf den Arbeitsmarkt in ihrem späteren Leben unter außergewöhnlichen Umständen möglich war. Häufig ist die Frau dabei erfolgreich gewesen, wenngleich sie nur auf gut Glück improvisierte.
Wenn es im Notfall geht, warum bereiten wir uns nicht darauf vor? - so möchte man fragen. Warum müssen wir warten, bis das Schicksal uns unversehens ereilt?
Diese und ähnliche praktische Überlegungen haben in den letzten Jahren bei der jüngeren Frauengeneration zunehmend an Bedeutung gewonnen - selbst wenn die Mehrheit immer noch dazu neigt, eher an den augenblicklichen Nutzen zu denken, als auf lange Sicht zu planen.
Immerhin sind ein paar wichtige neue Faktoren in Erscheinung getreten. Unter diesen stehen an allererster Stelle 1. die Knappheit an hochqualifizierten Fachkräften in allen Industrieländern, vor allem in den Dienstleistungsberufen, und 2. die Tatsache, daß der Erwerb von beruflichen Qualifikationen einen unmittelbaren Nutzen erbringt in Form von höheren Einkommen, gehobenerem Sozialstatus und besseren Aufstiegschancen.
Infolgedessen - und weil der Glaube an >gleiche Bildungschancen< allgemein wächst unterziehen sich immer mehr junge Frauen einer abgeschlossenen Berufs- oder Fachausbildung, gleich ob sie damit den Gedanken an eine Berufsausübung verbinden oder nicht.
Ihre Ausbildung gibt ihnen nicht nur eine bessere Chance, in späteren Jahren, sofern sie wollen, eine angemessene und interessante Stellung zu finden (auch wenn diese Folgen nicht vorbedacht sein mögen), sie drängt auch viele von ihnen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verkümmern zu lassen.
So ist es charakteristisch für das letzte Jahrzehnt gewesen, daß eine ständig wachsende Zahl verheirateter Frauen von vierzig Jahren und darüber in das Erwerbsleben zurückkehrt, vor allem auch in gehobene Berufe. Diese Entwicklung wird wahrscheinlich weitergehen und noch anwachsen, da immer mehr Generationen beruflich ausgebildeter Frauen ein vorgeschrittenes Alter erreichen und traditionelle Vorurteile - die schon dahinschwinden am Ende vergehen.