Faßt man die im 2. Kapitel dargelegten Gedanken in dem einen Satz zusammen »Frauen sind gefragt«, so heißt das entsprechende Motto des 3. Kapitels »Frauen stehen zur Verfügung«. Natürlich arbeiten aber auch viele Frauen bereits und haben schon lange gearbeitet.
Im 19. Jahrhundert war die Beschäftigung von ledigen und verheirateten Frauen in der Industrie weitverbreitet. Bei steigenden Löhnen und wachsendem Lebensstandard brauchen heute weit weniger Arbeiterfrauen nach ihrer Verheiratung arbeiten zu gehen, nur um den nötigen Unterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen. Dennoch wächst die Zahl von Frauen in Fachberufen, ebenso wie die verheirateter Frauen, die ihre Tätigkeit beibehalten, ohne dazu aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen zu sein. Diese beiden Vorgänge haben gemeinsam bewirkt, daß der gegenwärtige Anteil der Frauen am Erwerbsleben konstanter geblieben ist, als man erwartet hätte. Gleichwohl ist diese Entwicklung jüngeren Datums und kann auf die Richtung hinweisen, in der sich die Beschäftigung von Frauen wahrscheinlich bewegen wird.
Wie sieht die Lage heute im Bereich der weiblichen Erwerbstätigkeit aus? Eine Untersuchung der gesellschaftlichen Entwicklung in einigen westlichen Ländern verrät schon in nüchternen Zahlen bedeutsame nationale Unterschiede, aus denen sich nützliche Lehren ableiten lassen.
Jene Leser, die Statistiken langweilen, überspringen besser dieses Kapitel. Diejenigen jedoch, die sich ein objektives Bild machen möchten, werden es der Mühe wert finden, die Ähnlichkeiten wie auch die Unterschiede in der Entwicklung und Struktur der weiblichen Erwerbstätigkeit in den einzelnen Ländern näher zu betrachten.
Schwierigkeiten internationaler Vergleiche
Der Versuch, soziologische Zahlen aus verschiedenen Ländern zu vergleichen, wird durch eine Reihe von Schwierigkeiten gehemmt. Jedes Land hat andere Methoden für statistische Erhebungen, und überdies schwanken die jeweils letzten Termine, von denen Zahlen verfügbar sind, recht erheblich in den einzelnen Ländern. In unserer sich schnell wandelnden Zeit sind Erhebungen, die im Abstand von vier oder fünf Jahren vorgenommen wurden, nicht eigentlich vergleichbar; trotzdem müssen wir solche Zahlen oft aus Mangel an besseren nebeneinander stellen.
Einige Beispiele mögen dazu dienen, die verschiedenen Schwierigkeiten beim Auffinden eines gemeinsamen Nenners zu erläutern:
Britische und amerikanische Zahlen weisen in der Gruppe »Anteil der weiblichen Erwerbspersonen« nur die Frauen im arbeitsfähigen Alter aus, also von 15-60 bzw. 15-65 Jahren. Französische Zählungen beziehen dagegen meist die Rate der weiblichen Erwerbstätigkeit auf die Gesamtzahl der Frauen jeden Alters von der Geburt bis zum Tode in welchem Falle der Anteil der erwerbstätigen Frauen unverhältnismäßig niedrig ist (22vH) -, oder auf die Gesamtzahl aller Frauen von 14 Jahren und darüber, ohne obere Altersgrenze.
Ein richtigeres Bild vom Anteil der Frauen am Erwerbsleben in Frankreich erhält man, wenn man die Zahl der erwerbstätigen Frauen mit der Gesamtzahl der erwerbstätigen Bevölkerung, anstatt mit der Gesamtzahl der weiblichen Bevölkerung vergleicht. Der Anteil der Frauen liegt dann ganz erheblich höher, nämlich bei 35 vH der erwerbstätigen Bevölkerung.
Die Zahl ist aber wiederum nicht vergleichbar mit amerikanischen, britischen oder schwedischen Zahlen, da sie den relativ hohen Prozentsatz der in der französischen Landwirtschaft arbeitenden Frauen nicht mit einbezieht. Während andere Länder bei ihrer Arbeitskräfte-Statistik im allgemeinen keinen Unterschied zwischen den in der Landwirtschaft und den anderweitig Beschäftigten machen, ist dies in Frankreich notwendig geworden, da alle Ehefrauen von Bauern automatisch in der Gruppe chefs d'établissements als beschäftigt gezählt werden. Obwohl natürlich eine große Anzahl dieser Frauen im landwirtschaftlichen Betrieb wirklich arbeitet, hat man es für besser gehalten, sie als eine besondere Gruppe zu behandeln und in der Arbeitskräfte-Statistik nur die Frauen in nicht-landwirtschaftlichen Berufen zu führen, die tatsächlich als beschäftigt gemeldet sind.
Wenn man jedoch alle diese Einschränkungen in Betracht zieht, ist es immerhin möglich, vorsichtige Vergleiche, denen Volkszählungsergebnisse und Arbeitskräfte-Statistiken zugrunde liegen, zwischen der Arbeitsmarktlage in verschiedenen Ländern anzustellen.
Unterschiedliche Entwicklung
Der gegenwärtige Stand der weiblichen Erwerbstätigkeit ist in den vier Ländern, mit denen sich diese Untersuchung befaßt, nicht sehr verschieden. In allen stellen die Frauen heute mit geringen Abweichungen ungefähr ein Drittel aller Arbeitskräfte. Die geschichtliche Entwicklung und die Tradition sind jedoch in jedem dieser Länder anders. Diese Tatsache geht aus der nachfolgenden grafischen Darstellung hervor, die die langfristige Entwicklungstendenz seit der Jahrhundertwende zeigt:
Die beiden Extremfälle sind Frankreich auf der einen und die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite. Während in Frankreich die Frauen schon seit der ersten Volkszählung ständig ein gutes Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung ausmachten, ist in den USA der Anteil der Frauen an den Arbeitskräften insgesamt stetig gestiegen (ungeachtet zeitweiliger Schwankungen), obgleich der Ausgangspunkt wesentlich niedriger lag (von 15 vH im Jahre 1870 ansteigend bis 32 vH im Jahre 1960). In Schweden verlief die Entwicklung ähnlich; abgesehen von einem Rückgang während und unmittelbar nach dem Kriege, stieg der Anteil erwerbstätiger Frauen von 27,4 vH im Jahre 1930 auf 30,2 vH 1960, und er lag 1965 bei 38 vH.
Die lange Tradition der Erwerbsarbeit unter französischen Frauen ist eine bekannte Tatsache, und man erwartet deshalb, daß der Anteil der Frauen an den französischen Arbeitskräften über viele Jahrzehnte unverändert hoch geblieben ist. Viele werden jedoch überrascht sein, daß auch in Großbritannien die Zahl der erwerbstätigen Frauen ziemlich konstant blieb, wenn sie auch etwas niedriger als in Frankreich liegt. Hier scheint die feste und relativ hohe Quote der erwerbstätigen Frauen auf die frühe Industrialisierung zurückgehen, die zahlreiche Frauen in die Spinnereien und Fabriken zog. Allgemein wird angenommen, daß heutzutage viel mehr Frauen in Großbritannien im Erwerbsleben stehen als früher, weil es die unverheirateten Töchter, die zu Hause herumsitzen und auf einen Mann warten, nicht mehr gibt.
Aber diese auffällige Veränderung gilt nur für den Mittelstand, und obwohl die Mädchen dieser gutbürgerlichen Kreise des 19. Jahrhunderts Stoff für viele Romane abgaben, war ihre Zahl im Vergleich zu der Gesamtbevölkerung doch verhältnismäßig klein. Ihre modernen Schwestern sind erwerbstätig (oft in hochqualifizierten und verantwortlichen Stellungen), und man könnte einen steilen Anstieg des Prozentsatzes der weiblichen Beschäftigten von heute erwarten. Daß dieser Anteil in Wirklichkeit nicht erheblich gestiegen ist, zeigt die vorhergehende grafische Darstellung deutlich. Der täuschende Eindruck entsteht durch die Ausweitung des Mittelstandes, der heute breite Schichten umfaßt, die früher nicht zu ihm gehörten.
FRANKREICH
Struktur und Zusammensetzung der weiblichen Arbeitskräfte
Wie schon erwähnt, haben die Frauen in Frankreich seit jeher einen beträchtlichen Teil der Arbeitskräfte gestellt. Mit geringen Abweichungen zeigte jede Volkszählung seit 1866, daß die Frauen gut ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung ausmachen. Für unser Jahrhundert bringt die Tabelle die folgenden Zahlen:
Der Rückgang zwischen 1946 und 1962 beruht auf einer Abnahme der weiblichen Beschäftigten in der Landwirtschaft. in nichtlandwirtschaftlichen Erwerbszweigen ist der Anteil der Frauen seit 1906 mehr oder weniger konstant geblieben.
Die Struktur und die Zusammensetzung der weiblichen Arbeitskräfte in Frankreich hat sich natürlich während dieser Jahrzehnte verändert, trotz der relativ gleichbleibenden Gesamtzahlen.
Die Erwerbsquote aller Frauen (d. i. der Anteil aller erwerbstätigen Frauen) in den nichtlandwirtschaftlichen Erwerbszweigen betrug 22 vH im Jahre 1906, 21,9 vH 1946 und 22,1 vH 1962. (Die vergleichbaren Erwerbsquoten von Frauen über 14 Jahren lauteten jeweils 22,1, 28,4 und 29,3 vH.) Es hat jedoch ein sehr ausgeprägter Rückgang der weiblichen Arbeitskräfte auf dem Lande stattgefunden, sowohl nach ihrer absoluten Zahl, als auch im Verhältnis zu allen in der Landwirtschaft beschäftigten Personen. Dies - zusammen mit den erwähnten Erhebungsschwierigkeiten bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung - hat zu einer Abnahme der Erwerbsquote von Frauen über 14 Jahren insgesamt geführt, und zwar von 39 vH im Jahre 1906 auf 36,3 vH im Jahre 1962, mit verschiedenen Schwankungen in den dazwischenliegenden Jahren. Da die Landwirtschaft in Frankreich ein Wirtschaftszweig ist, der noch immer eine beträchtliche Anzahl Frauen beschäftigt, die in den vorstehenden Zahlen nicht enthalten sind, ist es klar, daß der Anteil der französischen Frauen am wirtschaftlichen Leben des Landes größer als in jedem anderen westlichen Land ist.
Die in der Landwirtschaft tätigen Frauen werden jedoch nicht in gleicher Weise von den Problemen berührt, die für unsere Industriegesellschaft typisch sind, und die sich aus der Trennung von Heim und Arbeitsplatz ergeben. Daher kann dieser Teil der arbeitenden Frauen bei unserer Untersuchung ruhig unberücksichtigt bleiben, ohne daß dadurch unser Thema in seinen Grundzügen betroffen wird.
Wie in anderen Ländern hat auch in Frankreich die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen seit dem 2. Weltkrieg ständig zugenommen.
Untersucht man dagegen verschiedene Altersgruppen einzeln, dann machen die verheirateten Frauen fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen zwischen 20 und 29 Jahren aus, ferner mehr als 60 vH aller erwerbstätigen Frauen zwischen 30 und 39 Jahren, und gut die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen zwischen 40 und 49 Jahren.
Sehr interessant ist die Feststellung, daß der Anteil der verheirateten erwerbstätigen Frauen in den verschiedenen sozialen Schichten nur wenig schwankt. Dies zeigt die folgende Tabelle, der Zahlen über die Erwerbstätigkeit vom Dezember 1951 zugrunde liegen, und in der die verheirateten Frauen nach der Stellung ihrer Ehemänner im Beruf und nach der Zahl ihrer Kinder eingeordnet werden.
Man kann wohl annehmen, daß erwerbstätige Ehefrauen von Akademikern häufig selbst Akademikerinnen sind, und es ist bemerkenswert, wie wenig sie in der Ausübung ihres Berufes durch die jeweilige Größe ihrer Familie beeinflußt werden.
Es besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und der Erwerbsquote von Frauen, der hier von Bedeutung sein kann. in Jahre 1954 waren 41,4 vH aller im Alter von 15 bis 65 Jahre stehenden Frauen mit Volksschulbildung erwerbstätig; dagegen lag der Anteil von Frauen mit baccalaureat (dem Abitur vergleichbar) bei 64,6 vH. Bei den Universitätsabsolventinnen waren 77,4 vH der Frauen mit geisteswissenschaftlichen und 75 vH derjenigen mit natur- und ingenieurwissenschaftlichen Examina erwerbstätig; und unter den Frauen mit einem Abschluß als ärztliche Hilfskräfte oder als Wohlfahrtspfleger erreichte der Anteil der Erwerbstätigen sogar die Höhe von 82,4 vH.[2]
Strukturelle Veränderungen
Auf dem weiblichen Arbeitsmarkt (ausgenommen landwirtschaftliche Berufe) haben sehr bemerkenswerte strukturelle Veränderungen stattgefunden. Die Bewegung hat fort von Industriearbeiten und häuslichen Diensten zu einer stärkeren Beschäftigung im Handel und in freien Berufen geführt. Während sich nämlich der Anteil der Frauen in den freien Berufen seit dem Jahre 1906 mehr als verdoppelte und in den kaufmännischen Berufen innerhalb dieser Zeit um fast die Hälfte stieg, verringerte sich der Anteil der in der Industrie beschäftigten Frauen inzwischen um gut ein Viertel, wie aus Tabelle 9 zu ersehen ist.
Obwohl sich während dieser Zeit ähnliche Entwicklungstendenzen auch unter den männlichen Erwerbspersonen bemerkbar machten, war die Umschichtung bei den Frauen viel stärker ausgeprägt. Während beispielsweise 1906 der Anteil der in der Industrie beschäftigten Frauen im Vergleich zu den Männern 1.2 war, betrug er im Jahre 1954 1:3,5. Im Handel hat sich dagegen die Beschäftigungsrate der Frauen gegenüber den Männern in der gleichen Zeit von etwa 1:2 auf etwa 1:1 verschoben; schließlich stieg auch in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst der Anteil der Frauen von 1:4 auf 1:1,7.
Obschon der Anteil der verheirateten Frauen an der Gesamtzahl der erwerbstätigen Frauen leicht anstieg, war ihre Zunahme in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst besonders augenfällig. Von den erwerbstätigen Frauen dieser Berufszweige waren im Jahre 1906 22,5 vH verheiratet; 1936 waren es schon 30,4vH und 1946 ungefähr 32,5 vH. Tatsächlich hat sich die Zahl der verheirateten Frauen in den freien Berufen und im öffentlichen Dienst seit 1906 verdreifacht.
Eine mit dieser graphischen Darstellung zusammenhängende Tatsache wird offenbar, wenn man die Beschäftigungszahlen nicht nach den großen Berufsgruppen, sondern nach der sozialen Stellung innerhalb dieser Gruppen aufgliedert. Die Zahl der weiblichen Lohnempfänger (ouviéres) sank zwischen 1906 und 1962 auf die Hälfte (von über 3 Mill. auf 1,5 Mill.),[3] während die Zahl der weiblichen Angestellten von 344 000 auf 1403 000 anstieg. Der Anteil der ersteren an der Gesamtzahl erwerbstätiger Frauen ging von 35,6 vH im Jahre 1906 auf 23 vH 1962 zurück; dagegen stieg der Anteil der letzteren von 3,7 vH auf 21,3 vH. In den freien Berufen hatte man 1906 keine Zahlen für Frauen erhoben; jetzt beträgt ihr Anteil an den weiblichen Arbeitskräften - ohne Landwirtschaft 14 vH. Die Zunahme der Angestellten erfolgte hauptsächlich auf Kosten der kleinen selbständigen Unternehmer und in gewissem Maße auch auf Kosten der Hausangestellten. Die Zahl der selbständigen entrepeneurs verringerte sich in der Zeit von 1906 bis 1946 von 1 560 000 auf 830 000 (d. h. von 35,9 vH aller erwerbstätigen Frauen auf nur 19 vH), die der Hausangestellten von 759 000 auf 628 000 (d. h. von 17,4 vH auf 14,3 vH aller erwerbstätigen Frauen). Seither ist die Entwicklung in derselben Richtung weitergegangen, aber durch eine neue statistische Methode für die Klassifizierung von Berufsgruppen ist es nicht möglich, vergleichbare Zahlen für die Zeit nach 1946 anzugeben.[4] Der Rückgang in der Zahl der kleinen selbständigen Geschäftsleute und in der Heimindustrie ist natürlich keine die weibliche Berufsarbeit besonders kennzeichnende Erscheinung, sondern ein typisches Merkmal für die fortschreitende Industrialisierung.
Diese Zahlen geben lediglich einen groben Umriß. Sie erhellen hauptsächlich die Tatsache, daß die Erwerbstätigkeit der Frauen, unabhängig von strukturellen Verschiebungen in der Zusammensetzung der weiblichen Arbeitskräfte, in Frankreich eine viel ältere Tradition hat als in den meisten anderen westlichen Ländern, viel älter sogar, als in der ganzen übrigen Welt. Ohne viel beachtet zu werden oder gar Erörterungen auszulösen, hielt die weibliche Erwerbstätigkeit in Frankreich eine Höhe, wie sie in anderen Ländern nur unter dem Druck der Aufrüstung und des Arbeitskräftemangels erreicht wurde, nachdem die Emanzipation der Frau eine feststehende Tatsache geworden war.
Um ein vollständiges, abgerundetes Bild zu erhalten, ein besseres, als eine Anhäufung von Statistiken vermitteln kann, müßte man die obigen Angaben in bezug auf eine Reihe von soziologischen Fakten untersuchen. Man könnte zum Beispiel gut eine Verbindung zwischen der alten Tradition weiblicher Erwerbstätigkeit in Frankreich und der Besonderheit der französischen Wirtschaft sehen, in der das kleine Familienunternehmen bis auf den heutigen Tag eine wichtige Rolle spielt. Eine Frau stellt sich zweifellos leichter auf einen kleinen Geschäftsbetrieb ein, und umgekehrt läßt sich ein Kleinbetrieb den Gegebenheiten des persönlichen Lebens einer Frau viel besser anpassen, als das in den großen, unpersönlichen Unternehmen von Handel oder Industrie möglich wäre.
Ein bedeutender Teil des Handels und der Industrie in Frankreich beschäftigt überdies nicht nur Frauen, sondern arbeitet vorwiegend für sie, oder gründet sich auf typisch weibliche Fertigkeiten. Zweifellos besteht zwischen dieser Tatsache und dem hohen Anteil der Frauen an der französischen Wirtschaft ein ursächlicher Zusammenhang, obwohl man keineswegs klar erkennen kann, was die Ursache und was die Wirkung ist.
Ein Zusammenhang, der auch einer näheren Untersuchung wert wäre, ist der zwischen der hohen Erwerbsquote der Frauen im gebärfähigen Alter von 20 bis 39 Jahren und den besonders engen Bindungen der französischen Familie. War die Erwerbstätigkeit der jungen Mütter in Frankreich möglich, weil sie es besser als die Frauen anderer Länder verstehen, einen Teil ihrer Hausfrauen- und Mutterpflichten auf ihre Mütter und Schwiegermütter zu übertragen? Die schon erwähnte Untersuchung des Institut national d'études démographiques stellte fest, daß dreiviertel der in die Erhebung einbezogenen Familien nur aus Eltern und Kindern bestanden. Das restliche Viertel schloß Schwiegereltern mit ein; und gerade in Familien mit mehreren Kindern oder wo die Mutter außerhäuslich erwerbstätig war, wirkte die Großmutter gewöhnlich als äußerst tatkräftige Haushaltshilfe.
Wenn dies alles für die Stadt mit ihren zwangsläufig beschränkten Wohnverhältnissen gilt, so wird der Anteil der Familien, in denen drei Generationen unter einem Dach leben, in ländlichen Gegenden wesentlich höher sein. Es heißt, daß auch in Sowjetrußland, wo die Erwerbsquote der verheirateten Frauen besonders hoch ist, die Großmutter als Betreuerin des häuslichen Herdes eine außerordentliche Bedeutung erlangt habe. In Frankreich scheint jedoch eine ungebrochene Linie von der einstigen Familie als einer Wirtschaftseinheit zu ihrem heutigen verkleinerten Gegenstück zu verlaufen.
Die Untersuchung dieser und anderer verwandter Fragen, so bedeutsam und interessant sie auch sein mögen, gehört nicht in den Rahmen dieses Buches. Die Probleme können hier nur angedeutet und den an Fragen der Familie interessierten Wissenschaftlern zu genauerer Beobachtung empfohlen werden, falls sie bereit sind, vergleichende Untersuchungen auf diesem Gebiet nicht nur in Primitiv-Gesellschaften, sondern auch in der westlichen Welt durchzuführen.
GROSSBRITANNIEN
Kriegserfahrungen
In Großbritannien erreichte die weibliche Erwerbstätigkeit ihren absoluten Höhepunkt während des 2. Weltkrieges. Von insgesamt 17,25 Millionen Frauen im Alter von 14 bis 64 Jahren waren rund 7,3 Millionen erwerbstätig oder zum Militärhilfsdienst eingezogen. Von den auf Grund des Arbeitslosenversicherungsgesetzes pflichtversicherten 4 Millionen Frauen waren 2,2 Millionen verheiratet. Zur Überraschung vieler waren zahlreiche Mütter kleiner Kinder im Kriegseinsatz tätig. 900 000 Frauen mit Haushaltspflichten verrichteten Teilzeitarbeit und eine Million Frauen, die in der obigen Gesamtzahl nicht enthalten sind, leisteten unbezahlte, freiwillige Kriegsarbeit.
Die Mobilmachung erfolgte wahrscheinlich in Großbritannien umfassender und durchgreifender als in irgendeinem anderen kriegführenden Lande, die Sowjetunion vielleicht ausgenommen. Vorurteile gegen die Einstellung von Frauen verschwanden nahezu vollständig. 91 vH der ledigen Frauen im Alter von 18 bis 4o Jahren standen entweder im Militärhilfsdienst oder im zivilen Arbeitseinsatz. Bis auf kranke und arbeitsuntaugliche Frauen, sowie solche mit besonderen Familienpflichten waren die ledigen, arbeitsfähigen Frauen praktisch vollzählig im Erwerbsleben. Das ist noch heute so.
Von den verheirateten Frauen ohne kleine Kinder waren 80 vH der Altersgruppen zwischen 18 bis 40 im Kriegseinsatz tätig.
Um diese totale Mobilmachung durchführen zu können, unternahm die Regierung große Anstrengungen, besondere Einrichtungen zu schaffen, Fürsorgedienste zu verbessern und traditionelle Vorurteile zu überwinden. Der Meldezwang für Frauen von 18 bis 50 Jahren und ihre Beschäftigung zumindest in Teilzeitarbeit war nur eine Seite des Programms. Die andere, mehr positive Seite bestand in umfassenden Vorkehrungen, um die Dienstverpflichtung von Ehefrauen auf nationaler Ebene praktisch zu ermöglichen. Kriegswichtige Betriebe wurden in Gebiete verlegt, in denen noch freie Arbeitskräfte verfügbar waren; es wurden Tageskindergärten und Kantinen eingerichtet; man förderte die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen; die Heiratsbeschränkung für Frauen in nichtindustriellen Berufen, wie z. B. im öffentlichen Dienst, im Lehrberuf (Erziehungsgesetz von 1944), bei der Polizei, beim Londoner Stadtrat, dem Londoner Wasseramt, dem Britischen Rundfunk u. a. in. wurden aufgehoben.
Diese Neugestaltung der Arbeitsbedingungen in Anpassung an die Bedürfnisse weiblicher Arbeitskräfte nahm ein solches Ausmaß an, daß man sie sehr wohl eine soziale Revolution nennen kann vorausgesetzt, daß dies nicht nur eine vorübergehende Anpassung an einen Notstand war. Damals fragten sich viele Leute, ob es wohl möglich sein würde, das Rad wieder zurückzudrehen, oder ob wir am Beginn einer neuen Sozialordnung ständen. Würde die Einstellung der Feindseligkeiten die Rückkehr zur alten Ordnung bringen, oder würden die in Zeiten nationaler Gefahr getroffenen Maßnahmen den akuten Notstand überdauern? Die Meinungen teilten sich zwischen der Hoffnung, daß man zu den Vorkriegsverhältnissen zurückkehren könne, und dem Wunsch nach sozialem Fortschritt, der in die entgegengesetzte Richtung wies.
Die Entscheidung lag zum großen Teil bei den Frauen selbst. Von Zeit zu Zeit wurden Meinungsbefragungen durchgeführt, um die Nachkriegspläne der Arbeitnehmerinnen zu ermitteln. Der Anteil der Frauen, die berufstätig bleiben wollten, war besonders unter den älteren Jahrgängen erstaunlich hoch. Die Auswertung einer Erhebung, die im Frühjahr 1945 von der Amalgamated Engineering Union[5] in 228 Fabriken durchgeführt wurde, ergab, daß etwa zwei Drittel der befragten 2000 Frauen gern weiterarbeiten wollten. Nach Altersgruppen sieht das so aus: 86 vH der 41 - bis 50-jährigen und 89 vH der über 50-jährigen Frauen wollten in der Industrie bleiben, gegenüber 66 vH der 26- bis 35-jährigen, 57 vH der 21- bis 25-jährigen und 63 vH der 18- bis 20-jährigen. Die meisten verheirateten Frauen kehrten jedoch bei Kriegsende in ihren Haushalt zurück. Der Grund lag nicht allein in der Lockerung und späteren Aufhebung der Arbeitspflicht. Die vielen Frauen, die ihren Arbeitsplatz gern behalten hätten, wären trotzdem geblieben. Aber als die Feindseligkeiten aufhörten und die Männer aus dem Kriege zurückkehrten, war man allgemein der Meinung, daß die Arbeitsstellen für die Männer offen sein und die Frauen Platz machen sollten. Die Betriebe zeigten sich jetzt weniger bereit als im Krieg, Teilzeitschichten einzulegen. Viele Kindergärten aus der Kriegszeit wurden geschlossen. Kurz, es herrschte die ausgeprägte Tendenz »zurück zum Normalzustand«.
Im Jahre 1947 war die Zahl der erwerbstätigen verheirateten Frauen auf 18 vH aller mit ihren Ehemännern zusammenlebenden verheirateten Frauen gesunken. Der Anteil der erwerbstätigen ledigen Frauen blieb Mit 92 vH unverändert, obwohl ihre absolute Zahl sank teils wegen des von 14 auf 15 Jahre heraufgesetzten Schulentlassungsalters, teils infolge der mit Kriegsende ansteigenden Heiratsrate, und schließlich, weil ganz allgemein die Zahl der Frauen im arbeitsfähigen Alter abnahm.
Die Entspannung der Nachkriegszeit war jedoch nur von kurzer Dauer. Der Mangel an Arbeitskräften, die staatlich begünstigte Exportbelebung, der Ausbruch des Korea-Krieges und die Wiederaufrüstung, das alles trug dazu bei, mehr und mehr Frauen in die Industrie zurückzuführen, diesmal aber ohne Zwangsverpflichtung.
Die Zahl der erwerbstätigen Frauen stieg von 6 620 000 im Jahre 1947 auf 7 650 000 im Jahr 1957 und erreichte 8 400 000 im Jahr 1965. Diese Zunahme bei den weiblichen Arbeitskräften ist weitgehend auf das wachsende Streben verheirateter Frauen nach einer Berufstätigkeit zurückzuführen. Zwischen den beiden Volkszählungen von 1951 und 1961 stieg der Anteil der außerhäuslich erwerbstätigen Frauen von 1 zu 4 auf 1 zu 3. Während 1950 die Zahl der verheirateten Frauen unter den weiblichen Arbeitskräften 41 vH ausmachte, betrug ihr Anteil 54 vH im Jahre 1965. Von 1950 bis 1965 übertraf die jährlich steigende Zahl von erwerbstätigen Frauen durchweg den Zuwachs bei den männlichen Arbeitskräften. Mehr als ein Drittel der britischen Arbeitskräfte (34,6 vH im Jahre 1965) waren Frauen.
Die Verteilung dieser Arbeitskräfte auf die verschiedenen Wirtschaftszweige ist aus Tabelle 11 ersichtlich.
Die verarbeitende Industrie insgesamt beschäftigt mehr als ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen, und fast je ein Fünftel arbeiten im Einzelhandel sowie in den Fach- und akademischen Berufen.
Die berufliche Gliederung der männlichen und weiblichen Arbeitskräfte weist eine Reihe von scharfen Unterschieden auf, wie aus Tabelle 12 zu ersehen ist: In der verarbeitenden Industrie und in anderen Industriezweigen ist ein geringerer Prozentsatz Frauen als Männer beschäftigt, während ihr Anteil im Einzelhandel, in Fach- und akademischen Berufen sowie in der Gruppe Verschiedene Dienste bedeutend über dem der Männer liegt.
Wenn diese Zahlen auf den ersten Blick scheinbar ausweisen, daß ein sehr hoher Prozentsatz von Frauen in »Mittelstandsberufen« arbeiten, dann muß man sich vor Augen führen, daß die vom Arbeitsministerium veröffentlichten Zahlen nach Wirtschaftsgruppen gegliedert sind, wobei nicht zwischen Arbeitskräften in leitender, in Büro- oder anderer Tätigkeit unterschieden wird. Auf diese Art sind von insgesamt 8'/4 Mill. weiblichen Erwerbstätigen mehr als 1'/2 Mill. Frauen in der Gruppe Fach- und akademische Berufe erfaßt, so als gehörten sie dazu. Aber diese Zahl enthält nicht nur die Angehörigen gehobener Berufe (Lehrer, Juristen, Wirtschaftsprüfer usw.), sondern auch die dazugehörigen Hilfskräfte. Das will sagen, ärztliche Berufe umfassen beispielsweise Sprechstundenhilfen und Krankenhauspersonal - zu letzterem zählen auch Hausarbeits- und Bürokräfte -, ebenso wie Ärzte und Zahnärzte.
Die Berufsstatistik der Volkszählung 1961 (die auf einer Stichprobenerhebung von 10 vH beruhte), wendet eine andere Methode der Klassifizierung an und zeigt, daß Frauen in England und Wales als Buchhalterinnen, Schreibkräfte, Stenotypistinnen, Sekretärinnen usw. - einschließlich der unteren Ebene von Staats- und Gemeindeverwaltungen ein Berufsheer von 1,796 Millionen bildeten; das ist mehr als ein Viertel aller erwerbstätigen Frauen [6] (im Jahre 1951 betrug ihr Anteil gerade nur ein Fünftel). Fast zwei Drittel aller Büroangestellten sind Frauen. Eine etwas kleinere Zahl Frauen (1512 720) waren im Dienstleistungsgewerbe tätig, eingerechnet häusliche Dienste, Hotel- und Gaststättengewerbe, Friseurgewerbe, Wäschereien, Chemische Reinigungen usw. Diese Gewerbegruppen beschäftigen insgesamt mehr als ein Fünftel aller erwerbstätigen Frauen.
Im Jahre 1961 war eine von acht weiblichen Arbeitskräften als Verkaufspersonal tätig, und eine von zehn gehörte zu jener Gruppe, die die Volkszählung als »Fach-, technische und künstlerische Berufe« zusammenfaßt. Diese sind aus nachfolgender Tabelle ersichtlich.
Frauen in gehobenen Berufen
Die Tabelle vermittelt ein ungefähres Bild von der Anzahl der Frauen in gehobenen Berufen und ihrem Anteil an den Gesamtarbeitskräften einer jeden Berufsgruppe. Die letztere Zahl soll zeigen, wie »geschlechtsbetont« manche Fachberufe sind: Krankenpflege und Röntgenphotographie sind beispielsweise überwiegend Frauenberufe, während alle Zweige des Ingenieurwesens, der Landvermessung und Architektur, des Rechtes und der Naturwissenschaften fast ausschließlich die Domäne von Männern sind. Höhere Beamte, leitende Kommunalbeamte sowie vergleichbare Verwaltungs- und Führungskräfte (zusammen 0,5 vH der erwerbstätigen Frauen) werden bei der Volkszählung in einer besonderen Gruppe zusammengefaßt und sind daher nicht in Tabelle 13 einbegriffen. Vergleiche zwischen dieser und einer ähnlichen Tabelle, die in einer früheren Auflage dieses Buches erschienen ist, sind leider nicht möglich, da verschiedene Berufsarten zwischen den beiden Volkszählungen umgruppiert wurden. So sind einige der 1951 aufgeführten Berufsgruppen 196 1 in einer erweiterten Rubrik verschwunden, und andere wurden neu definiert. Bibliothekare sind beispielsweise nicht mehr als solche auffindbar; hingegen werden die Wohlfahrtspfleger der Zählung 1951 in 1961 als »Wohlfahrtspfleger und verwandte Berufe« ausgewiesen - eine Änderung, die das Geschlechterverhältnis in dieser Gruppe verschoben hat. Daher ist es zwecklos zu versuchen, bei den gehobenen Berufen Entwicklungslinien für diese zehnjährige Periode aufzuzeigen.
Die Volkszählung von 1961 erlaubt jedoch andererseits eine Aufgliederung der Berufsarten nach dem Familienstand, wobei sich zeigt, daß die Berufe mit dem höchsten Anteil verheirateter Frauen in ihren Reihen Ärztin, Zahnärztin und Sekretärin in einer großen Firma sind; unter den relativ wenigen Juristinnen ist dagegen nur eine kleine Minderheit (29 vH) verheiratet. Die Tatsache, daß 35 vH der berufstätigen Krankenpflegerinnen verheiratet sind, kennzeichnet einen größeren Durchbruch in einem Beruf, der früher nur ledigen Frauen vorbehalten war.
In ähnlicher Weise hat eine bedeutsame Anpassung im Lehrberuf stattgefunden, den verheiratete und ledige Frauen auf den ersten Blick fast zu gleichen Teilen ausüben. Diese Zahlen unterscheiden aber nicht zwischen Ganztags- und Teilarbeitszeit; da diese jedoch fast au&schließlich von verheirateten Frauen geleistet wird, tragen die ledigen Lehrerinnen noch immer die Hauptlast der von Frauen erteilten Unterrichtsstunden.
Gliederung nach Altersgruppen
Da neuerdings verheiratete Frauen, die ihre Kinder großgezogen haben, zunehmend auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, ist das Durchschnittsalter erwerbstätiger Frauen angestiegen. Der größte Teil weiblicher Arbeitskräfte ist nicht mehr wie 1951 in der sogenannten Familienphase (d. h. zwischen 20 und 39 Jahren), sondern steht im Alter von 40-59 Jahren. Die Altersgliederung der weiblichen erwerbstätigen Bevölkerung ist jetzt die folgende:
- 17 vH unter 20 Jahre
- 36 vH 20-39 Jahre
- 40 vH 40-59 Jahre
- 9 vH 60 Jahre und darüber.
Die Zahl der beschäftigten Frauen, die in der Altersgruppe 20-34 Jahre ziemlich steil absinkt, geht vom 35. Lebensjahr an erneut aufwärts. In Großbritannien, wie in den anderen drei Ländern, zeigt die charakteristische weibliche Beschäftigungskurve nach Lebensjahren zwei Krümmungen, mit einem ersten Höhepunkt um die 19 und einem zweiten, etwas tieferen und flacheren Höhepunkt zwischen 40-44 Jahren.
DIE VEREINIGTEN STAATEN
Die Zahl der erwerbstätigen Frauen in den USA ist von einer Volkszählung zur anderen beständig gestiegen. Von März 1940 bis April 1950 nahmen die weiblichen Erwerbspersonen um über 5,25 Millionen zu; im folgenden Jahr ist ein weiterer jäher Zuwachs von 615 000 oder 3,3 vH auf Grund des Korea-Krieges zu verzeichnen, so daß sich 1951 die Gesamtzahl der im Erwerbsleben tätigen Frauen auf fast 20 Millionen erhöhte. Im Jahre 1962 betrug die Zahl erwerbstätiger Frauen etwa 23 Millionen, und es wurde erwartet, daß sie bis 1970 auf 30 Millionen ansteigen werde. Wie in Großbritannien und Frankreich bilden Frauen rund ein Drittel aller Erwerbspersonen (1963: 34 vH).
Hohe Erwerbsquote der verheirateten Frauen
Das auffallendste Merkmal bei dieser Entwicklung ist die wachsende Zahl verheirateter Frauen, die außerhäuslich arbeiten. Während im Jahre 1930 11, 5 vH der verheirateten Frauen erwerbstätig waren, betrug dieser Anteil 1940 17 vH, 1950 waren es 24 vH, und 1962 standen ein Drittel aller weißen verheirateten Frauen - und fast die Hälfte der nicht-weißen verheirateten Frauen - im Erwerbsleben. Mehr als die Hälfte aller weiblichen Arbeitskräfte waren im Jahre 1950, und über 60 vH im Jahre 1962 verheiratet.
Die starke Zunahme des Anteils verheirateter erwerbstätiger Frauen ergibt sich teilweise aus der steigenden Heiratsrate und dem stetigen Rückgang des Heiratsalters der Frauen seit dem 2. Weltkrieg. Sie ist ferner in gewissem Grade das Ergebnis der relativ niedrigen Erwerbsquote lediger Frauen, verglichen mit anderen Ländern (vgl. Tabelle 15); in der Hauptsache ist sie jedoch auf die erhöhte Berufstätigkeit älterer Frauen zurückzuführen (vgl. Tabelle 16). Die unverhältnismäßig niedrige Erwerbsquote lediger Frauen in den Vereinigten Staaten geht auf zwei Faktoren zurück, nämlich auf das frühe Heiratsalter und die weitverbreitete höhere Schulbildung. Mehr als zwei Drittel der amerikanischen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren besuchen die Schule; über ein Drittel amerikanischer Bräute sind am Hochzeitstage nicht älter als 19 Jahre. Vor diesem Hintergrund ist es leicht zu verstehen, daß erwerbstätige Ehefrauen die überwiegende Mehrheit der weiblichen Arbeitskräfte stellen (9,2 Mill. verheiratete : 5,5 Mill. ledige Frauen im Jahre 1952, und 12,3 Mill. verheiratete : 5,4 Mill. ledige Frauen im Jahre 1962), selbst wenn die Quote der Erwerbstätigkeit von verheirateten Frauen niedriger liegt als die von irgendeiner der anderen Gruppen.
Natürlich besteht ein sehr deutlicher Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, der bei der Angabe von Durchschnittszahlen für ein Land von der Weite und Vielfältigkeit der Vereinigten Staaten nicht übersehen werden darf. Der relative Mangel an geeigneten Arbeitsplätzen in ländlichen Gegenden berührt natürlich gleichermaßen ledige und verheiratete Frauen, aber vor allem wirkt sich der Unterschied von Stadt und Land auf die Ledigen aus. Nur etwa 25 vH der ledigen Frauen, die im Jahre 195o auf Farmen lebten, waren erwerbstätig, gegenüber 5 8 vH der ledigen Frauen in städtischen Gebieten. Bei verheirateten Frauen ist das Verhältnis 17:26. Dies heißt natürlich nicht, daß sich die Frauen auf dem Lande mehr dem Müßiggang hingeben als Stadtfrauen, sondern daß ein erheblicher Teil der in Familienbetrieben wie auf Farmen geleisteten Arbeit nicht als »Erwerbsarbeit« zählt, weil dafür kein Entgelt gezahlt wird.
Altersgliederung
Der große Zuwachs an weiblichen Arbeitskräften zwischen 1940 und 1960 ist hauptsächlich auf die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen der mittleren und älteren Jahrgänge zurückzuführen. Wie auch in anderen Ländern, ist eine stetig wachsende Erwerbstätigkeit bei den Frauen über 35 Jahren, und besonders bei denen von 45 Jahren und darüber festzustellen. Knapp zwei von fünf erwerbstätigen Frauen in den USA gehören zu diesen Altersgruppen. Im Jahre 1960 war das Durchschnittsalter der erwerbstätigen Amerikanerin 41, gegenüber 26 Jahre um die Jahrhundertwende und 37 im Jahre 1950.
In den fünfziger Jahren wurde offenbar, daß die schnell steigende Zahl der berufstätigen Frauen, insbesondere in den höheren Altersgruppen, einen langfristigen sozialen Wandel von beträchtlicher Wichtigkeit darstellte. Diese Erkenntnis führte zu einer großen Reihe von Untersuchungen, die eine reiche Literatur über die amerikanische Frau zur Folge hatten. Sie veranlaßte ferner Präsident Kennedy im Jahre 1961, eine Präsidial-Kommission zur Untersuchung des Status der amerikanischen Frau unter dem Vorsitz der inzwischen verstorbenen Eleanor Roosevelt einzusetzen. Die Kommission mit ihren sieben Unterausschüssen (Bürgerliche und Politische Rechte; Erziehung; Beschäftigung im Bundesdienst; Familie und Gemeinde; Beschäftigung in der Wirtschaft; Arbeitsschutz; Sozialversicherung und Steuern) erstattete 1963 Bericht [8] und unterbreitete eine große Reihe von Empfehlungen, von denen einige inzwischen in die Bundesgesetzgebung eingegangen sind. Vielleicht ist es bezeichnend für die gegenwärtige Situation, daß der Bericht des Unterausschusses für Erziehung mit einem Kapitel über »Die reifen Jahre« beginnt, das der folgende Satz einleitet: »Vitalität und relative Freiheit von den konzentrierten Ansprüchen der Familie kennzeichnen die reife Frau von heute.«
Die verschiedenen Berufe
In den Vereinigten Staaten, wie auch anderswo, nahm die Zahl der erwerbstätigen Frauen am auffälligsten von allen Berufsgruppen unter Büroangestellten und verwandten Berufen zu. Diese machen fast ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen aus. Zwischen den beiden Volkszählungen von 1940 und 1950 stieg ihre Zahl von 2,5 Millionen auf 4,5 Millionen; im Jahre 1962 war sie auf fast 7 Millionen angewachsen.
Beinahe ebenso auffallend wie die Zunahme der Bürokräfte ist der Rückgang (nach absoluten Zahlen sowie relativ) bei den Fabrikarbeitern. Diese Erscheinung ist ein Ergebnis der zunehmenden Automation und nicht auf Frauen beschränkt, sondern für die amerikanische Wirtschaft als Ganzes charakteristisch. Es besteht ein wachsender Bedarf an Büro-, Fach- und technischen Kräften sowie eine Ausweitung des Dienstleistungssektors auf Kosten von ungelernten und angelernten Tätigkeiten.
Teilzeitarbeit
Ein verhältnismäßig neues Phänomen ist die Ausbreitung der Teilzeitbeschäftigung gewesen. 1960 arbeiteten mehr als ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen weniger als 35 Wochenstunden (verglichen mit ein Viertel im Jahr 1950), überwiegend im Handel und in Dienstleistungsgewerben. Gut ein Fünftel der Teilzeitbeschäftigten sind Jugendliche, die sich ihre Schul- oder Collegebildung verdienen; bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren.
Erwerbstätigkeit und Bildungsstand
Es wurde bereits auf den Zusammenhang zwischen Erwerbsquote und Bildungsniveau von Frauen in Frankreich hingewiesen (vgl. S. 91 f.), und Gleiches gilt auch für die Vereinigten Staaten. Die Tabelle 18 zeigt, daß eine Frau sich um so wahrscheinlicher im Erwerbsleben betätigen wird, je höher ihre Schulbildung war.
Wenn schon das Gesamtbild dies bestätigt, dann zeigt eine Aufgliederung nach Altersgruppen, daß der Unterschied in der Erwerbsquote von Frauen mit bzw. ohne höhere Schulbildung zunehmend mit steigendem Lebensalter hervortritt; zugleich wird deutlich (vgl. Tabelle 19), daß diese Regel nicht in jedem Falle gilt: Frauen von 35 bis 44 Jahren mit einer Collegebildung von 1 bis 3 Jahren machen hier eine Ausnahme. Ihre Erwerbsquote ist niedriger als die aller anderen Jahrgangsgruppen, jene ohne jede Collegebildung einbegriffen.
Ohne eine größere Zahl von detaillierten Unterlagen, die nicht verfügbar sind beispielsweise über die Familiengröße von Frauen mit verschiedenem Bildungsniveau und unterschiedlichem sozialen Hintergrund - wäre es freilich voreilig, Erklärungen zu unterbreiten, warum Frauen mit höherer Schulbildung sehr häufig erwerbstätig sind oder warum Frauen mit Collegbildung in ihren späten dreißiger und frühen vierziger Jahren eine relativ niedrige Erwerbsquote aufweisen.
Frauen in gehobenen Berufen
In den Vereinigten Staaten sind zwei Drittel aller Frauen mit Fachausbildung Lehrerinnen oder Krankenpflegerinnen (43 vH bZW. 23 vH). In einigen anderen gehobenen Berufen bilden Frauen die Mehrheit der darin Tätigen, beispielsweise als Bibliothekarin, Wohlfahrtspflegerin, Diätassistentin, medizinisch- und zahnmedizinisch-technische Assistentin. Sie stellen einen ansehnlichen Teil der Journalisten, Schriftsteller und Herausgeber (35 vH); aber sie haben bemerkenswert wenig Einfluß auf die älteren Fachberufe erlangt. Nicht mehr als 6 vH der zugelassenen Ärzte, 4 vH der Juristen und 8 vH der Apotheker sind Frauen. Wie John P. Parrish in einer Reihe von Aufsätzen [9] nachweisen konnte, ist tatsächlich ein relativer Rückgang bei allen hochqualifizierten Berufen zu verzeichnen, die eine lange Ausbildung verlangen. Nicht nur ging die Verleihung eines Doktors der Philosophie (Ph. D.) an Frauen anteilig von 17 vH aller zuerkannten Doktorate im Jahre 1932 auf 10 vH in den Jahren 1955-60 zurück; auch der Anteil von Frauen an dem ersten juristischen Abschlußgrad sank von 6 vH Anfang der dreißiger Jahre auf 3 vH im Jahr 1959. Der Prozentsatz von Frauen, die das ärztliche Abschlußexamen ablegen, liegt seit den zwanziger Jahren unverändert bei 5 vH. Einen entsprechenden Rückgang hat es im akademischen Lehrberuf und der Forschung gegeben: 1930 stellten Frauen 30 vH des Universitätslehrkörpers und 22 vH im Jahr 1960. Verglichen mit den meisten anderen Ländern ist das noch immer ein ansehnliches Verhältnis, nach früheren amerikanischen Maßstäben jedoch ein Niedergang. Ein anderes Beispiel: 1902 nannte Who is Who in America 8,5 vH Frauen; nach der Ausgabe, die 1958 erschien, betrug der weibliche Anteil an den aufgeführten Personen 4 vH. Die Erklärung scheint laut Professor Parrish darin zu liegen, daß Frauen ihre Wertmaßstäbe freiwillig geändert haben. Hochqualifizierte intellektuelle Tätigkeit hat unter dem Einfluß früherer Heirat, einer steigenden Heiratsquote und frühzeitiger Familienbildung gelitten. Die ständig wachsende Teilnahme der Frau am Erwerbsleben wird anscheinend durch ihre Bereitschaft erreicht, ungelernte und angelernte Arbeit anzunehmen - teils nur vorübergehend oder für längere Zeit. Solcher Tätigkeit wird der Vorzug vor ehrgeizigen Berufsplänen gegeben, die auf lange Sicht mit der Familienrolle in Konflikt geraten könnten.
SCHWEDEN
In vieler Hinsicht gleicht die schwedische Situation derjenigen in den größeren Industrieländern. Es gibt jedoch einige Merkmale von besonderem Interesse. So ist Schweden viel später, aber auch in viel schnellerem Tempo als die anderen Länder, mit denen wir uns befaßt haben, industrialisiert worden. Lebensform und öffentliche Meinung haben sich ungewöhnlich rasch verändert. Die wesentliche Steigerung der weiblichen Erwerbstätigkeit hat sich im letzten Jahrzehnt vollzogen, und in der Debatte über die beiderseitigen »Rollen« von Mann und Frau in der Gegenwart sind in Schweden die markantesten »radikalen« Ansichten vertreten worden.
Landwirtschaft
Schweden blieb lange ein Agrarstaat. Die Landbevölkerung, die niemals dem Lehnswesen unterworfen war, verteilte sich auf eine große Zahl von kleinen oder mittleren selbständigen Bauernhöfen, deren Hofstelle weit häufiger isoliert als im Bereich eines Dorfes lag. Dies hatte einen beträchtlichen Einfluß auf die Stellung der Frau. Das Leben der meisten verheirateten Frauen war durch schwere Arbeit geprägt, aber zugleich durch eine geachtete und einflußreiche Stellung gekennzeichnet.
Diese Bevölkerung von arbeitsamen Bauern, die im Jahre 1870 gut 75 vH, 1900 etwa 55 vH, 1925 40 vH und im Jahre 1950 rund 25 vH ausmachte, hat die Lebensform des gesamten Landes weitgehend beeinflußt. Dabei blieb zwar weniger Raum für die untätig dahinlebende Dame der aristokratischen Gesellschaft oder des viktorianischen Mittelstandes als in den hier behandelten anderen Ländern, aber ebensowenig gab es Platz für ein weibliches Industrieproletariat. Wie es unter solchen Umständen zu erwarten war, begann die Erwerbstätigkeit von Frauen spät. Der steile Rückgang der landwirtschaftlichen Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg (1960 betrug ihr Anteil nur 16 vH der Erwerbstätigen, und 1965 etwa 10 vH) ging mit zunehmender weiblicher Erwerbstätigkeit Hand in Hand. Das gemeinsame Merkmal ist die generelle Verlagerung zu nichtlandwirtschaftlicher, überwiegend städtischer Arbeit.
Wie in Frankreich, ist es für einen historischen Vergleich auch in Schweden schwer, den Begriff »Erwerbstätigkeit« in bezug auf Frauen klar zu definieren; das liegt in der Eigenart und Sozialstruktur der Arbeit in einer großen landwirtschaftlichen Bevölkerung begründet. Im Jahre 1890, als der Anteil der »Einkommensbezieher« nach den Volkszählungsergebnissen nur 6 vH der Frauen über 15 Jahre ausmachte, betrug der entsprechende Anteil der Männer 59 vH. Hierzu müssen 11 vH der erwachsenen Frauen und 5 vH der Männer hinzugerechnet werden, die als Dienstpersonal ausgewiesen wurden. Im Jahre 1930 war diese Gruppe bereits auf 9 vH der Frauen und 2 vH der Männer zusammengeschrumpft; noch später sind Männer praktisch ganz aus der Gruppe Dienstpersonal verschwunden, und nur ein Bruchteil von 1 vH der erwachsenen Frauen bleiben als Hausarbeitskräfte eingestuft.
Seit 1930 liegt die Erwerbsquote der 15- bis 64-jährigen Personen bei gut 90 vH für Männer und 40 bis 50 vH für Frauen. (Sie betrug 1930: für Männer 94 vH, für Frauen 49 vH; 1940: für Männer 93 vH, für Frauen 45 vH; im Jahre 1950: für Männer 93 vH, für Frauen 41 vH.) Das Jahr 1960 brachte ein erhebliches Absinken der männlichen Erwerbsquote auf 87 vH, während die weibliche gleichzeitig leicht anstieg, und zwar auf 42 vH. Der Rückgang der Erwerbsquote bei den Männern ist weitgehend auf die verlängerte Ausbildung zurückzuführen; ein entsprechender Rückgang findet sich bei den jungen Frauen, wird aber mehr als ausgeglichen durch den größeren Einsatz älterer, meist verheirateter Frauen.
Nach den Volkszählungsergebnissen bildeten Frauen im Jahr 1930 35 vH der Arbeitskräfte, 1940 32 vH, 1950 31 vH und 1960 32 vH. Die Arbeitsmarktstatistik zeigt etwas höhere Ergebnisse, da sie jeden mitzählt, der während der Erhebungswoche wenigstens eine Stunde gearbeitet hat. (Die Volkszählung registriert dagegen als »Erwerbspersonen« alle jene, die zumindest die Hälfte der normalen Arbeitszeit während der Erhebungswoche gearbeitet haben.[10]) nach der Arbeitsmarktstatistik betrug der Anteil von Frauen an den Arbeitskräften im Jahre 1960 fast 36vH (verglichen mit den 32vH der Volkszählung); seither stieg dieser Anteil auf 36,5 vH (1962), und 37,5 vH (1965).
Es wird allgemein angenommen, daß die Zahl der verheirateten erwerbstätigen Frauen nach beiden Zählungen zu niedrig liegt, insbesondere im Hinblick auf die in der Landwirtschaft Tätigen. Das Nationale Statistische Amt schätzte diese Zählungsdifferenz auf Grund einer Kontrollzählung im Anschluß an die Volkszählung von 1960 auf 31,4 vH. (Die obigen Zahlen sind zum Ausgleich dieser Unterschätzung berichtigt.[11])
Die allgemeine Entwicklung
In Schweden wie in den anderen untersuchten Ländern bestehen die bemerkenswertesten Veränderungen in der stark angestiegenen Heiratsquote und dem niedrigeren Heiratsalter. Selbst wenn es »genau dieselben Frauen« wären, die arbeiteten, so bedeutete dies, daß auf dem Arbeitsmarkt ein Rückgang der ledigen und eine entsprechende Zunahme der verheirateten Frauen festzustellen wäre. Tatsächlich jedoch ist die Erwerbsquote der verheirateten Frauen weit darüber hinaus gestiegen.
Diesen Wandel veranschaulichen folgende Zahlen: 1930 war das Verhältnis der 15-64-jährigen ledigen und verheirateten Frauen in der weiblichen Bevölkerung nahezu gleich (45,9 vH ledige, 48,5 vH verheiratete und 5,6 vH früher verheiratete Frauen). Die entsprechenden Anteile 1960: 27,7 vH ledige, 65,2 vH verheiratete und 7,1 vH verwitwete und geschiedene Frauen. Die weibliche erwerbstätige Bevölkerung umfaßte 1930 79,4 vH ledige, 12,8 vH verheiratete und 7,8 vH früher verheiratete Frauen; 1960 beliefen sich die drei Gruppen jeweils auf 44,0 vH, 45,2 vH und 10,8 vH. In den letztgenannten zwei Gruppen zeigt die Erwerbsquote eine entsprechende Zunahme. Während die Volkszählung 1930 nur 8,8 vH und 1940 nur 10,1 vH der verheirateten Frauen als erwerbstätig ausweist, stieg der Prozentsatz 1950 auf 15,6 vH und 1960 steil auf 26,3 an.[12] Die Erwerbsquote der ledigen Frauen zeigte keine derart kräftige Entwicklung. Von 59,1 vH im Jahr 1930 stieg sie allmählich auf 67,0 vH (1950), fiel aber 1960 auf 60,3 vH,[13] was zweifellos widerspiegelt, daß sich unter den ledigen Frauen mehr Studentinnen befinden, die als Gruppe jetzt viel jünger sind als in früheren Jahrzehnten.
Wie wir gesehen haben, ist die hohe, wachsende Erwerbsquote verheirateter Frauen, insbesondere zwischen 1950 und 1960, eine nicht auf Schweden beschränkte Erscheinung. Wie in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, stieg in diesem Jahrzehnt die Quote der verheirateten erwerbstätigen Frauen in Schweden von 1:4 auf 1:3 an. Diese Veränderung ist bei den höheren Altersgruppen besonders eindrucksvoll, da sie zeigt, daß die schwedischen Frauen begonnen haben, ihre Doppelrolle zu akzeptieren, und nach einigen, in der Familie verbrachten Jahren ins Erwerbsleben zurückkehren. Diese, dem Thema des vorliegenden Buches so gemäße Erscheinung wird in dem folgenden Schaubild dargestellt.
[18] Eine Zunahme der Erwerbstätigkeit tritt nicht nur bei verheirateten Frauen ein, die die Lebensphase der Kindererziehung hinter sich haben, sondern auch bei Müttern von kleinen Kindern. Wie Tabelle 2o zeigt, ist es für eine Mehrheit von verheirateten berufstätigen Frauen charakteristisch, daß sie Kinder zu Hause haben.
Während kinderlose Frauen in den Altersgruppen von 25 bis 29 Jahren am häufigsten berufstätig sind, ist es bei Frauen mit einem Kind die Gruppe von 30 bis 34 Jahren; für Frauen mit zwei Kindern sind es die Jahre 35 bis 39, und für Frauen mit drei Kindern die von 40 bis 44. Das heißt, mit dem Heranwachsen der Kinder reagieren viele Frauen auf die Verminderung ihrer Familienpflichten mit der Rückkehr in einen Erwerbsberuf, und ihre Möglichkeiten hierzu stehen in einem direkten Verhältnis zu dem Alter des jüngsten Kindes.
Die Reserve an weiblichen Arbeitskräften ist jedoch noch keineswegs erschöpft. Zu der für die obige Statistik gültigen Zeit gab es in Schweden eine halbe Million verheirateter Frauen ohne Kinder unter 16 Jahren, die nicht erwerbstätig waren.
Berufsarten
Während die Frauen noch im letzten Jahrhundert von der Beschäftigung im Handwerk und auch weitgehend im Handel durch die überlieferten, von den Zünften übernommenen Vorschriften praktisch ausgeschlossen waren, wurden sie frühzeitig in der verarbeitenden Industrie zugelassen, die gering an Zahl, aber frei von Beschränkungen war. Zwischen 1800 und 1850 bildeten Frauen nahezu 10 vH der industriellen Arbeitskräfte, und dieser Anteil stieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa 20 vH. Mit Ausnahme der dreißiger und vierziger Jahre nahm dieser Anteil weiter zu und beträgt jetzt rund 26 vH aller in der verarbeitenden Industrie beschäftigten Personen. Wie in anderen Ländern sind die Frauen sehr ungleichmäßig auf die verschiedenen Industriezweige verteilt, wobei die Zahlen zwischen 7 vH in der Holzindustrie und 68 vH in der Bekleidungsindustrie schwanken.
Nichts ist typischer für die Umstellung eines Landes von der Naturalwirtschaft auf eine entwickelte Geldwirtschaft als die steigende Zahl von Menschen, die mit der Warenverteilung zu tun haben. Schweden durchlief diese Entwicklung innerhalb unseres Jahrhunderts, und da zu jener Zeit neue Gruppen von Frauen bereit waren, außerhalb ihres Heims erwerbstätig zu sein - während die Männer weit mehr an den traditionellen Berufen festhielten, ist es nicht überraschend, daß dieses Gebiet einen beträchtlichen Anteil der Frauen aufgenommen hat. Von den wichtigsten Berufsgruppen, die sich mit der Warenverteilung befassen, nämlich Handel, Gaststättengewerbe und Transport, beschäftigen die ersten beiden die meisten Frauen. Im Jahre 1965 betrug der Anteil der Frauen an der Zahl aller Beschäftigten im Handel 52 vH, im Gaststättengewerbe 77 vH und im Transportgewerbe 18 vH; unter den leitenden Angestellten in Hotels und Restaurants waren Frauen mit rund 65 vH vertreten.
Der Staatsdienst hat sich in Schweden nicht derart ausgedehnt, daß es Konservative erschrecken oder Planer ermutigen könnte, denn seit etwa zwei Jahrhunderten hat er nicht mehr als 5-10 vH aller Erwerbstätigen in Anspruch genommen. Während die Zahl der Frauen im Staatsdienst bis 1870 gleich Null war, stieg ihr Anteil dann von Jahrzehnt zu Jahrzehnt; er betrug 4 vH um die Jahrhundertwende, 8 vH im Jahre 1910, 22 vH 1920, 25 vH 1930, 49 vH 1940, 57 vH 1950 und 64 vH 196o. Eine Aufteilung dieser Gesamtzahlen würde jedoch das übliche Bild zeigen, daß Frauen sehr selten auf der obersten Stufe der Leiter von Einfluß und Einkommen stehen.
Viel ausgeprägter war das Vordringen der Frauen auf dem Gebiet der Erziehung, wo sie schon im Jahre 1800 die Männer an Zahl übertrafen. Sie beherrschen zwar das Feld des Schulunterrichts nicht so stark wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten, aber sie haben praktisch ein Monopol hinsichtlich der Kinder bis zum Alter von neun Jahren. Die vom schwedischen Erziehungsministerium veröffentlichten Zahlen zeigen, daß im Jahre 1930 auf je 100 männliche Lehrer der Volks- wie auch der höheren Schulen 188 Lehrerinnen entfielen, im Jahre 1940 waren es 160, dann 156 im Jahr 1950 und 142 im Jahr 1960. Dieser allmähliche Rückgang des Anteils der Frauen am Lehrberuf ist dadurch bedingt, daß der Staat die Aufnahme von männlichen und weiblichen Kandidaten in die Lehrerbildungsanstalten derart regelt, daß sich 55 vH männliche und 45 vH weibliche Lehrkräfte für die jüngeren Jahrgänge der Jugendlichen ergeben, welche in Schweden überwiegend die Volksschule besuchen. Dieser Beruf bleibt als einer der wenigen übrig, in denen kein gleiches Recht auf freien Wettbewerb besteht. Es ist allgemein bekannt, daß die Frauen beträchtlich an Boden gewinnen würden, wenn dieser Beruf ohne Kontingentierung offenstünde, denn von Jahr zu Jahr melden sich mehr hochqualifizierte weibliche Anwärter zur Aufnahmeprüfung bei den Lehrerbildungsanstalten. An höheren Schulen oder auf den Universitäten, wo keine Kontingentierung besteht, ist die Zahl der Frauen erheblich gestiegen. Sie neigen jedoch dazu, sich auf Sprachen und philologische Fächer zu spezialisieren, während die Naturwissenschaften unter Lehrermangel leiden, weil qualifizierte Fachkräfte - in Schweden nicht weniger als in anderen Ländern - gewöhnlich stark von den weit einträglicheren Aussichten für technische Berufe in der Industrie angezogen werden.
Es ist in Schweden bereits zur Tradition geworden, daß die aufgeweckteren und ehrgeizigen Mädchen in die gehobenen Berufe gehen. Zum Vergleich mit entsprechenden Zahlen aus England und den Vereinigten Staaten bringen wir die folgende Tabelle, die auf den Ergebnissen der Volkszählungen von 1945 und 1960 beruht.
Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, haben die Frauen sich in manchen Berufen durchgesetzt, insbesondere auf dem Gebiet der Sozialarbeit (im weiteren Sinne des Wortes), und man kann sich schwer vorstellen, wie die hochentwickelten Sozialleistungen in Schweden ohne die äußerst aktive Teilnahme der Frauen möglich wären. Weiter sieht man, daß einige deutliche Veränderungen seit 1945 eingetreten sind: der Mangel an Lehrern und Sozialarbeitern hat - ebenso wie in den anderen Ländern - zu einem stärkeren Eindringen von Männern in diese früher weiblichen Bereiche geführt, so daß selbst dann, wenn die absolute Zahl der Frauen in diesen Berufen angestiegen ist, ihr relativer Anteil abgenommen hat. Gleichzeitig haben Frauen in einigen anderen Berufen beträchtlich an Boden gewonnen, beispielsweise als Ärztinnen, Apothekerinnen und Bibliothekarinnen.
Von großer sozialer Bedeutung ist es zu fragen, in welchem Ausmaß Frauen ihre qualifizierte Ausbildung >vergeuden< - oder, anders ausgedrückt, welche potentielle Reserve es unter den Frauen geben könnte, um die Lücken in Schulen, Krankenhäusern, Apotheken usw. aufzufüllen.
Um Licht in dieses Problem zu bringen, hat das Nationale Statistische Zentralamt [14] eine besondere Untersuchung durchgeführt. Unter den Ergebnissen ist am bemerkenswertesten, daß Frauen mit Hochschulabschluß und einer langen Ausbildung wahrscheinlich auch sehr hohe Erwerbsquoten beibehalten werden. Im Jahre 1960 waren von den verheirateten Frauen mit ärztlicher Ausbildung 78,7 vH in der Altersgruppe von 25 bis 29 82,0 vH in der Altersgruppe von 30 bis 39 und 90,1 vH in der Altersgruppe von 40 bis 59 Jahren beruflich tätig. Die entsprechenden Zahlen für Zahnärztinnen waren jeweils 83,7, 91,1 und 85,5 vH. Bei Apothekerinnen, Sozialpflegerinnen, Krankenschwestern und Ingenieurinnen waren die Erwerbsquoten erheblich niedriger.[15]
Die Tatsache, daß nicht nur die Ausbildungsdauer, sondern auch eine mehr oder weniger zusagende Arbeitszeit von Bedeutung ist, um verheirateten Frauen die Berufsarbeit zu ermöglichen, wird durch die hohe Erwerbsquote von Lehrerinnen beleuchtet, die zwischen 82,6 vH in der Altersgruppe 25 bis 29 Jahre, 75,1 vH in der Altersgruppe 30 bis 39 und 84,4 vH in der Altersgruppe 40 bis 59 Jahre wechselt. Bis zu einem gewissen Grade sind diese hohen Erwerbsquoten aber auch das Ergebnis von weit verbreiteten Aufrufen seitens der Behörden, die der Allgemeinheit den Personalmangel in Schulen, Krankenhäusern usw. vor Augen führen. Krankenschwestern zeigen in fortgeschrittenem Alter die bemerkenswerteste Zunahme der Berufstätigkeit; ihre Erwerbsquote steigt von 44,2 vH in der Altersgruppe 30 bis 39 Jahre auf 77,1 vH in der Altersgruppe von 40-59 Jahre. Der Öffentlichkeit und den verheirateten Frauen selbst wird zunehmend ihre soziale Verpflichtung ins Bewußtsein gerufen, für die in sie investierte Ausbildung eine Gegenleistung zu erbringen.
Mit dieser Tatsache soll jedoch nicht behauptet werden, daß den hohen Erwerbsquoten von Frauen mit Fachausbildung allein oder überwiegend weibliches Pflichtgefühl zugrunde liegt. Es kommen andere Faktoren hinzu, so etwa ein psychologisches Leistungsbedürfnis, der finanzielle Nutzen aus einer Berufsarbeit und die relative Langweiligkeit der üblichen Hausarbeit.[16] Dies alles zusammen hat in Schweden wie anderswo zu der Entwicklung einer ziemlich neuen Erscheinung geführt, nämlich der Frau mit einem Beruf und Familienpflichten.
Allgemeiner Überblick
Die vorstehenden Angaben werden ausreichen um zu zeigen, daß die Erwerbstätigkeit von Frauen ein wichtiges Merkmal der Sozialstruktur in Industrieländern geworden ist, und daß ferner eine große, wachsende Zahl verheirateter Frauen einen Teil der Arbeitskräfte in ihnen bildet. Diese Erscheinung hat während der letzten Jahre unabhängig von dem steigenden Lebensstandard an Bedeutung gewonnen. Wirtschaftliche Schwankungen haben tatsächlich nur wenig daran geändert. Erwerbstätigkeit von Frauen ist jetzt ein wesentlicher Bestandteil der westlichen Zivilisation, ungeachtet nationaler und regionaler Unterschiede, die aus den verschiedenen sozialen Traditionen und historischen Entwicklungen entspringen.
Die gemeinsamen Faktoren können wie folgt zusammengefaßt werden.
In allen hier behandelten Ländern bilden die Frauen rund ein Drittel der Arbeitskräfte. überall wird die Entwicklung der jüngsten Zeit gekennzeichnet durch einen Rückgang der Zahl der Frauen in den häuslichen Diensten, eine relative Abnahme ihrer Zahl auch in der industriellen Arbeit (relativ gegenüber der Gesamtzahl der erwerbstätigen Frauen), und eine Zunahme der Zahl der Frauen im Bürodienst, im Handel und in den gehobenen Berufen. Der Anteil der weiblichen Erwerbspersonen stieg bei den Angestellten deutlicher als bei den Handarbeitern an, und es kann eine allgemeine Tendenz zu »Arbeit mit weißem Kragen« und sitzender Beschäftigung beobachtet werden.
Es ist ferner erwähnenswert, daß eine Wechselbeziehung zwischen der Entwicklung der Sozialarbeit in modernen Ländern und der Mitarbeit der Frauen besteht. Während die wachsende Sozialarbeit eine große Zahl gelernter Arbeitskräfte erfordert und für diesen Zweck in beträchtlichem Umfange Frauen eingesetzt werden, haben die Frauen selber politisch wie auch beruflich ihren angemessenen Teil an Verantwortung dafür getragen, diese Arbeit zu verwirklichen.[17]
Die zweite äußerst wichtige Erscheinung ist die allgemeine Tendenz zu verstärkter Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen in allen Gesellschaftsschichten.
Der gleichzeitige Mangel an Hausarbeitskräften hat eine Unzahl von neuen Problemen geschaffen. Einerseits hindert das Fehlen zuverlässiger häuslicher Hilfen viele tüchtige Frauen daran, Erwerbsarbeit anzunehmen; andererseits schafft die wachsende Zahl verheirateter Frauen, die eine außerhäusliche Beschäftigung aufnehmen möchten, eine steigende Nachfrage nach häuslichen Diensten aller Art, sei es in Gestalt von organisierter Haushaltshilfe, gewerblichen Dienstleistungsbetrieben oder der Reorganisation bestehender Wohnungs-, Einkaufs-, Krippen-Einrichtungen usw. Es wird immer schwerer, diese Nachfrage in dem herkömmlichen Rahmen zu befriedigen; soziale Neuordnungen, die es ermöglichten, auf häusliche Dienstleistungen alten Stils zu verzichten, und die dennoch verheiratete Frauen von einem großen Teil der häuslichen Plackerei befreien, haben nirgends mit dem zunehmenden Bedürfnis Schritt gehalten.
Die Abwendung der Frauen von den häuslichen Diensten und in geringerem Maße auch von der Industrie könnte einen Trend fort von der ungelernten Arbeit vermuten lassen. Aber eine genauere Untersuchung der Arbeitsarten, die von Männern und Frauen in jedem Erwerbszweig aus,geübt werden, zeigt, daß die Frauen weiterhin in den Stellen beschäftigt sind, die weniger Fertigkeit, Ausbildung und Verantwortung erfordern. Das ist der Preis, den die Frauen für ihre Unsicherheit hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft zahlen. Zweifellos hat diese Situation nichts mit ihren angeborenen Fähigkeiten oder den psychologischen Merkmalen ihres Geschlechts zu tun, sondern mit der Tatsache, daß ihr Schicksal so eng mit ihrer Familienaufgabe verbunden ist.
Ein drittes bemerkenswertes Kennzeichen der hier betrachteten Lage ist es, daß das Durchschnittsalter der erwerbstätigen Frauen gestiegen ist. Dies steht im Zusammenhang damit, daß die neu hinzukommenden weiblichen Arbeitskräfte in der großen Mehrzahl verheiratete Frauen sind. Die Tatsachen und Zahlen beweisen beredter als alle Meinungsäußerungen, daß immer mehr Frauen es ablehnen, sich vollkommen auf die Häuslichkeit zurückzuziehen. Immer mehr von ihnen nutzen ihre Kräfte so oder so für Aufgaben, die über den Umkreis ihrer Familie hinausgehen, und das oft in einem Alter, in dem sie nicht durch gesellschaftliches Herkommen dazu ermutigt werden.
Eine weitere Beobachtung, die sich aus dem Vergleich von Arbeitsstatistiken verschiedener Länder ergibt, mag recht unerwartet scheinen. Bei den gelernten sowie den höheren Berufen hat sich offenbar eine gewisse Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern entwickelt, die weitgehend in den traditionellen Gleisen verläuft. Zu Beginn der Frauenemanzipation wurden viele Männer von der Furcht verfolgt, daß sie mit den Frauen um jeden Arbeitsplatz würden kämpfen müssen, oder daß sie durch Frauen auf jenen Arbeitsgebieten ersetzt werden würden, die als männliches Vorrecht galten. In Wirklichkeit zeigt es sich jedoch, daß die »Emanzipation« das herkömmliche Verhältnis bisher nicht wesentlich verändert hat. Die Statistiken erweisen, daß die Frauen immer noch hauptsächlich in eine begrenzte Anzahl »weiblicher« Beschäftigungen, wie Lehrberufe und medizinische Hilfsdienste einströmen, abgesehen von dem großen Heer der Stenotypistinnen und Sekretärinnen, die den Mann nicht auf einem traditionellen Gebiet ersetzen, sondern ihm Dienste leisten in einem Berufsfeld, das durch die moderne Geschäfts- und Verwaltungsmethoden entstanden ist. Das Ergebnis der Emanzipation war eher, scheint es, daß in den »weiblichen« Berufen die Amateure durch Fachkräfte und nicht etwa die Männer durch Frauen in den »männlichen« Arbeitsbereichen ersetzt wurden, obwohl in diesen heutzutage auch einige Frauen tätig sind.
Wenn wir diese Tatsache verzeichnen, so soll damit nicht die Bedeutung des Ersatzes von Amateuren durch gelernte, gut ausgebildete und bezahlte Arbeitskräfte verringert werden. Gewaltige Wandlungen, vor allem in der geistigen Einstellung und Haltung, haben sich aus dieser neuen Entwicklung ergeben.
Welch ein Unterschied besteht sowohl in dem Persönlichkeitsbild als auch in der sozialen Stellung zwischen einer Krankenschwester, die hinter dem Schlachtfeld mit einem Fallschirm abspringt, und einer unausgebildeten Frau, die überlieferte Hausmittel bei ihren kranken Familienmitgliedern anwendet! Der Ersatz von abergläubischen Vorstellungen durch wissenschaftliche Kenntnisse, von laienhaftem Herumlaborieren durch rationelle Methoden hat eine neue Frau hervorgebracht, so wie auch eine neue Gesellschaft entstanden ist, obwohl der Beruf an sich - in unserem Beispiel die Pflege von Kranken und Verwundeten - im Grunde der gleiche geblieben ist. Ähnlich ist es mit den Lehrberufen, den pflegerischen und einer großen Zahl von anderen Berufen, in denen Frauen eine wichtige Rolle spielen.
Die Tatsache, daß nach mehreren Jahrzehnten der Emanzipation und der erklärten Gleichheit in Erziehung und Berufschancen die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern noch immer besteht - wenn auch in abgewandelter Form - mag überraschend erscheinen, insbesondere für die Radikalen auf beiden Seiten der Auseinandersetzung über die Frauenemanzipation. Die Furcht der Männer, durch ehrgeizige Frauen aus ihren Arbeitsplätzen verdrängt zu werden, hat sich als unbegründet erwiesen, und eines der Argumente gegen die Erwerbstätigkeit von Frauen hat hierdurch viel von seiner- Kraft verloren.
Auf der anderen Seite muß der Gang der Entwicklung auch für die Hoffnung der Feministen enttäuschend sein, obwohl er die frauenfeindlichen Argumente widerlegt. Denn wenn sich die Frauen nicht die höheren Berufe erringen - und auch die höchsten Stellen -, werden sie nicht genug Führungskräfte aus ihren eigenen Reihen heranbilden und nicht genügend auf die Politik einwirken; sie werden weder ein anspornendes Beispiel geben noch einen Wandel der öffentlichen Meinung anbahnen - kurz, sie werden nicht vollkommene Gleichberechtigung erlangen.
Es bleibt die Frage offen, ob diese neue Spezialisierung nach Geschlechtern nur für unsere Übergangsperiode kennzeichnend ist, oder ob sie andauern wird. Aber selbst wenn sie offenkundig das Ergebnis eines Übergangs von der althergebrachten zu einer neuen Rolle der Frau in der Gesellschaft ist, besteht zweifellos die Gefahr, daß die heutige Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern ein Schema einführt, durch das die Frau in Berufen isoliert wird, in denen sie nur geringe Aussichten auf Unabhängigkeit und Verantwortung hat. Die Tatsache, daß heute so viele ausgebildete, begabte Frauen mit Führungsqualitäten nur untergeordnete Stellen innehaben, scheint ein Zeichen dieser Entwicklung zu sein.
Auf Grund der in diesem Kapitel dargelegten Zahlen kann man sagen, daß die Aufteilung der gehobenen Berufe nach den Geschlechtern - abgesehen von den Lehr- und Pflegeberufen, die anscheinend überall eine weibliche Domäne sind - in den behandelten Ländern sich in mehrerer Hinsicht voneinander unterscheidet. In Frankreich und Schweden wurden beispielsweise die Arzneimittel- und die Zahnheilkunde zu weiblichen Arbeitsgebieten. Während in den Vereinigten Staaten verhältnismäßig viele Frauen im Geld- und Versicherungswesen sowie im Immobiliengeschäft tätig sind, haben sie in Großbritannien so gut wie keinen Vorstoß in diese Gebiete gemacht.
Daraus geht deutlich hervor, daß die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern eher das Ergebnis von bestehenden örtlichen Verhältnissen und Überlieferungen als von psychologischen Geschlechtsunterschieden ist. Als Neulinge werden die Frauen natürlich in die Gebiete des geringsten Widerstandes hineingezogen. Diese können in den einzelnen Ländern unterschiedlich sein, je nach der gegebenen Ordnung der Sozialverfassung. Aber angesichts der deutlichen nationalen Unterschiede kann man schwerlich daran festhalten, daß die Berufswahl der Frauen die Folge irgendwelcher angeborener Geschlechtsmerkmale ist. Es wäre anderenfalls schwer verständlich, warum zum Beispiel britische Frauen weniger am Geldwesen interessiert sein sollten als ihre amerikanischen Schwestern, oder warum der Arztberuf auf britische Frauen soviel anziehender als auf amerikanische wirkt.
Die Berufswahl ist offensichtlich das Gesamtergebnis aus vielen Faktoren. Unter diesen sind günstige Gelegenheiten und allgemein geltende gesellschaftliche Sitten zweifellos wichtige Elemente. Was die Frau anbetrifft, so wird diese Wahl auch stark durch die Rolle beeinflußt, die sie in der Familie zu spielen hofft. Das ist schließlich mehr als verständlich.