Überlegungen zur Untersuchung von Frauenbildern in männlicher Literatur*
- (* Das Zitat stammt aus Fontanes »Cecile«. Vgl. Inge Stephan: »Das Natürliche hat es mir seit langem angetan« - Zum Verhältnis von Frau und Natur in Fontanes »Cecile«. In: Natur und Natürlichkeit. Hrsg. von Jost Hermand und Reinhold Grimm. Königstein/Ts. 1981, S. 118-149)
I
Untersuchungen zum Bild der Frau in der älteren und neueren Literatur sind im Bereich der Literaturwissenschaft nichts Neues. Es hat schon früher Untersuchungen zum Frauenbild einzelner Autoren oder Epochen gegeben.[1] Häufig handelt es sich dabei sogar um Arbeiten, die von Frauen verfaßt sind, die sich der älteren Frauenbewegung verbunden fühlten, über diese erst den Mut zum Studium und zur wissenschaftlichen Arbeit gefunden hatten. Dennoch sind diese Arbeiten sehr unbefriedigend. Sie zeigen zwar ein noch weitgehend unbewußtes Interesse von Frauen zu Themen zu arbeiten, die, wie man heute sagen würde, mit ihnen zu tun haben, aber sie verbleiben zumeist auf einer vorwiegend beschreibenden Ebene, sind analytisch unscharf und im ganzen gesehen affirmativ. In unserer Wissenschaft gelten sie als Arbeiten von unterdurchschnittlichem Niveau, mit der bescheidene Gemüter sich einen Doktortitel erschreiben konnten. Daß solche Einschätzungen nicht nur Vorurteile gegen Wissenschaftlerinnen und sogenannte Frauenthemen sind, kann jeder leicht nachprüfen, wenn er diese Arbeiten einmal zur Hand nimmt. Auch wenn man bedenkt, daß der Anspruch an wissenschaftliche Veröffentlichungen vor 60 oder 70 Jahren ungleich geringer als heute war, kann man doch die Dürftigkeit dieser Arbeiten nicht übersehen. Woran mag das liegen? Ich will dazu einige Hypothesen wagen:
- Die bürgerliche Frauenbewegung war als politische Bewegung ambivalent, in ihren Emanzipationsvorstellungen zu zerstritten und widersprüchlich, als daß sie einen wirklichen Anregungscharakter für wissenschaftliche Arbeiten haben konnte. Patriarchalische Leitbilder der Frau wurden von der bürgerlichen Frauenbewegung zumeist übernommen, zum Teil geringfügig modifiziert und nur in Ausnahmefällen - wenn die Frauenfeindlichkeit unübersehbar war - abgelehnt, so daß für die Entwicklung einer kritischen Perspektive kaum eine Basis bestand.
- Ein Bewußtsein für die Relevanz des Geschlechts bei der dichterischen Produktion bestand im allgemeinen in unserer Wissenschaft nicht oder wenn, dann in einer explizit frauenfeindlichen Form. Erinnert sei hier nur an die Arbeiten von Möbius über den »physiologischen Schwachsinn des Weibes«[2] oder von Weininger über »Geschlecht und Charakter«,[3] nach der Weiblichkeit und Produktivität sich definitorisch ausschlössen. Sicher, das waren extreme Positionen. Der herrschenden Meinung nach galt dichterische Produktion als eine Tätigkeit, die sich gerade dadurch auszeichnete, daß Klasse, kultureller Zusammenhang und Geschlecht dabei angeblich keine Rolle spielten. In diesem Zusammenhang wichtig sind die Auffassungen vom androgynen Charakter der Kunst und des Künstlers,[4] die aber trotz aller bedenkenswerter Momente,[5] nicht darüber hinwegtäuschen können, daß hier - wie so oft - unter der Hand menschlich doch wieder mit männlich gleichgesetzt wurde, und daß Schreiben über Jahrhunderte hinweg vor allem eine Domäne von Männern gewesen ist. Daß Männer aber nicht als über den Gattungen schwebende Vertreter einer idealisierten Menschheit schreiben, sondern daß sie als Autoren von ihrer Zeit und Umgebung, von ihrer Klasse und ihrem Geschlecht geprägt worden sind, galt in unserer Wissenschaft lange Zeit entweder als klassenkämpferische Position oder als schlichtweg unanständig und wird auch heute gern noch als marxistische oder feministische Sichtweise abqualifiziert.
- Sozialgeschichtliche, ideologiekritische und psychoanalytische Fragestellungen wurden nur von Außenseitern und Einzelgängern in unserem Fach behandelt; sie gehörten nicht in den Kanon unserer Wissenschaft. Infolgedessen fehlte ein methodisches Instrumentarium zur Aufschlüsselung geschlechtsspezifischer Wahrnehmungs- und Schreibweisen so gut wie völlig.
- Die Untersuchung von Frauenbildern fand auf der gleichen Ebene statt wie die Untersuchung von irgendwelchen x-beliebigen Motiven und kam bestenfalls über den Status einer guten Motivuntersuchung nicht hinaus.
Wir können also aus den älteren Arbeiten wenig lernen - vielleicht nur das, wie wir es nicht machen sollten. Fatal wird es - denke ich - überall dort, wo neuere Untersuchungen über Frauenbilder abgetan werden mit dem Hinweis darauf, daß man ja an den älteren Arbeiten schon sehen könne, wie unergiebig solche Fragestellungen seien. Notwendig in diesem Zusammenhang scheint mir zuerst einmal eine Definition dessen, was unter Frauenbild zu verstehen ist und zweitens eine Skizzierung des Untersuchungszusammenhangs, in dem die Beschäftigung mit Frauenbildern heute steht.
II
Als erstes will ich auf den neuen Problem- und Fragenzusammenhang eingehen, in dem Untersuchungen zu Frauenbildern heute stehen, um danach Definitionsvorschläge zum Terminus »Frauenbild« zu machen.
Die Untersuchung von Frauenbildern heute steht unter der stillschweigenden oder explizierten Voraussetzung, daß Schreiben keine geschlechtsneutrale Tätigkeit ist, sondern daß es Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Schreibweise gibt. Dabei ist definitorisch keineswegs festgelegt, was denn nun männliches oder weibliches Schreiben ist - das würde ja nur zur Reproduktion gängiger Vorurteile und Stereotypen führen -, sondern die Begriffe »männliches Schreiben« und »weibliches Schreiben« funktionieren als Koordinaten in einer Untersuchung, die diese Begriffe inhaltlich erst füllen und differenzieren muß. Die These, daß das Geschlecht des Autors bzw. der Autorin ebenso eine Rolle spiele wie der jeweilige lebensgeschichtliche, kulturelle, soziale und politische Zusammenhang einerseits und die herrschenden und tradierten ideologischen und literarischen Muster andererseits, bedarf der Überprüfung durch eine sehr genaue Analyse nicht nur eines Werkes oder eines Autors bzw. einer Autorin, sondern durch eine kritische Neubearbeitung der gesamten Literaturgeschichte. Erst dann wird die Basis geschaffen sein, auf der herausgefunden werden kann, ob und wie das Geschlecht eines Autors bzw. einer Autorin in dem jeweiligen Text zum Ausdruck gekommen ist.
Ich will hier nicht die Debatte über männliches und weibliches Schreiben in all ihren Einzelheiten und Problemen entfalten oder erste vorläufige Ergebnisse präsentieren, wie sie z.B. von den französischen Strukturali-stinnen vorgelegt worden sind, sondern es geht mir allein darum, zu betonen, daß die hypothetische Unterscheidung zwischen männlichem und weiblichem Schreiben ebenso grundlegend für die Untersuchung von Frauenbildern in männlicher Literatur wie für die Analyse von Frauenliteratur ist, das heißt, daß sie ein unverzichtbares Moment einer jeden sich als feministisch verstehenden Literaturwissenschaft ist.
Eine weitere stillschweigende oder ausgesprochene Voraussetzung ist die These, daß eine ökonomische und politische Definition von Gesellschaft nicht zureichend ist, daß sie ergänzt werden muß durch eine Aussage darüber, was für Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestehen. Das Stichwort ist Patriarchat und patriarchalische Strukturen. Auch hier kann es nicht darum gehen, die umfängliche und verzweigte Patriarchatsdebatte aufzurollen, sondern nur darum, den Herrschaftszusammenhang deutlich zu machen, in dem literarische Werke entstehen und in dem sie gewollt oder ungewollt eine Funktion einnehmen.
Aus diesen Voraussetzungen resultiert eine Haltung, die mit Parteilichkeit am besten umschrieben werden kann. Parteilich ist diese Haltung deshalb, weil sie den Erfahrungszusammenhang der Repression von Weiblichkeit im patriarchalischen System offensiv thematisiert und zu Gunsten einer freien Entwicklung beider Geschlechter aufzubrechen versucht.
Auf dem Hintergrund dieser Voraussetzungen haben sich vier Forschungsansätze zur Untersuchung von Frauenbildern in männlicher Literatur herausgebildet, die ich im folgenden kurz skizzieren möchte:
1. Der erste Ansatz basiert auf einem ideologiekritischen Verfahren. Exponierte Vertreterin dieses Verfahrens ist Silvia Bovenschen. In ihrem 1979 erschienenen Buch »Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen«[6] hat sie die Produktion von Frauenbildern als eine Form von Ideologieproduktion beschrieben, die über die wahren Machtverhältnisse in der Gesellschaft hinwegtäuscht. Ihre These von der »Schattenexistenz« realer Frauen im politischen und kulturellen Leben und dem gleichzeitigen »Bilderreichtum« in der Literatur hat auf ein tatsächlich bestehendes Mißverhältnis aufmerksam gemacht, auf das Virginia Woolf bereits in ihrem Text »Ein Zimmer für sich allein« (1928) hingewiesen hat:
»Ein höchst seltsames, gemischtes Wesen entsteht vor unserem Auge. Im Reich der Phantasie ist sie von höchster Bedeutung; praktisch ist sie völlig unbedeutend. Sie durchdringt die Dichtung von Buchdeckel zu Buchdeckel; sie ist alles andere als historisch abwesend. Sie beherrscht das Leben der Könige und Eroberer in der Fiction; in der Wirklichkeit war sie der Sklave eines jeden beliebigen Jungen, dessen Eltern ihr einen Ehering auf den Finger zwangen. Einige der inspiriertesten Worte, einige der tiefgründigsten Gedanken der Literatur kommen ihr über die Lippen; im wirklichen Leben konnte sie kaum lesen, kaum buchstabieren und war das Eigentum ihres Ehemannes.«[7]
Silvia Bovenschen hat nun sehr überzeugend herausgearbeitet, welchen ideologischen Mustern die Produktion von Frauenbildern folgt und auf welche gesellschaftliche Konstellation sie reagiert. Sie hat philosophische und kultursoziologische Theorien daraufhin befragt, welches Frauenbild sie vermitteln und ist dabei auf ein Grundverständnis von Weiblichkeit gestoßen, das mit dem Begriff »Natureinheit« am besten umschrieben werden kann. »Die Frau ist als Verkörperung der Natureinheit das, was der Mann im Kunstwerk erst wiederherzustellen sucht.«[8] Im Rekurs auf die kulturkritischen Theorien von Horkheimer und Adorno hat Bovenschen insbesondere in ihrem Aufsatz über die »aktuelle Hexe, die historische Hexe und den Hexenmythos« die Ambivalenz solcher Vorstellungen entwickelt.[9] In der »Dialektik der Aufklärung« haben Horkheimer und Adorno den Prozeß der Zivilisation gekennzeichnet als einen Verlauf, in dem die äußere und innere Natur zunehmend zu Gunsten von Fortschritt und Aufklärung unterdrückt worden ist. Eines der zentralen Zitate, auf das sich Bovenschen immer wieder beruft, lautet:
»Die Frau ist nicht Subjekt. Sie produziert nicht, sondern pflegt die Produzierenden, einen lebendiges Denkmal längst entschwundener Zeiten der geschlossenen Hauswirtschaft. Ihr war die vom Mann erzwungene Arbeitsteilung wenig günstig. Sie wurde zur Verkörperung der biologischen Funktion, zum Bild der Natur, in deren Unterdrückung der Ruhmestitel dieser Zivilisation bestand. Grenzenlos Natur zu beherrschen, den Kosmos in ein unendliches Jagdgebiet zu verwandeln, war der Wunschtraum der Jahrtausende. Darauf war die Idee des Menschen in der Männergesellschaft abgestimmt. Das war der Sinn der Vernunft, mit der er sich brüstete. Die Frau war kleiner und schwächer, zwischen ihr und dem Mann bestand ein Unterschied, den sie nicht überwinden konnte, ein von Natur gesetzter Unterschied, das Beschämendste, Erniedrigendste, was in der Männergesellschaft möglich ist. Wo Beherrschung der Natur das wahre Ziel ist, bleibt biologische Unterlegenheit das Stigma schlechthin, die von Natur geprägte Schwäche zur Gewalttat herausforderndes Mal.«[10]
Die Frau ist - ebenso wie der Mann - also Opfer eines Zivilisationsprozesses, den sie nur als verstümmelte und domestizierte Natur überleben kann. Die Vorstellungen vom Naturwesen Frau tragen ein Janusgesicht. Zum einen führen sie zum Ausschluß der Frau aus der kulturellen Sphäre und rechtfertigen diesen auch noch, weil Kultur und Natur im zivilisatorischen Prozeß zu unvereinbaren Gegensätzen geworden sind. Zum anderen sind in ihnen die Erinnerungen und Sehnsüchte an ein verlorenes Paradies von Naturhaftigkeit aufbewahrt. Die Frau wird zum diffusen Symbol all dieser Sehnsüchte. Aber auch dieses Symbol ist außerordentlich ambivalent. Es ist belastet mit der Erinnerung an den Prozeß der Zerstörung von äußerer und innerer Natur und ist daher Schreckbild und Wunschbild zugleich. In der Vorstellung vom Naturwesen Frau vermischen sich das Bewußtsein von Schuld, die Angst vor Rache und die Sehnsucht nach Harmonie.
Am Beispiel von Frank Wedekinds »Lulu« hat Bovenschen diese Ambivalenzen deutlich zu machen versucht. Das »schöne Tier« Lulu ist für sie ein Beispiel dafür, wie unterschiedliche Mythen von Weiblichkeit sich in einer Frauenfigur vermischen. Lulu ist einerseits Projektionsfigur, sie ist alles das, was die männlichen Figuren in ihr sehen. Andererseits ist sie »konstruiert als eine Gestalt, die diese Bilder immer wieder zerstört, indem sie die eine Imago abwirft, um eine neue anzunehmen«.[11]
Dabei unterscheidet Bovenschen strikt zwischen den imaginierten Bildern von Weiblichkeit und den »realen Frauen«. Die Texte geben nach ihrer Auffassung keinen Aufschluß über das Leben »wirklicher Frauen«, noch ermöglichen sie ein Verständnis jenseits der Bilder. Sie sind jedoch mächtig wie jede Form von Ideologieproduktion. Frauen nehmen die von ihnen entworfenen Bilder als eigene an, versuchen sich daran auszurichten und reproduzieren damit ein Verständnis von Weiblichkeit, das doch nur männliche Projektion ist.
»Dem Diktat der Bilder folgend, versuchen sich die Frauen in ihrem Alltag den männlichen Wunschvorstellungen anzunähern, ohne mit diesen ... zu spielen. Da aber die Frauen sich in der Geschichte nicht selber präsentierten, da sie sich nicht artikulierten, sondern stumm blieben, kann sich das Weibliche immer nur in dieser 'irgendwie fremden Gestalt' ausdrücken. Daher greift auch der Rollenbegriff, der häufig auf die sogenannte Frauenfrage appliziert wird, zu kurz; man muß, um mit ihm sinnvoll operieren zu können, davon ausgehen, daß es hinter der Rolle noch etwas Eigenständiges gibt, da er sich andernfalls selbst relativiert. Jenseits der vorgegebenen Bilder - 'der Rollen' - steht indes nur noch die Hypostasierung eines Weiblichen 'an sich', das ohne Vermittlung mit den aus der Sicht der Männer eingeschliffenen oder favorisierten konkreten Ausprägungen so formal und allgemein bleibt, daß es sich jeder Vorstellung entzieht.«[12]
Elisabeth Lenk hat im Bild von der »sich selbst verdoppelnden Frau« das Wechselverhältnis von Projektion und Spiegelung zu fassen versucht:
»Das Verhältnis der Frau zu sich läßt sich zeigen am Spiegel. Der Spiegel, das sind die Blicke der Anderen, die vorweggenommenen Blicke der Anderen. Und von Alters her befragt ihn die Frau mit der bangen Frage der Stiefmutter im Märchen: 'Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?' Und auch wenn an die Stelle der vielen Anderen der eine Andere tritt, der Mann, der Geliebte, hört die bange Frage nicht auf. Es kommen die Schreckensmomente, wo die Frau sich im Spiegel sucht und nicht mehr findet. Das Spiegelbild ist irgendwohin verschwunden, der Blick des Mannes gibt es ihr nicht zurück.«[13]
2. Nicht so sehr die ideologischen als vielmehr die psychischen Mechanismen stehen im Mittelpunkt des zweiten Forschungsansatzes. Literatur wird hier nicht in erster Linie verstanden als eine Form der Ideologieproduktion, sondern als eine Form von Wunschproduktion, in der individuelle und kollektive Wünsche sich ausdrücken und scheinhaft befriedigt werden. Der von Klaus Theweleit geprägte Begriff der »Männerphantasie« signalisiert ein Verständnis von Geschlechterbeziehung, in dem Momente wie Verdrängung, Projektion, Entwirklichung, Affektabfuhr, Sexualisierung und Entsexualisierung, Entgrenzung und Territorialisierung eine zentrale Rolle spielen.[14] Die Begriffe verweisen alle auf einen psychoanalytischen Deutungszusammenhang, der sich mit dem Namen Freud, aber auch mit den Namen Foucault, Deleuze, Guattari und Dürr verbindet.
Die Bezugnahme auf die psychoanalytischen Theorien und Interpretationsverfahren ist innerhalb der neueren Frauenbewegung sehr umstritten, weil man in der Psychoanalyse ein patriarchalisches Verständnis von Weiblichkeit wiederzufinden glaubt. Entsprechend vorsichtig ist demzufolge die Bezugnahme auf psychoanalytische Theorie in der feministischen Literaturwissenschaft. Übernommen werden bestimmte Grundannahmen, wie z.B. die von der Triebstruktur des Menschen und der Rolle des Unbewußten, abgelehnt bzw. relativiert werden dagegen insbesondere Freuds Auffassungen über Weiblichkeit und weibliche Sexualität. So rekurriert Marianne Schuller in ihren Arbeiten auf den durch die Psychoanalyse vorgegebenen Zusammenhang von Sexualität und Sprache und auf das Verhältnis von Triebschicksal und kultureller Produktion, ohne dabei jedoch die Psychoanalyse als geschlossene Theorie zu Grunde zu legen.[15] Sie geht davon aus, daß der Ausschluß von Weiblichkeit konstitutiv für die Hervorbringung der kulturellen Ordnung ist - ein Gedanke, den wir bereits aus der Kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno kennen. Diesen Ausschluß von Weiblichkeit sieht sie auf zwei Ebenen, einmal auf einer sehr realen, und einmal auf der Ebene der Fiktion. »Die Geburt des Bildes ist der Tod der Frau.«[16] Diesen auf den ersten Blick unverständlichen und verwirrenden Satz verdeutlicht sie in einer Interpretation von E.A. Poes Erzählung »Das ovale Porträt«. Poe erzählt darin von einem jungen Mädchen, das einen Maler liebt und schließlich seine Ehefrau wird. Das Begehren des Mannes ist jedoch in erster Linie auf die Kunst gerichtet, »er besaß in seiner Kunst schon eine Braut«.[17] Schließlich beginnt der Maler die eigene Frau zu malen. Diese sitzt ihm wochenlang Modell. Doch während das Bild auf der Leinwand immer lebensähnlicher wird, verfällt die junge Frau immer mehr und verliert zusehends an Lebenskraft. Als das Bild schließlich fertig ist, ist sie tot. Es heißt in der Erzählung:
»Und als dann viele Wochen vorübergestrichen waren und wenig mehr zu tun blieb, noch ein Pinselstrich am Munde - ein Tupfen dort am Aug', da flackerte der Geist des Mädchens noch einmal auf wie die Flamme in der Leuchterhülse. Und dann war der Pinselstrich getan und der Farbtupfen angebracht; und einen Augenblick lang stand der Maler versunken vor dem Werk, das er geschaffen; im nächsten aber, während er noch starrte, befiel ein Zittern ihn und große Blässe, Entsetzen packt' ihn, und mit lauter Stimme rief er 'Wahrlich, das ist das Leben selbst!' und warf sich jählich herum, die Geliebte zu schaun: - Sie war tot!«[18]
Diese Geschichte versteht Marianne Schuller symbolisch. Kunstproduktion fordert Opfer nicht nur in der Realität, sondern auch in der Fiktion. So hält Schuller es nicht für zufällig, daß Frauenfiguren in Texten von Männern so häufig sterben. Eine gute Frau ist eine tote Frau. Von einer solchen Auffassung gibt es vielfältige Verbindungslinien zu den Thesen von Klaus Theweleit.
Theweleits Buch ist ein großräumig angelegter Beitrag darüber, wie das Denken und Sprechen über Weiblichkeit und Frauen abhängig ist von den jeweiligen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen und von der lebensgeschichtlichen Situation des Autors. Der Terminus »Männerphantasie« bedeutet, daß die in den Texten entworfenen Frauenfiguren keine Darstellung realer Frauen oder Geschlechterverhältnisse sind, sondern individuelle und kollektive Phantasien über das Wesen der Frauen beinhalten, mit denen Männer auf die Beschädigungen durch den zivilisatorischen Prozeß reagieren. Die »Entstehung des Panzers gegen die Frau«, die Spaltung der Frau in eine rote (sexualisierte) und in eine weiße (entsexualisierte) Frau, das dialektische Zusammenspiel von »Sexualisierung« und »Entsexualisie-rung« und die Rolle des Frauenopfers - all dies sind Gesichtspunkte, die in der Interpretation an einzelnen Texten verifiziert werden müssen.
3. Gegen einen solchen Ansatz, der den Entwurf von Frauenbildern in erster Linie als eine Form der Wunschproduktion begreift, steht ein dritter Ansatz, der weniger exponiert ist als die beiden bislang vorgestellten Ansätze, der aber doch vorhanden ist. Gemeint sind sozialgeschichtlich orientierte Arbeiten, die hinter aller Ideologiehaftigkeit und Phantasietätigkeit die Lebenswirklichkeit von Frauen aufzuspüren versuchen.[19] Bezugspunkt solcher Arbeiten ist ein Verständnis von Literatur, das auf dem Realismusgehalt poetischer Texte besteht. Ich will mich hier nicht auf die Realismusdebatte einlassen, glaube aber, daß solche Überlegungen insofern einen bedenkenswerten Kern haben, als das mimetische Prinzip von Literatur darin nicht völlig verloren geht. Mimesis heißt in diesem Zusammenhang nicht Abbildung realer Frauen oder realer Verhältnisse, sondern meint, daß Lebenswirklichkeit in den Texten aufbewahrt ist.
Ich will diesen Gedanken an einem Beispiel erläutern. Fontane schildert in seinem Roman »Effi Bliest« das typische Schicksal einer Frau, die an den männlichen Normen zu Grunde geht, was Interpreten immer wieder dazu verführt hat, den Roman als einen »realistischen« Text zu lesen. Dafür sprechen in der Tat die vielen sozialkritischen Bezüge des Autors auf die damalige Zeit: Bürgerliche Ehemoral, antiquierte Ehrbegriffe, Duellunwesen, Sexualunterdrückung, Frauenfrage - das sind die entscheidenden Themen des Romans, und sie werden mit einer sympathetischen Anteilnahme des Autors für seine Heldin behandelt. Effi, Cecile, Mathilde -
die Reihe ließe sich um weitere Namen ergänzen - sind Kunstfiguren und als solche auch Projektionen von Wünschen des Autors - wer wollte das bestreiten? - Sie sind aber zugleich auch Facetten von Weiblichkeit.
Nicht in dem Sinne, so sind eben die Frauen, sondern, so sind sie hergerichtet worden. Nicht im Sinne des Ewig-Weiblichen, sondern im Sinne einer produzierten Weiblichkeit, in deren enge Muster reale Frauen hinein
gezwängt und in deren Maschen sie stranguliert wurden.
Flaubert, ein Zeitgenosse Fontanes, hat einmal gesagt, daß es Frauen gar nicht gäbe. »Die Frau ist ein Erzeugnis des Mannes. Gott hat das Weibchen geschaffen und der Mann die Frau. Sie ist das Resultat der Zivilisation, ein künstliches Werk.«[20] In einem solchen Gedankengang, dessen patriarchalischer Gestus wütend machen kann, steckt ein für unseren Zusammenhang dennoch wichtiger Gedanke, nämlich die Auffassung von der Frau als Schöpfung des Mannes und als künstliches Werk - und zwar im Hinblick auf die Realität und in Hinsicht auf die Fiktion.
4. Gegen diese drei Ansätze, die sich übrigens ergänzen und in der Textanalyse auch miteinander verbunden werden sollten, steht ein vierter Ansatz. Das Unbehagen, das die vorgestellten Ansätze zurücklassen, kann man in den provozierenden Fragen zusammenfassen: Und wo bleibt die Kraft und die Stärke von Frauen? Sind Frauen in männlichen Texten wirklich nur Projektionsfläche, Wunschterritorium oder Opfer patriarchalischer Zurichtung? Sind in den Texten nicht doch - trotz aller Ideologie- und Verdrängungsarbeit der Autoren - noch Spuren einer verschütteten Weiblichkeit verborgen, die in der Textanalyse rekonstruiert werden können? - Heide Göttner-Abendroth ist die profilierteste Vertreterin der Auffassung, daß in der patriarchalischen Kultur und Literatur matriarchalische Restbestände zum Ausdruck kommen.[21] Es geht ihr darum, »die Dimensionen unserer Weiblichkeit ohne die Verzerrungen der patriarchalischen Epoche wiederzuerkennen«,[122] was in der Konsequenz nicht nur ein neues Verständnis von Weiblichkeit, sondern auch ein neues Verständnis von Männlichkeit bedeutet:
»Und zur Ganzheit unserer eigenen Person gehört auch die Wiederentdeckung dessen, was Männlichkeit ohne die patriarchalen Verzerrungen gewesen ist. Denn es geht auch um das männliche Prinzip in uns, das 'Heroische' in jeder Frau, wenn wir nicht dem trügerischen Spiel der Konstruktion von Gegensätzen verfallen wollen, das für die patriarchale Geisteshaltung so typisch ist. Wir lösen den Knoten um die Wiedergewinnung unserer Weiblichkeit nicht, wenn wir heute zu den antagonistischen Gegensätzen nur die umgekehrte Wertung produzieren: das weibliche Prinzip verabsolutieren und das männliche Prinzip verneinen. So würden wir nur die uns aufgezwungene Denkweise des Patriarchats fortsetzen und uns zuletzt in ihrer Spiegelfechterei verlieren.«[23]
Heide Göttner-Abendroth wählt folgendes interpretatorisches Verfahren: In Märchen und Mythen - literarischen Formen, die in ihrem Entstehungskern in vorgeschichtliche Zeiträume zurückverweisen - versucht sie, Restbestände untergegangener matriarchaler Gesellschaften herauszuarbeiten. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß es matriarchalische Gesellschaften, von denen die traditionelle Geschichtswissenschaft schweigt, überhaupt gegeben hat. Heide Göttner-Abendroth nimmt in der umstrittenen Matriarchatsdebatte eine sehr entschiedene Position ein, die ich wegen ihrer Eindeutigkeit hier zitieren will:
»Unumwunden bezeichne ich die frühsten Religionen der Menschheit als 'matriarchal'. Ich mache keinen Umweg über den blassen Terminus 'präpatriarchal', von dem unklar ist, was er eigentlich heißen soll. Ich setze damit die Existenz von Matriarchaten voraus, und ich kritisiere die verkürzende Perspektive der Geschichte, welche diese Gesellschaftsform aus ihrem Bewußtsein verdrängt hat.«[24]
Ich muß gestehen, daß ich mit einem solchen Ansatz Schwierigkeiten habe. Die forsche Gleichsetzung von matriarchalen Religionen, die es ja unbestritten gegeben hat, mit matriarchalen Gesellschaftsformen, halte ich für problematisch. Mir sind die Ergebnisse der Matriarchatsdebatte zu wenig konkret, als daß ich mich auf einen Begriff wie Matriarchat und matriarchalische Kultur als Voraussetzung für die Textanalyse einlassen würde. Der Terminus präpatriarchal ist zwar vager, entspricht aber dem Forschungsstand eher und macht überdies deutlich, daß damit nicht-patriarchalische Gesellschaftsformen gemeint sind. Ich halte es letztlich nur für ein von Heide Göttner-Abendroth zu Recht kritisiertes trügerisches Spiel mit Gegensätzen, wenn man zum bestehenden Patriarchat als Gegenpol ein vorzeitliches Matriarchat entwirft. Sicher drücken sich in den Texten Erinnerungen an eine »andere« Weiblichkeit aus, die ich aber mit Simone de Beauvoir als eine Form des Mythos verstehen möchte, in dem kollektive existentielle Erfahrungen wie Geburt und Tod, Fruchtbarkeit, Mangel und Überfluß, Schwäche und Stärke, Naturkräfte usw. verarbeitet worden sind. Ziel feministischer Textarbeit sollte meines Erachtens die kritische Aufarbeitung mythischer, nicht-patriarchalischer Reste in der patriarchalischen Kultur sein. Das ist ein Stück Entzauberungsarbeit, die sicherlich weh tut und traurig machen kann, die aber doch notwendig ist, wenn wir nicht einem neuen Mystizismus und Irrationalismus aufsitzen wollen. Voraussetzung dafür ist aber eine Trennung zwischen Mythos und matriarchalischer Kultur und Gesellschaft. Genau diese vermisse ich in den Arbeiten von Heide Göttner-Abendroth und anderen. Zwar wird in den neueren Arbeiten inzwischen unterschieden zwischen dem »Lebendigbleiben matriarchalisch-mythologischer Elemente« und dem »Verarbeiten solcher Elemente in männlichen Produkten der imaginierten Weiblichkeit«,[25] aber diese Unterscheidung setzt immer noch die historische Existenz matriarchalischer Gesellschaftsformen voraus.
Ich will die Problematik dieses Ansatzes an einem Beispiel verdeutlichen. In einem kurzen resümierenden Aufsatz über das Undine-Motiv begreift Sabine Wellner die Gestalt der Wasserjungfrau Undine als eine Verkörperung ursprünglicher weiblicher Kraft, als einen Ausdruck der magischen und heroischen Kräfte von Frauen in matriarchalischer Zeit.[26] Sie stellt die Undine-Figur in den gleichen mythologischen Zusammenhang wie die Brünhild-Gestalt. In beiden Gestalten ist ihrer Meinung nach die noch undomestizierte Kraft matriarchalischer Weiblichkeit erinnernd aufbewahrt. Die literarische Geschichte des Undine-Motivs von Paracelsus' Elementargeister-Kosmologie über Fouques Märchen bis hin zu Ingeborg Bachmanns Erzählung »Undine geht« versteht sie als einen Umbruchsprozeß von matristischer zu patristischer Gesellschaftsordnung.
In einer solchen Konstruktion sind meines Erachtens drei Fehler enthalten. Zum ersten die stillschweigende Voraussetzung matriarchalischer Kultur und Gesellschaft. Zum zweiten die Verbindung von Undine-Motiv mit Brünhild-Sage. Brünhild ist die körperlich starke, ungebändigte Jungfrau, die durch den Mann erst noch überwunden werden muß. Sie gehört in den Zusammenhang amazonischer Heldinnen, die durch Körperkraft und kämpferischen Mut das patriarchalische Bild von Weiblichkeit gleich Schwäche durchbrechen. Undine dagegen ist ein zartes, jungfräuliches Wesen, das erst durch die Verbindung zum Mann eine Seele erhält und zum menschlichen Wesen wird. Über das Motiv der Jungfräulichkeit und seine magische Kraft und über die Vorstellung von der Erlösungs- bzw. Überwindungsbedürftigkeit der Frauen sind natürlich Verbindungen zwischen beiden Sagenkreisen gegeben, im ganzen gesehen überwiegen jedoch die Unterschiede. Der dritte entscheidende Fehler hängt mit dem zweiten eng zusammen. Durch die Verbindung zwischen Brünhild-Gestalt und Undine-Figur geht die Spezifik der beiden Sagenkreise und die der beiden Protagonistinnen verloren.
Gerade an den literarischen Verarbeitungen des Undine-Motivs wird deutlich, daß Undine eine völlig andere Frauengestalt ist als z.B. Brünhild und die anderen in ihrer Tradition stehenden Kraftfrauen. So ist die Nixe Undine bei Fouque eine androgyne Kindfrau, die den Mann erotisch in ihren Bann schlägt. Durch ihr Aussehen und durch ihre magischen Kräfte wird sie in einen assoziativen Zusammenhang mit Hexen und Sirenen gestellt und erhält dadurch eine Ambivalenz, die alle diesbezüglichen Vorstellungen vom Naturwesen Frau haben. Sie ist Wunschbild und Schreckbild zugleich: Sie ist einerseits rührendes Naturkind, zum anderen verschlingende dämonische Naturkraft. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu. Als ein Stück Natur ist sie den seelenlosen Pflanzen und Tieren vergleichbar. Auch sie hat keine Seele und durch ihren Fischschwanz wird sie gattungsmäßig eindeutig zugeordnet: Sie ist ein Wesen, dessen Menschwerdung noch nicht abgeschlossen ist. Damit wird sie aber zugleich zu einem Objekt der Formung durch den Mann. In ihrer Menschwerdung drückt sich der von Horkheimer und Adorno beschriebene Prozeß von Naturunterwerfung aus. Undine in ihren vielfältigen literarischen Gestaltungen ist Ausdruck männlicher Festschreibung der Frau auf einen ge-schichts- und subjektlosen Zustand, sie ist eine Form der imaginierten Weiblichkeit, in der sich der innerpatriarchalische Mythos von der Unterwerfung weiblicher Natur unter den männlichen Kulturwillen ausdrückt.
Ich hoffe, daß an diesem kurzen Beispiel deutlich geworden ist, daß die Rekonstruktion angeblicher matriarchalischer Restbestände in patriarchalischen Frauenbildern problematisch ist. Ich halte deshalb eine Abgrenzung von solchen Ansätzen für notwendig, damit wir uns nicht in haltlosen Spekulationen verlieren. Eine Abgrenzung ist wichtig auch in Hinsicht darauf, daß matristische Positionen inzwischen zu einer Modeerscheinung in der neueren Frauenliteratur geworden sind. Matriarchatsphantasien und Amazonengeschichten und damit verbunden die Konstruktion weiblicher Heldenfiguren gewinnen zunehmend an Bedeutung in der neueren Frauenliteratur.[27] Als utopische Entwürfe von Weiblichkeit und als polemische Kritik an einem verkürzten Verständnis von Weiblichkeit finde ich Matriarchats- und Amazonengeschichten außerordentlich produktiv, als vermeintliche historische Rekonstruktion matriarchalischer Gesellschaftsformen und als emphatische Rückbesinnung auf einen angeblich heroischen Zustand von Weiblichkeit, finde ich sie ähnlich problematisch, wie den Rekurs auf Biologie und Anthropologie für die Gewinnung einer Definition von »männlich« und »weiblich«. Genau wie die Vorstellungen von Gleichheit und Freiheit nicht unmittelbar aus der Naturgeschichte des Menschen entwickelt werden konnten, sondern Ergebnis eines langen, zivilisatorischen Prozesses waren, kann auch die Vorstellung eines neuen Geschlechterverständnisses und -Verhältnisses nicht naiv aus der Biologie oder Geschichte - auch nicht aus der Vorgeschichte - gewonnen werden. Das heißt nicht, daß gelebte Alternativen - sei es in anderen Kulturkreisen, wie sie z.B. M. Mead erforscht hat, sei es in vorpatriarchalischer Zeit - nicht berücksichtigt werden sollten. Ganz im Gegenteil. Aber sie dürfen keine Normen sein, sondern können meines Erachtens nur Anregungen geben beim Nachdenken darüber, wie ein Verständnis von Weiblichkeit und Männlichkeit ohne Geschlechterkampf, ohne Herrschaft, ohne Zerstörung, Unterwerfung und Unterdrückung aussehen könnte.
Die vorgestellten vier Forschungsansätze, der ideologiekritische, der sozialpsychologische und psychoanalytische, der sozialgeschichtliche und der matristisch-mythengeschichtliche, unterscheiden sich nicht nur, wie bereits ausgeführt, in ihren methodischen Orientierungen und Verfahrensweisen, sondern auch in ihrer jeweiligen Definition des Begriffs »Frauenbild«. Für eine ideologiekritisch verfahrende Untersuchung beinhaltet der Begriff »Frauenbild« eine Form der Ideologieproduktion, die Silvia Bovenschen mit dem Terminus »imaginierte Weiblichkeit« wohl eher mißverständlich umschrieben hat. In einer sozialpsychologisch verfahrenden Deutung bedeutet »Frauenbild« eine Form von männlicher Projektionsarbeit, für die sich der von Klaus Theweleit geprägte Terminus »Männerphantasie« eingebürgert hat. Für sozialgeschichtlich verfahrende Deutungsansätze sind im Begriff »Frauenbild« neben ideologischen und sozialpsychologischen Elementen auch noch realistisch-mimetische Momente enthalten, die für eine kritische Rekonstruktionsarbeit von weiblicher
Geschichte innerhalb des patriarchalischen Systems wichtig sind, während matristisch-mythengeschichtliche Deutungen mit dem Begriff »Frauenbild« die Aufarbeitung einer verdrängten und verschütteten matriarchalen
Weiblichkeit verbinden. Wie schon angedeutet, halte ich die Verbindung der verschiedenen Forschungsansätze, unter Verzicht auf den engeren matristischen, aber unter Einbeziehung des weiteren mythengeschichtlichen,
für sinnvoll. Alle vier Ansätze sind meines Erachtens notwendiger Bestandteil feministischer Forschung. Der Begriff »Frauenbild« sollte daher so erweitert werden, daß darin die ideologischen, sozialpsychologischen,
sozialgeschichtlichen und mythengeschichtlichen Orientierungen gleichermaßen Platz haben.
Ich schlage vor, unter »Frauenbild« eine Form männlicher Wunsch-und Ideologieproduktion in literarischen Texten zu verstehen, in die reale Lebenszusammenhänge von Frauen und mythische Strukturen erinnernd eingegangen sind - wobei die verschiedenen Anteile in der literarischen Analyse sehr genau aufgearbeitet werden müssen. Dabei hat für mich der Begriff »Frauenbild« einen eingegrenzteren Bedeutungsgehalt als der Terminus »Weiblichkeitsbilder« (oder besser »Weiblichkeitsmuster«), der meines Erachtens die psychoanalytische, historische und mythologische Basis darstellt, auf der die Produktion und personale Konkretisierung von Frauenbildern in literarischen Texten erfolgt. Ich schlage deshalb vor, beide Begriffe sowohl systematisch als auch vor allem in der Textanalyse zu trennen.[28]
Diese vorgeschlagenen Definitionen sind meines Erachtens weit genug, um den verschiedenen Forschungsinteressen Raum zur Entfaltung zu lassen, sie sind andererseits eng und präzise genug, um methodische Beliebigkeit zu verhindern. Im Rahmen solcher Definitionen ist die Akzentuierung unterschiedlicher Forschungsinteressen, seien sie realgeschichtlicher, ideologiekritischer, sozialpsychologischer oder mythengeschichtlicher Art, durchaus möglich und wünschenswert - nur der Zusammenhang darf nicht aus den Augen verloren werden, auch wenn er nicht in jeder einzelnen Arbeit präsent sein muß und kann. So kann ich mir durchaus mythengeschichtliche Arbeiten etwa zum Thema Amazonen oder Undinen vorstellen oder Arbeiten, die realgeschichtliche oder ideologiekritische Interessen z.B. am Thema Hexen verfolgen. Tatsächlich gibt es ja auch solche Arbeiten. Die Fülle der Fragestellungen und die Neugier sollten nicht vorschnell kanalisiert und reglementiert werden. Trotzdem halte ich gewisse minimale Verabredungen und Definitionen über den Gegenstand »Frauenbild« für unerläßlich, wenn feministische Literaturwissenschaft kooperativ verfahren will und produktiv werden möchte.
IV
Zum Schluß dieser Überlegungen will ich nicht mehr allgemein informierend und kritisierend über bestehende Forschungsrichtungen und -ansätze berichten, sondern ich will aus meiner eigenen Arbeit mit Frauenbildern in von Männern geschriebener Literatur erzählen. Als ich 1976 das Thema Frauenbilder vorbereitete, ahnte ich kaum, was da auf mich zukam. Natürlich wußte ich, daß ein solches Projekt nicht in einem Semester zu schaffen war, und ich kündigte es deshalb vorsorglich - und zu Recht, wie sich zeigen sollte - als mehrsemestrige Sequenz an. Literaturwissenschaftliche Forschungen, auf die ich mich hätte beziehen können, gab es damals überhaupt noch keine. Die Arbeiten von Bovenschen, Theweleit, Schuller und anderen-sind alle erst später erschienen. Meine Fragestellungen waren daher am Anfang eher tastend und nicht so präzis, wie ich sie heute auf Grund der Forschungslage und natürlich auch auf Grund der Erfahrungen in meinen Seminaren formulieren könnte. Meine Ausgangsfragen waren unter anderem damals folgende:
- Welches Interesse (d.i. Wünsche, Phantasien, Verdrängungen, Projektionen etc.) haben männliche Autoren, Romane zu schreiben, in denen Frauen als Titelfiguren und Handlungsträgerinnen erscheinen?
- Auf welche gesellschaftliche Struktur und welches ideologische Interesse reagieren Autoren mit ihren Heldinnen? (Zusammenhang zwischen der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft, der bürgerlichen Kleinfamilie und der Konzeption eines neuen Frauenbildes)
- Welchen Realitätsgehalt haben die von den Autoren entworfenen Frauenbilder? (Lage der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft, Frauenbewegung)
- In welchem Verhältnis gehen Realitätsbezug, Interesse des Autors, objektive Strukturen der Gesellschaft und ideologischer Anspruch in die von Männern entworfenen Frauenbilder ein?
- Inwiefern unterscheidet sich die Konzeption der Heldin von der Konzeption des Helden im bürgerlichen Roman? (Aufspaltung des bürgerlichen Romans in einen empfindsamen Typus mit Heldin und in einen handlungsaktiven mit Helden)
- Gibt es einen Unterschied der Frauenbilder in den beiden Typen des bürgerlichen Romans?
- Gibt es Unterschiede in der Auffassung von weiblicher Identität, je nachdem, ob ein Mann oder eine Frau schreibt? (Problematik des sogenannten Frauenromans im 18. und 19. Jahrhundert)
- Auf welches Publikum (soziale Schicht/Geschlecht) beziehen sich die Autoren mit ihren Frauenbildern? Von welchem Publikum sind sie rezipiert worden?
- Inwiefern unterscheiden sich die Frauenbilder aus der »heroischen« Aufstiegsphase des Bürgertums im 18. Jahrhundert von denen der »resignativen« Krisenphase am Ende des 19. Jahrhunderts? Was hat sich in der psychischen Konstitution des Autors und in der gesellschaftlichen Realität verändert?
Den Zeitraum von ca. 1750 bis etwa 1900 hatte ich ausgewählt, weil ich davon ausging, daß sich in dieser Phase alle die literarischen Bilder von Frauen herausgebildet haben, deren ideologische Kraft, trotz aller Modifikationen, noch heute ungebrochen ist. Zugleich wollte ich damit einen zeitlichen Rahmen vorgeben, der überschaubar und ideologie- und sozialgeschichtlich relativ gut aufgearbeitet war. Einige Fragestellungen wurden im Verlauf der Sequenz entweder modifiziert oder aber, weil sie sich als zu schwierig erwiesen, erst einmal beiseite gestellt. So erweiterte sich das Spektrum der zu behandelnden Texte über den Roman hinaus auch auf andere Gattungen wie Drama und Erzählung, der angestrebte Vergleich zwischen Bildungsroman mit männlichem Helden und empfindsamem Roman mit weiblicher Heldin trat dadurch in seiner Bedeutung zurück. Zugleich mußte ich auch darauf verzichten, die Rezeptionsgeschichte der Frauenbildertexte aufzuarbeiten, weil sonst wichtige andere Fragestellungen zu kurz gekommen wären.
Die Sequenz wurde im Wintersemester 1978/79 eröffnet mit einem Seminar über zwei Romane von Fontane. Ich entschied mich für »Cecile« und »Effi Briest«, wobei es sich bei »Cecile« um einen relativ frühen, wenig bekannten, und bei »Effi Briest« um einen späten, sehr berühmten Roman Fontanes handelt. Natürlich ging es dabei auch um Kontinuität und Veränderung in den sogenannten Frauenromanen Fontanes. An beiden Texten versuchten wir eine Vielzahl von Fragen zu klären. Wir arbeiteten weibliche Sozialisation im späten 19. Jahrhundert auf, wir beschäftigten uns mit den Zielen und dem Verlauf der ersten deutschen Frauenbewegung, wir studierten die Lage der Frauen im Kaiserreich, wir lasen die Autobiographie von Fontane mit einem kritischen Blick daraufhin, was für Erfahrungen mit Weiblichkeit darin verborgen waren und was für Brüche und Beschädigungen in der Identitätsbildung des jungen Fontane sich darin zeigten. Und wir sahen uns zum Vergleich zu den Fontaneschen Romanen die Erzählung »Werde, die Du bist« (1894) von Hedwig Dohm an, um die Frage nach den Unterschieden zwischen männlichem und weiblichem Schreiben nicht auf einer allgemeinen Ebene zu belassen. All dies war natürlich viel zu viel, zumal wir uns bemühten, die beiden Romane nicht als sozial- und individualgeschichtliche Fallstudien zu nehmen, sondern sie als Phantasien eines Autors über Frauen und Weiblichkeit sehr genau zu lesen und zu interpretieren versuchten.
Klug geworden, reduzierten wir im nächsten Semester die Fragestellungen. Die Frage nach dem weiblichen Schreiben wurde ausgegliedert und in einer eigenen Sequenz »Schreibende Frauen« behandelt. Verbunden wurden beide Sequenzen durch ein Seminar, in dem der Zusammenhang zwischen Frauenliteratur und Frauenbildern systematisch und theorieorientiert aufgearbeitet wurde. Wir beschränkten uns wiederum auf die Texte eines Autors, diesmal war es Kleist, verzichteten aber darauf, den gesamten ideologie- und sozialgeschichtlichen Kontext aufzuarbeiten. Stattdessen konzentrierten wir uns - ausgehend von einer sehr genauen Interpretation der »Marquise von O...« - auf einige wenige Themen, wie die Beziehung der Geschlechter, die Macht und die Ohnmacht der Frauen, die Auffassung von Sexualität, den Zusammenhang von Liebe und Tod und Liebe und Gewalt, die Geschlechterdiffusion und die Tötungsphantasien Frauen gegenüber, um nur die wichtigsten der Vorstellungsbereiche zu nennen, die wir in der »Marquise« fanden und die wir an den beiden Frauenfiguren Penthesilea und Käthchen im lebens- und werkgeschichtlichen Zusammenhang Kleists weiter verfolgten. Dabei zeigten sich auf der Textebene zahlreiche Übereinstimmungen zwischen Kleist und Fontane, die sich stichwortartig folgendermaßen zusammenfassen lassen: Gespaltenes Frauenbild, gespaltenes Männerbild, unfreier Umgang mit Sexualität, latente Homosexualität und die Tendenz zur Entlebendigung der Frau. Beide Autoren reproduzieren in ihren Frauenbildem die gesellschaftlichen und ideologischen Strukturen, die sie zugleich vehement kritisieren. Daneben gab es aber auch charakteristische Unterschiede, die nicht nur indivi-dualgeschichtlich, sondern auch zeitgeschichtlich bedingt sind. Kleist ist in seinen Phantasien über Frauen und die Beziehungen der Geschlechter zueinander viel wilder und zügelloser. Fontane schafft in seinen Texten eine Ebene von Wohlanständigkeit, in der das Wichtige nur noch als Andeutung vorhanden ist und mühsam entschlüsselt werden muß. Kleist ist viel direkter, unmittelbar engagiert in seinen Texten. Man spürt, daß er über existentielle Probleme schreibt, die ihn gleichsam zerreißen. Zwar hat das Schreiben auch Fontane bis an den Rand des körperlichen und seelischen Zusammenbruchs geführt, die Texte müssen also auch ganz stark etwas mit ihm zu tun haben, aber seine verdeckte Schreibweise, seine Anspielungen, seine Ironie haben ihm immer wieder Möglichkeiten der Distanzierung, des Wegschiebens eröffnet, sie haben als Überlebensstrategien funktioniert. Fontane hat seine sogenannten Frauenromane als 70- bzw. 80jähriger geschrieben, aus der Distanz des Alters, zu einer Zeit also, in der die akute Bedrohung und Verunsicherung bereits überwunden war, aber doch immer noch nachklingt. Kleist schreibt als ein Mann, der all die Probleme, die in seinen Texten vorkommen, durchlebt und an ihnen schließlich zugrunde geht. Von hier aus ergab sich auch eine unterschiedlich starke sympathetische Beziehung zu den beiden Autoren in der gemeinsamen Textarbeit der Seminarteilnehmer, die natürlich nicht so sehr etwas über die beiden Autoren, sondern mehr über unsere eigenen Dispositionen und Wünsche als Leser und Interpreten aussagten. Kleist in seiner Wildheit und Expressivität war uns - ungeachtet aller Kritik an seinem Frauenbild - sehr viel näher als der distanziert-ironische, mühsam Haltung bewahrende Fontane.
Im darauffolgenden Seminar haben wir zusätzlich zur sozial- und ideologiekritischen Aufarbeitung auch noch auf die lebensgeschichtliche Rekonstruktionsarbeit verzichtet und einen anderen Zugang erprobt. In zentralen Motiven wie dem Bild der Schlange, der Puppe, der Automate, der Hexe, der Venus und der Undine haben wir versucht, das Fortleben biblischer, historischer und mythologischer Vorstellungen in konkreten Frauenfiguren herauszuarbeiten. Die Wichtigkeit solcher Vorstellungen war uns bereits in den vorangegangenen Seminaren deutlich geworden, als wir in der »Cecile« auf die Hexenthematik, in der »Effi Briest« auf das Undi-ne-Motiv und in der »Penthesilea« auf den Amazonenmythos stießen und uns gezwungen sahen, das in diesen Vorstellungen enthaltene Verständnis von Weiblichkeit aufzuarbeiten. Textgrundlage in diesem dritten Seminar waren mehrere Erzählungen romantischer Autoren: »Der Sandmann« und »Der goldene Topf« von E.T.A. Hoffmann, der »Runenberg« von Tieck, »Das Marmorbild« von Eichendorff und »Undine« von Fouque, wobei wir das Weiterleben dieser Motive durch das 19. Jahrhundert bis in die Trivialliteratur und in die pornographischen Phantasien eines Sacher-Masoch verfolgt haben.
Gezeigt hat sich dabei die Ambivalenz solcher Bilder, über die ich schon vorhin im Zusammenhang des Undine-Motivs gesprochen habe. Es sind Bilder, in denen eine große poetische Kraft und Macht steckt, in denen Erfahrungen und Erinnerungen, Wünsche, Phantasien und Ängste der Autoren erstmals freigesetzt, zugleich aber archetypisch gebannt werden. Die Freiheit ist nur eine scheinbare. Sie basiert auf einem sehr einseitigen Verständnis von Weiblichkeit als Quelle männlicher Lust, wobei immer die »Gefahr« besteht, daß aus der Quelle ein reißender Strom wird, der die Männer zu verschlingen droht. Die Mythologisierung des Weiblichen legt über die realen Geschlechterbeziehungen und die herrschenden Machtverhältnisse einen Schleier, der poetisch zwar reizvoll und verführerisch ist, der aber dennoch zerrissen werden muß, weil Frauen - wenn sie ihn akzeptieren und annehmen - darin gefangen und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten gehemmt werden.
In dem nächsten Seminar haben wir wieder stärker sozialgeschichtlich und ideologiekritisch gearbeitet. Es ging um die Herausarbeitung der Geschlechterphilosophie in der Klassik und um typische Merkmale klassischer Frauenfiguren. Historischer Bezugspunkt war die Französische Revolution und die Emanzipationsbewegung der Frauen, die sich mit Namen wie Olympe de Gouges, Theroigne de Mericourt und Mary Wollstonecraft verbindet. Die Festschreibung männlicher und weiblicher Rollen, wie sie zum Beispiel in den programmatischen Gedichten »Würde des Mannes« und »Würde der Frauen« von Schiller zu finden ist, begriffen wir als eine Reaktion auf bestimmte Erscheinungsformen der Revolution und als einen Versuch, die tiefgreifende Verunsicherung in der Geschlechterbeziehung zu überwinden. Die Tragfähigkeit des Terminus »Frauenopfer«, der von Horkheimer und Adorno sinngemäß vorbereitet, von Theweleit im Zusammenhang seiner Untersuchung über Männerphantasien explizit als Kategorie eingeführt worden ist, haben wir an theoretischen Abhandlungen Schillers »Über die ästhetische Erziehung« und »Über Anmut und Würde« und an drei Dramentexten von Goethe und Schiller untersucht: An der »Iphigenie«, an der »Jungfrau von Orleans« und an der »Maria Stuart«. Alle drei Frauengestalten sind Opfer und nur als Opfer Heldinnen, dies nicht nur im übertragenen, sondern in einem sehr konkreten Sinne.
Iphigenie wird schon als Kind geopfert und nimmt die ihr aufgezwungene Rolle als Repräsentantin reiner Menschlichkeit nach einigen Seelenkämpfen an, Johanna und Maria fallen der Idee der Reinheit zum Opfer, die Schiller, zum Teil gegen die historische Realität an ihnen vollstreckt. Iphigenie, Johanna und Maria sind nicht als lebendige Frauen konzipiert, sondern sie sind entweder zur entsexualisierten »schönen Seele« stilisiert oder aber sie sind dem Tode geweiht. An allen drei Frauenfiguren konnten wir die Dichotomisierung von männlich und weiblich, das dialektische Zusammenspiel von Sexualisierung und Entsexualisierung, den Prozeß der Entlebendigung, das schöne Sterben der Frauen und die Transformation realer oder mythologischer Frauenfiguren in Bilder gleichsam im Status nascendi beobachten.
Über das letzte Seminar, in dem das Motiv der verführten Unschuld an ausgewählten Texten von Lessing und anderen Autoren behandelt werden soll, will ich nichts sagen, weil es sich noch im Stadium der Planung befindet. Ob sich der zeitliche und thematische Bogen, den ich von der Aufklärung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu schlagen versucht habe, runden wird, muß sich erst noch zeigen. Trotzdem möchte ich einige Zwischenergebnisse genereller Art schon jetzt festhalten. Deutlich geworden ist mir, wie wichtig ein aufgefächertes methodisches Verfahren im Umgang mit den Texten ist. Nicht zufällig haben wir jedes Semester einen neuen Zugang ausprobiert und die grundlegenden Fragestellungen immer wieder in ihrer Relevanz überprüft und in ihrer Anwendung auf die Texte nuanciert und verfeinert. Das ist kein Plädoyer für methodische Beliebigkeit oder einen gedankenlosen Pluralismus, sondern ein Plädoyer für eine Offenheit und Experimentierfreudigkeit, die ich in neueren Arbeiten zur Frauenbildproblematik zum Teil vermisse. Dogmatische Verengung aber hilft uns nicht weiter. Wichtig erscheint mir auch ein Nachdenken darüber, wie sozialgeschichtliche Ansätze stärker in die Erforschung von Frauenbildern Eingang finden können und wie sie mit anderen Ansätzen zu vermitteln sind. Das heißt aber, daß feministische Literaturwissenschaft sich nicht von der Methodendiskussion in unserem Fach entfernen, sondern diese produktiv für ihre eigenen Interessen machen sollte.