Das Baumalphabet 2

Die Vokale des Beth-Luis-Nion bilden eine komplementäre Jahreszeitenfolge und stehen wie die Vokale im Biobel-Loth für Stationen des Jahres. Meiner Meinung nach sind es die Bäume, die der Weißen Göttin besonders heilig waren, die ja das Jahr regierte und der die Zahl Fünf heilig war. Denn Gwion bezeichnet in seinem Gedicht Kadeir Taliesin (»Der Sitz des Taliesin« - nämlich der Sitz, den er, nachdem er Heinin und die anderen Barden beschämte, als Meisterdichter beanspruchte) den Kessel der Inspiration, Cerridwens Kessel, als Süßen Kessel der Fünf Bäume.[1]
In Kreta, Griechenland und überhaupt im östlichen Mittelmeer werden heilige Bäume abstrakt als Säulen dargestellt; so sind diese fünf Bäume möglicherweise die gleichen wie die fünf Säulen mit vertikaler und spiralförmiger Riffelung, die - wie auf einem mykenischen Siegelzylinder zu sehen - von einem Mann angebetet werden.[2] In dem neu-entdeckten, gnostischen Evangelium nach Thomas sind fünf Bäume im Paradies aufgezählt, doch diese sind die Symbole der fünf Ungestorbenen, Abraham, Isaak, Jakob, Henoch und Elia.

A für Ailm

Der erste Baum ist die Silbertanne, ein Baum, dessen Nadeln denen der Eibe gleichen, die in Griechenland der über die Geburten herrschenden Mondgöttin Artemis geweiht und zugleich der im Zusammenhang mit Weihnachten vertraute, wichtigste Geburts-Baum des nördlichen Europa war. Auf Orkney wurden, laut Rogers' Social Life in Scotland, Mutter und Kind gleich nach der Entbindung mit einer dreimal um das Bett gewirbelten, brennenden Tannenfackel »gesundet«. Bemerkenswert ist, daß ailm im Alt-Irischen auch Steineiche bedeutete, ein Baum, der in Irland nicht heimisch ist (obwohl er auf meines Großvaters Landsitz in der Grafschaft Kerry gut gedieh). Die Steineiche, der Geburtsbaum Ägyptens, Babyloniens, Arabiens und Phöniziens lieh ihren Namen phoenix (»die Blutige«) dem Land Phönizien, das einst den ganzen östlichen Mittelmeerraum umfaßte, und auch dem Phönix, der in einer Steineiche geboren und wiedergeboren wird. Ihre poetische Assoziation mit der Geburt liegt darin, daß das Meer die Mutter des Universums ist und daß die Steineiche nah beim Meer auf sandigem, stark salzhaltigem Boden gedeiht; ohne Salz im Wurzelboden bleibt eine junge Steineiche zwergwüchsig. Die Steineiche ist der Lebensbaum aus der babylonischen Geschichte vom Garten Eden. Ihr hebräischer Name ist »Tamar« - Tamar war das hebräische Äquivalent der großen Göttin Ischtar oder Aschtaroth; und die Araber verehrten die Steineiche von Nejran als Göttin, die alljährlich mit Frauengewändern und Zierat geschmückt wurde. Der delische Apollon wie der nabatäische Dusares wurden unter einer Steineiche geboren. Im modernen Irischen ist »ailm« unter dem Einfluß der lateinischen Klassiker zu »elm«, Ulme, geworden, denn in Italien wurde die Ulme, ulmus, die auf den britischen Inseln nicht heimisch ist, zum Stützen der jungen Weinreben verwendet und wurde so zur alma mater des Weingottes. Dieser Zusammenhang von Weinstock und Ulme wurde durch eine Stelle aus dem frühchristlichen Offenbarungsbuch Der Hirte des Hermas sanktioniert.
Aber die Silbertanne, die ebenfalls sandige Böden und Meerluft liebt, ist als Baum der Geburt ebenso alt wie die Steineiche, denn sie ist der Baum, unter dem der Gott von Byblos geboren wurde: der Prototyp des prä-dynastischen Osiris von Ägypten. Das griechische Wort für Tanne ist elate, und hier ist Pausanias' Bericht von Elatus dem Arkadier interessant. Er war »der Vater von Ischys, dem Geliebten der Mutter des Asklepios«, und auch der Vater von Kyllen, der dem »bis dahin namenlosen« Berg Kyllene, dem Geburtsort des Hermes, seinen Namen gab. Andere Mythographen machen aus Kyllen die »Nymphe Kyllene«, die Frau des Pelasgus, der die pelasgische Rasse begründete. Anscheinend war Elatus ursprünglich Elate, »die Erhabene«, ein Name, der von Artemis auf den ihr heiligen Baum übertragen wurde und bei den dionysischen Orgien wurde ihr zu Ehren ein efeuumwundener, Tannenzapfen tragender Zweig dieses Baumes geschwenkt; und Kyllene (Kylle Ana), »die gekrümmte Königin«, war ein anderer ihrer Titel. Ähnlich wird auch der Tannenbaum der Göttin der Geburt im Mythos von Attis, dem Sohn von Nana, dem phrygischen Adonis, auf ihren Sohn übertragen. Er wurde angeblich von der Göttin Kybele, die ihn liebte, in eine Tanne verwandelt, als er sterbend an einer Wunde darniederlag, die ihm ein von Zeus gesandter Eber zugefügt hatte - oder aber ein phrygischer König, den er entmannt hatte und der ihn wiederum entmannte.
Das trojanische Pferd, eine Friedensgabe an die Göttin Athene, ursprünglich unsere bekannte Weiße Göttin, war aus dem Holz der Silbertanne gemacht: und ein Pferd, weil dem Mond geweiht. Im Museum von Newcastle-on-Tyne ist ein römisch-britischer Altar ausgestellt, der von einem gewissen Julius Victor »den Müttern« gewidmet war. [3] Er zeigt ein auf der Grundlinie stehendes Dreieck, das einen Tannenzapfen umschließt. Obgleich Druantia, der Name der gallischen Tannengöttin, keinen Hinweis auf den ihr geweihten Baum enthält, macht er sie doch zur Königin der Druiden und mithin zur Mutter des ganzen Baumkalenders.
Die Silbertanne hat ihren Platz am ersten Tag des Jahres, dem Geburtstag des göttlichen Kindes, dem Extra-Tag der Wintersonnwende. Dreizehn Wochen trennen diese Plätze, und die letzte war jeweils eine Todeswoche und verlangte ein Blutopfer.

O für Onn

Der zweite Baum ist der Stechginster, der mit seinen goldfarbenen Blüten und Stacheln die junge Sonne zur Zeit des Frühlingsäquinoktiums versinnbildlicht; es ist die Zeit, da auf den Bergen Ginsterfeuer entzündet werden. Das Abbrennen der alten Stacheln soll bewirken, daß der Stamm neue treibt, die von den Schafen gierig gefressen werden; und es soll das Wachstum des Grases fördern - »Und der Stechginster benahm sich wüst / Bis er gezähmt ward«. Die religiöse Bedeutung des Stechginsters, der nach walisischer Überlieferung »gut gegen Hexen« ist, steigert sich noch dadurch, daß seine Blüten von den ersten Bienen des Jahres aufgesucht werden, wie die des Efeus von den letzten. Der Name On-niona, eine Göttin, die von den Galliern in Trauereschen-Gehölzen verehrt wurde , ist zusammengesetzt aus On und Nion, was auf das Datum ihres Festtags hinweist, nämlich das Frühlingsäquinoktium am Ende des Eschenmonats.

U für Ura

Der dritte Baum ist das Heidekraut, das der römischen Liebesgöttin Venus Erycina - und in Ägypten und Phönizien der Isis - geweiht war, deren Bruder Osiris in einen Heidekrautbusch zu Byblos eingesperrt war, den sie aufsuchte, um ihn zu besuchen. Die von Plutarch wiedergegebene Isis-Sage ist späten Datums und künstlich, aber sie verrät den Brauch von Kinderopfern zu Ehren Osiris.
Im achtzehnten Jahrhundert reiste der Altertumsforscher Winslow, zusammen mit Dean Swift, nach Lough Crew, um dort die lokalen Sagen über die irische Dreifältige Göttin zu sammeln. Darunter fand sich eine, die vom Tod der Garbh Ogh erzählte, einer alterslosen urzeitlichen Riesin, deren Wagen von Elchen gezogen wurde; sie nährte sich von Rehmilch und Adlerbrüsten und jagte mit einer Meute von siebzig Hunden, die Vogelnamen trugen, das Wild der Berge. Sie sammelte Steine, die sie zu einem dreifachen Haufen aufschichtete, »errichtete ihren Sitz im Schoß der Berge zur Zeit der Heidekrautblüte«, und verschied.
Die gallische Heidekraut-Göttin Uroika ist durch Inschriften bestätigt, die in der französischen Schweiz gefunden wurden; ihr Name ist ein Mittelding zwischen Ura und ereike, dem griechischen Wort für Heidekraut.
Das Heidekraut ist der Mittsommer-Baum, rot und leidenschaftlich, und er wird mit den Bergen und den Bienen in Zusammenhang gebracht. Die Göttin selbst ist eine Bienenkönigin, die an Mittsommer von den männlichen Drohnen umschwärmt wird und als Kybele häufig in dieser Art abgebildet ist; die ekstatische Selbstentmannung ihrer Priester geschah nach dem Muster der Kastration der Drohne durch die Königin im Hochzeitsakt. Venus trieb auf einem Berg, beim Summen der Bienen, ein tödliches Liebesspiel mit Anchises. Doch das weiße Heidekraut bringt Glück, denn es schützt gegen Akte der Leidenschaft. Der Berg Eryx auf Sizilien ist berühmt, weil Butes, der Imker, ihn besuchte, der Sohn des Nordwindes, dem die Nymphen der Göttin Erykina dort einen Heroen-Altar einrichteten. Wenn es in Gwions Cäd Coddeu heißt, daß das Heidekraut die geschlagenen Pappeln erquickte, so ist dies eine Anspielung auf »Heather Ale«, ein mit Heidekraut gewürztes, beliebtes Erfrischungsgetränk in Wales.
Die einstige Beliebtheit der Linde bei den Dichtern der Liebe in Deutschland und in Nordfrankreich legt den Schluß nahe, daß sie in Flachlandregionen ein Ersatz für das Bergheidekraut war. Die Linden blühen von Mitte Mai bis Mitte August. Sie zählen nicht zu den heiligen Bäumen in Britannien, wo nur die kleinblättrige Art heimisch zu sein scheint. Doch in Thessalien hieß die Muttergöttin des Kentauren Chairon, die mit dem erotischen Wendehals in Verbindung gebracht wurde, Philyra (»Linde«).

E für Eadha

Der vierte Baum, der Baum des Herbstäquinoktiums und des Alters, ist die laubwechselnde Weißpappel oder Espe, der Baum der Schildmacher. Laut Pausanias wurde sie von Herakles (aber welchem Herakles?) aus Epirus nach Griechenland gebracht; und die lateinische Sage erzählt, daß er, nachdem er den Riesen Kakos (»der Böse«) in seiner Höhle auf dem aventinischen Hügel in Rom getötet hatte, sein Haupt im Triumph mit Espenlaub umwand. Die Blätter wurden dort, wo sie seine Stirn berührten, durch die abstrahlende Hitze weiß. Vermutlich erklärt dieser Mythos den Unterschied, der hinsichtlich Belaubung und ritueller Bedeutung zwischen der Espe und der schwarzen Pappel besteht, die in prähellenischen Zeiten in Griechenland ein der Erdmutter geweihter Baum der Begräbnisstätten gewesen war. In Plautus' Casina gibt es einen Hinweis auf die Benutzung der Schwarzpappel und der Silbertanne beim Wahrsagen, wobei die Tanne offenbar für Hoffnung, die Pappel für die verlorene Hoffnung stand [4] - ähnlich wie es in Pembrokshire der Brauch ist, daß ein Mädchen ihrem Liebhaber ein Stück Birkenholz als Zeichen der Ermutigung schenkt. Herakles besiegte den Tod, und im alten Irland wurde der fé, der von den Sargtischlern dem Leichnam angelegte Maßstab, aus Espenholz gemacht - vermutlich zur Ermahnung für die Seelen der Toten, daß dies nicht das Ende sei. Goldene Stirnreifen in der Form von Espenblättern wurden in mesopotamischen Gräbern aus der Zeit um 3000 v. Chr. gefunden.

I für Idho

Der fünfte Baum ist die Eibe, der Baum des Todes in allen europäischen Ländern, in Griechenland und Italien der Hekate geweiht. Wenn in Rom der Hekate schwarze Stiere geopfert wurden, so daß die Geister das hervorschießende Blut schlürfen konnten, waren sie mit Eibenlaub geschmückt. Die Eibe wird von Pausanias als jener Baum bezeichnet, neben dem Epaminondas auf dem Berg Ithom die Bronzeurne fand, die auf einer Schriftrolle aus Zinnblech die geheimen Mysterien der Großen Göttin enthielt. Neben der Urne wuchs passender weise eine Myrte, die (wie wir im 13. Kapitel sehen werden) das griechische Gegenstück zum Holunder, dem Todeskonsonanten R war. Daß die Schriftrolle aus Zinnblech war, ist interessant; denn die alten Griechen importierten ihr Zinn aus Spanien und Britannien. In Irland war die Eibe »der Sarg des Weines«: Weinfässer wurden aus Eibenplanken gemacht. In der irischen Romanze Naoise and Deirdre wurden die Leichen der Liebenden mit Eibenpflöckchen durchbohrt, um sie voneinander getrennt zu halten; aber die Pflöcke knospten und wuchsen zu Bäumen heran, deren Wipfel sich schließlich über der Armagh-Kathedrale umarmten. In der Bretagne sagt man, daß die Kirchhofseiben zum Mund jedes Leichnams eine Wurzel schicken. Aus Eibenholz macht man die besten Bögen - wie die Römer von den Griechen lernten - und dies trug zu den Todesattributen des Baumes bei; es ist wahrscheinlich, daß das griechische Wort taxus, Eibe, mit toxon zusammenhängt, dem griechischen Wort für Bogen - und mit toxikon, dem griechischen Wort f für das Gift, mit dem die Pfeile bestrichen wurden. Die alten Iren benutzten angeblich eine Mischung aus Eibenbeeren, Nieswurz und Teufelsabbiß, um ihre Waffen zu vergiften. John Evelyn betont in seinem Werk Silvia (1662), daß die Eibe ihren Ruf der Giftigkeit wohl nicht verdiene »ungeachtet dessen, was Plinius über das Schlafen in ihrem Schatten sagt, ungeachtet der Geschichte von der giftigen Luft in der Gegend von Thasius, des von Cäsar erwähnten Schicksals des Cativulcus, oder der üblen Reputation, die ihre Früchte gemeinhin in Frankreich, Spanien und Arkadien haben«. Rinder und Pferde aber kauten ihre Blätter ohne böse Wirkung, meint er. Dann aber sagt er, daß der »echte Taxus« tatsächlich »todbringend« sei. An die Verwendung der Eibe im englischen Hexenkult erinnert Macbeth, wo Hekates Kessel

... Schnitzel von Eibenholz
geschnitten bei Mondfinsternis

enthielt. An einer anderen Stelle spricht Shakespeare von der »doppelt tödlichen Eibe« und läßt Hamlets Onkel den König vergiften, indem er ihm ihren Saft (»Hebenon«) ins Ohr träufelt. Mit der Eiche teilt sie sich in den Ruf, länger als jeder andere Baum bis zur Reifung zu benötigen, ist aber noch langlebiger als die Eiche. Ihr Holz hat, wenn entsprechend gebeizt und poliert, eine ungewöhnliche Widerstandskraft gegen den Verfall.
Einer der Fünf Magischen Bäume Irlands war die Eibe. Sie war der Tree of Ross, dargestellt als »feste, aufrechte Gottheit« (die irische Eibe unterscheidet sich von der britischen dadurch, daß sie zylinderförmig ist, mit aufwärts strebenden, nicht waagerechten Ästen), der »Ruhm der Banbha« (Banbha war der Todesaspekt der irischen Dreifältigen Göttin), der »Zauber des Wissens und das Rad des Königs« - d. h. der Todesbuchstabe, der das Lebensrad seinen Kreis vollenden läßt; die irischen Könige trugen, zur Erinnerung an ihr kommendes Schicksal, eine Brosche in Radform, die auf den Nachfolger überging. Ich will den Platz der Eibe auf den letzten Tag des Jahres legen, den Abend der Wintersonnwende. Allm, die Silbertanne der Geburt, und Idho, die Eibe des Todes, sind Schwestern: sie stehen im Jahreskreis nebeneinander, und ihre Nadeln sind fast identisch. Die Tanne verhält sich zur Eibe wie Silber zu Blei. Die mittelalterlichen Alchimisten rechneten, einer alten Überlieferung folgend, das Silber dem Monde zu, der die Geburt regiert, und das Blei dem Saturn, der den Tod regiert; und sie zogen beide Metalle aus der gleichen Erzmischung.

Tanne, Schoß von Silberschmerzen
Eibe, Tod bleierner Schmerzen
Mannweiber aus einem Blut
Mit ähnlichem Laub -
Die Arme emporgeworfen
Höhnen uns mit gleichen Zungen:
»Hier wurde Jupiters Wiegen-Sarg geschaukelt.«

Eine assyrische Skulptur, die Felix Lajard in seinem Buch Sur la Culte de Mithra (1847) abbildete, zeigt das Jahr als einen Baum mit dreizehn Ästen. Der Baum ist am Stamm mit fünf Bändern umwunden, und die szepterähnlichen Äste stehen je sechs zu beiden Seiten, einer an der Spitze. Hier ist offenbar das landwirtschaftliche Jahr des östlichen Mittelmeerraumes mit dem zur Wintersonnwende beginnenden Sonnenjahr verbunden. Denn über den letzten drei Ästen hängt eine kleine Kugel, die ein neues Sonnenjahr versinnbildlicht; und von den beiden sich aufbäumenden Ziegen, die als Sockel der Baumskulptur dienen, läßt die eine, die den Kopf so dreht, daß ihr einziges Horn einen zunehmenden Mond bildet, ein Vorderbein auf dem höchsten dieser letzten drei Zweige ruhen. Während die andere Ziege, deren Kopf in die entgegengesetzte Richtung schaut, so daß ihr Horn einen abnehmenden Mond bildet, die ersten drei Zweige ergreift. Sie hat ein volles Euter, was der Jahreszeit entspricht, denn die ersten Kitze werden um die Wintersonnwende geworfen. Über dem Baum schwimmt ein einem Boot ähnlicher Neumond, und neben der Geiß findet sich eine Gruppe von sieben Sternen, wobei der siebente viel schöner ist als die übrigen; was sie als Amalthea, die Mutter des gehörnten Dionysos ausweist. Der Geißbock ist ein assyrisches Gegenstück zu Azazel, dem Sündenbock, den die Hebräer zu Beginn des landwirtschaftlichen Jahres opferten. Die fünf Bänder an dem Baumstamm, von denen sich eines am unteren, das andere am oberen Ende des Stammes befindet, sind die fünf Stationen des Jahres; bei einem babylonischen Jahresbaum, der im gleichen Buch abgebildet ist, sind sie durch fünf Farnwedel symbolisiert.

die weiße göttin

Im Licht dieser Erkenntnis können wir das Schema der von den Druiden als Zeichen-Tastatur benutzten Hand noch einmal untersuchen und vielleicht auch die rätselhaften traditionellen Namen der vier Finger - im Englischen »fore-finger« (Vorderfinger), »fool's finger« (Narrenfinger), »leech« oder -physic-finger« (Blutegel- oder Arztfinger) und »auricular-« oder »ear-finger« (Ohrfinger) - im Blick auf den mythischen Stellenwert der auf ihnen angeordneten Buchstaben besser verstehen.
Der geringe Unterschied in der Reihenfolge der Buchstaben zwischen dem Beth-Luis-Nion und dem Biobel-Loth beeinträchtigt unsere Beweisführung nicht; obwohl ich glaube, daß das System auf den Baum-Bedeutungen des Beth-Luis-Nion beruhte, denn in einer der alten Sagen wird eine wirklich dunkle Nacht vom Dichter als eine solche geschildert, in der ein Mann weder ein Eichenblatt von einem Haselnußblatt unterscheiden noch die fünf Finger seiner eigenen ausgestreckten Hand »lesen« konnte. Auf dem Vorderfinger finden wir Duir, den Eichengott, der der oberste der Bäume ist, darüber Luis, die Eberesche, einen Zauber gegen Blitzschlag; auf dem Narrenfinger findet sich Tinne, der Steineichenkönig oder Grüne Ritter, der in dem alt-englischen »Christmas-Play«, einem Relikt der Saturnalien, als der Narr auftritt, der geköpft wird, aber unverletzt wieder aufsteht; auf dem Blutegelfinger findet sich Coll, der weise Haselstrauch, der als Meister der Hellkunst galt; der Ohrfinger - im Französischen doigt auriculaire - hat an der Basis die beiden Todesbuchstaben Ruis und Idho und besitzt daher Orakelkräfte; in Frankreich heißt es denn auch von einem Menschen, der Nachrichten aus geheimnisvoller Quelle erhält: »Son petit doigt le lui dit.« (»Sein kleiner Finger sagt ihm das.«)

Der Name »auricular finger« (Ohrfinger) wird gewöhnlich damit erklärt, daß dieser Finger sich am leichtesten ins Ohr stecken läßt, aber die früheste Bedeutung von »auricular« lautet: »geheim ins Ohr geflüstert«. Wahrscheinlich steckten die gallischen und britischen Druiden sich den »auricularfinger«, ins Ohr, um die Inspiration zu fördern. Der Glaube an seine divinatorischen Kräfte entwickelte sich im Westen Europas schon so früh, daß eine ganze Reihe volkstümlicher Sagen davon handeln, wie die Tochter eines Riesen einen kleinen Finger oder eine kleine Zehe verliert; der Held der Geschichte findet ihn, und dies verhilft ihm zur Einwilligung des Riesen, die Tochter zu heiraten. Solche Geschichten finden wir in der Bretagne, in Lothringen, in den westlichen Higlands, in der Biscaya, in Spanien und in Dänemark. In der Romance of Taliesin ist es der kleine Finger von Elphins Frau, der, wie es heißt, magisch abgetrennt wurde.
Der »Ringfinger« ist ein anderer Name für den Blutegelfinger. Die Römer und Griechen trugen am Daumen, der der Venus geweiht war, ihre, meist aus Eisen gefertigten Siegelringe; dies war ein Schutzzauber zur Erhaltung der Männlichkeit, denn der Daumen war synonym mit dem Phallus, und Eisen war ein Tribut an den Gemahl der Venus, den Schmied-Gott Vulkan. Ihre Eheringe aber steckten sie an den vierten Finger der linken Hand. Dieser Brauch wurde von Macrobius im fünften Jahrhundert n. Chr. mit zwei Begründungen erklärt: nämlich daß dieser unter allen zehn Fingern der am wenigsten aktive, am wenigsten zu eigener Bewegung fähige und daher der sicherste Träger kostbarer Juwelen sei; und (hier beruft er sich auf Appian, den Schriftsteller aus dem ersten Jahrhundert) daß dieser Finger eine direkt zum Herzen führende Arterie enthalte. Die zum Herzen führende Arterie ist eher eine astrologische als eine anatomische Beobachtung - wenngleich das erste~ Glied eine kleine Vene aufweist, die die Alten nicht von einer Arterie zu unterscheiden vermochten - weil nach der spätklassischen Zurechnung der menschlichen Körperteile zu planetarischen Einflüssen Apollon, der Sonnengott und Heiler, das Herz regiert wie Venus die Nieren; Merkur die Lungen, Diana (der Mond) den Kopf, und so fort. Der vierte Finger wird also als Ringfinger benutzt, weil der schützende Ehering, zu Ehren Apollons aus Gold,gefertigt, das Herz beherrschen soll, das der Sitz ewiger Liebe ist. Das Arterienmärchen wird auch in einem medizinischen Zusammenhang von Levinus Lemnius, dem deutschen Humanisten des sechzehnten Jahrhunderts, zitiert, der berichtet, daß »die antiken Ärzte, von denen dieser Finger seinen Namen >Arztfinger<, erhielt, mit ihm ihre Medikamente und Tränke anrührten, wobei sie der Theorie folgten, daß kein Gift auch nur seine äußerste Spitze berühren könne, ohne sich direkt dem Herzen mitzuteilen«.
Genau das gleiche System überlebte in der volkstümlichen Chiromantie, die auf spätklassische Ursprünge zurückgeht. Die Handleser rechnen den Zeigefinger dem Eichengott Juppiter zu, den Mittelfinger dem Weihnachts-Narren Saturn; den vierten Finger (deutsch auch Goldfinger) der Sonne - denn der Sonnengott Apollon wurde späterhin der Schutzpatron der Ärzte und überhaupt der Gott der Weisheit; und den kleinen Finger dem Merkur in seinem Aspekt als Führer der toten Seelen. Dem Mond gehört die Handwurzel denn er ist die Göttin der Unterwelt, von der Merkur seine Inspiration erhält; Venus regiert den Daumen (als phallisches Symbol); und Mars das Innere der Handfläche, mit der die Waffe ergriffen wird - die großen Handlinien bilden sein Initial M. Eine bronzene Votivhand aus Phrybien, die dem Zeus Sabakios - einem bäuerlichen Juppiter - zugeeignet war, hält eine kleine Figur mit phrygischer Kappe und Hosen, die Füße stehen auf einem Widderkopf, und sie spreizt Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zum sogenannten lateinischen Segen - der Daumen der Venus für Wachstum, der Zeigefinger des Juppiter für glückliche Führung, der Mittelfinger des Saturn für Regen. Sie imitiert die Gebärde der Hand, die sie hält, und auf deren Zeigefinger hockt Juppiters Adler. Es war weniger eine segnende als eine besänftigende Gebärde, die ausgeführt wurde, bevor man eine Rede oder einen Vortrag begann; sie wurde von den griechischen und lateinischen Oratoren nie versäumt. Der Teufelsgruß, der noch immer bei den friesischen Inselbewohnern üblich ist, besteht darin, daß man Zeige- und Ohrfinger der rechten Hand hebt, wobei die anderen Finger und der Daumen gegen die Handfläche gefaltet sind. Dies ist eine Beschwörung des gehörnten Gottes der Hexen, dessen glückbringendes rechtes Horn und unglückbringendes linkes Horn seine Macht zum Guten und zum Bösen symbolisieren.
Der Apollon-Finger wird in der Erzählung vom Sonnengott Phaeton, dessen Schwestern ihn bei seinem Tode beweinten, mit der Pappel in Verbindung gebracht: sie wurden in Pappeln verwandelt und ihre Tränen in Bernstein, der dem Apollon heilig war.Der Saturn-Finger steht in der Geschichte von Osiris, dem Ägyptischen Saturn, mit dem Heidekraut in Verbindung. Osiris war in einen Heidebusch eingesperrt, und der unterste Konsonant auf diesem Finger, das Schilf, war dem Osiris als König von Ägypten heilig. Wie der kenntnisreiche, im 14. Jahrhundert lebende Altertumsforscher Richard of Cirencester berichtet, pflegten die reichen Briten im dritten Jahrhundert n. Chr. goldene Ringe am Narrenfinger zu tragen; im B. L. F.-Alphabet war dieser Finger Bran zugeordnet, den sie damals, wohl den Römern folgend, mit Osiris gleichzusetzen gelernt hatten. Einen Ring am Mittelfinger zu tragen, drückte natürlich die Hoffnung auf Auferstehung aus.
Der Daumen der Venus hängt mit der Steineiche zusammen, da diese der orgiastischen Göttin Isis, Leto oder Lat heilig ist. Lat war die Mutter des nabatäischen Weingottes Dusares, der in Ägypten verehrt wurde, und der unterste Konsonant auf dem Daumen war der Weinstock.
Der Juppiter-Finger ist mit Stechginster oder Besenginster verknüpft, da ihm zu Ehren als Gott der Hirten im Frühling Ginsterfeuer entzündet wurden. Die Verbindung des Merkur-Fingers mit der Eibe ist dadurch gegeben, daß Merkur die Seelen zu dem Ort führt, wo die Todesgöttin Hekate, alias seine Mutter Maia, herrscht, der die Eibe heilig war.
Es paßt gut in diesen Zusammenhang, daß der sensibelste Teil der Hand, die Spitze des Zeigefingers, Luis dem Wahrsager zugeordnet wurde. Aber alle Fingerspitzen - Luis die Eberesche, Nion die Esche, Fearn die Erle und Saille die Weide - wurden zum Wahrsagen benutzt. Dies erhellt womöglich einen poetischen Ritus in Irland, bekannt als das Dichetal do Chennal (»Vortrag aus den Fingerspitzen«), worin der Ollave ein Meister sein mußte und das Joyce als »die Äußerung einer extemporierten Prophezeiung oder Dichtung« schildert, »die anscheinend mit Hilfe eines mnestischen Tricks bewerkstelligt wird, bei dem die Finger eine wichtige Rolle spielten«. St. Patrick, der zwei andere prophetische Riten, das Imbas Forasnai (»Handflächen-Wissen der Erleuchtung«) und einen mit diesem verwandten Brauch abschaffte, weil sie beide mit vorangehenden Opferhandlungen für die Dämonen verbunden waren, gestattete dennoch den »Vortrag aus den Fingerspitzen«, weil dieser ohne solches Beiwerk auskam. In Cormacs Glossary wird das Dichetal do Chennaib wie folgt erklärt:

»In unseren Tagen ist es der Brauch, daß der Dichter den Ritus mit seinen Fingergliedern auf folgende Weise ausführt: Wenn er den Menschen oder die Sache vor sich sieht, macht er sofort, ohne nachzudenken, mit Hilfe seiner Fingerspitzen einen Vers, den er gleichzeitig komponiert und aufsagt.«

Es ist weniger wahrscheinlich, daß hier ein mnestischer Trick unter Verwendung der Fingerspitzen vorlag, als daß die Dichter sich damals in eine poetische Trance versetzten, in der sie ihre Fingerspitzen als Orakelwerkzeuge benutzten. Denn das Dichetal do Chennaib wird immer im Zusammenhang mit zwei anderen divinatorischen Riten der gleichen Gruppe erwähnt.
(Hier fingen meine eigenen Fingerspitzen an zu jucken, und als ich ihnen einen Bleistift gab, rekonstruierten sie die ursprüngliche Beschwörungsformel wie folgt:

Baum-Mächte, Fingerspitzen,
Zuerst die Pentade der Vier,
Entdeckt alles, was euer Dichter fragt,
Der gegen seine Stirn trommelt.

Birkenpflock, pochender Daumen,
Durch die Kraft des Wahrsagens,
Birke, bring ihm Nachricht von Liebe;
Laut klopft das Herz.

Ebereschenrute, Zeigefinger,
Durch die Kraft des Wahrsagens
Enträtsele ihm ein Rätsel;
Der Schlüssel ist verlegt.

Esche, Mittelfinger,
Durch die Kraft des Wahrsagens
Wetterkundig, sonst ein Narr,
Ermesse ihm die Winde.

Erle, Arztfinger,
Durch die Kraft des Wahrsagens
Erkenne alle Krankheiten
Eines zweifelnden Geistes.

Weidenstab, Ohrfinger,
Durch die Kraft des Wahrsagens
Presse Geständnisse aus dem
Mund Eines modernden Leichnams.

Fingerspitzen, fünf Zweige,
Bäume, wahr-wahrsagende Bäume,
Entdeckt alles, was euer Dichter fragt,
Der gegen seine Stirn trommelt.

Das Fingeralphabet war offenbar im Hexenkult des mittelalterlichen Britannien gebräuchlich, nach den Teufelsmalen zu urteilen, die die Hexen sich auf die Hände tätowierten. In Joseph Glanvils Sadducismus Triumphatus (1681) steht ein ausführlicher Bericht über zwei Hexenkonvente in Somersetshire, der eine, aus dreizehn Frauen bestehend, in Brewham, der andere in Wincanton, beide Orte etwa vierzehn Meilen von Glastonbury entfernt. In Sommerset überwog das rassische Element der Briten gegenüber dem der Sachsen, und noch im siebzehnten Jahrhundert war die volkstümliche Verehrung Glastonburys als Zentrum der alten Religion sehr lebendig. Aus den Geständnissen der Mitglieder dieser Konvente bei ihrem Prozeß im Jahr 1664 geht hervor, daß der Fürst oder Gott dieser Hexen den Namen Robin trug und daß er die Novizinnen mit einem Nadelstich zwischen dem obersten und dem mittleren Glied des Arztfingers zeichnete. Dies ist genau die Stelle, wo wir diesen Stich erwarten sollten, denn zu den Aktivitäten der Konvente gehörten schwarze und weiße Magie: das letzte Fingerglied gehört zu Coll, dem Haselstrauch, dem Baum der weißen Magie und der Heilkunst, das mittlere zu Straif, dem Schwarzdorn, der, wie wir im 14. Kapitel sehen werden, der Baum der schwarzen Magie und des Sturms war. Diese Hexen benutzten Dornen, die sie nach Robins Anleitung in die Wachsbilder ihrer Feinde stießen.
In Schottland wurde das Teufelszeichen am Narrenfinger angebracht, und obgleich wir über die genaue Stelle dieses Zeichens nichts Genaues erfahren, befand sie sich offenbar weit unten am Finger, denn Margaret McLevine aus Bute klagt, der Teufel habe ihr diesen Finger fast abgeschnitten. Zum unteren Glied des Narrenfingers gehört Ura, das Heidekraut ein passender Baum für die Initiation schottischer Hexen, die sich, wie Shakespeare sagt, auf der sturmgepeitschten Heide versammelten.
Zwei Hexen aus Northampton, Elinor Shaw und Mary Philips, die 1705 zum Tod verurteilt wurden, hatten Stiche an den Fingerspitzen: unglücklicherweise wird nicht gesagt, um welchen Finger es sich handelte, aber vielleicht war es der Finger, dessen Spitze Saile regiert, die Weide, die der Hexenmutter Hekate geweiht war. [5]
Macalister mißt dem irischen Baum-Ogham kaum größere Bedeutung bei als jenen anderen, im Book of Ballymote verzeichneten Zahlensystemen wie Schwein-Ogham, Burg-Ogham und Frucht-Ogham. Aber die Tatsache, daß der Name des B. L. N.-Alphabets, das offenbar früheren Datums als das B. L. F.-Alphabet ist, mit drei Bäumen beginnt, beweist doch, daß das ursprüngliche Ogham ein Baum-Ogham war; und die mythologischen Assoziationen der in O'Flahertys Liste enthaltenen Bäume sind so alt, verzweigt und stimmig, daß es unmöglich erscheint, es als eine »pedantische und künstliche« spät mittelalterliche Erfindung abzutun. Es scheint das ursprüngliche Alphabet zu sein, das von Ogma Sonnengesicht erfunden wurde. Macalister schmäht die Erfindung des Ogham als kindisch und eines Gottes unwürdig; er tut dies aber wohl deshalb, weil er das Biobel-Loth als das einzige echte Ogham-Alphabet und das Beth-Luis-Nion als versuchsweise Annäherung an dieses auffaßt und meint, daß beide vom griechischen Alphabet »geklaut« sind. Er läßt sich nicht überzeugen, daß eines (oder beide) irgendwelchen Wert über den einsichtig alphabetischen hinaus besitzt.
Ein möglicher Einwand dagegen, das Beth-Luis-Nion als vollständiges Alphabet aufzufassen, wäre, daß es nur dreizehn Konsonanten hat, wovon einer, NG, nutzlos ist, während zwei andere antike Buchstaben, Q und Z, die im Biobel Loth enthalten sind und im Ogham Quert und Straif heißen, ausgelassen sind. Straif ist der Schwarzdorn, und Quert ist der wilde Apfelbaum: beides mythologisch wichtige Bäume. Falls Ogma Sonnengesicht vier Säulen von gleicher Länge errichtete, müßte das ursprüngliche System fünf Vokale und drei Gruppen von fünf Konsonanten enthalten haben. Dieser Einwand wird im 13. Kapitel ausführlich behandelt. Hier genüge einstweilen die Anmerkung, daß O'Flaherty nicht der einzige war, der von einem B. L. N.-Alphabet mit nur dreizehn Konsonanten berichtet hat. O'Sullivans Ogham, das in Ledwichs Antiquities of Ireland aufgeführt ist, hat die gleiche Zahl, und dort sind Q und Z ebenfalls ausgelassen, während NG für P steht; O'Sullivan fügt noch einige Diphtonge und andere rätselhafte Symbole wie eg, feo und oai hinzu, aber der Kanon des Alphabets ist der gleiche, wie wir ihn hier kennen gelernt haben.
Edward Davies meint, daß das Beth-Luis-Nion-Alphabet so genannt wurde, weil B. L. N. die Haupt-Konsonanten von Belin, dem Gott des Sonnenjahres waren. Dies erscheint sinnvoll, denn es verweist auf eine Gleichsetzung der dreizehn Konsonanten-Monate des Jahres mit verschiedenen mythologischen Dreizehner-Runden - z. B. mit Arthur und seinen zwölf Rittern der Tafelrunde; mit Balder und seinen zwölf Richtern; mit Odysseus und seinen zwölf Gefährten; mit Romulus und seinen zwölf Hirten; mit Roland und den zwölf Edlen von Frankreich; mit Jakob und seinen zwölf Söhnen; mit dem dänischen Hrolf und seinen zwölf Berserkern; auch mit dem Haupt und den zwölf anderen Teilen von Osiris' zerstückeltem Körper, den Isis in ihrem Boot aus dem Nil barg - wobei Osiris ursprünglich ein Baum-Gott war. Und wir dürfen auch die fünf Jahreszeiten-Vokale mit den geheimnisvollen Pentaden der britischen Gottheiten, den deae matronae (y Mamau), gleichsetzen, die in Inschriften aus römischer Zeit genannt sind; sowie mit verschiedenen fünf spitzigen Laub-Blättern, die der Weißen Göttin geweiht waren, insbesondere Efeu, Wein, Brombeere, Feige und Platane,[6] und mit den vielen fünfblättrigen Blumen, die ihr heilig waren - mit der erotisch wirksamen wilden Rose, der Primel und dem unglückbringenden Immergrün, der bei den Italienern »Blume des Todes«, heißt und mit dem im mittelalterlichen England zum Tode verurteilte Männer auf dem Weg zum Galgen bekränzt wurden.
Wo aber liegt der Ursprung der Beth-Luis-Nion-Reihe? Wir haben bemerkt, daß es sich bei allen darin vorkommenden Bäumen, außer dem Wein, um Waldbäume handelt, die auf den britischen Inseln heimisch sind. Daß in der Reihe keine Obstbäume vorkommen, scheint mir anzudeuten, daß es in sehr frühen Zeiten aus einer dicht bewaldeten nördlichen Region eingeführt wurde, in der der Wein wild wuchs. Die einzige Region, die diese Bedingung erfüllt, ist, soweit ich weiß, der Landstrich des paphlagonischen Pontus an der südlichen Schwarzmeerküste. Ein kretischer Ursprung kommt nicht in Frage: die hauptsächlich in den sehr zahlreichen, neuerlich auf Kreta ausgegrabenen Sakralbildern und Gravuren vorkommenden Bäume sind der Feigenbaum, der Olivenbaum, die Platane, der Wein, die Tanne und die Steineiche.
Es ist Macalister nicht zu verdenken, daß er das Alter von O'Flahertys Beth-Luis-Nion bezweifelte, denn im mittelalterlichen Irland waren mehrere unterschiedliche Systeme der Klassifizierung von Bäumen geläufig. So etwa unterteilte das Brehon Law (IV, 147) die Bäume in vier Kategorien und schrieb für das widerrechtliche Fällen dieser Bäume Strafen von - je nach Kategorie - abnehmender Härte vor:

(1) Sieben Häuptlings-Bäume

  • Eiche - dair
  • Haselstrauch - coll
  • Steineiche - cuileann
  • Eibe - ibur
  • Esche - iundius
  • Tanne - ochtach
  • Apfelbaum - aball

(2) Sieben Bauern-Bäume

  • Erle - fernn
  • Weide - sail
  • Weißdorn - sceith
  • Eberesche - caerthann
  • Birke - beithe
  • Ulme - leam
  • ? - idha

(3) Sieben Büsche

  • Schwarzdorn - draidean
  • Holunder - trom
  • Weißer Haselstrauch - fincoll
  • Weißpappel - Crithach
  • Erdbeerbaum - caithne
  • ? - feorus
  • ? - crann-fir

(4) Acht Sträucher

  • Farnkraut - raith
  • Gagelstrauch - rait
  • Ginster - aiteand
  • Heckenrose - dris
  • Heidekraut - freach
  • Efeu - eideand
  • Besenginster - gilooch
  • Stachelbeere - spin

Dieses Gesetz ist viel jüngeren Datums als jenes, an das die Triads of Ireland erinnern, das offenbar für das rechtswidrige Fällen zweier Häuptlingsbäume, des Haselstrauchs und des Apfelbaumes, die Todesstrafe vor schrieb:

Drei Wesen ohne Atem sind nur mit atmenden Wesen zu bezahlen:
Ein Apfelbaum, ein Haselbusch, ein heiliger Hain.[7]

Dies erklärt vielleicht auch das am Schluß des Crib Cablach stehende Gedicht aus dem siebenten Jahrhundert, in dem sieben Häuptlingsbäume auf gezählt sind, allerdings Erle, Weide und Birke anstelle von Esche, Eibe und Tanne, deren Fällen mit einer Buße von einer Kuh oder drei Kühen für einen ganzen Hain gesühnt werden kann. Ich nehme aber an, daß dieses Gedicht jünger ist als die Triads, wenngleich wohl älter als das Brehon Law, und daß die Todesstrafe für das Fällen von Haselstrauch und Apfelbaum, wie im Fall der anderen Bäume, auf die Buße einer Kuh abgemildert wurde. Mittelalterlichen Kommentaren zufolge wurde das Attribut Neinhead, das Adel oder unverletztliche Heiligkeit bedeutet, auf Könige oder Häuptlinge, Dichter und Haine angewandt; in seiner zweiten Bedeutung, »Würdigkeit«, auf Musiker, Schmiede, Schreiner, Kühe und kirchliche Würdenträger.
Der Kommentator des Brehon Law erläuterte den »Adel« seiner Häuptlingsbäume mit folgenden Glossen:

  • Eiche: ihre Größe, ihre Schönheit und ihre die Schweine mästenden Eicheln.
  • Hasel: ihre Nüsse und Ruten.
  • Apfel: seine Frucht und seine zum Gerben geeignete Rinde.
  • Eibe: ihr Holz, das für Haushaltsgefäße, Brustschilde usw. verwendet wird.
  • Steineiche: ihr Holz, das benützt wird, um den Schenkel des Königs zu schützen (d. h. zur Herstellung königlicher Throne) und für die Schäfte der Waffen.
  • Tanne: ihr Holz, aus dem Stützpfosten gemacht werden.

Hier ist, nebenbei bemerkt, der Sieg von Gwydions Esche über Brans Erle im Cad Coddeu demonstriert:  die Esche, die ursprünglich aus dem heiligen Hain ausgeschlossen war, ist nunmehr der einzige Baum, der im Zusammenhang mit der Königswürde erwähnt wird, und die Erle ist auf den Stand eines Bauern degradiert. Die utilitäre Einschätzung des Adels durch den Glossaristen bezeichnet einen tief greifenden religiösen Wandel, und sobald der jeweilige Wert der Bäume sich in einer Geldentschädigung für das widerrechtliche Fällen ausdrücken läßt, ist die Heiligkeit des Hains hinfällig, und die Dichtung selbst verfällt. Doch zu der Zeit, als das Gesetz noch galt, mußte der Schüler, der das Ollavetum der Dichtung anstrebte, folgenden, in Calders Hearings of the Scholars enthaltenen alten Katechismus auswendig lernen, der noch eine andere Klassifikation der Bäume bietet:

die weiße göttin

Wie viele Gruppen von Oghams? Antwort drei, nämlich: 8 Häuptlingsbäume und 8 Bauernbäume und 7 Büsche. 8 Häuptlingsbäume: erst Erle, Eiche, Hasel, Wein, Efeu, Schwarzdorn, Ginster, Heide; 8 Bauernbäume, nämlich: Birke, Eberesche, Weide, Esche, Weißdorn, Stechginster [8] Apfelbaum. Nach ihren Buchstaben, sind alle anderen Büsche Buschbäume.
Hier haben wir wieder die Bäume aus O'Flahertys Beth-Luis-Nion, ohne daß Erdbeerbaum, Ulme, Schilf und die anderen dazwischen kämen. Zu den unbenannten Busch-Bäumen gehören offenbar die Erle, das Schilf oder die Wassererle, der Besenginster und das Geißblatt. Diese Anordnung je nach Adel ist ungewöhnlich - da Apfelbaum und Steineiche von der Häuptlingswürde ausgeschlossen sind - und sie ist möglicherweise mit dem griechischen Alphabet von 24 Buchstaben und nicht mit dem 20 buchstabigen Ogham-Alphabet oder seiner erweiterten Form von 25 Buchstaben verwandt.
Das Thema ist recht schwierig, und die irischen Ollaves hatten kein Interesse daran, es Außenstehenden einsichtig zu machen.

Texttyp

Studien