Dichter, die sich dem einen poetischen Thema verschrieben haben, können es sich nicht leisten, zwischen »sakraler Geschichte« und »profanem Mythos« zu unterscheiden und die übliche Trennlinie zwischen ihnen zu ziehen, sofern sie nicht bereit sind, die Heiligen Schriften als gänzlich belanglos abzutun. Dies wäre schade, und in unserer Zeit der religiösen Toleranz sehe ich auch nicht ein, wieso man sich eine so eklatant ahistorische Auffassung von Autorschaft, Provenienz, Datierung und Originaltexten des Alten Testamens zu eigen machen sollte, die dessen engen Zusammenhang mit dem einen Thema verletzen. Im folgenden Kapitel will ich widerum etliche gerissene Fäden verknüpfen.
Der Mythos von Llew Llaw Gyffes ist in seinen ursprünglichen Umrissen recht gut erhalten, auch wenn er sorgfältig redigiert wurde, um den Göttern alles Verdienst an den Werken der Magie zuzuschreiben, die, wie wir durch den Vergleich mit Mythen des selben Typus wissen, ursprünglich von Göttinnen vollbracht wurden. So wird z. B. das Göttliche Kind Llew Llaw von einer Jungfrau geboren, allerdings durch die Zauberei des Math, und Arianrhod weiß wohl, daß sie ein Kind geboren hat, ist aber mit Recht empört, weil ihr vorgeworfen wird, unverheiratet Mutter zu sein; während in der Cuchulain-Version der Geschichte von Llew seine Mutter Dechtire ohne magisches Zutun schwanger wird, indem sie eine Eintagsfliege verschluckt. Und Nana, das phrygische Gegenstück zu Arianrhod, deren Sohn Attis etwa das gleiche Schicksal erleidet wie Llew Llaw, empfängt das Kind aus freiem Willen, durch magische Anwendung einer Mandel, oder, wie manche Mythographen erzählen, eines Granatapfels. Blodeuwedd wiederum, Llews Gemahlin, wird von Gwydion aus den Blüten von Eiche, Besenginster, Mädesüß und sechs anderer Planzen und Bäumen geschaffen; während sie in der älteren Sage Kybele, die Mutter aller Lebenden, und völlig unabhängig von irgendeinem männlichen Demiurgen ist.
Daß Blodeuwedds Finger »weißer als die neunte Welle des Meeres« sind, beweist ihre Verbindung mit dem Mond. Neun ist die Zahl des Mondes, der Mond bewegt die Gezeiten, und die neunte Welle ist der Überlieferung zufolge die größte. Ähnlich war Heimdall, Llews Gegenstück im skandinavischen Mythos, der Träger des Himmels und Lokis Rivale, der »Sohn der Welle«, denn er war durch Wotans (Gwydions) Zauberei aus neun Wellen geboren. Nach seinem Kampf mit Loki, bei dem beide in Robbenfelle gekleidet waren, erhielt Heimdall den Apfel des Lebens-im-Tode von Iduna überreicht, der Blumengeborenen, Blodeuwedds Gegenstück, und ritt auf seinem Roß »Goldmähne« über die Milchstraße, die ebenfalls in der Geschichte von Llew Llaw vorkommt. Doch die skandinavischen Skalden haben den Mythos entstellt, indem sie Heimdall den Sieg zusprachen, und die Verführung Idunas, der Braut Heimdalls, durch Loki gleich doppelt tarnten.
Nachdem Blodeuwedd Llew betrogen hat, wird sie von Gwydion bestraft, der sie in eine Eule verwandelt. Dies ist ein weiterer patriarchalischer übergriff. Sie war schon tausend Jahre bevor Gwydion geboren wurde eine Eule - die gleiche Eule, die auf Athenischen Münzen als Symbol Athenes, der Göttin der Weisheit abgebildet ist, die gleiche Eule, die Adams erster Frau Lilith ihren Namen gab und die als Annis, die blaue Hexe, in den alten britischen Volksmärchen das Blut der Kinder saugt. Es gibt ein Gedicht über die Eule Blodeuwedd, von Davydd ap Gwilym, in dem er beim Hl. David schwört, daß sie die Tochter des Lord of Mona sei, der Meirchion selbst an Würde gleichkommt. Dies aber bezeichnet sie als »Tochter des Proteus« - Meirchion konnte nach Belieben seine Gestalt ändern - und er bringt sie mit der alten, blutigen Religion der Druiden in Verbindung, die von Paulinus im Jahr 68 n. Chr. in Anglesea verboten wurde. Davydd ap Gwilym, der meistbewunderte unter allen walisischen Dichtern, war betrübt über die Einstellung seiner Zeit gegenüber der Frau, und er überredete eine Nonne, die er liebte, das Kloster zu verlassen.
In der Romanze ist nur die aasfressende Bache des Maenawr Penardd unabhängig vom Zauberstab des männlichen Magiers. Sie ist Cerridwen, die Weiße Sau-Göttin, in Tiergestalt. Wir werden sehen, daß Arianrhod, die Göttin der Geburt, und Arianrhod, die Göttin der Initiation, die Llew einen Namen und Waffen verleiht, sowie Blodeuwedd, die Liebesgöttin, und Blodeuwedd, die Eule, die Göttin der Weisheit, und Cerridwen, die alte Bache des Maenawr Penardd, eine Pentade bilden. Sie sind stets die gleiche Göttin in ihren fünf Jahreszeitlichen Aspekten, für die Ailm, Onn, Ura, Eadha und Idho die entsprechenden Vokale im Beth-Luis-Nion-Kalender sind. Wenn hier die zwei Arianrhods und die zwei Blodeuwedds nicht unterschieden sind, so liegt es daran, daß die Pentade auch als Trias aufgefaßt werden kann: der Autor der Romanze erzählt seine Geschichte um eines verständlicheren narrativen Ablaufs willen in Form eines Jahreszyklus von drei Jahreszeiten.
Ähnlich ändert Llew Llaw seinen Namen mit den Jahreszeiten. Dylan, der Fisch, ist sein Neujahrsname - wenngleich in manchen Berichten Dylan und Llew Zwillinge sind. Llew Llaw, der Löwe, ist sein Sommername. Sein Herbstname wird uns vorenthalten. Im Mittwinter ist er der Adler von Nat y Llew. Die Romanze stellt ihn als fabelhaften Reiter dar; denn auch Herakles ritt das wilde Pferd Arion, und Bellerophon ritt den Pegasos. In der irischen Sage wird dessen Gegenstück Lugh das Verdienst zugeschrieben, das Reiten erfunden zu haben.
Die Geschichte, wie er von Blodeuwedd getäuscht wurde, erinnert an die Täuschung Gilgameschs durch Ischtar und an Samsons Täuschung durch Dalila. Samson war ein palästinischer Sonnengott, der fälschlich in die jüdischen Mythen aufgenommen wurde, schließlich als israelitischer Heros aus der Zeit der Richter in die Geschichte einging. Daß er einer exogamen und daher matrilinearen Gesellschaft angehörte, zeigt sich daran, daß Dalila nach der Hochzeit bei ihrem eigenen Stamm blieb. In den patriarchalischen Gesellschaften zieht die Frau zum Stamm ihres Mannes. Der Name »Samson« bedeutet »von der Sonne«, und sein Stamm, »Dan«, ist ein Zuname des assyrischen Sonnengottes. Samson tötete wie Herakles mit bloßen Händen einen Löwen, und sein Rätsel von den Bienen, die im Kadaver des von ihm getöteten Löwen schwärmen, zeigt, wenn wir es in die korrekte ikonographische Form zurückübersetzen, wie Aristäus, der pelasgische Herakles (der Vater Aktäons, des Hirsch-Kult-Königs und Sohn des Kentauren Cheiron), auf dem Berg Pelion einen Berglöwen tötet, aus dessen Fleischwunde der erste Bienenschwarm hervorging. In der Cuchulain-Version der gleichen Geschichte heißt Blodeuwedd allerdings Blathnat, und sie entlockt ihrem Gemahl, dem König Curoi - dem einzigen Mann, der Cuchulains jemals Herr wurde - das Geheimnis, daß seine Seele in einem Apfel im Magen eines Lachses verborgen sei, der alle sieben Jahre einmal in einem Brunnen am Abhang des Slieve Mis (dem Berg, wo Amergins Dolmen standen) erscheint. Dieser Apfel kann nur mit seinem eigenen Schwert entzwei geschnitten werden. Cuchulain, ihr Geliebter, wartet sieben Jahre und bringt sich in den Besitz des Apfels. Blathnat bereitet dann ein Bad und bindet die langen Haare ihres Gemahls an Bettpfosten und Bettgeländer; sie nimmt sein Schwert und reicht es ihrem Geliebten, der den Apfel entzwei schneidet.
Der Gatte verliert seine Kraft und ruft: »Kein Geheimnis an die Frauen, kein Juwel an die Sklaven!« Cuchulain schlägt ihm den Kopf ab. In dieser Geschichte findet sich ein Hinweis auf Gwions Dichtung. Eine griechische Version der gleichen Geschichte spielt in minoischen Zeiten: Nisos, der König von Nisa - einer antiken Stadt in der Nähe von Megara, die von den Dorern zerstört wurde - wurde seine »Purpurlocke« von seiner Tochter Skylla abgeschntten, die ihn töten und den Minos von Kreta heiraten wollte. Die Griechen schmückten diese Geschichte mit einem unwahrscheinlichen moralischen Schluß aus, nämlich daß Minos die Skylla als Vatermörderin vom Heck seiner Galeere ins Meer warf; jedenfalls geht aus der Genealogie der Könige von Nisa hervor, daß der Thron in matrilinearer Folge vererbt wurde. Eine weitere Version findet sich im Excidium Troiae, einer mittelalterlich-lateinischen Zusammenfassung des Trojanischen Krieges, die aus sehr frühen Quellen kompillert ist: dort wird dem Achilles das Geheimnis seiner verletzlichen Ferse von seiner Frau Polyxena abgerungen, »denn es gibt kein Geheimnis, das eine Frau nicht den Männern als Liebesbeweis entlocken könnte«. Wir dürfen annehmen, daß auch Isis in der ursprünglichen Osiris-Sage eine bereitwillige Komplizin bei seiner alljährlichen Ermordung durch Set war; und daß in der ursprünglichen Herakles Sage Deianeira eine bereitwillige Komplizin bei dessen alljährlicher Ermordung durch Acheloos oder durch den Kentauren Nessos war; und ferner, daß jeder dieser Helden im Bade getötet wurde - wie etwa in der Sage von der Ermordung des Minos, den die Priesterin von Kokaios auf Geheiß des Daidalos tötete, oder in der Sage von der Ermordung Agamemnons durch Klytämnestra auf Einflüsterung des Aigisthos - auch wenn es in der volkstümlichen Version der Osiris-Geschichte ein Sarg und nicht ein Bad ist, wohin er gelockt wird.
Die Schakale, die in Ägypten Anubis, dem Wächter der Toten, heilig waren, weil sie das Fleisch von Leichen fraßen und geheimnisvolle nächtliche Verhaltensweisen hatten, wußten vermutlich alles über den Mord.
Die Rede der Schakale an Isis[1]
Gewähre den Kindern Anubis dieses:
Daß sie mit dir heulen, Königin Isis,
Über den verstreuten Gliedern des gemeuchelten Osiris.
Welch härteres Geschick, denn eine Frau zu sein?
Sie schafft und vernichtet ihren Mann.
Im Land der Schakale ist es kein Geheimnis,
Wer wohl den rothaarigen, eselsohrigen Set versuchte,
Zu so maßloser blutiger Tat; und wer daher
Am meisten muß trauern und sorgen,
Den rastlosen Geist zu versöhnen.
Und wenn einst Horus, Euer Sohn
Diese Verstümmelung rächen wird,
Werden wir wiederkehren durch die Savanne
Aus dem Land der getreuen Schakale,
Um uns fünf Nächte und Tage am Fleische des Esels zu laben.
Eine kanaanitische Version der gleichen Geschichte findet sich in ikonotrophischer Form in dem offenbar unhistorischen Buch Judith, das in makkabäischer Zeit entstanden ist. Anscheinend gründeten die Juden ihre religiösen Anekdoten immer auf eine bereits vorliegende Legende oder lkone und hatten nie eine fiktive Literatur im modernen Sinn. Übersetzen wir also die Geschichte von Judith, Manasse, Holofernes und Achior in bildliche Form zurück und ordnen wir die Ereignisse wieder in ihre natürliche Reihenfolge ein. Die Königin bindet das Haar ihres Gemahls an den Bettpfosten, um ihn bewegungsunfähig zu machen, und enthauptet ihn mit einem Schwert (13, 6-8); ein Wächter überbringt es ihrem Geliebten, den sie als neuen König auserwählt hat (14,6); nach einer Trauerzeit, durch die der Geist des alten Königs - nämlich des bei der Gerste-Ernte gestorbenen Getreide-Tammuz - beschwichtigt werden soll (8,2-6), reinigt sie sich in fließendem Wasser und kleidet sich als Braut (10,3-4); nun tritt der Hochzeitszug zusammen (10,17-21); und die Hochzeit wird mit allerlei Geselligkeit (12,15-20), Freudenfeuern (13,13), religiösen Gelagen(16,20), Tänzen und dem Schwenken von Baumzweigen (15,12), vielen Geschenken (15,2), der Tötung von Opfern (15,5) und der rituellen Beschneidung des Bräutigams (14,10) begangen. Die Königin trägt eine Krone von Olivenlaub als Emblem der Fruchtbarkeit (15,13). Das Haupt des alten Königs wird als Schutzzauber auf der Stadtmauer ausgestellt (14,11), und die Göttin erscheint in triadischer Gestalt als Vettel, Braut und Jungfrau (16,23), um die Vereinigung zu segnen.
Die Tatsache, daß die Göttin Frigga eine große Trauer für Baldur befahl, erweist sie als schuldig an seinem Tod. Sie war in Wirklichkeit Nanna, Baldurs Braut, die von seinem Rivalen Holder verführt wurde; aber ähnlich wie die ägyptischen Isis-Priester haben die skandinavischen Skalden die Geschichte im Sinne der Ehemoral verändert. An welcher Stelle der Ferse aber wurden Talus, Bran, Achilles, Mopsos, Chairon und all die anderen tödlich verwundet? Die Mythen von Achilles und Llew Llaw liefern uns den Schlüssel. Als Thetis das Kind Achilles am Fuß ergriff und es in den Kessel der Unsterblichkeit tauchte, blieb die Stelle, die von ihrem Finger und Daumen umfaßt wurde, trocken und daher verletzlich. Dies war vermutlich die Stelle zwischen der Achillessehne und dem Fersenbein, wo wie ich in King Jesus nachweise - der Nagel eingeschlagen wurde, um den Fuß des Gekreuzigten seitlich an den Stamm des Kreuzes zu heften: jedenfalls in der von den kanaanitischen Karthagern übernommenen Form des römischen Rituals. Denn die Kreuzigung galt ursprünglich dem alljährlich geopferten Sakralkönig. Die genaue Treffsicherheit des Kindes Llew Llaw wurde von seiner Mutter Arianrhod gelobt, denn als Neujahrs-Rotkehlchen, alias Belin, traf er seinen Vater, den Zaunkönig, alias Bran, dem ja der Zaunkönig heilig war, »zwischen die Sehne und den Knochen seines Beines«.
Daß Arianrhod ihrem Sohn die Waffen gab, ist eine gängige keltische Formel. Daß dies das Vorrecht der Frauen war, erwähnt schon Tacitus in seinem Werk über die Germanen - und die Germanen seiner Zeit waren keltische Einwohner Germaniens, das noch nicht von den patriarchalisch organisierten Breitschädeln besetzt worden war, die wir heute als Germanen ansprechen.
Gronw Pebyr, der als Herr von Penllyn auftritt - als »Lord of the Lake« - was auch ein Titel von Cerridwens Gemahl Tegid Voel war, ist in Wirklichkeit Llews Zwilling und Stellvertreter. Denn Llew tritt nie ohne Zwilling auf; beim Besuch der Burg Arianrhods ist Gwydion der Stellvertreter Gronws. Gronw regiert während der zweiten Hälfte des Jahres, nach Llews Opfertod; und der erschöpfte Hirsch, den er draußen vor Llews Burg tötet und häutet, steht für Llew selber (»ein Hirsch von sieben Kämpfen«).
Dieser dauernde Wechsel der symbolischen Werte erschwert dem prosaisch gesonnenen Leser das Verständis der Allegorien, doch für den Dichter, der sich an das Schicksal des pastoralen Herakles erinnert, ist der Sinn klar: nachdem Llew von dem Pfeil getroffen ist, der von Bryn Kyvergyr nach ihm geschleudert wurde, häutet Gronw ihn, schneidet ihn in Stücke und verteilt die Stücke unter seinen Gesellen. Der Schlüssel liegt in der Wendung »er atzte seine Hunde«. Ähnlich verwandelte auch Math in einer früheren Phase der Geschichte seinen Rivalen Gilwaethwy in einen Hirsch. Es erscheint wahrscheinlich, daß Llews mittelalterlicher Nachfolger, der Rote Robin Hood, ebenfalls als Hirsch verehrt wurde. Seine Anwesenheit beim Abbot's Bromley Horn Dance wäre anders kaum erklärlich, und der Bast des Hirschhorns wird manchmal auch »Robin Hoods Hutband« genannt. Im Mai bekommt der Hirsch seinen roten Sommerpelz. Llew fährt in einem Boot aus Schilf und Seegras zur Burg der Arianrhod. Dies Boot ist unser altbekannter Erntekorb, in dem fast jeder antike Sonnengott seine Neujahrsreise antritt; und die jungfräuliche Prinzessin, seine Mutter, erwartet ihn stets am Ufer, um ihn zu begrüßen. Wie bereits erwähnt, beteten die Delpher einmal im Jahr Dionysos als das neugeborene Kind Liknites an, als »das Kind im Erntekorb«, einem schaufelförmig geformten Korb aus Binsen und Weidenruten, der als Erntekorb, Kinderwiege, Futterkrippe und als Worfelsieb benutzt wurde, um das Getreide gegen den Wind in die Luft zu werfen und es von der Spreu zu trennen.
Der Kult des Göttlichen Kindes entstand im minoischen Kreta, seiner frühesten Heimat in Europa. Auf dem Tempelgelände des Diktäischen Zeus - des Zeus, der alljährlich in Rheas Höhle in Dikte, bei Knossos, geboren wurde, wo Pythagoras »dreimal neun heilige Tage« seiner Initiation harrte - wurde 1903 der Text einer griechischen Hymne gefunden, die anscheinend die ursprüngliche minoische Formel überliefert, nach der die gipsgepuderten, mit Schwertern tanzenden Kureten oder Lehrer das Kind an seinem Geburtstagsfest begrüßten. Dabei priesen sie es als den »Kronischen«, der alljährlich auf einer Sau reitend und von einem Geistergefolge begleitet nach Dikte kommt, und den sie um Frieden und Reichtum anflehen, als Belohnung für ihre fröhlichen Luftsprünge. Die Überlieferung, die Hygin in seiner poetischen Astronomie erzählt, nämlich daß das Sternbild Steinbock [2] der Milchbruder des Zeus, Aegipan, war; das Kitz der Geiß Amalthea, dessen Horn Zeus ebenfalls unter die Sterne versetzte, beweist doch, daß Zeus zur Mittwinterzeit geboren war, wenn die Sonne in das Haus des Steinbocks tritt. Dies Datum wird durch eine alternative Version des Mythos bestätigt, wonach er von einer Bache gesäugt wurde - anscheinend derselben, auf der er alljährlich nach Dikte ritt - denn in Ägypten durften Schweinefleisch und -milch nur beim Mittwinterfest genossen werden. Daß auch die Sonnengötter Dionysos, Apollon und Mithras angeblich alle zur Wintersonnwende geboren waren, ist bekannt, und die christliche Kirche verlegte anfangs, im Jahre 237 n. Chr., das Geburtsdatum Jesu Christi auf die gleiche Jahreszeit. Ein Jahrhundert später behauptete der Hl. Chrysostomus, man habe damit beabsichtigt, daß »die Christen, während die Heiden mit ihren profanen Riten beschäftigt sind, ihre heiligen Riten ungestört ausüben konnten«, doch er rechtfertigte dieses Datum auch als passend für IHN, der die »Sonne der Gerechtigkeit« war. Eine weitere Bestätigung des Datums haben wir in dem Umstand, daß Zeus der Sohn des Kronos war, den wir mit Sicherheit als Fearn oder Bran identifizieren konnten, als Gott des Monats F im Beth-Luis-Nion. Rechnen wir von der Wintersonnwende 280 Tage zurück - d. h. zehn Monate des Beth-Luis-Nion-Kalenders, die normale Schwangerschaftsdauer beim Menschen - dann kommen wir auf den ersten Tag des Monats Fearn. (Ähnlich kommen wir, wenn wir von der Wintersonnwende 280 Tage voraus rechnen, zum ersten Tag des G-Monats Gort, der dem Dionysos heilig war; Dionysos als Wein- und Efeugott, und nicht als Sonnengott, war der Sohn des Zeus.)
Cuchulain wurde geboren, nachdem seine Mutter eine Eintagsfliege verschluckt hatte. Doch in Irland schlüpfen die Eintagsfliegen (engl.: may-fly) oft schon im Spätmärz aus, und so fiel seine Geburt wohl ebenfalls in die gleiche Zeit.
Llews Seele entflieht, wie die Seele des Herakles, in Gestalt eines Adlers und läßt sich auf einer Eiche nieder. Diese Apotheose lag ganz in der Tradition antiker Könige. Die Seelen geringerer Menschen flogen in Gestalt weißer Vögel oder goldener Schmetterlinge auf, aber die Seele eines Sakralkönigs hatte die Schwingen eines Adlers oder königlichen Greifs. Auf Siegelstöcken aus dem minoischen Kreta sind löwenköpfige Adler zu sehen. Es war von höchster politischer Bedeutung, daß Kaiser Augustus nach seinem Tod in den Himmel versetzt und die oberste Gottheit des römischen Imperiums wurde; und ein römischer Ritter, der unter Eid erklärte, er habe die Seele des Kaisers von seinem Scheiterhaufen in Gestalt eines Adlers auf steigen sehen, wurde daher von Livia, der Witwe Augustus', mit einem ansehnlichen Geschenk belohnt. Ganymed war in der ursprünglichen Sage ein phrygischer Prinz, der als Adler zum Himmel aufstieg; er wurde nicht auf dem Rücken eines Adlers entführt, um Zeus' Mundschenk zu werden, wie eine den Homosexuellen liebe Version es will. Es ist eher wahrscheinlich, daß auch Ganymed, der Sohn des Tros - wie der kretische Dionysos, der Sohn des Zeus; Ikaros, der Sohn des Daidalos; Phaeton, der Sohn des ApolIon; Asklepios, der Sohn des Apollon; Demophoon, der Sohn des Keleus; Melikertes, der Sohn des Athamas; Mermeros und Pheres, die Söhne Jasons; Gwern, der Sohn des Matholwch; Isaak, der Sohn Abrahams und viele andere unglückliche Prinzen dieser Gattung - für einen einzigen Tag mit der Königswürde ausgestattet und dann verbrannt wurde. Wie ich im Fall von Peleus, Thetis und Achilles nachgewiesen habe, durfte der pelasgische Sakralkönig vom Typ des Minos über die hundert Monate hinaus, die ihm vom Gesetz zugestanden wurden, sein Amt nicht weiter ausüben, wohl aber konnte er wiederum Nachfolger eines Sohnes werden, der für den einen, außerhalb des Jahres stehenden Tag als Titularkönig fungierte.
Wie wir aus der Geschichte von Athamas schließen können, gab der alte König während des einen Tages, an dem sein Sohn regierte, vor, tot zu sein und aß die für die Toten bestimmten Speisen; sofort nach Ablauf dieses Tages trat er eine neue Herrschaftsperiode an, und zwar durch die Heirat mit seiner verwitweten Schwiegertochter, denn der Thron vererbte sich nach dem Mutterrecht. [3] Nachdem die gesetzliche Regierungszeit auf einhundert Monate verlängert worden war, verlängerte der alte König sie oft noch einmal, indem er die nächstfolgende Erbin entführte, die theoretisch seine eigene Tochter war - wie im Fall des Königs Kinyras von Zypern. Auch die Geschichten von Sextus Tarquinus und Lucretia, David und Bathseba, Math und Arianrhod sind in diesem Sinn zu verstehen.
Die nachfolgende Auferstehung des Llew findet in der toten Zeit des Winters statt, in der Jahreszeit der alten Bache, zur Zeit des alljährlichen athenischen Schweineopfers für die Gerste-Göttin, ihre Tochter Persephone und Zeus: »neun mal zwanzig Stürme«, das heißt, 180 Tage sind seit seiner Ermordung an Mittsommer verstrichen. Der ausgehöhlte Stein, Llech Gronw, der Stein des Gronw, war vermutlich einer der sehr verbreiteten prähistorischen hohlen Steine; er repräsentierte offenbar den Mund der bätylischen Muttergöttin, durch den die Geister in Form von Winden ausfuhren und in die Leiber vorbeigehender Frauen eingingen. Mit anderen Worten, indem Grown den Stein zwischen seinen Körper und Llews Speer stellte, sicherte er seine Wiederbelebung.
Der Tod von Blodeuwedds Jungfrauen im See bezieht sich anscheinend auf die Unterwerfung der Priesterinnen der alten Religion durch die neue Apollon-Priesterschaft - und erinnert mithin an die Geschichte, wie Melampus die wahnsinnigen Töchter des Proteus heilte und ihren Wahnsinn in einem Brunnen zu Lusi abwusch. Doch es gibt noch eine eindeutigere Parallele: den Tod der fünfzig pallantidischen Priesterinnen von Athen, die sich lieber ins Meer stürzten, als sich der neuen patriarchalischen Religion zu unterwerfen.
Die Romanze endet mit der Tötung Gronws durch den wiedergeborenen. Llew Llaw, der dann wieder über Gwynedd herrscht.
Dies ist ein natürlicher Schluß der Geschichte, nur daß Llew Llaw eigentlich einen anderen Namen tragen sollte, wenn er Gronw tötet: denn Gronw enspricht dem Sonnengott Set, der Osiris tötet und ihn in Stücke reißt, wie auch dem griechischen Typhon und dem irischen Finn Mac Coll - lauter Götter des gleichen Typs. Osiris stirbt, aber er wird als Harpokrates (»das Kind des Horus«) wiedergeboren und nimmt Rache an Set, ähnlich wie Wall Balders Tod an Holder rächt; so wurden auch die ägyptischen Pharaonen mit dem Titel Horus geehrt und als »von Isis Gesäugte« angesprochen.
Llews Herbst-Name, der in der Geschichte verschwiegen wird, läßt sich aus der Logik des Mythos rekonstruieren. Daß sein Kampf mit Gronw, dem Herrn von Penllyn, um die Liebe der Blodeuwedd der gleiche ist wie der des Gwen mit Gwythyr ap Greidawl um die Liebe der Creiddylad, beweist Trias 14, wo Arianrhod als Mutter der Zwillings-Helden Gwengwyngwyn und Gwanat bezeichnet wird. Gwengwyngwyn ist lediglich »der Dreimal Weiße«, oder Gwyns Name, dreimal wiederholt, und wie wir sahen, war es Gwyns Aufgabe, die Seelen - wie der Dreimal Große Hermes- zur Burg Arianrhods zu geleiten. Tatsächlich war Gwyn, wie Dylan und Llew, Arianrhods Sohn. Aber Darfydd ap Gwilym berichtet, daß die Herbst-Eule in der Gestalt Blodeuwedds dem Gwyn heilig war. Daraus ergibt sich, daß Llew, der als Dylan das Jahr einleitete, als er den von Ziegen bevölkerten Bryn Kyvergyr, den Mittsommer-Wendepunkt der Sonne erreichte und von seinem Rivalen, »Viktor, dem Sohn des brennend Heißen«, getötet wurde, unsichtbar wurde und sich sofort in Gwyn, den Anführer der herbstlichen Wilden Jagd verwandelte. Ähnlich wie die Weiße Göttin, die abwechselnd als Arianrhod vom Silberrade, Blodeuwedd von den weißen Blumen und Cerridwen, die geisterweiße Bache, auftrat, war auch er »dreimal weiß« abwechselnd Dylan, der silberne Fisch, Llew, der weiße Hirsch, und Gwyn, der weiße Reiter auf dem falben Roß an der Spitze seiner Meute von weißen, rotohrigen Hunden. Das Gwyns Vater Nudd oder Llud war und daß Gwengwyngwyns Vater ein gewisser Lllaws war, tut dieser Aussage keinen Abbruch. Ähnlich umstritten war Hermes' Vaterschaft in Griechenland.
Die Truhe, in die Gwydion den Llew legte, ist ein zweideutiges Symbol. In einem Sinn ist es die Truhe der Wiedergeburt -jener Art, in die die Kreter ihre Toten legten. In einem andern Sinn ist es die Arche, in der die Jungfrau und das Kind - die bekanntesten unter vielen Beispielen sind Dana~ und Perseus - gewöhnlich von ihren Feinden den Fluten übergeben werden; es ist die gleiche Arche aus Akazienholz, in der Isis und ihr Kind Harpokrates über die Wasser des überfluteten Deltas segelten, um die verstreuten Teile des Osiris zu suchen. In diesem Fall aber ist Arianrhod nicht mit Llew zusammen in der Truhe. Der Autor gibt sich alle mühe, um die Göttin in ihrem mütterlichen Aspekt aus der Geschichte herauszuhalten; ja, sie nährt Llew nicht einmal.
Mur-y-Castell, heute Tomen-y-Mur, ist eine mittelalterliche britische Burg - ein großer künstlicher Erdwall, überragt von einer Palisade - in den Bergen hinter Ffestinlog in Merioneth. Er wurde um das nördliche Tor eines römischen Lagers herum errichtet, und in der Nähe sind noch beträchtliche Reste von römischen Bäderanlagen deutlich zu erkennen, die ihr Wasser aus dem Fluß Cynfael bezogen. Anscheinend wurde das Lager von den heidnischen Walisern besetzt, als die Römer es im fünften Jahrhundert räumten, und wurde dann Zentrum eines Llew-Llaw-Kults - falls es dies nicht, wie die römischen Lager Laon, Lyon und Carlisle, bereits vorher gewesen ist. Das Bädersystem paßte gut in die Geschichte. Der Erdwall, war möglicherweise ein Bestattungshügel, wobei die sterblichen Reste eines toten Königs in den Ruinen der römischen Pforte beigesetzt waren, um die herum alsdann der Hügel aufgehäuft wurde.
Das Bad in der Geschichte von der Ermordung Llews ist, wie schon gesagt, ein vertrautes Bild. Auf diese Weise fanden die Sakralkönige oft ihr Ende. So z. B. Minos, der kretische Sonnengott, in Agrigent auf Sizilien, von der Hand der Priesterin von Kokaios und ihres Geliebten Daidalos; und Agamemnon, der Sakralkönig von Mykene, von der Hand Klytaemnestras und ihres Geliebten Aigisthos. Es ist ein rituelles Reinigungsbad, von der Art, wie Könige es anläßlich ihrer Krönung nehmen. Denn Llew Llaw salbt sich zu diesem Anlaß. Die Gesellen, die ihm aufwarten, werden meist als bocksfüßige Satyrn abgebildet. Auch in der Romance von Llew Llaw werden sie als Ziegenböcke erwähnt, die an der Opferung ihres Herrn mitwirken.
Die Sache mit der Schuhmacherei ist merkwürdig, aber sie wirft einiges Licht auf die geheimnisvolle französische Ballade - aus dem zwölften Jahrhundert - von dem jungen Schuhmacher.
Sur les marches du palais
L'est une tant belle femme.
Elle a tant d'amoureux
Qu'elle ne sait Iequel prendre.
C'est le p'tit cordonnier
Qu'a eu la preférence.
Un jour en la chaussant
Il lui fit sa demande:
»La belle si vous I'vouliez,
Nous dormirons ensemble.
Dans un grand lit carré,
Orné de tele blanche,
Et aux quatre coins du lit
Un bouquet de pervenches.
Et au mitan de lit
La riviére est si grande,
Que les chevaux du Roi
Pourroient y boire ensemble.
Et là nous dormirons
Jusqu' à la fin du monde.«
Die schöne Dame mit den vielen Liebhabern und einem großen, mit weißem Linnen verhängten quadratischen Bett, ist unverkennbar die Göttin, und der junge Schuster ist Llew Llaw. Die Passagen der Rede allerdings sind vertauscht. In der zweiten Strophe müßte es anstelle von Elle a tant d'amoureux um des Reimes willen lauten: Elle a tant d'enamouris. In der vierten Strophe müßte es statt En la chaussant / Elle lui fit sa demande lauten: Sur la chaussée / Elle lui fit sa demande. La belle in Strophe fünf sollte Bel homme heißen, in der neunten Strophe sollte es rei statt roi heißen, und statt nous dormirions in der letzten müßte es vous dormiriez heißen. Solche Immergrün-Poesie deutet an, daß der »Fluß« (noch heute eine Bezeichnung für die nach der Liebe in die Matratze eingedrückte Kuhle), wo alle Pferde des Königs miteinander trinken könnten, der Toten-Fluß ist und daß der Schuhmacher nie wieder von dem Brautlager aufstehen wird. Seine Braut wird ihn an den Bettpfosten binden und seinen Rivalen rufen, der ihn töten wird. Das Immergrün war in der französischen, italienischen und britischen Folklore die Todesblume. Im Mittelalter gab man Männern, die gefesselt zur Hinrichtung geführt wurden, Immergrünsträuße in die Hände. Die Blume hat fünf blaue Blütenblätter und ist daher der Göttin heilig, und ihre zähen grünen Ranken waren vermutlich die Bande, in die sie ihr Opfer schlug. Dies können wir auch aus dem lateinischen Namen, vincapervinca (»alles umwindend«) ableiten, auch wenn manche mittelalterlichen Grammatiker das mit vincere, »erobern«, und nicht mir vincire, »binden«, in Zusammenhang bringen und die Vorform des englischen periwinkle (»Immergrün«), pervinke, als die »Alles Besiegende« erklärten. Der Tod aber ist allbesiegend. So kam es aufs gleiche hinaus. Höchstwahrscheinlich wurde dieser Brauch, die Delinquenten mit Immergrün zu schmücken, von einem Opferritual zu Ehren des Schuhmachers Llew Llaw übernommen. Es ist klar, daß die Zauberkraft der Arianrhod ‚Äì wie jene des Math - in ihren Füßen lag und daß Llew, als er ihren Fuß in die Hand nahm, als ob er für einen Schuh maßnehmen wollte, sie dazu bringen konnte, zu tun, was immer er wollte. Vielleicht ist auch Perraults Geschichte von Cinderellas Schuh eine entstellte Version des gleichen Mythos. Fußfetischisten sind heutuutage keineswegs selten - diese Verirrten bringen Tage damit zu, hochhackige Damenschuhe zu kaufen oder zu stehlen, um sich das seelische Hochgefühl zu verschaffen, das deren Besitz ihnen schenkt. Darüber hinaus wäre es möglich, daß der Fußfetischismus in Ardudwy, dem Schauplatz dieser Romanze, ein alter Kult war, wenngleich ich nicht weiß, ob es jemals offizielle Aufzeichnungen darüber gab. Etliche Meilen von Mur-y-Castell entfernt, auf den Hügeln zwischen Harlech (wo ich als junge lebte) und Llanfair gibt es ein altes Gälen-Lager - eine Ansammlung von Ruinen runder Hütten, die wahrscheinlich aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. stammen - und nicht weit davon entfernt, bei Llanfair, findet sich der Fußabdruck einer Frau, etwa ein Zoll tief, in eine große Steinplatte eingelassen. Logischerweise heißt er bei der Bevölkerung »der Fußabdruck der Jungfrau«, und ein anderes Zeichen, nicht weit davon entfernt, heißt »der Fußabdruck des Teufels«. Der Stein liegt, wenn man auf der Straße von Harlech daherkommt, am äußeren linken Rand eines Feldes. Ähnliche heilige Fußabdrücke werden noch heute in Südindien verehrt.
Warum aber Korduanleder? Möglicherweise deshalb, weil der Llew-Kult aus Spanien nach Britannien gelangte, wie bekanntlich auch der hochhackige Schaftstiefel. In Uxama, in Spanien, wurde die Widmung einer Schuhmacherzunft an die »Lugoves«, d. h. die Lughs, aufgefunden. Und warum gefärbte und vergoldete Schuhe? Weil solche Schuhe bei den Kelten ein Symbol der Königswürde waren. Sie spielten auch bei der englischen Krönungszeremonie eine Rolle, kamen aber nach der Regierungszeit Georgs II. außer Gebrauch. Wenngleich sie offiziell »Sandalen« hießen, waren sie doch vergoldete Halbstiefel, ähnlich wie die purpurroten Schaftstiefel, in denen die byzantinischen Kaiser sich krönen ließen mit purpurroten Sohlen und hölzernen Absätzen, die mit scharlachrotem Leder bezogen waren. Die Purpurfarbe war ein Produkt der Kermeseiche, und die Absätze waren zweifellos aus Eichenholz. In der Romanze wird die Farbe der Schuhe nicht näher bezeichnet; und auch dies weist auf eine Verbindung zu Spanien hin, wo boszeguis de piel colorado nicht Schaftstiefel aus gefärbtem Leder, sondern Schaftstiefel aus purpurrotem Leder sind. Ähnliche Schaftstiefel wurden, so glaubt man, auch bei der Einsegnung der römischen Könige verwendet, denn sie gehörten auch zum Sakralgewand des siegreichen Generals der republikanischen Zeit, und dieses Gewand war ursprünglich ein königliches Gewand gewesen. Sandalen kommen auch in der Sage von dem Sonnenheros Theseus vor, dessen Göttin-Mutter ihm ein Paar schenkte, als sie ihm Waffen gab und ihn aussandte, die Ungeheuer zu erschlagen; wie auch in der Sage von Perseus, der ebenfalls Ungeheuer erschlug; und in der Hermes-Sage.
Aus diesem Teil der Geschichte geht hervor, daß Llew Llaw das dritte Paar goldene Schuhe für sich selbst behielt. Er war einer der Drei Zinnoberrot Gefärbten von Britannien, wie wir aus Trias 24 wissen; ein anderer war König Arthur. »Zinnoberrot gefärbt« zu sein, das bedeutete, ein Sakralkönig zu sein: in Rom wurden dem siegreichen General Gesicht und Hände rot gefärbt, als Zeichen seiner zeitweiligen Königswürde. Die Sakralkönige durften anscheinend nicht mit den Fersen den Boden berühren, sondern liefen, wie der Kanaaniter Agag, auf Zehenspitzen. Der Kothurn, der hochhackige Stiefel des Gottes Dionysos, ist nur in diesem Sinn zu verstehen, auch wenn diese Bedeutung im antiken Griechenland mit der Behauptung getarnt wurde, daß hochhackige Stiefel den Eindruck körperlicher Größe erweckten.
In Genesis 32 ringt Jakob an dem Ort Penuel die ganze Nacht mit einem Engel, und dieser »rührt das Gelenk seiner Hüfte an«, d. h. er verrenkt seine Hüfte in der Weise, daß die Sehne an der Innenseite des Oberschenkels schrumpft. Jakob zog sich also eine Verletzung zu, die einst bei Ringkämpfern häufig vorkam, eine Luxation der Hüftgelenkkugel nach innen, wie Hippokrates sie als erster schildert. Die Folge dieser Luxation, die dadurch entsteht, daß die Beine zu weit gespreizt werden, ist, daß das Bein des Verletzten seitlich gebogen, ausgerenkt und nach außen drehbar ist: mit anderen Worten, er kann, wenn überhaupt, nur mit einem torkelnden oder schaukelnden Gang und auf Zehenspitzen gehen. Das verletzte Bein wird durch die anomale Position der Gelenkkugel verlängert, oder wenigstens wirkt es länger als das andere. Diese Streckung des Beines spannt die Bänder im Oberschenkel an, und die Muskeln verkrampfen sich, und dies ist wahrscheinlich mit dem Schrumpfen der Sehne an der Innenseite des Oberschenkels gemeint. Da nun Jakob noch der mutterrechtlichen Epoche angehört und bei dieser Gelegenheit seinen sakralen Namen und sein verheißenes Erbe errang, die ihm beide nur von einer Frau verliehen werden konnten, wurde die Geschichte ganz offenbar von den patriarchalischen Bearbeitern der Genesis zensiert. Die arabischen Lexikographen aber stimmen darin überein, daß Jakobs Verletzung zur Folge hatte, daß er mit seinem verletzten Bein nur auf Zehenspitzen gehen konnte; und sie mußten es wohl wissen.
Noch im Mutterleib verdrängt Jakob seinen Zwillingsbruder Esau, indem er ihn an der Ferse packt und ihm so seine virtuelle Königswürde entzieht. Hosea, 12,4,5 bringt dieses Verdrängen mit dem Ringkampf mit dem Engel in Verbindung, was darauf hindeutet, daß Jakobs wirklicher Name Jah-akeb lautete, der »Fersen-Gott«. Jakob wird in der King James Bibel »the supplanter«, der Verdränger genannt, und was könnte »to supplant« anders bedeuten als die Hand sub plantam alicujus, unter jemandes Fuß zu legen und ihn so straucheln zu lassen. Das griechische Wort pternizein, das die Septuaginta in diesem Kontext gebraucht, trifft den Sachverhalt noch genauer, es heißt, »jemandes Ferse straucheln lassen«, und es wird dort zum erstenmal in diesem Wortsinn gebraucht. Jakob ist also der Sakralkönig, der die Nachfolge antritt, indem er einen Rivalen straucheln ließ; die Strafe für diesen Sieg ist aber, daß er nie wieder seine eigene heilige Ferse auf den Boden setzen darf. (I Mose, 32-33) Und in Genesis 32-33 heißt es: »Daher essen die Kinder Israel keine Spannader aus dem Gelenk der Hüfte bis auf den heutigen Tag.« Jakobs Großvater Abraham hatte ebenfalls eine geheiligte Hüfte, und in Genesis 24,2, heißt er seinen Vasallen, die Hand darunter legen, als er ihm einen Treueeid abnimmt - wie auch Jakob es mit Joseph in Genesis 47,29, hält. Wie Hermione Ashton schreibt, ist es bei verschiedenen südarabischen Stämmen üblich, dem Emir in Verehrung den Schenkel zu küssen; sie hat diesen Brauch selbst bei den Qateibi beobachtet, die etwa hundert Meilen nördlich von Aden wohnen - einer der vier Stämme der Amiri-Rasse, die den Anspruch erhebt, die Söhne Ma'ins und das älteste Geschlecht der Welt zu sein.
Der gezierte oder schaukelnde Gang der Sakralkönige - ob durch diese Luxation bedingt oder nachahmend angenommen - wurde auch von den Tragöden der griechischen Bühne angewandt, die den Kothurn zu Ehren des Dionysos trugen. Als geziertes Gehabe außerhalb der Bühne verstanden die Griechen ihn meist in erotischem Sinn: die Buchstabenfolge SALM, die in den Namen etlicher antiker Könige vorkommen, verweist auf das Wort saleuma, eine Schwingung oder Schwankung; wird noch der Zusatz »der Hinterbacken« angefügt oder stillschweigend mitgedacht, so bedeutet dies ein freches Zurschaustellen sexueller Reize. Die griechischen Prostituierten hießen »Salmakides«. In Jesaja 3 werden die Töchter Zions dafür gescholten, daß sie in dieser lasziven Art gingen und dabei den Hals reckten.
Plutarch fragt in seinen Quaestiones Graecae: »Warum rufen die Frauen von Elis mit ihren Liedern Dionysos an, auf daß er mit seinem Stierfuß zu ihnen komme?« Das ist eine gute Frage, aber wie Jane E. Harrison sagte, verstand Plutarch sich stets besser aufs Fragenstellen als aufs Antworten. Nun also, warum mit seinem Stierfuß? Warum nicht mit seinen Stierhörnern, seinem Stierschädel, seinen Stier-Schultern, seinem Stierschwanz die doch alle geeignetere Symbole für die ungeheure Kraft des Stiers sind als seine Füße? Und warum Fuß, und nicht Füße? Plutarch fällt dazu keine Vermutung ein, aber zum Glück für uns zitiert er einen rituellen Hymnus, der bei dem Mysterium, von dem er berichtet, gesungen wurde; und daraus geht hervor, daß die »Frauen von Elis« dramatische Darstellerinnen der »Huldreichen« waren, der Drei Grazien, die in Elis ein Heiligtum mit Dionysos gemein hatten. Die Antwort ist allen offenbar: »Weil in alten Zeiten der Sakralkönig des Mysteriendramas, der auf die Anrufung der Drei Grazien hin erschien, tatsächlich einen Stierfuß hatte.« Und dies besagt, daß die Luxation seines Hüftgelenks bewirkte, daß einer seiner Füße wie ein Stierfuß aussah, wobei die Ferse wie die Fessel über dem Huf wirkte, und daß er mit dem Gepolter von hochhackigen Stiefeln unter sie fuhr. Plutarch hätte sich daran erinnern sollen, daß auf der pelasgischen Insel Tenedos einst eine heilige Kuh »für Dionysos« gehalten wurde, die, wenn sie mit einem Kalb trächtig ging, wie eine Frau während ihrer Unpäßlichkeit behandelt wurde. Wenn sie dann ein Stierkalb warf, wurde es in Schaftstiefel gesteckt und mit einer Opferaxt oder labris getötet, als ob es Zagreus, das Kind Dionysos wäre - was den rituellen Zusammenhang zwischen Stierfüßen und hochhackigen Schaftstiefeln beweist. Doch Aelian, der diese Zeremonie bezeugt, spricht davon, daß das Kalb bekleidet, gekrönt oder sonstwie geschmückt worden wäre. Es hat vielleicht nichts zu bedeuten, daß noch heute beim spanischen Stierkampf, der von Kaiser Claudius aus Thrakien in Rom eingeführt wurde und von dort nach Spanien gelangte, [4] der Matador, der seinen Stier mit hervorragendem Heldenmut und mit Anmut tötet, vom Präsidenten mit der pata, dem Stierfuß, belohnt wird.
Der Zusammenhang zwischen Stiefel und Sexualität wird in ägyptischen und zyprischen Inschriften erläutert. Der Name der zyprischen Göttin Mari wird geschrieben mit einer »gekröpften Säule«, was für eine Schilfhütte steht und soviel bedeutet wie »wohnend in«, und mit einem Schaftstiefel. Sie wohnte also in einem Stiefel, ähnlich wie die Göttin Isis, die auf ägyptischen Bildnissen dadurch kenntlich ist, daß ihr Name »Ascht« zusammen mit einem Stiefel über ihrem Kopf eingezeichnet ist. In beiden Fällen ragt ein stabähnlicher Gegenstand aus dem Stiefelschaft hervor, was E. M. Parr als Befruchtungssymbol erklärt, denn die Hieroglyphe für »Stiefel« ist als Usch, die Mutter, zu lesen. Dies wirft ein neues Licht auf die zweite Hochzeit der eleusischen Mysterien, nach der, wie wir wissen, der Initiand sagen mußte: »Ich habe das, was in der Trommel war, mit dem vereinigt, was im liknos war.« Nun wissen wir aber, was im liknos war ein Phallus - und aus der Analogie mit den Stiefeln, die dem Sakralkönig bei seiner Hochzeit zeremoniell überreicht wurden, können wir schließen, daß die Trommel einen Stiefel enthielt, in den der Initiand in symbolischer Darstellung des Kiltus den Phallus einführte.
Von einer Beschwörung, die dem elischen Ritual entspricht, wie Plutarch es überliefert, berichtet in Könige, 18,26, wo die Baalpriester vor dem Altar tanzen und rufen: »Baal, erhöre uns!« Womit sie ihn anrufen, er möge die Frühlings-Freudenfeuer entzünden und den Leichnam des alten Jahres verbrennen. Der King James Bibel zufolge hüpften sie dabei auf und ab; doch das ursprüngliche hebräische Wort ist aus der Wurzel PSCH gebildet, was soviel heißt wie »mit steifen Beinen tanzen«, woraus auch Pesach, der Name des Passahfestes abgeleitet ist. Das Passahfest war anscheinend ein kanaanitisches Frühlingsfest, das der Stamm Joseph übernahm und in eine Gedenkfeier für die Flucht aus Ägypten unter Moses verwandelte. Auf dem Karmel war der »hinkende Tanz« vermutlich ein sympathetischer Zauber, um das Erscheinen des Gottes mit dem Stierfuß heraufzubeschwören, der wie Dionysos eine Fackel mit sich führte. »Baal« bedeutet lediglich »Herr« Der Chronist versagt es sich, seinen wahren Namen zu nennen; nachdem aber die Baalpriester Israeliten waren, lautete er wahrscheinlich »Jah Akeb« oder »Jakob« - der »Fersen-Gott«. Dieser Jah Akeb wurde anscheinend auch in Beth-Hoglah verehrt - beim »Altar des Humpelnden« einem zwischen Jericho und dem Jordan gelegenen Ort, südlich von Gilgal, den Epiphanius mit dem »Tenne Atad« gleichsetzt, die in Genesis 55, II als jene Stelle bezeichnet wird, wo Joseph um seinen Vater Jakob trauerte. Hieronymus, der lateinische Kirchenlehrer des vierten Jahrhunderts, bringt diesen Ort mit einem Reigentanz in Verbindung, der offenbar zu Ehren des kretischen Sonnenheros Talus aufgeführt, wurde - Talus heißt, wie Hesych sagt, »Sonne« -, dem das Rebhuhn heilig war. In der athenischen Sage wurde Talus von Daidalos von einer Anhöhe herabgestürzt und von der Göttin Athene im Sturz in ein Rebhuhn verwandelt. Das arabische Wort für »humpeln«, das in den Ortsnamen Beth-Hoglah eingegangen ist, ist seinerseits aus dem Wort für Rebhuhn abgeleitet; woraus wir schließen können, daß es sich um einen humpelnden Tanz handelte. Das Rebhuhn ist ein im Frühjahr wandernder Strichvogel, der wegen seiner angeblichen Lüsternheit (die Aristoteles und Plinius erwähnen) der Liebesgöttin heilig war, und der Tanz stellte anscheinend den Balztanz des Rebhahnes mimetisch dar, den er, wie die Waldschnepfe, auf einem regelrechten Tanzboden aufführt. Es ist ein Kampftanz, der vor den zuschauenden Hennen stattfindet. die Hähne flattern mit humpelnden Schritten im Kreis herum, einen Sporn stets bereit, nach dem Kopf des Rivalen zu hacken. Die Hennen sehen zu und gackern vor Aufregung. Das von Jeremia überlieferte Sprichwort: »Das Rebhuhn sammelt Küchlein, die es nicht ausgebrütet hat«, bedeutet, daß die jüdischen Männer und Frauen sich hingezogen fühlten. [5]
Der Zusammenhang zwischen dem humpelnden Rebhuhn und dem lahmen König wird auch durch die Mythographen Hygin und Ovid bestätigt, die den Heros Perdix (»partridge« heißt das Rebhuhn auf Englisch) mit Talus gleichzusetzen. Apollodor und Diodor machen aus Perdix ein weibliches Wesen, die Mutter des Talus, was aber nur besagt, daß Talus von einer Jungfrau geboren war; denn laut Aristoteles, Plinius und Aellan kann die Rebhenne bereits durch den bloßen Klang der Stimme des Hahnes oder durch seine vom Wind herangeführte Witterung befruchtet werden. Plinius sagt, daß »kein anderes Tier so bereit für sexuelle Empfindungen« sei und daß die Hähne, während das Weibchen auf dem Gelege hockt, ihren Gefühlen Luft machen, indem sie es untereinander treiben - eine Beobachtung, die womöglich zu den organisierten homosexuellen Riten in den Tempeln der syrischen Mondgöttin anregte, wenngleich auch Hunden und Tauben, die ebenfalls mit ihrem Kult in Verbindung stehen, diese Gewohnheit zugeschrieben wird. Berühmt unter allen ägäischen Inseln war für ihre Wachteln Anaphe, wo die Argonauten auf ihrer Rückfahrt von Kreta erstmals an Land gingen, nachdem Medea den Talus getötet hatte; dort wurde der Strahlende Apollon mit Riten verehrt, die jenen des hebräischen Laubhüttenfestes sehr ähnlich, wenngleich doch mehr erotischer Art waren. Dieser Apollon war kein Unterwelt-, sondern ein Sonnengott.
So hingebungsvoll vertieft sind die Rebhähne in ihren Tanz, daß, wenn ein Mensch sich nähert und einen der Tanzenden tötet, die übrigen unbeirrt weitertanzen; eine Gewohnheit, die die Alten sich klug zunutze machten. Während der Balzzeit steckten sie einen Rebhahn als Lockvogel in einen Käfig am Ende eines langen, engen und gewundenen Tunnels aus Buschwerk und fütterten ihn mit Mais. Sein einsamer Ruf, Liebesschrei und Sammelruf zur Nahrung in einem, lockte die Hennen durch den Tunnel heran, und wenn sie den Käfig erreichten und er seinen herausfordernden Balzruf ausstieß, kamen andere Hähne herbeigelaufen, nur um von den wartenden Jägern mit Knüppeln erschlagen zu werden, sobald sie aus dem Tunnel auf tauchten. Ähnlich wird König Saul in I. Samuel 26,20 für sein unkönigliches Verhalten getadelt, als er auszog, um..David »... zu suchen wie einen Floh, wie man ein Rebhuhn jagt auf den Bergen«, das doch so leicht zu fangen sei. Bei dem als Lockvogel dienenden Rebhahn handelte es sich um ein Exemplar, das sich bei dem Versuch, aus der Roßhaarschlinge zu entkommen, in dem es gefangen war, ein Bein ausgerenkt hatte. Dieser lahmende und daher leicht zu zähmende Lockvogel wurde in einem Käfig gemästet wie ein Sakralkönig in seinem Palast - beide hoch geehrte Gefangene - und je zahlreicher seine Opfer waren, desto munterer tönte sein Schrei. In Ecclesiastes (11,30) ist der eingesperrte Rebhahn eine Allegorie auf den stolzen Mann, der über die Unbilden frohlockt, in die er seine Nachbarn gelockt hat. Diese Form der Jagd ist noch heute in mediterranen Ländern bis hin nach Mallorka üblich.
Es hat also den Anschein, als sei beim Pesach ein Stierkalb-Kult auf einen Rebhuhn-Kult aufgepfropft worden; und als sei der Minotaurus, dem Jünglinge und Jungfrauen (aus Athen und anderen Städten) geopfert wurden, einst Stellvertreter des Lockvogel-Rebhahns inmitten eines Buschwerk-Labyrinths gewesen, in das die anderen zum Todestanz gelockt wurden. Tatsächlich stand er im Mittelpunkt einer rituellen Veranstaltung, mit der ursprünglich die Mondgöttin verehrt wurde, das lüsterne Rebhuhn, das in Athen und anderen Teilen Griechenlands als Mutter und Geliebte des Sonnenheros Talus galt. Doch aus dem Tanz der humpelnden Rebhähne wurde späterhin ein Tanz zu Ehren der Mondgöttin Pasiphae, der hitzigen Kuh, der Mutter und Geliebten des Sonnenheros, des stierköpfigen Minos. Die spiralförmig getanzten Troja-Spiele (die auf Delos »Kranich-Tanz« hießen, weil sie dort dem Kult der Mondgöttin in Kranichgestalt angepaßt worden waren) gingen auf den gleichen Ursprung zurück wie das Pesach. Auf diesen Sachverhalt verweist auch Homer:
Daidalos erfand in Knossos einst
einen Tanzboden für die blondhaarige Ariadne,
ein Vers, der sich, wie der Schollast dazu erklärt, auf den Labyrinth-Tanz bezieht. Und auch Lukian nennt in seinem Werk über den Tanz, einer wahren Fundgrube mythologischer Überlieferungen, die Themen der kretischen Tänze: »die Mythen von Europe, Pasiphae, den zwei Stieren, dem Labyrinth, von Ariadne, Phaedra (der Tochter der Pasiphae), von Androgeuos (dem Sohn des Minos), Ikaros, Glaukos (den Asklepios von den Toten auferweckte), vom Zauber des Polyidos und von Talos, dem Bronze-Mann, der in Kreta seine Wächterrunde zog.« Polyidos bedeutet »der Vielgestaltige«, und da der korinthische Heros gleichen Namens keine Verbindung mit Kreta hat, handelt es sich bei dem Tanz vermutlich um den Verwandlungstanz des Zagreus bei den kretischen Lenäen.
Hier können wir wieder einige lose Enden miteinander verknüpfen. Die Labyrinthmuster stellen, wie nachgewiesen wurde, das »Spiralschloß« oder die »Stadt Troja« dar, wohin der heilige Sonnenkönig nach dem Tod zieht, und von wo er glücklichenfalls zurückkehrt. Der ganze Mythos ist eindeutig von einem etruskischen Weinkrug aus Tragliatella abzulesen, der aus dem späten siebenten Jahrhundert v. Chr. datiert. Da sind zwei berittene Heroen zu sehen; der Führer trägt einen Schild mit einem Rebhuhn-Banner, und hinter ihm hockt ein affenähnlicher Dämon. Sein Gefährte trägt einen Speer und einen Schild mit Enten-Banner. Sie reiten von einem Labyrinth fort, das als TRUIA (»Troja«) gekennzeichnet ist. Anscheinend ist der Sakralkönig, obwohl er eigentlich wie der Rebhahn im Buschlabyrinth sterben und von seinem Stellvertreter abgelöst werden sollte, entkommen. Wie er entkommen ist, zeigt ein anderes Bild auf der gleichen Vase: ein unbewaffneter König führt eine Prozession in Sonnenrichtung an, eskortiert von sieben Männern zu Fuß, die alle drei Wurfspieße und einen riesigen Schild mit Eber-Banner tragen; der mit einem Speer bewaffnete Stellvertreter, dessen Panier dies ist, bildet die Nachhut. Diese sieben Männer zu Fuß repräsentieren offenkundig die sieben Wintermonate des Stellvertreters, die zwischen Apfelernte und Ostern verstreichen. Dem König wird sein ritueller Tod angekündigt.
Eine Mondpriesterin ist zu ihm gekommen: eine scheußlich gekleidete Gestalt, einen Arm bedrohlich in die Seite gestemmt, reicht ihm den Apfel, sein Visum ins Paradies. Die Wurfspieße bedrohen ihn mit dem Tod. Doch eine winzige weibliche Gestalt, ähnlich gekleidet wie die Priesterin, geleitet den König - falls der Heros Theseus ist, dürfen wir sie Ariadne nennen - und sie hat ihm geholfen, aus dem Labyrinth zu entrinnen. Er hingegen zeigt keck einen Gegenzauber vor, nämlich ein Osterei, das Ei der Auferstehung. Zur Osterzeit wurden in England die »Troy Town Dances« in Irrgärten mit kurz geschnittenem Rasen aufgeführt und auch in Etrurien, wo der berühmte Lars Porsena von Clusium sich ein Labyrinth als Grabstätte baute. (Ähnliche Labyrinthgräber gibt es im prähellenischen Griechenland: in der Nähe von Nauplia, auf Samos und auf Lemnos.) Ein etruskisches Ei aus poliertem schwarzem Trachit und mit einem Pfeil als rundumlaufende Reliefverzierung, das bei Perugia gefunden wurde, stellt vermutlich das gleiche heilige Ei dar. Über den Speerträgern steht auf der Vase MAIM geschrieben; über dem König EKRAUN; über der Priesterin MITHES. LUEI. Falls dies westgriechische Worte sind, und dies ist wahrscheinlich, so bedeuten sie: »Winter«, » er regierte« und »Nach der Verkündigung, befreit sie.« Die über Ariadne eingezeichneten Buchstaben sind nicht zu entziffern.
Der hinkende König steht oft in Verbindung mit den Mysterien der Schmiedekunst. Jakob hatte etwas mit dem Kult des kenitischen Schmiede-Gottes zu tun; Talus war in einer Version der Sage ein Sohn oder mütterlicher Neffe des Schmiedes Daidalos, in einer anderen war er in der Esse des Schmiedes Hephaistos[6] geschmiedet worden.
In diesem Sinn dürfen wir Dionysos (aufgrund seiner Titel pyrigines und ignigena (»von Feuer erzeugt«) - ein Hinweis auf den herbstlichen Pilz-Dionysos, der durch den Blitz gezeugt wurde - mit Talus gleichsetzen. Und Wieland, der skandinavische Schmiede-Gott, wurde durch eine Frau gelähmt.
Aber welche Beweise haben wir dafür, daß auch Dionysos hinkte? Warum sollte er die hochhackigen Stiefel nicht lediglich getragen haben, um an Körpergröße zu gewinnen, nicht aber als orthopädische Stiefel, um sein Gebrechen zu kompensieren? Der beste Beweis ist sein Name, Dionysos, was für gewöhnlich als »der Lichtgott vom Berg Nyse« übersetzt wird, aber doch wohl eher »der lahme Lichtgott« heißt. Nysos war ein syrakusisches Wort für »lahm« und daher wahrscheinlich korinthischen Ursprungs, denn Syrakus war eine Kolonie von Korinth. Allerdings hat E. M. Parr mich darauf aufmerksam gemacht, daß der Name Dionysos möglicherweise auf Nyse, Nyssa oder Nysia zurückgeht, ein Name, der verschiedenen Heiligtümern jener Gegend beigelegt wurde, wo die sakrale Lähmung verehrt wurde. Es gibt drei Nyssas in Kleinasien, drei Nysias in Thrakien, ein Nyza in der Nähe von Mosul und ein Nysia in Arabien, wo laut Diodor die Göttin Isis geboren wurde. Dies aber spricht dafür, daß Nyse ein Titel der Isis war und daß, nachdem Dionysos ein Titel des libyo-thrakischen Harpokrates, ihres lahmenden Sohnes, war, die Griechen von Korinth ihn Nysus nannten, was eigentlich sein matronymer Name war und soviel bedeutete wie »der Lahme«. Parr schreibt: »Offenbar führt es zu verwirrenden Ergebnissen, wenn ein feststehender Göttertitel in eine andere Sprache übertragen wird. Zum Beispiel wird Apollon Agieueis von Athen als Fiihrer der Kolonien bezeichnet, wahrscheinlicher aber war er der zyprische Apollon, der einen Kranz (aga, agu) trug.« Dionysos, der bei den Griechen der klassischen Antike als thrakischer Gott galt, war angeblich aus Kreta gekommen, ähnlich wie sein Gegenstück, der König Proteus, angeblich aus Pharos stammte. In Kreta war er nicht lahm, wie auch Velchanos es nicht war, ein kretischer Hahn-Dämon, der sich zu Vulcanus wandelte, als sein Kult in Italien eingeführt wurde. In Italien aber lahmte Vulcanus angeblich und konnte nur mit Hilfe hochhackiger goldener Schuhe gehen, weil er mit Hephaistos gleichgesetzt wurde, einem pelasgischen Gott aus Lemnos, der wie Talus von einer Anhöhe herabgestürzt worden war - die Tradition der sakralen Lähmung war anscheinend danaischen und nicht kretischen Ursprungs. Und Hephaistos' Gemahlin war, wie Homer erzählt, Charis, die er an anderer Stelle Aphrodite nennt. Die Drei Grazien werden mithin, als Triade, als die Liebesgöttin Aphrodite gedeutet; und wenn sie in Elis den Dionysos anriefen, dann beschwören sie ihren lahmen, in hochhackigen Stiefeln laufenden Gatten herbei, damit er den Liebesakt mit ihnen ausführe.
Untersuchen wir in diesem Zusammenhang noch einmal einen anderen Titel des Dionysos, nämlich »Merotraphes«, was meist als »der im Schenkel Gesäugte« übersetzt wird, und zwar aufgrund einer albernen olympischen Fabel, wonach Dionysos als Säugling in den Schenkel des Zeus eingenäht worden war, um ihn vor dem eifersüchtigen Zorn Heras zu schützen. Die einfachere Bedeutung lautet: »Einer, dessen Schenkel sehr sorgsam behütet ist« Und was hat es mit den geflügelten Sandalen des Hermes auf sich? Und mit jenen des Theseus und Perseus? Hermes oder Merkur wird meist auf Zehenspitzen stehend abgebildet: war es etwa, weil er nicht die Ferse auf den Boden stellen konnte? Wahrscheinlich ist, daß die Adlerschwingen an seinen Sandalen ursprünglich nicht ein Symbol seiner Schnelligkeit, sondern ein Symbol für die Heiligkeit seiner Ferse und folglich paradoxerweise ein Symbol seiner Lähmung waren. Auf einem hethitischen Siegelstock, der in meinem King Jesus abgebildet ist, wird die heilige Ferse des Königs, der im Begriff steht, drei Stufen zu einem Thron hinaufzusteigen, um sich krönen zu lassen, von einem Hund-Dämon beschützt.
Im Lateinischen hießen solche Sandalen talaria, abgeleitet von dem Wort talus, das »Ferse« bedeutet. Und die Würfel (engl.: »dice«) hießen talz, weil sie aus den Fersenbeinen von Schafen oder Ziegen hergestellt wurden, die Hermes oder Merkur heilig waren - wenngleich solche, die aus den Fersenknochen der libyschen Antilope boibalis gemacht waren, bei den Eingeweihten höher geschätzt wurden.
Hermes war nicht nur der Würfelspieler, sondern prophezeite auch aus den Würfeln. Er benutzte fünf Würfel, die - zu Ehren seiner Mutter - je vier Zeichen aufwiesen, genau wie jene, die ein indischer König anläßlich seiner Krönung zu Ehren der Großen Mutter erhielt. Und wenn er sie, wie ich vermute, zur alphabetischen Wahrsagerei benutzte, tat er es wohl unter Verwendung seines eigenen Alphabets von fünfzehn Konsonanten und fünf Vokalen. Heute spielt man in England das »hucklebones«-Spiel (»hucklebone« = Fußknöchel) mit den traditionellen fünf Würfeln. Was aber nun den sechs-seitigen Würfel betrifft, so bildeten in alten Zeiten je drei Seiten eine Gruppe. Somit verfügte der Wahrsager über achtzehn Buchstaben des Alphabets, wie in dem dreizehn-konsonantigen Beth-Luis-Nion. Wurde aber nun der Sakralkönig erwählt, weil er zufällig eine solche Verletzung erlitten hatte, oder wurde die Verletzung ihm beigebracht, nachdem er aus anderen Gründen auserwählt worden war? Die Antwort findet sich in der sonst unverständlichen Geschichte, wie Llew Llaw zwischen dem Rand seines heiligen Bottichs und dem Rücken eines Bocks balanciert. Llew sollte durch die Hochzeit mit Blodeuwedd, der Maibraut, ein Sakralkönig werden, ein König jener vorsichtig, in goldenen Schuhen oder purpurroten Schaftstiefeln auftretenden Gattung. Aber die richtige Voraussetzung für dieses Amt brachte er erst mit, nachdem er die Verletzung Jakobs erlitten hatte, die ihn davor bewahrte, jemals wieder, und sei es versehentlich, seine heilige Ferse mit dem Boden in Berührung zu bringen. Diese Verletzung wurde künstlich herbeigeführt, und zwar durch einen einfallsreichen Trick während der Krönungszeremonie. Seine Braut veranlaßte ihn, sich mit einem Fuß auf den Rand des Badetrogs, mit dem anderen auf den Rücken eines heiligen Tieres zu stellen, während sie sein Haar an einen Eichenast über seinem Kopf band. Und dann wurde ihm ein grausamer Streich gespielt. Romanis und Mitchener drücken es in ihrem Werk Surgery mit folgenden Worten aus. - »Eine solche einwärts gerichtete, oder anteriore Luxation der Hüfte, herbeigeführt durch weites Spreizen der Schenkel, kann entstehen, wenn jemand, der im Begriff steht, ein Boot zu besteigen, sich nicht entschließen kann, ob er nun einsteigen oder an Land bleiben will. »Wie mit der Kaimauer und dem Boot, so geht es mit dem Bottich und dem Bock. Der Bock sprang plötzlich von dem Bottich weg. Llew konnte sich nicht dadurch retten, daß er sich nach vorn warf, denn sein Kopf war mit den Haaren festgebunden. Die Folge war jene anteriore Luxation, aber als er stürzte, berührte seine heilige Ferse nicht den Boden: und zwar, weil sein Haar ihn in der Luft hielt; und genau dies widerfuhr Absalom (»Vater Lachs« = engl.: »salm«), als das Tier im Eichenhain Ephraims unter ihm fortlief.
Eine wichtige Quelle für die eher anekdotischen Passagen in den frühen Büchern der Bibel ist, wie ich meine, ein Zyklus von lkonen, der den Israeliten bei Hebron in die Hände fiel und der das rituelle Schicksal des Sakralkönigs illustriert: ein Teil dieses Zyklus wurde ikonotropisch als die Geschichte Sauls umgedeutet, ein anderer als die Geschichte Samsons, ein weiterer als die Geschichte Absaloms, und wieder ein anderer als die Geschichte Samuels. In dem vom König Adam handelnden Kapitel meines King Jesus versuche ich eine Rekonstruktion dieser lkonen.
Nun fällt uns aber auf, daß alle diese Namen wie entstellte Formen des gleichen Wortes Salma oder Salmon klingen - ein Königstitel bei den Kenitern, die König Davids Vorfahren waren, bei den Phöniziern (Selim), bei den Assyrern (Salman), bei den Danaern Griechenlands und des spätminoischen Kreta (Salmoneus). Auch Salomo hatte diesen Titel angenommen. Sein ursprünglicher Name lautete offenbar Jedidja (2. Samuel 12,25); andernfalls hätte er ein weniger überzeugendes Anrecht auf den Thron gehabt als Adonia. Absaloms ursprünglich Name ist unbekannt, aber daß er nur Davids Günstling war, und nicht sein Sohn, es sei denn ehrenhalber, geht aus 2, Samuel 12,11 hervor, wo er als Davids Nachbar bezeichnet wird. Die Diskrepanz zwischen der Darstellung seiner Herkunft in 2. Samuel 3,3 bzw. 2. Samuel 3,37, berechtigt uns zu dem Schluß, daß sein richtiger Name Talmai war, Sohn des Ammihud, des Königs von Geschur und einer der Verbündeten Davids, und daß er erst dann Absalom wurde, als er Davids Thron errang und den königlichen Harem der Erbinnen zu Hebron heiratete. Als Gott ist Salma mit Reseph, dem kanaanitischen Osiris, gleichzusetzen. Unter diesen Ikonen mag eine gewesen sein, die Absalom mit an einen Eichenast gebundenen Haaren zeigte - in Wirklichkeit eine Begebenheit bei der Hochzeit des Königs. Die Ermordung des Königs bei einem solchen Anlaß war leicht, aber das Ziel dieses Tricks war nicht sein Tod, sondern seine Heiligung. Und wenn wir A. M. Hocarts Folgerung übernehmen, daß die Krönungszeremonie in der ganzen antiken Welt die Hochzeit des Sonnenkönigs mit der Erdkönigin symbolisierte - mithin seinen Tod als Mitglied seines früheren Stammes und seine Wiedergeburt, mit neuem Namen, in den seiner Königin , dann beinhaltete das Ritual, auf dem alle diese Mythen beruhen, wohl eine gespielte Ermordung des Königs im Verlauf der Badezeremonie; was auch durch die Opfer erwiesen ist, die in vielen uns bekannten Formen des Rituals anstelle des Königs dargebracht werden. Die verworrenen Elemente des Mythos von Hephaistos, der die Liebesgöttin heiratete und von ihr betrogen wurde, der danach von der Göttin Hera gelähmt wurde, indem sie ihn unversehens vom Olymp stürzte, worauf er von der ganzen himmlischen Gesellschaft verhöhnt wurde, bilden eine weitere Variante des gleichen Rituals. Ursprünglich kam der König gewaltsam zu Tode, sobald er sich mit der Königin vereinigt hatte; ähnlich wie die Drohne stirbt, nachdem sie die Bienenkönigin begattet hat. Später wurde die Tötung durch die Entmannung und Lähmung ersetzt; und noch später trat die Beschneidung anstelle der Entmannung und das Tragen von hochhackigen Stiefeln anstelle des Lähmens.
Nachdem wir nun wissen, daß der Sakralkönig rituell gelähmt wurde, so daß er gezwungen war, zu stolzieren oder auf hohen Absätzen torkelnd zu gehen, verstehen wir auch mindestens zwei oder drei weitere alte lkonen, die bisher als rätselhaft galten. Tantalos, der über dem Wasser schwebt, während ein Zweig mit Früchten über seinem Kopf hängt und das Wasser immer wieder zurückweicht, wenn er trinken will, wird offenbar nach Art des Llew Llaw gelähmt: ursprünglich ist sein Haar an den Zweig gebunden, ein Fuß steht am Ufer, der andere ruht auf einem Gegenstand im Wasser - vielleicht auf einer großen, bootsförmigen Schüssel oder einem Becken, das davongleitet. Tantalos ist der vollendete Typ des Dionysos: er war mit Euryanassa (einer anderen Form von Eurynome), einer Mondgöttin, verheiratet; er wurde vom Berge Sipylos im pelasgischen Lydien hinabgestürzt, wo er nochmals begraben war und einen Heroentempel hatte. Er war Pelops kannibalistischer Vater; er hatte mitgeholfen, einen Hund aus einer kretischen Höhle zu rauben; und aus seinem Namen leiten sich drei andere griechische Wörter ab, die - ähnlich wie saeueln, aus dem saleuma entstanden ist - etwa »stolzieren« oder »beim Gehen torkeln« bedeuten: tantaloels, tantaleuein und metathetisch gebildet, talantoein.
Wie Ixion und Salmoneus, so gehörte auch Tantalos zu der alten Religion, die von der olympischen überlagert wurde, und die olympischen Priester deuteten absichtlich die lkonen zugunsten von Vater Zeus um, indem sie Tantalos als verruchten Verbrecher darstellten. Tantalos' Verbrechen, so erklären die Mythographen, bestand darin, daß er, nachdem ihm das Vorrecht gewährt worden war, mit den Olympiern zusammen Ambrosia, die Speise der Götter zu essen, späterhin auch gewöhnliche Sterbliche einlud, sie zu kosten. Ambrosia hieß aber auch das Herbstfest des Dionysos, bei dem, wie ich meine, der berauschende Fliegenpilz einst seine Adepten in einen göttlichen Wahn versetzte; und in meinem Buch What Food the Centaurs Ate weise ich nach, daß die von den klassischen Grammatikern aufgezählten Ingredenzien der Ambrosia, nämlich Nektar und kekyon (der Trank Demeters in Eleusis), ein Speisen-Ogham darstellen, denn ihre Anfangsbuchstaben bilden zusammen ein griechisches Wort für Pilz. Möglicherweise kam die Geschichte von der Missetat des Tantalos auf, als der Wein die Pilze bei den mänadischen Orgien ersetzte, und ein Pilz - vielleicht nicht gerade der Fliegenpilz Amanita muscaria, sondern der mildere, eher in Trance versetzende Panaeoluspapilionaceus -wurde von den Adepten der Mysterien in Eleusis, Samothrake und Kreta verzehrt, die kraft der transzendentalen Visionen, die er ihnen schenkte, »wie Götter« wurden. Wie immer die Luxation herbeigeführt wurde - und es ist wahrscheinlich, daß noch eine andere Methode, auf einem Berggipfel und nicht bei einem Fluß, praktiziert wurde - besla-id noch in Kanaan ein Tabu, das verbot, das Fleisch am Oberschenkelknochen zu verzehren, wie die Genesis mit der Geschichte vom Ringkampf an der Stätte Penuel ausdrücklich andeutet. Robertson Smith bringt dieses Tabu richtig mit dem in allen Mittelmeerländern verbreiteten Brauch in Verbindung, die Oberschenkelknochen aller Opfertiere und die daran hängenden Fleischteile den Göttern zu weihen. Sie wurden zuerst verbrannt, und dann wurde der Rest des Tieres von den Anbetern verzehrt. Aber auch hier gilt die ethnologische Regel: Kein Tabu ohne seine Aufhebung. Denn in primitiven Zeiten wurde das fleischumhüllte Schenkelbein des toten Königs offenbar von seinen Gefährten verzehrt. Dieser Brauch wurde, wie Terhoorst, ein katholischer Missionar, berichtet, von den jungen Kriegern des zentralafrikanischen Bantu-Stammes der Bagiushu befolgt, bei denen er arbeitete. Sie verzehrten das Fleisch beim Tode ihres »Alten«, oder auch, wenn der Häuptling eines feindlichen Stammes in der Schlacht getötet wurde. Terhoorst meint, daß sie dies taten, um sich den Mut des Toten einzuverleiben, der, wie sie meinten, im Oberschenkel sitze, wobei sie den übrigen Körper nicht anrührten. Die Bagiushu, die ihre Schneidezähne in Dreiecksform feilen, sind bei anderen Gelegenheiten nicht kannibalistisch.
In meinem King Jesus weise ich darauf hin, daß die hebräische Überlieferung, wie im Talmud Babli Sanhedrin und im Tol' Doth Yeshu erhalten, wonach Jesus gelähmt wurde, als er zu fliegen versuchte, sich auf eine geheime Krönungszeremonie auf dem Berg Tabor bezieht, wo er der erneuerte Israel wurde, nachdem er im Verlauf eines Ringkampfes rituell gelähmt worden war. Diese Überlieferung wird bestätigt durch Stellen aus den Evangelien, die ich dort zitiere, sowie durch eine Aussage des Hieronymus, daß Jesus körperlich behindert war. Der Tabor war eines der wichtigsten Heiligtümer Jahwes und ist, wie die Septuaginta anmerkt, nach Atabyrios benannt, dem Sohn der Eurynome und des Proteus; und wir wissen recht viel über diesen Gott, dem auch auf dem Berge Atabyria auf Rhodos von einem gewissen »Althalamenes, dem Kreter«, ein Altar errichtet wurde. Althalamenes bedeutet »der Göttin Althaia gedenkend«, und Althaia (»sie, die es wachsen läßt«) war ein weiterer Name für Atabyrios' Mutter Eurynome, die Mondgöttin der Orphiker. Althaias Blume war die Malve im Walisischen hocys bendigald, die heilige Malve -, und sie liebte Dionysos, den Weingott. Von ihm wurde sie Mutter der Delancira, derselben, die bei dem Herakles von Oeta die Rolle der Blodeuwedd spielte. Atabyrios, der einer der kretischen Telchines war, hatte - ähnlich wie Dionysos oder Proteus - die Macht, sich in jedwelche Gestalt zu verwandeln; und in seinem Heiligtum auf Rhodos waren ihm bronzene Stiere geweiht, die brüllten, wann immer ein ungewöhnliches Ereignis bevorstand - und zwar waren es Bronzestiere von der Art, wie Daidalos einen für den König Minos von Kreta geschaffen hatte. Und wir wissen, daß Atalyrios jener in Gestalt eines goldenen Kalbes angebetete Gott war, von dem die Israeliten meinten, er habe sie aus Ägypten herausgeführt. Doch die Endung byrios findet sich auch in dem Königstitel des Burnaburiash, eines der kassitischen (indo-europäischen) Könige Babylons aus der Dritten Dynastie, die von 1750 bis 1173 v. Chr. herrschte. Atabyrios war gewiß kein kretischer oder semitischer, sondern ein kassitischer Gott, der anfangs des zweiten Jahrtausends nach Syrien gelangt war. Wie und wann sein Kult nach Thrakien, Rhodos und Kreta kam, ist nicht geklärt; aber wahrscheinlich kam er mit den Hyksos nach Ägypten. Er trug auch den Namen Tesup.
Dieses mythologische Kunterbunt läuft schließlich darauf hinaus, daß wir den israelischen Jahwe vom Tabor oder Atabyrios mit Dionysos, dem danaischen Weißen Stiergott gleichsetzen können - eine Gleichsetzung, die sich auf eine angesehene klassische Quelle berufen kann. In Plutarchs Quaestiones Conviviales behauptet einer der Gäste, er könne beweisen, daß der Gott der Juden in Wahrheit der Dionysos Sabakios sei, der Gerste-Gott von Thrakien und Phrygien; und ähnlich berichtet Tacitus in seiner Historie (5,5), daß »etliche behaupteten, daß die Riten der Juden zu Ehren Dionysos« stattfänden. Und auch der Historiker Valerius Maximus erzählt, daß C. Cornelius Hispallus, der Praetor für die Fremdvölker, um 139 v. Chr. etliche Juden aus Rom auswies, die »versucht hatten, die römischen Sitten durch einen falschen Kult des sabakischen Jovis zu untergraben«. Daraus ist zu folgern, daß der Praetor sie nicht wegen einer legitimen Anbetung dieses Gottes auswies, sondern weil sie Neuerungen in den thrakischen Kult eingeführt hatten - vermutlich die Beschneidung, die bei den Römern als Selbstverstümmelung und als Sittenverfall galt-, denn sie ließen auch Fremde bei ihren Sabbat-Feiern zu. Wie Leclercq in seinem Manual of Christian Archaeology schreibt, wurde dieser Kult eines jüdischen durch Gräberfunde auf dem Friedhof Praetextatus bei Rom bestätigt.
Daß die Juden der Diaspora sich möglicherweise einer falschen Etymologie bedienten, um »Sabakios« mit »Sabaoth« gleichzusetzen - Jahwe war der Herr des Sabbats und auch der Sabaoth, der »Heerscharen« - beweist nichts gegen die ursprüngliche Identität der beiden Götter.
Sabakischer Zeus und Sabakischer Dionysos waren verschiedene Namen der gleichen Figur, des Sohnes der Rhea; und das bedeutet, daß er kretischer Herkunft war. Die Phryger nannten ihn Attis, und sie hielten ihn für den Sohn der Kybele, aber dies läuft auf eines hinaus; und in Rom wurde eine Inschrift jüdischen Ursprungs gefunden: »Für Attis, den Höchsten Gott, der das Universum zusammenhält.« Das heilige Tier des Sabakios war die Schlange; und dies erinnert an den Bronzenen Seraph Ne-esthan oder Nehustan, der Moses als Szepter diente und der angeblich von dem guten König Hiskia als Idol verbrannt wurde, weil ihm wie einem Gott Weihrauch geopfert worden war.[7] Die jüdische Sekte der Ophiten aber, deren Zentrum in Phrygien lag, verehrte in frühchristlichen Zeiten die Schlange, denn sie hielten den nach-exilischen Jahwe für einen bloßen Dämon, der das Königreich der Weißen Schlange, der Gesalbten, usurpiert hatte. Der Sabakische Dionysos wurde mit Stierhörnern dargestellt, weil er, wie Diodorus Siculus berichtet, als erster Ochsen vor den Pflug gespannt hatte, um Akkerbau zu treiben: mit anderen Worten, um Gerste anzupflanzen. Nachdem Jahwe vor allem ein Schutzgott der Gerste war - das Pesach war ein Gerste-Erntefest - mochte es dem Teilnehmer an Plutarchs Gastmahl nicht schwerfallen, seine Behauptung zu beweisen, vor allem, da Sabakios der Sage zufolge von den Titanen in sieben Stücke zerrissen worden war. Sieben war die mystische Zahl Jahwes; so auch zweiundvierzig, die Zahl der Buchstaben seines erweiterten Namens und - nach einer kretischen Überlieferung - die Zahl der Stücke, in die der Stiergott Zagreus von den Titanen zerrissen wurde.
Dionysos Sabakios war der ursprüngliche Jahwe des Passah-Festes; und Plutarch setzt den Jahwe des Laubhüttenfestes auch mit Dionysos Liber oder Lusios (»der von Schuld befreit«), dem Weingott gleich, denn er meint, das Wort »levit« sei aus Lusios abgeleitet. Und er merkt an, daß die Juden deshalb kein Schweinefleisch äßen, weil ihr Dionysos auch Adonis sei, der von einem Eber getötet wurde. Die Riten Jahwes und des Dionysos sind sich sehr ähnlich, wie Plutarch sagt: Mysterien um Gerstegarben und jungen Wein, mit Fackeltänzen bis zum ersten Hahnenschrei, Trankopfern, Tieropfern, religiösen Ekstasen. Anscheinend hatte sich auch die promiskuöse Sexualität der kanaanitischen Riten, obwohl sie in nach-exilischer Zeit schwer bestraft wurde, bei den Bauern, die zum Laubhüttenfest dorthin zogen, weiterhin erhalten. Die Tempelpriester der Jesuanischen Zeit gestanden zwar den ursprünglichen Charakter des Festes ein, erklärten aber, daß dieser sich gewandelt habe, wenn sie am Ende verkündeten: »Unsere Väter wandten einst an dieser Stelle dem Allerheiligsten Gottes den Rücken zu und das Gesicht nach Osten, um die Sonne anzubeten; wir aber wenden das Gesicht zu Gott. « Denn die Sonne repräsentierte den unsterblichen Teil des Dionysos; Gerste und Wein seinen sterblichen Teil.
Es gibt sogar numismatische Beweise für die Identität Jahwes mit Dionysos: eine Silbermünze aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. (in G. F. Hills Catalogue of the Greek Coins of Palestine abgebildet), die bei Gaza gefunden wurde, zeigt auf der Vorderseite ein bärtiges Haupt vom Typ Dionysos und auf der Rückseite eine bärtige Figur in einem geflügelten Wagen, mit den hebräischen Buchstaben JHWH - Jehova bezeichnet. Dies ist natürlich mitnichten die ganze Geschichte Jehovas, auf dessen Verwandschaft mit anderen Göttern, besonders mit Kronos (Bran), wir bereits eingegangen sind. Am leichtesten ist er wohl durch seinen Bezug zu den Wochentagen zu charakterisieren. Seine erste bildliche Darstellung haben wir in den Kupferwerken von Ras Schamra in Sinai, in einer Schnitzerei, die etwa aus dem sechzehnten Jahrhundert v. Chr. stammt. Da ist er Elath-Iahu, ein kenitischer Schmiede-Gott, der Mittwochs-Gott, wahrscheinlich der Geliebte Baaliths, der lokalen Aphrodite, der Göttin des Freitags. Später, in seinen Theophanien zu Morehl Hebron und Ophra, ist er der Terebinthen-Gott Bel, der Donnerstags-Gott. Die Geschichte seines Sieges über die Propheten vom Karmel bezieht sich auf die Unterwerfung seines Bel-Aspekts durch Kronos, den Gott des Sonnabends, in der Person des Elia. Bel und Kronos treten stets als Gegensatzpaar auf, wobei Bel, wie wir sahen, Beli und Kronos Bran ist. »Als Israel in Ägypten war«, war Jahwe Set, der Gott des Sonntags. Beim Laubhüttenfest in Jerusalem, am Tag der Weiden, war er der Montags-Gott, und sein Name EI, der mit der Purpur-Eiche in Verbindung steht, erweist ihn auch als den Donnerstag-Gott. Seine Universalität, wie die Pharisäer sie behaupteten und wie sie in der Menora, dem siebenarmigen Leuchter, symbolisiert war, beruhte auf einer festen mythologischen Basis.
Außerdem geht der Name Iahu auf eine viel ältere Zeit als das sechzehnte Jahrhundert v. Chr. zurück und ist zudem recht weit verbreitet. In Ägypten, während der sechsten Dynastie (Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr.), finden wir ihn als Titel des Gottes Set; und Deimels Glossarium des Akkadisch/Sumerischen nennt ihn als einen Namen der Isis. Auch geht anscheinend der griechische Name lacchus auf ihn zurück, ein Titel des seine Gestalt wandelnden Dionysos Lusios der kretischen Mysterien. Wenngleich die Vokale I-A-U für die drei Stationen des Jahres, Geburt, Vollendung und Tod einstehen - mit dem Tod an erster Stelle, weil das Agrarjahr im östlichen Mittelmeerraum mit der Jahreszeit 1 beginnt - scheinen sie doch von einem Namen abgeleitet, der schon lange vor der Entstehung eines Alphabets bestand und dessen Elemente IA und HU sind. »la« bedeutet im Sumerischen »erhaben«, und »hu« bedeutet «Taube« ; auch die ägyptische Hieroglyphe »Hu« ist eine Taube. Die Mondgöttin des asiatischen Palästina wurde, wie ihre Gegenstücke im ägyptischen Theben, in Dodona, Hierapolis, Kreta und Zypern, mit einem Taubenkult verehrt. Aber sie wurde auch als langgehörnte Kuh verehrt: als Hathor oder Isis oder Aschtaroth Karnaim. Isis ist ein onomatopoetisches asianisches Wort, Ish-ish, was soviel heißt wie »sie, die weint«, weil man glaubte, daß der Mond den Tau fallen ließe und weil Isis, das vorchristliche Vorbild der Mater Dolorosa, um Isis trauerte, nachdem Set ihn getötet hatte. Sie war angeblich die weiße, oder wie Moschos meint, die goldene Mond-Kuh lo, die sich nach einer langen Wanderung von Argos her in Ägypten niedergelassen hatte. Das »o« in los Namen ist ein omega, im Griechischen eine häufige Variante für alpha.
la-Hu ist daher wohl zusammengesetzt aus Ia, »die Erhabene«, der Muttergöttin als Kuh, und Hu, der gleichen Göttin als Taube. Von Plutarch wissen wir, daß Isis, die goldene Mond-Kuh, bei den Mysterien der Mittwinter-Sonnenwende den Sarg des Osiris siebenmal umkreiste zur Erinnerung an die sieben Monate von Sonnenwende zu Sonnenwende; und wir wissen auch, daß der origiastische Eichenkult, der mit der Tauben-Göttin zusammenhing, zur Sommersonnwende seinen Höhepunkt fand. Also steht la-Hu für die Mondgöttin als Herrscherin des ganzen Zyklus des Sonnenjahres. Es war ein stolzer Titel, und Set beanspruchte ihn anscheinend für sich selbst, als sein eselsohriges Szepter in Ägypten zum Symbol der Königswürde wurde. Doch das Kind Horus, die Reinkarnation des Osiris, triumphiert alljährlich über Set, und es ist ein Gemeinplatz, daß triumphierende Könige die Titel ihrer unterworfenen Feinde annehmen. Horus war also ebenfalls Iahu, und seine Gegenstücke, der kretische Dionysos und der kanaanitische Bel, wurden zu IACCHUS bzw. (in einem ägyptischen Dokument) IAHU-BEL. Der walisische Gott Hu Gadarn und der Gott Hou oder Har Hou von der Insel Guernsey sind wahrscheinlich die gleiche Gottheit: daß Hou ein Eichengott war, zeigt sich daran, daß bei seinen mittelalterlichen Riten die gleiche Formel gebräuchlich war wie bei jenen des baskischen Eichengotts Janicot - der Janus ist.
Ähnlich kennzeichnet lahu als Titel Jahwes diesen als Herrscher des Sonnenjahres, wahrscheinlich eine transzendentale Kombination von Set, Osiris und Horus (alias EgliIahu, das Kalb lahu). Doch die Silbe Hu in seinem Namen erlangte im Christentum hohe Bedeutung: denn wenn bei der rituellen Waschung Jesu durch Johannes den Täufer der Krönungspsalm erklang und eine Taube vom Himmel herabschwebt, so ist diese als sein Ka oder königlicher Doppelgänger aufzufassen, der auf Lichtstrahlen von seinem Vater lahu zu ihm herabstieg - wie er auch auf die Pharaonen, bei ihrer Krönung, von ihrem Vater, dem Sonnengott Ra, in Gestalt eines Falken herabstieg.
Nicht erwähnt wurde bisher die religiöse Bedeutung der Zeder, die im Neuen Testament eine so überragende Stellung als der erhabenste und größte unter allen Bäumen einnimmt: »sogar die Zedern von Libanon, die du gepflanzt«. Salomo verwendete sie zusammen mit der »erwählten Tanne« beim Bau der drei benachbarten Tempel, die er zu Ehren einer Trinität erbaute, bestehend aus Jahwe und zwei Göttern. Die Identität des zweiten dieser Tempel wurde durch pharisäische Bearbeiter des Textes als »das Haus vom Berge Libanon« getarnt, was soviel heißt wie der Tempel der Berg-Göttin, der Liebes- und Schlachten-Göttin des Mittsommers; die des dritten ist getarnt als »das Haus von Pharaos Tochter«, die, wie aus der Moses-Geschichte hervorgeht, die Geburts-Göttin der Wintersonnwende war. Da wir nun wissen, daß die Tanne der Göttin der Geburt heilig war und daß der Boden des Tempels aus Tannen~ohlen bestand, folgt hieraus, daß die Zeder, aus deren Holz die Säulen und Balken bestanden, der Liebes-und Schlachten-Göttin vom Libanongebirge, Astarte oder Anatha, heilig war. Tatsächlich steht hier die Zeder für den Vokal U, dessen Baum in Byblos und in Westeuropa das Heidekraut war. Das einzige weitere Holz, das beim Bau dieser Tempel verwendet wurde, war das des Olivenbaums, der, wie schon im Zusammenhang mit Herakles und den Daktylen erwähnt, für die Frühlings-Sonne einstand - für Jahwe als Marduk, alias der paeonische Apollon.
Die Zeder wird auch in Verbindung mit dem Ysop genannt (vermutlich der wilde Kapernstrauch, der in Ägypten und Palästina leuchtend grün in den Spalten von Felsen oder Mauern wächst), und zwar bei den zwei primitivsten Opferhandlungen des Alten Testaments: bei der Opferung der »rötlichen Kuh« in Numeri 9,6, und bei der Opferung der »lebendigen Vögel« (Sperlinge?) in Leviticus, die beide ursprünglich einer Göttin, und nicht einem Gott galten. Der Ysop war offenbar das palästinische Gegenstück der Mistel, des Baumes des Erlösungstages, der er insofern gleicht, als er mitunter in den Spalten alter Bäume wächst, wo es genügend Laubhumus gibt, um ihn zu nähren. Die mythologische Vereinigung von Zeder und Ysop bedeutet also den ganzen Zyklus der Sonne, von ihrer Kindheit bei der Wintersonnwende bis zu ihrer Reife bei der Sommersonnwende, und wieder zurück. Wenn es also in I. Könige 4,33 heißt:
»Und Gott gab Salomo sehr große Weisheit und Verstand ...«
Und er redete von Bäumen, von der Zeder auf dem Libanon bis an den Isop,
der aus der Wand wächst,
so besagt dies, daß er die ganze mystische Lehre des Baumalphabets kannte. Aber der Ysop war der Baum der Wintersonnwende, IA, und die Zeder war der Baum der Sommersonnwende, HU. Mithin kannte Salomo den Gottesnamen, dessen erlaubtes Synonym lahu war.
Der masoretische Titel des JHWH, und wahrscheinlich sein ältester, war Q're Adonai (»Herr Q're«) - wenngleich etliche hebräische Gelehrte das Wort so interpretieren, als bedeute es: »Lies Adonai«, daß heißt, »stelle den Konsonanten JHWH die gleichen Vokale bei wie in Adonai« - Qre klingt kretisch. Die Karer, Lyder und Myser, die kretischer Herkunft waren, besaßen zu Mylassa in Karien einen gemeinsamen Tempel des Zeus Karios, eines Gottes, den ihre Vettern, die Tyrrhener, als Karu nach Italien brachten und der auch Karys ist, der Begründer Megaras. Die Quiriten von Rom stammten aus einer sabinischen Stadt Qures, die anscheinend nach ihm oder seiner Mutter Juno Quiritis benannt ist, von der Plutarch erzählt; und die Kureten von Delos, Chalkis, Aetollen und Kreta waren vermutlich ebenfalls nach ihm benannt, obgleich die Griechen, die mit dem barbarischen Wort Q're nichts anfangen konnten, unter »Kuretes« Knaben verstanden, die ihre Haarpracht (»Kourai«) dem Gotte geopfert hatten. Diese Kureten identifiziert Pausanias als die Kinder des Anax, des zehn Ellen großen Sohnes von Uranos. Anax war ein Karer, der in Milet regierte, bevor es durch die Milesier von Kreta erobert wurde, diesem den Namen Anaktoria gab und der Vater des zehn Ellen großen Asterius war. Pausanias bringt Anax mit den pelasgischen Mysterien von Samothrake in Verbindung. Die Kinder des Anax finden wir in der Bibel als die großen Leute von Hebron wieder die Kaleb vertrieb und die anschließend in Gaza und in benachbarten Städten wohnten. Mit anderen Worten, sie waren asianische »Leute vom Meer«, die den Gott Qre oder (wie er zur Zeit des Thothmes, eines Pharao des Mittleren Reiches, in Syrien hieß:) den Großen Gott Ker' anbeteten. Sein karischer Haupttitel war Panemerios (»von dem lebenslangen Tage«) - so zumindest lautete die griechische Version eines ursprünglich karischen Wortes - und er war anscheinend ein Gott des Sonnenjahres, der wie Samson von Tyre oder Nisos von Nisa (Megara) alljährlich von der Mondgöttin um sein Haar und seine Kraft beraubt wurde; seine männlichen Adepten opferten ihm - bei dem Fest der Komyria zum Zeichen der Trauer ihre Stirnlocken. Daß Jahwe als Q're, wie seinem karischen Gegenstück, auch späterhin Haare geopfert wurden, und zwar bis zur Erneuerung seiner Religion im Exil, beweist das mosaische Gebot: »Ihr sollt euch nicht Male stechen noch kahlscheren über den Augen über einem Toten.« (Deuteronomium, 14,1)Die Radikale seines Namens - Q für Apfel oder Quitte oder ethrog und R für Myrte - wurden im lulab oder Thyrsos versinnbildlicht, der zum Laubhüttenfest an seinen alljährlichen Tod und seinen Eingang ins Elysium erinnern sollte. Ja, dieses Mondfest eröffnete die Jahreszeit, die von Q bis R dauert.
Aber Q're hatte seinen Titel wahrscheinlich von seiner Mond-Mutter später in Griechenland von seiner Zwillingsschwester - übernommen, der Weißen Göttin Artemis Karyatis (»von dem Nußbaum«), deren berühmtester Tempel zu Karyae in Lakonien stand. Sie war die Göttin der Heilkunst und Inspiration, der die karyatidischen Priesterinnen dienten und die wir mit der Nymphe Phyllis[8] gleichsetzen müssen und die im theseischen Zeitalter in einen Mandelbaum verwandelt wurde. Phyllis ist möglicherweise eine griechische Variante der Belili. Jedenfalls wurde er für einige Zeit Nabu, der Weise Gott des Mittwochs, dargestellt im nandelbaumförmigen Stiel der siebenarmigen Menora; und besonders an ihn richtete Hiob seine Frage, wo die Weisheit zu finden sei, denn er war es, der die Mächte wertete, wog und verkündete, die seine sechs begleitenden Gottheiten beherrschten: wie etwa Sin, den Regengott des Montags; Bel, den Blitz- und Donnergott des Donnerstags; und Ninib, den Samstags-Gott der Ruhe und Beherrscher der chthonischen Winde. Artemis Karyatis ist mit Carmenta gleichzusetzen, der Muse-Mutter des Arkadiers Euander, der das pelasgische Alphabet an die lateinische Sprache anpaßte. Ihr Name, den Plutarch in seinen Quaestiones Romanae absuderweise von carens mente, »von Sinnen«, ableitet, ist anscheinend aus Car und Menta zusammengesetzt: wobei die erste Silbe für Q're steht, die zweite vermutlich für Mante, »der Offenbarer« . Plinius überliefert die Sage, daß »Kar, von dem Karia seinen Namen hat, die Kunst der Augurie erfand«; diesen Kar - eindeutig der Große Gott Ker, des Pharao Thothmes - bezeichnet Herodot als Bruder von Lydos und Mysos, den eponymen Vorfahren der Lyder und Myser. Ein anderer Kar, Sohn des Phoroneus und Bruder des Pelasgus, der Europae und des Argenon, soll Pausanias zufolge ein früher König in Megara gewesen sein, nach dem die Akropolis der Stadt ihren Namen trug. In beiden Fällen wechselte Kar offenbar sein Geschlecht: denn die Karer, Myser und Lyder waren matrilineare Gesellschaften, und die megarische Akropolis war offenbar nach der Weißen Göttin benannt, die alle größeren Hügel und Berge beherrschte. Von der Göttin Kar hatte anscheinend auch der Fluß Inachus seinen ursprünglichen Namen, Karmanor, bevor sich Inachus, der Vater des Phoroneus - wie Plutarch berichtet - im Wahnsinn darin ertränkte.
An diesem Punkt dürfen wir noch einmal zu der Schlacht der Bäume zurückkehren, wie sie in der Myvyrian Archaeology überliefert ist, und eine Textberichtigung vorschlagen, die sie besser verständlich macht:
Es war ein Mann in dieser Schlacht, der nicht besiegt werden konnte, solange sein Name nicht bekannt war, und auf der anderen Seite war eine Frau mit Namen Achren (»Bäume«), und solange ihr Name nicht bekannt war, konnte ihre Partei nicht besiegt werden.
Und Gwyd-on ap Don, unterwiesen von seinem Bruder Amathaon, erriet den Namen der Frau...
Denn wir sahen bereits, daß die Schlacht der Bäume zwischen der Weißen Göttin (»der Frau«), um deren Liebe der Gott des zunehmenden Jahres und der Gott des abnehmenden Jahres kämpften, und dem »Mann«, dem unsterblichen Apollon oder Beli, ausgefochten wurde, der ihr die Macht streitig machte. Mit anderen Worten, der heilige Name IEVOA, oder, in erweiterter Form JIEVOAO, der Gwydion von Amathaon offenbart und als Mittel verwendet wurde, um Bran vernichtend zu schlagen, war der Name der Fünffältigen Göttin Danu. Dies war der Name, mit dem Bran den Anspruch erheben durfte, in Orakeln von ihrem Königreich Dis zu sprechen, und zwar als einer, der vertraute Erfahrung mit jeder ihrer fünf Personen hatte - da er von ihr geboren war, von ihr initiiert wurde, ihr Geliebter war, von ihr in den Schlaf gewiegt und schließlich von ihr getötet wurde. Der neue Name aus acht Buchstaben, der ihn ablöste, war Bell -Apollons eigener Name, den er nicht mit der Weißen Göttin teilte, und daher vergaßen spätere Mythographen bequemerweise die Tatsache, daß jener ursprüngliche Name dem Bran oder Q're oder lahu nur Kraft seiner Geburt, seiner Hochzeit und seines Todes unter den Auspizien der Frau verliehen worden war. Sturtevant, ein bedeutender Experte für die Hethiter-Kultur, übersetzt Q-re als Karimni, was lediglich »zu dem Gott« heißt; aber wie E. M. Parr anmerkt, ist EI sowohl das geläufige Wort für »Gott« in Syrien, wie auch ein Eigenname des Eichengottes EI. Andere Formen dieses Wortes, so meint er, sind Horus oder Quorus, ein Gott von der Insel Thera - die semitische Form von Horus ist Churu. Die Identität des Q're wird durch die Tatsache verwischt, daß die Götter Nergal und Marduk ebenfalls diesen Namen (Qaru) annahmen. Marduks Amoriter nannten ihn Gish Qaru, »Q're von den Bäumen und Kräutern«, um ihn mit Nergal gleichzusetzen, dem Gott des Donnerstag, an dem einst die Bäume und Gräser geschaffen worden waren.