Schülerinnen über sich Teil 1

Sabine (14)/Gisela (14)

Wir fänden es gut, wenn es in Frauenzentren eine extra Mädchengruppe gäbe

Wir sind beide 14 und gehen in die 8. Klasse eines Gymnasiums (13 Jungen, 21 Mädchen). Wir haben uns in der letzten Zeit ziemlich viel damit beschäftigt, mit diesem Problem der Ungerechtigkeit zwischen Jungen und Mädchen. Momentan sitzen wir gerade in einer Art Kneipe, wo eigentlich hauptsächlich nur junge Leute sind.
Am Nebentisch sitzen ein paar Jungen, die gerade abgestimmt haben, ob "ein Mädchen gut aussieht oder nicht". Dann haben sie sich über die Schwulen lustig gemacht und über Alice Schwarzer. Dabei sind natürlich nur dumme Sprüche, wie "einen blasen tu ich dir jetzt nicht", gefallen. Wir können mit Bestimmtheit sagen, daß keiner von denen sich jemals mit Emanzipation oder Homosexualität beschäftigt hat.

             

 

Jeden Tag geht es uns so, in den Bahnen und in den Kneipen werden wir ständig angemacht, es wird uns auf den Hintern gehauen, und sie lassen dumme Bemerkungen los. Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen sind eigentlich nur möglich, wenn man "miteinander geht". Wenn dann einer von beiden Schluß macht, ist der Kontakt meist total abgebrochen. Die meisten Jungen reden schlecht über einen, wenn Schluß ist. Warum, verstehen wir auch nicht.
Wir haben oft genug die Erfahrung gemacht, daß die Typen erst sagen, daß sie total für die Gleichberechtigung wären, wenn die Gleichberechtigung jedoch auf ihre Kosten geht, und wenn man mal keine Lust hat zur Sexualität, reagieren sie genauso wie die Spießer, die sie sonst so verachten! Auch die "ach" so progressiven Linken nützen einen genauso aus wie die anderen. Es ist immer derselbe Kreislauf: auf irgendeiner Fete lernt man sich kennen, dann redet man meistens über Schule, Musikgeschmack, Alter, Name, das ganze Gespräch dauert ungefähr 4 Minuten, dann beginnt die Knutscherei. Man verabredet sich für den nächsten Tag. Sie fangen an, einem vorzuschwindeln, daß sie nicht nur körperliche Interessen haben, sondern hauptsächlich rein geistige. Wenn sie alles bekommen haben, was sie wollten, schieben sie einen schnell ab, und manche benehmen sich danach außerordentlich widerlich.
Wir sind zwar beide Einzelkinder und werden zu Hause eigentlich nicht benachteiligt. Manchmal kommen so Sprüche wie "Gerade als Mädchen mußt du dein Zimmer ordentlich haben." Fast alle Jungen haben auch mehr Freiheiten als wir. Z.B. können sie länger wegbleiben, wenn sie mal betrunken nach Hause kommen, sagt keiner was. Ausspruch meiner Oma: Sie entdeckte zufällig meine Schulhefte und schaute sie sich an. Sie versteht davon nicht viel, weil sie ja nur auf eine Dorfschule ging. Sie fragte mich: "Zu was brauchst du denn das? Für den Haushalt bestimmt nicht". Zu meiner Mutter sagte sie, sie sieht so verdreckt aus. Sie ist doch schließlich ein Mädchen. Kümmerst du dich nicht genug um Sabine, und überhaupt, die Haare müßtest du ihr auch richtig eindrehen, die hängen ja nur so strähnig runter.
Schule: Im allgemeinen wird man als Mädchen genauso behandelt. Es gibt aber Lehrer, die wegen dem Aussehen der Schülerin eine bessere Note geben. Mir geht das so mit einem Lehrer. Eigentlich sollte ich was dagegen machen, tue es aber nicht, weil ich seine Note als Ausgleich brauche.
In der 7. Klasse z.B. hatten die Jungen Werken und konnten mit Ton arbeiten, und wir hatten Handarbeit, mußten Strümpfe stricken und ein Stück Stoff besticken. Wir haben versucht, uns zu wehren, aber die einzige Argumentation, die die Lehrer hatten, war, es geht eben nicht anders. (Am meisten hat uns damals geärgert, daß die Mädchen nicht einmal untereinander zusammengehalten haben und sich am Ende anpaßten.)
In unserer Schule gibt es zwar Arbeitslehre auch für Mädchen, aber das ist leider nur sehr selten der Fall.
Wie sehen uns andere? Wir ziehen uns etwas anders an als andere Mädchen: Jeans, alte Herrenhemden, eben "vergammelt", und wir schminken uns auch nicht stark. Unsere Mütter reagieren darauf mit ziemlicher Ablehnung: "Es fällt auf mich zurück, wenn du so aussiehst. In der Schule machst du dich so auch unbeliebt." Wegen unseres Aussehens und Auftretens wird behauptet, wir wären aggressiv und hätten einen starken "Linksdrall".
Zur Sexualität: Wir machen beide Selbstbefriedigung, und die meisten, mit denen wir uns unterhalten haben auch. Die meisten Mädchen finden das auch natürlich, so wie wir auch. Was wir beide nicht verstehen können, ist, daß man sich bei Selbstbefriedigung oft masochistische Bilder vorstellt. Bei Sexualität mit Jungen fühlt man sich oft benachteiligt. Wenn sie z.B. beim Petting ihren Orgasmus bekommen haben, hören sie einfach auf und geben einem einen Kuß und rauchen eine Zigarette.
Wir finden, daß Mädchenfreundschaften sehr wichtig sind. Sie sind immer intensiver und halten viel länger als Beziehungen zu Jungen. Häufig ist die Freundin auch die einzige Bezugsperson. Wir sind 8 Monate befreundet und hatten beide in der Zeit Beziehungen zu Jungen, meistens waren wir dann zu viert oder mit noch mehreren zusammen. Am Ende waren wir dann doch wieder zu zweit. Dann ist wieder eine Art neuer Freundeskreis aufgebaut worden.
Auf dem Gebiet Zärtlichkeit mit Mädchen haben wir beide keine Erfahrung, halten es aber für positiv. Wir können uns auch vorstellen, daß Mädchen zärtlich untereinander sind und nicht wie Jungen nur immer ihren "Trieb" befriedigen wollen.
Die meisten Mädchen aus unserer Klasse sind schon so auf ihre Rolle fixiert, daß sie über nichts anderes reden als Kleider, Schminken, Jungen und Dauerwellen.
Ihr sucht nach Berichten, wie wehren sie sich dagegen, aber das ist sehr schwierig. Man müßte versuchen, andere Mädchen von seinen Ideen zu überzeugen, aber bei den eben beschriebenen Mädchen geht das wohl sehr Schüler.
Wir möchten beide unheimlich gerne in ein Frauenzentrum gehen, aber wir haben Angst davor, dort nicht so ganz für voll genommen zu werden, daß man nur vielleicht als kichernde, alberne und kleine Mädchen abgetan wird. Zum Beispiel fänden wir es gut, wenn es in Frauenzentren eine extra Mädchengruppe oder sowas gäbe. Auch könnte man in der Schule eine Art Mädchengruppe gründen. Ein paar Mädchen gibt es schon, die von unseren Ideen überzeugt sind oder die man noch überzeugen könnte.
Sabine und Gisela
(Gymnasium, Frankfurt a.M.)

Ute (14)

Oberflächlich gesehen geht es mir wahnsinnig gut

Als ich mit Dagmar ausgemacht hatte, auch einen Erfahrungsbericht zu schreiben, wußte ich im Moment gar nicht, was ich da von mir geben sollte. Oberflächlich gesehen, geht es mir nämlich wahnsinnig gut, was alles gar nicht so in die Mädchenrolle reinpaßt: immer viel zu tun (Manager, sagt mein Freund), engagiert für Frauensachen, anerkannt bei Freunden, und einen lieben Freund hab' ich auch; ja, und dufte Eltern in vieler Hinsicht, und das ist verflucht wichtig. Aber auf den zweiten Blick ist alles lange nicht so wonnig. Immer viel zu tun, okay. Das heißt aber auch, daß man nie Zeit hat, sich mal hinzusetzen und nur Musik zu hören. Und außerdem zeigt es, wie man sich reinhängen muß, wenn man etwas werden will. Denn wenn man das Pech hat, nicht nur nicht männlich, sondern auch noch stolz auf seine Weiblichkeit (ich würde zwar sagen: Fraulichkeit) und zu allem Überfluß auch noch erst 14 zu sein, muß man immer auf Trab, immer dabei, immer informiert, immer lustig mit einem Spritzer "aggressiv" sein, um anerkannt zu werden. Außerdem braucht man einen Freund, der etwas zu melden hat. Dann existiert man zwar zuerst nur als "Freundin von ..." aber man ist fein raus. Weil ich mich damit aber "leider" nicht zufriedengebe und auch gerne als ich selber angenommen werden möchte, muß ich ständig... na ja, hüpfen ist hart, ich würde es eher rangeln nennen.

                 

Ich weiß aber nicht, ob ich es als Junge leichter hätte, denn dem fehlt 'ne ganze Ecke, was man als Frau ganz gut einbringen kann. Ich meine so das Küßchen, wenn man sich sieht, das Küßchen, wenn man geht, das Miteinandertanzen und das andeutungsweise Schmusen - das ist eben doch ganz gut, wenn man in einer Gruppe steht, in der man sich behaupten will. Das ist einfach so drin, da kann man emanzipiert und die Leute können so dufte sein, wie sie wollen, das sitzt irgendwo. Es ist auch nicht so, daß ich das nicht schön fände, im Gegenteil - es ist ein Bestandteil unserer Gruppenbeziehung, den ich nicht missen möchte.
So wäre also die Situation in der Freundesgruppe, zu der ich gehöre und wo ich mich wohl fühle. Diese Situation, mit allem, was so dranhängt, ist mir relativ klar, seit ich öfter mal in den Frauenladen komme und mich damit auseinandergesetzt habe. Der Anlaß dazu waren ganz blöde Sachen: Ich war sauer auf meinen Freund und dachte, das hast du doch nicht nötig, so abhängig von dem Typen zu sein. Jedesmal, wenn das Telefon bimmelt, setzt dir der Herzschlag aus, du stehst senkrecht in der Luft und bist nachher schrecklich enttäuscht: "Meine Mutter? Ach ja, Moment." Grauenhaft. Da hab' ich mir den "kleinen Unterschied" von Alice Schwarzer gekauft. Ein paarmal war ich wohl auch schon vorher im Frauenladen, zum Klönen und so; ich fand das auch ganz dufte. Aber bewußt habe ich erst nach dem "kleinen Unterschied" darauf geachtet, wie ich mit Männern umgehe und wie mit Frauen. Ich überlegte mir ganz bewußt: Wenn du einen Mann auf der Straße siehst und so auf die gewohnte Tour musterst (na ja, die Hose, aber der Pulli sieht schon dufte aus), ist das doch Scheiße. Und dann sah ich mir nur die Mädchen an und mir fiel auf, daß ich gar keine Augen für sie habe. Ungefähr so, wie wenn man sich vornimmt, jetzt alles mit der linken Hand zu tun; erst dann wird man sich doch darüber klar, wie schwierig etwa das Schreiben ist. Ich merkte auf einmal, wie gut "geschult" ich bin. Wenn ich z.B. durch die Stadt gehe, sortiere ich im Unterbewußtsein, und es macht regelrecht "klick", wenn ich einen Mann sehe, der in mein Klischee von einem "duften Typen" paßt. Bei Mädchen ist das total anders, da sehe ich mir alle an - auch die, die meterhohe Absätze und wie mit einem Spachtel aufgetragene Schminke im Gesicht haben. Jungen von dem Typ - schwarze Lederjacke, Lackschuhe, Zigarette lässig im Mundwinkel - sehe ich gar nicht mehr. Als ich das merkte, kriegte ich einen ziemlichen Schreck und habe dann alle Frauen, die nett aussahen, angequatscht und dadurch auch einige Freundschaften geschlossen; inzwischen habe ich zu Frauen genauso einen Draht wie zu Männern. Das fand ich sehr wichtig und finde es auch jetzt noch, schon weil man bei Frauen nicht immer unter dem "Verdacht" steht, sie nur anmachen zu wollen. In dieser Zeit überlegte ich mir auch manchmal, ob ich lesbisch bin, weil ich mir vorstellen kann, mit Frauen zusammenzusein. Lesbisch zu sein, glaube ich heute eigentlich nicht mehr, obwohl ich zu manchen Frauen ein tolles Verhältnis habe.
Mein Freund ist fast zehn Jahre älter als ich, und das ist irgendwo ein Problem. Er geht zwar so auf mich ein, wie ich das vorher nie erlebt habe, aber er ist irgendwie noch in der Phase "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment" und kann da auch nicht raus. Ich meine, er investiert einfach viel weniger Gefühl und begreift nicht, daß es mich fertigmacht, wenn er einfach mal drei bis vier Wochen nichts von sich hören läßt ("Du mußt das lockerer sehen, wir wollen eben keine totale Zweierbeziehung, ich will ja auch frei sein"). Aber ich kann mit ihm darüber reden, und das ist ja auch schon dufte. In der Schule läuft das bei uns ganz gut. Wir sind 22 Mädchen und 10 Jungen, und weil wir einen ziemlich guten Klassenlehrer haben, war das von Anfang an so, daß verklemmte Situationen gar nicht erst auftraten. Die Jungen sind eben auch so, daß da sexuell gar nichts läuft, und von Lehrerseite - ja, okay, da kann es schon mal dazu kommen, daß einer mit charmantem Augenaufschlag arbeitet, aber das sehe ich irgendwo auch als Notwehr.
Ute
(Gymnasium, Hagen)

Nachtrag

Liebe Dagmar, ich hab grad in Deinem Buch geblättert und finde es unheimlich gut. Wirklich! Schade, daß wir so wenige Lehrerinnen an der Schule haben ...
Weißt Du, was ich am besten an dem Buch finde? In verdammt vielen anderen Büchern ist das so schablonenhaft. Als wenn Mädchen heute noch mit rosa Schleifchen im Haar rumlaufen würden. In Deinem Buch, da sieht frau, daß das eben trotz schleifenloser Erziehung immer noch genauso beschissen ist! Es ist erschreckend wahrheitsgetreu und viele Sachen sind noch viel schlimmer als im Buch (z.B. der Turnunterricht: wenn wir bloß mal Schwebebalken machen würden, da wär ich ja schon zufrieden! Bei uns ist das nur Gymnastik! Sonst nix!)
Außerdem möchte ich gern noch ein p. s. unter meinen Beitrag setzen, weil der erste ja schon eine Weile her ist und inzwischen viel passiert ist.
Meine Klasse, die vorher eigentlich nichts wußte über das, was bei mir außerhalb der Schule läuft, ist durch eine im Grunde lächerliche Sache mit der süßen Stupsnase energisch auf die Frauenfrage gestoßen worden. Und zwar war ein Aufsatz zur Diskussion gestellt worden, in dem ein Mädchen nach einigen seltsamen Phasen mit den dümmsten Ideen (wie Studieren u.ä.) dann doch heiratet und unter der Haube glücklich wird - wie es ihre auch so weisen Eltern ihr schon immer vorausgesagt hatten. So! Auf meinen Hinweis, das wäre doch wohl keine Perspektive für ein 14-jähriges Mädchen, wurde ich als "emanzipiertes Mann-Weib" niedergebrüllt. Der Deutschlehrer unterstützte das auf die schleimige Tour: Er siezte mich einfach ununterbrochen, lenkte dadurch total vom Thema ab (die ganze Klasse spannte natürlich nur auf das nächste "Sie") und verunsicherte mich völlig.
Von da an war - und ist bis heute - das Thema Nr. 1 in der Klasse: die Frauenfrage. Noch zwei oder drei andere Mädchen verstehen mich und helfen mir - solange kein Lehrer da ist; dann stehe ich vollkommen alleine. Alle anderen Mädchen empfinden die Rollenverteilung als gerecht, sowohl bei der Arbeit, als auch in Beziehungen (obwohl eine Frau aus unserer Klasse gerade unheimliche Schwierigkeiten mit "ihrem" Typen hatte, der sie quasi in sein Auto reinprügelte - die anderen gucken zu, finden es "dumm" von mir, mich da reinzumischen, weil "der ja doch stärker ist".) Schminken ist für sie eine "Form der Reinlichkeit" - die meisten laufen total zugekleistert rum, nur sechs Mädchen in meiner Klasse haben keine Löcher in den Ohrläppchen, acht haben eine Dauerwelle, nur sieben rauchen nicht - und daß Mädchen und Jungen von Geburt aus gleich sind und die Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln nur von der Erziehung herrühren, halten sie für Blödsinn. Im Augenblick ist der weibliche Teil der Klasse tief gespalten: auf der einen Seite die vergammelten, frustrierten, anarchistischen Emanzen, auf der anderen Seite die rausgeputzten, schwachsinnigen, männerfrisierten, albernen Luxusweibchen, die in knatschengen, kneifenden Jeans rumlaufen, aber tiefe Ausschnitte "ordinär" nennen. Tja.

Stella (15)

Von mir persönlich kann ich nur sagen,
daß noch kein Mensch versucht hat,
mich aufgrund meiner Rolle als Frau zu benachteiligen

Stella, 15 Jahre, Aussehen unwichtig, Leseratte (so ziemlich alles, bevorzugt: Böll, Nietzsche, Wallraff, Borchert, Frauenliteratur), schulpolitisch engagiert (Schülersprecherin), Redakteurin und Mädchen für alles bei Schülerzeitung, gitarrespielend, musikhörend, handarbeitend, schreibend, einsam sein (fast immer).
Ich muß gestehen, daß ich den unterdrückten Frauen bisher wohl kaum wesentlich geholfen habe, zumindest nicht durch Aktivitäten in diversen Frauengruppen usw., allerdings kämpfe ich immer und überall, wo ich Ungerechtigkeiten, Unterdrückung und Verletzung der Menschenwürde erlebe, dagegen an. Denn solche Schweinereien passieren ja bekanntlich nicht nur Frauen!
Von mir persönlich kann ich nur sagen, daß noch kein Mensch versucht hat, mich auf Grund meiner Rolle als Frau zu benachteiligen; das mag aber auch daran liegen, daß ich ein nicht mädchenhaftes Verhalten zeige (womit nicht gesagt ist, daß ich das Benehmen einer Luftpumpe habe, sondern mich dagegen sträube, mich dem üblichen Rollenklischee anzupassen). Das wird wohl an meiner Kindheit liegen, denn während dieser habe ich meine Freizeit in einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen in allen Altersstufen zugebracht. Leider litt ich unter akutem Mangel an weiblichen Spielgefährten und mußte mich in dieser Gruppe als einziges Mädchen behaupten, konnte auch alles genauso gut wie die Jungen und empfand mich immer als gleichwertig. Doch bin ich wohl auch nie direkt als andersgeschlechtliches Wesen aufgefaßt worden, und ich weiß wirklich nicht, ob das von Vor- oder Nachteil war und ist, denn auch heute noch empfinde ich mich nicht als Frau, sondern bemerke nur den "kleinen Unterschied".
Meiner Meinung nach sind wir Frauen auch selber daran schuld, daß sich unsere miese Lage nicht ändert. Natürlich können wir nichts dafür, daß es so ist, aber mit einem bißchen Nachdenken und Beobachten können wir zumindest unsere Lage erkennen und zuerst versuchen, unser Verhalten zu ändern, denn wir dürfen nicht darauf warten, daß die Männer ankommen.
Ein typisches Beispiel: Ein heißer Sommertag an einer Kieskuhle, ich beobachte, wie eine Gruppe von 5 Mädchen und ebensovielen Jungen auf ihren Motorrädern ankommt und die Jungen sofort ins Wasser stürzen, aber die Mädchen? Obwohl das Wasser wirklich warm war, standen sie erst 15 Minuten laut kreischend am Rand, bis sich ihre männlichen Begleiter erbarmten und sie behutsam ins Wasser trugen.
Ich hab' mich an den Kopf gefaßt und überlegt: Merken die Mädchen nun wirklich nicht, wie sehr gerade sie die Männer in ihrer Rolle als Beschützer und Fürsorger bestätigen, oder verhalten sie sich bewußt so, um den Schutz und die Fürsorge der Jungen zu erzwingen? Es wäre wohl das Beste gewesen, sie darauf anzusprechen, aber das fällt mir auch erst jetzt beim Schreiben auf.
Ich besuche ein Gymnasium für Jungen und Mädchen und gehe in die 9.. Klasse. Meine Klasse setzt sich aus 12 Mädchen und 11 Jungen zusammen, 80% davon gehören zur Oberschicht, prozentualer Anteil der Geschlechter ist gleich. Meine Mutter ist als Personalsachbearbeiterin bei einer Möbelfirma tätig. Mit ihrem Einkommen muß sie ihren und meinen Lebensunterhalt bestreiten (mein Bruder lebt vorübergehend bei meinen Großeltern), denn sie wurde vor 11 Jahren von ihrem Mann geschieden.
Schulsituation: Das Gymnasium hat 1.650 Schüler, von diesen arbeiten ca. 50-60 in den beiden Schülerorganen SV und Schülerzeitung. In der SV sind Mädchen und Jungen etwa gleich vertreten und haben auch gleiche Rechte, in unserem Schülersprecher-Gremium (4 Jungen, 3 Mädchen) werden wir anerkannt und anfallende Aufgaben werden ohne Berücksichtigung auf das Geschlecht verteilt. Unser Schülerrat (die Klassensprecher und deren Vertreter) ist auch zu gleichen Teilen gemischt. Allerdings arbeiten von den 120 gewählten Klassensprechern weniger als 15 aktiv in der SV mit.
In der Schülerzeitung bilden die Mädchen nur ein Drittel der Redaktion, aber auch hier werden Arbeiten wie Tippen, Saubermachen, Heften usw. gerecht verteilt, d.h. wer gerade Lust hat, übernimmt die Aufgaben.
Auch befindet sich bei uns eine sozialistische Schülergruppe im Aufbau, bei deren Gründung ebensoviel Mädchen wie Jungen beteiligt sind. Zumindest innerhalb dieser elitären Gruppen herrscht also Gleichberechtigung. Auch wurde aus dieser Gruppe der aktiven Schülerschaft eine Emanzipationsgruppe gebildet, die ihren festen Platz in der Schule gefunden hat.
Nun ist es aber so, daß die restlichen 1.600 Schüler eine breite Masse bilden, die auf die SV wie eine Mauer wirkt, denn jeder Versuch, sie aufzurütteln, ist bisher gescheitert. Es liegt zum größten Teil auch an der Gesellschaftsstruktur (gehobene Mittel- bis Oberschicht) und der daraus folgenden konservativen Erziehung. Es kommt nicht selten vor, daß die SV-Leute als "linke Säue" und "Kommunistenschweine" beschimpft werden.
Daher hat auch die Emanzipations-AG Schwierigkeiten, mit ihrer Arbeit in diese breite Masse einzudringen. Denn dort herrscht immer noch das rollenspezifische Verhalten zwischen Jungen und Mädchen. Das kann ich am besten am Beispiel meiner Klasse beschreiben: Unsere Jungen ärgern mit Vorliebe die Mädchen, indem sie diesen Kleidungsstücke, Schuhe, Bücher usw. entwenden oder die frisch ondulierten Locken meiner Klassenkameradinnen zerstören. Die Reaktion der Mädchen darauf ist lautes Gekreische, aber verkloppen tun sie die Jungen nicht. Sonst ist es so, daß zumindest die Lehrer niemanden bevorzugen, auch Lehrer-Schülerinnenverhältnisse gibt es in dieser Klasse noch nicht. Daß wir Mädchen im Durchschnitt bessere Leistungen vollbringen, liegt wohl mehr an der Erziehung. Themen wie Emanzipation werden im Unterricht nicht behandelt. Auch Sexualkunde wird auf Wunsch der Eltern an der gesamten Schule nicht erteilt.
Es kann schon passieren, daß wir Mädchen darauf aufmerksam gemacht werden, nicht so "unzüchtig" zu sitzen, wenn wir die Beine, wie Jungen es nur machen, auseinanderspreizen.
Mit Meinungsäußerung im Unterricht sieht es auch sehr schlecht aus, auch haben die Schüler meiner Klasse meist nur eine vom Elternhaus übernommene Meinung, wir müssen also den Mund halten. Dadurch, daß ich bisher immer Klassenbeste war, habe ich aber die Möglichkeit, das zu sagen, was ich will, und deshalb bemühe ich mich auch, diesen Stand zu wahren. Denn als ich neu in die Klasse kam und meinen Mund sehr weit aufriß, merkte ich, wie die Lehrer versuchten, eine schwache Stelle in meinem Schulwissen zu finden, und diesen Triumph will ich ihnen nicht gönnen!
Ich würde gerne in einer Mädchengruppe, die sich mit dem Thema Emanzipation noch nicht beschäftigt hat, arbeiten.
Stella
(Gymnasium, hessische Kleinstadt)

Marion (25)

Was blieb mir anderes übrig als die
sprachliche Verweigerung?

Solange ich im Ausland war, war die Welt für mich noch in Ordnung; alles war keine Frage, sondern selbstverständlich - das wohlbehütete Mädchen, das auf Kindergeburtstage ging und sich mit dem anderthalb Jahre älteren Bruder stritt, weil sie mit seinen Autos nicht spielen durfte, wo sie doch diese Dinge viel mehr faszinierten als ihre Puppen. Sie war ungefähr zehn Jahre alt, als die Familie nach Westdeutschland zurückkam, in eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern, irgendwo im Hunsrück, wo ein Dialekt gesprochen wird, der erst nicht zu verstehen war. Als Tochter ihrer Eltern kam sie aufs Gymnasium, wo auch ihr Vater unterrichtete.
Die Zeit bis 15 liegt im Dunkeln, wenig Erinnerungen, alles in Grautönen, nicht spezifisch, nicht faßbar. In der 9. Klasse, die damals noch Obertertia hieß, fing es an zu gären. Zwei Mädchen, Petra und Christine, die in unsere Klasse kamen, weil sie sitzengeblieben waren, brachten ein neues Stück Leben für mich mit. Sie waren anders als wir, sie gackerten nicht über blöde Witze, waren über die Zeit des "Schiffchen-Versenkens" hinaus und hatten auch schon was mit dem anderen Geschlecht zu tun. ... Bei mir war eine neue Phase angebrochen, in der mir zum erstenmal auffiel, was für Folgen es hatte, daß mein Vater an derselben Schule war wie ich. Ich wollte so gerne schwänzen, um mit Petra im Park-Cafe bei Cola und Stuyvesant zu sitzen, aber es ging nicht, denn selbst wenn ich mich von der Schule wegschleichen konnte, fragten sie meinen Vater: "Ihre Tochter ist krank? Was hat sie denn?" Und er konnte nur antworten: "Krank? Wieso? Sie ist doch heute morgen mit mir in die Schule gefahren." So war ich entdeckt, bevor ich überhaupt durch zu häufiges Fehlen auffallen konnte.
Eine Abneigung gegen alles, was 'erwachsen' war (also über 20), entwickelte sich, und dann ging Petra mit der mittleren Reife ab. Ich wollte Abitur machen, unbedingt, wahrscheinlich, weil ich nicht wußte, was ich hätte lernen sollen; also war es der bequemste Weg, weiter in die Schule zu gehen. ... Und dann kam mir der Gedanke, nämlich daß es so unheimlich blöd war, sich zu melden auf eine Frage des Lehrers, um eventuell dranzukommen und eine Antwort zu geben, die doch schon alle wußten. Also wozu diese Anstrengung des Meldens, diese Darbietung und Anbiederung von Wissen. Daraus resultierte, daß ich mich NIE mehr meldete. Ich habe seit der 11. Klasse kein Wort mehr gesagt, wenn es um den Austausch Lehrer-Schüler gehen sollte. Mit meinen Banknachbarn redete ich laufend, und wenn es untersagt wurde, kursierten die Zettel, denn ganz ohne Sprache oder Gedankenaustausch hielt selbst ich es nicht aus, die fünf oder sechs Stunden eingepfercht im Klassenzimmer. ...
Heute weiß ich, wieso ich dieses Verhalten 'an den Tag legte'. Wie schon erwähnt, war mein Vater Lehrer an derselben Schule. Mein Bruder war vor mir die Klassen durchlaufen, ein sehr guter Schüler, in so gut wie allen Fächern der Beste, mit exzellenten Noten. Besser als er konnte ich nicht werden, also nicht auffallen durch gute Leistungen. Die Lehrer kannten mich, bevor sie mich sahen: "Bist du nicht die Schwester von ... ?" Daß ich die Tochter des Kollegen war, war sowieso bekannt. Ich war nie eine eigenständige Person, ich wurde nur über andere definiert, die Tochter des Vaters, die Schwester des Bruders. Aber ich wollte eine eigene Person sein, und so wählte ich, unbewußt, einen Weg, der so außergewöhnlich war, daß ich auffallen mußte, eben über die sprachliche Verweigerung. Was blieb mir anderes übrig, um nicht 'unterzugehen', in dem 'Meer' Vater-Bruder.
Das Nicht-Sprachliche ist heute, mit 25 Jahren, immer noch so fest in mir verankert, daß ich ab und zu noch Schwierigkeiten habe, den Mund aufzumachen, zumindest in Situationen, die der Schulsituation ähnlich sind, zum Beispiel in Seminaren an der Uni. Über Schreiben habe ich gelernt zu reden, fast wie das Erlernen einer völlig fremden Sprache. Ich mache Fortschritte, aber immer noch fällt es mir leichter zu reden, wenn nur ein oder zwei Personen dabei sind, als wenn es eine Gruppe von sieben oder acht ist; je größer die Gruppe, desto schwieriger. Aber ich 'nabele' mich ab von meinen beiden männlichen Bezugspersonen, die mir einmal so sehr die Sprache verschlagen haben, und was immer ist, daß ich bei Frauen mehr Verständnis finden und vor allem schneller verstanden werde, in Relation zu der 'Kiste', Männern verbal gegenüberzutreten.
Marion

Beate (23)

Vielleicht werde ich einmal mit 55 Jahren
so aussehen, aber werde ich so sein wie sie?

Nach dem Kuß auf ihre Wange schmecken meine Lippen nach einer Hautpflegeserie. Sie sieht jünger aus, als sie ist. "Schau die Mutter an, dann weißt du, wie die Tochter aussehen wird." Vielleicht werde ich einmal mit 55 Jahren so aussehen, aber werde ich so sein wie sie?
Ich suche nach der Bewunderung und dem Neid, die ich empfand. Nichts ist davon übrig. Lange Jahre hat mein ihr Nacheifern verhindert, daß ich mich selbst entdecken konnte. So zeichnen können wie sie, so kochen können wie sie, so beliebt sein wie sie. Ich wollte so sein wie sie. Ich sollte so sein wie sie. Ich sollte besser sein als sie. Ich war nicht wie sie, aber wie war ich ?
Unglücklich. Aufsässig, aggressiv. Ich entsprach nicht ihren Vorstellungen.
Sie sitzt nachts an meinem Bettrand und fleht mich an, aufs Gymnasium zu gehen und Abitur zu machen, damit ich nicht die einzige ohne Abitur bin; sie weint deshalb an meinem Bett. Ich habe viel geweint, weil ich wegen unzureichender Leistungen zweimal vom Gymnasium geflogen bin.
Ich habe bis heute kein Abitur.
Großvater hat den Tennisclub mitgegründet. Mein Vater spielt ausgezeichnet, meine Mutter spielte ausgezeichnet, mein Bruder spielt ausgezeichnet, die halbe Verwandtschaft spielt ausgezeichnet. Ich habe Tennisstunden genommen und eine Sehnenscheidenentzündung, einen Sonnenbrand und eine ungeheure Wut bekommen.
Mein Tennisschläger ist im Keller. Und meine Eltern? Waren enttäuscht.
Das gleiche Spiel bei Klavierstunde, Schwimmverein, Turnverein, Hockeysport, Tanzstunde und so weiter. Als ich vier Jahre alt war, kam meine Mutter mit TBC ins Krankenhaus. Sie lag in einem Gipsbett, vier Jahre lang. Erinnerungen an sie in horizontaler Bauch- oder Rückenlage. Ich stehe, achtjährig, am Straßenrand und schaue dem Auto entgegen, das sie wieder nach Hause bringt.
Morgens sahen wir sie nie.
Mein Vater weckte uns und machte auch das Frühstück. Ich durfte keine langen Haare haben, weil mein Vater mit den Rattenschwänzen nicht zurecht kam.
Nachmittags hat meine Mutter ruhen müssen. Mein kleiner Bruder ärgerte mich, und wir prügelten uns.
Abends mußte sie sich um meinen Vater kümmern und für ihn Zeit haben.
Die Wände meines Zimmers waren beklebt und von mir selbst bemalt. Sie nannte den Raum "Räuberhöhle" oder "Gruselkabinett" und zeigte ihn als Attraktion unseren Besuchern. Er war nicht abschließbar.
Es gab nur eine einzige Fete, die je in meinem Zimmer gefeiert wurde. Meine Eltern waren verreist, und meine Oma machte Salate.
Durch den langen Krankenhausaufenthalt und die psychischen Folgen stellte meine Mutter den Kalender um. Es wurde in Tage, Wochen, Monaten und schließlich Jahren nach dem Krankenhausaufenthalt gerechnet. Ihre Krankheit bestimmte unser Leben, auch danach, als sie schon längst nicht mehr krank war. Es wurde alles damit begründet, entschuldigt, durchgesetzt und erklärt. Sie ließ sich bewundern und wurde wieder krank, wenn man ihr Widerstand entgegensetzte.
Vater traute sich nicht, ihr etwas abzuschlagen, und ließ auch unseren Widerstand nicht zu.
Aufmüpfigkeit kam sowieso meist nur von mir. Mein kleiner Bruder hatte schnell gelernt, daß er besser fuhr, wenn er seinen Mund hielt, weil er hinten herum sowieso bekam, was er wollte. Meine Familie nannte das diplomatisch.
Mit vier Jahren wurde ich "die große Tochter, die ja schon alles versteht". Mein Bruder machte ins Bett und lutschte am Daumen. Ich mußte selbständig sein, auf Brüderchen aufpassen und die Erwachsenen unterstützen. Sie waren darauf angewiesen.
Mutter kam dann aus dem Krankenhaus und mußte ihre Muttergefühle ausleben. Von da an sollte ich nun wieder ihre kleine Tochter sein.
Ich konnte mal wieder ihre Ansprüche und Erwartungen nicht erfüllen.
Ich mußte mich schützen, Widerstand entwickeln. Damit konnten sie nichts anfangen. Selbständigkeitsbeschränkungen, Taschengeldkürzungen, Ausgehverbote, Pflichterfüllung.
Irgendwie bin ich dann raus, mit 18.
Das war die einzige Möglichkeit, das Familienklima zu verbessern. Ihr Lebensinhalt, mein Argument.
Vater zahlte 250,- DM monatlich und war sich anfangs sicher, daß ich innerhalb kürzester Zeit wieder reumütig in den Schoß der Familie zurückkehren würde. Er hat seine Erziehung unterschätzt. Ich hatte gelernt, gezwungenermaßen, mit Geld umzugehen. Das war auch erst einmal das Wichtigste, was ich schaffen mußte. Räumliche und finanzielle Unabhängigkeit.
Sieben Jahre danach befinde ich mich immer noch mitten in einem Ablösungsprozeß.
Aus Wut wird nach und nach Verständnis und die Einsicht, meine Eltern nicht mehr ändern zu können.
Ich habe über mich nachgedacht und bin noch mitten drin. Ich habe einige Neuigkeiten erfahren.
Minderwertigkeitsgefühle loszuwerden, kostet entsetzlich viel Energie.
Ich habe mein Leben!
Beate
(Berlin)

Experiment
Ich denke, daß ich fett werden will,
um zu sehen, was passiert.
Wo fängt Ablehnung an?
Zuerst der Liebhaber, wie die Zeitungsanzeigen schreiben,
oder der Chef oder die Mutter
oder das Ich?
Gut, es ist aus mit uns, Spinat,
hallo, sahnige Creme,
an diesem Montag
Nummer Eins meiner Diät.
Meine Zähne graben sich in üppigen Kuchen.
Plätzchen rufen mich vom Schrank,
während mein Kaffee mit Zucker und Sahne
angerührt ist.
Meine Lebensfreude wächst mit meinem
Cholesterinspiegel.
Mein Einkauf erklärt mich schuldig:
Kaschubaumnüsse, Erdnußbutter, Bruchschokolade,
mit der Absicht zu essen.
Meine Freundinnen schütteln ihre Köpfe
und gehen weg und knabbern an Sellerie.
Gibt es einen besseren Test über Werte?
Ich fühle, daß ich ein dicker Mensch werde,
schlimmer als das: eine fette Frau
oder das Schlimmste von allem: eine fette Dichterin,
die die Grenzen testet.
An welchem Punkt kippt das Gleichgewicht um?
Mein Magen dehnt sich, schmerzt,
aber ich weiß, daß man leiden muß, um
fett zu sein.
Wann fangen die Spötteleien an?
Ich will wissen,
ob dicke Menschen wirklich lustig sind,
und bedeutet es, mehr Spaß zu haben?
Ich werde in einem Jahr Bericht erstatten!

Aus: HIGH SCHOOL WOMEN'S LIBERATION,
Ann Arbor, Youth Liberation, 1976, 63. Übersetzt von Sylvia Steinbach.

Karolin (18)

Biographie eines gescheiterten Schullebens

Genau vierzehn Jahre ist es her, als ich das erste Mal einem Lehrer gegenübersaß. Ich fühlte mich gut. Status einer Siebenjährigen. Wenn ich damals gewußt hätte, wie das endet, wär' ich abgehauen. Ich habe vierzehn Jahre vergeudet. Ich habe Dinge gelernt, die mich nach Abschluß der Schule zur Sklavin des Systems hätten machen sollen. Sicher, nirgendwo sieht es besser aus, überall muß frau ihre Pflicht erfüllen. Kein Argument! Immerhin, nach vierzehn Jahren habe ich erkannt, daß ich meine Pflicht nicht erfüllen muß. Ich habe nämlich keine.
Ich glaube manchmal, die Menschen in der Schule, ob Schüler oder Lehrer, sind die unpolitischsten Menschen im Staate. Wenn es darum geht, politisch etwas zu machen, kommt von den Lehrern: Wir müssen vorsichtig sein. Beamtenstatus, oder es reicht nur zu ein wenig Arbeit in der GEW. Und Schüler(innen) müssen auf ihre Noten achten. Ja nicht den Mund zu weit aufmachen. Das ist zum Kotzen.
Ich habe versucht, Politik reinzubringen in der letzten Klasse. Frauenbewegung. Sie ist für mich hochpolitisch und einziger Ansatzpunkt, etwas zu ändern. Ansatzpunkt darum, weil sie autonom ist und hoffentlich bleibt, d.h. noch nicht institutionalisiert, noch keinen Regeln unterworfen. Doch was machen meine idiotischen Mitschüler(innen)? Die Männer lachen darüber, und die Frauen greifen mich an, von wegen: es geht uns doch gut, den Frauen. Was bleibt da noch zu sagen? Flucht. Am besten fühle ich mich unter Frauen. Gleichgesinnten, wohlgemerkt. Ich brauche mich nicht mehr zu rechtfertigen vor Männern. Das ist immer das Schlimmste. Die begreifen wirklich nichts. Meiner Meinung nach sollten auch Männer sich zusammentun, um sich über ihre Patriarchenrolle klar zu werden und daran etwas zu ändern.
Aber zurück zur Schule. Einer Mitschülerin und meiner Tutorin hab' ich mal erzählt, daß ich lesbisch bin. Sie haben es sehr gut aufgenommen, aber ich weiß nicht, was sie reden, wenn ich abwesend bin. Ich hab's nämlich munkeln hören. Interessiert mich aber wenig. Ich lebe mein Leben, wie es mir paßt. Vor allem stehe ich hinter den Sachen, die ich mache. Und hinter der Schule stand ich nicht. Also hab' ich aufgehört. Ich habe jetzt Zeit, politisch zu arbeiten, für mich selbst etwas zu tun. Sachen zu machen, die ich will. Die Institutionen drängen sich immer mehr in uns. Bald werden selbst Kleinkinder zur Vorschule herangezogen. Wo bleibt der Selbstbestimmungswille des Menschen? Er ist schon gebrochen, sobald ein Kind auf der Welt ist.

              

       

Der Staat hat ihn gebrochen durch die Zwänge, die er uns auferlegt. Schule - Beruf - Pensionierung sollen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, wenn ihr euch die Menschen aber anschaut, dann seht ihr, wie kaputt sie im Grunde sind. Morgens zur Arbeit - hetz', hetz', Streß, Nervosität, Kaffee, Zigaretten, Alkohol. Das einzige, wozu sie abends noch fähig sind, ist, sich vor den Fernseher zu knallen. Das nennen die Leben. Die Frau ist dann auch noch diejenige, die am meisten beschissen wird. Die hat meist noch nicht mal Fernsehen, sondern Kinder und Hausarbeit. Und da soll mir noch jemand erzählen, die wollten das. Kein Stück. Die kennen's nicht anders? Na gut. Dann lernen sie's. Frauenbewegung - sie kommt. Was mir Frauenbewegung gebracht hat? Den letzten Schubs hin zur Freiheit.
Karolin
(Gymnasium, Düsseldorf)

Mädchenträume

Vorgestellt von Angelika, Christine, Petra, Ulrike und Wilma.
Dokumentiert von Birgit.

Vorbemerkung

In der Hufnagelstraße 14 in Frankfurt am Main gibt es seit Frühjahr 1978 die Beratungsstelle für arbeitslose Mädchen. Sie wurde von fünf Diplom-Pädagoginnen nach feiner, feministischer Art konzipiert und aufgebaut, der Internationale Bund für Sozialarbeit fungiert als Trägerverband. In der Beratungsstelle gibt es neben vielen anderen Dingen wie Einzelberatung und Kursangebote (z.B. Foto, Kosmetik, Berufsfindung) auch dreimal wöchentlich einen Mädchenclub mit Disco, wo die Möglichkeit zum Tanzen, Träumen, Kochen, Basteln, Schwatzen usw. besteht.
Der Mädchenclub ist ein sehr heißer Insidertip des internationalen Jung-Frauen-Jetset. Hier kann man regelmäßig einigen der bekanntesten Persönlichkeiten der Weltgeschichte begegnen, und von hier aus wurde schon manche der Unternehmungen geplant, die die Welt in den letzten hunderttausend Jahren in Atem gehalten haben.
Zum erstenmal soll nun in einem Exklusivbericht für die Öffentlichkeit dokumentiert werden, wie Johanna von Orleans, Königin Christine, Mata Hari, Rosa Luxemburg und Mondy Stevens ihr Leben gestalten. Endlich, endlich wird der Schleier des Geheimnisses, das wir bis jetzt nur vage erahnen konnten, ein wenig gelüftet. Wir erfahren in diesem schier unglaublich wirkenden Tatsachenbericht (bei der Ehre der Chronistin: kein Wort wurde hinzugefügt, keines weggenommen), wie es wirklich ist, das Leben.

Königin Christine:
Ich habe eine Unmenge Geld gewonnen und pachte eine Luxusjacht für die Überfahrt nach Stromboli. Während der Reise finden vornehme Bälle auf der Jacht statt.
In Stromboli angekommen, sehe ich meine Motorboote im Hafen liegen. Mein Personal führt mich zu meiner Villa. Ich bin total elegant gekleidet und besichtige meine neue Heimat. Neben der Villa ein moderner Reitstall mit reinrassigen schwarzen Hengsten und weißen Stuten. Daneben ein Hundezwinger mit Collies, Shelties, Afghanen, Schäferhunden, Bernhardinern und irischen Settern. Neben dem Hundezwinger ein Stall mit weißen und grauen Kaninchen. Reit- und Hundeausstattung ist vorhanden. Ich gehe zur Garage und finde dort Mercedesse, Rolls Royces, Jaguars. Ich trete ins Haus ein. Zunächst komme ich in die Vorhalle. Hier stehen Polsterelemente und ein Tisch mit Zeitschriften und eine Stereoanlage. Schwere Samtvorhänge hängen an den Fenstern. Dann das Wohnzimmer. Die Einrichtung ist wie in der Vorhalle, es gibt ein Farbfernsehgerät, einen Hifi-Stereoturm, wie übrigens in jedem Raum. In der Ecke ist die Bar, in der Getränke aller Art sind, Gläser und Zigarettenvorräte. Der nächste Raum ist mein privates Schlafzimmer. Ein französisches Doppelbett mit himmelblauen Seidenvorhängen und Tagesdecke. Auch hier ist eine kleine Bar vorhanden. Dann das Ankleidezimmer. Eine Garderobe mit Abendkleidern, schicken Hosen und Kleidern, Pelzen, eleganten Schuhen, Diamantkolliers, Ketten, Broschen, Ringen und Armbändern. Nebenan das Badezimmer und die Toilette, mit blauen Kacheln. Weiter hinten kommt die Sauna, dann der Swimmingpool mit Sprungbrett und Rutschbahn, wo alle zwei Minuten Wellen kommen, dann kommt noch der FKK-Garten. Danach die Küche, in der das Personal gerade damit beschäftigt ist, mir ein Willkommensessen zu bereiten. Auch einen privaten Eisbereiter gibt es. An die Küche schließt das Eßzimmer an, mit einer langen Tafel. Danach kommt das Musik- und Studierzimmer mit Hifi-Stereoturm und Musikinstrumenten. Alle neuesten Hits sind vorhanden, denn ich bekomme alle zwei Wochen die neuesten Platten geliefert. Außerdem kann ich alle Sprachen.
Im oberen Stockwerk sind die Gästezimmer, die natürlich alle ein Badezimmer haben. Alle sind in verschiedenen Farben eingerichtet. Ich gehe raus in den Garten. Herrliche Rosen, Orchideen, Tulpen, Fresien, Nelken und andere bunte Gewächse. Obstbäume in voller Blüte stehen rund um den Garten herum. Erd- und Brombeeren, Him- und Johannisbeeren wachsen unter den Bäumen. Ein riesiger Swimmingpool mit Springbrunnen ist in der Mitte des Gartens plaziert. Ich veranstalte jede Woche einen Ball. Einmal im Haus, einmal eine Strandparty, einmal eine Gartenparty und einmal meine Privatdisco. Die Männer kommen selbstverständlich von selbst. Ich bin 20 Jahre alt, und so bleibe ich auch. Auch die Insel und das Personal, kurz gesagt, mein ganzes Leben verändern sich nicht.

Mata Hari:
Ich lebe in einem alten Schloß mit einem großen Park, es gibt viel Wald, einen Teich mit einem Bootssteg und einer Insel, darauf gibt es Ruderboote - keine Motorschiffe. Frischluft gibt es auch. Rundherum sind Berge und Pferdeställe mit rassigen Pferden, auch Hunde und Katzen gibt es. Im Schloß gibt es einen Wintergarten und einen Swimmingpool - im Sommer allerdings bade ich im Teich. Das Schloß hat ganz viele geheime Gänge und eine Ahnengalerie, wo meine Ahnen aufgehängt sind. Ich habe eine riesige Bibliothek, da stehen vom Boden bis zur Decke an allen vier Wänden dicke Bücher in Leder gebunden, es gibt da auch eine Familienchronik. Zu meinem Schlafzimmer geht es ein paar Treppen rauf, und dann kann ich mich in Felle hineinfallen lassen - nebenan geht es ins Badezimmer. Meine Badewanne ist ein riesengroßes Herz, mindestens 80 Zentimeter tief, das Herz ist rotbraun. Dann kommt das Ankleidezimmer mit lauter schicken Anzügen, Hosen, Hemden und Blusen - die Farben sind jeweils fein aufeinander abgestimmt. Ja, und dann gibt es noch mein Studierzimmer, wo ein riesengroßer Schreibtisch ist, da stapeln sich die Akten. In jedem Zimmer gibt es eine Stereoanlage, dazu habe ich auch ein extra Musikzimmer, wo ich dann meinen Beethoven höre - auch ein alter Flügel steht da. Für meine Zerstreuung habe ich auch noch ein Billardzimmer. In jedem Zimmer ist auch ein Kamin (aber Zentralheizung gibt es natürlich auch), weil Holzfeuer so schön sind. In meinem Wintergarten ist ein kleiner Teich mit Goldfischen, und es gibt da viele exotische Blumen wie Orchideen. Auch ein kleiner künstlicher Wasserfall ist da.
Im Sommer pflege ich Bälle im Park zu geben. Im Herbst veranstalte ich Jagden, im Winter fahre ich in Ski-Urlaub.
Normalerweise fährt mich morgens mein Chauffeur in meine Fabrik, wo ich Boß bin. Ich arbeite sechs Stunden intensiv (wie beim Betriebspraktikum in der Schule), Überstunden gibt es bei mir nicht, nur ab und an hektische Konferenzen. Ich habe auch eine seriöse Dienergesellschaft und eine exzellente Küche. Mann habe ich keinen.

Angelika:
Ich wohne in einem Palast in Ägypten mit tausend Räumen, zwei Büchereien, zwei Küchen, fünf Schlafzimmern und so weiter. Der Palast hat einen sehr großen Raum in der Mitte mit einer Kuppel und zweitausend winzig kleinen Glasscheiben aus buntem Glas. Die Kuppel kann man zur Seite schieben, so daß ich in warmen Nächten direkt unter dem Sternenhimmel schlafen kann.
Ich besitze 50 schwarze und 50 weiße Pferde, zwei zahme Leoparden, fünf bunte Papageien, die sprechen können, und 500 Springbrunnen. In meinem Hundezwinger sind zehn Collies, Afghanen, Cocker Spaniels und so weiter. In meiner riesigen Schmuckkassette ist sehr viel Schmuck. In jedem Raum des Palastes sind Stereoboxen montiert, ich habe zwei Räume voller Schallplatten. Vor dem Palast ist ein großer Garten mit Obstbäumen und eine Vanille-Plantage.
Ich besitze 15 Fabriken und ein Büro, natürlich bin ich der Chef.
Ich habe Vögel in allen Farben, die es gibt. Auch 16 Elefanten. Und eine eigene Plattenfirma und fünf eigene Bands. Ich spiele Schlagzeug und fünf elektrische und zwölf normale Gitarren, zehn Orgeln, zwanzig Synthesizer. Regelmäßig werde ich zu einer Problemstunde ins Fernsehen eingeladen, wo ich den Leuten helfe, ihre Probleme zu lösen - dafür werde ich dann immer mit Geschenken überschüttet, denn ich kann alle Probleme lösen. Alle zwei Monate besuche ich mit meinem Raumschiff "Sading" meine zehn Planeten, auf denen ich als Freund erwartet werde. Alle Leute auf den Planeten lieben mich.
Ich habe zwei Männer geheiratet, die mich über alles lieben, ich habe auch zwei Frauen geheiratet, die nicht nur meine Dienerinnen und besten Freundinnen, sondern auch meine Geliebten sind.
Ich reite jeden Morgen an den Strand, der nicht weit von meinem Palast entfernt ist. Etwas später fahre ich mit meinem Jaguar in eine meiner Firmen. Fünfzig verschiedene Autos habe ich insgesamt und in den schönsten Farben, sie können unter Wasser fahren und fliegen. Außerdem besitze ich 25 Flugzeuge, und falls mein Raumschiff kaputtgehen sollte, habe ich noch 15 Raumschiffe in Reserve. Mir gehören drei Flughäfen, wo die Raumschiffe stehen. Zwei Flughäfen habe ich für meine Flugzeuge. Ich habe auch 15 Unterseeboote mit allem Komfort, fünf Häuser, fünfzig Schlösser, davon 25 alte Burgen. Hundert Schätze mit Diamanten, Goldringen und anderen kostbaren Dingen sind in den Schlössern gelagert. In meinem ägyptischen Palast sind zwölf Zimmer nur mit Kleidern gefüllt. 22 Segelschiffe und 26 Wasserskiausrüstungen gehören mir ebenfalls. Dreißig Taucheranzüge und 25 unterirdische Gänge habe ich außerdem. Jeden Monat gebe ich ein Fest, wo ich die Könige und Herren der Planeten zu einer Grillparty einlade. Bei dieser Party bereden wir auch Probleme.

Wilma:
Ich wohne auf einer Insel, wo immer schönes Wetter ist. Ich habe wilde Pferde und Hunde und Katzen. In der Mitte der Insel ist ein Berg, und von dem Berg aus hat man eine Aussicht über die ganze Insel. Um den Berg herum ist ein kleiner Urwald, in dem es ein paar wilde Tiere gibt. Nach dem Urwald kommt eine kleine Stadt, in der Mitte der Stadt ist meine große Villa. Dann gibt es noch ein paar Läden, zum Beispiel für Andenken, Lebensmittel, Mode und so weiter. Nach der Stadt kommt ein ein Kilometer langer Strand. Alle zwei Wochen kommt ein Schiff, das Touristen an Land bringt. Vor meiner Villa ist ein Garten mit verschiedenen Bäumen und Blumen, z.B. Mandelbäumen. Ich mache in der Woche zweimal eine Party, wo nur verrückte Musik gespielt wird und wo ich hübsche Typen einlade. Am Strand habe ich noch einen Privatsteg, wo meine Motorboote liegen, damit ich Wasserski fahren kann.

Mondy Stevens:
Ich wohne auf einer Insel in einer Ruine. Ich habe viele Pferde, Hunde, Katzen, Läuse und Flöhe und Pumas und Jaguars und Tiger und einen Gorilla. Da ist auch ein riesengroßer Garten mit vielen Blumen und Bäumen, anschließend kommt ein Wald. Wenn ich Schnee haben will, lasse ich mir welchen herschaffen. Ich habe Hausangestellte, die machen für mich die ganze Arbeit und bekommen auch Geld dafür. Ich habe eine Geldmaschine, mit der ich Geld selbst mache, um meine Hausangestellten zu bezahlen. Ich selbst aber brauche kein Geld. Ich schreibe Bücher über mich und meine Insel, da kann ich mir meine Arbeit einteilen und muß mich nicht nach jemand anderem richten. Ich habe einen riesengroßen Raum, wo ich meine ganze Wut auslassen kann, wenn ich welche habe, wo ich alles demolieren kann, wenn ich will. Ich kann Judo, Karate und natürlich Boxen.
Ich habe eine Ruine, um zu leben wie ein armes Schwein, und da gibt es auch nur Brot und Wasser. Meine Hausangestellten bekommen, wenn ich in der Ruine lebe, frei. Dann habe ich auch nur eine Zigarette pro Tag. Sodann habe ich ein Haus, wo ich leben kann wie normale Menschen. Und ich habe ein riesengroßes Schloß, wo ich über alle herrsche. Meine Insel heißt wie ich: Mondy Stevens. Ich bin auf keinen Fall verheiratet, mit Männern will ich nichts zu tun haben, wenn ich nach sowas Sehnsucht habe - das geht auch wieder vorbei. Kinder will ich auch keine. Ich habe einen Teich mit einem Springbrunnen.
Alle Raketen und Boote und Autos und Skateboards, die es gibt, gehören mir, auch Kinderwagen habe ich, um sie den Berg hinunterrollen zu lassen, wenn ich will. Meine Familie ist gestorben. Pistolen und Gewehre und solche Sachen kenne ich nicht, weil ich niemandem wehtun will. Ich habe ein Gebirge und unterirdische Gänge. Ich trage nur Hosen, im Sommer trage ich eben kurze Hosen. Jeden Tag spiele ich mindestens zwei Stunden Fußball mit meinem Gorilla. In der Ruine habe ich keine Stereoanlage, im normalen Haus nur eine, aber im Schloß habe ich tausend Stereoanlagen, und ins Schloß werden jede Woche die neuesten Platten angeliefert. Ich spiele selbst Schlagzeug und E-Gitarre. Meine Hausangestellten im Schloß machen für mich jeden Abend Disco. Auf der Insel ist auch eine Pyramide, in der meine Familie begraben ist. Eine Sauna und einen Swimmingpool gibt es auch. Im Schloß habe ich ein riesengroßes Schlafzimmer, in dem nur Felle und Matratzen und Schaumgummi und Trampolin sind. Weiter zum Schloß: Es gibt auch eine große Bibliothek mit Krimis und Romanen und Gruselgeschichten. Ein Zimmer ist mein Büro, wo ich meine Bücher schreibe. Ich habe schon mindestens hundert Bücher über mich und meine Insel geschrieben.
Ich sterbe nie, an jedem hundertsten Geburtstag um fünf Uhr nehme ich eine bestimmte Tablette ein, und dadurch bin ich unsterblich. Wenn ich vielleicht mal Selbstmord machen will, mache ich dies, aber dann nimmt meine Seele die Tablette ein, und ich lebe weiter. Ja, nun weiter zum Schloß. Mein Badezimmer und meine Toilette, letztere ist nur ganz klein, damit ich nicht hineinfalle. Meine Badewanne ist riesengroß und herzförmig, und wenn ich Liebe brauche, gehe ich baden. Ich habe einen Hobbyraum, da arbeite ich mit Holz, ich baue mir da unheimlich viel Sachen; z.B. habe ich mir schon eine Pistole aus Holz gebaut, weil ich keine Waffen mag, aber mit meiner Holzpistole doch die Leute, wenn sie mir was tun wollen, erschrecken kann. Ich habe einen Raum, da gibt es ein Wasserbecken mit Haifischen. Wenn ich in der Ruine lebe, macht es mir nichts aus, wenn mir jemand ein böses Wort sagt. Wenn ich im normalen Haus wohne, gebe ich das böse Wort zurück. Aber wenn mir jemand ein böses Wort sagt, wenn ich im Schloß wohne, werfe ich ihn den Haifischen zum Fraß vor.
Da ist noch ein weiterer Raum, das Gästezimmer. Das ist riesengroß, und es ist hundertmal durch Schwebetüren unterteilt, darin sind viele Stereoanlagen. Wenn meine Gäste kommen, kriegen sie das beste Essen, aber am letzten Tag gibt es Brot und Wasser. Ich hole die Gäste in meiner Jacht vom Land ab, aber zurück müssen sie mit einem Ruderboot selbst rudern. Bevor sie abreisen dürfen, quäle ich sie noch etwas.
Meine Musik ist auf der ganzen Insel zu hören. Wenn ich jemandem wirklich Unrecht tue, darf er mich verhauen. Ich habe einen Raum, wo es nur Süßigkeiten gibt, Eis, Kaugummi und alles. Aber ich werde nie dick oder krank. Wenn ich mich selbst richtig quälen will, drücke ich auf einen Knopf, dann kommt eine Boxhand aus der Wand, und ich werde verhauen, es kommt ein Messer, das schneidet mich, es kommt ein Knochenbrecher - nach einer halben Stunde ist es vorbei, ich sehe dann so richtig geküßt aus. Außerdem kann ich fliegen, und wenn ich zur Sonne fliege, verbrenne ich nicht, und wenn ich zum Mond fliege, erfriere ich nicht. Ich habe ein Fahrzeug, da lehne ich mich im Sitz zurück, und wenn ich sage: "Knopf eins", fahre ich in den Weltraum.
Ab und zu rauche ich ein Päckchen Stuyvesant - es gibt bei mir nur Stuyvesant - und saufe mich zu, jeden Tag einmal. Es gibt einen Opi, den ich gerne ein bißchen fertigmache, daran freue ich mich dann.

  • Soweit die Selbstdarstellungen der jungen Frauen. Sie treffen sich in bestimmten Abständen
    im Mädchenclub in der Hufnagelstraße in Frankfurt zu geheimen Konferenzen, hin und wieder
    besuchen sie sich auch gegenseitig in ihren Palästen, Villen und Ruinen. Die Besuche dauern
    jeweils eine Woche, diejenige, die einlädt, bestimmt dann für die Zeit des Besuchs, was die
    anderen tun dürfen.
    Zuerst folgen alle einer Einladung von Mondy Stevens, es ist zu erwarten daß dieser Besuch
    recht anstrengend wird.

Mondy:
Ich hole euch mit dem Flugzeug am Mädchentreff ab, und wir fliegen auf dem Hinweg am Mars und an der Sonne und am Mond vorbei. Damit ihr weder verbrennt noch erfriert, gebe ich euch eine Tablette. Nach der Ankunft auf meiner Insel gibt es erst mal ein riesengroßes Essen, ihr könnt euch auch erfrischen. Dann machen wir einen Spaziergang, ich zeige euch die ganze Insel. Wenn wir alles besichtigt haben, stelle ich euch meine tausend Hausleute vor, an die du euch auch wenden könnt, wenn ihr Wünsche habt. Dann zeige ich euch das Haus. Anschließend könnt ihr euch ausruhen. Am Nachmittag gehen wir rudern und schwimmen, wir machen eine kleine Wasserschlacht, wie sich das gehört. Wir sonnen uns und unterhalten uns, gehen Eis essen. Dann gehen wir reiten. Wir machen einen Wettkampf, den ich gewinne, weil ich der beste Reiter bin. Ich gebe meinem Pferd eine Tablette, dann ist es das schnellste der Welt. Es wird langsam Abend, wir essen auf der Terrasse vor dem Schloß. Ich habe euch erklärt, warum ich die Ruine und das normale Haus und das Schloß habe: Ich will wissen, wie es allen Menschen geht, den armen, den normalen und den reichen ich will nichts anderes sein, ich will so sein, wie ich immer bin. Nach dem Abendessen gehen wir in meinem Badeherzen schwimmen, wo ihr alle Liebe haben könnt, die ihr bei euren Männern nicht bekommt.
Danach macht ihr euch zurecht, und wir sehen uns den Sonnenuntergang an, diejenigen, die Lust dazu haben, können am Strand in den Sonnenuntergang reiten. Anschließend gehen wir in eine Bar, rauchen, und ich trinke mich erst mal zu. Am Abend besuchen wir eine Disco und freaken out. Danach gehen wir schlafen, jede in ihr Zimmer, wo man noch Musik hören kann. Die Musik kann man so einstellen, daß sie sich alleine abstellt, wenn man dabei einschläft.
Um elf Uhr am nächsten Tag klingelt der Wecker so laut, daß jedes lebende Wesen auf der Insel bestimmt aufwacht. Wir machen Frühsport auf dem Fußballplatz. Zuerst Gymnastik und dann spielen wir richtig Fußball. Dann gibt es Mittagessen, dazu gibt es immer den besten Wein der Welt. Ich lade euch nach dem Essen zu einem Rundflug ein, ihr kriegt eine Tablette, damit wir ohne Flugzeug fliegen können in der Luft kämpfen wir miteinander. Davon sind wir dann etwas ermüdet und ruhen uns erst einmal aus, oder ihr könnt in dieser Zeit machen, was ihr wollt. Nach dem Abendessen könnt ihr wieder in mein Herzschwimmbad, da gehe ich aber nicht mit, weil ich keine Liebe brauche. Ich brauche Liebe nur ganz manchmal, und das ist mein Geheimnis. In der Zeit, wo ihr im Schwimmbad seid, meditiere ich. Am Abend gehen wir wieder in die Disco, ich trinke mich wieder voll. Am dritten Tag beginnen wir wieder mit Frühgymnastik, diesmal aber nur Gymnastik, kein Fußball, weil ich euch ja nicht immer fertigmachen kann. Danach gibt es Frühstück. Übrigens: Diesmal hat euch der lauteste Wecker der Welt um acht Uhr bereits herausgeklingelt. Anschließend treffen wir uns in meinem Büro, ich erzähle euch von meinem neuen Buch, ihr seid alle total begeistert. Wir rauchen und trinken schönen Rotwein. Danach zeige ich euch, was es heißt, total auszuflippen. Zunächst tanze ich mit meinem Gorilla Rock'n Roll, dann meditiere ich, ihr macht was anderes, ich will nicht, daß eine von euch mit mir meditiert. Dann gehe ich in meinen Masochistinnenraum, ihr müßt alle zusehen (mit Zigaretten und Wein), wie ich verhauen werde. Ich werde so sehr verhauen, daß ich zusammenbreche und erstmal bewußtlos bin. Abends wache ich auf - ihr seid wieder in der Disco - ich drehe mich um und schlafe weiter.
Am vierten Tag wacht ihr erst gegen drei Uhr mittags auf. Ihr sagt mir die Meinung: Es sei doof von mir, in diesen Masochistinnenraum zu gehen. Aber ich sage, das sei meine Sache, das zu wollen. Wir essen wieder zusammen. Anschließend fahren wir zusammen ins Gebirge, es kommt zum Krach zwischen uns, ihr verhaut mich, weil ich gesagt habe: "Kümmert euch um euren Dreck", das bereue ich. Ich würde euch gerne erklären, warum ich das mache, aber ich kann es nicht. Später am Abend besuchen wir wieder die Disco, und wieder saufe ich mich zu wie tausend Mann. Diesmal kriegt ihr für zwei Stunden Männer (Mata Hari braucht keinen), aber dann nicht mehr. Ich bin etwas müde, gehe bald ins Bett - ihr geht noch was essen.
Am fünften Tag stehen wir um fünf Uhr morgens auf, weil wir einen Ausflug machen wollen in meinen Garten. Wir essen von dem wunderbaren Obst, ich habe eine Flasche Apfelkorn dabei. Dann gehen wir heim essen. Am Nachmittag machen wir eine Fahrt mit meinem Motorboot, wir nehmen wieder eine Tablette ein, damit wir im Wasser sitzen und da unser Picknick einnehmen können. Wenn wir hereinkommen, ruhen wir uns aus oder gehen in die Bibliothek und lesen. Abends gehen wir natürlich wieder in die Disco, wieder trinke ich mich zu. Nachts machen wir einen Flug, ich bin betrunken. Wir kehren in die Disco zurück, ich trinke nochmals ziemlich viel, da mich der Flug ganz nüchtern gemacht hat. Ihr seid auch alle zu, aber ich bin am meisten zu, denn ich bin noch zu klein, um so viel Alkohol zu trinken.
Am sechsten Tag macht ihr alle, was ihr wollt, ich trinke wieder Alkohol.
Am siebten Tag gehe ich erstmal wieder in den Masochistinnenraum, ihr müßt mir zusehen. Anschließend gehen wir wieder schlafen. Wir machen noch ein großes Fest, ich bin wieder betrunken. Bevor ich euch zurückschicke aufs Land, dürft ihr noch einen Rundflug mit mir machen.

  • Der Besuch bei Mondy war für alle ein wenig anstrengend. So ist jede froh, in ihr eigenes
    Reich zurückkehren zu können und erst einmal auszuruhen. Mondy zieht sich für zwei
    Monate zur Meditation zurück.
    Nach einiger Zeit ergreift Königin Christine die Initiative. Sie schickt ihren reitenden
    Boten aus mit der Einladung an die Freundinnen, sie bald einmal für eine Woche zu
    besuchen. Der reitende Bote kehrt zurück mit der Bestätigung von allen, daß sie
    zu dem Besuch kommen wollen.

Königin Christine:
Ich fahre mit meinem Luxusdampfer Aurora zum Eisernen Steg nach Frankfurt und hole euch ab, und da ihr bestimmt alle hungrig seid, gibt es zunächst ein Essen auf dem Schiff, genug Hausangestellte, die alles vorbereiten, habe ich mitgebracht. Wir fahren mit einem kleinen Umweg durch den Atlantik nach Stromboli, wo wir abends um acht Uhr ankommen. Das Hauspersonal hat bereits eine schöne Gartenparty vorbereitet, mit Drinks und so. Alkohol ist beschränkt, sobald der Barkeeper merkt, daß jemand bereits sehr angeheitert ist, bekommt diejenige nur noch Milch oder Kaffee. Jede darf solange auf der Party bleiben, wie sie will, wenn sie müde ist, bekommt sie ihr Zimmer gezeigt. Die Zimmer sind ja alle gleich, nur in verschiedenen Farben, jede sucht sich diejenige Farbe aus, die sie mag. Am Morgen werden mit Summern die Türen der Zimmer geöffnet, in jedes Zimmer kommt ein Schäferhund, der die Bettdecke wegzieht und bellt, so sind dann alle schnell wach. Es gibt Frühstück, jede kann wählen, was sie haben will, danach machen wir, was wir wollen, die Insel erkunden oder so, Mondy und Mata Hari dürfen Fußball spielen. Wenn ihr alle mittags so gegen zwei Uhr wiederkommt, gibt es Mittagessen, Truthahn mit Beilage, selbst erlegt. Dann folgt eine Mittagsruhe von zwei Stunden. Nachmittags gehen wir in die Sauna, jede bleibt so lange, wie sie es aushält. Danach gehen wir schwimmen. Anschließend gibt es wieder Abendessen nach WaW. Abends gehen wir in mein Musik- und Studierzimmer. Da hören wir die neueste Musik, wer Lust hat, selbst Musik zu machen, kann das tun. Nachts nehmen wir mein Motorboot und fahren zur Nachbarinsel in eine Privatdisco, sie heißt "Paola". Da flippen wir ein bißchen aus. Nach der Rückkehr schlafen wir. Am nächsten Morgen wecken uns wieder die Schäferhunde. Am Vormittag machen wir einen großen Geländelauf, es sind Preise ausgesetzt: Der erste Preis ist ein ganz teurer Pelz. Zum Mittagessen gibt es Wildsau und Spinnenbeinsalat. Nachmittags um drei Uhr, nach der Mittagspause, bestelle ich euch alle in mein gemütliches Wohnzimmer, Drinks habe ich bereits vorbereitet. Wir unterhalten uns über unsere gemeinsame Vergangenheit im Mädchenclub und über die letzte Zeit, wo wir dieses neue Leben gehabt haben und wie es uns gefällt - ob es uns besser gefällt, so getrennt zu leben und uns nur manchmal zu sehen, oder ob es damals besser war, als wir uns im Mädchenclub alle Tage sehen konnten.
Abends nach dem Essen gehen wir gleich schlafen, weil wir am nächsten Morgen eine Reise vorhaben: Wir fahren nach Frankfurt und besuchen die Birgit (das ist die Chronistin und im Alltag eine der Betreuerinnen des Mädchenclubs). Wir rufen sie vorher an und treffen uns mit ihr im Mädchenclub. Dabei tragen wir unsere Alltagskleidung wie früher, damit sie nicht neidisch wird. Wir unterhalten uns und fragen sie, ob sie uns nicht auch einmal besuchen will, wie sie jetzt lebt und wie es ihr geht, so ohne uns. Wir erzählen von unserem neuen Leben, sie erzählt, wie es inzwischen in Frankfurt weitergegangen ist. Wir merken, daß sie auch mal gerne Urlaub machen würde mit etwas mehr Luxus. Da überreden wir sie, zuhause anzurufen und zu sagen, daß sie für zwei Tage wegfährt. Wir gehen zurück zum Eisernen Steg, steigen in unser Schiff ein und fahren so schnell wie möglich nach Stromboli zurück. Wir geben zu Birgits Ehren eine Empfangsparty im Haus. Schnell haben wir noch ein Abendkleid besorgt, wir schmücken sie, und Dauerwellen kriegt sie auch. Von der Nachbarinsel habe ich ein paar hübsche Männer bestellt, und Birgit bändelt natürlich mit zweien auf einmal an. Ich sage ihr, daß ihr mein blaues Himmelbett - sollte sie es benötigen - gerne zur Verfügung steht. Um zwei Uhr nachts ist sie aber etwas müde und zieht sich alleine zurück. Sie ist im Bett - wir feiern noch eine Stunde weiter, Mondy ist wieder total zu, ihre Liebeswanne fehlt ihr.
Am nächsten Morgen dürft ihr alle bis elf Uhr schlafen. Birgit kriegt zwei Schäferhunde und eine Kopfschmerztablette ins Zimmer geschickt, weil sie so angeheitert war. Frühstück gibt es auf dem Zimmer, Milch und Brötchen. Nach dem Frühstück zeigen wir Birgit die Insel, wir merken, daß es da auch wilde Tiere gibt. Nach dem Mittagessen machen wir eine Jagd. Nachdem wir tatsächlich Wild erlegt haben, veranstalten wir eine Grillparty und braten und verspeisen das erlegte Wild. Da es schon sehr spät wird, gehen wir bald schlafen. Am darauf folgenden Morgen ist wieder das übliche Wecken durch die Schäferhunde. Nach dem Frühstück gehen wir reiten. Wir machen ein Wettreiten um die Insel, danach müssen wir die Pferde trockenreiben, putzen, die Hufe saubermachen und so weiter. Nach dem Mittagessen darf jede tun, was sie will, Mondy kann sich vollaufen oder verhauen lassen wirklich, jede kann tun, was sie will. Wenn ihr wollt, könnt ihr auch über Nacht wegbleiben, mein Motorboot steht zur Verfügung, aber am nächsten Morgen um zehn Uhr müßt ihr wieder zum Frühstück da sein, dann unterhalten wir uns, wie es euch bei mir gefällt. Dann essen wir zu Mittag, am Nachmittag hören wir Pink Floyd und meditieren. Abends sind wir alle total fertig vom langen Überlegen und gehen früh ins Bett. Am nächsten Morgen gegen neun Uhr werden wir geweckt und bereiten unsere Abschiedsfeier vor. Wir wollen eine Strandparty machen. Dazu pflücken wir alle Blumen aus dem Garten und streuen sie über den Strand, und Lampions und Flutlichter gibt es. Das Personal hat heute frei, wir machen alles selbst: kaltes Buffet und Fleisch und Gemüse und Fische und alles. Es wird sehr festlich, eine richtige 5000-Mark-Tafel. Dazu gibt es Rotwein und Martini. Die Tafel reicht über den ganzen Strand, wenn jemand etwas essen will, muß er am Strand entlanglaufen. Später verlegen wir die Party ins Boot und bauen dort auch das Essen auf. Wir haben unsere Badeanzüge dabei, und Taucheranzüge und Sauerstofflaschen gibt es, ihr holt euch Muscheln mit Perlchen drin vom Meeresboden herauf, die nehmt ihr als Andenken mit. Nach dem Tauchen treffen wir uns wieder auf dem Schiff. Dann machen wir Erinnerungsfotos, natürlich haben wir uns nach dem Tauchen wieder elegant angekleidet. Da es jetzt sehr dunkel wird, fahren wir zurück und veranstalten totales high life im Haus. Die Stereoanlage ist voll aufgedreht, ein Zimmer haben wir ausgeräumt, damit wir tanzen können, die Bar ist überfüllt, und bereits nach einer Stunde seid ihr so zu, daß ihr in die Betten fallt. Am nächsten Morgen wacht ihr mit einem schweren Kater auf, wir gehen aufs Schiff, wo natürlich bereits aufgeräumt ist, und dann fahre ich euch nach Frankfurt zurück. Ich habe eine alte Kutsche mit zwei Schimmeln mit aufs Schiff genommen, damit fahre ich euch vom Eisernen Steg aus zum Flughafen, zu euren Flugzeugen.
Ich kehre zurück nach Stromboli, mein Personal hat inzwischen alles in Ordnung gebracht, und das Leben geht für mich wieder normal weiter.

  • Es vergeht wieder einige Zeit, bis Mata Hari
    ihre Einladungen zu einem Besuch
    bei ihr verschickt.

Mata Hari:
Ihr kommt mit euren Autos zu mir. Nach der Ankunft zeige ich euch eure Gästezimmer, wo ihr erst einmal ausruhen und euch von der Reise erholen könnt. Es ist bereits Nachmittag, gegen 17.30 Uhr serviert man einen Erfrischungstee oder Kaffee oder heiße Schokolade. Nach der Begrüßung bin ich wieder in mein Büro gefahren, ich muß noch etwas arbeiten und kehre gegen sieben Uhr zum Abendessen zurück. Wir gehen in das Eßzimmer hinunter, da gibt es eine riesig große Tafel, wo wir speisen. Nach dem Essen trinken wir Cognac und Mokka, und dann ziehen wir uns in meine Bibliothek zurück und halten einen kleinen Tratsch. Um elf Uhr geht es ins Bett, ich jedenfalls bin müde. Wir treffen uns am nächsten Morgen um sieben Uhr zum Frühstück. Anschließend könnt ihr machen, was ihr wollt - reiten, Fußball spielen, das Land ansehen, es gibt keinen Alkohol, wer sich meine Fabrik ansehen will, kann das tun. Um zwölf Uhr ist Mittagessen. Nach dem Mittagessen nehme ich euch mit in meine Fabrik, ich frage euch, ob ihr mir bei der Arbeit helfen wollt. Gegen 16 Uhr fahren wir nach Hause, ich zeige euch das ganze Gebäude, wir trinken Kaffee. Danach unterhalten wir uns darüber, wie ihr das Haus findet, was ihr ändern würdet und so weiter. Dann zieht ihr euch zurück, ich setze mich in mein Studierzimmer und lese noch ein paar Akten. Um sieben Uhr gibt es wieder Abendessen. Abends fahren wir nach München und besuchen die Diskotheken in Schwabing, wir machen einen richtigen Diskothekenbummel. Gegen drei Uhr morgens holt uns mein Chauffeur am Hauptbahnhof ab, weil wir ja selbst nicht mehr fahren können. Am nächsten Morgen schlafen wir bis neun oder zehn Uhr, ich habe mir den Vormittag freigenommen. Wir gehen reiten oder schwimmen in meinem Teich. Vor dem Mittagessen genehmigen wir uns einen trockenen Sherry. Nach dem Mittagessen ist erstmal zwei Stunden Ruhe, wo ihr machen könnt, was ihr wollt. Nachmittags miete ich in München die Pferderennbahn, wir veranstalten ein Pferderennen, bei dem wir selbst reiten. Nach unserem Rennen kommen die richtigen Jockeys dran, wir schließen Wetten ab und sehen uns dieses Rennen auch an. Danach essen wir noch im besten Restaurant Münchens auf meine Rechnung. Anschließend fahren wir nach Hause, ziehen uns total schick an und gehen in die Spielbank. Während ihr in der Spielbank seid, ziehe ich mich in meinen privaten Schachclub zurück und spiele eine Partie. Gegen elf Uhr fahren wir nach Hause. Wer meint, daß er noch unbedingt etwas anstellen muß, kann später nachkommen. Am folgenden Morgen gehe ich wie gewöhnlich arbeiten. Ihr wollt mir eine Überraschung machen und kocht für mich. Mondy sucht die besten Weine für mich aus. Es wird ein Essen mit 15 Gängen und immer ganz wenig pro Gang. Nach dem Essen habt ihr wieder zwei Stunden Pause, wo ich mich in meiner Bibliothek vergnüge. Am Nachmittag machen wir mit meinen Motorbooten, die ferngesteuert sind, eine kleine Rundfahrt auf meinem Teich. Zum Abendessen gibt es diesmal Knäckebrot mit Honig und Frühlingsquark und Salate. Nach dem Abendessen treffen wir uns in meiner Bibliothek und erzählen aus unserer Kinderzeit.
Ich gehe bald schlafen, was ihr macht, ist mir egal. Am Freitag ist der 13. Da habe ich Geburtstag. Ich gehe auch an meinem Geburtstag arbeiten. Zu Mittag gibt es mein Lieblingsessen, Steak, Pommes und Salat, zum Nachtisch Schokoladepudding mit viel Schlagsahne. Ihr könnt machen, was ihr wollt, ich jedenfalls ziehe mich zurück und lese die neuesten Bücher. Zum Kaffee erscheine ich wieder. Wir kleiden uns um, am Abend gebe ich eine Party mit meinen Freunden und Freundinnen, Birgit wird auch eingeladen. Bis um zehn Uhr feiern wir gemeinsam, dann ziehe ich mich mit meinem Freund zurück. Mit dem spiele ich dann Schach. Gegen zwölf Uhr komme ich wieder herunter, verabschiede meine Gäste. Mein Freund bleibt über Nacht. Morgens haben wir alle einen kleinen Kater, außer Angelika, die nur Tee getrunken hatte. Weil Samstag ist, habe ich frei. Wir organisieren ein großes Autorennen. Jeder nimmt mit seiner eigenen Rostmühle daran teil. Das Mittagessen lassen wir ausfallen, da gibt es nur heiße Würstchen und Pommes, wie auf jedem Rennplatz. Nach dem Autorennen hole ich für jede von euch ein Motorrad aus meinem Wagenpark, und jede kriegt Lederkleidung, einen Helm und Nierenschutz. So fahren wir ein bißchen durch die Gegend.
Dann kommt das große Abschiedsfest, weil ihr ja nun alle wieder wegfahrt. Ich kann Besuch nicht länger als eine Woche aushalten. Das Abschiedsfest wird ein Lumpenball, die Einladungen sind auf Klopapier geschrieben, und die Briefumschläge sind selbstgebastelt. Die Briefe werden unfrankiert abgeschickt. Gegen 19 Uhr kommt ihr in den ältesten Autos an. Jeder kriegt eine alte Flasche Fusel in die Hand gedrückt. Das Ganze findet im Freien statt, im Winter im Freien. Zum Abschluß machen wir eine riesengroße Schneeballschlacht. Wenn es euch zu kalt wird, könnt ihr euch in meinem großen exotischen Garten aufwärmen. Am Sonntagmorgen wachen wir erst zum Mittagessen auf. Dann essen wir großartig, es gibt viele ausländische Speisen. Abends gibt es nochmal einen Ball, wo man nur alte Kleider tragen darf, alte Fräcke und Abendkleider mit weiten Röcken und Korsetts. Mondy und ich tragen Fräcke und Zylinder und kleine Spazierstöckchen. Auf dem Ball werden auch nur Wiener Walzer und andere alte Tänze getanzt. Am Montag Morgen fahrt ihr ab. Ich gehe frühmorgens, wenn ihr noch schlaft, durch eure Zimmer und sage ciao. Dann fahre ich in mein Büro.

  • Die Gesellschaft trennt sich wieder,
    jede kehrt in ihr Haus zurück.
    Im Frühjahr werden sie von Wilma eingeladen.

Wilma:
Ihr könnt kommen, wie ihr wollt, mit dem Auto, dem Bus oder dem Flugzeug. Ich zeige euch meine Insel, ihr packt euer Gepäck aus, dann zeige ich euch meine Villa. Beim Mittagessen kann jede essen, was sie will, von mir aus könnt ihr auch Diät machen. Nach dem Essen wird ein Mittagsschlaf gemacht, danach unterhalten wir uns darüber, was wir erlebt haben in der Zeit, wo wir uns nicht gesehen haben. Am Abend veranstalte ich eine Party. Davor haben wir noch Zeit zu meditieren.
Ihr könnt ins Bett gehen, wann ihr wollt. Am nächsten Tag werden wir zum Mittagessen geweckt. Nach dem Mittagessen könnt ihr Frühsport machen, boxen, reiten, surfen, Fußball spielen oder Wasserski fahren. Dann machen wir Erinnerungsbilder. Am Abend besuchen wir eine Disco, jede zieht sich an, wie es ihr Spaß macht. Wir tanzen und trinken Alkohol, es gibt keine Schlägerei. Um drei Uhr morgens gehen wir heim. Am nächsten Morgen stehen wir um zehn Uhr auf. Nach dem Frühstück gehen wir an den Strand und machen einen Wettbewerb, wer die schönste Sandburg bauen kann. Wir machen am Strand ein Motocross-Rennen. Nachmittags gehen wir auf Tigerjagd in meinem Urwald. Am späten Nachmittag kann jede wieder machen, was sie will. Abends veranstalten wir einen Ball im Garten, sowas ähnliches wie eine Grillparty. Jede geht dann ins Bett, wann sie will. Am nächsten Morgen stehen wir um neun Uhr auf, dann machen wir Wettspiele, z.B. auf einen Baum klettern oder bergsteigen. Am Mittag machen wir einen Rundflug, danach fliegen wir nach Neapel und sehen uns die Modegeschäfte an. Wer einen Typ hat, kann sich abends mit ihm treffen, wer keinen hat, kann auch machen, was er will. Ihr könnt heimkommen, wann ihr wollt, Hauptsache, ihr kommt irgendwann. Am nächsten Tag gibt es um zehn Uhr Frühstück, wenn ihr wollt. Danach gehen wir auf die Eisbahn, bis zum Mittagessen. Es gibt Krebse und Schnecken und Froschschenkel und Salat, alle Salate, die es auf der Welt gibt. Am Abend findet ein Ball statt, wo wir Abendkleider anziehen. Mondy und Mata Hari können Smokings tragen, aber jede muß sich Blumen ins Haar stecken. Es gibt eine ganz große Tafel mit lauter Essen, Obstsalate und Gemüsesalate und so weiter. Es wird nur Musik gespielt, auf die die Erwachsenen tanzen, Walzer und Tango und Foxtrott. Am nächsten Morgen fällt das Frühstück aus, wir treffen uns um zwölf Uhr zum Mittagessen. Am Nachmittag gehen wir in einen Boxring, ich boxe gegen alle, dann sehen wir bei einem Boxturnier zu.
Am späten Nachmittag fahren wir mit den Motorbooten und machen Wettrennen. Abends machen wir ein ruhiges Beisammensein mit Wein und Plätzchen und so. Immer abends wegzugehen, ist auch nicht das Wahre. Wir können Karten spielen, Skat beispielsweise, oder, wer Lust hat, kann auch ins Bett gehen oder fernsehen oder in meinem Privatkino James Dean-Filme ansehen. Am nächsten Tag könnt ihr aufstehen, wann ihr wollt, und den ganzen Tag tun und lassen, was ihr wollt. Ihr könnt an diesem Tag auch Verabredungen machen.
Wieder am nächsten Tag treffen wir uns um neun Uhr zum Frühstück und unterhalten uns über den vergangenen Tag. Ihr könnt dann ins Musikzimmer oder in die Bibliothek. Später machen wir aus, daß jeder jedem am letzten Tag ein Geschenk macht. Am Abend bekommt jeder ein Wasserfahrzeug, um seine Geschenke einkaufen zu können.
Am nächsten Morgen frühstücken wir um sieben Uhr, dann bereiten wir das Abschiedsfest vor, denn die Angestellten haben frei. Auf das Fest könnt ihr kommen, wie ihr wollt, anständig angezogen oder in Lumpen. Das Fest findet im ganzen Haus statt, im Garten gibt es ein Liebeseck, wo es dunkel ist. In einem Raum spielt eine Band, in einem Raum spielt nur englische Musik und so weiter. Jede kann ins Bett gehen, wann sie will, wenn sie bei dem Lärm schlafen kann.
Eine Bedingung habe ich: daß ihr immer eure Zimmer selbst aufräumt und daß Ordnung ist.
Am letzten Tag frühstücken wir um sieben Uhr, jede kann tun und lassen, was sie will, wir unterhalten uns noch ein bißchen, und zum Schluß werden die Geschenke überreicht. Mit Tränen in den Augen fahrt ihr heim.

  • Zum Schluß entschließt sich auch Angelika,
    ihre Freundinnen einmal einzuladen.

Angelika:
Wir treffen uns am Montag um zwölf Uhr in New York im Club 54, und da bleiben wir dann so bis um drei Uhr. Dann fliegen wir mit meinem Privatflugzeug in meinen ägyptischen Palast. Dort erwarten uns schon meine zwei Ehefrauen und die beiden Ehemänner. Ich stelle sie euch vor: Zuerst mal Claudine, sie hat braune, schulterlange Haare und braune Augen. Sie ist die Lustigste von allen. Dann kommt Jacqueline, sie hat blonde Krauslocken und blaue Augen. Sodann mein Mann Uwe, er ist auch blond und hat braune Augen. Als letztes Pierre, er hat schwarze Haare und auch blaue Augen. Sie können alle deutsch und englisch und französisch. Nach der Vorstellung zeige ich euch den ganzen Palast und die Schlafräume. Anschließend gibt es Abendessen, und dann könnt ihr euch erholen.
Am Morgen reiten wir zum Strand, baden, und da ist auch ein kaltes Buffet mit Broten für ein gutes Frühstück aufgebaut. Dann fahren wir Wasserski, nachmittags gehen wir Segeln, abends gehen wir früh schlafen. Am darauffolgenden Morgen frühstücken wir gegen neun Uhr, dann fahren wir mit einem Unterseeboot die Klippen entlang. Im Unterseeboot essen wir auch zu Mittag und trinken Tee zur Teezeit. Gegen 16 Uhr ist unsere Unterseefahrt beendet, wir kehren nach Hause zurück, ich lasse meine Band für euch spielen, dazu gibt es heiße Getränke. Wir feiern bis in die Nacht. Am nächsten Tag treffen wir uns am Vormittag in der Bibliothek und lesen. Am Nachmittag fliegen wir kurz mal nach New York und kaufen schicke Klamotten ein. Abends gehen wir in die Disco, wo wir uns auch zu Anfang getroffen haben. Gegen fünf Uhr morgens kehren wir zurück in den Palast.
Am nächsten Morgen reiten wir ein bißchen durch die Steppe, ich zeige euch meine Burgen und Schlösser. Dann gehen wir in einer Höhle spazieren, es ist eine Tropfsteinhöhle, ich kenne mich da ganz toll aus. Wieder am nächsten Tag frühstücken wir in der Vanille-Plantage, wo es so schön nach Vanille duftet. Ich stelle euch meine Planetenfreunde vor. Mit ihnen feiern wir dann auch. Am letzten Tag seid ihr etwas verkatert, ihr bekommt von mir Aspirin. Am Morgen gebe ich für euch ein Konzert, ich spiele Gitarre. Am Nachmittag halte ich meine Problemstunde im Fernsehen, dazu nehme ich euch mit. Dann verabschiedet ihr euch von mir, ich gebe euch noch kleine Geschenke mit und lade euch für ein anderes Mal wieder ein.

  • Nachdem die jungen Frauen nun das Leben
    einer jeden kennengelernt haben, treffen
    sie sich nach langer Zeit wieder
    einmal im Mädchenclub und diskutieren darüber,
    wie ihnen die einzelnen Besuche gefallen haben.

 

 

Schlußdiskussion

Birgit:  Wo hat es euch denn nun am besten gefallen?
Christine: Am allerbesten hat es mir eigentlich bei Wilma gefallen, weil sie so ähnlich lebt wie ich. Sie hat genau wie ich ein Haus auf einer Insel und liebt die teuren Sachen.
Mondy: Mir hat es bei allen gut gefallen, es gibt aber ein paar Gründe, warum es mir nicht so gut gefallen hat. Erstens, weil Mata Hari immer gearbeitet hat, als wir sie besucht haben, das finde ich nicht gastfreundlich. Am besten gefiel es mir bei mir, weil ich mich da zusaufen konnte, ja, bei Mata Hari ging das auch, aber bei vielen ging es nicht, und sie haben mich auch nicht mal verhauen, das find ich nicht gut, ich brauche sowas nämlich.
Birgit: Warum brauchst du das eigentlich?
Mondy: Ich tu mir eben gerne weh. Vielleicht hat das was damit zu tun: Wenn ich in den Masochistinnenraum gehe, dann tu ich euch auch weh, seelisch. Vielleicht macht es mir auch Spaß, euch wehzutun.
Mata Hari: Mir gefiel es am besten bei Christine. Bei Mondy und Angelika und Wilma gefiel es mir auch.
Mondy: Warum gefiel es dir bei mir nicht am besten?
Mata Hari: Bei dir war viel zu viel zu trinken.
Mondy: Warum denn, ihr braucht euch doch nicht zuzusaufen, es reicht doch, wenn ich es tue.
Mata Hari: Also, ich habe keine Lust, so einem besoffenen Gastgeber entgegenzufallen.
Mondy: Solange ich noch Flanell-Läppchen sagen kann
Mata Hari: Also, ob du das dann noch sagen kannst, ist eine andere Frage.
Christine: Warum willst du dich kaputtmachen, wenn du dann doch immer deine Tablette nimmst und unsterblich bist?
Mondy: Ich kann ja auch Selbstmord machen, und nach fünf Jahren nimmt meine Seele eine Tablette, und ich kann wieder leben. Ich will ja nur weiterleben, und dazu will ich, daß ich mir eben weiter auch wehtun kann. Ich hab auch was vom Leben, es ist schön bei mir. Es ist ja nur ein Traum: Wenn ich leben will, merkt das meine Seele.
Christine: Irgendwie ist das anomal.
Mondy: Es ist Träumerei.
Christine: Aber weswegen, wenn du es nur als Erfindung machst, so nur aus Laune, weil du eben anders als die anderen sein willst - ich kenne keinen Menschen, der sich selbst quälen will.
Mondy: Angelika, hat es dir bei mir gefallen?
Angelika: Ich find es unheimlich blöd, daß du dich immer gequält hast und daß wir zusehen mußten.
Mondy: Warum siehst du das nicht gerne? - Was mir bei dir nicht so gefiel, daß du nicht soviel gemacht hast. Das war so ein bißchen leer.
Christine: Bei Angelika war genausoviel los, sie hat nur kürzer erzählt.
Mondy: Bei dir, Christine, hat mir nicht so gefallen, daß ich meine Tabletten nicht nehmen durfte. Und was wäre gewesen, wenn ich nun hundert Jahre alt gewesen wäre, und ich wäre dann verreckt?
Christine: Das hättest du ja dann sagen können, dann hätte ich dir eine Tablette gegeben. Außerdem sehe ich das gar nicht ein, daß ich euch einlade nur zum Betrinken. Vielleicht hast du deinen Spaß daran, aber die anderen wollen schließlich auch ihren Spaß haben, und wenn sie dich dann sehen...
Mondy: Also, das kann mich überhaupt nicht belasten. Wie gesagt, bei Mata gefiel mir nicht so sehr, daß sie immer gearbeitet hat. Ok, ich arbeite auch, ich schreibe meine Bücher. Ich finde es gut, wenn man träumt, und trotzdem tut man noch was.
Christine: Dagegen hat ja niemand etwas, aber eine Woche lädt sie uns ein, und dann geht sie sogar am Tag unserer Ankunft und unserer Abreise noch arbeiten, das finde ich nicht so gut.
Mata Hari: Aber wie soll ich denn mit meiner Arbeit fertigwerden, soll ich denn alles einfach stehen und liegen lassen?
Christine: Du hast doch dein Leben lang Zeit zu arbeiten.
Mata Hari: Ich hab es halt so gemacht. Aus dem einen Grund: Weil ich euch nicht immer aushalten kann.
Christine: So so, nicht mal eine Woche lang.
Mondy: Was mir bei euch - außer bei Mata - noch nicht so gut gefallen hat, ist, ihr seid alle immer stinkfaul. Bei mir wurde wenigstens richtig Frühsport gemacht...
Christine: Das haben wir sonst auch - Wettkämpfe gemacht und so.
Mondy: Mir gefällt auch meine Idee mit der Ruine und dem Haus und dem Schloß - da weiß ich immer, wie es allen Leuten geht. Und was ich auch nicht so gut finde, daß ihr alle mit den Typen rummacht.
Christine: Dafür hast du deine Liebeswanne.
Mondy: Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mensch ohne Liebe leben kann.
Mata Hari: Und wenn man eben Typen haben will...
Mondy: Ich brauche auch Liebe, aber deshalb brauche ich noch keine Typen.
Angelika: Ja, aber sieh mal, wir wollen dafür eben Typen haben, und du kannst doch nicht sagen, nur weil du das nicht haben willst, dürfen die anderen auch nicht.
Mondy: Ich merke, ich kriege gleich Wut. Ich weiß nicht warum, aber ich kann da unheimlich aggressiv werden.
Christine: Aber Angelika, sag doch mal, wie es dir gefallen hat.
Angelika: Mir hat es eigentlich überall gefallen, nur bei Mondy die Quälereien nicht, und daß Mata die ganze Zeit gearbeitet hat, fand ich auch nicht so schön.
Christine: Also, was ich toll finde bei den Geschichten, ist, wir sind fünf unterschiedliche Leute, ok, Mata geht arbeiten, und Mondy ist masochistisch, aber alle mögen wir Luxus gerne - Mata liebt teure Jacketts und wir Ballkleider. Das finde ich gut.
Mondy: Mir liegt nichts an Luxus, ich brauch das nicht.
Mata Hari: Aber du müßtest nicht kämpfen - z.B. um an Alkohol ranzukommen.
Mondy: Den Kampf will ich auch. Ich finde es auch nicht gut, wie ich jetzt lebe, ich finde das Leben jetzt ziemlich beschissen.
Christine: Mir ist aufgefallen, daß Mondy die längste Geschichte erzählt hat, meine Geschichte ist auch noch ziemlich lang, aber dann fällt es irgendwie ab, vielleicht hat alles zu lange gedauert.
Angelika: Das hat damit nichts zu tun. Es ist einfach so, daß ich mich momentan nicht in der Lage fühle, eine Geschichte zu machen und jemandem Gastfreundschaft anzubieten. Ich hätte am liebsten gesagt, ich will nicht, ich will alleine sein. Ich bin gerne allein, und das ist eine Zeitspanne, dann ist es auch wieder anders. Es hängt auch damit zusammen, daß ich in der letzten Zeit viel Krach habe überall. Ich fand die Idee der Geschichte zuerst unheimlich toll, und dann fand ich sie nicht mehr so toll. Ich fand meine Geschichte, wie ich sie zuerst erzählt habe, zum Schluß nicht mehr gut.
Mondy: Aber zu Hause hätte ich es nie fertiggebracht, so eine Geschichte zu erzählen, alle die Gedanken, nein, das wäre unmöglich.
Birgit: Aber daß diese Geschichte nun veröffentlicht werden soll, macht euch keine Schwierigkeiten?
Mondy: Naja.

         

Nachbemerkung der Berichterstatterin

Diese Geschichte soll nicht interpretiert werden. Meiner Meinung nach würde eine Interpretation eine pädagogische Verformung bedeuten, die den Autorinnen ihre Geschichte wegnimmt. Und, darüber sind wir uns sicher einig, jede Frau hat ein Recht auf ihre eigene Geschichte. In der von Anstrengung und Intensität - manchmal auch von Enttäuschung bestimmten Arbeit mit den jungen Mädchen ist es für mich ein wichtiges Prinzip, ihre Ängste, die realen Kämpfe, die sie an allen Ecken und Enden führen müssen, aber genausosehr ihre Träume ernstzunehmen. Es gibt kaum ein junges Mädchen, das nicht von einer besseren Zukunft träumt. Die Träume sind Ausdruck der Sehnsucht nach Freiheit von Not und Elend und Verzweiflung. Demgegenüber stehen die Klischees, die manchmal schier unerträglich kitschig erscheinen aber, wer entscheidet hier über Originalität, Authentizität und Geschmack? Vor allem, solange es uns nicht möglich ist, an das sogenannte normale Leben, die berufliche Realität mit dem gleichen Anspruch heranzugehen... Real ist die Scham über die Unwürdigkeit des Daseins. Viele der Mädchen werden von ihren Eltern verhauen, wenn sie zu spät nach Hause kommen, kaum eine, die sich der Kontrolle ihrer Bedürfnisse durch Schule und/oder die Eltern entziehen kann. Wo fängt jemand an zu träumen, wo finden die Träume ihr Ende? Es erscheint mir notwendig, die Träume zu entwickeln und an ihnen festzuhalten, um im Kampf um eine etwas menschenwürdigere Realität nicht vor der Kläglichkeit des Alltags zu scheitern.
Ich will zum Schluß noch einige Anmerkungen zur Entstehung der Geschichte geben. Die fünf Autorinnen sind Schülerinnen, zwischen 13 und 15 Jahre alt. Sie besuchen regelmäßig den Mädchenclub in der Beratungsstelle für arbeitslose Mädchen. Wir trafen uns - außerhalb des normalen Betriebs - insgesamt achtmal, um diese Geschichte zu spinnen. Am Anfang diskutierten wir zunächst unspezifisch persönliche Probleme wie Einsamkeit, Liebe und so weiter und darüber, wie man so eine Geschichte schreiben könnte. Diese Diskussionen wurden auf Tonband mitgeschnitten, hinterher abgetippt und als Protokolle den Mädchen gegeben, damit sie sich bis zum nächsten Treffen weitere Gedanken machen konnten. Beim dritten Treffen kristallisierte sich heraus, worum es bei der Geschichte gehen sollte: Es sollten nicht einfach Schwierigkeiten dargestellt werden, sondern ein wenig gesponnen werden darüber, wie sich jede einzelne das Leben vorstellen würde, wenn...
Jede erzählte zunächst, wie sie sich ihr Leben vorstellen würde, wenn sie alle ihre Träume verwirklichen könnte, dann lud jede die anderen zu sich ein, in ihr fiktives Leben. Diese Berichte wurden dann von mir jeweils mitstenografiert, abgetippt und vor dem nächsten Treffen den Mädchen zum Durchlesen gegeben. Beim achten und letzten Treffen der Geschichtsgruppe wurde rundum diskutiert, diese Diskussionen wurden wieder auf Tonband aufgenommen und etwas verkürzt in die Geschichte aufgenommen.
Im Verlauf der Arbeit der Traumgeschichtengruppe gab es Schwierigkeiten im Mädchenclub: Die, anderen fühlten sich ausgeschlossen; sie mitten in der Arbeit einzubeziehen, schien uns aber nicht möglich. Hinzu kam, daß in der Arbeit an der Geschichte die Beziehungswünsche und -konflikte zwischen den Mädchen, die durch die gemeinsame Arbeit an die Oberfläche kamen, nicht genügend aufgegriffen werden konnten.
Birgit Daiber